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German Pages 376 Year 2006
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 346
Die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen Von Bert Stresow
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
BERT STRESOW
Die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 346
Die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Von Bert Stresow
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 517 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-12007-8 978-3-428-12007-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die Arbeit wurde am 27.01.2004 der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam vorgelegt und auf der Grundlage der Disputation am 26.11.2004 mit „summa cum laude“ bewertet. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis Ende 2003 berücksichtigt. Durch diese Arbeit fühle ich mich meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Detlev W. Belling, verbunden. Er hat nicht nur diese Arbeit angeregt und nachhaltig betreut. Er hat mich auch vom Beginn meines Studiums der Rechtswissenschaften an und über meine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an seinem Lehrstuhl hinaus stets gefordert und gefördert. Ich danke ihm ausdrücklich. Weiterer Dank gilt dem ehemaligen Kurator der Bibliothek des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes, Herrn Vorsitzenden Richter i. R. Frechen. Die mit ihm auch abseits der Rechtswissenschaften geführten Gespräche haben meinen Ehrgeiz zur Erstellung der Arbeit bestärkt. Weitere Unterstützung fand ich durch den Leiter und die Mitarbeiterinnen der Bibliothek. Gleichsam danke ich auch meinen heutigen Partnern in der Sozietät „kanzlei große-boymann“ in Brandenburg. Sie haben die wirtschaftliche Grundlage dieser Arbeit mit unterstützt. Meiner lieben Ehefrau Simone gebührt der größte Dank. Ohne ihren Rückhalt wären weder Studium noch Promotion je möglich gewesen. Gewidmet ist die Arbeit meinem Sohn Maximilian. Mag sie ihm Bespiel dafür sein, daß auch größere Ziele erreichbar sind. Brandenburg an der Havel, Mai 2006
Bert Stresow
Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
§1
Der aktuelle Erkenntnisstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit . . III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 43 58 78
§2
Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Der Gegenstand der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Die Einordnung in die Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
§3
Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe . . . . . . . 130 I. Die bürgerlich-rechtliche Normierung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . 132 II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . 133
§4
Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 148 I. Die Begrenzung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Die beiden Seiten der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
§5
Richterliche Inhaltskontrolle und materielle Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . I. Der Zweck der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schutzgrund der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Maßstab der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die richterliche Inhaltskontrolle als Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . .
§6
Die allgemeinen Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . 170 I. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
§7
Die I. II. III. IV. V.
normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen . . . . . . . Die Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Sittenwidrigkeitsvorwurf nach § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben . . . .
162 162 163 163 165
177 177 178 184 186 187
8
Inhaltsübersicht
§8
Die I. II. III. IV.
Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vertragsdisparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis von Vertragsdisparität und Machtdisparität . . . . . . . . . . . .
211 211 218 227 234
§9
Der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen . . . . . . . . . . . I. Der verfassungsrechtliche Abgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abbildung auf privatrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die richterliche Inhaltskontrolle als ein Prüfungsverfahren . . . . . . . . . . .
240 241 242 244
§ 10 Ein Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten anläßlich der notariellen Beurkundung ihres Ehevertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fehlende Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die geschäftliche Unerfahrenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Überraschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Vertragsdiktat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die vorformulierten Eheverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248 271 274 282 286 308 313
Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen . . . . Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ausnahme der Gesamtunwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lückenfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
315 317 331 332
§ 11 Die I. II. III.
248
§ 12 Die Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Der aktuelle Erkenntnisstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1408 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Typenzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 1409 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 1410 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. § 1408 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. § 1587o BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Ehevertrag im erweiterten Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Vertragsfreiheit im Unterhaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit . . 1. Das Wesen des Güterstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die allgemeinen Schranken der Ehevertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . a) Das gesetzliche Verbot (§ 134 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der sittenwidrige Ehevertrag (§ 138 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) . . . . . . . . . . . aa) Das Mißbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) . . . . . . . . . . . . III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ansichten zur vollen Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vermittelnden Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Begrenzung der Ehevertragsfreiheit durch richterliche Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Urteil vom 06.02.2001 – „Freistellung von Kindesunterhalt“ . . a) Der Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entscheidungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Ehevertragsfreiheit als Schutzpflicht (Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen . . . . . . . . . . . bb) Art. 3 Abs. 2 GG und die Eheschließungsfreiheit . . . . . . . . .
22 22 22 23 24 25 25 28 32 33 42 43 43 44 45 47 54 54 55 56 58 59 66
§1
73 78 79 79 81 81 81 83
10
Inhaltsverzeichnis d) Der besondere Schutzanspruch der Mutter (Art. 6 Abs. 4 GG) . e) Der besondere Schutzauftrag zum Kindeswohl (Art. 6 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Kammerbeschluß vom 29.03.2001 – „Unterhaltsverzicht“ . . . . . a) Der Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Tenor der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der besondere Schutzanspruch der Mutter (Art. 6 Abs. 4 GG) . 3. Die Berücksichtigung dieser Entscheidungen in der Rechtsprechung
93 101 102 103 103 106
§2
Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Gegenstand der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Inhaltskontrolle im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die richterliche Inhaltskontrolle im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Einordnung in die Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die einzelnen Instrumentarien der Vertragskontrolle . . . . . . . . . . . . . . a) Das Stufenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Sittenwidrigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das zwingende Recht und die Verbotsgesetze . . . . . . . . . . . . cc) Die Inhaltskontrolle als Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . c) Die Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausübungskontrolle contra Angemessenheitskontrolle? . . . . bb) Ausübungskontrolle und Angemessenheitskontrolle . . . . . . . 2. Ein Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115 115 115 117 120 120 120 122 122 123 123 124 125 126 128
§3
Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe . . . . . . . I. Die bürgerlich-rechtliche Normierung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . 1. §§ 241, 305 BGB a. F.; § 311 Abs. 1 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Überschrift zu § 1408 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . 1. Die Vertragsfreiheit im Text des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . 3. Die verfassungsrechtliche Anknüpfung der Ehevertragsfreiheit . . . . . a) Die Ehevertragsfreiheit in Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ehevertragsfreiheit und gesetzlicher Güterstand . . . . . . . . . . . c) Die Ehevertragsfreiheit und die Förderung von Ehe und Familie d) Die Ehevertragsfreiheit und das Gebot einer Inhaltskontrolle . . . 3. Eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130 132 132 132 133 133 136 138 139 142 144 145 147
§4
Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 148 I. Die Begrenzung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Die beiden Seiten der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
89
Inhaltsverzeichnis
11
1. Die formelle Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die materielle Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Umsetzung der grundgesetzlichen Werteordnung . . . . . . . . . . b) Der Gegenstand materieller Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis von formeller und materieller Vertragsfreiheit . . . . . .
152 153 154 156 159
§5
Richterliche Inhaltskontrolle und materielle Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . I. Der Zweck der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schutzgrund der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Maßstab der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die richterliche Inhaltskontrolle als Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptleistungspflichten und Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richterliche Inhaltskontrolle und Zivilprozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Kompetenz zur richterlichen Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . 4. Kein Schutzvorrang im Rahmen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . .
162 162 163 163 165 166 167 168 168
§6
Die allgemeinen Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . 170 I. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
§7
Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen . . . . . . . I. Die Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . 1. Keine Analogie mangels Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Inhaltskontrolle formelhafter Klauseln in Notarverträgen . . . . . . 3. Keine Rechtsänderung durch § 307 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Beschränkung der Inhaltskontrolle auf Formularverträge . . . . 5. Keine Sperrwirkung des AGB-Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Inhaltskontrolle im Ausnahmebereich, § 310 Abs. 4 S. 1 BGB . . . . III. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Sittenwidrigkeitsvorwurf nach § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben . . . . 1. Die richterliche Inhaltskontrolle nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 177 178 178 179 180 181 182 183 184 186 187 187 188
b) Formelhafter Gewährleistungsausschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . 189 d) Verbandsnormen und Satzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Das übergeordnete Prinzip von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Das Prinzip von Treu und Glauben und §138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Die tatbestandliche Nähe von § 138 BGB und der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
12
Inhaltsverzeichnis aa) Der Vergleich zwischen § 138 Abs. 1 BGB und §§ 9 Abs. 1 AGBG, 307 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Normstruktur von §§ 134, 138, 242, 307 BGB . . . . . . . . b) Die richterliche Inhaltskontrolle auf der normativen Grundlage von § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das sittenwidrige Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Vermutung der Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Vermutung der Sittenwidrigkeit beim Ehevertrag . . . . . . 4. Das Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§8
§9
193 194 194 195 199 208 209
Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ableitung aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Vorgaben zum Wie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Aufnahme durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Aufnahme in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien . . . . . . . . 3. Eine Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vertragsdisparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ungewöhnlich starke Belastung durch den Vertrag . . . . . . . . . . . . 2. Der Vertrag als Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die äußere Machtdisparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die unmittelbar personenbezogene Disparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die individuelle Situation beim Vertragsabschluß . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die fehlende Bestimmtheit des Paritätsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis von Vertragsdisparität und Machtdisparität . . . . . . . . . . . . 1. Die Relevanz der einzelnen Paritätskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das bewegliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ein Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 212 212 214 215 217 218 218 225 227 228 230 231 232 234 234 236 239
Der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen . . . . . . . . . . . I. Der verfassungsrechtliche Abgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abbildung auf privatrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die richterliche Inhaltskontrolle als ein Prüfungsverfahren . . . . . . . . . . .
240 241 242 244
§ 10 Ein Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten anläßlich der notariellen Beurkundung ihres Ehevertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gleichzeitige, aber nicht persönliche Anwesenheit . . . . . . . . . . . . 2. Der Ehevertrag als Vertretergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 211
248 248 251 255
Inhaltsverzeichnis
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3. Der Ehevertrag als Insichgeschäft, § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Form des § 1410 BGB für die Vollmacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Vertretung ohne Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Ehegatte als vollmachtloser Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Niederschrift vor dem Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Das Vertretergeschäft als Anlaßgrund zur Inhaltskontrolle . . . . . . . . . II. Die fehlende Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die geschäftliche Unerfahrenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lebensalter und Vorbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsgefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende Sprachkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Überraschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Vertragsdiktat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das interne Vertragsdiktat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ehevertrag als Bedingung für die Eheschließung . . . . . . . . . . b) Die Schwangerschaft der Braut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Ehevertrag als Bedingung für die Fortsetzung der Ehe . . . . . d) Der Ehevertrag und die Jahresfrist nach § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Ehevertrag und die Scheidungserschwerung . . . . . . . . . . . . . . 2. Das externe Vertragsdiktat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aus gesellschaftsrechtlicher Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus testamentarischer oder erbvertraglicher Bindung . . . . . . . . . . c) Wegen ausländerrechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aus gesellschaftlichem oder moralischem Pflichtgefühl . . . . . . . . VI. Die vorformulierten Eheverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256 259 262 263 268 269 271 274 275 275 278 281 282 286 290 293 293 294
Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen . . . . Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ausnahme der Gesamtunwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lückenfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lückenfüllung durch das dispositive Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . 2. Die Lückenfüllung bei fehlender gesetzlicher Regelung . . . . . . . . . . .
315 317 331 332 332 335
§ 11 Die I. II. III.
295 299 301 303 305 305 307 308 313
§ 12 Die Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
Abkürzungsverzeichnis (Für weitere Abkürzungen wird verwiesen auf: Meyer, Dieter:
Juristische Fremdwörter, Fachausdrücke und Abkürzungen, 11. Auflage, 2002. Butz, Cornelie/Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 2003. www.zap-verlag.de/online-dienste/iusgratis/akv.html a. A. a. a. O. abl. AblEG Abs. AcP a. E. a. F. AG AGB AGBG AK a. M. AmtsG Anh Anm. Anm. d. Verf. AnwBl AP ArbuR Art. AT AuA AufhebVtr Aufl. AuslG AVBEltV Az
anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung; alte Folge Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alternativ-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch andere Meinung Amtsgericht Anhang Anmerkung Anmerkung des Verfassers Anwaltsblatt Arbeitsrechtliche Praxis; Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Arbeit und Recht Artikel Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht Aufhebungsvertrag Auflage Ausländergesetz Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden Aktenzeichen
Abkürzungsverzeichnis BAG BauR BayObLG BayObLGZ BayVerf BB BbgVerf Bd. Bearb. Bekl. BetrVG BeurkG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BKleingG BKR BMJ BR-Drs. bspw. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE c. i. c. DB DDR ders. dies. DiskE DnotZ DRiZ DRV DtZ DuR DVBl. DZWir EGBGB
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Bundesarbeitsgericht Baurecht Bayerisches Oberstes Landgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landgerichts in Zivilsachen Bayerische Verfassung Der Betriebs-Berater Brandenburgische Verfassung Band Bearbeiter Beklagte(r) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskleingartengesetz Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Justiz Drucksachen des Deutschen Bundesrates beispielsweise Deutscher Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts culpa in contrahendo Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe dieselbe Diskussionsentwurf Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Richterzeitung Deutsche Rentenversicherung Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
16 EheG EheRG Einf. Einl. ErfKomm EWG EWiR f. FA FamRB FamRZ FF ff. FGB FGG FS FuR FÜR Fußn. GBl. DDR GBO GG GleichberG GmbH GmbHG GmbHR GRUR GSZ GVBl. GWB HGB h. M. Hrsg. HTWiG i. d. F. i. V. m. JA JR Jura JurBüro JuS
Abkürzungsverzeichnis Ehegesetz Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts Einführung Einleitung Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende (Seite) Fachanwalt Arbeitsrecht Zeitschrift für die beratende und gerichtliche Praxis Familienrechtsberater Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Forum Familien- und Erbrecht folgende Familiengesetzbuch Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Festschrift Familie und Recht Familie, Partnerschaft, Recht Fußnote Gesetzblatt der DDR Grundbuchordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gleichberechtigungsgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat für Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber Haustürwiderrufsgesetz in der Fassung in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Das juristische Büro Juristische Schulung
Abkürzungsverzeichnis JW JZ Kap. KG KindRG Kl. krit. KSchG LAG LM LPartG LPG LS LuftVZO MDR m. E. MittBayNot MittRhNotK MünchKomm m. w. N. NEhelG n. F. NJW NJWE-FER NJW-RR NotBZ Nr. NVwZ NZA NZA-RR NZG OLG OLG-NL OLGR PKH RBerG RdA Rdnr. Recht RG RGBl.
Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Kindrechtsreformgesetz Kläger(in) kritisch Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Lebenspartnerschaftsgesetz Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Leitsatz Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen Rheinische Notar-Kammer Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisungen Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht NJW Rechtssprechungs-Report Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beurkundungs- und Beratungspraxis Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtssprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht OLG-Rechtssprechung Neue Länder OLG-Report Prozesskostenhilfe Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Randnummer Das Recht Reichsgericht Reichsgesetzblatt
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18 RGRK RGZ RheinlPfälzVerf RiLi RNotZ Rpfleger RPflG RuhegeldGHbg S. SaarlVerf SchlHA SchuldRModG SFHÄndG SGB SpuRt UrhG UU UWG VerbrKrG Verf. VerfGrdG VersAusgl VersR Vorb. VuR VVG WiB WiStG WM WRV WuB z. B. ZBB ZevKR ZfA ZfBR ZFE ZGR ZHR ZIP ZMR
Abkürzungsverzeichnis Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Verfassung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz Richtlinie(n) Rheinische Notar-Zeitschrift Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Ruhegeldgesetz Hamburg Satz, Seite Saarländische Verfassung Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz Sozialgesetzbuch Zeitschrift für Sport und Recht Urheberrechtsgesetz Urteilsumdruck Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Verbraucherkreditgesetz Verfassung Verfassungsgrundsätzegesetz Versorgungsausgleich Versicherungsrecht Vorbemerkung (en) Verbraucher und Recht Versicherungsvertragsgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaftsstrafgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Erziehungswissenschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht
Abkürzungsverzeichnis ZNotP ZNotV ZPO ZRP
Zeitschrift für die Notarpraxis Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik
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Einführung Die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen, auch die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen, bewirkt eine Beschränkung der Vertragsfreiheit.1 Das ist nicht nur Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen. Daran müssen sich auch die Ergebnisse messen lassen. Es soll untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen Eheverträge einer richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen sind. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Darstellung, wann ein Anlaß für die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen besteht. Welche Ergebnisse eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen haben kann, ist ebenfalls darzustellen.
1 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39) „Bürgschaft I“; BGH, 30.05.1995, XI ZR 165/94, NJW 1995, 2282 (2283); BGH, 03.07.1997, V ZB 2/97, NJW 1997, 2956 (2957); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.IV., S. 12 f.; Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (28 f.); dies., AcP 190 (1990), 1 (4); Becker, WM 1999, 709 (710); Damm, VersR 1999, 129 (137).
§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand Der vom Praktiker genutzte Standardkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch hielt noch in der 61. Auflage 2002 die bisherige Ansicht knapp und eindeutig fest. Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen sind einer richterlichen Inhaltskontrolle nicht zugänglich. Bei ihnen liegt regelmäßig keine strukturelle Disparität vor.1 Dieser Sichtweise standen die schon veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.20012 und vom 29.03.20013 gegenüber. Die Möglichkeit richterlicher Inhaltskontrolle von Eheverträgen darf zukünftig derart pauschal nicht mehr in Abrede gestellt werden.
I. Die gesetzlichen Regelungen Ob die Grenzen der Vertragsfreiheit eher weit oder eher eng zu ziehen sind, ist regelmäßig schon an den gesetzlichen Bestimmungen des betreffenden Rechtsgebietes erkennbar. Der Umfang der Vertragsfreiheit korrespondiert mit dem Umfang der dispositiven gesetzlichen Regelungen. Je restriktiver der Gesetzgeber die Abänderung seiner Regelungen gestattet, desto enger werden auch im übrigen die Grenzen der Vertragsfreiheit zu ziehen sein. Auch die gesetzlichen Regelungen des Familienrechts werden daher Hinweise auf den Umfang der Ehevertragsfreiheit geben.4 Soweit sie Aussagen zur Ehevertragsfreiheit ermöglichen, sollen sie nachfolgend knapp dargestellt sein. 1. § 1408 Abs. 1 BGB Als Ausgangsnorm der Ehevertragsfreiheit gilt § 1408 Abs. 1 BGB. Die Regelung gilt als die privatrechtliche Grundlage der Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht.5 Dem trägt jetzt die „amtliche Überschrift“6 ebenfalls Rechnung, wonach 1 Heinrichs, in: Palandt, 61. Aufl., 2002, Einf v § 145 BGB, Rdnr. 15. Jetzt stellt Heinrichs, in: Palandt, 63. Aufl., 2004, Einf v § 145 BGB, Rdnr. 15 dar, es werde wegen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 „die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle diskutiert (. . .). Vorzuziehen ist aber auch hier ein Rekurs auf § 138 I.“ 2 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222 = FPR 2001, 137 „Ehevertrag I“. 3 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 „Ehevertrag II“. 4 Vgl.: Röthel, NJW 2001, 1334.
I. Die gesetzlichen Regelungen
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die Norm neben dem „Ehevertrag“ auch die „Vertragsfreiheit“ betrifft.7 § 1408 BGB gibt auch eine Legaldefinition des Ehevertrages. Nach Absatz 1 können die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln, insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern. Diese Regelung stimmt wörtlich mit § 1432 BGB a. F. überein, der bereits seit dem 01.01.1900 galt. Ihren neuen Standort im Bürgerlichen Gesetzbuch fand sie durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.06.1957.8 Durch dieses Gesetz sollte der Gesetzgebungsauftrag aus Art. 117 Abs. 1 GG erfüllt werden. Danach war bis zum 31.03.1953 auch das Bürgerliche Gesetzbuch an die durch Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG vorgegebene Gleichberechtigung von Mann und Frau anzupassen. Dieser Zweck verlangte sodann nach einem Hinweis auf das Verhältnis von Gleichberechtigung und Vertragsfreiheit. „Die Vertragsfreiheit wird durch den Grundsatz der Gleichberechtigung nicht eingeschränkt; die Ehegatten können Eheverträge schließen, die mit diesem Grundsatz nicht im Einklang stehen.“9 2. Der Typenzwang Vergleichbar dem Sachenrecht herrscht jedoch auch im ehelichen Güterrecht zur Beschränkung der Vertragsfreiheit ein gewisser Typenzwang. Im Detail differieren hier die Ansichten. Im Ehevertrag sollen Vereinbarungen mit Wirkung gegenüber Dritten, die von den gesetzlichen Bestimmungen zu Lasten eines Dritten abweichen, ausgeschlossen sein. Danach dürfen die Verfügungsbeschränkungen aus §§ 1365 Abs. 1, 1369 Abs. 1 BGB, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft betreffend, oder aus §§ 1423 S. 1, 1424, 1425 5 Siehe nur: Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 1; Gerber, DNotZ 1998, 290*; Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, S. 985 (991). 6 Schwab, FamRZ 2002, 1. Zu Recht zieht Leipold, NJW 2003, 2657 (2659) hieraus den Schluß, es gebe nunmehr kein vorkonstitutionelles Recht im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG mehr im BGB. 7 Siehe nur: Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (SchuldRModG) vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138 (3170) nebst Anlage BGBl. I, S. 3138 (3207) und BT-Drs. 14/6040, S. 34, 67, 272. 8 Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz – GleichberG) vom 18. Juni 1957, BGBl. I, S. 609. In Kraft getreten ist das Gesetz gem. Art. 8 (II.4.) GleichberG am 1. Juli 1958. 9 Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, 1958, § 1408 BGB, Anm. 2. Ebenso: Körner, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im neuen Ehegüterrecht, 1961, § 48, S. 117 ff. m. w. N.; Mikat, in: FS für Wilhelm Felgentraeger, 1969, S. 323 (331); Skuludis, Die Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 173; Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 6.A.III., S. 299 (302); Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (94); Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587); Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 10.
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Abs. 1 BGB, den Güterstand der Gütergemeinschaft betreffend, zwar vertraglich aufgehoben, nicht aber erweitert werden. Auch die Haftungsbestimmungen des Güterstandes der Gütergemeinschaft aus den §§ 1438 ff. BGB können nur zugunsten, nicht aber zu Lasten Dritter geändert werden.10 Unmöglich ist auch, für jeden Ehegatten einen anderen Güterstand festzulegen.11 Ausgeschlossen soll auch sein, für einen Teil des Ehevermögens, etwa für das unbewegliche Vermögen oder das Kapitalvermögen, den Güterstand der Gütertrennung, für das übrige Vermögen hingegen den Güterstand der Gütergemeinschaft zu vereinbaren.12 Erhebliche Bedenken bestehen auch gegen sogenannte „intermittierende“ Güterstände. Hier wird durch den Ehevertrag im Voraus festgelegt, daß unter bestimmten Bedingungen die Güterstände automatisch wechseln. So kann vereinbart werden, daß in Zeiten der Führung einer Alleinverdienerehe – beispielsweise wegen Kinderbetreuung – die sozialen Gerechtigkeitsgedanken der Zugewinngemeinschaft wirksam sind, während in Doppelverdienerzeiten die Gütertrennung gilt.13 3. § 1409 BGB Auch § 1409 BGB enthält ausweislich seiner nunmehr amtlichen Überschrift14 eine „Beschränkung der Vertragsfreiheit“. Danach kann der Güterstand nicht durch Verweisung auf nicht mehr geltendes Recht oder ausländisches Recht bestimmt werden. Verstößt eine güterrechtliche Vereinbarung gegen das Bezugnahmeverbot, ist sie gemäß § 134 BGB nichtig.15 Verboten ist nur die 10
Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 13. Schippel, Jura 1999, 57 (59). Ebenso: Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A)I.4.b)dd), S. 124. 12 Sogenanntes Verbot von Mischgüterständen: Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 13; Schippel, Jura 1999, 57 (59). Ebenso schon: Körner, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im neuen Ehegüterrecht, 1961, § 65, S. 167; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1. Aufl., 1964, § 32.III.3., S. 307. Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A)I.4.b)dd), S. 125 hält objektbezogene Mischgüterstände grundsätzlich für zulässig. Ebenfalls anderer Meinung: Bollenbeck, Recht 1904, 32; anders aber wieder ders., ZNotV 1911, 751 (760); Bärmann, AcP 157 (1958/1959), 145 (201); Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1408 BGB, Rdnr. 14; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, Vorb. § 1408 BGB, Rdnr. 20. 13 Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A)I.4.b)dd), S. 125 selbst hält diesen Überlegungen das Gebot der Rechtsklarheit und -sicherheit entgegen. Auch die Drittwirkung, insbesondere hinsichtlich der Eintragungsfähigkeit in das Güterrechtsregister, sei ungeklärt. Ist es Dritten zumutbar, die außerhalb des Güterrechtsregisters liegenden Informationen über die beiderseitige oder nur einseitige Erwerbstätigkeit einzuholen? 14 Art. 1 Abs. 2 SchuldRModG; Schwab, FamRZ 2002, 1; Leipold, NJW 2003, 2657 (2659). 15 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1409 BGB, Rdnr. 3. 11
I. Die gesetzlichen Regelungen
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Verweisung. Durch ausdrückliche Aufnahme der einzelnen Bestimmungen in die Ehevertragsurkunde können jedoch auch heute nicht mehr geltende Wahlgüterstände des deutschen oder Güterstände des ausländischen Rechts weiterhin vereinbart werden.16 Darüber hinaus können wegen Art. 15 Abs. 2 EGBGB die Ehegatten für die güterrechtlichen Wirkungen das Recht des Staates, dem einer der Ehegatten angehört, durch bloße Bezugnahme wählen. Die Rechtswahl muß notariell beurkundet werden, es sei denn, sie wird im Ausland vorgenommen und genügt den Formerfordernissen für einen Ehevertrag nach dem gewählten Recht oder aber den Formerfordernissen am Ort der Rechtswahl selbst, Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 EGBGB.17 Die Fortgeltung des gesetzlichen Güterstandes oder von Wahlgüterständen nach dem FGB der DDR regelt Art. 234 § 4 EGBGB. 4. § 1410 BGB Ferner ist die Formvorschrift des § 1410 BGB eine Reglementierung der Ehevertragsfreiheit. Danach muß der Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. Auf die Vielzahl von zum Teil auch gegenläufigen Ableitungen aus dieser Formvorschrift wird im Rahmen der Arbeit noch gesondert eingegangen. 5. § 1408 Abs. 2 BGB Durch das 1. Eherechtsreformgesetz vom 14.06.197618 wurde an die Norm des § 1408 BGB einer weiterer Absatz angefügt. Die Ehegatten können nach § 1408 Abs. 2 Satz 1 BGB in einem Ehevertrag durch eine ausdrückliche19 Vereinbarung auch den mit diesem Gesetz eingeführten Versorgungsausgleich ausschließen. Diese Regelung ist Ausdruck der Vertragsfreiheit.20 Die Vorschrift gestattet nicht nur den Totalausschluß des Versorgungsausgleichs. Auch der 16 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1409 BGB, Rdnr. 1; Schippel, Jura 1999, 57 (60); Wegmann, FPR 1999, 264 (265). 17 Ob die Form der notariellen Beurkundung ausreicht, oder aber die strengere Form des § 1410 BGB zu wahren ist, dazu: Wegmann, FPR 1999, 264 (286); ders., NJW 1987, 1740 (1741). Ähnlich: Heldrich, in: Palandt, 61. Aufl., 2002, Art. 14 EGBGB, Rdnr. 14; Hohloch, in: Erman, 9. Aufl., 1993, Art. 14 EGBGB, Rdnr. 24. In diesem Sinne wohl auch: OLG Düsseldorf, 29.11.1994, 1 UF 47/94, FamRZ 1995, 932 (933). Siehe ferner: BayObLG, 07.04.1998, 1Z BR 16/98, FamRZ 1998, 1594 (1596). 18 Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (Erstes Eherechtsreformgesetz – 1. EheRG) vom 14. Juni 1976, BGBl. I, S. 1421. 19 Der Ausschluß soll tatsächlich „ausdrücklich“ nötig sein. Daß die Ehegatten die von ihnen getroffene und auch so gewollte Regelung als Ausschluß des Versorgungsausgleichs verstanden haben, genügt nicht – OLG Koblenz, 17.04.2002, 9 UF 635/01, NJW-RR 2002, 1369 = FamRZ 2002, 1629.
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Teilausschluß kann von den Parteien des Ehevertrages vereinbart werden. Ihnen zur Anpassung des Versorgungsausgleichs an ihre individuellen Verhältnisse und Wünsche auch den Teilausschluß zu gestatten, entspricht daher ebenfalls der Vertragsfreiheit und somit dem Grundsatz der Privatautonomie.21 Der Ausschluß ist nach § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß ein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Die Vorschrift ist über den Wortlaut hinaus nicht nur anzuwenden, wenn der Scheidungsantrag erst innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluß gestellt wird; sie gilt auch, wenn der Scheidungsantrag im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits rechtshängig war. Erfaßt ist auch hier nicht nur der vollständige Ausschluß des Versorgungsausgleichs. Betroffen ist jede Abrede, die im Rahmen des § 1587o Abs. 1 BGB als Scheidungsfolgenvereinbarung über den Versorgungsausgleich geschlossen werden könnte.22 Die Frist ist keine Rechtsausübungsfrist, sondern Tatbestandsmoment für das Unwirksamwerden des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs.23 Einerseits wollte der Gesetzgeber die Privatautonomie für während intakter Ehe geschlossene Eheverträge gewährleisten.24 Andererseits wollte er den Mißbrauch ehevertraglicher Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf eine bereits bevorstehende Scheidung unterbinden.25 Es war beabsichtigt, die Umgehung der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB für eine im Zusammenhang mit der Scheidung geschlossene Vereinbarung über den Versorgungsausgleich zu verhindern.26 Die Umgehung droht, weil eben für Scheidungsfolgenvereinbarungen der Ehegatten zum Ausgleich ihrer Versorgungsanwartschaften keine uneingeschränkte Vertragsfreiheit besteht. Solche Verträge werden erst aufgrund gerichtlicher Genehmigung nach einer Inhaltskontrolle verbindlich. Eine Sperre für den Abschluß von Eheverträgen wird 20 BGH, 14.05.1986, IVb ZB 14/85, NJW 1986, 502 (503); BGH, 18.09.1996, XII ZB 106/94, NJW 1997, 126. 21 BGH, 28.05.1986, IVb ZB 63/82, NJW 1986, 2316 (2317). 22 Siehe nur: BGH, 28.05.1986, IVb ZB 63/82, NJW 1986, 2316 (2317); BGH, 04.02.1987, IVb ZB 106/85, NJW 1987, 1768 (1769); BGH, 11.07.2001, XII ZB 128/ 98, NJW 2001, 3335 (3336) mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 36 zu § 1587c BGB. 23 BGH, 16.09.1998, XII ZB 104/96, NJW 1998, 3710. Stellt ein Ehegatte während des Laufs der Jahresfrist in Übereinstimmung mit dem anderen Ehegatten einen Scheidungsantrag, will er jedoch in Wahrheit bereits zu diesem Zeitpunkt nach Ablauf der Jahresfrist den Scheidungsantrag wieder zurücknehmen, um auf diese Weise der Vereinbarung über den Ausschluß des Versorgungsausgleichs die Wirksamkeit zu erhalten, dann wird arglistiges Verhalten, §§ 162 Abs. 1, 242 BGB, erkennbar. Die Vereinbarung bleibt dann (wegen § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB) unwirksam – siehe auch: BGH, 13.01.1993, XII ZB 9/90, FamRZ 1993, 672 (673). 24 BGH, 17.04.1984, IVb ZB 153/84, NJW 1985, 315 (316); BGH, 04.02.1987, IVb ZB 106/85, NJW 1987, 1768 (1769). 25 BGH, 14.05.1986, IVb ZB 14/85, NJW 1986, 502 (503); BGH, 16.09.1998, XII ZB 104/96, NJW 1998, 3710; Büttner, FamRZ 1998, 1 (2). 26 BGH, 17.04.1984, IVb ZB 153/84, NJW 1985, 315 (316); BGH, 04.02.1987, IVb ZB 106/85, NJW 1987, 1768 (1769).
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hierdurch jedoch nicht ausgelöst. Er bleibt sogar möglich, wenn bei einem oder beiden Ehegatten schon konkrete Scheidungsabsichten bestehen.27 Der Wirksamkeit steht somit nicht entgegen, daß die Ehegatten bereits getrennt leben und die Vereinbarung ausdrücklich in Vorbereitung der beabsichtigten Scheidung getroffen wird.28 Nötig wurde diese zweigleisige Regelung, weil es während des Gesetzgebungsverfahrens umstritten war, ob der Versorgungsausgleich zur Disposition der Ehegatten stehen darf. Die Vertreter der unterschiedlichen Ansichten einigten sich auf einen Kompromiß.29 Mit guten Argumenten wird bezweifelt, ob der Gesetzgeber hier die beste denkbare Lösung gefunden hat.30 Als Ausdruck der Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht steht jedenfalls die Dispositionsbefugnis nach § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB einerseits der auflösenden Bedingung in § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB31 und andererseits der „richterlichen Inhaltskontrolle“32 nach § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB33 gegenüber.34 Die Norm des
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BGH, 17.12.1986, IVb ZB 144/84, FamRZ 1987, 365 (366). BGH, 01.07.1992, XII ZB 82/91, FamRZ 1992, 1405 (1406); BGH, 13.01.1993, XII ZB 9/90, FamRZ 1993, 672 = NJW 1993, 1004. 29 BT-Drs. 7/650, S. 171; BT-Drs. 7/4694, S. 12; BT-Drs. 7/4992, S. 6; Böhmer/ Cramer/Kniebes/Sedemund-Trieber, Das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976, Gesetzestext, Auszug aus den Materialien und ergänzende Erläuterungen, 1976, S. 125 ff.; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, S. 330; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 18. Siehe auch: BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, BVerfGE 60, 329 = NJW 1982, 2365; BGH, 17.04.1984, IVb ZB 153/84, NJW 1985, 315 (316). 30 Schwab, FamRZ 1977, 768 (771); Gaul, FamRZ 1981, 1134 (1135); Zimmermann/Becker, FamRZ 1983, 1 (7); Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 18. 31 Zugestellter Scheidungsantrag innerhalb eines Jahres nach Abschluß der Vereinbarung über die Abänderung oder den Ausschluß des Versorgungsausgleiches. 32 So zu § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB schon: Hartmann-Hilter, Der Ehevertrag, 2. Aufl., 1978, VII.3.a), S. 140; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl., 1980, § 28.VIII.1., S. 371. Ebenso: BGH, 14.05.1986, IVb ZB 14/85, NJW 1986, 502 (503); BGH, 04.02.1987, IVb ZB 106/85, NJW 1987, 1768 (1769): „gerichtliche Inhaltskontrolle“; BGH, 18.09.1996, XII ZB 106/94, NJW 1997, 126 (127): „Inhaltskontrolle durch das Gericht“. 33 Genehmigungspflicht für eine Scheidungsfolgenvereinbarung über den Versorgungsausgleich. 34 Die Umdeutung einer ehevertraglichen Abrede zum Versorgungsausgleich nach § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB in eine Scheidungsfolgenvereinbarung nach § 1587o Abs. 1 BGB ist ebenso ausgeschlossen, wie die Genehmigung eines wegen § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB unwirksamen Ehevertrages nach § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB (OLG Koblenz, 06.04.1981, 13 UF 413/80, FamRZ 1981, 901 [902]; OLG Hamburg, 15.02.1991, 12 UF 114/89, FamRZ 1991, 1067 [1068]). Gegebenenfalls kann durch Auslegung ermittelt werden, daß die Ehegatten einen Ehevertrag nach § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB geschlossen haben, verbunden mit einer hilfsweisen Scheidungsfolgenvereinbarung nach § 1587o Abs. 1 BGB (BGH, 02.02.1983, IVb ZB 702/81, NJW 1983, 1311 [1312]; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 32). Wegmann, FPR 1999, 264 (265); ders., Eheverträge, 1998, Rdnr. 179 ff. schlägt deshalb vor, eine Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB allgemein an eine gleichlautende Parteivereinba28
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§ 1408 Abs. 2 S. 2 BGB schützt anders als § 1587o Abs. 2 BGB jedoch nicht das Interesse an einer materiell gerechten Aufteilung der Versorgungsanwartschaften.35 6. § 1587o BGB Hiermit ist eine weitere Norm zur Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht angesprochen. Nach § 1587o Abs. 1 Satz 1 BGB können die Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung eine Vereinbarung über den Ausgleich von Anwartschaften oder Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderte Erwerbsfähigkeit (§ 1587 BGB) schließen. Ihrem Wesen nach sind Vereinbarungen nach § 1587o BGB materiell-rechtliche Rechtsgeschäfte, die lediglich bestimmten Formerfordernissen unterliegen und darüber hinaus, um wirksam zu sein, der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen. Sie tragen jedoch nicht automatisch Vergleichscharakter im Sinne von § 779 BGB.36 Die gesetzliche Regelung verweist ausdrücklich durch die Benennung von § 1587 BGB auf den hier auch für eine Scheidungsvereinbarung eröffnete Dispositionsmöglichkeit zum Versorgungsausgleich. Gleichzeitig bietet sie eine Möglichkeit, die Unwirksamkeitsfolge aus § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB zu vermeiden. Gleich Eheverträgen über den Versorgungsausgleich nach §§ 1408 Abs. 2, 1410 BGB bedarf die Vereinbarung nach Abs. 1 Satz 1 der notariellen Beurkundung, § 1587o Abs. 2 Satz 1 BGB. Wenig abgestimmt wirkt, daß die Vereinbarung auch im Wege der Stufenbeurkundung, also durch die jeweils getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme, § 128 BGB, erfolgen kann, was wegen § 1410 BGB für Regelungen in einem Ehevertrag hingegen nicht genügt.37 Nach § 1587o Abs. 2 Satz 2 BGB genügt auch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll, § 127a BGB.38 Erklärungen im Sinne des § 127a BGB können in einem Verfahren, für das Anwaltszwang besteht, rechtswirksam nur durch Rechtsanwälte abgegeben werden. In Ehesachen und Folgesachen besteht für die Parteien in allen Rechtszügen Anwaltszwang, § 78 Abs. 2 ZPO.
rung für den Fall zu koppeln, daß innerhalb eines Jahres Scheidungsantrag gestellt wird. 35 Büttner, FamRZ 1998, 1 (2). 36 BGH, 20.02.1991, XII ZB 125/88, FamRZ 1991, 679 (680); BGH, 27.10.1993, XII ZB 158/91, FamRZ 1994, 96 (97). 37 Vgl.: Strobel, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1587o BGB, Rdnr. 17. 38 Diese Vereinbarungen müssen gem. § 53b Abs. 4 FGG in Verbindung mit §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 ZPO im Protokoll über die mündliche Verhandlung festgehalten, den Parteien vorgelesen bzw. – sofern die Aufzeichnungen nur vorläufig auf Tonband aufgenommen worden sind – vorgespielt und von ihnen sodann genehmigt werden. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Vereinbarung formunwirksam, § 125 S. 1 BGB (OLG Brandenburg, 02.11.1999, 9 UF 80/98, FamRZ 2000, 1157).
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Im Scheidungsverbundverfahren gerichtlich protokollierte Vereinbarungen nach § 1587o Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB bedürfen daher regelmäßig auf beiden Seiten der anwaltlichen Vertretung.39 Ohne Anwalt kann unter Umständen die Protokollierung im Prozeßkostenhilfeverfahren möglich sein, §§ 78 Abs. 3 ZPO, 20 Nr. 4a, 13 RPflG.40 Wird vor dem Familiengericht protokolliert, hat der Richter die notariellen Belehrungspflichten zu erfüllen, §§ 17 BeurkG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 BeurkG.41 Die gerichtliche Protokollierung ersetzt nicht die nach § 1587o Abs. 2 Satz 3 BGB erforderliche familiengerichtliche Genehmigung.42 Einen Formmangel heilt die familiengerichtliche Genehmigung ebenfalls nicht.43 Durch bloße familiengerichtliche Genehmigung kann eine wegen § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksame ehevertraglichen Abrede nicht geheilt werden.44 Im Ergebnis vermag daher eine richterliche Inhaltskontrolle die von den Formvorschriften zu erfüllenden Aufgaben nicht nachträglich zu ersetzen.45 Von erheblicher Bedeutung für die Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht ist ferner die Regelung in § 1587o Abs. 2 Satz 4 BGB. Die familiengerichtliche Genehmigung nach § 1587o Abs. 2 Satz 3 BGB46 soll verweigert werden, 39 BGH, 20.02.1991, XII ZB 125/88, NJW 1991, 1743; a. M.: OLG München, 04.05.1986, 11 WF 904/86, Anwaltsblatt 1988, 124 = Rpfleger 1986, 409 = JurBüro 1986, 1377; AG Groß-Gerau, 21.10.1987, 7 F 102/83, FamRZ 1988, 187; AG GroßGerau, 04.10.2000, 71 F 453/00, FamRZ 2001, 422. 40 OLG Hamburg, 03.08.1988, 12 WF 113/88, FamRZ 1988, 1299; OLG Zweibrükken, 15.02.1994, 5 WF 78/83, FamRZ 1994, 1399; Philippi, in: Zöller, 23. Aufl., 2002, § 630 ZPO, Rdnr. 15. 41 BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, 66/78, NJW 1982, 2365 (2366); Strobel, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1587o BGB, Rdnr. 18; Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 18. Ausführlich hierzu: Udsching, NJW 1978, 289 (294). 42 BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, 66/78, NJW 1982, 2365 (2366); Strobel, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1587o BGB, Rdnr. 18. 43 BGH, 20.02.1991, XII ZB 125/88, NJW 1991, 1743; OLG Brandenburg, 02.11.1999, 9 UF 80/98, FamRZ 2000, 1157. Ebenso wohl auch: BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, 66/78, NJW 1982, 2365 (2366), wenn es ausführt: „Die gerichtliche Protokollierung der Vereinbarung macht die Genehmigung weder entbehrlich, noch wird sie durch sie ersetzt.“ 44 Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 22. Anderes gilt, wenn die Ehegatten die unwirksam gewordene notariell beurkundete Regelung erneut zu Protokoll nach §§ 1587o Abs. 2 Satz 2, 127a BGB erklären (KG, 15.11.1999, 13 UF 5381/99, FamRZ 2000, 1157 [1158]). 45 Diese Erkenntnis bleibt wichtig für die Argumentation, es bedürfe wegen der nötigen notariellen Beurkundung keiner richterlichen Inhaltskontrolle mehr. 46 Die Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung ist auch ohne Antrag einer Partei von Amts wegen zu prüfen (OLG Brandenburg, 26.07.2001, 9 UF 78/99, FamRZ 2002, 754 = NJW-RR 2002, 1012). Wegen der Amtsprüfung kann ein Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung auch nicht zurück genommen werden (KG, 15.11.1999, 13 UF 5381/99, FamRZ 2000, 1157 [1159]). Die Genehmigung braucht nicht ausdrücklich, insbesondere durch Beschluß erteilt zu werden. Sie kann bereits vorliegen, wenn das Familiengericht den Inhalt der Vereinbarung im unmittelbar fol-
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wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die vereinbarte Leistung nicht zu einer dem Ziel des Versorgungsausgleichs entsprechenden Sicherung des Ausgleichsberechtigten geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt. Zwar betont der Bundesgerichtshof, daß eine besondere Inhaltskontrolle, ob die Regelung angemessen ist, beim Ehevertrag – anders als bei einer Vereinbarung nach § 1587o Abs. 1 BGB – nicht stattzufinden hat.47 Trotzdem gibt gerade die Regelung zu § 1587o Abs. 2 Satz 4 BGB das Unbehagen des Gesetzgebers gegenüber einer ausgreifenden Inhaltsfreiheit beim Ehevertrag wieder.48 Die Regelung ist ein Kompromiß gegenläufiger Anliegen des Gesetzgebers. Einerseits sollen die Versorgungsanwartschaften gleich den weiteren in der Ehezeit erworbenen Vermögenspositionen auch der Disposition durch die Ehegatten unterliegen. Andererseits hatte die soziale Sicherung desjenigen Ehegatten zu erfolgen, der während der Ehezeit mangels Erwerbstätigkeit keine eigenen Anwartschaften aufbauen konnte.49 Auch zeigt die Einbeziehung der Abreden zum Güterrecht und zum Unterhalt, daß am Maßstab der Angemessenheit eine Gesamtbewertung der zum Ehevermögensrecht getroffenen Abreden nötig ist. Nach den im Gesetzgebungsverfahren hervorgetretenen Absichten soll die Genehmigung durch das Familiengericht verhindern, daß der sozial schwächere Ehegatte bei einer Vereinbarung unter dem Druck der Scheidungssituation übervorteilt wird.50 Der Gesetzgeber ging ebenfalls davon aus, daß es im wohlverstandenen Interesse des Ausgleichsberechtigten liegt, wenn dieser durch den Genehmigungsvorbehalt vor finanziellen Nachteilen geschützt wird, die für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind.51 Im Gesetzgebungsverfahren wurden wei-
genden Urteil erkennbar zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Die bloße Mitwirkung des Familiengerichts beim Abschluß der Vereinbarung reicht hingegen nicht aus (OLG Frankfurt, 26.06.1995, 3 UF 52/95, FamRZ 1996, 550). 47 BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). Ebenso: BGH, 27.09.1995, XII ZB 75/93, NJW 1995, 3251 (3252); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/ 94, NJW 1997, 126 (127). 48 Wohl auch deshalb ist es für BGH, 24.02.1982, IVb ZB 746/80, NJW 1982, 1463 „(. . .) eine im Privatrecht außergewöhnliche Regelung, daß ein vermögensrechtlicher Vertrag zwischen voll Geschäftsfähigen von einer gerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht wird.“ 49 v. Maydell, FamRZ 1978, 749 (751) spricht bildhaft vom Janusgesicht, das der Versorgungsausgleich aufweise. Siehe auch: Ruland, DRV 1979, 88; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, § 25.I.7.c)aa), S. 330. 50 BT-Drs. 7/4361, S. 49; BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, 66/78, NJW 1982, 2365 = BVerfGE 60, 329 (341); BGH, 24.02.1982, IVb ZB 746/80, NJW 1982, 1463; BGH, 17.10.1984, IVb ZB 153/82, NJW 1985, 315 (316); BGH, 11.03.1987, IVb ZB 47/84, NJW 1987, 1770 (1771); BGH, 20.02.1991, XII ZB 125/88, NJW 1991, 1743 (1744); BGH, 03.11.1993, XII ZB 33/92, NJW 1994, 580 (581) mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 9 zu § 1587o BGB; BGH, 11.07.2001, XII ZB 128/98, NJW 2001, 3335 (3336). 51 BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, NJW 1982, 2365 (2366).
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tere Befürchtungen geäußert. So wurde die Gefahr gesehen, der ausgleichsberechtigte Ehegatte könnte sich aus sachfremden Erwägungen zu einer für ihn nachteiligen Vereinbarung über den Versorgungsausgleich drängen lassen. Insbesondere wollte man vermeiden, daß der Versorgungsausgleich mit einem Vorschlag der Ehegatten zur Regelung der elterlichen Sorge für die gemeinschaftlichen Kinder verknüpft wird. Der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs sollte nicht seine Gegenleistung in der Gewährung des Sorgerechts finden dürfen. Der Mißbrauch des Versorgungsausgleiches als Tauschobjekt bei der Vereinbarung über Unterhaltsleistungen, die Ehewohnung, die Verteilung des Hausrats und die Überlassung anderer Wirtschaftsgüter war zu unterbinden. Für den Gesetzgeber galt es, die Gefahr auszuschließen, daß sich der Ausgleichsberechtigte unter Aufgabe seines Anspruchs auf die Übertragung oder Begründung von sicheren Versorgungsanwartschaften auf unsichere Unterhaltszusagen oder die Übernahme von Vermögenswerten einläßt, die für ihn wirtschaftlich ohne oder nur von geringem Nutzen sind.52 Die Vertragsfreiheit der Ehegatten darf aber nicht weiter eingeschränkt werden, als es zur Erfüllung der Schutzfunktion nötig ist.53 Die unterschiedliche Behandlung von Abreden der Ehegatten zum Versorgungsausgleich einmal ohne Genehmigung, § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB und einmal mit Genehmigung, § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB soll gerechtfertigt sein. Zwar gewinnt auch eine Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB erst für den Fall der Scheidung Bedeutung. Gleichwohl unterscheide sich die Situation der Ehegatten bei Abschluß eines Ehevertrages wesentlich von der Situation, in der sie sich nach ihrer Trennung und Einleitung des Scheidungsverfahrens befinden. Während intakter Ehe werden sie regelmäßig die mit dem Ausschluß des Versorgungsausgleichs einher gehenden Wirkungen sorgfältig erwägen. Es soll auch nicht die Gefahr bestehen, daß sie sachfremden Einflüssen vor allem im Hinblick auf das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder unterliegen. Hingegen wird man von einem spannungsfreien Verhältnis der in Scheidung lebenden Ehegatten regelmäßig nicht ausgehen können. Die Vereinbarung nach § 1587o Abs. 1 S. 1 BGB dient hauptsächlich der einverständlichen Abwicklung einer gescheiterten Ehe. Hier können die Ehegatten im Interesse einer Beschleunigung des Scheidungsverfahrens oder zur Erlangung von Zugeständnissen eher zu nachteiligen Vereinbarungen bereit sein. Dann besteht eher die Gefahr, daß sie wegen dieser Motive nicht ausreichend Rücksicht auf ihre künftige soziale 52 Stellungnahme des Bundesministers der Justiz vom 29.07.1975 zu dem Ergebnis der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages über das Recht des Versorgungsausgleichs, in: Zur Sache 2/76, S. 222 f., zitiert nach: BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, NJW 1982, 2365 (2366). Ausführlich auch zum Schutzzweck von § 1587o Abs. 2 BGB: Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, § 25.I.7.c), S. 330 ff. 53 OLG Oldenburg, 05.10.1994, 12 UF 76/94, FamRZ 1995, 744 (745).
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Sicherung nehmen. Deshalb soll es nicht zu beanstanden sein, wenn der Gesetzgeber den Genehmigungsvorbehalt auf Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Scheidung beschränkt hat.54 Wie verhält es sich aber, wenn die ehevertragliche Vereinbarung in einer Situation eingegangen wurde, die der Situation „in Scheidung lebender“ Ehegatten entspricht? Die gesetzgeberischen Erwägungen zu § 1587o Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB drängen nahezu die Erkenntnis auf, daß auch dann der Ehevertrag einer richterlichen Inhaltskontrolle zugänglich sein muß. Der Einwand, die familiengerichtliche Genehmigungspflicht betrifft nur Abreden zum Versorgungsausgleich, hat hiergegen durchaus Gewicht. Nur der Hinweis auf § 1587o Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB allein wird daher für vergleichbare Situationen eine richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen eher nicht rechtfertigen können. 7. Der Ehevertrag im erweiterten Sinne Der Versorgungsausgleich setzt den Gedanken vom Zugewinnausgleich aus dem gesetzlichen Güterstand in den Bereich der Altersversorgung fort55 und knüpft daher auch an die prinzipiellen Regelungen des Zugewinnausgleiches an. Anders als beim Unterhalt, aber ebenso wie beim Zugewinnausgleich geht es beim Versorgungsausgleich um die Teilhabe an Vermögenswerten, die in der Vergangenheit erwirtschaftet worden sind.56 In seiner Bedeutung dürfte der Versorgungsausgleich sogar den eigentlichen Zugewinnausgleich überragen. Der Erwerb von Versorgungsanrechten ist in vielen, wenn nicht sogar den meisten Familien der einzige Vermögenszuwachs von nachhaltigem Gewicht.57 Aus diesem Grunde gehört er jedenfalls mittelbar auch noch zu den güterrechtlichen Verhältnissen im Sinne von § 1408 Abs. 1 BGB. Trotzdem soll, streng genommen, mit § 1408 Abs. 2 BGB der Regelungsbereich des Ehevertrages nicht über das originäre Ehegüterrecht hinaus erweitert worden sein. Der Gesetzgeber hat lediglich den eigenständigen Regelungsbereich des Versorgungsausgleichs den Vorschriften der §§ 1410 f. BGB unterworfen.58 Trotzdem werden Abreden hierzu, unabhängig ob nach § 1408 Abs. 2 S. 1 oder § 1587o Abs. 1 S. 1 BGB, sachlich dem Oberbegriff des Ehevertrages zugeordnet. Als Ehevertrag gelten in der Praxis und im Sprachgebrauch ohnehin über den in § 1408 Abs. 1 S. 1 BGB definierten Regelungsbereich hinausgehende Vereinbarungen. Der Ehevertrag im erweiterten Sinn definiert sich daher heute an der den Verlobten und 54 BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, NJW 1982, 2365 (2367). Ähnlich: BGH, 20.02.1982, IVb ZB 746/80, NJW 1982, 1463. 55 Frank, AcP 200 (2000), 401 (403). 56 BGH, 28.03.1984, IVb ZR 64/82, NJW 1984, 2358 (2361); Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, Vorbem v § 1587 BGB, Rdnr. 1. 57 Dörr, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, Vor § 1587 BGB, Rdnr. 1. 58 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.I., Rdnr. 2, S. 1.
I. Die gesetzlichen Regelungen
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Ehegatten vom Gesetz gewährten Regelungsbefugnis. Gemeinsames Kennzeichen des Regelungsbereiches ist deren spezifische Ehebezogenheit.59 Abzugrenzen ist der Ehevertrag im erweiterten Sinne von den sogenannten Ehevereinbarungen. Mit diesen regeln die Eheleute die unmittelbare Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft im gegenseitigen Einvernehmen.60 Der Ehevertrag im weiteren Sinne ist somit die „(. . .) vorsorgende Regelung des Gesamtbereichs der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Scheidungsfolgen mit dem Ziel, in Ausübung der gesetzlichen Dispositionsbefugnisse für die beteiligten Ehegatten eine individuelle Eheordnung zu gestalten.“61 Dieser erweiterte Ehevertragsbegriff gilt als Gegenstand der Arbeit. Zu den Kernbereichen der hier zu treffenden Abreden gehört daher neben dem Güterstand und dem Versorgungsausgleich auch das Unterhaltsrecht. Schon Baligand 62 hat zugestehen müssen, daß sich die begriffliche Trennung zwischen den die güterrechtlichen Verhältnisse regelnden Eheverträgen und sonstigen Vereinbarungen über die Wirkungen der Ehe nicht immer durchführen läßt, „(. . .) daher Unterhaltsverträge während der Ehe regelmäßig als Eheverträge zu betrachten sein werden.“ Deshalb sollen auch die wesentlichen Grundlagen der Vertragsfreiheit im Unterhaltsrecht bei der Zusammenstellung der Ausgangssituation für die Festlegung der Kriterien einer richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen berücksichtigt werden. 8. Die Vertragsfreiheit im Unterhaltsrecht Die Vertragsfreiheit im Unterhaltsrecht ist zunächst für zukünftige Regelungen streng reglementiert. Im Recht des Verwandtenunterhalts, §§ 1601 bis 1615 BGB, ist durch § 1614 Abs. 1 BGB bestimmt, daß für die Zukunft auf Unterhalt nicht verzichtet werden kann. Hierauf nimmt die Regelung zum Unterhalt der Ehegatten während der Ehezeit ausdrücklich in § 1360a Abs. 3 BGB Bezug. Entsprechendes gilt dann auch für den Unterhalt der Ehegatten, während sie, ohne geschieden zu sein, getrennt leben, § 1361 Abs. 4 S. 4 BGB. Unwirksam ist auch eine Vereinbarung, den Unterhaltsanspruch nicht gerichtlich geltend zu machen.63 Initiiert war das Verzichtsverbot von dem Bestreben, eine finanzielle Belastung der öffentlichen Fürsorge zu vermeiden.64 Daneben dient es auch der Sicherung des Unterhalts im Interesse des Berechtigten über die Wahrung sei59
Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.I., Rdnr. 3, S. 1. Hepting, Ehevereinbarungen, 1984, S. 1; Schippel, Jura 1999, 57 (59). 61 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 4. Aufl., 2000, § 1.I., Rdnr. 4, S. 2; ders., DNotZ 2001, 272 (273). Siehe auch: Sarres, FPR 1999, 274 (275). 62 Baligand, Der Ehevertrag, 1906, § 2.3.c), S. 4 f. 63 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586). 64 Motive, Bd. IV, S. 679 = Mugdan IV, S. 376; Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 3; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, § 25.I.7.a), S. 326. 60
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
nes Existenzminimums hinaus.65 Nur diese Sichtweise beachtet hinreichend die Zweckbindung des Unterhaltsanspruchs.66 Die Ehegatten können jedoch nach § 1585c BGB über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen. Die Vorschrift entspricht der vormaligen Regelung in § 72 S. 1 EheG und hebt die Verzichtssperre aus § 1614 Abs. 1 BGB auf. Der während bestehender Ehe durch §§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB beschränkte Grundsatz der Vertragsfreiheit wird also wieder hergestellt.67 Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt berührt auch nicht den Kernbereich der Ehe, in dem von der gesetzlichen Ausgestaltung abweichende Parteivereinbarungen als Verstoß gegen zwingendes Recht, wie etwa Art. 6 Abs. 1 GG oder § 1353 Abs. 1 BGB, nicht anerkannt werden könnten.68 Entsprechend der Regelung zum Ehevertrag in § 1408 Abs. 1 BGB ist auch schon den Verlobten vor der Eheschließung die Möglichkeit gegeben, vorsorgende Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt zu treffen.69 Unterhaltsvereinbarungen können daher auch Gegenstand eines Ehevertrages im weiteren Sinne sein. Sofern die Unterhaltsvereinbarungen nicht im Regelungszusammenhang mit Abreden nach §§ 1408 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 1587o Abs. 1 S. 1, 1378 Abs. 3 S. 2 BGB stehen,70 sind sie sogar formlos möglich.71 Hier ist der Gesetzgeber 65 Büttner, FamRZ 1998, 1 (3); Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 07/1998, Kap. 15, Rdnr. 1; Graba, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1614 BGB, Rdnr. 1; Born, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1614 BGB, Rdnr. 1. Ähnlich aber auch schon: Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1. Aufl., 1964, § 41.IX.1., S. 439; Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A)II.2.a), S. 142. 66 Beitzke/Lüderitz, Familienrecht, 26. Aufl., 1992, § 24.I.8., S. 267. 67 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 = NJW 1985, 1833. 68 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 = NJW 1985, 1833. 69 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 = NJW 1985, 1833; Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand: 07/1998, Kap. 15, Rdnr. 20; Walter, FamRZ 1982, 7 (8). 70 Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A)II.2.c), S. 146, Fußn. 157; Büttner, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 5; Kiethe, MDR 1994, 639 (641); Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 5.I.2., Rdnr. 632, S. 192; ders., DNotZ 1983, 139 (161); Zimmermann, Eheverträge, 2. Aufl., 1996, S. 123 f.; Frenz, DNotZ 1996, 766 f.; Wegmann, FPR 1999, 264 (268); Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1338); Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 3. OLG Stuttgart, 17.04.1984, 17 UF 442/83, FamRZ 1984, 806 (808) und OLG Hamburg, 09.10.1984, 12 UF 122/84, FamRZ 1985, 290 (291) werden zu Unrecht für diese Ansicht zitiert. Dort ergab sich die Unwirksamkeit nicht aus § 125 BGB, sondern aus § 139 BGB, weil schon die Regelung zum Zugewinn formwidrig war. Anderer Ansicht sind: Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 12 f.; Kanzleiter, NJW 1997, 217 (220); ders., in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 3; ders., DNotZ 1994, 275 (279 f.). BGH, 01.04.1987, IVb ZR 33/86, FamRZ 1987, 691 (692) hat die Beantwortung der Frage ausdrücklich offen gelassen.
I. Die gesetzlichen Regelungen
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schon wiederholt zum Handeln aufgefordert worden.72 Angesichts der existenzwichtigen Bedeutung und der Gefahren von Unterhaltsvereinbarungen für die Beteiligten verwundert es, das Unterhaltsvereinbarungen weder einer Form bedürfen, noch einer gerichtlichen Inhaltskontrolle im Sinne einer Genehmigungspflicht unterliegen. Das gilt insbesondere für den Regelungsbereich von § 1585c BGB. In Anbetracht der Form- und Genehmigungsvorschriften bei Vereinbarungen über sonstige Scheidungsfolgen kann diese Abweichung wohl nur noch historisch erklärt werden.73 Sachlich begründet erscheint diese Differenzierung hingegen nicht, jedenfalls heute nicht mehr. Zu den Unterhaltsvereinbarungen ergibt sich eine weitere bemerkenswerte Differenzierung im Umfang der Vertragsfreiheit, je nach dem, ob es sich um den Betreuungsunterhalt der ehelichen oder der nichtehelichen Eltern handelt.74 Der Betreuungsunterhalt betrifft Tatbestände, in denen die Unterhaltsbedürftigkeit durch die Betreuungsbedürftigkeit von ebenfalls Unterhaltsberechtigten, regelmäßig von gemeinsamen Kindern, ausgelöst wird. Erneut bildet das Verbot des Verzichts auf zukünftigen Unterhalt in § 1614 Abs. 1 BGB den Ausgangspunkt der Überlegungen. Die Eltern eines nichtehelichen Kindes75 können 71 Siehe nur: Große-Boymann, Alleinerziehung, 1997, S. 38; dies., Scheidung, 1998, S. 146. Im Gesetzgebungsverfahren zum 1. EheRG hat im Rechtsausschuß der Antrag auf Einführung der Form notarieller Beurkundung für Unterhaltsvereinbarungen keine Mehrheit finden können (BT-Drs. 7/4361, S. 34). 72 Siehe nur: Ramm, Familienrecht, Band I, 1. Aufl., 1984, § 47.I.3.a), S. 401; Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586); Riemann, DNotZ 1998, 296*; Büttner, in: Johannsen/ Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 4; Kanzleiter, NJW 1997, 217 (220); Büttner, FamRZ 1998, 1 (3); 12. DFGT, FamRZ 1998, 473 (474); Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand: 07/1998, Kap. 15, Rdnr. 21; ders., Der Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, S. 110; ders., Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 5.I.2., S. 192; Schubert, FamRZ 2001, 733 (739); Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 3; a. M.: Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 13 f. Bartsch, ZRP 1979, 96 will sogar eine gerichtliche Genehmigung entsprechend § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB. Mit diesem Gedanken wohl sympathisierend: Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 2.A)II.2.b), S. 38 f. Ausdrücklich dagegen wieder: Walter, NJW 1981, 1409 (1412). Obwohl ansonsten vehement für eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen streitend, scheint Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (109) das fehlende Formerfordernis für Unterhaltsverträge zu billigen. 73 Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 07/1998, Kap. 15, Rdnr. 1, 20. 74 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (318). Soweit ersichtlich, hat erstmals Bosch, FamRZ 1982, 1216 ff. in seiner Anmerkung zu OLG Hamm, 28.09.1982, 2 W 403/82, FamRZ 1982, 1215 auf das Problem hingewiesen. 75 In Umsetzung des Auftrages an den Gesetzgeber aus Art. 6 Abs. 5 GG, wonach den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und Stellung in der Gesellschaft zu schaffen sind, wie den ehelichen Kindern, spricht das Gesetz nunmehr höchst umständlich von Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern (bspw.: § 1626a Abs. 1 BGB). Nach der amtlichen Überschrift, Art. 1 Abs. 7 SchuldRModG, regelt § 1615l BGB den „Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlaß der Geburt“. Wenn auch die Formulierung in der Verfassung (uneheliche Kinder) etwas antiquiert erscheint, sollte doch der
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
für die Zukunft auf ihren regelmäßig bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres befristeten Betreuungsunterhalt aus § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB nicht verzichten. So ergibt es sich aus § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB, der auf § 1614 Abs. 1 BGB verweist76 und der wegen § 1615l Abs. 4 S. 2 BGB auch für den betreuenden Vater gilt. Neu ist diese Erkenntnis keineswegs.77 Bemerkenswert ist dieser Umstand deshalb, weil die eheliche Mutter auf den nachehelichen Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes gemäß § 1570 BGB wegen § 1585c BGB und entgegen § 1614 Abs. 1 BGB offensichtlich auch schon für die Zeit vor dem 3. Geburtstag des Kindes im voraus verzichten kann.78 Die Möglichkeit des Verzichts auf nachehelichen Betreuungsunterhalt durch die eheliche Mutter soll mit der Unwirksamkeit des Verzichts auf Betreuungsunterhalt durch die nichteheliche Mutter vereinbar sein.79 Grund sei nicht etwa ein höheres Maß der Vorhersehbarkeit der künftigen Entwicklung, sondern eine stärkere Betonung der Vertragsfreiheit aus Gründen von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Hierdurch werde dem Gedanken der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach der Scheidung aus § 1569 BGB80 Rechnung getragen.81 Hauptargument für diese Ansicht war die lediglich befristete gesetzliche Gewährung von Betreuungsunterhalt für die nichteheliche Mutter.82 Danach zeigt
sehr wahrscheinlich nicht diskriminierende Begriff der nichtehelichen Kinder weiter verwendet werden (in diesem Sinne wohl auch: Büttner, FamRZ 2000, 781). 76 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165); Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 637, S. 194; Schwab, FamRZ 1997, 521 (525); ders., Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 75.II.2., Rdnr. 774, S. 367; Puls, FamRZ 1998, 865 (876); Heiß/Heiß, in: Born/Heiß, Unterhaltsrecht, Stand 02/2001, Kap. 14, Rdnr. 7; Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 19; Born, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1614 BGB, Rdnr. 3; Dauner-Lieb, FF 2002, 151 (153); a. M. ist offensichtlich Ramm, Familienrecht, Band I, Recht der Ehe, 1984, § 67.II.5., S. 533, der die in §§ 1615k bis l BGB geregelten Ansprüche für vertraglich regelbar hält, denn: „Auf sie kann auch verzichtet werden.“ 77 Odersky, Nichtehelichengesetz, 2. Aufl., 1971, § 1615l BGB, Anm. II.6. hat bereits festgehalten: „Sondervorschriften für die Zukunft: Kein Verzicht, keine Abfindung möglich: § 1614.“ 78 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833; BGH, 24.04.1985, IVb ZR 17/84, NJW 1985, 1835 (1836); BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, NJW 1987, 776 (777); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164; BGH, 30.11.1994, XII ZR 226/93, NJW 1995, 1148; BGH, 08.03.1995, XII ZR 165/93, NJW-RR 1995, 833 (834); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192; Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, S. 146 ff.; Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 7; Armasow, RNotZ 2001, 196 (197). 79 Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 76. 80 Siehe nur: BGH, 18.10.1989, IVb 89/88, FamRZ 1990, 260 (265); BGH, 19.12.1990, XII ZR 27/90, FamRZ 1991, 416 (419); Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1569 BGB, Rdnr. 9. 81 Born, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1614 BGB, Rdnr. 4. 82 Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 76.
I. Die gesetzlichen Regelungen
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die Befristung des Anspruchs der nichtehelichen Mutter, daß die fehlende Verzichtsmöglichkeit lediglich als Folge des in diesem Zeitraum gesteigerten Schutzbedürfnisses des Kindes zu begreifen ist. Eine vergleichbare und daher dieselbe Reaktion des Gesetzgebers erfordernde Situation fehlt deshalb im Fall nachehelicher Kinderbetreuung. Im übrigen wird regelmäßig wegen der Trennungszeit aus § 1566 BGB der Befristungszeitraum schon abgelaufen sein.83 Diese Sicht ist einmal durch die Fortentwicklung der gesetzlichen Regelung überholt. Diese Sichtweise konnte darüber hinaus auch nicht überzeugen. Ursprünglich hatte die nichteheliche Mutter nur einen Schadenersatzanspruch gegen den Vater des Kindes in entsprechender Anwendung von § 1715 BGB a. F. Zu ersetzen waren auch die Aufwendungen der Mutter für ihren eigenen Unterhalt, wenn er aus Arbeitseinkommen bestritten wurde und die Schwangerschaft oder die Entbindung über die gesetzlich geregelten 6 Wochen nach der Geburt hinaus Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung bewirkten.84 Als familienrechtlicher Unterhaltsanspruch85 in § 1615l Abs. 2 BGB wurde der Anspruch gegen den Vater des nichtehelichen Kindes durch das Nichtehelichengesetz 86 zunächst auf 1 Jahr nach der Entbindung begrenzt. Nach § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB wurde er zu einem echten Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz87 hat die Frist auf 3 Jahre ausgedehnt. Jetzt genügt es, daß wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine „Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.“ Der Maßstab ist kein anderer als nach § 1570 BGB für die eheliche Mutter. Die gleich lautenden gesetzlichen Formulierungen lassen keine andere Deutung zu.88 Mit dem Kindschaftsreformgesetz89 ist heute eine längere Unterhaltspflicht in den Fällen gegeben, in denen der Wegfall des Unterhaltsanspruchs der Mutter nach Ablauf der 3 Jahre für das Kind grob unbillig wäre. So beispielsweise, weil das Kind infolge einer Behinderung auf eine intensivere Betreuung durch die Mutter angewiesen ist.90 Aber auch, wenn sich die Mutter nach den 3 Jahren entschließt, im Hinblick auf die weitere Betreuungsbedürftigkeit des Kindes von einer Erwerbstätigkeit im Interesse des Kindes weiterhin abzusehen, soll es in der Regel „unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig“ sein, einen Unterhaltsanspruch 83
Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 76. Siehe: Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1. Aufl., 1964, § 60.I.4., S. 648; Odersky, Nichtehelichengesetz, 2. Aufl., 1971, vor §§ 1615k – 1615n BGB, Anm. 1. 85 Odersky, Nichtehelichengesetz, 2. Aufl., 1971, vor §§ 1615k–1615n BGB, Anm. 2. 86 NEhelG vom 19.08.1969 (BGBl. I, S. 1243), in Kraft seit 01.07.1970. 87 SFHÄndG vom 21.08.1995 (BGBl. I, S. 1050), in Kraft seit 01.10.1995. 88 Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 02/2001, Kap. 14, Rdnr. 37. 89 KindRG vom 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942), in Kraft seit 01.08.1998. 90 Siehe hierzu u. a.: Diederichsen, NJW 1998, 1977 (1980 f.); Puls, FamRZ 1998, 865 ff.; Büttner, FamRZ 2000, 781 ff.; siehe auch: Große-Boymann, Alleinerziehung, 1997, S. 47 ff.; Wever, FF 2000, 20 ff. 84
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
nunmehr zu versagen. Das Kind unverheirateter Eltern hat den gleichen Anspruch auf eine gedeihliche Entwicklung durch Betreuung der Mutter bzw. des Vaters, wie das ehelich geborene Kind.91 Gerade auch deshalb wurde die zunächst geltende Befristung auf 3 Jahre zugunsten des nichtehelichen Vaters als verfassungswidrig angesehen und die jetzige Regelung angemahnt.92 Es besteht kein Anlaß, den nichtehelichen Vater beim Betreuungsunterhalt zu begünstigen. Um zu verhindern, daß sich Schwangere auf unbillige Eheverträge einlassen, nur um über den ehelichen Unterhalt die Betreuung des Kindes absichern zu können, muß der Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegen den nichtehelichen Vater noch weiter ausgebaut werden.93 Die Diskrepanz der Freiräume beider Unterhaltsansprüche ist daher nicht nur „einseitig“,94 „eigenartig“95 oder „ungereimt“.96 Es genügt auch nicht, die fehlende „Harmonie“ zwischen den Regelungen zu beklagen.97 Konsequenterweise müßte aus diesem Grunde § 1615l Abs. 2 BGB eine Grenze der Dispositionsbefugnis über den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach den §§ 1569 f. BGB markieren.98 Nichtverheirateten wird sonst staatlicher Schutz verordnet, der Verheirateten versagt bleibt.99 Da ohnehin bis heute streitig geblieben ist, ob die Mutter auf den nachehelichen Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB überhaupt verzichten kann,100 könnte man unter Heranziehung von Art. 3 Abs. 2 91 Puls, FamRZ 1998, 865 (869, 875); Büttner, FamRZ 2000, 781 (786); Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 02/2001, Kap. 14, Rdnr. 10 und 54 f. 92 Siehe bspw.: Büttner, FamRZ 1998, 1 (6), der jedoch seine Sicht mit den Ergebnissen des Arbeitskreises 15 des 13. Deutschen Familiengerichtstages (FF 2000, 1 [4]) geändert hat (FamRZ 2000, 781 [786]). Kritisch auch Wellenhofer-Klein, FuR 1999, 448 (453), die de lege ferenda einen Gleichrang für wünschenswert hält. Siehe auch: Born, in MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1615l BGB, Rdnr. 6. 93 Röthel, NJW 2001, 1334 (1335). Dauner-Lieb, FF 2002, 151 (153) hält es daher zu Recht für „verfassungsrechtlich problematisch“, daß der Betreuungsunterhalt der nichtehelichen Mutter noch nicht das Niveau des Betreuungsunterhalts der ehelichen Mutter erreicht. Ausdrücklich anders: Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 (583 f.), die eine generelle Gleichstellung der Ansprüche auf dem Niveau von § 1570 BGB nicht als verfassungsrechtlich geboten ansehen. 94 Frank, AcP 200 (2000), 401 (411). 95 Schwab, Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 39.VII, Rdnr. 390, S. 186. 96 Puls, FamRZ 1998, 865 (876). 97 Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 19. Auch Büttner, FamRZ 1998, 1 (7) vermißt die nötige Konsequenz beim BGH. 98 Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 140 (142); Grziwotz, FamRB 2002, 26. Armasow, RNotZ 2001, 196 (197) hält für den zukünftigen Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB ausdrücklich fest: „Eine gesetzliche Grenze, die nicht abdingbar ist, setzt lediglich § 1615l BGB, der auch der ehelichen Mutter zugute kommen muß.“ 99 Frank, AcP 200 (2000), 401 (411). 100 Siehe nur Schwab, FamRZ 2001, 349 (350) in seiner Anmerkung zu: BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“; ders., Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 39.VII, Rdnr. 390, S. 186 und Schwab/Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., 2000, Rdnr.
I. Die gesetzlichen Regelungen
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S. 1, 6 Abs. 1 GG die Vertragsfreiheit der Mutter insoweit begrenzen, als sie zumindest die Rechte der nichtehelichen Mutter behalten muß. Als sachgerecht wird ein weiterer Gedanke vorgebracht.101 § 1615l Abs. 2 bzw. Abs. 4 BGB geben der betreuenden nichtehelichen Mutter bzw. dem betreuenden nichtehelichen Vater102 einen eigenständigen Anspruch gegen den jeweils anderen Elternteil. Tatbestand sind Elternschaft und Betreuung des Kindes. Darüber hinaus steht ab dem 01.01.2002 der Anspruch unter der „amtlichen“ Überschrift:103 „Besondere Vorschriften für das Kind und seine nicht miteinander verheirateten Eltern“. Deshalb sind zwar die Regelungen zum Ehegattenunterhalt (§§ 1360 S. 1, 1361a Abs. 2 S. 2 BGB) und zum Trennungsunterhalt (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB) als vorrangig anzusehen. Hingegen sind vom Wortlaut des § 1615l BGB auch die nicht mehr miteinander verheirateten Eltern erfaßt. Dann können die Ansprüche aus § 1570 BGB und § 1615l BGB zueinander in Anspruchskonkurrenz stehen. Letzterer Anspruch bliebe dann als unverzichtbar bestehen.104 Diese Überlegungen dürften jedoch an § 1615a BGB scheitern. Die Norm steht unter der gleichen Überschrift. Danach kommt es zunächst darauf an, ob das zu betreuende Kind vor der späteren Ehe der Eltern, während der Ehe der Eltern (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder als ehelich im Sinne von § 1593 BGB nach der Ehe der Eltern geboren wurde. Nur wenn dem nicht so ist, gelten nach § 1615a BGB die allgemeinen Vorschriften über den Verwandtenunterhalt, §§ 1601 bis 1615 BGB, es sei denn, aus den §§ 1615l ff. BGB ergibt sich etwas anderes.
1289 ff. Ebenso: Bosch, FamRZ 1982, 1216 ff.; ders., FS für Walther Habscheid, 1989, S. 23; Büttner, FamRZ 1998, 1 (7). Röthel, NJW 2001, 1334 (1335) verlangt de lege lata ein ausdrückliches gesetzliches Votum, mit dem zumindest teilweise der nacheheliche Betreuungsunterhalt der Disposition der Ehegatten entzogen wird. Unter Hinweis auf § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB will Wagenitz, FS für Walter Rolland, 1999, S. 379 (383) nur die Berechtigung zur Minderung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt und nur bei Vereinbarkeit mit dem Kindeswohl zulassen. 101 Hierzu: Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 140 (142). 102 Wohl eine Nachlässigkeit des Gesetzgebers ist es auch, daß § 1615l Abs. 4 S. 1 BGB, der den Anspruch des Vaters gegen die nichteheliche Mutter regelt, wenn dieser das Kind betreut, zwar auf den Anspruch der Mutter in § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB verweist, nicht jedoch auch auf die zeitliche Befristung des Anspruchs in § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB. Streng nach dem Wortlaut hätte dann der betreuende Vater so lange einen Anspruch auf Unterhalt gegen die Mutter, wie das Kind betreuungsbedürftig ist. Jedenfalls beim Vater gäbe es dann zwischen den Ansprüchen aus § 1570 BGB und § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB keinen Unterschied mehr. Da diese Folge so nicht „gemeint“ gewesen sein kann und überdies auch evident verfassungswidrig wäre (Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG), gilt auch für den betreuenden Vater die regelmäßige Befristung des Anspruchs auf 3 Jahre (Schwab, Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 75.III., Rdnr. 776, S. 369). Büdenbender, FamRZ 1998, 129 (133), der eine „gesetzestechnische Ungenauigkeit“ erkennt, will die „Lücke“ durch entsprechende Anwendung von Abs. 2 S. 3 füllen. 103 Art. 1 Abs. 7 SchuldRModG. Siehe auch: Schwab, FamRZ 2002, 1; Leipold, NJW 2003, 2657 (2659). 104 So: Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 140 (142).
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Eine Entscheidung hierzu steht noch aus. Praktische Bedeutung hat die Frage für die Mutter eines ehelichen Kindes, die schon weit vor der Geburt des Kindes auf Betreuungsunterhalt verzichtete, mit gutem Einkommen zunächst tätig war und nunmehr wegen erhöhter Betreuungsbedürftigkeit des Kindes über dessen drittes Lebensjahr hinaus keine eigene Erwerbstätigkeit aufnehmen kann.105 Auch diese sachlich kaum begründbare Differenzierung belegt, daß mit einem pauschalen Hinweis auf die bestehende Vertragsfreiheit nicht in jedem Fall bereits das letzte Wort gesprochen sein kann. Auch die hinter §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1614 BGB stehenden Wertungen werden deshalb für die Wirksamkeit vorsorgender Unterhaltsvereinbarungen zu berücksichtigen sein. Doch auch, wenn wegen der Diskrepanz zwischen der Vertragsfreiheit zum Anspruch aus § 1570 BGB und zum Anspruch aus § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB keine Einschränkungen gelten sollen, bleibt in diesem Zusammenhang ein weiterer Umstand logisch nicht erklärbar.106 Verzichtet die Ehefrau auf nachehelichen Betreuungsunterhalt trotz Bedürftigkeit, dann kann der geschiedene Ehemann wegen § 242 BGB treuwidrig handeln, wenn er sich auf diesen Verzicht beruft. Den Kindern soll ihr Anspruch auf unmittelbare Betreuung und Erziehung durch einen Elternteil nicht entzogen werden, nur weil dieser betreuende Elternteil wegen des Verzichtes nach der Ehe einer Erwerbstätigkeit nachgehen muß.107 Die Höhe des trotz Verzichtes geschuldeten Unterhalts – und hierin liegt der Widerspruch – richtet sich nicht nach den ehelichen Verhältnissen, wie es ohne Verzicht der Fall wäre (§§ 1570, 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). In der Regel wird nur der sog. „Notunterhalt“ geschuldet. Dieser notwendige Unterhalt richtet sich danach, was erforderlich ist, damit der betreuende Ehegatte sich der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder widmen kann,108 und wird zur 105 Dem kommt die Entscheidung BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 sehr nahe, weshalb sie zu Recht von Dethloff, JZ 1997, 414 (415) insbesondere unter Hinweis auf die Stellung der nichtehelichen Mutter und deren Anspruch aus § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB kritisiert wurde. 106 Vergleiche: Schwab, FamRZ 1997, 521 (525) und wohl auch Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 19. 107 So löst der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung das Problem: BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833; BGH, 24.04.1985, IVb ZR 17/84, NJW 1985, 1835 (1836); BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, NJW 1987, 776 (777); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165); BGH, 30.11.1994, XII ZR 226/93, NJW 1995, 1148; BGH, 16.04.1997, XII ZR 293/95, NJW-RR 1997, 897. 108 Siehe u. a.: BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166); BGH, 30.11.1994, XII ZR 226/93, NJW 1995, 1148 (1149) = FamRZ 1995, 291; BGH, 16.04.1997, XII ZR 293/95, NJW-RR 1997, 897 (898); Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 07/1998, Kap. 1, Rdnr. 28; Langenfeld, in: Heiß/Born, a. a. O., Kap. 15, Rdnr. 31 f. Entgegen BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, NJW 1987, 776 (777) kann es dann aber nicht dahinstehen, ob der Unterhaltsverzicht auch wegen § 138 BGB unwirksam war, weil bei Nichtigkeit der Unterhalt in gesetzlicher Höhe und nicht nur der Notunterhalt geschuldet ist.
I. Die gesetzlichen Regelungen
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Vereinfachung dem Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle entnommen.109 Die Höhe des Betreuungsunterhaltes der nichtehelichen Mutter hingegen – da nicht abdingbar – richtet sich zwar ebenfalls nicht nach den ehelichen Verhältnissen. Eheliche Verhältnisse hatte es zu keiner Zeit gegeben. Die Höhe richtet sich jedoch nach der Lebensstellung der Mutter, §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB. Maßgebend ist das bisherige Erwerbseinkommen. Nur als Minimum gelten auch hier die Sätze nach der Düsseldorfer Tabelle.110 Hier führt die unterschiedliche Reichweite der Vertragsfreiheit, je nachdem, ob das zu betreuende Kind ehelich oder nichtehelich geboren wurde, wirtschaftlich auch in der Praxis zu unterschiedlichen Ergebnissen.111 Ganz allgemein wird daher auch Kritik gegenüber der Begrenzung des nachehelichen Betreuungsunterhaltes auf den notwendigen Unterhalt ausgebracht. Im Wege der Ausübungskontrolle soll „(. . .) unter Umständen der volle, nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessene Betreuungsunterhalt zu zahlen (. . .)“ sein.112 Am Rande wird deshalb auch noch darauf hingewiesen, daß die Rechtsprechung inkonsequent ist. Einerseits meint der Bundesgerichtshof, der Ehemann kann sich durch den Ehevertrag in die Position eines nichtehelichen Vaters zurückziehen.113 Dann dürfte der Bundesgerichtshof dem Vater die Berufung auf den Unterhaltsverzicht hinsichtlich des nachehelichen Anspruchs der Mutter auf den notwendigen Betreuungsunterhalt (Notunterhalt) auch nur für 3 Jahre versagen.114 Auf eine solche Rückzugsmöglichkeit erkennt das Gericht dann doch 109 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166) hat auch keine Einwende dagegen, daß der Notunterhalt nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelt wird. Auch wenn diese Sätze die Regelsätze der Sozialhilfe übersteigen, so sei es Sache des Tatrichters, den zur Abdeckung der elementaren Lebensbedürfnisse notwendigen Betrag zu ermitteln. 110 Stand 01.01.2002: mind. 730 EUR, bei Erwerbstätigkeit 840 EUR – siehe: Beilage NJW 2001, Heft 33, S. 7*. 111 Unklar ist die Situation erst recht, wenn die nacheheliche Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder zusammentreffen. Hätten in dem Fall BGH, 21.01.1998, XII ZR 85/96, NJW 1998, 1308 (1312) die Eheleute den Betreuungsunterhalt ausgeschlossen, dann würde der Ehemann wegen der ehelichen Kinder den Notbetreuungsunterhalt, der Vater des nichtehelichen Kindes hingegen Unterhalt nach den (für ihn fremden) ehelichen Verhältnissen schulden. Untereinander hafteten beide Männer wegen §§ 1615l Abs. 3 S. 1 BGB, 1606 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich anteilig, und zwar nach dem Maßstab ihrer jeweiligen Erwerbs- und Vermögensverhältnisse. Ob wegen des Anspruchs aus § 1615l Abs. 2 BGB gegen den Vater sich dann der Ehemann auf den Unterhaltsverzicht berufen kann oder ob in Anlehnung an die „gestörte Gesamtschuld“ der Vater des nichtehelichen Kindes schon anfänglich nur anteilig haftet – Fragen die hier nicht beantwortet werden können. Das Beispiel verdeutlicht jedenfalls erneut, daß unter Umständen der Betreuungsunterhalt der nichtehelichen Mutter höher ausfällt, als bei der geschiedenen Ehefrau, obwohl die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen gleich sind. 112 Gerber, DNotZ 1998, 288* (292*f). 113 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193).
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
nicht. Konformität ließe sich herstellen, macht man den Anspruch auf Notunterhalt trotz Verzichts auf Betreuungsunterhalt vom entsprechenden Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB abhängig.115 Es wird hier ebenfalls deutlich, daß die gesetzlich vorgegebene Reichweite der Vertragsfreiheit in ähnlichen Konstellationen einen Rückschluß auch auf die Bereiche zuläßt, in denen grundsätzlich durch Vereinbarung von den gesetzlichen Vorgaben abgewichen werden kann. 9. Zwischenergebnis Im Ergebnis läßt daher schon die Betrachtung der gesetzlichen Regelungen im Wirkungsbereich des Ehevertrages erkennen, daß die überwiegend präferierte „volle Vertragsfreiheit“ im Ehegüterrecht vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Selbstverständlich kann im Umkehrschluß auch angenommen werden, der Gesetzgeber habe die als nötig empfundenen Grenzen gesetzt. Weitere Beschränkungen wären daher ausgeschlossen. Wichtig sollte zumindest jedoch die Erkenntnis bleiben, daß Ausdruck der oben genannten Vorschriften auch die Sorge der Übervorteilung durch den stärkeren Ehevertragspartner und der Ausnutzung der unterlegenen Verhandlungsposition des schwächeren Ehevertragspartners ist. Je mehr der Gesetzgeber schon Vorschriften zur Eingrenzung der Vertragsfreiheit geschaffen hat, je eher wird deutlich, daß mit dem Grundsatz: „Was nicht verboten ist, muß erlaubt sein“, keine allgemein gültige Antwort mehr gefunden werden kann. Gibt es eine Vielzahl von Regelungen, die aus Schutzerwägungen heraus die Vertragsfreiheit begrenzen, dann stehen zwar die verbleibenden Bereiche selbstverständlich zunächst zur Disposition der Vertragspartner, mithin der Ehegatten. Gerade aber weil der zur Verfügung stehende Rahmen schon gesetzlich begrenzt worden ist, muß der verbleibende Bereich unter erhöhter Wirksamkeitskontrolle stehen. In diesen Fällen wird man von einer latenten Gefährdungslage ausgehen müssen. Schon der Gesetzgeber hatte doch abzuwägen, in welchem Umfang er in die verfassungsrechtlich zu gewährleistende Vertragsfreiheit mit seinen Regelungen eingreift. Ist dann aber die Vertragsfreiheit durch zusätzliche Umstände beeinträchtigt, die keiner Verallgemeinerung und deshalb auch keiner gesetzlichen Regelung zugänglich sind, wird der Richter das gesetzgeberische Grundkonzept fortzuschreiben haben. Ob die Gerichte dieser Aufgabe bereits hinreichend nachkommen?
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Büttner, FamRZ 1998, 1 (7). In dieser Richtung kann die Entscheidung BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166) schon zu verstehen sein. 115
II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit
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II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit Der Bundesgerichtshof ist Verfechter einer möglichst umfassenden Ehevertragsfreiheit. „Für Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art, die Ehegatten während der Ehe oder vorsorglich schon vor der Eheschließung für den Fall einer späteren Scheidung treffen, besteht grundsätzlich volle Vertragsfreiheit (§ 1408 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).“116 Diese „volle Vertragsfreiheit“ billigt der Bundesgerichtshof mit ständiger Rechtsprechung den Ehegatten zu.117 Ihnen steht es nach dem Gesetz frei, ihren Güterstand aufzuheben oder zu ändern.118 Durch Ehevertrag können sie die gewünschten Abweichungen von der gesetzlichen Regelung vereinbaren.119 Aus §§ 1408 Abs. 1, 1414 Satz 2 BGB folgt, daß das Gesetz ihnen hierbei eine sehr weite Gestaltungsfreiheit einräumt.120 1. Das Wesen des Güterstandes Ob die den Ehegatten durch § 1408 BGB eingeräumte Freiheit, einen gesetzlich geregelten Güterstand zu modifizieren, ihre Grenzen an den wesentlichen Prinzipien des jeweiligen Güterstandes findet (Wesen des Güterstandes), hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen gelassen.121 Vorausgesetzt, eine solche 116
BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). BGH, 04.10.1978, IV ZB 84/77, FamRZ 1978, 873 (874) = NJW 1979, 43 (45); BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 (789) = NJW 1985, 1833; BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, FamRZ 1990, 372 (373) = NJW 1990, 703 (704); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914). Siehe ferner nur einerseits: Bosch, FS für Walther Habscheid, 1989, S. 23 (34 f.); Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (302 f.) mit kritischer Stellungnahme und andererseits zustimmend: Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587); Gerber, Vertragsfreiheit und richterliche Inhaltskontrolle bei Eheverträgen, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (51). 118 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2240). 119 BGH, 16.12.1982, IX ZR 90/81, BGHZ 86, 143 (151); BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2240). 120 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241). 121 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2240). Das RG, 11.03. 1926, JW 1927, 1192 schien eine Begrenzung durch das Wesen des Güterstandes annehmen zu wollen. Zum Meinungsstand siehe bspw.: Baligand, Der Ehevertrag, 1906, § 6, S. 34 ff.; Körner, Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1961, § 74 ff., S. 188 ff.; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1. Aufl., 1964, § 32.III.4., S. 307; Skuludis, Die Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 177 ff.; Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A.I.4.b), S. 112 ff.; ablehnend u. a.: Hepting, Ehevereinbarungen, 1984, § 1.II., S. 8; Ramm, Familienrecht I, 1984, § 45.IV.1., S. 364; Kanzleiter, in: MünchKomm, 3. Aufl., 1993, § 1408 BGB, Rdnr. 13; Mayer, MittBayNot 1997, 237; Schwab, Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 30, Rdnr. 207, S. 105; ders., DNotZ 2001, 9* (11 f.*). Grziwotz, FF 2001, 41 nimmt zur Begrenzung der Vertragsfreiheit durch das Wesen der Ehe, § 1353 BGB, Stellung. Interessant sind seine Überlegungen zu § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, wonach als Eheaufhebungsgrund nunmehr 117
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Begrenzung der Ehevertragsfreiheit existiert, dann muß nach dem Bundesgerichtshof durch die Veränderung des gesetzlichen Güterstandsmodells das spezifische Ordnungsziel des jeweiligen Güterstandes nicht mehr gewahrt sein.122 Die gesellschaftliche Entwicklung, so gibt der Bundesgerichtshof zu bedenken, hat ein vielfältiges, vom traditionellen Leitbild der „Hausfrauenehe“ abweichendes, Spektrum ehelicher Lebensverhältnisse hervorgebracht. Dem trägt das Gesetz nicht nur durch die in § 1356 BGB normierte Freiheit der familieninternen Rollenverteilung Rechnung. Es stellt deshalb auch den Güterstand weitgehend der ehevertraglichen Gestaltungsfreiheit anheim. Der mangels anderweitiger ehevertraglicher Regelung und damit „subsidiär“ vorgesehene gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist ohne weiteres als sachrichtiger Güterstand für die überwiegende Zahl der Ehen anzusehen. Von diesem Ehetyp kann sich die Realität allerdings weit entfernen. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist daher in unveränderter Form nicht immer geeignet, einen sachgerechten Ausgleich zu gewährleisten. Deshalb kann auch der Güterstand selbst, wie es ausdrücklich § 1408 Abs. 1 BGB anordnet, geändert werden. Keine „Denaturierung“ des Güterstandes ist es daher, wenn die Ehegatten mit Rücksicht auf außergewöhnliche Verhältnisse Änderungen vereinbaren, die diesen Verhältnissen Rechnung tragen, sich im übrigen aber noch am gesetzlichen Modell orientieren.123 2. Die allgemeinen Schranken der Ehevertragsfreiheit Die allgemeinen Schranken der Vertragsfreiheit für Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art, die Ehegatten während der Ehe oder vorsorglich schon vor der Eheschließung für den Fall einer späteren Scheidung treffen, ergeben sich für den Bundesgerichtshof allein aus den §§ 134 und 138 BGB.124 Der Bundesgerichtshof prüft ebenfalls, ob ehevertragliche Vereinbarungen gegen „§§ 138, 242 BGB“ verstoßen.125 „Eine besondere Inhaltskontrolle, ob die Regelung angemessen ist, hat – anders als bei einer Vereinbarung nach § 1587o Abs. 1 gilt, wenn sich die Ehegatten bei der Eheschließung darüber einig gewesen sind, daß sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 BGB begründen wollen. Die Norm betrifft die Scheinehe. Sie mißbilligt das Motiv der Eheschließung. Mit dem vollständigen Ausschluß der vermögensrechtlichen Ehefolgen hat sie nichts zu tun. Hier geht es um den Verzicht auf die eheliche Lebensgemeinschaft schlechthin (siehe nur: Müller-Gindullis, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1314 BGB, Rdnr. 31 f.; Wolf, FamRZ 1998, 1477 ff.; Wacke, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 651 [663 ff.]). 122 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241) mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 3 zu § 1363 BGB. 123 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241) mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 3 zu § 1363 BGB. 124 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193).
II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit
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BGB – nicht stattzufinden.“126 Über § 242 BGB läßt er lediglich die Ausübungskontrolle zu.127 Ganz allgemein zum Umfang der Vertragsfreiheit wird auch auf die Regelungen in § 1566 Abs. 1 BGB i. V. mit §§ 630 Abs. 1 ZPO hingewiesen. Der Gesetzgeber hält es für erwünscht, wenn die Ehegatten die Scheidungsfolgen einverständlich regeln. Vereinbarungen hierzu können dann nicht etwa deshalb nichtig sein, weil sie die Scheidung ermöglichen oder erleichtern. Darüber hinaus wird der vorgenannten gesetzlichen Regelung auch entnommen, „(. . .) daß nur (noch) selten Gründe vorliegen, die Vereinbarungen von Ehegatten über ihre vermögensrechtlichen Beziehungen für den Fall einer Scheidung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB als nichtig erscheinen lassen. Dem ist nicht nur für Vereinbarungen zuzustimmen, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem schon anhängigen oder jedenfalls beabsichtigten Scheidungsverfahren getroffen werden; vielmehr gilt das auch für sonstige Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art, die Ehegatten während der Ehe oder sogar schon vorher vorsorglich für den Fall einer späteren Scheidung treffen. Für solche Vereinbarungen besteht grundsätzlich volle Vertragsfreiheit.“128 Richtig wird an dieser Sicht sein, daß die rechtliche und faktische Verknüpfung der Abreden regelmäßig mit der Ehescheidung unbeachtlich bleiben muß. Es ist dürfte jedoch nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sein, Freiraum für möglichst viele Eheverträge beziehungsweise Scheidungsfolgenvereinbarungen zu schaffen, unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausgestaltung. Ansonsten müßte man wohl im Umkehrschluß dem Gesetzgeber unterstellen, er würde mit der zunehmenden Reglementierung des Inhalts von Arbeitsverträgen (siehe nur: § 2 NachwG; § 310 Abs. 4 S. 2 BGB) zum Ausdruck bringen, die Eingehung von Arbeitsverhältnissen sei eher unerwünscht. a) Das gesetzliche Verbot (§ 134 BGB) Die Sichtweise des Bundesgerichtshofes zur „vollen Vertragsfreiheit“ findet ihre erste Durchbrechung im Zusammenhang mit der Freiheit zur Ehescheidung. Schließen die Ehegatten die Scheidung ihrer Ehe vertraglich aus129 oder 125 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241) mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 3 zu § 1363 BGB. 126 BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). Ebenso: BGH, 27.09.1995, XII ZB 75/93, NJW 1995, 3251 (3252); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/ 94, NJW 1997, 126 (127). 127 Vergleiche: Langenfeld, Von der Inhaltskontrolle zur Ausübungskontrolle, FS für Helmut Schippel, 1996, S. 251 (252 ff.). 128 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704) mit Anmerkung Hepting, JZ 1990, 547. 129 BGH, 09.04.1986, IVb ZR 32/85, NJW 1986, 2046 (2047). Siehe auch: Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1564 BGB, Rdnr. 8; Knütel, FamRZ 1985, 1089 ff. Ausdrücklich anderer Meinung ist Hattenhauer, ZRP 1985, 200 (201 f.). Für
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verpflichtet sich einseitig ein Ehegatte, künftig keinen Scheidungsantrag zu stellen,130 so sind diese Abreden nach § 134 BGB nichtig.131 Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet nicht nur das Recht, bei Vorliegen der bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen geschieden zu werden. Auch die Freiheit zur Eheschließung muß wieder erlangt werden können. Deshalb sind die Vorschriften über die Ehescheidung zwingendes Recht und der Disposition der Ehegatten entzogen.132 Daß einem Ehegatten wegen der ehevertraglichen Abreden der Entschluß, sich scheiden zu lassen, schwerer fällt, als dem anderen Ehegatten, macht eine Vereinbarung im Ehevertrag jedoch noch nicht unwirksam.133 Auch wenn sich ein Ehegatte für den Fall der Scheidung zu Leistungen an den anderen verpflichtet oder die getroffenen Abreden bei einer Scheidung ausschließlich oder doch überwiegend zu seinen Lasten gehen, rechtfertigt dies allein nicht einmal die Annahme, die Scheidung werde diesem Ehegatten in unzulässiger Weise erschwert. In einer solchen „Scheidungserschwerung“134 liegt jedoch noch kein Nichtigkeitsgrund. Es müssen weitere Umstände hinzukommen, die der Vereinbarung ein anstößiges Gepräge geben. So etwa die Vereinbarung nach Art einer Konventionalstrafe, die von der künftigen Erhebung eines Scheidungsantrages abhalten soll. Ebensowenig wie sich Ehegatten verpflichten können, künftig keinen Scheidungsantrag zu stellen, können sie die Ausübung ihres Scheidungsrechts durch entsprechende Vertragsstrafenversprechen oder ähnliche Vereinbarungen erschweren, die für den Scheidungsfall nachteilige Folgen vorsehen, um von der Erhebung eines Scheidungsantrages abzuhalten.135 Werden daher bereits an den Scheidungsantrag eines Ehegatten konkrete Rechtsfolgen geknüpft, bestehen gegen diese Abrede grundsätzlich keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie verstößt insbesondere nicht gegen ein Gesetz, § 134 BGB.136 ihn gibt es weder ein gesetzliches Verbot ehevertraglicher Abdingung des Scheidungsrechts, noch kann ein ehevertragliches Festhalten an der Unscheidbarkeit der eigenen Ehe sittenwidrig sein. 130 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703. 131 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703. Teilweise wird auch die Unwirksamkeit aus § 138 BGB hergeleitet. Nach § 1564 S. 3 BGB ergeben sich aus den folgenden Vorschriften die Voraussetzungen, „unter denen die Scheidung begehrt werden kann“. § 138 BGB dürfte daher gegenüber § 134 BGB nur dann einschlägig sein, wenn finanzielle Erwägungen im Vordergrund standen (Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1564 BGB, Rdnr. 23). 132 BGH, 09.04.1986, IVb ZR 32/85, NJW 1986, 2046 (2047). Siehe auch: Reinhart, JZ 1983, 184 (189); Knütel, FamRZ 1985, 1089; Sarres, FPR 1999, 274 (276). 133 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 134 Siehe zu Begriff der „Kündigungserschwerung“ im Arbeitsrecht nur: Linck, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2000, § 622 BGB, Rdnr. 173 ff. 135 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 136 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703.
II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit
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Soll vereinbarungsgemäß derjenige Ehegatte, der den Scheidungsantrag stellt, dem anderen Ehegatten eine „Abfindung“ zahlen, so geht hiervon ein gewisser wirtschaftlicher Druck aus. Wenn aber der Zweck der Vereinbarung nicht die Erschwerung der Scheidung, sondern die Sicherung des weiteren Auskommens des anderen Ehegatten war, genügt dieser wirtschaftliche Druck nicht für die Feststellung der Sittenwidrigkeit.137 Auf das Scheidungsrecht kann jedoch verzichtet werden, soweit es bereits entstanden war.138 Auch bei einem Verzicht auf den Scheidungsantrag ist die erneute Geltendmachung des Scheidungsbegehrens aufgrund neuer Tatsachen zulässig. Deshalb kann auch das subjektive Scheidungsrecht neu entstehen, wenn einer der im Gesetz vorgesehenen Scheidungstatbestände aufgrund einer neuen Tatsachenlage erfüllt wird.139 Das Scheidungsrecht entsteht spätestens nach Ablauf einer dreijährigen Trennungsfrist neu. Wegen § 1566 Abs. 2 BGB wird dann das Scheitern der Ehe wieder unwiderlegbar vermutet. Die vor dem Verzicht liegende Zeit des Getrenntlebens darf nur nicht mitgerechnet werden, weil sie aufgrund des Verzichts nicht mehr als Indiz für ein Scheitern der Ehe gelten kann. Ist nach dem Verzicht erst eine einjährige Trennungsfrist verstrichen, so kann der Ehegatte gleichfalls ohne weiteres die Scheidung beantragen. Dann muß jedoch der andere Ehepartner zustimmen. Auch hier greift nach § 1566 Abs. 1 BGB ebenfalls die unwiderlegbare Vermutung des Scheiterns der Ehe ein. Kann diese Voraussetzung nicht erfüllt werden, so kommt es auf den Eintritt neuer Tatsachen im Sinne von § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB an, welche die Ehe als gescheitert erscheinen lassen. Leben die Ehegatten nach dem Verzicht noch nicht ein Jahr getrennt, entsteht das Scheidungsrecht des Verzichtenden nur unter den Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB neu.140 b) Der sittenwidrige Ehevertrag (§ 138 BGB) Ob ein Ehevertrag im Einzelfall gemäß § 138 BGB gegen die guten Sitten verstößt, d.h. dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft, hängt für den Bundesgerichtshof, wie auch bei anderen Vereinbarungen, von seinem aus Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter ab.141 Aus dem zeitlichen Abstand zu einer nicht beabsichtigten, sondern 137
BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704). Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1564 BGB Rdnr. 26. 139 Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1564 BGB Rdnr. 27. 140 BGH, 09.04.1986, IVb ZR 32/85, NJW 1986, 2046 (2047). 141 BGH, 08.12.1982, IVb ZR 333/81, NJW 1983, 1851 (1852); BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1835); BGH, 17.09.1986, IVb ZR 59/85, NJW 1987, 1546 (1548); BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127). 138
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nur für denkbar gehaltenen Scheidung können sich zusätzliche Gesichtspunkte ergeben.142 Für sich allein ist jedoch nicht ausreichend, daß der Ehevertrag in dem Bestreben abgeschlossen wurde, sich von sämtlichen nachteiligen Folgen einer Scheidung frei zu zeichnen.143 Zweifelhaft ist, ob Abreden zum Zwecke der Absicherung einer Legitimationsehe wirksam sind.144 Die Wirksamkeit der Vereinbarung hängt jedenfalls nicht davon ab, ob für einen Unterhaltsverzicht oder einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs eine Gegenleistung oder die Zahlung einer Abfindung vereinbart wird.145 Maßgebender Zeitpunkt der Beurteilung des Vertrages zur Sittenwidrigkeit ist, wie auch sonst, derjenige des Vertragsabschlusses.146 Nichts anderes soll gelten, wenn die Eheleute bei Abschluß des Vertrages bereits mehrere Monaten getrennt leben. Denn: Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, ob und wann die Beendigung des Güterstandes eintreten wird.147 Diese Sicht zur Prüfung der Sittenwidrigkeit von Eheverträgen entspricht der generellen Ansicht über den maßgeblichen Zeitpunkt der Sittenwidrigkeit.148 Probleme, die sich bei § 138 BGB ergeben, weil es auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ankommt, löst der Bundesgerichtshof über § 242 BGB.149 Die allgemeine Sicht erschwert die rechtliche Würdigung des Ehevertrages. Dessen Schwergewicht hat sich mit der Veränderung des gesetzlichen Güterstandes auf Gütertrennung mit Zugewinnausgleich nunmehr auf den Zeitpunkt der Scheidung verschoben. Erst bei Beendigung der Ehe kann die Frage beantwortet werden, ob die getroffene vertragliche Regelung in einem solchen Maße nicht dem tatsächlichen Verlauf der Ehe gerecht geworden ist, daß sie als sitten-
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BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704). BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127). 144 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834): „Ob es (. . .) zur Rechtfertigung eines Unterhaltsverzichtes (. . .) bereits ausreicht, daß dieses Kind durch eine ,ritterliche Eheschließung‘ seiner Eltern die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt, ist (. . .) zweifelhaft (. . .).“ 145 BGH, 27.10.1995, XII ZB 75/93, NJW 1995, 3251 (3252); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 146 BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); Armasow, RNotZ 2001, 196 (198); Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (277). Dem folgt auch die Literatur, welche der „vollen Vertragsfreiheit“ des Bundesgerichtshofes kritisch gegenüber steht: Büttner, FamRZ 1998, 1 (4); Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (326). 147 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241). 148 Siehe nur: Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 133 ff.; Heinrichs, in: Palandt, 61. Aufl., 2002, § 138 BGB, Rdnr. 9 m. w. N.: „Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen, nicht auf den des Eintritts der Rechtswirkungen.“ Ausführlich auch: Schmoeckel, AcP 197 (1997), 1 ff. 149 Hess, FamRZ 1996, 981 (986); Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 138 BGB, Rdnr. 138. 143
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widrig angesehen werden muß. Daher soll es möglich sein, daß ein zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht zu beanstandender Ehevertrag sittenwidrig wird. Umgekehrt soll eine anfänglich bestehende Sittenwidrigkeit später, bedingt durch eine Änderung der Eheführung, auch beseitigt werden können.150 Die Verlagerung der Prüfung auf eine „post-festum-Würdigung“ des Ehevertrages widerspricht zwar der sonst üblichen Wertung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Sie stimmt jedoch mit der Rechtspraxis überein. Dort wird erst bei Beendigung der Ehe die Unwirksamkeit des Ehevertrages behauptet. Im Rahmen der Überprüfung erfolgt dann auch die Berücksichtigung des Verlaufes der Ehe.151 Hierbei wiederum spielt insbesondere die Ehedauer eine hervorgehobene Rolle.152 Diese ist jedoch im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht ab150 So: Ramm, Familienrecht, Band I, 1. Aufl., 1984, § 28.II.4.a), S. 225. Er gibt als Beispiel die Änderung von Erwerbstätigenehe in Haushaltsführungsehe und umgekehrt. Ähnlich auch Hess, FamRZ 1996, 981 (986): Vorsorgende Eheverträge werden meist erst Jahre nach ihrem Abschluß wirksam. Prognosen der Ehegatten können sich dann als höchst unbillig erweisen, auch wenn sie ursprünglich achtenswert waren. Die Sittenwidrigkeit sollte deshalb nach den Umständen zur Zeit der Ehescheidung beurteilt werden. Auch erscheine es bedenkenswert, durch ein Hinausschieben des Beurteilungszeitpunkts bei § 138 BGB die Drittlastwirkung des Verzichts differenziert zu bewältigen. A.A. ist mit der h. M.: Büttner, FamRZ 1998, 1 (4). Für ihn kann ein Vertrag nicht je nach zeitlichem Blickwinkel einmal sittenwidrig sein und einmal nicht. Er erkennt jedoch auch, daß deshalb vorsorgende Eheverträge, bei denen sich später eintretende Bedürfnislagen und Risiken zumeist nicht absehen lassen, selten von § 138 BGB erfaßt sein können. 151 Ramm, Familienrecht, Band I, 1. Aufl., 1984, § 28.II.4.a), S. 226. 152 Das OLG Köln, 05.02.1981, 14 UF 77/80, FamRZ 1981, 1087 = DNotZ 1981, 444 hat eine Vereinbarung, in der eine Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann nach 20jähriger Ehe für den Ehescheidungsfall ohne Gegenleistung auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt verzichtet, als sittenwidrig angesehen. Dem entsprechend hat auch das OLG Karlsruhe, 07.03.1990, 1 U 147/89, NJWRR 1991, 452 = FamRZ 1991, 332 die Vereinbarung zwischen Eheleuten, durch die nach 25jähriger (Hausfrauen-)Ehe eine Ehefrau ohne echte Gegenleistung auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt verzichtet und ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Hausgrundstück auf ihren Ehemann überträgt, wegen § 138 Abs. 1 BGB für unwirksam erklärt. Zwar hat das Gericht ausdrücklich festgehalten: „Maßgebend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sind die objektiven und subjektiven Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Eine spätere Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist unerheblich.“ Es hat jedoch auch unter Bezug auf OLG Köln, a. a. O., weiter ausgeführt: „Die Sittenwidrigkeit derartiger Gesamtverzichtsvereinbarungen, insbesondere bei einer ähnlich langen Ehedauer von über 20 Jahren, ist in der Rechtsprechung mehrfach erkannt worden.“ Der BGH, 14.11.1990, XII ZR 94/90 hat die Revision nicht zugelassen. Später hat der BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193) auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe, a. a. O., ausdrücklich Bezug genommen und ausgeführt: Es könne „(. . .) entscheidende Bedeutung gewinnen, wenn die Parteien bei Abschluß des Ehevertrages schon lange Zeit verheiratet gewesen wären und sich bereits ein entsprechendes Versorgungsvermögen geschaffen gehabt hätten. (. . .) Der vorliegende Fall gibt (. . .) keine Veranlassung, abschließend dazu Stellung zu nehmen, ob dem uneingeschränkt zu folgen ist und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Ehevertrag nach langjähriger Ehe sittenwidrig sein kann.“
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sehbar. Zumindest ist die im Abschlußzeitpunkt im wesentlichen bereits vorgezeichnete Entwicklung in die Wertung mit einzubeziehen.153 Zwar gibt es Fälle, in denen bereits ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die Annahme zwingend nahelegt, der dadurch begünstigte Vertragspartner hat eine überlegene Verhandlungsposition zum Nachteil des anderen Teils bewußt oder grob fahrlässig ausgenutzt.154 Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sollen jedoch nur die auf Austausch von Leistungen oder Gütern gerichteten Verträge betreffen. Wenn aber § 138 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur Austauschgeschäfte betrifft, dann will der Bundesgerichtshof diese Rechtsgrundsätze nicht auf familienrechtliche Verträge übertragen.155 Für familienrechtliche Vereinbarungen reicht es danach nicht aus, daß schon die objektiven Gegebenheiten den Rückschluß auf die verwerfliche Gesinnung des anderen Teils ermöglichen.156 Auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des Sittenwidrigkeitsvorwurfs wird somit nicht verzichtet, auch nicht im Wege einer tatsächlichen Vermutung. „Allerdings können Rechtsgeschäfte, die den Tatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nur zum Teil erfüllen, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein.“157 Folgerichtig steht der Bundesgerichtshof auf dem Standpunkt, daß ein Ehevertrag nicht deshalb sittenwidrig sein kann, weil ein auffälliges Mißverhältnis zwischen dem vereinbarten Abfindungsbetrag und dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststellbaren Zugewinn vorliegt. Diese Vereinbarungen sind nicht auf eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung angelegt.158 Wer sich auf die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages beruft, muß deren Voraussetzungen darlegen und erforderlichenfalls beweisen.159 Indizien für den dominierenden Einfluß eines Ehepartners auf die Vertragsgestaltung sollen hier ausreichend sein. Im Zusammenhang mit einer im Ergebnis einseitigen Bevorzugung seiner Interessen können sie die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen.160 Ausreichend kann es daher sein, daß sich ein Ehepartner zur Zeit des Vertragsschlusses in einer bedrängten Lage befand. Diese Zwangslage muß 153
Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1004). Hierzu später noch ausführlich im Rahmen der normativen Grundlagen einer richterlichen Inhaltskontrolle. 155 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 (789); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165). 156 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 (789). 157 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165). 158 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241). Trotzdem wirken die Entscheidungen zuweilen inkonsequent. In BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704) wird geprüft, ob die vom Ehemann für den Fall der Scheidung versprochene Leistung in einem groben, unerträglichen Mißverhältnis zu seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen steht. Weiter wird untersucht, ob die Leistungen, zu denen sich der Ehemann verpflichtet hatte, in sittenwidriger Weise überhöht sind. 159 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834). 154
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der andere Ehegatte zur Durchsetzung ehevertraglicher Regelungen ausgenutzt haben.161 Inhaltlich muß es sich um Abreden handeln, mit denen der bedrängte Ehepartner unter normalen Bedingungen nicht einverstanden gewesen wäre.162 Zu den normalen Bedingungen zählt noch für den Bundesgerichtshof, wenn die Ehefrau bei Vertragsabschluß ein Kind erwartete und die Eheschließung kurz bevor stand.163 Macht der Ehemann die Eingehung der Ehe von dem Vertragsschluß abhängig, verzichtet die Ehefrau nicht auf von ihr bereits erworbene Ansprüche. Wenn es nicht zur Hochzeit kommt, hat die Ehefrau auch keine Aussicht gehabt, über das im Ehevertrag Zugebilligte hinaus rechtliche Vorteile zu erwerben.164 Weiterhin ist zwar richtig, daß die Ehefrau angesichts ihrer Schwangerschaft ersichtlich ein starkes und auch begreifliches Interesse hat, durch eine Heirat mit dem Ehemann als Vater des von ihr erwarteten Kindes eine gesicherte Versorgung zu erlangen. Ein Verzicht auf die Eheschließung mag der Ehefrau neben der Schwangerschaft sogar zusätzlich dadurch erschwert worden sein, daß der Ehemann ihr die Heirat nach anfänglichem Widerstreben zugesagt hatte, ihre Verwandten die Heirat erwarteten und ein Hochzeitstermin bereits festgesetzt war. Trotzdem macht auch diese gesamte Situation, selbst wenn sie dem Ehemann in allen Einzelheiten bekannt war, die Weigerung, die Ehefrau ohne vorherigen Abschluß eines Ehevertrages zu heiraten, nicht sittenwidrig. Der Ehemann ist rechtlich zu keiner Zeit zur Heirat verpflichtet. Auch aufgrund eines Eheversprechens kann die Ehefrau nicht die Eingehung der Ehe verlangen, § 1297 Abs. 1 BGB. Ist der Ehemann in seiner Entscheidung, ob er heiratet oder nicht, bis zuletzt frei, kann er die Heirat auch – selbst kurzfristig vor dem dafür vorgesehenen Termin – von dem Abschluß eines Ehevertrages, insbesondere auch von einem nachehelichen Unterhaltsverzicht abhängig machen.165 Entsprechendes gilt beispielsweise für einen modifizierten Ausschluß des Versorgungsausgleichs nebst teilweisem Verzicht auf nachehelichen Unterhalt.166 Würde einer solchen Vereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB die Rechts160 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2242) mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 3 zu § 1363 BGB. 161 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834). Nach BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165) wird eine Zwangslage noch nicht in sittenwidriger Art und Weise ausgenutzt, wenn der Ehemann gegenüber seiner schwangeren Ehefrau, mit der er schon jahrelang zusammenlebt und der er die Heirat nach anfänglichem Widerstreben bereits zugesagt hatte und trotz dem Umstand, daß ihre Verwandten die Heirat erwarteten und ein Hochzeitstermin bereits festgesetzt war, die Eheschließung noch von einem Unterhaltsverzicht abhängig macht. 162 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834). 163 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 (1537). 164 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 (1537). Ebenso noch: OLG Frankfurt/Main, 27.04.2000, 2 UF 227/99. 165 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165) = FamRZ 1992, 1403 (1404). 166 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 (1537).
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wirksamkeit abgesprochen, so läge darin ein Eingriff in die Eheschließungsfreiheit des Ehemannes, der seinerseits mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren wäre.167 Da der Ehemann – ungeachtet der Schwangerschaft der Ehefrau – von einer Eheschließung hätte absehen und sich auf die rechtlichen Verpflichtungen eines nichtehelichen Vaters hätte zurückziehen können, kann auch wegen des erwarteten Kindes von einer zu mißbilligenden Ausbeutung einer Zwangslage der Ehefrau nicht ausgegangen werden.168 Auch die entgegengesetzte Situation – die Rücknahme des Scheidungsantrages falls ein Ehevertrag unterzeichnet wird – also die Ehe nur bei Abschluß eines Ehevertrages mit dem gewünschten Inhalt fortgesetzt wird, findet grundsätzlich keine Mißbilligung wegen Sittenverstoßes.169 Schutz davor, daß der Ehevertrag aus Unerfahrenheit oder Gesetzesunkenntnis abgeschlossen wird, bietet für den Bundesgerichtshof die aus § 17 BeurkG folgende Belehrungspflicht des beurkundenden Notars. Der Ausschluß des Versorgungsausgleichs kann daher nicht schon dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn er in Kenntnis des Umstands vereinbart wird, der andere Teil werde nicht in der Lage sein, eine eigene Altersversorgung aufzubauen, und demgemäß die Gefahr besteht, daß er im Falle der Scheidung zum Sozialfall wird. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, wenn im Einzelfall das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit begründet sein soll.170 Grundsätzlich soll es jedoch die Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages begründen können, wenn eine Ehegatte unter Ausnutzung von Unerfahrenheit oder mangelndem Urteilsvermögen in einer Weise überrumpelt wird, in der eine Abwägung des Für und Wider nicht mehr erfolgen konnte.171 Hierbei ist es dann auch nicht ausgeschlossen, daß eine Schwangerschaft die Abwägung verhinderte.172 Auch verstößt es für den Bundesgerichtshof gegen die guten Sitten, wenn ein Elternteil seine Zustimmung zur Sorgerechtsregelung für gemeinschaftliche Kinder in anstößiger Weise zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile einsetzt.173 Das Sorgerecht über ein Kind darf nicht zum „Tauschobjekt“ für die Freistel167 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165) = FamRZ 1992, 1403 (1404). 168 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 (1537). 169 OLG Hamm, 20.04.1994, 10 UF 505/92, NJW-RR 1995, 964 = FamRZ 1995, 40; OLG Köln, 19.10.1994, 27 UF 54/94, FamRZ 1995, 929; OLG Koblenz, 05.02.1996, 13 UF 625/95, NJW-RR 1996, 901 = FamRZ 1996, 1212; OLG Köln, 15.01.1997, 26 UF 136/96, FamRZ 1997, 1539. Die Entscheidungen BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 = FamRZ 1996, 1536 und BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 = FamRZ 1997, 156 gelten mit Grziwotz, DNotZ 1998, 228* (257*) als Bestätigung dieser obergerichtlichen Rechtsprechung. 170 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127). 171 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165). 172 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165). 173 BGH, 15.01.1986, IVb ZR 6/85, NJW 1986, 1167 (1168).
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lung von Unterhaltspflichten benutzt werden. Deshalb ist eine Vereinbarung, bei der die zugesagte Unterhaltsfreistellung einen ständigen Anreiz bieten kann, ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes aus finanziellen Gründen von der Ausübung des Sorge- und Umgangsrechts abzusehen, als unzulässige „Kommerzialisierung“ des elterlichen Sorge- und Umgangsrechts regelmäßig sittenwidrig. In diesem Sinne ist eine unzulässige Koppelung zwischen einer Regelung über das elterliche Sorge- oder Umgangsrecht und einer Unterhaltsfreistellungsverpflichtung anzunehmen, wenn die beiderseitigen Verpflichtungen als gegenseitige, in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängige Vereinbarungen getroffen worden sind.174 Die anstößige Verbindung liegt jedoch nicht automatisch schon dann vor, wenn die Sorgerechtsregelung und die Freistellungsabrede zum Unterhalt zusammen mit weiteren Scheidungsfolgen in einer gemeinsamen Vereinbarung geregelt werden. Das Gesetz strebt die konzentrierte Regelung aller materiellen und immateriellen Folgen einer Scheidung unter möglichst weitgehender Einigung der Ehegatten an, §§ 623, 630 ZPO. Eine Trennung der mit der Sorgerechtsregelung verbundenen Fragen von solchen der Unterhaltsregelung für die Kinder und die geschiedenen Ehegatten ist auch deshalb nicht möglich, weil sie inhaltlich voneinander abhängen. Die Unterhaltsfreistellung ist deshalb vor allem dann sittenwidrig, wenn eine damit verbundene Regelung der elterlichen Sorge über gemeinschaftliche Kinder sich über deren Wohl bewußt hinwegsetzt. Die Rechtsordnung kann nicht eine Vereinbarung anerkennen, die nicht dem Wohl des Kindes, sondern egoistischen materiellen Interessen eines Elternteils dient.175 Die Vertragsfreiheit der Ehegatten im Ehevertrag endet auch dort, wo Rechte Dritter entgegen stehen. Deshalb kann ein Vertrag, durch den bewußt die Unterstützungsbedürftigkeit eines geschiedenen Ehegatten zu Lasten der Sozialhilfe herbeigeführt wird, den guten Sitten zuwiderlaufen und damit nach § 138 BGB nichtig sein. Eine Schädigungsabsicht der Ehegatten gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ist hierfür nicht erforderlich.176 Diese Grundsätze sollen nicht nur für den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt,177 sondern auch für den Ausschluß des Versorgungsausgleichs gelten.178
174 BGH, 23.05.1984, IVb ZR 9/83, NJW 1984, 1951 (1952). Für Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1006) sind die Eheschließungs- und Ehescheidungsfreiheit ebenfalls keine kommerzialisierbaren Positionen. „Beruft sich ein Partner auf diese Freiheiten zur Erlangung finanzieller Vorteile oder zur Befreiung von möglichen künftigen Verpflichtungen, so bedarf diese Verknüpfung einer näheren Betrachtung darauf, ob hier nicht eine zu mißbilligende Kommerzialisierung oder eine verpönte Zwecksetzung vorliegt.“ 175 BGH, 15.01.1986, IVb ZR 6/85, NJW 1986, 1167 (1168). 176 BGH, 08.12.1982, IVb ZR 333/81, NJW 1983, 1851 (1852) = BGHZ 86, 82 (88); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (915); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165).
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
c) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Zusätzlich zu § 138 BGB ergeben sich für den Bundesgerichtshof auch gegenüber Eheverträgen weitere Begrenzungen der Vertragsfreiheit aus § 242 BGB. Zu Recht ist in diesem Zusammenhang für den Bundesgerichtshof unbeachtlich, daß die gegen den Vertrag vorgebrachten Einwendungen dessen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB noch nicht zu begründen vermochten. Einen Grundsatz, wonach einem mit Blick auf § 138 BGB rechtsbeständigen Vertrag nicht unter Heranziehung von § 242 BGB wieder die Rechtswirkung genommen werden darf, gibt es in dieser Allgemeinheit nicht. „Denn vom Bestand eines Rechts ist seine Geltendmachung zu unterscheiden. Aufgrund unwirksamer Verträge können Rechte nicht erworben werden. Vertraglich wirksam begründete Rechte dürfen aber in gleicher Weise wie gesetzliche Rechte unbeschadet ihres Bestandes nicht mißbräuchlich ausgeübt werden.“179 aa) Das Mißbrauchsverbot Im Unterhaltsrecht stellt zunächst § 1585c BGB den Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Zeit nach der Ehe wieder her.180 Die Bestimmung enthält keinerlei Ausnahmen, auch nicht für Bedürfnislagen und auch nicht für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB.181 Aus diesem Grunde sah sich der Bundesgerichtshof über § 242 BGB zu Randkorrekturen veranlaßt. Trotz der Möglichkeit eines umfassenden, auch den Fall der Kindesbetreuung einschließenden Verzichts auf nachehelichen Unterhalt in einer vorsorgenden Vereinbarung ist der dadurch begünstigte Ehegatte unter besonderen Umständen nicht berechtigt, sich im Falle der Scheidung auf den Verzicht zu berufen. Wie jedes andere Recht unterliegt das aus dem Verzicht herzuleitende dem Mißbrauchsverbot. Daher kann es einem auf Unterhalt in Anspruch genommenen Ehegatten im Einzelfall verwehrt sein, sich auf den vereinbarten Verzicht zu berufen, wenn es – etwa aufgrund der späteren Entwicklung – mit dem auch im Unterhaltsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre.182 177 BGH, 08.12.1982, IVb ZR 333/81, NJW 1983, 1851 (1852) = BGHZ 86, 82 (88); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (915); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165). 178 Schippel, Jura 1999, 57 (59); Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 1408 BGB, Rdnr. 33. 179 BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, FamRZ 1986, 46 (47). 180 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 = NJW 1985, 1833. 181 Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 21. 182 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 (789). Siehe auch: BGH, 24.04.1985, IVb ZR 17/84, FamRZ 1985, 787 = NJW 1985, 1835; BGH, 15.10.1986,
II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit
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bb) Die Ausübungskontrolle Die auf § 242 BGB gestützte Ausübungskontrolle dient dem Bundesgerichtshof zumeist zum mittelbaren Schutz berechtigter Interessen Dritter.183 Hierbei geht es beim Verzicht auf Betreuungsunterhalt hauptsächlich um die Interessen der zu betreuenden Kinder. Überhaupt ist den gesetzlichen Regelungen zum nachehelichen Unterhalt in §§ 1570, 1577 Abs. 4 S. 2, 1578 Abs. 1 S. 2 und 3, 1579 Nr. 1, 1582 Abs. 1 S. 2 und 3, 1586a Abs. 1 S. 1 BGB der besondere Schutz von Kindesinteressen entnehmbar.184 Schützenswert können darüber hinaus auch die Interessen des Trägers der Sozialhilfe185 oder von Verwandten186 sein.187 Die Belange der Allgemeinheit sollen nicht zu den schützenswerten Interessen gehören. Erörterung erfordert das Problem, wenn ein Unterhaltsverzicht trotz drohender Inanspruchnahme von Sozialleistungen wirksam ist, weil er die Bedürftigkeit und damit das Risiko, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, nicht erhöht. So verhält es sich bei einem Verzicht vor der Eheschließung, wenn ohne die Eheschließung ohnehin die Unterstützung durch Sozialleistungen nötig gewesen wäre.188 Wenn der Unterhaltsverzicht nicht wegen deshalb drohender Inanspruchnahme von Sozialhilfe sittenwidrig ist, dann darf allein wegen der Bedürftigkeit nicht über § 242 BGB die Berufung auf den Unterhaltsverzicht aus Treu und Glauben verwehrt werden. „Die Generalklausel des § 242 BGB verpflichtet zur billigen Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des anderen Teils und zu einem redlichen und loyalen Verhalten. Belange der Allgemeinheit begründen aber nicht ohne weiteres zugleich schutzwürdige Interessen der an der Rechtsbeziehung Beteiligten, auf die diese in ihrem Verhalten zueinander nach Treu und Glauben Rücksicht zu nehmen haben. Das gilt auch für das (. . .) in Betracht zu ziehende Interesse des Sozialhilfeträgers an der Vermeidung von Leistungspflichten.“189 IVb ZR 79/85, FamRZ 1986, 46 (47); BGH, 01.04.1987, IVb ZR 33/86, FamRZ 1987, 691 (692); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, FamRZ 1992, 1403 (1404); BGH, 30.11.1994, XII ZR 226/93, FamRZ 1995, 291. 183 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833; BGH, 24.04.1985, IVb ZR 17/84, NJW 1985, 1835 (1836); BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, NJW 1987, 776 (777); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (128); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192. 184 Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 26. 185 BGH, 08.12.1982, IVb ZR 333/81, FamRZ 1983, 137 (139) mit zustimmender Anmerkung Bosch; BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, FamRZ 1991, 306 (307). Relativierend aber dann: BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, FamRZ 1992, 1403 (1405). Dazu sogleich. 186 OLG Hamburg, 14.03.1991, 15 UF 157/89, FamRZ 1991, 1317 (1318); OLG Hamm, 25.11.1991, 4 WF 132/91, FamRZ 1992, 452 (454). 187 Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 26, 42. 188 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164. 189 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166).
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Entscheidend ist deshalb das Kindeswohl. „Dem auf § 1570 BGB gestützten Anspruch kann ein unter anderen tatsächlichen Verhältnissen erklärter Unterhaltsverzicht nicht entgegengehalten werden, wenn er etwa dazu führen würde, daß das Wohl und die Interessen gemeinschaftlicher Kinder dadurch beeinträchtigt werden, daß der unterhaltsbedürftige Elternteil durch eigene Erwerbstätigkeit gezwungen wird, die ihm obliegende Pflege und Erziehung der Kinder einzuschränken.“190 „Auch wenn es sich bei dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB um einen Anspruch des geschiedenen Ehegatten handelt, sichert er doch die Wahrnehmung seiner Elternverantwortung und dient damit dem Wohl des betreuten Kindes. (. . .) Die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht kann dem Unterhaltsverpflichteten daher nach § 242 BGB verwehrt sein, wenn und soweit das Kindeswohl den Bestand der Unterhaltspflicht erfordert.“191 Es erscheint dem Bundesgerichtshof zweifelhaft, ob diese Grundsätze auf den Fall des nicht sittenwidrigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich übertragen werden können, weil das Wohl gemeinschaftlicher Kinder im allgemeinen nicht berührt wird und eine Prognose der Bedürfnislage des verzichtenden Ehegatten im Rentenalter mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.192 Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit eines Verzichts auf Versorgungsausgleich, § 1587o Abs. 2 S. 4 BGB, kann jedoch der Verzicht des anderen Ehegatten auf Betreuungsunterhalt nach §§ 1587c, 1570 BGB maßgeblich berücksichtigt werden.193 d) Der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sollen auf einen notariellen Ehevertrag über Scheidungsfolgen anwendbar sein, wenn dieser anläßlich einer Trennung geschlossen wurde, welche aber nur kurze Zeit bestanden 190
BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, NJW 1987, 776 (777). BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166). Siehe auch: BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (128); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192. Neben anderen dem folgend: OLG Hamm, 14.11.1998, 6 UF 446/97, FamRZ 1999, 513; OLG Koblenz, 20.03.2000, 13 UF 540/99, FamRZ 2001, 227. 192 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (128) = FamRZ 1996, 1536 (1538). Das OLG Hamburg, 14.03.1991, 15 UF 157/89, FamRZ 1991, 1317 (1318) hält die Berufung auf den Verzicht auf Versorgungsausgleich jedenfalls dann für treuwidrig, § 242 BGB, „(. . .) wenn die Ehefrau infolge der Betreuung der Kinder in der Zukunft keine Möglichkeit mehr hätte, weitere eigene Anwartschaften auf eine angemessene Altersversorgung zu erwerben.“ Dem stimmt Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1408 BGB, Rdnr. 12 für „krasse Fälle“ zu. Grundsätzlich dagegen: OLG Koblenz, 22.08.1986, 13 UF 465/85, FamRZ 1986, 1220 (1221). 193 OLG Oldenburg, 05.10.1994, 12 UF 76/94, FamRZ 1995, 744 (745). Siehe auch: OLG Düsseldorf, 28.10.1980, 5 UF 367/79, FamRZ 1981, 285 (286); Strobel, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1587o BGB, Rdnr. 25, 33; Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 16. 191
II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit
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hat und die eheliche Lebensgemeinschaft dann wieder aufgenommen wurde.194 Auch kann beispielsweise die Geschäftsgrundlage einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich später entfallen (jetzt: § 313 BGB n. F.).195 Hier kann insbesondere eine dem Ehevertrag vorangestellte Präambel von Bedeutung sein, wonach die Ehegatten einleitend auf ihre eigenständige Berufstätigkeit und den daran anknüpfenden Erwerb von Rentenanwartschaften hinweisen.196 Entweder schon unmittelbar über § 313 BGB n. F., zumindest aber über §§ 139, 1414 S. 2 BGB können über den Versorgungsausgleich hinaus vom Wegfall der Geschäftsgrundlage auch die weiteren Abreden hinsichtlich Unterhalt und Zugewinn erfaßt sein.197 Bei Unterhaltsvereinbarungen wurde zunächst angenommen, daß ihnen stets stillschweigend die clausula rebus sic stantibus innewohne.198 Jetzt wird auf die Grundsätze der Lehre über die Störung der Geschäftsgrundlage als Fortentwicklung der Clausula-Lehre abgestellt199 und zukünftig § 313 BGB anzuwenden sein. Die Unterhaltsvereinbarung bedarf der Anpassung, haben sich die Bemessungsgrundlagen maßgeblich geändert. Entscheidend sind die geänderten Bedürfnisse des Berechtigten beziehungsweise die geänderte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.200 Die Anpassung soll nach Möglichkeit unter
194
OLG Braunschweig, 15.10.1999, 1 UF 129/99, FamRZ 2000, 1369 (LS). BGH, 27.10.1993, XII ZB 158/91, FamRZ 1994, 96 (97) für eine Vereinbarung nach § 1587o Abs. 1 S. 1 BGB; BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 (1537); BGH, 11.07.2001, XII ZB 128/98, NJW 2001, 3335 = FamRZ 2001, 1447; OLG München, 02.05.1994, 2 UF 1322/93, FamRZ 1995, 95 (96) für einen Ausschluß nach § 1408 Abs. 2 S. 1 BGB. Ebenso: Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (999); Strobel, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1587o BGB, Rdnr. 37; Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 29. 196 Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 07/1998, 15. Kap., Rdnr. 27. 197 OLG München, 02.05.1994, 2 UF 1322/93, FamRZ 1995, 95 (96). Nach OLG Hamm, 25.11.1992, 5 UF 30/92, FamRZ 1993, 973 soll im Gegensatz zu Unterhaltsvereinbarungen ein Unterhaltsverzicht in der Regel keine „clausula rebus sic stantibus“ enthalten. 198 Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 313 BGB, Rdnr. 11. BGH, 19.06.1962, VI ZR 100/61, NJW 1962, 2147; BGH, 30.01.1985, IVb ZR 65/83, FamRZ 1986, 458 (459, 460); BGH, 23.04.1986, IVb ZR 30/85, NJW 1986, 2054 (2055). Nach Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 07/1998, 15. Kap., Rdnr. 82 aber stehen Unterhaltsvereinbarungen für die Zeit nach der Scheidung „unter der Klausel der gleichbleibenden Verhältnisse“. 199 BGH, 25.01.1995, XII ZR 247/93, BGHZ 128, 320 (329) = FamRZ 1995, 544 (546); Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 313 BGB, Rdnr. 22. Siehe auch: Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 242 BGB, Rdnr. 594. 200 BGH (GSZ), 04.10.1982, GSZ 1/82, FamRZ 1983, 22 (23); BGH, 23.04.1986, IVb ZR 30/85, NJW 1986, 2054 (2055) = FamRZ 1986, 790 (791); BGH, 03.06.1987, IVb ZR 63/86, FamRZ 1988, 156 (158); BGH, 29.01.1992, XII ZR 293/90, NJW 1992, 1621 (1622); BGH, 12.05.1993, XII ZR 24/92, NJW 1993, 1974; BGH, 15.03.1995, XII ZR 257/93, NJW 1995, 1891 (1892); BGH, 03.05.1995, XII ZR 29/ 94, FamRZ 1995, 861 (864). Siehe auch: Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 30; Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 242 BGB, Rdnr. 670. 195
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Wahrung des bisherigen Parteilwillens und der ihm entsprechenden Grundlagen erfolgen. Angepaßt werden muß daher vorrangig innerhalb der bestehenden Unterhaltsvereinbarung. „Haben sich diese Grundlagen allerdings so tiefgreifend geändert, daß dem Parteiwillen für die vorzunehmende Änderung kein hinreichender Anhaltspunkt mehr zu entnehmen ist, kann in Betracht kommen, die Abänderung ausnahmsweise ohne fortwirkende Bindung an die (unbrauchbar gewordenen) Grundlagen des abzuändernden Vergleichs vorzunehmen und – wie im Falle der Unterhaltsregelung – den Unterhalt wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften zu bemessen.“201 Zwar ist der Unterhaltsverzicht keine Unterhaltsvereinbarung. Jedoch ist auch bei einem Unterhaltsverzicht der Wegfall der Geschäftsgrundlage zu prüfen.202 Die Anpassung durch Wegfall der Verzichtsfolgen ist möglich.203 Die allgemeinen Regeln über das Fehlen und den Wegfall der Geschäftsgrundlage sollen auch für Freistellungsvereinbarungen als Verträge des Familienrechts gelten.204 Eine Abänderung der Freistellungsvereinbarung nach § 313 BGB soll jedoch, damit nicht das Gesamtgefüge der vertraglichen Regelungen gestört wird, nur bei ganz unerwarteten und außergewöhnlichen Entwicklungen in Betracht kommen.205
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur Das Verständnis des Bundesgerichtshofes von der Vertragsfreiheit im Ehevertrag steht seit den Bürgschaftsbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichtes206 verstärkt kritischer Untersuchung in der rechtswissenschaftlichen Literatur gegenüber. Insgesamt zeigen sich inhaltlich sehr unterschiedliche und zum Teil 201
BGH, 03.05.2001, XII ZR 62/99, FF 2001, 130 (132). So bereits geschehen in: BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, FamRZ 1985, 788 (791). Gesehen auch, jedoch ausdrücklich offen gelassen von: BGH, 24.04.1985, IVb 17/84, FamRZ 1985, 787 (788). 203 OLG Köln, 23.11.1994, 27 UF 48/94, NJW-RR 1995, 1474. Ebenso: Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 313 BGB, Rdnr. 11. Nach Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 35 hingegen kann unter Hinweis auf OLG Hamm, 25.11.1992, 5 UF 30/92, FamRZ 1993, 973 bei vorbehaltlosem Verzicht trotz Änderung der Verhältnisse kein Unterhalt verlangt werden. Gegen die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre auf den Unterhaltsverzicht ebenfalls noch: OLG Düsseldorf, 18.11.1983, 3 UF 195/83 und 3 UF 32/83, FamRZ 1984, 171 (172 f.). 204 OLG Braunschweig, 27.03.1981, 2 UF 3/81, FamRZ 1982, 91; OLG Köln, 23.11.1994, 27 UF 48/94, NJW-RR 1995, 1474; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 313 BGB, Rdnr. 11; Diederichsen, in: Palandt, a. a. O., § 1606 BGB, Rdnr. 21; Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 3. Kapitel, Rdnr. 205. 205 Luthin, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1606 BGB, Rdnr. 45 unter Hinweis auf: OLG Hamm, 07.01.1998, 6 UF 356/97, FamRZ 1999, 163 (164). 206 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 „Bürgschaft II“; BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“. 202
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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stark voneinander abweichende Stellungnahmen. Wie bei diesem Thema kaum anders zu erwarten, wird die Diskussion auch zum Teil sehr emotional207 geführt. Die nachfolgende Darstellung soll zunächst das Meinungsspektrum aus jüngerer Zeit im Überblick aufarbeiten. Unabhängig, wie überzeugend die einzelnen Argumente auch erscheinen mögen – deutlich wird gerade durch die Diskussion, daß von einem Stillstand der Entwicklung in diesem Problembereich nicht ausgegangen werden kann. Die Erarbeitung von Strukturen, welche sich im Wege der Übernahme durch die Rechtsprechung noch verfestigen können, erscheint somit mehr als sinnvoll. 1. Die Ansichten zur vollen Vertragsfreiheit Zunächst findet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur vollen Vertragsfreiheit auch in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Literatur weiterhin Zustimmung.208 Die Vertreter dieser Sichtweise berufen sich einmal auf den Schutz durch die ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen, insbesondere auf § 1408 BGB. Diese Norm bestimmt die volle Vertragsfreiheit für Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art unter Ehegatten.209 Auch dem Bundesverfassungsgericht210 wird vorgehalten, es beachte mit seiner Entscheidung nicht hinreichend die gesetzgeberische Ausgestaltung der Ehevertragsfreiheit. Im Gegensatz zum Bürgschaftsrecht, das Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts211 zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen war, bestehen spezifische gesetzliche Vorgaben für den zulässigen Inhalt von Eheverträgen. Der Gesetzgeber hat nicht nur zwingendes Eherecht geschaffen. Er hat auch ausdifferenzierte Regelungen darüber getroffen, welche Gegenstände überhaupt zur Disposition eines Ehevertrages stehen. Ferner ist geregelt, in welcher Form die Ehegatten darüber disponieren können. So wird einerseits auf §§ 1378 Abs. 3, 1408 ff.,
207 Siehe, auch nur bspw.: Dauner-Lieb, FF 2001, 129 mit ihrer Anmerkung zu: BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 = FF 2001, 128 „Ehevertrag II“, wo sie lapidar festhält: „Dumm gelaufen! Das Eingreifen des BVerfG war abzusehen (. . .). Statt dessen wurde auf den Rückzug in die Wagenburg der Selbstgewißheit gesetzt: Abweichende Ansätze im Schrifttum wurden mit Hohn und Spott bedacht.“ 208 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587); ders., DNotZ 1998, 228* (256*ff); Gerber, DNotZ 1998, 288* (292*); ders., FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 49 ff.; Langenfeld, DNotZ 2001, 272. 209 Gerber, DNotZ 1998, 288* (289*). 210 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“. 211 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 „Bürgschaft II“; BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“.
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
1585c, 1587o BGB und andererseits auf §§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 in Verbindung mit § 1614 BGB verwiesen. Hinter diesen Regelungen stehen bewußte Entscheidungen des Gesetzgebers. Er hat sich im Widerstreit zwischen der Ehevertrags- und Eheschließungsfreiheit auf der einen Seite und dem Anspruch auf Schutz vor unangemessener Benachteiligung durch Eheverträge auf der anderen Seite gesehen. Entschieden hat er sich im Bereich der Scheidungsfolgen für einen weitgehenden Vorrang der Ehevertragsfreiheit. So zeigt es sich auch an § 1585c BGB. Deshalb hätte das Bundesverfassungsgericht besser bei der Frage ansetzen sollen, „(. . .) ob § 1585c BGB mit dem grundrechtlichen Schutzanspruch aus Art. 2 I i.V. mit Art. 6 GG vereinbar ist, gegebenenfalls nach verfassungskonformer Auslegung.“212 Über die Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB hinaus wird eine Beschränkung der Ehevertragsfreiheit schlicht abgelehnt.213 Eine weitergehende richterliche Inhaltskontrolle insbesondere nach § 242 BGB ist nicht möglich.214 Sie ist nur in § 1587o Abs. 2 BGB gesetzlich angeordnet. Auch Art. 3 Abs. 1 GG begrenzt die Vertragsfreiheit der Ehegatten nicht.215 Über § 138 BGB hinaus gestattet nur die an § 242 BGB anknüpfende Ausübungskontrolle eine gewisse Eingrenzung.216 Die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages beurteilt sich nach den allgemeinen Maßstäben.217 Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit kommt nur in Betracht, wenn bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls ein Vertragsteil die Unerfahrenheit, das mangelnde Urteilsvermögen oder eine Zwangslage des anderen Teils ausgenutzt hat. Eine objektive Ungleichgewichtslage und eine einseitige Vertragsgestaltung reichen nicht aus. Vielmehr muß im Rahmen von § 138 BGB noch die verwerfliche Ausnutzung dieser Ungleichgewichtslage hinzutreten. Daran fehlt es, wenn der benachteiligte Ehepartner die Folgen des Ehevertrages klar erkennt und sich in Kenntnis der einseitigen Belastung für die 212 Röthel, NJW 2001, 1334. Die Frage stellt sich jedoch nicht. Das Bundesverfassungsgericht stellt sich nicht grundsätzlich gegen die Vertragsfreiheit für nacheheliche Unterhaltsvereinbarungen. Es macht wiederholt ganz grundsätzlich auf das Problem der fehlenden Selbstbestimmung als Bestandteil der materiellen Vertragsfreiheit aufmerksam. 213 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.II., S. 3 f., Rdnr. 8 f. 214 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589); ders., MDR 2000, 393 (394); ders., FamRB 2002, 26 (27); Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (276, 279). 215 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587). 216 Langenfeld, FS für Helmut Schippel, 1996, S. 251 (255); ders., DNotZ 2001, 272 (277, 278); Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589); ders., MDR 2000, 393 (394); ders., FamRB 2002, 26 (27); Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (82*). 217 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586, 588). Ebenso Gerber, DNotZ 1998, 290*; ders., FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (51): „Es gibt keinen besonderen Begriff der Sittenwidrigkeit für Eheverträge. Auch bei Eheverträgen ist die Sittenwidrigkeit an Hand der Fallgruppen zu prüfen, die die Rechtsprechung und Lehre allgemein zur Prüfung der Sittenwidrigkeit von Verträgen entwickelt haben.“ Dem folgt auch Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (278).
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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Eheschließung auf der Grundlage dieses Ehevertrages entscheidet. Die Vertragsfreiheit beinhaltet auch die Möglichkeit, einen unausgewogenen Vertrag wirksam abzuschließen. Wichtig ist, daß man ihn inhaltlich richtig versteht und ihn zur Erreichung seiner Ziele, hier zur gewünschten Eheschließung, akzeptiert.218 Man muß die Tragweite des Vertrages erkennen und das Risiko überblicken können.219 Es kommt daher nicht darauf an, ob im Ehevertrag Leistung und Gegenleistung äquivalent zueinander sind.220 Das Bestreben, sich quasi als Gegenleistung für die Eheschließung von sämtlichen nachteiligen Folgen einer Scheidung zu befreien, führt keineswegs zur Sittenwidrigkeit. Trotz des Verzichts ist durch die Hochzeit die soziale Absicherung besser als ohne eine Eheschließung.221 Die allgemeine Situation schwangerer Frauen, die ein nichteheliches Kind erwarten, reiche zur Feststellung der Sittenwidrigkeit nicht aus.222 Der Zwangslage einer schwangeren, nicht erwerbstätigen und angesichts der bevorstehenden Geburt des Kindes auf die Eheschließung angewiesenen Frau steht die Eheschließungsfreiheit des Mannes gegenüber. Es mag unmoralisch sein, die Eingehung der Ehe vom Abschluß eines Ehevertrages abhängig zu machen. Die Freiheit, die Ehe einzugehen, gehört jedoch wie die Vertragsfreiheit zu den grundlegenden Prinzipien der Rechtsordnung.223 Deshalb darf der Ehemann wirksam gegenüber der schwangeren Braut die Hochzeit von dem Abschluß eines Ehevertrages über den Verzicht auf Zugewinn, Unterhalt und Versorgungsausgleich abhängig machen. „Grund hierfür ist, daß der Mann trotz der von ihm (mit-)verursachten Schwangerschaft zu keiner Zeit zur Heirat verpflichtet ist. Er kann sich auf die Position eines nichtehelichen Vaters zurückziehen. Für die schwangere Frau bringt die Eheschließung (. . .) weiterhin erhebliche Vorteile. Läßt man (. . .) einen Ehevertrag, der die Freizeichnung von sämtlichen nachteiligen Scheidungsfolgen enthält, nicht zu, drängt man die Betroffenen in nichteheliche Lebensgemeinschaften und verschlechtert dadurch (. . .) die Position der schwangeren Frau.“224 Die bisherige Sichtweise des Bundesgerichtshofes225 wird jedoch nicht nur für Konfliktsitua218 Diese Argumentation ist der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vertragsfreiheit entlehnt. Siehe nur: BGH, 19.01.1989, IX ZR 124/88, NJW 1989, 830 (831); BGH, 28.02.1989, IX ZR 130/88, NJW 1989, 1276 (1277); BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210. 219 Armasow, RNotZ 2001, 196 (203). 220 Sarres, FPR 1999, 274 (277). 221 Langenfeld, FS für Helmut Schippel, 1996, S. 251 (253). Zustimmend auch: Reinecke, FPR 1999, 291 (294). 222 Ebenso: Röthel, NJW 2001, 1334 (1335). 223 Armasow, RNotZ 2001, 196 (201). 224 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587). Ebenso: Langenfeld, FS für Helmut Schippel, 1996, S. 251 (253); Reinecke, FPR 1999, 291 (294). Auch Kanzleiter, DNotZ 2001, 69 (73) befürchtet, das „(. . .) die Bewertung des BVerfG freilich in Einzelfällen eine Eheschließung verhindern kann“.
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
tionen anläßlich der Eheschließung bestätigt. „Die weitgehende Anerkennung der Vertragsfreiheit der Parteien gilt in ähnlicher Weise für Vereinbarungen anläßlich einer Ehekrise.“ Ist ein Ehegatte zur Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nur bereit, willigt der andere Ehegatte in den Abschluß eines Ehevertrages ein, steht keinem Inhalt des Vertrages die Sittenwidrigkeit entgegen. Niemand ist verpflichtet eine eheliche Gemeinschaft fortzusetzen.226 Nachhaltig wird auch gerügt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes227 beachtet nicht hinreichend die Gegenleistung des Ehemannes. Zwischen Eheschließung und Ehevertrag besteht ein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne eines „do ut des“.228 Zwar kann dem Bundesverfassungsgericht zu folgen sein, daß dem Anspruch auf Familienunterhalt aus §§ 1360, 1360a BGB mit der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung gleichwertige Beiträge der Hausfrau gegenüber stehen, § 1360 S. 2 BGB.229 Im Sinne einer Gegenleistung des Ehemannes muß jedoch noch mehr als nur der eheliche Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen sein. Zum einen dürfen das Ehegattenerbrecht (§§ 1931, 1371 BGB), die Familienkrankenversicherung (§ 10 SGB V) und die Witwenrente schon nicht unbeachtet bleiben.230 Zum anderen sind etwa bestehende gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber ledigen Müttern einzubeziehen.231 Jede andere Sichtweise drängt in die nichteheliche Lebensgemeinschaft.232 Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb letztlich der Eheschließungsfreiheit einen „Bärendienst“ erwiesen.233
225 BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 mit Anm. Langenfeld, LM Nr. 23 zu § 138 BGB (Ca); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127). Ebenso: OLG Hamm, 06.02.1998, 10 UF 553/96, FamRZ 1998, 1299. In der Entscheidung BGH, 08.03.1995, XII ZR 165/93, NJW-RR 1995, 833 wurde der Reihenfolge: 12.07.1984 – notarielle Beurkundung; 18.05.1984 – Eheschließung und 31.05.1984 – Geburt der gemeinsamen Tochter keine besondere Berücksichtigung hinsichtlich der Wirksamkeit des Ehevertrages gegeben. 226 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (588). 227 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“. 228 Armasow, RNotZ 2001, 196 (201). Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1006) lehnt die Annahme eines Verhältnisses von Leistung und „Gegenleistung“ ausdrücklich ab. 229 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (105) „Ehevertrag I“. 230 Ebenso schon: Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587). Eine Vielzahl weitere unmittelbarer und mittelbarer positiver Rechtsfolgen der Eheschließung listet Wagenitz, FS für Walter Rolland, 1999, S. 379 auf. 231 Röthel, NJW 2001, 1334 (1335). 232 Langenfeld, FamRZ 1987, 9 (14); Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587). Dem widerspricht Heinke mit der Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes vom 06.02. 2001 (www.djb.de). 233 Rauscher, FuR 2001, 155.
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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Der dem Bundesverfassungsgericht234 zur Entscheidung vorliegenden Unterhaltsvereinbarung wird ferner bescheinigt, daß sie im Sinne der Lehre von der Ehevertragsgestaltung nach Ehetypen235 nicht fallgruppengerecht war.236 Trotzdem wird in der kritischen Auseinandersetzung zunächst in der bereits seit den Bürgschaftsbeschlüssen gewohnten Weise argumentiert.237 Der Umstand, daß die Gerichte gelegentlich eine Sache falsch entscheiden, begründet noch keine Grundrechtsverletzung.238 Selbst wenn das angegriffene Urteil falsch gewesen sein sollte, dann war die Verfassungsbeschwerde nur zur Entscheidung anzunehmen, wenn spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde.239 Daran fehlte es jedoch.240 Und wenn, dann wird die Frage aufgeworfen, ob der nicht ehetypgerechte Ehevertrag wegen der Typenabweichung unwirksam ist, auch wenn er von beiden Vertragsteilen in Kenntnis der möglichen Folgen akzeptiert wurde.241 Zunächst wird daher zu klären sein, ob im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB die Mehrzahl der Fälle zu entschärfen sind.242 Reicht die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB nicht aus, kann eine Inhaltskontrolle nach § 138 BGB erfolgen. Auch hier gibt es jedoch keinen besonderen Begriff der Sittenwidrigkeit für Eheverträge.243 Liegt objektiv sowohl eine Ungleichgewichtslage als auch eine einseitige vertragliche Lastenverteilung vor, ist damit „(. . .) aber erst der Anlaß gegeben, in eine Überprüfung der Wirksamkeit (. . .) einzutreten.“244 Zuweilen wird die Verfassungswidrigkeit einer ehevertraglichen 234 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“. 235 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 4. Aufl., 2000, § 1.VI., Rdnr. 18 ff.; ders., DNotZ 1985, 167*ff.; FamRZ 1987, 9 ff.; ders., JuS 1998, 33 (34 ff.); ders., Der Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, S. 9. Siehe auch: Gernhuber, Eherecht und Ehetypen, 1981; Zimmermann, Eheverträge, 2. Aufl., 1996, S. 5; Schippel, FS des Rheinischen Notariats, 1998, S. 49 ff.; ders., Jura 1999, 57 (60). 236 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (277). 237 Siehe nur: Diederichsen, Jura 1997, 57. 238 Armasow, RNotZ 2001, 196 (197). Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (276) merkt daher zur genannten Entscheidung an: „Der konkrete Fall mag im Ergebnis der richterlichen Korrektur bedürfen. Dies rechtfertigt aber nicht, die Ehevertragsfreiheit grundsätzlich einzuschränken.“ 239 Siehe nur: BVerfG, 10.06.1964, 1 BvR 37/63, BVerfGE 18, 85 (92 f.) = NJW 1964, 1715 (1716): „(. . .), nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen. Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muß gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen.“ Ähnlich: BVerfG, 02.06. 1992, 2 BvR 1401/91, BVerfGE 86, 280. 240 Armasow, RNotZ 2001, 196 (200). 241 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (277). 242 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (278). 243 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (278). Ebenso: Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586, 588); Gerber, DNotZ 1998, 290*; ders., FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (51).
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Abrede der Sittenwidrigkeit auf der zivilrechtlichen Ebene gleichgesetzt.245 Maßstab für die Feststellung der Verletzung von Verfassungsrecht sei die Frage, ob sorge-, umgangs-, unterhaltsrechtliche oder andere elternbezogene Rechtspositionen in wechselseitiger Abhängigkeit anstößiger Kommerzialisierung unterworfen werden.246 Unter diesem Ansatz wird im Ergebnis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.02.2001 zugestimmt. Stehen dem betreuenden Elternteil keine ausreichenden Mittel für den gemeinsamen Lebensunterhalt zur Verfügung, tritt also Bedürftigkeit ein, führen Unterhaltsverzicht und Freistellungsvereinbarung daher zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Interessen des Kindes und seiner Ansprüche auf Betreuung und angemessenen Lebensunterhalt.247 Der Schutzauftrag an die Zivilgerichte, auch Eheverträge von Verfassungs wegen einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen, sei daher mit Blick auf die betroffenen Kinder im Ergebnis gerechtfertigt.248 Dieser Gedanke wird von den restriktiven Ansichten nicht konsequent fortgeführt. Wenn der Bundesgerichtshof249 eine Kommerzialisierung der Eltern-Kind-Beziehungen als sittenwidrig bewertet, dann kann es sich bei der Eheschließungs- und Ehescheidungsfreiheit ebenfalls um keine kommerzialisierbaren Positionen handeln. Beruft sich daher ein Partner auf diese Freiheiten zur Erlangung finanzieller Vorteile oder zur Befreiung von möglichen künftigen Verpflichtungen, so bedarf auch diese Verknüpfung einer näheren Betrachtung darauf, ob hier nicht eine zu mißbilligende Kommerzialisierung oder eine verpönte Zwecksetzung vorliegt.250 Hierin liegt zu Recht eine der entscheidenden Kritikpunkte gegenüber der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und gegenüber den Literaturansichten zur vollen Vertragsfreiheit für Eheverträge. Die wirtschaftliche Verknüpfung der Bereitschaft zur Eingehung oder Fortsetzung der Ehe mit Verzichtsvereinbarungen im Ehevertrag zu nachehelichem Unterhalt, Zugewinnausgleich oder Versorgungsausgleich ist ebenso verwerflich, wie der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt als Gegenleistung für den Verzicht auf nacheheliche Sorge- und Umgangsrechte. „Man kann sich den Eheschließungswillen oder Eheaufrechterhaltungswillen nicht erkaufen lassen.“251
244 Diese Argumentation ist der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vertragsfreiheit entlehnt. Siehe nur: BGH, 19.01.1989, IX ZR 124/88, NJW 1989, 830 (831); BGH, 28.02.1989, IX ZR 130/88, NJW 1989, 1276 (1277); BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210. 245 Sarres, FPR 1999, 274 (276). 246 Sarres, a. a. O. und ders., Notarielle Urkunden im Familienrecht, 1997, S. 50 ff. 247 Röthel, NJW 2001, 1334 (1335). 248 Röthel, NJW 2001, 1334 (1335). 249 BGH, 23.05.1984, IVb ZR 9/83, NJW 1984, 1951 (1952). 250 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1006 f.). 251 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1007).
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Die Vertreter der vollen Ehevertragsfreiheit sehen ausreichenden Schutz durch die notarielle Beurkundung und dort insbesondere die Belehrungspflicht des Notars gewährt.252 Wegen § 17 Abs. 1 S. 2 BeurkG hat der Notar darauf zu achten, „(. . .) daß unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden.“ Selbstüberschätzung, Leichtsinn und Unerfahrenheit kann vorgebeugt werden.253 Unnötige Rechtsunsicherheit hingegen entsteht, wenn über §§ 138, 242 BGB eine „repressive“ Inhaltskontrolle erfolgt.254 Es ist immer eine Gradwanderung, wenn „(. . .) einem Zugewinn an Gerechtigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechtssicherheit gegenübersteht, wenn jetzt möglicherweise viele vor langer Zeit geschlossene Verträge, mit denen sich die Vertragspartner längst abgefunden hatten, erneut auf den Prüfstand kommen, oft mit ganz ungewissem Ergebnis, weil jeder Fall anders liegt (. . .).“255 Ist die Belehrung durch den Notar ordnungsgemäß erfolgt und lag auch kein Zeitdruck vor, dann kann sich auch eine schwangere Frau frei für einen nicht fallgruppengerechten Ehevertrag entscheiden.256 Es ist grundsätzlich die bessere Lösung, den Schutz des schwächeren Vertragspartners schon beim Vertragsabschluß selbst zu gewährleisten. Dann herrscht im Interesse der Vertragsbeteiligten, aber auch im Interesse der Allgemeinheit Rechtssicherheit, die Kosten und Streit vermeidet.257 Schwangere Frauen sind im Wege der Inhaltskontrolle nicht durch den Richter zu entmündigen. An die Stelle der Fremdbestimmung durch den Ehepartner darf nicht die Fremdbestimmung durch den Richter treten.258 Auch wenn wirtschaftliche und psychische Ausnahmesituationen für einseitige Rechtsgestaltungen ausgenutzt werden, rechtfertigt die Eigenverantwortung eine Bindung an den Vertrag. „Fehlendes Risikobewußtsein oder lebensleichte Gefahrverdrängung dürften im Prinzip rechtliche Schutzmechanismen nicht sozial ausufernd auslösen.“259 Auch beim Ehevertrag gelte die Situation des „take it or leave it“.260 252 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586); ders., MDR 2000, 393 (394); Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (71*); ausdrücklich dagegen: Schubert, FamRZ 2001, 733 (736); kritisch zu dieser Argumentation u. a. auch Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 5. Wegen der Entscheidung: BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 = FF 2001, 128 „Ehevertrag II“ hält Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130) den „listigen“ Versuch der Schadensbegrenzung von Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (279) für gescheitert. Dieser meinte, die Situation der Unterlegenheit – ob nun schwanger oder nicht – sei jedenfalls dann zu verneinen, wurde durch den Notar ohne Zeitdruck belehrt und dann unterschrieben. 253 Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (80*). 254 Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (72*). 255 Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (73*). 256 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (279). 257 Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (74*). 258 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (279). 259 Sarres, FPR 1999, 274 (277). 260 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586); ders., MDR 2000, 393 (394).
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2. Die vermittelnden Stellungnahmen Gerade unter der Prämisse, man könne nicht heiraten und gleichzeitig unverheiratet bleiben,261 sammelt sich die Kritik gegenüber der Ansicht des Bundesgerichtshofes, wonach der Ehemann problemlos berechtigt sei, sich trotz erfolgter Eheschließung durch Regelungen in einem Ehevertrag auf die rechtlichen Verpflichtungen eines nichtehelichen Vaters zurückzuziehen.262 Hauptsächlich an der Verknüpfung von Eheschließung und ehevertraglichem Verzicht setzen daher die Gegenansichten an. Für sie gilt es als „(. . .) fast zynisch, wenn als Argument gegen die Sittenwidrigkeit angeführt wird, der Ehemann könne ja von der Eheschließung gänzlich Abstand nehmen. Die Frau verzichte also auf nichts, was ihr ohne die Ehe zustünde.“263 Provokativ264 wird gefragt, welche Rückzugsmöglichkeiten die Rechtsordnung dem gegenüber der Frau biete?265 Der Grundansatz des Bundesgerichtshofes, daß nur die Frau durch die Ehe von Gesetzes wegen Vorteile erlange, der Mann deshalb seinerseits dafür auch für sich die vertragliche Gewährung von Vorteilen begehren könne, ist dann ebenfalls unzutreffend. Der Mann verbessert durch die Ehe automatisch seinen Status hinsichtlich zukünftiger gemeinsamer Kinder, insbesondere die Personensorge betreffend.266 Er hat auch zwingend Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB zu leisten. Selbstverständlich bewirken diese Regelungen nicht, daß damit die eheschließungswillige Frau gegenüber dem der Ehe eher skeptisch gegenüberstehenden Mann eine sonderlich starke Verhandlungsposition inne hätte. Die Eheschließung ist niemals eine Gegenleistung für Verzichtserklärungen im Ehevertrag.267 Die auf dieser Argumentation aufbauende Linie des Bundesgerichtshofes ist nicht mehr zu halten, gar „vom Tisch gewischt“.268 Ferner ist der unterschiedliche Schutzumfang von § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB und § 1587o Abs. 2 BGB nur schwerlich überzeugend. Auch die Vereinbarung zum Versorgungsausgleich in einem Ehevertrag kann gleichermaßen zu einem unangemessenen Ausgleich führen. Auch sie bedarf einer Kontrolle.269 Auch 261 Büttner, FamRZ 1998, 1. Dem folgend auch: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., 2000, Rdnr. 138. 262 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127) mit Anmerkung Langenfeld, LM Nr. 52 zu § 138 (Aa) BGB; BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 263 Frank, AcP 200 (2000), 401 (410) unter zutreffendem Hinweis auf: OLG Hamm, 06.02.1998, 10 UF 553/96, FamRZ 1998, 1299. 264 So sieht es: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (305). 265 Büttner, FamRZ 1998, 1. Die Antwort gibt Büttner, a. a. O., 1 (8) selbst. Die Mutter könne ebenso wie der Vater arbeiten, gibt sie das Kind in ein Heim. 266 Siehe §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB einerseits und § 1626a Abs. 2 BGB andererseits. 267 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1006). 268 So deutlich: Dauner-Lieb, FF 2002, 151 (152).
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die unterschiedliche Dispositionsbefugnis über den zukünftigen Unterhalt, je nach dem, ob für die Zeit der Ehe oder danach, überzeugt wenig. Es gibt doch auch nach einer Scheidung zahlreiche Konstellationen, die materiell der Bedürfnislage im Trennungs- und Verwandtenunterhalt entsprechen. Mit dem Ehegattenunterhalt wird mittelbar auch die Betreuung der Kinder gesichert.270 Den Formvorschriften fehlt ferner ein durchgängiges Konzept. Die Formfreiheit für Unterhaltsverträge nach § 1585c BGB steht in einem nicht zu rechtfertigenden Gegensatz zum Formzwang bei güterrechtlichen Vereinbarungen und bei Verträgen zum Versorgungsausgleich.271 Der entscheidende Lösungsansatz wird gegen den Bundesgerichtshof272 durch eine verstärkte Sittenwidrigkeitskontrolle gewählt, wenn beim Vertragsabschluß die psychische Zwangslage eines Ehegatten ausgenutzt wurde.273 Aus der Vertragsfreiheit folgt nicht automatisch auch die Vertragsgestaltungsfreiheit. Nur der Hinweis, der andere Teil habe sich ja freiwillig auf den Vertragsabschluß eingelassen, rechtfertigt nicht jeglichen Vertragsinhalt.274 Nur die Abwendung von der „vollen Vertragsfreiheit“ zu Gunsten einer „materiellen Vertragsgerechtigkeit“ entspricht auch inhaltlich dem Schutz- und Kompensationscharakter des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts.275 Im übrigen hatte der Bundesgerichtshof276 bereits zur Bürgschaft in gleicher Art und Weise argumentiert und war auch schon dort vom Bundesverfassungsgericht277 korrigiert worden. Die auffallende Zurückhaltung des Bundesgerichtshofes gegenüber der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen soll daher jetzt ebenfalls durch das Bundesverfassungsgericht278 eine grundlegende Zäsur erfahren haben.279 Auch wenn die 269
Büttner, FamRZ 1998, 1 (3). Ebenso: Frank, AcP 200 (2000), 401 (410). Büttner, FamRZ 1998, 1 (3). 271 Büttner, FamRZ 1998, 1 (3). Die Kritik an der Formfreiheit für Unterhaltsverträge wurde schon dargestellt. 272 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 273 Büttner, FamRZ 1998, 1 (4); Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1008); Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*). 274 Büttner, FamRZ 1998, 1 (4); ders., NJW 2001, 2215 (2221); ders., FF 2001, 65; Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1007); Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 5. 275 Dauner-Lieb, FF 2002, 151 (152). 276 Siehe bspw.: BGH, 19.01.1989, IX ZR 124/88, NJW 1989, 830 (831); BGH, 28.02.1989, IX ZR 130/88, NJW 1989, 1276 (1278); BGH, 16.03.1989, III ZR 37/88, NJW 1989, 1665 (1667); BGH, 16.05.1991, IX ZR 245/90, NJW 1991, 2015 (2016); BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93; NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342). 277 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39) „Bürgschaft I“. 278 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 „Ehevertrag II“. 279 Statt vieler: Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*); Dauner-Lieb, FF 2002, 151. 270
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Entscheidungen zum Unterhaltsrecht ergangen sind, strahlen sie generell auf vermögensrechtliche Vereinbarungen unter Ehegatten aus. Das Gericht hat seine Begründung auf das allgemeine Verständnis der Vertragsfreiheit und ihre Grenzen gestützt. Daher unterfallen auch güterrechtliche Verträge und Versorgungsausgleichsvereinbarungen der richterlichen Inhaltskontrolle.280 „Die Überlegung, die Ehevertragsfreiheit sei zum Schutz des Schwächeren erforderlich, um ihm wenigstens die Vorteile der Eheschließung zu sichern, (. . .)“ entspricht der „Überlegung, auch eine unfaire Bürgschaftsverpflichtung sei als wirksam anzusehen, weil es sonst nicht zu der erwünschten Kreditvergabe gekommen wäre, die dem Bürgen (jedenfalls mittelbar) zugute komme.“281 Folgerichtig wird die Frage gestellt, „(. . .) ob und wann von einer strukturellen Unterlegenheit des Partners eines Ehevertrags ausgegangen werden kann, und (. . .), wann von ungewöhnlich belastenden Folgen auszugehen ist.282 Eine „Diktatposition“ muß ausgenutzt worden sein. Es geht um die strukturelle Unterlegenheit in der Lebenslage beim Vertragsabschluß. Sie muß die Möglichkeit geboten haben, den Vertragsinhalt einseitig nur nach den eigenen Interessen zu bestimmen. Die bloße Störung des konkreten Verhandlungsgleichgewichts reiche hierfür noch nicht aus.283 Zwar wird eine über § 138 BGB hinaus gehende richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch nicht angeregt. Die Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeitskontrolle, verbunden mit der vermuteten Ausnutzung einer Zwangslage bei inhaltlich einseitig belastenden und zum Interessenausgleich offensichtlich unangemessenen Verträgen zeigen jedoch, daß die richterliche Inhaltskontrolle zwar am Maßstab des § 138 BGB präferiert wird. Der Anwendungsbereich der Sittenwidrigkeitskontrolle hat sich jedoch weiter als bisher zu öffnen. Mit diesem Ansatz finden sich wiederholt Stellungnahmen. Ausgangspunkt ist meist der Hinweis, daß auch für Eheverträge die allgemeinen Schranken der Privatautonomie gelten. Deshalb begrenzt insbesondere auch § 138 BGB die Vereinbarungsbefugnis der Ehegatten.284 An dieser Stelle besteht der Maximalkonsens. Für den Ehevertrag wird dann von Modifizierungen zu § 138 BGB ausgegangen. Der Anwendungsbereich von § 138 BGB soll für den Ehevertrag zu erweitern sein.285 Die „durch das sittliche Wesen der Ehe gezogenen Schranken“286 sind zu beachten.287 Der Schutz durch § 138 BGB 280
Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*). Büttner, FamRZ 1998, 1 (5). 282 Büttner, FamRZ 1998, 1 (4). 283 Büttner, FamRZ 1998, 1 (5). 284 Siehe nur: Kanzleiter, in: MünchKomm, 3. Aufl., 1993, § 1408 BGB, Rdnr. 10; Schippel, Jura 1999, 57 (59). 285 Zöllner, FamRZ 1965, 113 (119); Ramm, JZ 1968, 90 (93); ders., Familienrecht, Band I, Das Recht der Ehe, 1984, § 28.II.4., S. 225 f., § 44.III.1., S. 345 f., § 45.IV.2., S. 364 ff. 281
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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darf nicht vorrangig dem Träger der Sozialhilfe, sondern dem sozial schwächeren Ehepartner dienen. Durch § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die Ehegatten füreinander Verantwortung tragen, „(. . .) erfährt der Maßstab der Sittenwidrigkeit eine verfeinerte Gradierung: Der Ausschluß von Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich mag nach den Lebensumständen gerechtfertigt sein; er ist sittenwidrig, wenn er der wechselseitigen Verantwortung der Gatten in keiner Weise gerecht wird.“288 Dem gegenüber macht Schwab zu Recht darauf aufmerksam: „Es geht nicht um die Errichtung eines speziellen Sittenwidrigkeitsmaßstabes für Eheverträge, sondern gerade auch um die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des § 138 Abs. 1 BGB endlich auch im Bereich der Eheverträge.“289 Diese Stellungnahme dürfte den Kern der vermittelnden Ansichten treffen. Einen ähnlicher Ansatz wird unter Bezug auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gesucht.290 Ausgangspunkt war hier das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18.09.1996.291 Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG ist es bedenklich, daß die Ehegatten den Ausschluß des Versorgungsausgleichs mit Verschuldensprinzip des alten Scheidungsrechts gekoppelt hatten. Vergleichbar dem generellen Scheidungsausschluß kann eine solche Vereinbarung scheidungshindernde Wirkung haben und deshalb mit der Eheschließungsfreiheit kollidieren.292 Ein Ehegatte kann sich aus wirtschaftlichen Gründen an der Scheidung der Ehe gehindert sehen, obwohl die Ehe eindeutig gescheitert ist. Weiter wird dem Bundesgerichtshof eine androzentrische Sichtweise vorgehalten. Nur weil der Mann auf die Eheschließung auch hätte verzichten können, kann inhaltlich nicht jede Vereinbarung zur Bedingung der Eheschließung gegenüber der schwangeren Braut gemacht werden. „Ob die zu mißbilligende Ausbeutung
286 Motive IV, 1888, S. 142, 305. Siehe auch BGH, 24.04.1985, IVb 22/84, NJW 1985, 1833 (1835): Es „(. . .) wird das Wesen der Ehe nicht dadurch mitbestimmt, daß eine ,wirtschaftliche Lebensgemeinschaft‘ entsteht oder daß die Ehegatten bei Auflösung der Ehe an den während ihres Bestehens eingetretenen vermögensrechtlichen Veränderungen beteiligt werden.“ 287 Körner, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im neuen Ehegüterrecht, 1961, § 49, S. 120 m. w. N. und § 73, S. 187 f.; Kanzleiter, in: MünchKomm, 3. Aufl., 1993, § 1408 BGB, Rdnr. 10, Fußn. 14, anders jedoch ders., a. a. O., Rdnr. 33. Ausdrücklich a. M.: Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586). Ebenso: Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 3.A)I.4., S. 107 ff. (126). Knur, DNotZ 1957, 451 (464) hat angenommen, daß die Verletzung des Wesens der Ehe durch den Ehevertrag automatisch auch die Sittenwidrigkeit begründet. 288 Wagenitz, FS für Walter Rolland, 1999, S. 379 (382). 289 Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*) Fußn. 22. 290 Dethloff, JZ 1997, 414. 291 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 = JZ 1997, 411 = FamRZ 1996, 1536. 292 Dethloff, JZ 1997, 414. Insofern ist ein Vergleich zur Kündigungserschwerung beim Dienstvertrag angezeigt.
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
einer Zwangslage vorliegt, erfordert eine sorgfältige Analyse der Situation beider Parteien und ihrer bei Vertragsschluß bestehenden Handlungsoptionen.“293 (. . .) „Eine Inhaltskontrolle daraufhin, ob die in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie gewahrt ist, hätte im vorliegenden Fall nahegelegen. Denn es könnte sich auch hier um eine typische Fallgestaltung handeln, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen läßt und bei der die Folgen für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend sind.“294 Die Situation einer schwangeren Braut ist geradezu ein Musterbeispiel strukturell ungleicher Verhandlungsstärke. Die Lösung im Rahmen einer richterlichen Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 BGB suchend, werden folgerichtig auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofes im Rahmen seiner Sittenwidrigkeitsprüfung kritisiert. Es kam dem Bundesgerichtshof im Rahmen der Entscheidungsfindung gerade nicht darauf an, ob der Ehemann seine Frau wegen der Kinderbetreuung dahingehend „festgelegt“ hatte, „(. . .) auf eine Erwerbstätigkeit nach der Eheschließung zu verzichten und infolgedessen keine weiteren Versorgungsanwartschaften zu erwerben – eine Erwerbstätigkeit war ohnehin im Hinblick auf die Betreuungsbedürftigkeit des erwarteten Kindes jedenfalls nach der Geburt problematisch.“295 Selbst wenn dem so gewesen sei, so wird man die Entscheidung wohl zu verstehen haben, dann war diese Festlegung eben gutes Recht des Ehemannes. Warum für den Bundesgerichtshof die Kinderbetreuung selbstverständlich noch immer Sache der Frau sein soll, ist sehr befremdlich.296 Die Probleme der Lösung über § 138 BGB werden jedoch auch von den Gegnern der restriktiven Sichtweise des Bundesgerichtshofes erkannt. Grundsätzlich soll § 138 BGB nur die äußersten Grenzen der Rechts- und Sozialmoral sichern. Über diese Norm können nur evidente Verstöße sanktioniert werden. Die von den Befürwortern der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes präferierte Ausübungskontrolle wird jedoch als ebenso ungeeignet bewertet. Denn die Ausübungskontrolle kann regelmäßig nicht stattfinden, weil doch die Rechtsausübung dort nicht mißbräuchlich ist, wo von dem eingeräumten Recht in der gedachten Weise Gebrauch gemacht wird.297 Der ehevertraglich eingeräumte Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, den Zugewinn und den Versorgungsausgleich wird jedoch genau in der Situation und zu dem Zweck geltend gemacht, für den er vereinbart wurde – die Scheidung.298 Dieses Problem umgeht der Bundesgerichtshof.299 Er bezieht den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs 293
Dethloff, JZ 1997, 414. Dethloff, JZ 1997, 414 (415). 295 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127). 296 Dethloff, JZ 1997, 414 (415). 297 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (328). „Qui suo iure utitur, neminem laedit“ – Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.IV.1., S. 25; Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 305. 298 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (328). 294
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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auf die drittbelastende Wirkung des Unterhaltsverzichts. Die gegenüber dem unterhaltsbedürftigen Kind verantwortungslose Ausübung des Elternrechts wird sanktioniert. Als Lösung wird die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Ausübungskontrolle vorgeschlagen. Auch bewußt in den Parteiwillen aufgenommene Regelungen sollen im Wege der Ausübungskontrolle später korrigiert werden. Sie müssen sich im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich als einseitige und unangemessene Lastenverteilung auswirken.300 Dann soll die Ausübungskontrolle der vorzugswürdige Weg sein, möglicherweise jedoch nur als Übergangslösung bis zur Überarbeitung und Ergänzung des Kernbereiches zwingender Normen im Ehevermögensrecht.301 Methodisch richtig wird die Bildung von Fallgruppen angeregt. Diesen Weg hatte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls vorgeschlagen. Nötig sind typisierbare Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen.302 Strukturell unterlegen soll ein Vertragspartner sein, der aufgrund seiner objektiven Lage seine Interessen nicht mehr sachgerecht vertreten kann. Relevant kann die Gefährdung von Interessen zu betreuender Kinder sein.303 Dieser Umstand ist insbesondere für während bestehender Ehe geschlossene Verträge zu beachten.304 Schwangerschaft oder laufende Kinderbetreuung beeinflussen daher die objektive Lage nachteilig. Eine sonstige psychische Zwangslage kann jedoch auch genügen. Sie kann entstanden sein, wird ein Ehegatte wenige Tage vor einer im großen Stil vorbereiteten Hochzeit ultimativ zum Abschluß eines Ehevertrages aufgefordert. Wer hingegen lediglich aus blinder Liebe oder um den Partner unter allen Umständen für sich zu gewinnen, einen Ehevertrag zeichnet, der kann sich auf das dann bloß gestörte Verhandlungsgleichgewicht nicht berufen.305 Als einseitig belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen werden Eheverträge angesehen, „(. . .) wenn auf den gesetzlich vorgesehenen 299
BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166). Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (329); dies., FF 2002, 151 (152) unter Hinweis auf eine parallele Problematik zu gesellschaftsrechtlichen Abfindungsbeschränkungen und dies., ZHR 158 (1994), 271 (289 ff.); Ulmer/Schäfer, ZGR 1995, 134 (148 ff., 155). Westermann, in: Scholz, 9. Aufl., 2000, § 34 GmbHG, Rdnr. 32 sieht hierin zustimmend „eine einzelfallbezogene und flexible Ausübungskontrolle“. Auch Langenfeld, FS für Helmut Schippel, 1996, 251 (256 ff.) untersucht den Modellcharakter der Ausübungskontrolle sowohl bei den gesellschaftsrechtlichen Abfindungsklauseln, als auch beim nachehelichen Unterhaltsverzicht. 301 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (331); dies., FF 2002, 151 (152); Grziwotz, FF 2001, 41. 302 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 05.08. 1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 303 Büttner, FamRZ 1998, 1 (5); ders., NJW 2001, 2215 (2221). 304 Büttner, FamRZ 1998, 1 (6). 305 Büttner, FamRZ 1998, 1 (5). 300
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Schutz entschädigungslos verzichtet wird und die angemessene soziale Absicherung damit entfällt“.306 Als wesentlich wird die „Ehebedingtheit der Bedürfnislage“ heraus gestellt. Hier zeigt sich, ob neben den Vertragserklärungen gerade der andere Ehegatte für die Bedürftigkeit verantwortlich ist. Deshalb „(. . .) wird bei kinderlosen Ehen mit beiderseitiger Berufstätigkeit oder im Alter geschlossener Ehen die Unangemessenheit des Interessenausgleichs in aller Regel nicht festzustellen sein.“307 „Wenn nach längerer Ehe mit ehebedingter Bedürfnislage ohne Gegenleistung global auf Zugewinn, Versorgungsausgleich und Unterhalt verzichtet wird, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß dieses Rechtsgeschäft nicht ohne Ausnutzung der schwächeren Position des Übervorteilten zustande gekommen sein kann. Es ist dann gerechtfertigt, daß nicht der Benachteiligte die Ausnutzung einer Zwangslage beweisen muß, sondern der Begünstigte darlegen und beweisen muß, daß er trotz des äußeren Anscheins keine Zwangslage ausgenutzt hat.“308 Die gleiche Vermutung gelte, wurde im Ehevertrag nachträglich entschädigungslos auf alle bereits entstandenen Rechte verzichtet.309 Gegen die Lösung über § 138 BGB spricht ferner, daß die Norm auf die Umstände beim Vertragsabschluß abstellt. Spätere Entwicklungen, die gerade erst die objektive Benachteiligung erkennbar werden lassen, müssen dann aber unberücksichtigt bleiben.310 Aufgeworfen wird deshalb zu Recht die Frage, „(. . .) wie Eheverträge als Vereinbarungen mit Dauerwirkung zu behandeln sind, wenn sie rechtswirksam abgeschlossen worden sind, aber nachträglich unerwartete Entwicklungen eintreten.“311 Daß sich Eheleute im Zusammenhang mit einer konkret angestrebten Scheidung über deren vermögensrechtliche Folgen verständigen können, kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen. „Eine ganz andere Frage ist es jedoch, ob Ehegatten von vornherein eine rechtsfolgenlose Ehe eingehen können, wobei sie im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht wissen, wie lange die Ehe dauern wird, ob und wie viele gemeinsame Kinder geboren werden, wer welche persönlichen oder finanziellen Opfer bringen wird, wie sich überhaupt die vermögensrechtlichen Verhältnisse entwickeln werden usw.“312 Hier 306
Büttner, FamRZ 1998, 1 (5). Büttner, FamRZ 1998, 1 (6). 308 Büttner, FamRZ 1998, 1 (6) unter Hinweis auf OLG Köln, 05.02.1981, 14 UF 77/80, FamRZ 1981, 1087 = DNotZ 1981, 444 (447) mit kritischer Anmerkung v. Hornhardt und unter Hinweis auf OLG Zweibrücken, 12.12.1995, 5 UF 49/95, FamRZ 1996, 869. Ähnlich: Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 43; Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*). Siehe auch: OLG Frankfurt, 03.12.1982, 1 UF 137/82, FamRZ 1983, 176 (178); OLG Karlsruhe, 07.03.1990, 1 U 147/89, NJWRR 1991, 452. 309 Büttner, FamRZ 1998, 1 (6). 310 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (325 f.); Büttner, FF 2001, 65 (66). 311 Büttner, FamRZ 1998, 1 (7). 312 Frank, AcP 200 (2000), 401 (409). 307
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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soll einmal mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, korrigierend eingegriffen werden.313 Über § 242 BGB müsse gerade im Bereich des Betreuungsunterhaltes eine Korrektur erfolgen, wobei es unzureichend ist, dem betreuenden Elternteil auf das Existenzminimum, den sogenannten Notunterhalt zu verweisen.314 Nötig sei „(. . .) eine Kontrolle, die im Weg von Treu und Glauben die gelebte Ehe mit einbeziehen könnte.“315 Die vermittelnden Stellungnahmen suchen überwiegend die Lösung im Umfeld von § 138 BGB. Die Diskussion in diesem Bereich ist fließend. Eine klare Grenzziehung erscheint kaum möglich. Als wesentlich kann man festhalten, daß die bisherige Lösung des Bundesgerichtshofes jedenfalls nicht akzeptiert wird. 3. Die Begrenzung der Ehevertragsfreiheit durch richterliche Inhaltskontrolle In jüngerer Zeit werden weitere Ansichten vorgetragen, die über § 138 BGB hinaus die Grenzen der Ehevertragsfreiheit ziehen wollen. Diese Stimmen finden sich durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur richterlichen Inhaltskontrolle der Bürgschaften vermögensloser naher Angehöriger bestätigt. Tendenziell wird hier die Lösung bereits auf objektiver Ebene gesucht. Danach soll der objektiv benachteiligende Ehevertrag jedenfalls unter weiteren objektiven Voraussetzungen schon unwirksam sein. Diese Sichtweisen nähern sich vergleichbar der Prüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen an eine Angemessenheitskontrolle an. Das Problem der Benachteiligung des sozial schwächeren Ehegatten durch ehevertragliche Vereinbarungen ist schon länger bekannt. Erfolgt der Schutz des sozial schwächeren Ehegatten nicht mehr über das materielle Scheidungsrecht, dann muß durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft der soziale Schutzgedanke der dispositiven gesetzlichen Regelungen über eine verfassungskonforme und durch das Sozialstaatsprinzip bestimmte Auslegung des § 138 BGB wieder in das geltende Recht einbezogen werden.316 Die Diskussion um die sich aus 313 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (326 f.) verwirft ihren Vorschlag wohl zu Recht mit dem Hinweis, daß § 313 BGB jedenfalls dann keine Anwendung finden kann, „(. . .) wenn die Vertragsparteien die eingetretene Entwicklung auch nur für möglich gehalten und dennoch eine bewußt abschließende Regelung getroffen haben.“ Siehe hierzu nur: Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 242 BGB, Rdnr. 659 ff.; ders., in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 313 BGB, Rdnr. 35 ff. 314 Büttner, FamRZ 1998, 1 (7). Ähnlich: ders., NJW 2001, 2215 (2221), wobei er darauf hinweist, daß die Überlegungen nicht nur im Zusammenhang mit einer Freistellungsvereinbarung gelten, sondern auch, wenn „(. . .) „nur“ ein Verzicht auf den nachehelichen Betreuungsunterhalt vereinbart wird, denn das Kind ist auf die Betreuung angewiesen und bekommt eine Notlage des Betreuenden unmittelbar zu spüren.“ 315 Grziwotz, MDR 2000, 393 (394). Sie sollen jedoch nur die präferierte Ausübungskontrolle nach § 242 BGB stützen.
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
dem Wesen der Güterstände ergebenden Grenzen der Ehevertragsfreiheit lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Abgelenkt wird von der eigentlichen Auseinandersetzung mit der Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls inwieweit der soziale Schutz, den der gesetzliche Güterstand gewährt und dessen ursprünglicher Grund die Benachteiligung der Frau im Erwerbsleben und die Hausfrauenehe war, vertraglich abdingbar ist.317 Die volle Vertragsfreiheit beim Ehevertrag ist daher abzulehnen. Die mit der nötigen notariellen Beurkundung einher gehende Kontrolle gestattet keine andere Sichtweise.318 „Der einzelne Ehevertrag ist auf seine inhaltliche Berechtigung zu überprüfen. Diese Prüfung wird dadurch erleichtert, daß eine Vermutung der Sittenwidrigkeit aufgestellt wird. Wird durch einen Ehevertrag ein Ehegatte erheblich benachteiligt, so wird vermutet, daß der andere Ehegatte eine Machtstellung (die vielfältiger Natur sein kann) besessen und sie ausgenutzt hat. Es ist Sache desjenigen, der sich auf die Gültigkeit des Ehevertrages beruft, diese Vermutung zu widerlegen und darzutun, daß der Ehevertrag nach dem tatsächlichen Verlauf der Ehe für den anderen Ehegatten nicht nachteilig ist. Die Entscheidung hierüber erscheint zunächst schwierig. Sie wird indessen dadurch vereinfacht, daß einige typische Fallgruppen als unbedenklich herausgestellt werden können. (. . .) Die Überprüfung der Vertragsfreiheit stellt primär auf den Schutz des sozial schwächeren Ehegatten ab. Doch kann auch dessen übermäßige Sicherung sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn sie die Freiheit des sozial stärkeren Ehegatten, eine zweite Ehe einzugehen, allzu sehr einschränkt: Der Ehevertrag ist kein Instrument, um die Scheidung auszuschließen oder unbillig zu erschweren.“319 Diese Überlegungen waren wohl der Zeit etwas zu weit voraus. In diesem Sinne machte Beitzke320 zwar darauf aufmerksam, daß manche ausländischen Rechte Eheverträge nach der Eheschließung nicht mehr zuließen oder erschwerten, um den vielleicht sozial abhängigen Ehegatten gegen Übervorteilung zu schützen. Die Auffassung, daß solche Gefahren die Regel seien, ging ihm jedoch zu weit. Hingegen sollten nach Bosch321 jedenfalls Unterhaltsverträge bei möglicher Beeinträchtigung Dritter einer präventiven richterlichen Kontrolle unterliegen. Auch Gernhuber322 sah für das Ehevermögensrecht durch die Vertragsfreiheit allein eine Richtigkeitsgewähr der rechtsgeschäftlichen Abrede 316
Ramm, Familienrecht, Band I, Recht der Ehe, 1. Aufl., 1984, § 47.I.3.b), S. 402. Ramm, Familienrecht, Band I, Recht der Ehe, 1. Aufl., 1984, § 45.IV.1., S. 364. 318 Ramm, Familienrecht, Band I, Recht der Ehe, 1. Aufl., 1984, § 28.II.1., S. 223. 319 Ramm, a. a. O., § 45.IV.2, S. 365 f. Genau auf der Linie von Ramm, a. a. O., liegt die Entscheidung: BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101 f., 105) „Ehevertrag I“. 320 Beitzke/Lüderitz, Familienrecht, 26. Aufl., 1992, § 13.IV.3., S. 111. 321 Bosch, FamRZ 1982, 1216 (1217). 322 Gernhuber, Eherecht und Ehetypen, 1981, S. 17 f. 317
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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nicht als ausreichend abgesichert an. Zur Begründung verwies er auf die rechtstatsächliche Erkenntnis, daß gerade in der Hausfrauenehe regelmäßig Zugewinnund Versorgungsausgleich ehevertraglich ausgeschlossen werden, mithin auf Rechte verzichtet wird, die doch – nach der Intention des Gesetzgebers – eigentlich der sozialen Absicherung der nicht erwerbstätigen Ehefrau zu dienen bestimmt sind. Ausmaß und Grenzen der Ehevertragsfreiheit wollte er der Konkretisierung durch richterliche Rechtsfortbildung überlassen. Notwendig sei eine Balance von Freiheit und Bindung. Die Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht müsse zwar einerseits Raum gewähren, um der Vielfalt der ökonomischen Situationen Rechnung tragen zu können. Andererseits dürfe dieser Raum nicht uneingeschränkt sein. Die Güterstände seien anders als Schuldverträge als dauerhafte Ordnungen angelegt, deren Wirkungen sich nicht allein im interindividuellen323 Verhältnis der Ehegatten erschöpfen.324 Diederichsen hält unter Hinweis auf die stärkere soziale Schutzbedürftigkeit des schwächeren Teils, regelmäßig der Frau, in besonders krassen Fällen den Verzicht auf den Versorgungsausgleich für sittenwidrig. Auch kann ein gänzlicher Verzicht auf nachehelichen Unterhalt zu Lasten des haushaltsführenden Ehegatten an § 138 BGB scheitern.325 Auf die Überlegungen Gernhubers326 bezog sich Schwenzer,327 deren Ausführungen als Auslöser der aktuelleren Diskussion über die Grenzen der Ehevertragsfreiheit gelten.328 Unter Hinweis auf Zöllner329 soll es zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Vertragsfreiheit nicht ausreichend sein, daß die besonders sozial schutzbedürftige Hausfrau im Ehevertrag auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich verzichtete. Wie im Schuldrecht muß es sich auch bei Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen um einen typischen Fall „struktureller Unterlegenheit“ handeln.330 Schwenzer folgt offensichtlich der Ansicht, wonach bei bestimmten Verträgen typischerweise die Stellung der Vertragspartner zueinander schon eine strukturelle Unterlegenheit aufzeigen soll.331 Deshalb fragt sie unter Hinweis auf Formularvertrag, Arbeitsverhältnis, Wohnungsmiete und Publikumsgesellschaft,332 „(. . .) ob Eheverträgen und Scheidungsvereinba323
„zwischen Individuen ablaufend“ Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl., 1980, § 32.III.3., S. 441. 325 Diederichsen, NJW 1977, 217 (223). 326 Gernhuber, Eherecht und Ehetypen, 1981, S. 17 f. 327 Vortrag vor der Vereinigung der Zivilrechtlehrer am 26.09.1995 in Heidelberg. Abdruck der im wesentlichen unveränderten Fassung: Schwenzer, AcP 196 (1996), 88. 328 Siehe: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (304). 329 Zöllner, FS für Hermann Lange, 1992, S. 973 (986). 330 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (103). 331 Westermann, AcP 178 (1978), 150; Eike v. Hippel, Der Schutz des Schwächeren, 1982; Hönn, Jura 1984, 57 (74); Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (346); Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (52); Paulus/ Zenker, JuS 2001, 1 (2). 324
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
rungen typischerweise eine „Richtigkeitsgewähr“ bzw. eine „Richtigkeitschance“ inhärent ist oder mit anderen Worten ausgedrückt: ob in diesem Bereich beide Vertragspartner in der Lage sind, ihre jeweiligen Interessen den Interessen des anderen entgegenzusetzen.“ Harte Kritik trug es Schwenzer ein,333 daß sie eine typische Unterlegenheit der Ehefrau aus ihrer sozioökonomischen und psychologischen Situation ableitete. Zur Begründung zog sie unter anderem heran, daß die Ehefrauen durchschnittlich jünger als ihre Ehemänner sind und, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, auch einen niedrigeren Bildungsabschluß als Männer haben. Auch zeige sich statistisch, daß Frauen mit dem Anstieg ihrer Bildungsabschlüsse proportional weniger zur Eheschließung neigen, während die Tendenz bei Männern eher gegenläufig ist. Auf dem Arbeitsmarkt müßten sich Frauen auf einige typische Berufe und Branchen mit im Durchschnitt geringerer Entlohnung konzentrieren. Ganz allgemein beziehen Frauen geringere Einkommen als Männer. Sie gelangen nur in Positionen mit geringer Qualifizierung und müssen häufiger Teilzeitarbeit als Männer annehmen. In Führungspositionen sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst sind Frauen nur marginal vertreten.334 Beim soziologischen Normaltyp des deutschen Ehepaares ist der Ehemann älter als die Frau, hat einen höheren Ausbildungsstand und verdient wesentlich mehr Geld. Im Laufe der Ehe verschlechtern sich diese Bedingungen wegen reduzierter und unterbrochener Erwerbstätigkeit, bedingt durch Familienarbeit, weiter.335 Die psychologische Situation der Ehefrau ist für Schwenzer merklich durch Gewalt seitens des Ehemannes charakterisiert, die sich im Vorfeld einer Scheidung noch verstärke.336 Doch auch wo Gewalt keine Rolle spielt, muß beachtet werden, daß sich Männer bei der Konfliktlösung von einer Ethik des Rechts und Frauen eher von einer Ethik der Anteilnahme leiten lassen. Männer tendieren deshalb in einer Verhandlungssituation mehr zur Durchsetzung der eigenen Interessen als Frauen. Ihnen ist eher an einer befriedigenden Beziehung zwischen den Vertragspartnern gelegen. Dem ordnen sie ihren eigenen Vorteil im Rahmen der 332
Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (102). Träfe die Annahme zu, so wäre für Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589) „(. . .) jeder Vertrag zwischen einem männlichen Vertragspartner einerseits und einem weiblichen andererseits von dieser strukturellen Unterlegenheit der Frau geprägt und müßte einer richterlichen Inhaltskontrolle unterzogen werden.“ Ders., DNotZ 1998, 228* (263*) sieht ebenfalls für die Ehefrau „(. . .) ihre Schwäche als ihre wichtigste Waffe“. Ausführlich insbesondere auch: Gerber, Vertragsfreiheit und richterliche Inhaltskontrolle bei Eheverträgen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (55 ff.). Siehe auch: Röthel, NJW 2001, 1334. Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1002 f.) hält in ihrer ansonsten sehr sachlichen Kritik fest, daß die Literatur um vieles ärmer wäre, wenn es ganz überwiegend nur in Liebe zergehende Frauen und rücksichtslos egoistische Männer gäbe. 334 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (105). 335 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (106). 336 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (106). 333
III. Die Vertragsfreiheit im Ehevertrag in der Literatur
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Interessendurchsetzung unter.337 Ganz allgemein sind Männer im Hinblick auf angewandte Verhandlungsstrategien den Frauen regelmäßig weit überlegen.338 Wegen dieser empirischen Gründe ist für Schwenzer die Frau in der Regel nicht in der Lage, ihre Interessen denen des Mannes adäquat entgegen zu setzen.339 Dem Ehevertrag fehlt deshalb typischerweise die Richtigkeitsgewähr, so Schwenzer340 abschließend. Die Lösung des Problems ist für Schwenzer die richterliche Inhaltskontrolle.341 Im Rahmen der Auslegung der Generalklausel müsse auf die Verfassung zurückgegriffen werden. Genannt wird Art. 2 Abs. 1 GG „Vertragsfreiheit“ und Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG „Sozialstaatsprinzip“. Hingewiesen wird aber auch auf Art. 6 Abs. 1 GG und die Staatszielbestimmung aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann zu fördern und auf die Beseitigung von bestehenden Nachteilen hinzuwirken hat. Die Inhaltskontrolle soll wie im Schuldrecht auf der Grundlage von § 242 BGB bzw. dem übergeordneten Grundsatz von Treu und Glauben erfolgen. Ausschließlich nur die Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB ist hierfür nicht ausreichend. Das Sittenwidrigkeitsurteil richtet sich nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Beim Ehevertrag muß jedoch auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt werden. Hier können sich die Umstände zwischen Vertragsabschluß und Eintritt der Vertragswirkungen gravierend ändern. Insoweit nimmt die Inhaltskontrolle auch Elemente des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in sich auf.342 Das dispositive Gesetzesrecht soll für Schwenzer nicht Maßstab der Inhaltskontrolle sein. Es berücksichtigt nicht ausreichend die verschiedenen Ehe- und Familientypen. Wie nach § 1587o Abs. 2 S. 4 BGB sei eine Gesamtbetrachtung der Ausgleichsleistungen nötig. Ist eine Inhaltskontrolle nur zu verlangen, wenn auch die durch den Vertrag ausgelösten Folgen ungewöhnlich belastend sind, dann ist das dispositive Gesetzesrecht nur heranzuziehen, soweit es einen Ausgleich für ehebedingte Nachteile gewährleisten will. Einer richterlichen Korrektur sind deshalb Regelungen zugänglich, wo trotz jahrelanger Familienarbeit durch vermögensund einkommenslose Frauen auf jede Art von Ausgleich verzichtet wird.343
337 338 339 340 341 342 343 344 345 346
Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (107). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (107). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (109). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (113). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (111, 113). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (112). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (113). Büttner, FamRZ 1998, 1 (5). Schwenzer, AcP 196 (1996), 88. Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589).
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
Für Büttner344 sind die Analysen von Schwenzer345 zu Recht fundierter und realitätsnäher als die eher amüsanten Thesen von Grziwotz346 über Romantik und Rationalität. Dem Grundansatz der Kritik von Grziwotz an Schwenzer ist jedoch uneingeschränkt zu folgen. Beim Ehevertrag können Stärke und Schwäche nicht typisiert werden. Es kommt immer auf die Verhältnisse des Einzelfalles an. Ganz allgemein sind Ehegatten strukturell gleichwertige Vertragspartner. Sie können sich in ungleichen Verhandlungspositionen befinden. Erst hieraus kann dann bei der Frau, aber eben auch beim Mann eine konkrete strukturelle Unterlegenheit erwachsen.347 Insgesamt folgt aus dem Meinungsspektrum eine überzeugende Erkenntnis. Der jetzige Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ehevertragsfreiheit kann nicht befriedigen. Die bisherigen Argumente sind nochmals kritisch zu prüfen. Sie scheinen oft nur wenig zu überzeugen. Wohl auf der Grundlage von § 138 BGB muß eine neue Orientierung ihren Anfang nehmen. Hierbei sind die Argumente und Lösungsansätze des Bundesverfassungsgerichts zur Vertragsfreiheit und insbesondere zur Ehevertragsfreiheit möglichst konsequent zu berücksichtigen und im Zivilrecht umzusetzen. Deshalb ist eine Darstellung dieser Rechtsprechung als nächster Schritt sinnvoll.
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Mit dem Senatsurteil vom 06.02.2001348 und dem Kammerbeschluß vom 29.03.2001349 hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung350 zur richterlichen Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge im Spannungsfeld von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und dem Grundrecht der Allgemeinen Hand347 Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589); Büttner, FamRZ 1998, 1 (5); Gerber, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 49 (58); Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1003); Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (321). Ähnlich auch Dethloff, JZ 1997, 414 (415): „Die zwischen Mann und Frau prinzipiell bestehende Parität kann durch eine Schwangerschaft entfallen.“ 348 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“. 349 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 „Ehevertrag II“. 350 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469 „Handelsvertreter“; BVerfG, 28.01.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, BVerfGE 85, 191 = NJW 1992, 964 „Nachtarbeitsverbot“; BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 „Bürgschaft II“; BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“; BVerfG, 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 = NJW 1997, 1975 „LPG Altschuldenregelung“. 351 und damit Gerber, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (64 f.) deutlich widersprochen, der meinte, der Bürgschaftsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts sei für Eheverträge nicht von Bedeutung.
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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lungsfreiheit fortgeführt. Es hat die zu den Bürgschaften vermögensloser naher Angehöriger gewonnene Erkenntnisse nunmehr auf Eheverträge übertragen.351 Insbesondere auf die Senatsentscheidung ist eine Vielzahl von Anmerkungen und Stellungnahmen mit jedenfalls im Ergebnis weitgehend zustimmender Tendenz abgegeben worden.352 Wenn – wie schon zu den Mithaftungsfällen – nunmehr der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Eheverträgen kritisch prüfen und nach den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts neu ausrichten sollte, ist eine ausführliche Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe unumgänglich. 1. Das Urteil vom 06.02.2001 – „Freistellung von Kindesunterhalt“ Auf die Verfassungsbeschwerde der geschiedenen Ehefrau hat das Bundesverfassungsgericht durch Senatsurteil vom 06.02.2001353 das Berufungsurteil des OLG Stuttgart vom 28.11.1991354 aufgehoben und die Sache an das OLG Stuttgart zurückverwiesen.355 a) Der Tatbestand Nach dem Entscheidungswortlaut betraf die Verfassungsbeschwerde „(. . .) die Frage, inwieweit Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet sind, Eheverträge einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, soweit darin für den Fall der Scheidung auf gesetzliche Unterhaltsansprüche verzichtet und ein Ehegatte von der Unterhaltsleistung für gemeinsame Kinder freigestellt wird.“356 Konkret war, auch für den Fall der Not, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gegenseitig auf jeglichen Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung verzichtet worden. Darüber hinaus sollte die spätere Mutter den zukünftigen Ehegatten ab Rechtskraft der Scheidung von den Unterhaltsansprüchen des bereits erwarteten Kin352 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (298, 332); Büttner/Niepmann, NJW 2001, 2215 (2221); Röthel, NJW 2001, 1334 (1335); Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 140 (142 ff.); Schwab, FamRZ 2001, 349 (350); kritisch bis ablehnend: Grziwotz, MDR 2001, 393 (394); ders., FamRB 2002, 26 (27); Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (276 ff.); Armasow, RNotZ 2001, 196 (201 ff.). 353 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“. 354 OLG Stuttgart, 28.11.1991, 16 UF 280/91, NJW-RR 1993, 133. 355 Auch wenn in der Sache die gefundene Entscheidung grundsätzlich ablehnend, so macht Armasow, RNotZ 2001, 196 (203) zu Recht darauf aufmerksam, daß die Verfahrensdauer beim Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig sei. 356 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (90) = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“. 357 Zur Unterhaltsfreistellung siehe BGH, 15.01.1986, IVb ZR 6/85, NJW 1986, 1167 (1168): „Die Eltern können sich im Verhältnis zueinander über die von ihnen zu leistenden Unterhaltsbeiträge verständigen und grundsätzlich auch einen von ihnen von
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
des freistellen, soweit diese den von ihm bis spätestens zum 5. Werktag eines jeden Monats zu zahlenden Betrag von DM 150,00 überstiegen.357 Den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und die Freistellungsverpflichtung hatte der spätere Ehemann ausdrücklich zur Bedingung der gewünschten Eheschließung gemacht. Die Kindesmutter hingegen wollte, daß ihr Sohn ehelich geboren wird. Bereits zu Beginn der damals zweijährigen Beziehung hatte der spätere Ehemann aber klargestellt, daß er keine Kinder haben will und auch nicht heiraten möchte. Ob er auf eine Abtreibung drängte,358 blieb streitig. Die Abrede selbst wurde nicht Gegenstand einer notariellen Urkunde. Niedergelegt wurde sie in der privatschriftlichen Vereinbarung vom 09.07.1976. Die spätere Ehefrau war zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt und hatte aus erster Ehe bereits ein fünfjähriges Kind zu versorgen. Sie selbst ließ den Vertragsentwurf ausarbeiten. Der Entwurf wurde offensichtlich durch den Rechtsanwalt gefertigt, welcher die Vereinbarung später mit unterzeichnete. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung war die Eheschließung bis spätestens August 1976 beabsichtigt. Geschlossen wurde die Ehe am 23.07.1976. Am 17.11.1976 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Im Dezember 1989 wurde die Ehe geschieden. 1990 nahm der Sohn den Vater im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Kindesunterhalt gerichtlich in Anspruch. Dem Auskunftsantrag des Sohnes wurde durch Teilurteil stattgegeben, weil die Vereinbarung vom 09.07.1976 sittenwidrig sei. Die daraufhin vom Vater gegen die Mutter erhobene Klage auf Freistellung von dem DM 150,00 übersteigenden Anspruch des Sohnes auf Kindeseiner Unterhaltsleistung vollständig freistellen. Das Verbot, auf künftigen Unterhalt zu verzichten (§ 1614 I BGB), steht dem nicht entgegen, weil der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern durch die Vereinbarung nicht betroffen wird. Die zwischen den Eltern verabredete Freistellung von Unterhaltsansprüchen gemeinschaftlicher Kinder ist vielmehr als Erfüllungsübernahme anzusehen; aufgrund einer solchen Abrede kann der vom Kinde auf Unterhalt in Anspruch genommene Elternteil vom anderen verlangen, daß er den Anspruch des Kindes befriedigt.“ 358 Etwas unklar hier die Ausführungen des Berufungsgerichts OLG Stuttgart, 28.11.1991, 16 UF 280/91, NJW-RR 1993, 133 (134): „Sittenwidrig wäre die Freistellungsvereinbarung (. . .), wenn der Kl. die daraus abgeleiteten Rechte mißbräuchlich ausüben würde. (. . .) Eine mißbräuchliche Rechtsausübung könnte (. . .) in einer anstößigen Koppelung zwischen Freistellung und erheblichem wirtschaftlichen Vorteil liegen. Voraussetzung wäre, daß die Bekl. (. . .) die Freistellungsvereinbarung unterschrieb, um dem Drängen (. . .), abzutreiben, zu entgehen.“ 359 AG Nürtingen, 11.07.1991, 26 F 121/91, zitiert nach: Armasow, RNotZ 2001, 196 (199). Zur Begründung der Klageabweisung führt das Gericht aus: „Durch diese Freistellungsvereinbarung verzichtete somit die Beklagte zu Lasten ihres Sohnes zumindest auf dessen Betreuungsunterhalt.“ Hierin sah das Gericht eine Umgehung von § 1614 BGB. Diese Sicht dürfte unzutreffend sein. Siehe nur: BGH, 15.01.1986, IVb ZR 6/85, NJW 1986, 1167 (1168) = FamRZ 1986, 444 (445): „Eine Freistellung von Unterhaltsansprüchen – auch solcher von gemeinschaftlichen Kindern – ist rechtlich möglich. (. . .) Die Eltern können sich im Verhältnis zueinander über die von ihnen zu leistenden Unterhaltsbeiträge verständigen und grundsätzlich auch einen von ihnen von einer Unterhaltsleistung vollständig freistellen. Das Verbot, auf künftigen Unter-
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unterhalt wies das Amtsgericht Nürtingen359 ab. Die Berufung des Klägers zum OLG Stuttgart 360 hatte Erfolg. Eine Revision wurde nicht zugelassen.361 b) Die Entscheidungsformel Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Beklagten statt, weil das Berufungsurteil des OLG Stuttgart die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG verletzt und darüber hinaus ebenfalls gegen Art. 6 Abs. 2 GG verstößt. Es hob das Urteil vom 28.11.1991 auf verwies die Sache an das OLG Stuttgart zurück.362 c) Die Ehevertragsfreiheit als Schutzpflicht (Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG) Einmal erkannte das Bundesverfassungsgericht auf eine Verletzung des Rechts der beklagten Mutter auf Schutz vor unangemessener Benachteiligung durch den Ehevertrag, Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG.363 aa) Die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen Vorangestellt klärt das Bundesverfassungsgericht nochmals, warum eine Verfassungsbeschwerde auch gegen das Urteil eines Zivilgerichtes gerichtet werden kann, wenn dort lediglich die Pflicht zur Erfüllung einer privatrechtlichen Abrede ausgeurteilt worden ist. Weil das Grundgesetz keine wertneutrale Ordnung sein will, so beginnt das Gericht seine Ausführungen, gibt es in seinem Grundrechtsabschnitt objektive verfassungsrechtliche Wertentscheidungen vor. Diese
halt zu verzichten (§ 1614 Abs. 1 BGB), steht dem nicht entgegen, weil der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern durch die Vereinbarung nicht betroffen wird. Die zwischen den Eltern verabredete Freistellung von Unterhaltsansprüchen gemeinschaftlicher Kinder ist vielmehr als Erfüllungsübernahme anzusehen; aufgrund einer solchen Abrede kann der vom Kinde auf Unterhalt in Anspruch genommene Elternteil vom anderen verlangen, daß er den Anspruch des Kindes befriedigt.“ Ebenso: BGH, 25.01.1989, IVb ZR 31/88, NJW-RR 1989, 578 = FamRZ 1989, 499; BFH, 25.01.1996, III R 137/93, BFHE 179, 409 = NJW-RR 1996, 835; Deisenhofer, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 02/2001, Kap. 12, Rdnr. 100; Armasow, RNotZ 2001, 196 (199); Diederichsen, in: Palandt, 61. Aufl., 2002, § 1606 BGB, Rdnr. 21. 360 OLG Stuttgart, 28.11.1991, 16 UF 280/91, NJW-RR 1993, 133. 361 Zum Tatbestand siehe: BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (94 f.) = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 (344 f.) „Ehevertrag I“; OLG Stuttgart, 28.11.1991, 16 UF 280/91, NJW-RR 1993, 133 (134). 362 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (99, 111) „Ehevertrag I“. 363 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100, 101) „Ehevertrag I“. 364 BVerfG, 15.01.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (205 f.) „Lüth“; BVerfG, 11.05.1976, 1 BvR 671/70, BVerfGE 42, 143 (148) „Deutschland-Magazin“; BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470); BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567,
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entfalten sich durch das Medium derjenigen Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen und damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln.364 Wenn daher, so führte das Gericht bereits an anderer Stelle aus, § 138 und § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden.365 Bei dieser Konkretisierung der Generalklauseln sind die betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen. So kommt ihr wertsetzender Gehalt für die Rechtsordnung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung.366 Keine bürgerlich rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu den Prinzipien stehen, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommen. Deshalb sind die Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln die Grundrechte als „Richtlinien“ zu beachten. Verkennen sie das und entscheiden sie deshalb zum Nachteil einer Prozeßpartei, so verletzen sie diese in ihren Grundrechten.367 Der Staat hat aber die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren. Dieser Schutz obliegt den Gerichten, wenn sie das Recht auslegen und anwenden.368 Das Gericht spricht hier deutlich die Schutzpflicht des Staates gegenüber Eingriffen Dritter an.369 Es bekennt sich – zu Recht –370 für die Funktion der Grundrechte auch als Schutzgebote gegenüber der Selbstbindung der Parteien 1044/89, NJW 1994, 36 (38) „Bürgschaft I“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100) „Ehevertrag I“. 365 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38) „Bürgschaft I“. Ebenso: BGH, 27.09.1999, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028. 366 BVerfG, 09.02.1994, 1 BvR 1687/92, NJW 1994, 1147 (1148) „Parabolantenne“. 367 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38) „Bürgschaft I“. Ebenso: BGH, 27.09.1999, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028. 368 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100) „Ehevertrag I“. 369 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201 (225 ff.); Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.IV.d), S. 52 ff.; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, S. 143 ff., 169 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, II.2.c), S. 21; IV.3., S. 37 ff.; VI., S. 71 ff.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 109 ff.; von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Vorb. Art. 1–19 GG, Rdnr. 22; Art. 1 GG, Rdnr. 30 f.; Art. 2, Rdnr. 40. 370 Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, S. 169 f.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.e)aa), S. 47 f.; a. M.: Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 112. Kritisch auch: Belling, ZfA 1999, 547 (572 ff.) insbesondere mit dem Hinweis (574), das der die vorgebliche Schutzpflicht auslösende private Übergriff doch auf der vertraglich bewirkten Selbstbindung des unterlegenen Teils beruhe. 371 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (306); Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 140 (142); Röthel, NJW 2001, 1334. 372 BVerfG, 16.10.1977, 1 BvQ 5/77, BVerfGE 46, 160 „Schleyer“; BVerfG, 08.08.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 „Kalkar I“; BVerfG, 20.12.1979, 1 BvR
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durch privatrechtliche Verträge.371 Jede andere Deutung verbietet sich. Ausdrücklich rügt das Gericht einmal die Verletzung des Rechts auf Schutz vor Benachteiligung durch den Ehevertrag. Ferner zitiert es seine Entscheidungen zu den im Grundgesetz verankerten staatlichen Schutzpflichten.372 Sodann faßt das Gericht seine Rechtsprechung zur Verletzung der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie zusammen. Danach setzt Privatautonomie voraus, daß die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind. Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag. Hiermit bestimmen die Vertragspartner selbst, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Wechselseitige Bindung und Freiheitsausübung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien läßt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen. Diesen hat der Staat grundsätzlich zu respektieren. Mit dem Hinweis: „Vertrag ist Vertrag“ darf sich die Rechtsprechung jedoch nicht immer ihrer Aufgaben entledigen. Sie bleibt der Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner verpflichtet. Hier darf sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung nicht in eine Fremdbestimmung verkehren. So kann auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich sein, daß in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig zu bestimmen vermag.373 Diese Vermutung soll um so mehr gelten, weil der Gesetzgeber davon abgesehen hat, bei ehevertraglichen Abreden über Unterhaltslasten, anders als bei Vereinbarungen über den ehelichen Zugewinn oder den Versorgungsausgleich, durch Formerfordernisse oder Verfahrensregelungen einen gewissen Schutz vor Übervorteilung eines Vertragsteils zu bieten.374
385/77, BVerfGE 53, 30 „Mühlheim-Kärlich“; BVerfG, 14.01.1981, 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54 „Fluglärm“; BVerfG, 28.05.1993, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 203 „Schwangerschaftsabbruch II“. 373 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470) „Handelsvertreter“; BVerfG, 28.01.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, NJW 1992, 964 (966) „Nachtarbeitsverbot“; BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38) „Bürgschaft I“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100 f.) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“. 374 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102) „Ehevertrag I“. 375 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“.
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bb) Art. 3 Abs. 2 GG und die Eheschließungsfreiheit Diese Grundsätze will das Bundesverfassungsgericht auch auf Eheverträge angewandt wissen. Mit Eheverträgen, so fährt das Gericht einführend fort, können die Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach regeln.375 Hierbei gibt ihnen Art. 6 Abs. 1 GG das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten.376 Trotzdem setzt der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG ausdrücklich verbürgt ist, eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus.377 Die eheliche und familiäre Freiheitssphäre wird aber auch durch Art. 3 Abs. 2 GG geprägt. Unter dem Schutz der Verfassung steht deshalb eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen.378 Dieser Schutzauftrag lebt auf, wo der Ehevertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist. Dort spiegelt schon der Ehevertrag eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners wider. Dann hat der Staat der Freiheit der Ehegatten, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, Grenzen zu setzen.379 Aufgabe der Gerichte in solchen Fällen gestörter Vertragsparität ist es, über die zivilrechtlichen Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren.380 Hiermit fordert das Bundesverfassungsgericht eine auf das materielle Vertrags376 BVerfG, 18.04.1989, 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 (92) „Ausweisung/Nachzug“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101) „Ehevertrag I“. 377 BVerfG, 04.05.1971, 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 (69) „Spanier Entscheidung“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101) „Ehevertrag I“. 378 BVerfG, 21.05.1974, 1 BvL 22/71, BVerfGE 37, 217 (249 ff.) „Staatsangehörigkeit deutscher Kinder“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101) „Ehevertrag I“. Mit dieser Stellungnahme des Bundesverfassungsgericht muß auch die Ansicht überdacht werden, wonach Art. 3 Abs. 2 GG einer Ungleichbehandlung der Ehegatten im Ehevertrag nicht entgegen stehen soll (siehe nur: Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 6.A.III., S. 299 [302]; Schwenzer, AcP 196 [1996], 88 [94]; Grziwotz, FamRZ 1997, 585 [587]). So zu Recht: Dethloff, JZ 1997, 414 in einer kritischen Anmerkung gegenüber der vom BVerfG, a. a. O., (92) zitierten Entscheidung des BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126. 379 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 380 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38) = BVerfGE 89, 214 (234) „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750) „Bürgschaft II“; BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 381 Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (254).
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prinzip ausgerichtete Ordnung des Zivilrechts, welche das Problem unterschiedlicher Verhandlungsstärke beachtet.381 Sodann wendet sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich dem Argument des OLG Stuttgart zu, wonach der richterlichen Inhaltskontrolle die Eheschließungsfreiheit entgegenstehen soll. Nach dem Oberlandesgericht durfte der Ehemann die Bedingungen stellen, unter denen er bereit war, die Ehe einzugehen. Wenn ein Eheversprechen wegen §§ 888 Abs. 2 ZPO, 1297 BGB nicht durchsetzbar ist, konnte der Ehegatte nicht nur von einer Eheschließung absehen, sondern durfte sie auch von einer Vereinbarung abhängig machen.382 Diese Rüge wendet sich mittelbar auch gegen nachfolgend näher dargestellte Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, welche das Bundesverfassungsgericht einleitend bereits zitierte.383 Denn der Bundesgerichtshof teilt die vom OLG Stuttgart vertretende Ansicht. Der Ehemann kann – ungeachtet der Schwangerschaft der Ehefrau – von einer Eheschließung absehen und sich auf die rechtlichen Verpflichtungen eines nichtehelichen Vaters zurückziehen. Deshalb kann er die Eheschließung auch davon abhängig machen, daß die Ehefrau für sie nachteilige Verzichtserklärungen abgibt.384 Er ist rechtlich zu keiner Zeit zur Heirat verpflichtet. Auch aufgrund eines Eheversprechens kann die Ehefrau nicht die Eingehung der Ehe verlangen (§ 1297 Abs. 1 BGB). Ist der Ehemann aber in seiner Entscheidung, ob er die Ehefrau heiratet, bis zuletzt frei, so kann er die Heirat auch von einem Verzicht abhängig machen. Wäre ein solcher Verzicht nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, weil er quasi als Gegenleistung für die Eheschließung anzusehen ist, so läge darin ein Eingriff in die Eheschließungsfreiheit des Ehemannes. Dieser Eingriff wäre aber seinerseits mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren.385 Auch die Freiheit der Ehescheidung betreffend, nutzt der Bundesgerichtshof diese Argumentation. Es kann nicht als sittenwidrige Ausnutzung einer Zwangslage oder sonst als sittenwidriges Verhalten angesehen werden, wenn der eine Ehegatte von dem beabsichtigten Scheidungsantrag nur absehen will, wenn der andere Ehegatte bereit ist, den vorgeschlagenen Ehevertrag abzuschließen. Die beiden Fälle unterscheiden sich für den Bundesgerichtshof nur insofern, als es in dem einen Fall ohne Abschluß des Ehevertrages nicht zu einer Eheschließung gekommen wäre, während es in dem anderen Fall ohne Abschluß des Ehevertrages zur Scheidung gekommen
382
OLG Stuttgart, 28.11.1991, 16 UF 280/91, NJW-RR 1993, 133 (134). BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (92) „Ehevertrag I“. 384 BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). Dem folgt Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (587) uneingeschränkt. 385 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165) mit zust. Anm. Langenfeld, LM Nr. 23 zu § 138 BGB (Ca) und ders., FS für Helmut Schippel, 1996, S. 251 (252 ff., 262). 386 BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 383
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wäre.386 Da weder ein Anspruch auf Eingehung noch ein Anspruch auf unbegrenzte Fortsetzung der Ehe besteht, so wird der Bundesgerichtshof zu verstehen sein, dürfen beide Ereignisse ohne Sittenwidrigkeitsverdikt unter die Bedingung des Abschlusses eines Ehevertrages gestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hält dagegen: Die Freiheit der Ehegatten zur Eheschließung bewirkt nicht, daß sich der Staat der Kontrolle jedweder ehevertraglicher Vereinbarung zu enthalten hat, wenn in dieser ein Eheversprechen abgegeben wird. Ebenso rechtfertigt sie nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung.387 An anderer Stelle kommt das Gericht auf die Freiheit zur Eheschließung zurück, wenn es sich mit dem Eheversprechen als Bestandteil des Ehevertrages auseinandersetzt. Danach wiegt ein Eheversprechen die einseitige Belastung durch einen Ehevertrag keinesfalls auf. Es vermag auch keine einseitige Belastung des Versprechenden zu begründen. Selbst wenn die Ehepartner durch die Heirat neue Pflichten übernehmen und ihre Dispositionsmöglichkeiten einschränken, so gilt das jedoch für beide Ehepartner gleichermaßen. In ihrer Entscheidung, ob sie eine Ehe eingehen wollen, sind die Vertragspartner immer frei. Entschließen sie sich dafür, bringt die Ehe beiden Rechte wie auch Pflichten und verteilt sie gleichermaßen auf Mann und Frau.388 Denn, abgesehen davon, daß viele Ehefrauen durch eigene Erwerbstätigkeit die Familie mit ernähren, sind im Lichte des Art. 3 Abs. 2 GG auch die unmittelbaren Leistungen der nicht berufstätigen Frau bei der Führung des Haushalts sowie der Pflege und Erziehung der Kinder als Unterhaltsleistungen zu werten, die gleichrangig neben der Bereitstellung der notwendigen Barmittel durch den Ehemann und Vater stehen.389
387 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101 f.) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 388 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (105) „Ehevertrag I“. 389 BVerfG, 21.05.1974, 1 BvL 22/71, BVerfGE 37, 217 (251) „Staatsangehörigkeit deutscher Kinder“ mit Anm. Pestalozza, NJW 1976, 507 ff. Ebenso: BVerfG, 18.12.1953, 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225 (245 f.) „Gleichstellung“; BVerfG, 11.04.1967, 2 BvL 3/62, BVerfGE 21, 329 (341) „Hinterbliebenenversorgung“; BVerfG, 02.07.1969, 1 BvR 669/64, BVerfGE 26, 265 (273) „Heimkosten“; CoesterWaltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 25. 390 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (319). Auch Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c, Rdnr. 17 hält dem Bundesgerichtshof entgegen, daß diese Rechtsprechung nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen „harmoniert“, wonach eine Prüfung im Einzelfall erforderlich ist, ob die strukturell ungleiche Verhandlungsstärke ausgenutzt worden war. 391 In diesem Sinne wohl ebenfalls Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1585c BGB, Rdnr. 17: Der Unterhaltsverzicht ist „(. . .) nicht deshalb wirksam, weil
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Diese Sicht überzeugt.390 Der Bundesgerichtshof widerspricht sich selbst. Sicher ist eine vertragliche Verpflichtung zur Eheschließung weder bindend, noch vollstreckbar. Jedoch nur hierin liegt die Freiheit zur Eheschließung. Sie wird nicht mit staatlichem Zwang durchgesetzt. Sollen die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe vermieden werden, mag man die Freiheit zur Eheschließung im negativen Sinne nutzen und keine Ehe eingehen. Man kann sich aber auch für die Ehe entscheiden. Mit dieser Freiheit zur Eheschließung haben die Bedingungen, unter denen man bereit sein will, die Ehe einzugehen, nichts zu tun.391 Diese Bedingungen können nicht derart in eine Leistungsbeziehung gestellt werden, wo die Gegenleistung in der Erfüllung des Eheversprechens als Verzicht auf die weiter bestehende Freiheit zur Eheschließung steht. Auch aus der Vertragsfreiheit wird nicht auf die fehlende Sittenwidrigkeit des vertraglich Vereinbarten geschlossen. Wer bereit ist, einen Vertrag zu schließen, der nutzt seine Vertragsfreiheit. Könnte unter Berufung auf die genutzte Vertragsfreiheit niemals auf die Sittenwidrigkeit der Abrede erkannt werden – weil die Vertragsfreiheit dann doch nicht genutzt werden konnte – gäbe es keine Begrenzung der Vertragsfreiheit durch die Sittenklausel des § 138 BGB.392 Der Rückschluß von der Abschlußfreiheit auf die Inhaltsfreiheit ist ausgeschlossen. Niemand käme im Arbeitsrecht auf die Idee, im Hinblick auf die Einstellungsfreiheit des Arbeitgebers auch eine umfassende Freiheit zur inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsvertrages zu fordern.393 Ein weiterer Aspekt spricht für die Sicht des Bunes ohne ihn nicht zur Eheschließung gekommen sei, der Berechtigte also keine Rechtsposition aufgegeben habe, die er ohne die Vereinbarung nicht gehabt hätte; denn aufgegeben wird eine mit der Eheschließung sonst verbundene Position. 392 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1007); DaunerLieb, AcP 201 (2001), 295 (319). 393 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (319). 394 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1006). 395 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1006 f.). Ihr folgt: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (318). 396 BGH, 09.04.1986, IVb ZR 32/85, NJW 1986, 2046 (2047); BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703. Ähnlich: BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192(193): Sittenwidrig kann es sein, hat der Ehemann die Ehefrau „(. . .) zum Abschluß eines für sie ungünstigen Ehevertrages gedrängt, um sie für die Zukunft dazu zu zwingen, Defizite in der Partnerbeziehung über ein normalerweise zu tolerierendes Maß hinaus hinzunehmen, ohne hierauf mit einer Trennung und einem Scheidungsantrag reagieren zu können (. . .)“. Siehe auch noch: BGH, 15.05.1957, IV ZR 294, 295, 296, 297, 298 und 299/56, MDR 1958, 22 = LM Nr. 8 zu § 138 (Cd) BGB: „Ist eine Ehe durch ehewidrige Beziehungen des Ehemannes zu einer anderen Frau zerrüttet worden, so verstößt eine vor der Scheidung geschlossene Unterhaltsvereinbarung gegen die guten Sitten, in der der Ehefrau und einem ehelichen Kind für den Fall, daß die Ehe aus dem Verschulden des Mannes geschieden wird, von dem Ehemann unter Verbürgung der anderen Frau Unterhaltsrenten versprochen werden, die von Anfang an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Ehemannes übersteigen und von vornherein nur unter ständiger Inanspruchnahme der der Bürgin zur Verfügung stehenden Mittel gezahlt werden können.“ Ähnlich: BGH, 20.12.1961, IV ZR 119/61, NJW 1962, 732: „Das während eines Ehescheidungsrechtsstreits vergleichsweise abgegebene Verspre-
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desverfassungsgerichts. Wenn die Freiheit zur Eheschließung – wie auch die Freiheit zur Auflösung der Ehe zwecks erneuter Erlangung der Freiheit zur Eheschließung – nicht Gegenstand vertraglicher Bindung sein kann, existiert eben auch kein Äquivalenzverhältnis.394 Die Freiheit zur Eheschließung ist deshalb eben nicht „kommerzialisierbar“. 395 Zu Recht nach § 134 BGB für nichtig hält daher auch der Bundesgerichtshof Regelungen, wonach die Ehegatten die Scheidung ihrer Ehe ausschließen oder sich einseitig verpflichten, künftig keinen Scheidungsantrag zu stellen.396 Der vertraglich vereinbarte Ausschluß, die Freiheit zur Eheschließung wieder erlangen zu können, ist mithin unwirksam.397 Also ist mittelbar eine Abrede, die als Gegenleistung den weiteren Verzicht auf die Freiheit zur Eheschließung hat, unwirksam. Wenn dem gegenüber erstmalig auf die noch bestehende Freiheit zur Eheschließung verzichtet wird, dann müßten der Gleichbehandlung im Recht wegen auch die hierfür versprochenen Gegenleistungen nichtig sein. Mit dieser Maßgabe wären Zugeständnisse im Ehevertrag nichtig, wenn als Gegenleistung die Ehe versprochen war. Jedenfalls ist kein Anlaß ersichtlich, warum hier, nahezu diametral, die Freiheit zur Eheschließung gegenüber dem Ehepartner des Verzichtenden besonders benachteiligende Gegenleistungen rechtfertigen soll. Auch deshalb kann die Freiheit zur Eheschließung nicht als Argument dafür herangezogen werden, daß die Bedingungen, die für die Eheschließung oder den Verzicht auf die Scheidung gesetzt werden, dem Verdikt der Sittenwidrigkeit entzogen sind.398 chen des die Scheidung begehrenden Ehemannes, die Frau, die die Zerrüttung der Ehe mitverschuldet hat und die er zu heiraten beabsichtigt, zu veranlassen, nach seinem Tode an die im Ehescheidungsverfahren beklagte Ehefrau Unterhalt zu zahlen kann sittenwidrig sein.“ Siehe hierzu auch, jedoch mit abweichendem Ergebnis: BGH, 08.10.1955, IV ZR 82/55, LM Nr. 4 zu § 138 (Cd) BGB: „Ein Unterhaltsversprechen, das in einem Ehescheidungsverfahren gegenüber der Scheidungsbeklagten von einer Frau erteilt wird, die der Scheidungskläger zu heiraten beabsichtigt, ist nicht sittenwidrig, wenn sie dazu dient, das Einverständnis des Ehegatten, der auf Scheidung wegen eines Verschuldens klagen könnte, zu einer Scheidung ohne Schuldausspruch zu erzielen.“ 397 Dethloff, JZ 1997, 414 merkt zu Recht ebenfalls an, daß deshalb auch faktisch scheidungshindernde Abreden im Hinblick auf die Freiheit zur Eheschließung untersucht werden müssen. Vergleichbar wäre hier die faktische Beschränkung der Berufsfreiheit durch Rückzahlungsklauseln für Aus- und Fortbildungskosten bzw. ganz allgemein durch Kündigungserschwerungen. 398 Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1007). Auch für Büttner, FamRZ 1998, 1 (7) ergibt sich aus der Freiheit zur Eheschließung keine weitergehende Vertragsfreiheit, als sonst bei schuldrechtlichen Verträgen. Dem entsprechend halten Büttner/Niepmann, NJW 2001, 2215 (2221) auch die Begründung des Bundesverfassungsgerichts für überzeugend, „(. . .) dass die Eheschließungs- und Ehescheidungsfreiheit keine Rechtfertigung für Verträge bieten, die die Lage eines der Vertragspartner unangemessen ausnutzen.“ 399 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39) „Bürgschaft I“. 400 Vergleiche: BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39) „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750) „Bürgschaft II“; BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“.
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Die Entscheidung war danach schon deshalb durch das Bundesverfassungsgericht aufzuheben, weil das Berufungsgericht „(. . .) die Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen“,399 übersah. Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie kam dann in Betracht, weil das Problem der gestörten Vertragsparität nicht gesehen wurde.400 Das OLG Stuttgart sah sich unter Hinweis auf die Eheschließungsfreiheit nicht veranlaßt, den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen. Es hat deshalb verkannt, daß die Eheschließungsfreiheit nicht die Freiheit zur unangemessenen einseitigen vertraglichen Interessendurchsetzung eröffnet.401 d) Der besondere Schutzanspruch der Mutter (Art. 6 Abs. 4 GG) Sodann ergänzt das Bundesverfassungsgericht die allgemeine Schutzpflicht zur Wahrung beiderseitiger Vertragsfreiheit durch eine besondere Schutzpflicht.402 Auch der Anspruch auf Schutz und Fürsorge der werdenden Mutter aus Art. 6 Abs. 4 GG kann es gebieten, die ehevertragliche Vereinbarung einer besonderen richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen.403 Dieser Hinweis ist zutreffend. Art. 6 Abs. 4 GG enthält nicht nur einen Programmsatz. Verankert ist ein bindender Auftrag an die staatliche Gewalt im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG. Die Norm beinhaltet ein echtes Grundrecht auf Schutz und Fürsorge und somit ebenfalls eine wertentscheidende Grundsatznorm für die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln.404 Sie verbietet eine nachtei401
BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (106) „Ehevertrag I“. Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 140 (142) meinen: „Über die allgemeine Inhaltskontrolle hinaus fordert das Bundesverfassungsgericht (. . .) eine besondere richterliche Inhaltskontrolle, wenn dies ein weiteres Grundrecht bzw. ein besonderer staatlicher Schutzauftrag gebiete, beispielsweise Art. 6 Abs. 4 GG.“ Auch stelle „(. . .) das Bundesverfassungsgericht an eine Vereinbarung von Partnern mit Kindern besondere inhaltliche Anforderungen.“ Die allgemeine richterliche Inhaltskontrolle um eine besondere richterliche Inhaltskontrolle zu ergänzen, erscheint unnötig. Wenn das Bundesverfassungsgericht neben Art. 2 Abs. 1 GG auch auf Art. 3 Abs. 2; 6 Abs. 1; Abs. 2 S. 1 und Abs. 4 GG abstellt, dann verdeutlicht es nur, daß die Schutzpflicht eben auch diesen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen zu entnehmen ist. 403 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102) „Ehevertrag I“. 404 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 6 GG, Rdnr. 30; Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 105. Siehe auch: BVerfG, 25.01.1972, 1 BvL 3/70, BVerfGE 32, 273 (277) = NJW 1972, 572; BVerfG, 13.11.1979, 1 BvL 24/77, 19/78, 38/79, BVerfGE 52, 357 (365) = NJW 1980, 824 (825). 405 Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 106. 406 Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 108. 407 Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 109. 402
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lige Behandlung wegen einer bestehenden Schwangerschaft oder Geburt.405 Der Schutzanspruch bezieht sich auf die biologischen Belastungen durch die Schwangerschaft, nicht aber die sozialen Lasten. Diese treffen auch die Väter und gehören zum Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG.406 Der Schutz besteht insbesondere auch gegenüber mittelbarem Druck, eine Schwangerschaft abzubrechen und nicht Mutter zu werden.407 Mit dem Schutzauftrag können als sachgerecht Beschränkungen der Privatautonomie einher gehen.408 Deshalb kann es den Gerichten ebenfalls obliegen, im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag umzusetzen und der Schwangeren Schutz vor Druck und Bedrängung aus ihrem sozialen Umfeld oder seitens des Kindesvaters zu gewähren.409 Für das Bundesverfassungsgericht befindet sich eine schwangere Frau bei Abschluß eines Ehevertrages regelmäßig in einer unterlegenen Verhandlungsposition. Hier sieht sich die nicht verheiratete schwangere Frau vor zwei Alternativen gestellt. Entweder trägt sie in Zukunft allein für das erwartete Kind Verantwortung und Sorge. Alternativ kann sie durch die Eheschließung den Kindesvater in die Verantwortung einbinden. Als Preis hierfür hätte sie jedoch den Abschluß eines sie stark belastenden Ehevertrages zu zahlen.410 Die konkrete Lebenssituation der Schwangeren ist für das Gericht zutreffend geprägt durch einen existenziellen Umbruch in ihrem Leben. Auf sie kommt mit dem Kind eine kaum zu überbietende Umstellung der Lebensführung und Lebensplanung zu. Darüber hinaus bestehen auch heute noch gesellschaftliche und soziale Zwänge. Wenn auch schwächer als in der Vergangenheit, so besteht noch immer unterschwellig der Zwang, das Kind ehelich zur Welt kommen zu lassen. 408
Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 111. BVerfG, 28.05.1993, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 203 (296 f.) = NJW 1993, 1751 (1764) „Schwangerschaftsabbruch II“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102) „Ehevertrag I“; Sachs, JuS 1994, 69 (70). 410 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102) „Ehevertrag I“. Genau in dieser Richtung hat Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 41 unter Bezug auf Dethloff, JZ 1997, 414 (415) bereits vor der Entscheidung kritisch gegenüber BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 und BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192, denjenigen Entscheidungen, die später das Bundesverfassungsgericht (a. a. O., [92]) für die gerügte Ansicht, die Eheschließungsfreiheit verbiete die Begrenzung der Ehevertragsfreiheit, zitiert, bereits treffend Stellung bezogen: Die Frau ist „(. . .) dem Mann in den Vertragsverhandlungen strukturell unterlegen, sofern sie sich zu ihrer wirtschaftlichen Absicherung zutreffend zur Fortsetzung der Ehe „unter allen Umständen“ genötigt sieht. Der Mann, der über die Eingehung der Ehe oder Stellung eines Scheidungsantrages entscheiden kann, greift grundrechtswidrig und nach § 138 beachtlich in die der Frau in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie ein, wenn diese wirtschaftlich unselbständig ist und sich ihre wirtschaftliche Absicherung durch den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt „erkauft“. 411 Sozialpolitisch und demographisch zu Recht findet Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (318) die Situation der nichtehelichen Mutter auch unter Berücksichtigung des Anspruch aus § 1615l Abs. 2 BGB „(. . .) nach wie vor nicht rosig“. 409
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Selbst die Gewißheit, sonst allein Verantwortung und Sorge für das Kind tragen zu müssen, ist beachtlich. Denn nach dem geltenden Recht bleibt sie allein für das Kind verantwortlich, wenn der Vater zur gemeinsamen Sorge nicht bereit ist, § 1626a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB. Zudem steht ihr gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB regelmäßig nur für 3 Jahre ein eingeschränkter Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater zu.411 Dieser Anspruch ist nicht vergleichbar mit der unterhaltsrechtlichen Absicherung verheirateter Frauen, die den ehelichen Kindern zugute kommt.412 Eine nicht verheiratete Mutter sieht sich insofern schon im frühen Alter des Kindes generell vor das Problem gestellt, Kinderbetreuung und eigene Existenzsicherung gleichermaßen sicherzustellen.413 Gerade die ökonomische Perspektive für Mütter nichtehelicher Kinder sieht das Bundesverfassungsgericht als gravierenden Grund für die Unterlegenheit beim Vertragsabschluß an. Nach der Geburt des Kindes soll das Einkommen der Mutter wegen der alleinigen Verantwortung für das Kind meist auf weniger als die Hälfte des vorherigen Einkommens absinken. Eine weitere zusätzliche Belastung erkennt das Gericht in der deutlich schlechteren Zahlungsmoral der Väter gegenüber ihren nichtehelichen Kindern.414 Diese besondere Situation nicht verheirateter Schwangerer bleibt für das Bundesverfassungsgericht nicht ohne Einfluß auf die Gegebenheiten beim Abschluß eines Ehevertrages. Gerade wegen ihrer Sorge 412 Dieser Hinweis ist zweifelhaft, wie die oben beschriebenen Widersprüche zwischen der Verzichtsmöglichkeit auf Betreuungsunterhalt der ehelichen Mutter nach §§ 1585c, 1570 BGB einerseits und der fehlenden Verzichtsmöglichkeit der nichtehelichen Mutter, §§ 1615l Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 1, 1614 Abs. 1 BGB zeigen. Hierauf macht Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (318) im Zusammenhang mit der Entscheidung aufmerksam. 413 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (103) „Ehevertrag I“. Ausdrücklich „zynisch“ hält Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (318) hierzu fest, daß es doch positiv sei, „(. . .) daß sich die nichteheliche Mutter möglicherweise nicht noch jahrelang auf die gefährliche Rollenverteilung der Hausfrauenehe einlassen, sondern kurzfristiger und konsequenter um einen Arbeitsplatz zur Existenzsicherung für sich und das Kind kämpfen wird.“ 414 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (104) „Ehevertrag I“. 415 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (104) „Ehevertrag I“. Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (104 ff.) liegt deshalb mit ihren Untersuchungen zur sozio-ökonomischen Situation der Frau durchaus auf der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts. Der völlig überzogenen Kritik von Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589); ders., DNotZ 1998, 228* (263*) fehlt daher die Grundlage. 416 Hönn, Jura 1984, 57 (74); Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (346); Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (52); Paulus/ Zenker, JuS 2001, 1 (2). Wenn das Bundesverfassungsgericht Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (106 f.) einleitend als Beleg für die in der Literatur geforderte Neubestimmung der Ehevertragsfreiheit zitiert (BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 [93]), dann jedoch entgegen Schwenzer, a. a. O., (108 f.) nicht von einer typischerweise gegebenen strukturellen Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann, sondern der Schwangeren gegenüber dem Kindesvater ausgeht, wird hieraus wohl die Ablehnung der Ansicht Schwenzers durch das Bundesverfassungsgericht zu folgern sein.
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auch um die Zukunft des Kindes und unter dem Druck der bevorstehenden Geburt befindet sich die Schwangere daher typischerweise in einer dem Vertragspartner gegenüber weit unterlegenen Position.415 Hiermit dürfte die Ansicht angesprochen sein, daß es typische Konstellationen von in der persönlichen Stellung der Vertragspartner zueinander begründeten strukturellen Unterlegenheit gibt.416 Richterliche Inhaltskontrolle ist aber nicht allein vom Nachweis äußerlicher Disparität abhängig. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Disparität konkret ausgewirkt hat.417 Deshalb ist auch für das Bundesverfassungsgericht die Schwangerschaft allein nur ein Indiz für eine vertragliche Disparität und gibt Anlaß, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und Perspektive sowie die von den Parteien des Ehevertrages beabsichtigte Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der Ehe können dann weitere maßgebliche Faktoren sein, durch welche die Situation der Schwangeren bestimmt wird. Diese können im Einzelfall auch dazu führen, die Unterlegenheit auszugleichen.418 Hier greift das Bundesverfassungsgericht offensichtlich die Ansicht auf, wonach sich strukturelle Unterlegenheit regelmäßig (auch) aus einem intellektuellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen bzw. sozialen Gefälle zwischen den Vertragsparteien ergibt. Erst dieses Gefälle soll die überlegenen Gestaltungsspielräume eröffnen, um der anderen Partei bestimmte Inhalte einseitig aufzwingen zu können.419 Wenn dann auch der Inhalt des Ehevertrages die unterlegene Position der nicht verheirateten Schwangeren zum Ausdruck bringt, wird die Schutzbedürftigkeit offenkundig. Der Vertrag muß die Schwangere einseitig belasten. Zusätzlich dürfen ihre Interessen keine angemessene Berücksichtigung gefunden haben.420 Ob die vertraglichen Vereinbarungen die Frau deutlich mehr belasten als den Mann, hängt für das Bundesverfassungsgericht davon ab, welche familiäre Konstellation die Vertragspartner anstreben und ihrem Vertrag zugrunde legen. Verzichten sie gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt, liegt darin bei einer Ehe, in denen beide Partner einer etwa gleichwertigen Berufstätigkeit nachgehen und sich Haus- und Familienarbeit teilen, keine ungleiche Belastung. Sieht die Lebensplanung der Partner jedoch vor, daß sich in der Ehe einer der beiden 417 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 2.III.1.a), S. 146 ff.; Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2293); Rehbein, JR 1995, 45 (49). 418 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (104) „Ehevertrag I“. 419 Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199 (200); Ritgen, JZ 2002, 114 (119). 420 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (105) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 421 Ebenfalls: BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302).
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unter Aufgabe einer Berufstätigkeit im Wesentlichen der Kinderbetreuung und Haushaltsführung widmet, bedeutet der Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt eine Benachteiligung des Betreuenden.421 Mit diesen Hinweisen stärkt das Bundesverfassungsgericht die Theorie der Ehevertragsgestaltung nach Ehetypen.422 Immer dann, wenn der tatsächlich gelebte Ehetyp von dem Ehetyp abweicht, der dem geschlossenen Ehevertrag zugrunde liegt, so wird man das Bundesverfassungsgericht wohl verstehen müssen, kann der Ehevertrag einseitige und besonders belastende Wirkung zeichnen.423 Entspricht er dem gelebten Ehetyp, dürfte sich dann regelmäßig eine weitere Prüfung, insbesondere ob ein Ehegatte eine unterlegene Position im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses innehatte, erübrigen. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen oder zusätzliche Pflichten übernommen werden, desto mehr kann sich aber der Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken.424 Hier spricht das Bundesverfassungsgericht abschließend nicht mehr nur die Ehevertragsgestaltung nach Ehetypen an. Vielmehr wird auf die Leitbildwirkung des gesetzlichen Ehevermögensrechts hingewiesen. Ob der Vertrag besonders einseitig belastend und interessenwidrig ist, hat sich daher maßgeblich an dem zu orientieren, was der Gesetzgeber als die angemessene Ausgestaltung des Ehevermögensrechts ansieht. Je mehr sich die Abreden in Abhängigkeit von dem tatsächlich gelebten Ehetyp entfernen, desto eher ist auch die zweite Voraussetzung der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen, die erkennbar einseitige Lastenverteilung, feststellbar. Eine Differenzierung, ob die nachteilige eheliche Aufgabenverteilung bereits anfänglich feststand, oder sich erst später ergab, trifft das Bundesverfassungsgericht, soweit ersichtlich, nicht. Mit dem Hinweis, das Oberlandesgericht hat die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG folgende Schutzpflicht in der angegriffenen Entscheidung verkannt, schließt das Gericht seine Ausführungen zu diesem Bereich. Gerügt wird, das Familiengericht habe weder die besondere Situation beachtet, in der sich die Beschwerdeführerin als Schwangere mit schon einem Kind bei Vertragsabschluß befand, noch ist es der Frage nachgegangen, ob der Ehevertrag die Beschwerdeführerin in unangemessener Weise belastet, obwohl der Inhalt des Vertrages hierfür Anlaß bot.
422 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 943 ff.; ders.; DNotZ Sonderheft 1985, 167 ff.; ders., FamRZ 1987, 9 ff.; ders., Der Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, S. 9; Zimmermann, Eheverträge, 2. Aufl., 1996, S. 5. 423 Was natürlich nicht bedeutet, daß der nicht ehetypische Ehevertrag per se sittenwidrig und nichtig ist (Langenfeld, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand: 07/1998, Kap. 15, Rdnr. 35). 424 Ebenfalls: BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302). 425 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 426 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“.
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e) Der besondere Schutzauftrag zum Kindeswohl (Art. 6 Abs. 2 GG) Das Bundesverfassungsgericht sah sich weiter veranlaßt, unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 2 GG die Entscheidung aufzuheben.425 Das OLG Stuttgart habe den Schutz aus Art. 6 Abs. 2 GG außer Acht gelassen. Die Vorschrift setze vertraglichen Abreden von Eltern im Interesse des Kindeswohls Grenzen.426 Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz regelt als spezielle Bestimmung die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern in der Familie.427 Die Vorschrift enthält nicht nur eine Institutsgarantie,428 sie schützt als wertentscheidende Grundsatznorm neben der Elternautonomie auch das Kindeswohl.429 Schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut ist die Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur ein Recht der Eltern, sondern auch die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Dieses Recht der Eltern steht deshalb im engen Zusammenhang mit der Pflicht und ist in sich durch das Kindeswohl begrenzt. Das Recht steht den Eltern aber nur insoweit und nur solange zu, als sie sich bei der Ausübung des Rechts im verfassungsrechtlichen Rahmen halten. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz wacht die staatliche Gemeinschaft über die Betätigung im Wege einer Ausübungskontrolle.430 Diese Grundsätze greift denn auch das Bundesverfassungsgericht auf. Danach begründet Art. 6 Abs. 1 S. 1 GG für die Eltern gleichermaßen das Recht wie die Pflicht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder.431 Diese den Eltern zuvörderst zugewiesene Verantwortung hat dem Kindeswohl zu dienen. Es ist ein Grundrecht im Interesse des Kindes.432 Das Recht der Eltern auf freie Gestaltung ihrer Sorge für das Kind verdient dort keinen Schutz, wo sich Eltern ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind entziehen und eine Vernachlässigung des Kindes droht.433 Wird durch das Verhalten der Eltern das Kindeswohl nachhaltig gefährdet, ist der Staat in Wahrnehmung seines Wächteramtes aus Art. 6 427
Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 57. Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 58. 429 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 60. 430 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 77. 431 BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, 31/66, BVerfGE 24, 119 (143 f.) „Adoption“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 432 BVerfG, 09.02.1982, 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360 (382) „Schweigepflicht des Schulberaters“; BVerfG, 14.04.1987, 1 BvR 332/86, BVerfGE 75, 201 (218) „Herausgabe eines Kindes“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 433 BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, 31/66, BVerfGE 24, 119 (143 f.) „Adoption“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 434 BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, 31/66, BVerfGE 24, 119 (144) „Adoption“; BVerfG, 05.11.1980, 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171 (179) „Sorgerechtsentscheidung“; BVerfG, 18.06.1986, 1 BvR 857/85, BVerfGE 72, 122 (134) „Entzug des Sorgerechts“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BverfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 428
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Abs. 2 S. 2 GG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen. Das Kind hat als Grundrechtsträger einen Anspruch auf staatlichen Schutz vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts.434 Wenn die Pflege und Erziehung der Kinder die den Eltern „zuvörderst“ obliegende Pflicht ist, dann wird dieser Formulierung in Verbindung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Schutzgebot aus Art. 2 GG ein genereller verfassungsrechtlicher Schutzauftrag zugunsten des Kindeswohls zu entnehmen sein.435 Die staatlichen Schutzmaßnahmen bestimmen sich nach dem Ausmaß der mangelnden Pflichterfüllung durch die Eltern und dem, was im Interesse des Kindes geboten ist.436 Zur Verantwortung der Eltern gehört auch, für einen dem elterlichen Vermögen gemäßen und zugleich auch angemessenen Unterhalt des Kindes zu sorgen. Gleichfalls müssen sie die Betreuung des Kindes sicherstellen.437 Die Eltern sind in ihrer Entscheidung frei, wie sie diese Aufgaben unter sich aufteilen. Sie können dabei auch personelle Unterstützung Dritter heranziehen.438 Diese Grundsätze gelten auch für den Fall der Scheidung. Wenn die Eltern für den Scheidungsfall vertragliche Regelungen treffen, verpflichtet sie die Verantwortung gegenüber dem Kind, möglichst die regelmäßig mit der Trennung der Eltern verbundenen seelischen Belastungen des Kindes zu mildern. Sie müssen für die weitere Pflege und Erziehung des Kindes eine vernünftige und den Kindesinteressen entsprechende Lösung finden.439 Diesen aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleiteten grundsätzlichen Anforderungen wurde nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die zwischen den Eltern vereinbarte und vom OLG Stuttgart bestätigte Freistellungsvereinbarung jedoch nicht gerecht. Denn: „Soll nach dem Willen der Eltern im Falle der Scheidung ein Elternteil die alleinige Sorge für das gemeinsame Kind tragen sowie dessen Betreuung übernehmen und vereinbaren die Eltern für diesen Fall eine Freistellung des nicht betreuenden Elternteils vom Kindesunterhalt durch den Betreuenden, werden sie ihrer Verantwortung dem Kinde gegenüber nicht gerecht und gefährden dessen Wohl, wenn dadurch eine den Interessen des Kin435
Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 85. BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, 31/66, BVerfGE 24, 119 (144 f.) „Adoption“; BVerfG, 17.02.1982, 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79 (91, 93); BVerfG, 11.11.1988, 1 BvR 585/88, FamRZ 1989, 145 (146); BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/ 92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 437 BVerfG, 18.04.1989, 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 (90 f.) „Ausweisung/ Nachzug“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 438 BVerfG, 21.12.1977, 1 BvL 1/75, BVerfGE 47, 46 (70) „Sexualerziehung in Schulen“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107) „Ehevertrag I“. 439 BVerfG, 03.11.1982, 1 BvL 25/80, BVerfGE 61, 358 (372 f.) „Gemeinsames Sorgerecht“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (107 f.) „Ehevertrag I“. 440 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (108) „Ehevertrag I“. 436
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
des entsprechende Betreuung und ein den Verhältnissen beider Eltern angemessener Barunterhalt nicht mehr sichergestellt sind.“440 Die Verletzung der elterlichen Verantwortung ergab sich für das Bundesverfassungsgericht offensichtlich nicht schon aus der absoluten Höhe der vereinbarten Unterhaltszahlungen. Der Kindesunterhalt richtet sich an dem Leistungsvermögen des Unterhaltspflichtigen und dem Bedürfnis des Kindes aus, §§ 1602 II, 1603, 1610 BGB. Die Höhe wird damit auch durch die soziale Lage der Eltern bestimmt und kann als solche kein Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung sein. Auch in finanziell beengten Verhältnissen kann ein Kind eine gedeihliche Entwicklung durch die Pflege und Erziehung seiner Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfahren. Gegebenenfalls gewähren staatliche Leistungen die familiäre finanzielle Grundsicherung.441 Das Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gebietet dem Staat nicht, gegen den Willen der Eltern, unter Berufung auf das Kindeswohl, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen.442 Das Wächteramt darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgeübt werden.443 Es ist stets das mildeste zur Verfügung stehende Mittel einzusetzen.444 Deshalb können die Eltern, so das Bundesverfassungsgericht weiter, im Rahmen ihrer primären Entscheidungszuständigkeit nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ihre Erziehungsverantwortung selbst dann noch hinreichend erfüllen, wenn dem Kind nicht die nach objektiven Maßstäben bestmögliche Förderung zuzukommen scheint.445 Der Staat ist daher kraft des Wächteramtes weder verpflichtet noch befugt, allein zur Optimierung des Kindeswohls in den Elternprimat einzugreifen.446 Erst bei der Gefährdung des Kindeswohls ist staatliches Einschreiten erlaubt. Wann eine verfassungsrechtlich relevante Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, hierauf nehmen Zeitgeist und sozialer Wertewandel mit Einfluß.447 Aus dem Elternprimat ergibt sich dann auch die Bindung des Richters an den gefundenen elterlichen Konsens. Nicht die positive Kindeswohlkontrolle,448 son441
BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (108) „Ehevertrag I“. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 6 GG, Rdnr. 32; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 93. 443 BVerfG, 11.11.1988, 1 BvR 585/88, FamRZ 1989, 145 (146). 444 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 93. 445 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (108) „Ehevertrag I“; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 93. 446 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 77, 81. 447 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 81. 448 Siehe beispielsweise §§ 1671 Abs. 2 Nr. 2, 1672 Abs. 1 Satz 2, 1678 Abs. 2, 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB: „wenn dies dem Wohl des Kindes dient“. 449 Siehe dem gegenüber beispielsweise §§ 1672 Abs. 2 Satz 1, 1680 Abs. 2 Satz 1, § 1681 Abs. 2 BGB: „wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht“. 450 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 78. 451 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 63. 442
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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dern nur die Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl449 ist verfassungsrechtlich angezeigt.450 Dem einheitlichen Begriff von Pflege und Erziehung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Verantwortung der Eltern unter anderem für Ernährung und Kleidung, aber auch für Gesundheit und körperliche Entwicklung, mithin die Verantwortung für die Finanzierung des Unterhalts zuzuordnen.451 Halten dann Eltern den Lebensstandard ihres Kindes im Verhältnis zu ihrem Einkommen beispielsweise als Ausdruck ihrer Erziehungsvorstellungen und zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes niedrig, so rechtfertigt sich daraus allein kein staatliches Eingreifen. Anders aber ist es, wenn die finanziellen Mittel für die Lebensbedarfsdeckung des Kindes von den Eltern nur deshalb in nachhaltiger Weise eingeschränkt werden, weil zumindest ein Elternteil sich der Sorge um sein Kind auch finanziell entziehen will. Mit diesem Interesse verfolgen dann die Eltern nicht mehr die Pflege und Erziehung des Kindes als der ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht. Will ein Elternteil sich der Aufgabe, die Interessen des Kindes zu wahren, in dieser Art und Weise entledigen, gebietet es Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG für das Bundesverfassungsgericht, staatlicherseits zum Schutze des Kindeswohls tätig zu werden.452 Konkret kam es für das Bundesverfassungsgericht nicht darauf an, daß die Freistellung eines Elternteils vom Kindesunterhalt durch den anderen Elternteil rechtlich keine Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern hat, §§ 1614 BGB.453 Denn: „Tatsächlich verändert sich die wirtschaftliche Lage des Kindes jedoch wesentlich, wenn der betreuende Elternteil nicht über erhebliche finanzielle Mittel verfügt. Denn trifft diese vertragliche Verpflichtung den betreuenden Elternteil, erhält dieser nicht nur keine Zahlungen zur Unterhaltsdeckung des Kindes vom anderen Elternteil, sondern sein ihm selbst zur Verfügung stehendes Einkommen wird gleichzeitig durch diese Verpflichtung zur Abdeckung des Kindesunterhalts gemindert und wirkt de facto wie ein Unterhaltsverzicht. Das dem gemeinsamen Haushalt von betreuendem Elternteil und Kind zur Verfügung stehende Einkommen sinkt hierdurch deutlich. Darüber hinaus ist für die Betreuung des Kindes Sorge zu tragen, so daß die Möglichkeit zu weiterem Erwerb begrenzt ist. Führt die Vereinbarung der Eltern dazu, daß der sorgende Elternteil im Falle der Scheidung wegen der Übernahme der Kindesunterhaltslasten vom anderen Elternteil seinen Unterhalt und den des Kindes nicht mehr durch Einkünfte decken oder aus Vermögen 452
BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (108 f.) „Ehevertrag I“. Siehe nur: BGH, 15.01.1986, IVb ZR 6/85, NJW 1986, 1167 (1168) mit Anm. Göppinger, JR 1986, 326; BGH, 25.01.1989, IVb ZR 31/88, FamRZ 1989, 499 (500); OLG Celle, 09.10.2000, 19 UF 120/00, FamRZ 2001, 1640; OLG Schleswig, 17.01.2001, 15 UF 79/00, SchlHA 2001, 259; Diederichsen, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1606 BGB, Rdnr. 21; Luthin, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1606 BGB, Rdnr. 42; Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 3. Kapitel, Rdnr. 205. 453
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
bestreiten kann, beeinträchtigt dies die Lebensumstände des Kindes in einer der Elternverantwortung zuwiderlaufenden Weise. Will der sorgende Elternteil das Kind persönlich betreuen, damit das Kind nach der Trennung von einem Elternteil nicht auch noch auf die Betreuung durch den anderen verzichten muß, führt dies bei jüngeren Kindern zwangsläufig zur Einschränkung oder Unmöglichkeit seiner außerhäuslichen Erwerbstätigkeit und damit zur Reduzierung oder zum Wegfall eigenen Einkommens. Nur wenn das so verbleibende Einkommen noch ausreicht, um auch den Unterhaltsbedarf des Kindes zu decken, oder wenn der Einkommenswegfall durch Vermögen oder eigene Unterhaltsansprüche ausgeglichen werden kann, bleiben auch bei einer Freistellungsvereinbarung sowohl die Betreuung als auch die Versorgung des Kindes gesichert. Ist dies jedoch nicht der Fall und verzichtet der sorgende Elternteil zusätzlich zur Freistellung auch auf eigenen nachehelichen Unterhalt, zwingen ihn die durch die Abrede verursachten Umstände dazu, entweder die Betreuung des Kindes in fremde Hände zu geben oder mit dem Kind unter Verhältnissen zu leben, die dessen Entwicklungsmöglichkeiten weit mehr einschränken, als es dem gemeinsamen elterlichen Vermögen entsprechen würde. Beide Handlungsoptionen beeinträchtigen die Interessen des Kindes nachhaltig und sind Folge mangelnder elterlicher Verantwortung gegenüber dem Kind. Auch dann, wenn der sorgende Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgehen und das Kind in Obhut geben will, ist eine durch die Freistellungsabrede eintretende Beeinträchtigung der Kindesinteressen nur auszuschließen, wenn das zu erzielende Einkommen ausreicht, um ohne erhebliche Einschränkungen des eigenen Unterhalts auch die Betreuungskosten und den angemessenen Lebensunterhalt für das Kind sicherstellen zu können. Ist dies bei Vereinbarung der Freistellung erkennbar nicht gewährleistet, gefährdet auch hier die elterliche Vertragsabrede das Kindeswohl.“454 Weil das OLG Stuttgart diese Umstände bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigte, sich dem Gericht deshalb eigentlich die Frage hätte aufdrängen müssen, ob die Freistellung unter solchen Umständen nicht die Interessen des gemeinsamen Kindes verletzt und der den Eltern obliegenden Verantwortung zuwiderläuft, hat es Umfang und Bedeutung des Schutzes durch Art. 6 Abs. 2 GG vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts zu Lasten des Kindeswohls verkannt.455 Die Entscheidung war daher auch aus diesem Grunde aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück zu verweisen.
454
BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (109 f.) „Ehevertrag I“. BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (110 f.) „Ehevertrag I“. 456 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166). Siehe auch: BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (128); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192. Neben anderen dem folgend: OLG Hamm, 14.11.1998, 6 UF 446/97, FamRZ 1999, 513; OLG Koblenz, 20.03.2000, 13 UF 540/99, FamRZ 2001, 227. 457 BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, NJW 1987, 776 (777). 455
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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Im Zusammenhang mit diesem Aufhebungs- und Zurückverweisungsgrund des Bundesverfassungsgerichts kann dem OLG Stuttgart nicht vorgehalten werden, es hätte die seinerzeitige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes456 zur treuwidrigen Berufung auf einen Unterhaltsverzicht nicht beachtet. Zwar hatte der Bundesgerichtshof zum maßgeblichen Zeitpunkt schon entschieden, daß die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn dadurch das Wohl der zu betreuenden gemeinsamen Kinder mißachtet wird,457 doch hatte das OLG Stuttgart gerade nicht über die Wirksamkeit eines Unterhaltsverzichts zu befinden. Der Vater hatte gegenüber der Mutter die Freistellung von einem über 150,00 DM hinausgehenden Unterhaltsanspruch des Sohnes gerichtlich begehrt, nachdem der Sohn gegenüber dem Vater seinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch zunächst im Wege der Auskunftsklage geltend gemacht hatte.458 Fraglich ist, ob nicht nur gegenüber einem Unterhaltsverzicht, sondern darüber hinaus auch gegenüber einer Freistellungsvereinbarung der Einwand treuwidrigen Verhaltens, § 242 BGB, erhoben werden kann.459 Dagegen spricht, daß dann die Ausübungskontrolle über den Bereich von Unterhaltsverzichtsvereinbarungen mit potentiell drittbelastender Wirkung auf Konstellationen ausgedehnt würde, in denen eine der vertragschließenden Parteien selbst einseitig unangemessen benachteiligt wird, was den bisher anerkannten Rahmen der Ausübungskontrolle endgültig überschreitet.460 Die Freistellungsvereinbarung erhöht den durch den Verzicht auf Betreuungsunterhalt ohnehin schon erheblichen wirtschaftlichen Druck auf den verzichtenden Elternteil. Er wirkt mittelbar als Unterhaltsverzicht des Kindes.461 Hierzu soll auf der einen Seite zu ermitteln sein, welcher konkrete Unterhaltsanspruch dem unterhaltsberechtigten Kind zusteht und wie hoch der aktuelle Unterhaltsbedarf der anderen Kinder und der Mutter ist. Dem ist auf der anderen Seite die aktuelle Einkommensund Vermögenssituation der Mutter gegenüberzustellen. Wenn und soweit eine mehr als nur geringfügige und deshalb regelmäßig hinnehmbare Deckungslücke
458
OLG Stuttgart, 28.11.1991, 16 UF 280/91, NJW-RR 1993, 133 = FamRZ 1992,
716. 459 Langenfeld, strenger Verfechter der Ausübungskontrolle (siehe nur: Langenfeld, in: FS für Helmut Schippel, 1996, 251 [255]), hält in seiner Besprechung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nur fest (Langenfeld, DNotZ 2001, 272 [279]), daß im Ergebnis festzustellen sei, „(. . .) dass der Richter im Ausgangsfall eine Ausübungskontrolle über § 242 BGB des Inhalts vorzunehmen hat, dass er dem Mann die Berufung auf den Unterhaltsverzicht auf die konkrete Dauer des Kindesbetreuungsunterhalts in einer nach Billigkeit zu bestimmenden Höhe versagt.“ Wie hinsichtlich der streitgegenständlichen Freistellungsvereinbarung zu verfahren wäre, erklärt er hingegen nicht. 460 (. . .) worauf zu Recht Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (328 f.) in ihrer Anmerkung aufmerksam macht. 461 Schwab, FamRZ 2001, 349. Nach Dauner-Lieb, FF 2002, 151 (152) schlägt die Armut der Mutter zwangsläufig auf zu betreuende Kinder durch. 462 Vergleiche hierzu ausführlich: Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 (582 ff.).
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entsteht, ist zu fragen, ob diese durch andere zumutbare Maßnahmen geschlossen werden kann. Die Zumutbarkeit einer anderen oder erweiterten Berufstätigkeit der Mutter muß zwar auch an deren Person, aber in erster Linie an ihren Auswirkungen auf die Kinder beurteilt werden. Hierzu wird man sich möglicherweise an den Erkenntnissen zu § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB orientieren können.462 In den Fällen, in denen die Mutter schon nach der bisherigen Rechtsprechung nicht oder nicht in erweitertem Umfang zur Berufstätigkeit verpflichtet war, wird sie auch im Hinblick auf das Kindeswohl nicht berufstätig sein müssen. Die Beweislast für die Umstände, die ein Absinken des familiären Lebensstandards bewirken, also den aktuellen Unterhaltsbedarf, trifft die Mutter, die das Kind betreut, diejenige für die Zumutbarkeit weiterer „Anstrengungen“ zur Unterhaltsdeckung dagegen den Vater als den vom Unterhalt Freigestellten.463 Auf jeden Fall genügt es nicht, pauschal darauf hinzuweisen, daß der originäre Anspruch des Kindes auf Unterhalt durch eine Freistellungsvereinbarung nicht berührt wird. Auch wenn diese Feststellung rechtlich zutreffend ist, läßt sie die 463
So ausdrücklich: Schubert, FamRZ 2001, 733 (736). Zu Recht stellt daher: BGH, 16.01.2002, XII ZR 171/00, FF 2002, 167 = FPR 2002, 441 mit zustimmender Anm. Schnitzler, FF 2002, 167 unter ausdrücklichem Hinweis auf: BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (109 f.) auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Freistellenden ab. Nur wenn die Freistellungsvereinbarung dazu führt, daß der betreuende Elternteil wegen der Übernahme der Kindesunterhaltslasten vom anderen Elternteil seinen eigenen Unterhalt und den Unterhalt des Kindes nicht mehr durch eigene Einkünfte oder eigenes Vermögen abdecken kann, wird das Kindeswohl in einer der Elternverantwortung zuwider laufenden Weise gefährdet. 465 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (110) „Ehevertrag I“. 466 Als Umgehungsgeschäfte wegen § 134 BGB unwirksam sind vertragliche Regelungen, die einen verbotenen Erfolg durch Verwendung von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen suchen, die scheinbar nicht von der Verbotsnorm erfaßt werden, wobei die Nichtigkeitsfolge nach einer umstritten Ansicht sogar eintreten kann, wenn eine Umgehungsabsicht nicht vorlag. Siehe nur: Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 134 BGB, Rdnr. 28; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 134 BGB, Rdnr. 16 ff. Aus der Formulierung in § 1614 Abs. 1 BGB „kann (. . .) nicht“ ist jedenfalls keine eindeutige Wertung, ob es sich um ein Verbotsgesetz handelt, entnehmbar. Siehe nur: Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 240; Mayer-Maly/Armbrüster, a. a. O., Rdnr. 44. Siehe auch: BAG, 20.04.1999, 1 AZR 631/98, DB 1999, 1660 (1662) und BGH, 30.04.1992, III ZR 151/ 91, NJW 1992, 2021 (2022). 467 Born, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1614 BGB, Rdnr. 13 ist mit der herrschenden Meinung ausdrücklich der Ansicht: „Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das Verzichtsverbot (§§ 134, 1614 BGB) scheidet (. . .) aus, weil die Freistellungsvereinbarung im Außenverhältnis zwischen Kind und freigestelltem Elternteil wirkungslos ist (. . .)“. Schon für Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., 1963, S. 253 galt: „Jeder Verzicht auf zukünftigen Unterhalt durch Verwandte und Ehegatten (. . .) gemäß § 1614 I (. . .) BGB ist schlechthin unzulässig und gemäß § 134 BGB ebenfalls nichtig.“ Handelt es sich aber dann bei § 1614 BGB um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB und soll der Zweck des Unterhaltsverzichtsverbotes nicht durch „andere rechtliche Gestaltung vereitelt“, mithin der praktische Erfolg eines Unterhaltsverzichtes überhaupt verhindert werden (siehe nur: Mayer-Maly/Armbrüster, in: Münch464
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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Frage unberücksichtigt, ob der Freistellende den konkreten Anspruch ohne übermäßige Anstrengungen464 oder aber nur unter einem erheblichen Absinken des familiären Lebensstandards erfüllen kann. Es ist daher stets zu bedenken, daß eine Unterhaltsfreistellung immer auch Einfluß auf die tatsächliche Realisierung des Anspruchs des Kindes auf Unterhalt und damit weiter auf die Interessen des Kindes nehmen kann.465 Wenn man dann trotzdem nicht schon wegen des Umgehungsverbotes aus §§ 1614, 134 BGB466 eine Freistellungsvereinbarung als unwirksam ansehen will467 oder mit Hinweis auf die noch immer nachhaltig vertretene Literaturansicht468 zur fehlenden Disponibilität über den Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB die Wirksamkeit der Freistellungsvereinbarung verneint, dann kann eine Lösung auch darin liegen, die Berufung auf den Unterhaltsverzicht nicht nur in Höhe des notwendigen Unterhalts,469 sondern in Höhe des vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden Betreuungsunterhalts, zu versagen.470 Alles in allem spricht hier jedoch viel dafür, daß die Freistellungsvereinbarung jedenfalls dann unter Berücksichtigung des Schutzauftrages aus Art. 6 Abs. 2 GG wegen § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig ist, wenn bei Vertragsabschluß nicht ausreichend ersichtlich war, daß der freistellende Elternteil neben der durch die Freistellung zu erfüllenden Unterhaltspflicht des anderen Elternteils auch umfassend seine eigene Unterhaltspflicht noch in voller Höhe wird erfüllen können, ohne den ihm ebenfalls zuzubilligenden Betreuungsunterhalt, mag er auch aus eigenen Einkünften stammen, angreifen zu müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur den „Ausnahmefall“471 einer privatschriftlich getroffenen Freistellungsvereinbarung über nachehelichen Kindesunterhalt an den zuvor zu den Bürgschaftsentscheidungen entwickelten Kriterien gemessen. Es hat mit der Folgeentscheidung die gleichen Anforderungen auch
Komm, 4. Aufl., 2002, § 134 BGB, Rdnr. 17), dann spricht viel für eine Unwirksamkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 134 BGB, wenn und soweit sie sich mit BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (109) „de facto wie ein Unterhaltsverzicht“ des Kindes auswirkt. Ausdrücklich dagegen: Schubert, FamRZ 2001, 733 (735) unter Hinweis auf: BGH, 15.01.1986, IVb ZR 6/85, FamRZ 1986, 444 (445). Der BGH, a. a. O., hat sich jedoch weder konkret mit § 134 BGB, noch mit dem Umgehungsverbot auseinandergesetzt. 468 Schwab, FamRZ 2001, 349 (350); ders., Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 39.VII, Rdnr. 390, S. 186 und Schwab/Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., 2000, Rdnr. 1289 ff.; Bosch, FamRZ 1982, 1216 ff.; ders., FS für Walther Habscheid, 1989, 23; Büttner, FamRZ 1998, 1 (7). 469 So aber: BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3166); BGH, 30.11.1994, XII ZR 226/93, NJW 1995, 1148 (1149) = FamRZ 1995, 291; BGH, 16.04.1997, XII ZR 293/95, NJW-RR 1997, 897 (898); Heiß/Heiß, in: Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand 07/1998, Kap. 1, Rdnr. 28; Langenfeld, in: Heiß/Born, a. a. O., Kap. 15, Rdnr. 31 f. 470 Gerber, DNotZ 1998, 288* (294*); Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (330). 471 So sieht es jedoch: Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (276).
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ausdrücklich an notariell beurkundete Eheverträge im Sinne von § 1408 BGB gestellt. 2. Der Kammerbeschluß vom 29.03.2001 – „Unterhaltsverzicht“ Mit dem Kammerbeschluß vom 29.03.2001 nutzte das Bundesverfassungsgericht kurzfristig erneut die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu wiederholen.472 Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen das Urteil des OLG Zweibrücken vom 12.11.1992.473 Auch diese Entscheidung hob das Bundesverfassungsgericht auf und verwies die Sache zurück an das Pfälzische OLG Zweibrücken. a) Der Tatbestand Die Beschwerdeführerin hatte schon ein schwerbehindertes Kind zu versorgen und ging deshalb keiner Erwerbstätigkeit nach, als sie 1984 ihren späteren Ehemann, einen Diplom-Wirtschaftsingenieur mit einem Monatseinkommen von 7.000 DM kennenlernte. Sie wurde von ihm erneut schwanger. Vor der Eheschließung vereinbarte sie mit ihm in einem notariellem Ehevertrag die Gütertrennung, schloß den Versorgungsausgleich aus und verzichtete ebenso wie er auf Ehegattenunterhalt für den Fall der Scheidung. Nach dem im Dezember 1985 die Ehe geschlossen wurde, ist im Mai 1986 der gemeinsame Sohn geboren. 1988 trennten sich die Eheleute. Die Ehe wurde 1992 geschieden. Die Mutter erhielt die elterliche Sorge für den gemeinsamen Sohn. Der Ehemann wurde zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Das Begehren der Mutter auf Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts, die Durchführung des Versorgungssowie des Zugewinnausgleichs wurde vom Amtsgericht (Familiengericht) unter Hinweis auf den geschlossenen Ehevertrag zurückgewiesen. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Berufungsurteil verurteilte das OLG Zweibrücken den Ehemann lediglich noch zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von 300 DM monatlich. Die weitergehenden Anträge der Mutter wies auch das OLG zurück, weil der Ehevertrag nicht sittenwidrig sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Mutter bei deren Abschluß schwanger war und möglicherweise zukünftig der Sozialhilfe zur Last fallen könne. Dennoch sei dem Ehemann gemäß § 242 BGB die Berufung auf den Unterhaltsver472 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FuR 2001, 301 = FamRZ 2001, 985 = LM Nr. 22d zu Art. 6 GG = DNotZ 2001, 708 = FF 2001, 128 = ZNotP 2001, 241 „Ehevertrag II“. 473 OLG Zweibrücken, 12.11.1992, 6 UF 87/92. 474 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FuR 2001, 301 „Ehevertrag II“ mit dort jeweils vollständiger Wiedergabe des Tatbestandes.
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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zicht in Höhe eines notwendigen Unterhalts versagt. Das Kindeswohl verlange, daß der Mutter durch ihren Ehemann ermöglicht werde, sich der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes zu widmen. Darüber hinausgehende Ansprüche seien zurückzuweisen, da sie letztlich eine Verpflichtung des Ehemannes zur Eheschließung auch ohne die Vereinbarung der Gütertrennung, den Ausschluß des Versorgungsausgleichs und ohne Unterhaltsverzicht implizierten, was einen verfassungsrechtlich nicht vertretbaren Eingriff in die Lebensplanung des Ehemannes bedeutete.474 Hiergegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. „Das Gericht habe bei seiner Entscheidung in verfassungswidriger Weise unberücksichtigt gelassen, in welcher Situation sie sich bei Vertragsabschluß befunden habe, in der ihr zukünftiger Ehemann wegen ihrer schwächeren Position den Vertragsinhalt einseitig habe durchsetzen können. Die Nichtberücksichtigung dieser Zwangslage diskriminiere sie zudem als Frau, da ein Mann durch derartige Eheverträge nie in gleicher Weise betroffen sein könne. Weder mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG noch der Wertentscheidung aus Art. 6 Abs. 1 GG sei es vereinbar, einen in der Schwangerschaft erklärten Verzicht auf alle vermögensrechtlichen nachehelichen Ansprüche für wirksam zu erachten. Nur aus Angst vor einem Scheitern der Eheschließung und vor dessen Folgen für sie und die Kinder habe sie auf alle ihre Rechte verzichtet. Mit dem ihr zugebilligten Notunterhalt werde nur ein kleiner Teil des strukturellen Ungleichgewichts korrigiert und dies allein aus Gründen des Kindeswohls, nicht unter Berücksichtigung ihrer Interessen, was zur Wahrung ihrer grundrechtlichen Schutzposition nicht ausreiche.“475 b) Der Tenor der Entscheidung Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Klägerin statt, weil das Berufungsurteil des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken die Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG verletzt. Es hob das Urteil vom 12.11.1992 auf und verwies die Sache an das OLG zurück.476
475 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FuR 2001, 301 „Ehevertrag II“. 476 BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FuR 2001, 301 „Ehevertrag II“. 477 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 „Ehevertrag I“.
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c) Der besondere Schutzanspruch der Mutter (Art. 6 Abs. 4 GG) Auch die Entscheidung des OLG Zweibrücken hat das Recht der Klägerin auf Schutz vor unangemessener Benachteiligung durch den Ehevertrag verkannt. Zur Begründung bezieht sich das Bundesverfassungsgericht zunächst auf seine kurz zuvor ergangene Entscheidung.477 Danach „(. . .) gilt auch für Eheverträge, daß bei einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner es zur Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragsparteien aus Art. 2 I GG Aufgabe der Gerichte ist, durch vertragliche Inhaltskontrolle und ggf. durch Korrektur mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln zu verhindern, daß sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt. Eheverträgen sind dort Grenzen zu setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sind, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegeln. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt keine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung. Ist ein Ehevertrag vor der Ehe und im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft geschlossen worden, gebietet es auch Art. 6 IV GG, die Schwangere davor zu schützen, daß sie durch ihre Situation zu Vereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv zuwiderlaufen.“478 „Schwangerschaft bei Abschluß eines Ehevertrages ist allerdings nur ein Indiz für eine mögliche vertragliche Disparität, das Anlaß für eine stärkere richterliche Inhaltskontrolle des Ehevertrages gibt. Die Vermögenslage der Schwangeren sowie ihre berufliche Qualifikation und Perspektive sind weitere maßgebliche Faktoren, die ihre Situation bestimmen und bei der gerichtlichen Prüfung, ob sich die Schwangere bei Abschluß des Vertrages in einer unterlegenen Situation befunden hat, zu berücksichtigen sind. Bringt jedoch der Inhalt des Ehevertrages ebenfalls eine Unterlegenheitsposition der nicht verheirateten Schwangeren durch ihre einseitige vertragliche Belastung und eine unangemessene Berücksichtigung ihrer Interessen zum Ausdruck, wird ihre Schutzbedürftigkeit offenkundig. Für die Beurteilung, ob die vertraglichen Vereinbarungen die Frau deutlich mehr belasten als den Mann, ist auch die familiäre Konstellation maßgeblich, welche die Vertragspartner anstreben und ihrem Vertrag zugrunde legen. Ein Verzicht auf gesetzliche Ansprüche bedeutet insbesondere für den Ehegatten eine Benachteiligung, der sich unter Aufgabe einer Berufstätigkeit der Betreuung des Kindes und der Arbeit im Hause widmen soll. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen werden, desto mehr kann sich der Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken.“479 478 479
BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“. BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“.
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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Diese Grundsätze hatte nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch das OLG Zweibrücken verkannt. Dem steht die vom OLG auf § 242 BGB gestützte Korrektur hinsichtlich des Unterhaltsverzichts nicht entgegen. Wenn der Klägerin ein Anspruch gegen den Ehemann auf den notwendigen Unterhalt zuerkannt wird, orientieren sich die Gerichte allein am Kindeswohl und damit daran, was notwendig ist, um die Pflege und Erziehung des Kindes durch die Mutter sicherzustellen. Die besondere Situation, in der sich die Klägerin als Schwangere mit schon einem, noch dazu schwerbehinderten und besonders betreuungsbedürftigen Kind bei Vertragsabschluß befunden hat und die allein schon deutliches Indiz für ihre Unterlegenheit als Vertragspartnerin gewesen ist, muß das Gericht darüber hinaus auch zum Anlaß nehmen, der Frage nachzugehen, ob der Ehevertrag die Klägerin in unangemessener Weise belastet. In die Prüfung ist einzubeziehen, ob auf sämtliche gesetzliche Ansprüche aus der Ehe verzichtet wird. Das gilt jedenfalls in einer beengten familiären und wirtschaftlichen Situation und wenn eine einseitige vertragliche Benachteiligung und damit auch eine Schutzbedürftigkeit deutlich erkennbar ist. Der Hinweis auf die Freiheit der Lebensplanung des anderen Ehegatten ist nicht ausreichend. Diese Freiheit eröffnet nicht die Freiheit zu einer unangemessenen und einseitigen vertraglichen Interessendurchsetzung. Deshalb hat das OLG seiner aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG folgenden Schutzpflicht nicht Genüge getan.480 Den Erkenntnissen des Bundesverfassungsgerichts aus den genannten Entscheidungen ist an dieser Stelle kaum noch etwas hinzuzufügen. Das Gericht hat zur Begründung seiner Entscheidung klare Vorgaben aufgestellt. Zur Wahrung der beiderseitig zu gewährleistenden Vertragsfreiheit ist der Richter bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen von Verfassungs wegen zu einer Inhaltskon480
BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“. Löwe, ZIP 1993, 1759; Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2292); Becker, Ch., DZWir 1994, 397 (399, 405); Honsell, NJW 1994, 565 (566); ders., EWiR 1994, 531 (532); Köndgen; NJW 1994, 1508 (1512); Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Grün, WM 1994, 713; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Mayer-Maly, AcP 194 (1994), 105 (158); v. Westphalen, MDR 1994, 5 (6); Kothe, ZBB 1994, 172 (177); Bengelsdorf, BB 1995, 978 (980); Hesse/Kaufmann, JZ 1995, 219; Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (253). Diese Schlußfolgerung wird über die Bürgschaftsfälle hinaus auch aus den Entscheidungen zur Ehevertragsfreiheit abgeleitet. Siehe hierzu: Dethloff, JZ 1997, 414 (415); Gerber, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (50); Bergschneider, FamRZ 2001, 1337; Büttner, FF 2001, 65; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (305 ff.); dies., FF 2002, 151; Grziwotz, MDR 2001, 393 (394); Heidrich/ Heins, NotBZ 2001, 141 (144); Röthel, NJW 2001, 1334 (1335); Schubert, FamRZ 2001, 733 (735). Für Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*) Fußn. 22 geht es daher zu Recht nicht um die Errichtung eines speziellen Sittenwidrigkeitsmaßstabes für Eheverträge, sondern gerade um die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des § 138 Abs. 1 BGB endlich auch im Bereich der Eheverträge. 482 Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2293); Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (253). 481
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
trolle des Vertrages – auch des Ehevertrages – verpflichtet. Wie gerade auch die Beschlüsse vom 06.02. und 29.03.2001 zeigen, sind die Erkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts insbesondere nicht auf die Rechtsbeziehungen zwischen Kreditgebern und Bürgen zu beschränken. Die vom Gericht aufgestellten Prüfungsmaßstäbe reichen weit über die entschiedenen Fälle hinaus, gelten auch für weitere Rechtsgebiete.481 Die wiederholte und dadurch verfestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet ein verfassungsrechtliches Postulat,482 welches durch die Zivilgerichte zwingend zu beachten ist. Entgegen wiederholt vorgebrachter abweichender Ansichten483 ist durch die genannten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nicht nur eine abgeänderte Sichtweise allgemein für das Vertragsrecht, sondern generell auch für alle vermögensrechtlichen Vereinbarungen unter Ehegatten angezeigt. Deshalb unterfallen nicht nur Unterhaltsvereinbarungen, sondern auch güterrechtliche Verträge und Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich der vom Bundesverfassungsgericht verlangten richterlichen Inhaltskontrolle.484 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes haben eine völlig neue Ausgangslage geschaffen, welche die Rechtsprechung und die Beratungspraxis zu einer Neubesinnung zwingen.485 3. Die Berücksichtigung dieser Entscheidungen in der Rechtsprechung Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind deshalb auch alsbald in die Entscheidungen zu Eheverträgen im weitesten Sinne eingegangen.486 Hier zeigt sich ein vielfältiges Bild. Klare Strukturen sind kaum erkennbar. Trotzdem erscheint es sinnvoll, auszugsweise auf die ergangenen Entscheidungen hinzu483 Adomeit, NJW 1994, 2467; Kemper, JA 1994, 125 (127); Rittner, NJW 1994, 3330; Loritz, DNotZ 1994, 543 (544); Lüke, NJW 1995, 173 (174); Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (35 f.); Lorenz, JZ 1997, 277 (281); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (247 f., 257 ff.); Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (77). 484 Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*); Bergschneider, FF 2002, 70. 485 Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117. 486 OLG Brandenburg, 09.08.2001, 9 UF 238/00, NJW-RR 2002, 578; OLG Naumburg, 20.08.2001, 8 WF 169/01, FamRZ 2002, 465; OLG München, 01.10.2002, 4 UF 7/02, NJW 2003, 592 = FamRZ 2003, 35; OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634; OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138; OLG Frankfurt, 10.03.2003, 1 UF 197/02, ZFE 2003, 250; OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920; OLG München, 25.09.2003, 16 WF 1328/02, FamRZ 2003, 376; AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609; AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139. 487 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920. 488 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100 f.) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“.
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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weisen. Auch diese Darstellungen sind für eine Vertiefung der Problemstellung wichtig. Grundsätzlich steht es den Eheleuten auch weiterhin frei, für den Fall der Scheidung vermögensrechtliche Vereinbarungen zu schließen. Für solche Vereinbarungen besteht auch weiterhin grundsätzlich volle Vertragsfreiheit. Schranken sollen sich dahingehend ergeben, als durch eine Inhaltskontrolle zu prüfen ist, ob die Regelungen die Grundrechte verletzen.487 Wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben,488 ist danach die Inhaltskontrolle eines Ehevertrages insbesondere dann geboten, wenn der Vertrag Lasten einseitig aufbürdet und ein Vertragspartner auf Grund überlegener Verhandlungsposition den Vertragsinhalt einseitig bestimmen kann.489 Die Gerichte sind dann verpflichtet den Vertrag einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren, wenn der Vertrags nicht Ausdruck und Ergebnis einer von der Verfassung gemäß Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG geschützten gleichberechtigten Lebenspartnerschaft ist.490 Bei der Beurteilung eines Ehevertrages soll es daher weniger darauf ankommen, ob der benachteiligte Ehegatte generell oder in der besonderen Situation unter Druck gesetzt, realitätsblind oder nicht ausreichend belehrt war. Entscheidend ist vielmehr der Gedanke der Gleichwertigkeit von Einkommenserzielung einerseits und andererseits Haushaltsführung und Kinderbetreuung für das gemeinsame Leben der Ehepartner. Sind die Leistungen, welche die Ehegatten im gemeinsamen Unterhaltsverband erbringen, gleichwertig, so haben auch beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam erwirtschafteten Einkommen.491 Hier wird schon die Angrenzung zwischen dem Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle einerseits, nämlich die Möglichkeit eines Vertragspartners, den Vertragsinhalt einseitig bestimmen zu können, und anderseits die Prüfung des Inhaltes des Vertrages auf seine Ange489 OLG Brandenburg, 09.08.2001, 9 UF 238/00, NJW-RR 2002, 578 (579). Zu dieser Entscheidung knapp: Schnitzler, FF 2002, 167 (168). Ebenso: OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138. 490 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920. Ebenso: AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609; AmtsG Berlin TempelhofKreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140) – Berufung zum KG, 3 UF 134/03, eingelegt. 491 Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117 (118). Ähnlich schon: Schwab, DNotZ 2001, 9* (16*). 492 OLG Brandenburg, 09.08.2001, 9 UF 238/00, NJW-RR 2002, 578 (579). Ebenso: Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, S. 147; Hefermehl, in: Soergel, 13. Aufl., 1999, § 138 BGB, Rdnr. 217; Palm, in: Erman, 10. Aufl., 2000, § 138 BGB, Rdnr. 95c. Die Argumentation entstammt der Gesetzgebung zum 1. EheRG vom 14.06.1976 (BT-Drs. 7/650, S. 149). Zu § 1585c BGB, der § 72 S. 1 EheG wörtlich in das BGB übernahm, hielt der Regierungsentwurf fest: „Zur Vermeidung unnötigen Streits im Scheidungsverfahren und im Interesse der Ausschlusses späterer Unterhaltsstreitigkeiten erscheint eine möglichst frühzeitige und endgültige vertragliche Lösung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung sogar erwünscht.“ Vergleiche: Böhmer/Cramer/Kniebes/Sede-
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messenheit, nämlich die Übereinstimmung von Vertragsinhalt und konkreter familiärer Situation, deutlich. Über allgemeine Bezüge zur Vertragsfreiheit hinaus wird für Vereinbarungen über den Unterhalt mit Nachdruck auch auf die Besonderheiten des Scheidungsrechts verwiesen. „Bei der Beurteilung, ob Unterhaltsvereinbarungen gegen die guten Sitten verstoßen, fällt ins Gewicht, daß das Scheidungsrecht es als erwünscht ansieht, wenn die Ehegatten die Scheidungsfolgen einverständlich regeln.“492 Doch auch eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung unterliegt zweifelsfrei der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen.493 Die Vereinbarung muß Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft der Parteien sein und darf nicht eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten widerspiegeln. Ein Verzicht auf erhebliche Ausgleichsansprüche in der Scheidungsfolgenvereinbarung, aber auch eine psychische Erkrankung im Zeitpunkt der Vereinbarung, können den Eindruck einseitiger Vertragsgestaltung vermitteln. Der Freiheit der Ehegatten zur vertraglichen Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen sind unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB Grenzen gesetzt, wo die getroffene Abrede objektiv zwangsläufig zur Sozialhilfebedürftigkeit des Verzichtenden führt. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Vertragsfreiheit setzt voraus, daß beide Vertragspartner tatsächlich die Vertragsbedingungen selbst bestimmen können.494 Das OLG Koblenz495 hat einen Verzicht auf Versorgungsausgleich für unwirksam erklärt. Die Parteien hatten am Tage der Hochzeit (10.09.1997) und vor der standesamtlichen Trauung und den Hochzeitsfeierlichkeiten die Gütertrennung ehevertraglich vereinbart. Der Ehemann hatte auf dem Vertragsabschluß bestanden. Die Braut wurde massiv unter Druck gesetzt. Der Mann drohte, die Feierlichkeiten platzen zu lassen. Ferner war die Braut auch schwanger. Das Kind wurde am 12.02.1998 geboren. Die Ehefrau stammte aus einfachen Verhältnissen. Der Ehemann verdiente schon bei der Eheschließung und auch später überdurchschnittlich gut. Geplant war, daß die Ehefrau, die als Friseurin nur über ein geringes Einkommen verfügte, sich im Wesentlichen dem Haushalt und der Kinderbetreuung widmen sollte. Hier kamen für das Gericht – völlig zu Recht –
mund-Treiber, Das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976, 1. Aufl., 1976, S. 211. 493 OLG Naumburg, 20.08.2001, 8 WF 169/01, FamRZ 2002, 465 = OLGR 2002, 65 = FF 2002, 69 mit zustimmender Anm. Bergschneider. 494 OLG Naumburg, 20.08.2001, 8 WF 169/01, FamRZ 2002, 465 = OLGR 2002, 65 = FF 2002, 69 mit zustimmender Anm. Bergschneider. 495 OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138. 496 OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138 (139).
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zu dem benachteiligenden Vertragsinhalt, der nach Ansicht des Gerichts für sich genommen noch nicht das Verdikt der Sittenwidrigkeit rechtfertigte, weitere Umstände zusammen. Das waren die durch die Schwangerschaft der Braut bedingte Zwangssituation und der durch die Terminswahl noch zusätzlich erhöhte Druck. All dies zusammengenommen machte den Ausschluß des Versorgungsausgleichs sittenwidrig und nichtig.496 Bei einem vor der Eheschließung vereinbarten Ehevertrag wird es auch nicht als zwingende Voraussetzung angesehen, ob die Braut zu diesem Zeitpunkt schwanger war oder nicht.497 Eine Situation der Unterlegenheit liegt nicht nur bei einer schwangeren Braut,498 sondern ohne weiteres auch vor, wenn es bereits zwei gemeinsame voreheliche Kleinkinder im Alter von zwei beziehungsweise drei Jahren gebe. Die besondere Schutzbedürftigkeit der Frau ist auch dann feststellbar, wenn der Ehevertrag vor der ersten Schwangerschaft geschlossen wird, die Braut sich also nicht in der besonderen psychischen Situation der werdenden Mutter befand. Die Situation der Mutter ist insofern bei einer späteren Scheidung identisch.499 Das AmtsG Warendorf 500 vermochte trotz Schwangerschaft der Braut im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung am 11.09.1989 und der Eheschließung 3 Tage später nicht festzustellen, daß der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag der Ehefrau einseitig vertragliche Lasten aufbürdet und auf einer zu ihren Lasten ungleichen Verhandlungsposition beruht. Ausgeschlossen wurde gegenseitig der Zugewinnausgleich und der nacheheliche Unterhalt. Die aus Polen stammende Frau, welche seit 1980 in Deutschland lebte, war zu dieser Zeit erst 19 Jahre alt. Der 14 Jahre ältere Ehemann hatte seine Erfahrungen aus seiner ersten Ehe und deren Scheidung gezogen. Er besaß nach den Feststellungen des Gerichts „(. . .) einen gewissen Wissensvorsprung, was rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten angeht.“ Da – insoweit wohl zutreffend – alleine die Schwangerschaft nicht ausreicht, um eine schwächere Verhandlungsposition der Frau zu begründen,501 war dem Gericht trotz der genannten weiteren Umstände 497 AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140). Aus der Beziehung der Parteien waren bereits 2 Kinder hervorgegangen. Mit dem dritten Kind war die Frau möglicherweise bereits schwanger, als der Ehevertrag geschlossen wurde. Später wurde noch ein viertes Kind geboren. Gütertrennung wurde vereinbart. Der Versorgungsausgleich war ausgeschlossen. Für die ersten drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung wurde ein Unterhalt von 2.000,00 DM vereinbart, sofern ein gesetzlicher Unterhaltstatbestand erfüllt ist. Im übrigen wurde wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. 498 OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138. 499 AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140). 500 AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609. 501 AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609 (610). 502 AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609 (610).
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nicht erkennbar, daß der Ehemann eine Situation der Unterlegenheit ausgenutzt hatte. Eine einseitige Ausnutzung hat die Frau auch nicht beweisen können.502 Hier hat das Gericht eindeutig die Beweislast verkannt. Für die Darlegungsund Beweislast muß es genügen, wenn sich der durch den Vertragsinhalt benachteiligt fühlende Ehegatte auf hinreichende Indizkriterien beruft. Hierzu zählt zweifelsfrei die Schwangerschaft der Braut und die zeitliche Nähe zwischen Vertragsbeurkundung und Eheschließung. Sache des anderen Teils ist es dann, diese belastenden Tendenzen zu entkräften.503 Diese Entscheidung ist auch aus einem weiteren Grunde zumindest bedenklich. Mitgeteilt wird nicht, wie sich die ehelichen Verhältnisse tatsächlich nach der Geburt der gemeinsamen Tochter gestalteten. Da in dem gemeinsamen Haushalt im Zeitpunkt der Geburt der Tochter auch noch die im Jahre 1985 geborene, mithin fünfjährige Tochter des Ehemannes aus erster Ehe lebte, spricht viel dafür, daß sich die Frau auf die Familienarbeit zu konzentrieren hatte. Dann dürfte der Ehevertrag sehr wohl unwirksam sein. Andererseits soll sie von 1991 bis 1994 eine Schreinerlehre absolviert haben. Auch hatte sie bereits ab 1989 ein Fachhochschulstudium der Innenarchitektur aufgenommen. Inwieweit dieses Studium erfolgreich beendet werden konnte, wird nicht mitgeteilt. Letztere Umstände sprechen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts504 eher für die Wirksamkeit des Vertrages. Neben der Schwangerschaft sind auch die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und Perspektive sowie die von den Ehevertragsparteien ins Auge gefaßte Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit während der Ehe weitere maßgebliche Faktoren.505 Obwohl der mitgeteilte Tatbestand erheblichen Vortrag hierzu enthält, hat sich das Gericht in den Entscheidungsgründen hierzu nicht geäußert. Mit dem OLG München506 soll ein notariell beurkundeter Unterhaltsverzicht – wobei die Frau bei Abschluß des notariellen Vertrages nicht schwanger war – durch eine nicht erwerbstätige und ein Kleinkind betreuende Mutter selbst dann insgesamt nichtig sein, wenn auf den Betreuungsunterhalt nicht verzichtet wurde. Der Verzicht auf Versorgungsausgleich war ebenfalls nichtig. Dem steht 503 Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1339); ders., FF 2002, 70. Ebenso: Büttner, FamRZ 1998, 1 (6); Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*); ders., FamRZ 2001, 349; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (310). 504 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100 f.) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“. 505 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (104) „Ehevertrag I“. 506 OLG München, 01.10.2002, 4 UF 7/02, NJW 2003, 592 = FPR 2003, 130 = FamRB 2003, 5 mit Anm. Kogel = FamRZ 2003, 35 mit Anm. Bergschneider, FamRZ 2003, 38 – Revision zum Az: XII ZR 265/02 eingelegt. 507 OLG München, 01.10.2002, 4 UF 7/02, NJW 2003, 592 = FPR 2003, 130 = FamRB 2003, 5 mit Anm. Kogel = FamRZ 2003, 35 mit Anm. Bergschneider, FamRZ 2003, 38 – Revision zum Az: XII ZR 265/02 eingelegt.
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eine als Gegenleistung vereinbarte Lebensversicherung dann nicht entgegen, wenn sie wertmäßig weit hinter dem Wert der auszugleichenden Versorgungsanwartschaft zurück bleibt. Wird in der gleichen Urkunde unter Ausschluß von Ausgleichsansprüchen zusätzlich Gütertrennung vereinbart, so ist auch diese Abrede sittenwidrig. Die Ehefrau hatte als Akademikerin mit guten Berufsaussichten geheiratet. Durch die ungleiche Rollenverteilung während der Ehe sei die Frau jedoch aus ihrer gleichberechtigten Stellung verdrängt worden. Somit sei auch das Risiko bei einer Scheidung ungleich verteilt gewesen.507 Eine Prüfung dieser Entscheidung durch den Bundesgerichtshof wird zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit nötig sein.508 Der Fall ist wegen der Ausformung und Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von großer Relevanz für die notarielle und anwaltliche Beratungspraxis bei Eheverträgen.509 Die Entscheidung des OLG München ist im Ergebnis überzeugend.510 „Wer sich für den Ehe- und Familientypus der Einverdienerehe entscheidet, muß dafür auch nach der Scheidung in nachehelicher Solidarität die Verantwortung übernehmen und kann sich nicht vorab ehevertraglich von dieser Verantwortung freizeichnen. Das gilt nicht nur für den Unterhalt, sondern auch für den Zugewinnausgleich, denn zum einen hat der haushaltführende Ehegatte auf die Chancen eigener Erwerberzielung und Vermögensbildung verzichtet, zum anderen hat er erst durch diesen Verzicht seinem Ehepartner die Möglichkeit eröffnet, sich vollständig auf die Berufstätigkeit zu konzentrieren.“511 Für die Beurteilung, ob die vertraglichen Vereinbarungen die Frau deutlich mehr belasten als den Mann, ist eben auch die familiäre Konstellation maßgeblich, welche die Ehevertragspartner anstreben und ihrem Vertrag zu Grunde legen. Ein Verzicht auf gesetzliche Ansprüche bedeutet insbesondere für denjenigen der Ehegatten eine Benachteiligung, der sich unter Aufgabe einer Berufstätigkeit der Kinder508 Kogel, FamRB 2003, 5 (6); Knauss/Plötzgen, www.mkvp.de/aktuell/akt. php3?id=194, S. 3/3; von Arnim, Fintext, www.pixelhits.de/fintext/artikel/RECHT %20-%20Ehevertraege%20auf%20der%20 Kippe.doc, S. 2/3. 509 Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 108/2003 vom 22.09.2003. Mündliche Verhandlung war am 10.12.2003. Die Entscheidungsverkündung wurde auf den 28.01.2004 bestimmt. 510 Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117. 511 Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117 (118). 512 AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140). 513 OLG München, 01.10.2002, 4 UF 7/02, NJW 2003, 592 = FPR 2003, 130 = FamRB 2003, 5 = FamRZ 2003, 35 = FF 2003, 30; AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140); Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117 (118). Im Ergebnis richtig daher auch: OLG Frankfurt, 10.03.2003, 1 UF 197/02, ZFE 2003, 250: Die Modifizierung des Versorgungsausgleichs durch die Übernahme einer schuldrechtlichen Verpflichtung auf Abschluß einer Lebensversicherung für die Ehefrau und der Ausschluß nachehelichen Unterhalts waren wirksam, „(. . .) aus der Situation der Parteien, wonach der Antragsteller bereits fortgeschrittenen Alters war, die
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betreuung und der Haushaltsführung widmen soll.512 Deshalb sind die Fälle, in denen die Ehefrau im Zeitpunkt der Vereinbarung des Ehevertrages wegen der Kinderbetreuung und Haushaltsführung bereits ihre Berufstätigkeit aufgegeben hatte, mithin bereits die finanzielle Abhängigkeit und wirtschaftliche Unterlegenheit eingetreten war, nicht anders zu behandeln, als diejenigen Fälle, in denen schon anfänglich eine eigene Erwerbstätigkeit wegen der tatsächlich schon anstehenden oder kurz bevor stehenden Kinderbetreuung nicht oder nicht mehr beginnen konnte.513 Es ist daher zu hinterfragen, ob die Ehefrau auf Grund der Kinderbetreuung voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ihre Berufstätigkeit wieder aufzunehmen, um mit ihrer bisherigen Tätigkeit vergleichbare Einkünfte zu erzielen und sich hieraus eine eigene Altersversorgung aufzubauen. Darüber hinaus ist weiter zu prüfen, inwieweit es noch gerechtfertigt erscheint, die Frau wegen ihrer geleisteten Familienarbeit vollständig von der Teilhabe an dem während des ehelichen Zusammenlebens erwirtschafteten Vermögenszuwachs auszuschließen.514 Deshalb verdient eine weitere Entscheidung des OLG München515 eher Kritik. Waren gemeinsame Kinder bei Eheschließung (30.12.1993) und späterem Vertragsschluß (02.02.1994) nicht geplant, besteht danach zunächst kein Indiz für eine einseitige Benachteiligung. Es sei für die Frage der einseitigen Dominanz eines Ehegatten bei Vertragsabschluß und der Benachteiligungsabsicht auf die Verhältnisse und die Vorstellung der Ehegatten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen und nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse beim Scheitern der Ehe. Ändern sich die Verhältnisse später durch Geburt von Kindern (25.06.1996 und 17.07.1999) in nicht vorhergesehener Weise, führt dies nicht rückwirkend zur Sittenwidrigkeit des Vertrages. Die Lebensplanung der Parteien war somit beim Vertragsabschluß (noch) nicht dahingehend ausgerichtet, daß sich die Ehefrau allein der Haushaltsführung und Kindesbetreuung widmen sollte. Der Ausschluß von Versorgungs- und Zugewinnausgleich war danach Antragsgegnerin hingegen noch jung (unter 30 Jahre). Kinder waren nicht geplant und sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Antragsgegnerin verfügt über eine qualifizierte Berufsausbildung und wäre mit Hilfe einer Arbeitserlaubnis, die sich auf die eheliche Lebensgemeinschaft gründete, in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Dass es hierzu nicht mehr gekommen ist, ist eine Folge des alsbaldigen Scheiterns der Ehe und war bei Vertragsschluss nicht beabsichtigt noch vorgesehen.“ 514 AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140). 515 OLG München, 25.09.2003, 16 WF 1328/02, MittBayNot 2003, 226 = FamRZ 2003, 376 mit Anm. Bergschneider, FamRZ 2003, 377. 516 OLG München, 25.09.2003, 16 WF 1328/02, FamRZ 2003, 376 (377). 517 Siehe nur: Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130). Bergschneider, FamRZ 2003, 377 (378) will nach seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung zwar auch helfen, jedoch über § 313 BGB – Wegfall der Geschäftsgrundlage –, was nach hier vertretener Ansicht aber untauglich ist.
IV. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
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wirksam vereinbart.516 Diesem Ergebnis steht die Sichtweise entgegen, daß auch eine spätere Änderung in den Verhältnissen durch Aufnahme von Familienarbeit durch richterliche Inhaltskontrolle zu begegnen ist.517 Gerade diese Entscheidung zeigt auch deutlich auf, daß eben mit der Sittenwidrigkeitskontrolle allein das Problem der benachteiligenden Eheverträge nicht vollständig gelöst werden kann. Im übrigen hatte das Gericht auch ein hinreichendes Indiz nach seiner Diktion zur Verfügung. Die Ehefrau hatte sich in tatsächlich erheblicher Weise auf fehlende Sprachkunde beim Vertragsabschluß berufen. Die Ehefrau war britische Staatsbürgerin. Das Gericht hat lediglich auf die Anfechtungsmöglichkeiten, §§ 119, 123 BGB, verwiesen, was der hier vertretenen Ansicht zu den möglichen Anlaßgründen einer richterlichen Inhaltskontrolle widerspricht.518 Vor diesem Hintergrund ist auch Kritik an der Entscheidung des OLG Nürnberg519 angebracht. Nach der Entscheidung war die Vereinbarung von Gütertrennung, der Ausschluß des Versorgungsausgleichs und der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt auch für den Fall der Not zwischen einem 40jährigen Mann und einer 48jährigen Frau wirksam. Beide hatten in der Urkunde erklärt, ein jeder werde eigenständig Vorkehrungen für seine Alterssicherung treffen, da beabsichtigt sei, daß beide erwerbstätig bleiben. Da die jeweiligen Bestimmungen und Verzichtsleistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis standen, sei – so das Gericht – keiner der Vertragsschließenden benachteiligt. „Seinem Inhalt nach lässt der Vertrag somit durchaus den Willen beider erkennen, ihre Ehe in gleichberechtigter Partnerschaft führen zu wollen, in der jeder seine wirtschaftlichen Verhältnisse selbständig und unabhängig vom anderen regeln sollte.“ Beide hatten beim Abschluß des notariellen Ehevertrages in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt. Der seitens des Ehemannes behauptete Vertragszweck sei der Schutz der Ehefrau vor möglichen Gläubigern gewesen. Gemeinsame Kinder waren nicht zu erwarten und auch nicht beabsichtigt.520 Unter diesen Umständen stellte der Vertrag für das Gericht eine durchaus abgewogene Regelung zwischen zwei unabhängigen und wirtschaftlich selbständigen Partnern dar, der unter Berücksichtigung des verfassungsmäßig garantierten Schutzes der Ehe nicht beanstandet werden konnte. Das Gericht hat sich jedoch nicht mit der konkreten Verfahrensgestaltung beim Abschluß des Vertrages auseinandergesetzt. „Den Inhalt des Vertrages hatte ausschließlich der zukünftige Ehemann vorgegeben. Er hatte den Entwurf fertigen lassen. Er war ihm zugesandt worden. Die Notarin hatte deshalb zu Recht die Beiziehung eines Dolmetschers gefordert, um das Informationsgefälle durch eine Belehrung in der Beurkun518 Auch für Bergschneider, FamRZ 2003, 377 (378) in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung war dieser Hinweis wenig hilfreich. 519 OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634 mit Anm. Grziwotz, FamRZ 2003, 637 – Revision eingelegt zum Az: IV ZR 445/02. 520 OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634 (635).
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§ 1 Der aktuelle Erkenntnisstand
dung auszugleichen. Übersetzt hatte jedoch ein Dolmetscher, an dessen Kompetenz Zweifel aufkommen müssen, wenn er einen entscheidenden Punkt falsch übersetzt und man diesen Fehler bereits mit rudimentären Russischkenntnissen erkennen kann. Der ausländischen Frau wurde trotz der Beurkundung offenbar nicht klar, daß Gütertrennung nichts mit einem Schutz vor Gläubigern des Mannes zu tun hat. Wenn ein in dieser Situation abgeschlossener Vertrag Ausdruck gleichberechtigter Partnerschaft sein soll und deshalb den kumulativen Schutz der Grundrechte der Vertragsfreiheit und der Ehe genießen soll, stellt sich die Frage, wann eine Ungleichgewichtslage vorliegt.“521 Auch das OLG Brandenburg522 hatte über die Wirksamkeit eines gegenseitigen Verzichts auf nachehelichen Unterhalt sowie Zugewinn- und Versorgungsausgleich zu entscheiden. Die Ehefrau war in sicherer Anstellung berufstätig. Kinder waren weder zu versorgen, noch zu erwarten. Aus dem Vortrag ergab sich für das Gericht nicht, daß der Ehemann zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein höheres ausgleichspflichtiges Vermögen hatte als die Ehefrau.523 Dieser knappe Hinweis des Gerichts läßt die Überlegung zu, daß möglicherweise in den Fällen, in denen nach schon länger andauernder Ehezeit ersatzlos auf bereits latente Zugewinnausgleichsansprüche verzichtet wird, auf eine krasse wirtschaftliche Benachteiligung durch den Vertrag erkannt werden könnte. Als Ergebnis hält das Gericht fest, daß bei Ehen, in denen die Betreuung von Kindern nicht mehr gewährleistet werden muß, regelmäßig keine Bedenken gegen Eheverträge bestehen, welche die gesetzlichen Scheidungsfolgen abbedingen. Zur Begründung der Sittenwidrigkeit reicht es nicht aus, daß die Vereinbarung den Interessen eines Ehegatten widerspricht. Insbesondere wenn durch die Vereinbarung Dritte nicht betroffen sind, verschärfen sich die Anforderungen an die Annahme der Sittenwidrigkeit.524 Dem soll insgesamt nicht widersprochen werden. Wichtig bleibt jedoch der Hinweis, daß eben keine weiteren Umstände im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß und über dessen unangemessenen Inhalt hinaus offenbar wurden, welche eine wie auch immer definierte Zwangslage seitens der Ehefrau erkennbar werden ließen. Schon diese wenigen bisher veröffentlichten Entscheidungen verlangen deutlich nach einer Strukturierung der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen als Begrenzung der Vertragsfreiheit. Die bisher veröffentlichten Entscheidungen scheinen mit sehr unterschiedlicher Reichweite in die Vertragsfreiheit eingreifen zu wollen.
521 Diesen Ausführungen von Grziwotz, FamRZ 2003, 637 in seiner Anmerkung ist nichts hinzuzufügen. 522 OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764. 523 OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764 (766). 524 OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764 (766).
§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle Inhalt und Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen lassen sich eher aufzeigen, wenn zunächst die von Rechtsprechung und Lehre entwikkelten allgemeinen Grundlagen der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen dargestellt sind.
I. Der Gegenstand der Inhaltskontrolle Ganz allgemein können durch die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen unerwünschte rechtsgeschäftliche Bindungen beseitigt werden.1 Die vorliegende Arbeit will jedoch nicht den „Schutz vor dem unerwünschten Vertrag“2 – hier vor dem Ehevertrag – insgesamt untersuchen. 1. Die Inhaltskontrolle im weiteren Sinne Gegenstand dieser Erarbeitung ist nicht die sogenannte Inhaltskontrolle im weiteren Sinne. In diesem weiteren Sinne wird dem Begriff nicht nur die Prüfung am Maßstab der §§ 8 ff. AGBG, 307 ff. BGB bzw. § 242 BGB zugeordnet. So wird als Inhaltskontrolle im weiteren Sinne auch die Anwendung von §§ 134, 138, 315 ff., 612a BGB, die Mißbrauchskontrolle im Wettbewerbsrecht nach § 22 GWB aber auch die Anwendung zwingender Vorschriften des Schuldrechts, wie § 276 Abs. 2 BGB, bezeichnet.3 Diese begriffliche Zuordnung umfaßt alle zwingenden und dispositiven gesetzlichen und richterrechtlichen Instrumente, mit denen privatrechtliche Vereinbarungen auf ihre Verein1
Becker, WM 1999, 709. So der Titel der Habilitationsschrift von Lorenz aus dem Jahre 1997. 3 Richardi, Richterrecht und Tarifautonomie, Gedächtnisschrift für Rolf Dietz, 1973, S. 269 (276); Kreutz, ZfA 1975, 65 (66); v. Hoyningen-Huene, Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 128 f.; Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, VI.1., S. 30; Klebau, Inhaltskontrolle von Klauseln in notariellen Individualverträgen, 1992, S. 31; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 158; Zöllner, RdA 1989, 152 (153); Kemper, JA 1994, 125 (126); Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, vor § 145 BGB, Rdnr. 18 ff.; Mayer-Maly, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 138 BGB, Rdnr. 8; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 1 II.1., S. 5; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 148; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (28), Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.I., S. 52. 2
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§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle
barkeit mit der Rechtsordnung überprüft werden können.4 Mit diesem Verständnis wird der Terminus der Inhaltskontrolle als Oberbegriff jeglicher Begrenzung der Vertragsfreiheit anzusehen sein.5 Er wäre dann mit den Grenzen der Privatautonomie identisch.6 Die Behandlung der Grenzen der Privatautonomie unter Verwendung eines einheitlichen Oberbegriffs der „Inhaltskontrolle“ ist wenig sinnvoll. Diese Grenzen sind sehr vielgestaltig. Schon nicht ohne Grund wird denn auch durch das Bürgerliche Gesetzbuch zwischen den Begrenzungen nach § 138 BGB einerseits und nach § 242 BGB bzw. §§ 315 ff. BGB andererseits sowie nunmehr auch nach §§ 307 ff. BGB differenziert. Eine zusammenfassende Behandlung aller möglichen Inhaltsschranken unter dem einheitlichen Oberbegriff der Inhaltskontrolle verbietet sich somit. Die beim erweiterten Verständnis hierunter insgesamt zu fassenden Rechtsinstitute sind nach Funktion, Maßstab und Rechtsfolgen viel zu heterogen.7 Für das gesamte Spektrum der Grenzen der Vertragsfreiheit soll der Begriff der Vertragskontrolle Verwendung finden.8 Gelegentlich nutzt man auch den übergreifenden Begriff der Rechtskontrolle. Vereinzelt wird nach allgemeiner Rechtskontrolle (§§ 134, 138 BGB) und verschärfter Rechtskontrolle (§ 242 BGB, 8 ff. AGBG bzw. §§ 307 ff. BGB) differenziert.9 Letztlich spricht man im Zusammenhang mit den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit nach §§ 134, 138 BGB auch von der Wirksamkeitskontrolle.10 Hiermit wird jedoch lediglich der Zweck der Kontrolle beschrieben: Die Prüfung der Wirksamkeit, mithin der Verbindlichkeit der vertraglichen Abrede.11 Dieser Zweck gilt jedoch für die Inhaltskontrolle im weiteren Sinne insgesamt und taugt daher nicht für eine sinnvolle begriffliche Abgrenzung.
4
Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 147. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 301. 6 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 1.II.1., S. 5. 7 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 1.II.1., S. 5 f. 8 Zöllner, RdA 1989, 152 (153), Fußn. 1; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, vor § 7, S. 147; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Becker, Ch., DZWir 1994, 377 (403); Damm, VersR 1999, 129 (137); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 172, 223 f. 9 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (208 ff.); Hönn, JZ 1983, 677 (680, 681); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (412); Hefermehl, in: Soergel, 13. Aufl., 1999, § 138 BGB, Rdnr. 66. 10 Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S 175 (179). 11 Hönn, JZ 1983, 677 (681, 687) bevorzugt diesen Begriff, um zu verdeutlichen, daß es nicht allein nur um den Vertragsinhalt, sondern auch um den „Entstehungstatbestand“ geht. 5
I. Der Gegenstand der Inhaltskontrolle
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2. Die richterliche Inhaltskontrolle im engeren Sinne Richterliche Inhaltskontrolle im hier verstandenen engeren Sinne12 geht auf die Terminologie im Rahmen der Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor Schaffung des AGB-Gesetzes zurück.13 In diesem engeren Sinne hat der Begriff dann auch als amtliche Überschrift zu § 8 AGBG Eingang in das Gesetz gefunden.14 Entsprechendes gilt ab dem 01.01.200215 nunmehr auch für die amtliche Überschrift zu § 307 BGB. Über die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinaus entspricht diese begriffliche Zuordnung ebenfalls der neben dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes fortgeführten Überprüfung von Vertragsbedingungen am Maßstab des § 242 BGB. Dieser begrifflichen Zuordnung hat sich auch das Bundesverfassungsgericht16 angeschlossen.17 Das Gericht führt unter Hinweis auf die zentrale Bedeutung der Generalklauseln des BGB aus, daß sich zur Lösung der Probleme gestörter Vertragsparität differenzierte Rechtsfolgen aus § 242 BGB ergeben können und ergänzt: „Die Zivilrechtswissenschaft ist im Ergebnis darüber einig, daß der Grundsatz von Treu und Glauben eine immanente Grenze vertraglicher Gestaltungsmacht bezeichnet und die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle des Vertrages begründet. Über die Voraussetzungen und die Intensität dieser Inhaltskontrolle besteht zwar im juristischen Schrifttum Streit. Für die verfassungsrechtliche Würdigung genügt jedoch die Feststellung, daß das geltende Recht jedenfalls Instrumente bereit hält, die es möglich machen, auf strukturelle Störungen der Vertragsparität angemessen zu reagieren.“ Auch die Bezugnahme 12
Nachfolgend: „Inhaltskontrolle“ Vergleiche Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.I., S. 51, Fußn. 185. 14 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 1.I.2., S. 6; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 301. 15 Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138. 16 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39). 17 Becker, Ch., DZWir 1994, 377 (403); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (489); Frank, JuS 1996, 389 (390). Anders zum Verständnis der Entscheidung des BVerfG: Grün, WM 1994, 713 (721): „Mit der geforderten Inhaltskontrolle des Vertrages meint das Bundesverfassungsgericht (. . .) weitergehend eine Inhalts- und Abschlußkontrolle.“ Nach Hönn, Der Schutz des Schwächeren in der Krise, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (254) versteht das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Inhaltskontrolle abweichend von der überwiegenden zivilrechtlichen Diskussion „(. . .) umfassend für vertragliche Haupt- und Nebenbedingungen gleichermaßen unter Einschluß der Grenze des § 138 BGB und sonstiger Generalklauseln, ja sogar darüber hinweg unter Einschluß der Konkretisierung und Anwendung von Rechtsvorschriften schlechthin“. Honsell, NJW 1994, 565 (566); ders., EWiR 1994, 531 (532) wiederum meint, die vom BVerfG statuierte allgemeine Inhaltskontrolle nach §§ 138 und 242 BGB gehe weiter als die Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 und 2 BGB, jedoch nicht soweit, wie etwa die Inhaltskontrolle von AGB nach § 9 AGBG, für die eine nach Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung ausreiche. 13
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§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle
des Bundesverfassungsgerichts auf Fastrich18, der die Abgrenzung in vorgenannter Form vornimmt,19 belegt die Akzeptanz dieser begrifflichen Zuordnung beim Bundesverfassungsgericht.20 Ferner sind auch die inhaltlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geeignet, diese begriffliche Zuordnung zu stützen. Wenn der Richter ermitteln soll, ob „(. . .) der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen (. . .)“21 ist, dann kann diese Prüfung nur im Rahmen einer über die Prüfung der Sittenwidrigkeit hinausgehenden Inhaltskontrolle erfolgen.22 Die fehlende Angemessenheit einer Klausel ist der Schwerpunkt der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, § 307 BGB. Teilweise wird deshalb zur Vermeidung von Mißverständnissen die Inhaltskontrolle im engeren Sinne auch als Angemessenheitskontrolle bezeichnet, wobei zwischen der Prüfung am Maßstab der §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB und am Maßstab von § 242 BGB nicht unterschieden wird.23 Diese Terminologie erfolgte unter Orientierung auf § 9 AGBG. Intention des Gesetzgebers für diese gesetzlich geregelte Vertragskontrolle war, dem „positiven Gebot eines angemessenen Ausgleichs der beiderseitigen Interessen“ Rechnung zu tragen.24 Verwendung findet jedoch auch der Begriff der erweiterten Inhaltskontrolle25 als Gegensatz zur normalen Inhaltskontrolle nach §§ 134, 138 BGB. Ohne inhaltlich hierdurch eine als wesentlich erkennbare Abweichung kennzeichnen zu wollen, wird, insbesondere durch das Bundesarbeitsgericht,26 auch der Begriff der gerichtlichen Billigkeitskontrolle verwendet.27 Die begriffliche 18
Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 1 II., S. 5 ff. 20 Hergenröder, DZWir 1994, 485 (489). 21 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39); BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 22 Frank, JuS 1996, 389 (390). 23 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (210, 212); Hönn, JZ 1983, 677 (681); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 147 f.; Kemper, JA 1994, 125 (126); CoesterWaltjen, Jura 1995, 26 (28 f.); Pauly, AuA 1999, 77 (78); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 301 ff.; Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.I., S. 53. 24 BT-Drs. 7/3919, S. 22; BT-Drs. 7/5422, S. 6. 25 Frank, JuS 1996, 389 (390). 26 Ständige Rechtsprechung. Siehe zuletzt bspw. nur: BAG, 25.04.1995, 3 AZR 365/94, AP Nr. 1 zu § 2 RuhegeldG Hamburg; BAG, 17.08.1999, 3 ABR 55/98, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972; BAG, 21.11.2001, 5 AZR 158/00, AP Nr. 31 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. Siehe auch: Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 534 ff. 27 Lieb/Westhoff, DB 1973, 69 ff.; Lieb, AcP 178 (1978), 196 (208); Gumpert, BB 1974, 139; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 153 ff., 158 f.; Hönn, Jura 1984, 57 (66); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 8.I.2.a), S. 165; Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.I., S. 53; Gotthardt, ZIP 19
I. Der Gegenstand der Inhaltskontrolle
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Gleichstellung der Billigkeitskontrolle mit der Inhaltskontrolle im engeren Sinne ist bedenklich. Eine solche begriffliche Parallelstellung könnte suggerieren, es würde allein auf den Maßstab der Billigkeit im Einzelfall abgestellt.28 Das wäre für die Inhaltskontrolle unzutreffend. Rechtsgrundlage der Billigkeitskontrolle ist zwar vorrangig ebenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben. Im Rahmen der Billigkeitskontrolle wird er jedoch in seiner im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen anderweitigen Konkretisierung, welche für bestimmte Fälle die Anwendung des Billigkeitsmaßstabes von § 315 Abs. 3 BGB zum Inhalt hat, verwandt.29 Der Begriff der Billigkeitskontrolle sollte deshalb besser dem unmittelbaren Anwendungsbereich von § 315 BGB vorbehalten bleiben.30 Ob die begriffliche Dissonanz sich wegen § 310 Abs. 4 S. 2 BGB erledigen könnte, ist fraglich. Mit der Einfügung des AGB-Gesetzes in das BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz31, nunmehr §§ 305 ff. BGB, ist auch die Bereichsausnahme für Arbeitsverträge in § 23 Abs. 1 AGBG – jedenfalls weitestgehend – aufgehoben worden.32 Die begriffliche Differenzierung wird jedoch wegen § 310 Abs. 4 S. 1 BGB bleiben. Danach findet die Inhaltskontrolle nach den §§ 308 ff. BGB auf Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung. Ob deshalb das Bundesarbeitsgericht – so wie gefordert33 – jetzt die bisherige Billigkeitskontrolle solcher Normenverträge aufgeben wird, ist eher unwahrscheinlich. Der Begriff der Billigkeitskontrolle wird daher jedenfalls der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erhalten bleiben. Diese Billigkeitskontrolle nach Maßgabe des § 315 BGB ist strikt zu unterscheiden von 2002, 277 (278). Auch nach dem BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135 „(. . .) wird zum Schutz der Arbeitnehmer eine Inhaltskontrolle von Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts (. . .) allgemein für zulässig gehalten.“ Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.V.4.b), S. 187 ff., 193 ff. ist anderer Ansicht. Er meint, es handele sich bei der vom Bundesarbeitsgericht so bezeichneten Billigkeitskontrolle nicht um eine falsche Bezeichnung für die Wahrheit gemeinte Inhaltskontrolle. Die Billigkeitskontrolle sei ein aliud zur Inhaltskontrolle. Billigkeitskontrolle im Arbeitsrecht sei regelmäßig nur individuelle Einzelfallabwägung mit eindeutiger Tendenz zu richterlicher Vertragshilfe. 28 Hönn, JZ 1983, 677 (681). 29 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 159; ders., JZ 1983, 677 (681); Pauly, AuA 1999, 77 (78). 30 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.I., S. 15 macht denn auch zutreffend darauf aufmerksam, die Terminologie des BAG beruht auf dem Umstand, daß im Verlaufe der Entwicklung der Inhaltskontrolle zunächst der normative Bezug zu § 315 BGB hergestellt wurde. Die dogmatische Entwicklung ist jedoch darüber hinweggegangen. Inhaltskontrolle und Billigkeitskontrolle sind inhaltlich nicht gleichzusetzen. 31 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 29.11.2001, BGBl. I, S. 3138. 32 Siehe u. a.: Däubler, NZA 2001, 1329; Joussen, NZA 2001, 745; Löwisch, NZA 2001, 465; Berkowsky, AuA 2002, 11; Lingemann, NZA 2002, 181; Gotthardt, ZIP 2002, 277; ders., Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2002, S. 94 ff. 33 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2002, S. 132, Rdnr. 296; a. M.: Däubler, NZA 2001, 1329 (1334).
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§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle
der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, die eine Rechtskontrolle darstellt. Der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welche die Begriffe Billigkeits- und Inhaltskontrolle zum Teil synonym verwandte, soll jetzt jedoch die Grundlage entzogen sein. Es handelt sich insofern nicht nur um einen terminologischen Unterschied.34
II. Die Einordnung in die Grenzen der Vertragsfreiheit Die richterliche Inhaltskontrolle im engeren Sinne definiert sich sodann durch ihre Position unter den verschiedenen Begrenzungen der Vertragsfreiheit. Die Inhaltskontrolle vertraglicher Vereinbarungen im weiteren Sinne als Vertragskontrolle scheint sich in drei voneinander abgrenzbaren Schichten zu unterteilen.35 1. Die einzelnen Instrumentarien der Vertragskontrolle Die einzelnen Instrumentarien der Vertragkontrolle bilden verschiedene Stufen,36 auf denen verschiedene Schranken der Privatautonomie nacheinander geschaltet sind.37 a) Das Stufenmodell Das Stufenmodell erklärt zunächst, warum eine vertragliche Abrede als Allgemeine Geschäftsbedingung wegen §§ 8 ff. AGBG, 307 ff. BGB unwirksam sein kann, während sie im Individualvertrag bzw. außerhalb des Anwendungsbereiches der AGB-Kontrolle noch nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sein muß.38 Auch ist nicht jeder Verstoß gegen „Treu und Glauben“ schon sittenwidrig, während sittenwidriges Verhalten immer auch einen besonders schweren Verstoß gegen „Treu und Glauben“ darstellt.39 34
Preis, in: ErfKomm, 4. Aufl., 2004, § 305–310 BGB, Rdnr. 7. Lieb, AcP 178 (1978), 196 (207); kritisch: Hönn, JZ 1983, 677 (681); ähnlich: ders., Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 159 – „(. . .) die mit § 242 BGB vorgezogenen Grenzen der Privatautonomie (. . .)“; Habersack, AcP 189 (1989), 403 (418); Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (27); dies., AcP 190 (1990), S. 1 (4 f.). 36 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 149. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.e)aa), S. 49 hält, die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte betreffend, fest, daß „(. . .) die Heranziehung der Verfassung in diesem Zusammenhang, entgegen vielen Mißverständnissen, keineswegs immer zur Nichtigkeit des betreffenden Vertrags nach § 138 BGB, sondern zu einem abgestuften Repertoire von Rechtsfolgen mit unterschiedlicher Eingriffstiefe bis hin zum bloßen Ausschluß der Zwangsvollstreckung gemäß oder analog § 888 Abs. 2 ZPO“ führt. 37 Hönn, Jura 1984, 57 (73). 38 BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3374); Lieb, DNotZ 1989, 274 (285). 35
II. Die Einordnung in die Grenzen der Vertragsfreiheit
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Das Stufenmodell der Vertragskontrolle erklärt ferner, warum in die Gesamtbetrachtung bei § 138 BGB alle Abreden einzubeziehen sind. Unabhängig davon, ob sie aufgrund anderer Bestimmungen keine Wirksamkeit erlangen könnten, würde die Vereinbarung einer Sittenwidrigkeitskontrolle noch standhalten.40 Klauseln, die nach § 3 AGBG, § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil werden, sind daher ebenso bei der Sittenwidrigkeitsprüfung zu berücksichtigen41 wie Klauseln, die wegen §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB unwirksam sind.42 Auch kann andererseits die Verwendung unangemessener formularmäßiger Klauseln nur dann zu einer Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB führen, wenn der Vertrag insgesamt aus sittlich verwerflicher Gesinnung so einseitig abgefaßt wurde, daß nur der eine Vertragsteil seine Rechte durchsetzt, während wesentliche, berechtigte Belange des anderen Teils mißachtet werden.43 Wenn keine einzelne der formularmäßigen Bedingungen die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erfüllt, dann verstößt auch das formularmäßige Klauselwerk als Ganzes nicht gegen die guten Sitten. Soweit die vorformulierten Vertragsbedingungen die Rechte eines Vertragspartners über das gesetzlich zulässige Maß hinaus beschränken, reichen die Rechtsfolgen nach § 6 Abs. 1 und 2 AGBG aus, um den gesetzlich gebotenen Schutz der unterlegenen Vertragspartei zu gewährleisten.44 Letztlich belegen auch Beispiele aus der Rechtsprechung das Stufenmodell, mag es auch ausdrücklich so nicht angesprochen worden sein. So können die Schranken für den Inhalt der Teilungserklärung von Wohnungseigentümern nach § 8 Abs. 1 WEG und der darin aufgestellten Gemeinschaftsordnung „(. . .) sich nur aus den Grenzen der Vertragsfreiheit nach §§ 134, 138 BGB und einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB (. . .)“ ergeben.45 „Als Prüfungsmaßstab kom39 Hamburger, Treu und Glauben im Verkehr, 1930, § 4.2., S. 18; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I. Band, Allgemeiner Teil, 1987, § 10.I., S. 128; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 (4). 40 BGH, 10.03.1982, VIII ZR 74/81, NJW 1982, 1455; BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3374); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124) – Eine zur Nichtigkeit nach §§ 134 BGB, 18 VerbrKrG führende Gesetzesumgehung entlastet im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB nicht. KG, 18.02.1985, 12 U 3095/ 84, MDR 1985, 582. 41 BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3374). 42 BGH, 12.03.1981, III ZR 92/79, NJW 1981, 1206 (1210); BGH, 08.07.1982, III ZR 60/81, NJW 1982, 2433 (2435); BGH, 10.07.1986, III ZR 133/85, NJW 1986, 2564 (2565); BGH, 16.10.1987, III ZR 92/85, NJW 1987, 184 (185); BGH, 05.03.1987, III ZR 43/86, NJW 1987, 2220 (2221); BGH, 24.09.1987, III ZR 188/86; NJW 1988, 696; BGH, 13.03.1990, XI ZR 252/89, NJW 1990, 1595 (1596); BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3374); Emmerich, JuS 1988, 925 (929); Bodenbenner, JuS 2001, 1172 (1173); a. M.: Löwe, NJW 1980, 2078 (2079); Bunte, ZIP 1985, 1; ders.; NJW 1985, 705; Bruse, BB 1986, 478. 43 BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466 (2468). 44 BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466 (2469). 45 BGH, 03.07.1997, V ZB 2/97, NJW 1997, 2956 (2957).
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§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle
men (. . .)“ für die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer somit „(. . .) insbesondere die §§ 134, 138 BGB sowie § 242 BGB in Betracht (. . .).“ Das Gericht hielt in diesem Sinne weiter fest: Die in der konkreten Gemeinschaftsordnung niedergelegte „(. . .) Regelung verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) noch gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Gegen die Annahme, daß sie offenbar grob unbillig ist und offensichtlich die sich aus dem BGB ergebenden allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit überschreitet (§ 242 BGB), (. . .)“ sprachen dann noch weitere Umstände.46 Gegen die Annahme, die Voraussetzungen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG „(. . .) liegen wesentlich niedriger als die Schranke des § 138 I BGB (. . .)“,47 waren aus diesem Grunde dann ebenfalls keine Einwände zu erheben. b) Die einzelnen Stufen Die einzelnen Stufen der Vertragskontrolle beziehungsweise der Inhaltskontrolle im weiteren Sinne beginnen mit § 138 BGB. aa) Die Sittenwidrigkeitskontrolle Die Sittenwidrigkeitsprüfung ist der Angemessenheitskontrolle als Inhaltskontrolle im engeren Sinne vorgelagert.48 Sie beschreibt die äußerste Toleranzgrenze der herrschenden Rechts- und Sozialmoral bzw. die letzte Schranke der Vertragsfreiheit.49 Sie kann deshalb insbesondere nicht zur Äquivalenzprüfung als Inhaltskontrolle im engeren Sinne benutzt werden. Ein bloßes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne zusätzliche besondere Umstände vermag Sittenwidrigkeit ebenso wenig zu begründen wie die alleinige Existenz eines wirtschaftlichen oder intellektuellen Gefälles zwischen den Vertragspart46
OLG Frankfurt, 02.03.1998, 20 W 54/98, NJW-RR 1998, 1707 (1709). BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3374). 48 Mayer-Maly, AcP 177 (1977), 379 (382); Lieb, AcP 178 (1978), 196 (207); Canaris, AcP 184 (1984), S. 201 (240); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (418); CoesterWaltjen, AcP 190 (1990), 1 (4); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.III., S. 12; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Coester-Waltjen, Jura 1994, 26 (28); Frank, JuS 1996, 389 (390); Hönn, Der Schutz des Schwächeren in der Krise, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (253 f.); Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (53, 57); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (327); Heinrichs, in: Palandt, 60. Aufl., 2001, Vorbem v § 8 AGBG, Rdnr. 17; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 3. In diesem Sinne auch: Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, § 4.V.5., S. 36: „Die Grenzen zwischen Sittenwidrigkeit und bloßer Unangemessenheit verlaufen fließend, so daß die Inhaltskontrolle nicht in erster Linie von der systematischen Einordnung, sondern vom materiellen Gewicht der Paritätsstörung abhängen sollte.“. 49 Lieb, AcP 178 (178), 196 (207); Büttner, FamRZ 1998, 1 (4); Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (277). 47
II. Die Einordnung in die Grenzen der Vertragsfreiheit
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nern. Der Vorschlag, § 138 BGB im Wege einer Gesamtbetrachtung als gesetzliche Grundlage für die Kontrolle der Angemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung heranzuziehen,50 findet daher in dieser allgemeinen Ausprägung zu Recht keine Zustimmung.51 bb) Das zwingende Recht und die Verbotsgesetze Zwingendes Gesetzesrecht (ius cogens) und Verbotsgesetze (§ 134 BGB) geben die nächste Stufe der Vertragskontrolle als der Inhaltskontrolle im weiteren Sinne vor.52 Auch der numerus clausus für Rechtsverhältnisse des Sachenrechts, aber auch des Familien- und Erbrechts, gehört zu dieser Gruppe.53 Hier sind Abreden nicht wegen der Schranke der Sittenwidrigkeit, sondern deshalb unwirksam, weil sie mit dem allgemeingültigen und daher zwingenden Recht nicht vereinbar sind.54 Die Abänderung von nicht dispositiven Normen ist generell unwirksam. Selbst wenn die Abänderung auf tatsächlich autonom ausgeübter Vertragsfreiheit beruhte, gilt die gesetzliche Regelung. Der Grund für die zwingenden Regelungen liegt weniger darin, daß abweichende Gestaltungen für die Rechtsordnung insgesamt unerträglich wären, als vielmehr in dem Schutz des typischerweise schwächeren Vertragspartners.55 cc) Die Inhaltskontrolle als Angemessenheitsprüfung Erst danach erfolgt im Rahmen der Vertragskontrolle die Inhaltskontrolle im engeren Sinne als Angemessenheitsprüfung.56 Sie bildet die innerste Schicht. Der den Vertragsparteien für dauerhaft wirksame Vereinbarungen im Rahmen der Vertragsfreiheit zur Verfügung stehende Spielraum wird abschließend durch diese richterliche Inhaltskontrolle bestimmt.
50 Hönn, JZ 1983, 677 (682); Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, § 27, S. 382 ff.; § 28.IV., S. 414. 51 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.II.2., S. 19; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 176; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 297; zweifelnd auch: Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 399. 52 Hönn, JZ 1983, 677 (681); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (418); Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 3. 53 Hönn, Jura 1984, 57 (58). 54 Hönn, JZ 1983, 677 (681). 55 Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (27). 56 Garrn, NJW 1980, 2782 (2783); Ulmer, DNotZ 1981, 84 (99); Hönn, Jura 1984, 57 (73); Damm, JZ 1986, 913 (922); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (418); CoesterWaltjen, AcP 190 (1990), 1 (4 f.); dies., Jura 1995, 26 (28); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780); Becker, WM 1999, 709; Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.I., S. 52.
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§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle
c) Die Ausübungskontrolle An die Inhaltskontrolle im engeren Sinne schließt sich dann die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB an.57 Auch Ausübungs- und Angemessenheitskontrolle stehen in einem weiteren Stufenverhältnis zueinander.58 Die Inhaltskontrolle hat logischen Vorrang vor der Ausübungskontrolle.59 An dieser abgestuften Prüfung hat sich auch durch die Einführung gesetzlicher Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nichts geändert.60 Erst wenn der Richter entschieden hat, ob die vertragliche Abrede rechtsgültig oder unwirksam ist, kann gegebenenfalls der weitere Einwand bearbeitet werden, wonach der Berufung auf die grundsätzlich wirksame Abrede im Einzelfall das Verbot des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens, § 242 BGB, entgegensteht.61 Auch die Ausübungskontrolle wird vereinzelt der Inhaltskontrolle im weiteren Sinne zugeordnet,62 obwohl sie nicht mehr den Bestand der getroffenen Regelung insgesamt, sondern nur noch dessen aktuelle Ausführbarkeit angreift. Der entscheidende Unterschied zwischen Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle liegt darin, daß die Inhaltskontrolle das Verdikt der Unwirksamkeit über die Vertragsgestaltung verhängt, während die Ausübungskontrolle es bei der Wirksamkeit des Vertrages beläßt und lediglich die Ausübung einzelner Ansprüche aus dem Vertrag teilweise und/oder zeitweise ausschließt.63 Sie bezieht sich somit als dilatorisches Kontrollelement der Vertragsfreiheit auf die Kontrolle eines bestimmten Verhaltens in einer konkreten Situation und in einem begrenzten Zeitraum.64 Die Ausübungskontrolle kommt daher erst zur Anwendung, wenn die Berufung auf eine rechtswirksam vereinbarte vertragliche Regelung 57 Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 1 AGBG, Rdnr. 53; BGH, 29.06.1960, II ZR 25/29, BGHZ 33, 216 (219): „Ist eine (. . .) Klausel nicht zu beanstanden, so kann dennoch die Berufung auf sie im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung darstellen und durch die Zulassung dieses Einwandes den Umständen des Einzelfalles Rechnung getragen werden.“ Ähnlich auch: Fischer, BB 1957, 481 (486). 58 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 304. 59 Bunte, NJW 1987, 921 (926). 60 Bunte, NJW 1987, 921 (926). 61 Bunte, NJW 1987, 921 (926); Roussos, JZ 1988, 997 (998); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VII., S. 197. In diesem Sinne auch schon Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 30.II.3., S. 324 wenn er festhält, daß der Verwender sich auf unbillige Klauseln nicht berufen kann, „(. . .) und zwar nicht nur, wie nach § 242 BGB., weil er damit ein ihm zustehendes Recht mißbrauchen würde, sondern weil diese Bestimmungen gar nicht erst gültiger Vertragsinhalt geworden sind.“ 62 Hüffer, ZHR 151 (1987), 396 (407); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 1.II.1., S. 5; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 304; a. M.: Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (5). 63 Bunte, NJW 1987, 921 (925 f.); Roussos, JZ 1988, 997 (998); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VII., S. 198; Langenfeld, Von der Inhaltskontrolle zur Ausübungskontrolle, in: FS für Helmut Schippel, 1996, S. 250.
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im Einzelfall einen Anlaß zu Bedenken gibt. Die Ausübungskontrolle unterscheidet sich nicht nur in ihrem Anwendungsprofil von der Sittenwidrigkeitsund Angemessenheitsprüfung. Es sind auch andere Maßstäbe anzulegen.65 aa) Ausübungskontrolle contra Angemessenheitskontrolle? Trotzdem soll nach einer abweichend vertretenden Ansicht erst die Ausübungskontrolle auf der Grundlage des Verbotes der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) – auf die Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB folgend – die nächste Stufe der Begrenzung der Vertragsfreiheit sein.66 Nach dieser Ansicht erfolgt somit keine weitere Abstufung zwischen der Nichtigkeit einer vertraglichen Abrede nach § 138 BGB und der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB, es sei denn, die Inhaltskontrolle richtet sich nach den §§ 8 ff. AGB-Gesetz bzw. jetzt §§ 307 ff. BGB.67 Nur eine so erfolgende qualitative und quantitative Abstufung soll alleinig dem Prinzip der Vertragsfreiheit gerecht werden können.68 Als Grenze der Vertragsinhaltsfreiheit kann § 242 BGB nicht ohne weiteres instrumentalisiert werden. Diese Norm setzt das Bestehen einer rechtlich relevanten Beziehung, insbesondere eine Pflichtenlage oder eine rechtliche Sonderverbindung voraus. Sie kann erst dann eingreifen, wenn Konsens erzielt wurde und nur soweit, wie der getroffene Konsens nicht ausreicht. Die Norm kann zur Begrenzung der Rechtsausübung lediglich Inhaltsbestimmung und Steuerung einseitigen Partnerverhaltens bewirken.69 Einschränkend muß die Ausübungskontrolle jedenfalls gerade im kaufmännischen Rechtsverkehr, wo auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht genommen werden soll (§ 24 Satz 2 AGBG; § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB), stärkere Berücksichtigung finden.70 Diese Ansicht wurde zur Entgegnung auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts71 zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen erneut aufgegriffen. Die Ausübungskontrolle soll gegenüber der Wirksamkeitsprüfung durch richter64 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VII., S. 198; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 306. 65 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 305. Zum Verhältnis von Sittenwidrigkeitskontrolle und Mißbrauchverbot als Ausübungskontrolle siehe auch: BGH, 15.10.1986, IVb ZR 79/85, FamRZ 1986, 46 (47). 66 Roth, BB 1987, 977 (983 f.) und Kanzleiter, DNotZ 1989, 301(304) – „individuelle Rechtsmißbrauchkontrolle“; Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 85 (92, 98, 110, 117). 67 Bspw.: Hefermehl, in: Soergel, 13. Aufl., 1999, § 138 BGB, Rdnr. 66. 68 Langenfeld, in: FS für Helmut Schippel, 1996, 251 (255); ders., DNotZ 2001, 272 (273). 69 Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27.I.3.b), S. 282; Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 85 (92). 70 Bunte, NJW 1987, 921 (926).
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§ 2 Die richterliche Inhaltskontrolle als Vertragskontrolle
liche Inhaltskontrolle das angemessenere Instrument sein.72 Auch betrifft bekanntlich bei Eheverträgen der gegen den anderen Vertragsteil gerichtete Vorwurf nicht immer bereits das Verhalten beim Vertragsabschluß. Oft liegt der Vorwurf gerade in dem Umstand, daß der andere Teil eine Anpassung der Vereinbarung verweigert, obwohl sich die ursprüngliche Lebensplanung, für welche die Abrede im Ehevertrag zunächst durchaus angemessen war, tatsächlich änderte. Zur Reaktion auf erst unangemessen gewordene Regelungen ist jedoch nicht die Inhaltskontrolle, sondern nur die spätere Ausübungskontrolle geeignet. Nur so kann flexibel auf die – gegebenenfalls nur zeitweise vorliegenden – Änderungen der familiären Rollenverteilung reagiert werden.73 bb) Ausübungskontrolle und Angemessenheitskontrolle Schon der Ausgangspunkt der Kritik überzeugt wenig. Die Sichtweise, § 242 BGB gilt nur innerhalb einer rechtlichen Sonderverbindung, ist überholt.74 Das Tatbestandsmerkmal der Sonderverbindung läßt sich, wenn überhaupt, nur äußerst eingeschränkt beibehalten. Ein qualifizierter sozialer Kontakt genügt.75 Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle haben vor allem aber auch unterschiedliche Ausgangspunkte. Die Rechtsinstitute stehen nicht in einem Alternativverhältnis. Sie können sich nicht gegenseitig ersetzen. Bei der Ausübungskontrolle wird nicht der Bestand des erhobenen Rechts angegriffen. Die Ausübungskontrolle vermag daher nicht zu verhindern, daß von dem eingeräumten Recht in der Weise Gebrauch gemacht wird, wie das Recht gedacht und auch vereinbart war.76 Rechtsmißbrauch im Sinne der Ausübungskontrolle liegt bekanntlich dann gerade nicht vor, wenn ein Recht in dem Sinne verwendet wird, zu welchem es eingeräumt worden ist.77 Erst wenn die vereinbarte Geltungsschranke 71 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300. 72 Grziwotz, MDR 2001, 393 (394); ders., FF 2001, 41; Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (277); Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (331); dies., FF 2002, 151 (152). 73 Grziwotz, FamRB 2002, 26 (27). Einen „permanent latenten Korrekturanspruch“ lehnt Ritgen, JZ 2002, 114 (120) im Zusammenhang zu einem Entwurf zur Änderung von § 32 UrhG (BR-Drs. 404/01) ebenfalls ab. Danach sollte den Künstlern gegenüber den Verwertern ein Vergütungskorrekturanspruch zur Seite stehen, wenn sich die vereinbarte Vergütung in einem späteren Zeitpunkt nicht mehr als angemessen herausstellt, mag sie im Zeitpunkt der Abrede prognostisch auch angemessen gewesen sein. Dieses Beispiel belegt deutlich, daß die Angemessenheitskontrolle nicht auf die Prüfung der Angemessenheit in dem Zeitpunkt, als die Abrede getroffen wurde, beschränkt ist. 74 Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 16.II.3., Rdnr. 130, S. 74. 75 Weber, JuS 1992, 631 (635); Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 74; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 6. 76 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.IV.1., S. 25.
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überschritten wird, greift die Ausübungskontrolle ein. Demgegenüber wird durch die Inhaltskontrolle die Nutzung eines Rechts versagt, obwohl es genau für diesen Zweck in den Vertrag aufgenommen wurde. Inhalts- und Ausübungskontrolle sind daher unterschiedliche Instrumente mit verschiedenen Funktionen.78 Gegenstand der individuellen Mißbrauchskontrolle als Ausübungskontrolle ist eben nicht der unangemessene Vertragsinhalt, sondern das treuwidrige Verhalten eines Vertragspartners.79 Ziel der Mißbrauchskontrolle ist daher nicht der ungerechte Vertragsinhalt, sondern das ungerechte Verhalten eines Vertragspartners. Dieser leitet aus einer an sich zulässigen vertraglichen Abrede einen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls unzulässigen Anspruch ab.80 Aus diesem Grunde kann dann auch die Ausübung eines Rechts aus einer Formularklausel, die einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 9 ff. AGBG; §§ 307 ff. BGB; § 242 BGB standgehalten hat, aus Gründen, die im konkreten Individualverhältnis liegen, rechtsmißbräuchlich sein.81 „Es ist anerkannt, daß nicht nur § 138 BGB, sondern auch der Grundsatz von Treu und Glauben eine immanente Grenze vertraglicher Gestaltungsmacht bezeichnet und die Befugnis zu richterlicher Inhaltskontrolle begründet. In diesem Zusammenhang sind allerdings noch zahlreiche Einzelfragen umstritten.“82 „Die Grenzen der (. . .) Vertragsbindung werden (. . .) durch die guten Sitten (§ 138 BGB) und den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gezogen.“83 „Demgemäß unterwirft der BGH in ständiger Rechtsprechung eine Abrede (. . .), für die nach § 23 I AGB-Gesetz die Vorschriften des AGB-Gesetzes nicht anwendbar sind, der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach § 242 BGB, um (. . .) vor unbilligen Vertragsbedingungen zu schützen. (. . .) Das AGBG wollte den Rechtsschutz der Betroffenen und die Kontrollmöglichkeit der Gerichte erweitern und nicht einschränken; es hat keine Sperrwirkung. Mit der richterlichen Inhaltskontrolle von Individualverträgen in bestimmten Fällen wird deshalb 77
Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 305. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 305. 79 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VII., S. 198. 80 Roussos, JZ 1988, 997. 81 BGH, 29.6.1960, II ZR 25/29, BGHZ 33, 216 (219); Bunte, NJW 1987, 921 (926); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VII., S. 198; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 36; Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 122, 417 ff.; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, Vorb v § 307 BGB, Rdnr. 17. 82 BGH, 30.05.1995, XI ZR 165/94, NJW 1995, 2282 (2283). Siehe auch: BGH, 27.11.2000, II ZR 218/00, NJW 2001, 1270, wonach von einem Unternehmer für eine Vielzahl von Gesellschaftsverträgen mit stillen Gesellschaftern vorformulierte Vertragsbedingungen unabhängig von der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG gem. §§ 157, 242 BGB einer ähnlich objektiven Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. AGB-Gesetzes unterliegen. 83 BGH, 26.04.1995, VIII ZR 124/94, NJW 1995, 2350 (2351). In diesem Sinne auch: BGH, 25.05.1993, X ZR 79/92, NJW-RR 1993, 1460 (1461). 78
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nicht das Gesetz korrigiert, sondern lediglich eine vom Gesetzgeber offen gelassene Lücke ausgefüllt. Die Rechtsprechung über die Inhaltskontrolle beeinträchtigt auch nicht die Privatautonomie oder die Vertragsgestaltungsfreiheit, (. . .). (. . .) wird der Zweck der notariellen Beurkundung, auf eine angemessene Vertragsgestaltung hinzuwirken, in grober Weise verfehlt, dann ist die richterliche Inhaltskontrolle die sachgerechte Reaktion.“84 Grundsätzlich kann deshalb nicht behauptet werden, nach der Sittenwidrigkeitskontrolle akzeptiere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur die Ausübungskontrolle als nächste Stufe der Vertragskontrolle. Auch für den Ehevertrag vermag die Argumentation der gegenteiligen Ansicht nicht zu überzeugen. Zutreffend hält diese Ansicht zwar fest, daß mit der Ausübungskontrolle auf jeweilige Änderungen in der familiären Rollenverteilung reagiert werden kann. Beim Ehevertrag ist für die Ausübungskontrolle jedoch kein Raum, weil er seine Wirkungen regelmäßig erst dann entfaltet, wenn eine Rückkehr zur geplanten Rollenverteilung aller Voraussicht nach nicht mehr erfolgen wird. Es ist daher für den Ehevertrag kein Grund ersichtlich, warum einer einmal als unangemessenen erkannten Regelung die Möglichkeit bleiben soll, irgendwann wieder eine angemessene Regelung darstellen zu können. Ausübungskontrolle setzt doch zumindest die Möglichkeit voraus, daß die vertraglich eingeräumten Rechte wieder aufleben können. Genau genommen ist der Ehevertrag aber kein Dauerschuldverhältnis: weder für die Ehezeit, noch für die Zeit danach. Im wesentlichen erschöpft sich sein Zweck in der abschließenden Bestimmung von Rechtsfolgen für die Scheidung und die vorangestellte Trennungszeit. Es ist daher weniger ein Ehevertrag, denn mehr ein „Scheidungsvertrag“. So möchte ihn wohl nur niemand vor und während einer intakten Ehe bezeichnet haben. Sind dann aber die Rechtsfolgen des Ehevertrages auf die endgültige vermögensrechtliche Abwicklung der Ehe gerichtet, dann gibt es keinen Grund, warum einer unangemessenen Abrede durch Ausübungskontrolle die grundsätzliche Wirksamkeit erhalten bleiben soll. Eine Rückkehr zur ursprünglich angemessenen familiären Rollenverteilung wird kaum mehr erfolgen. So dauerhaft wie durch die Scheidung über den Fortbestand der Ehe entschieden wurde, so dauerhaft kann daher auch über die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung der Ehe befunden werden. 2. Ein Zwischenergebnis Aus der dargestellten Einordnung der Inhaltskontrolle gegenüber der Sittenwidrigkeitskontrolle (§ 138 BGB) und Beachtung zwingenden Rechts (§ 134 BGB) auf der einen Seite und der Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) auf der anderen Seite erschließt sich: Die Inhaltskontrolle setzt der Vertragsfreiheit, 84
BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135 (135, 136).
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dem wesentlichsten Element der Privatautonomie, Schranken.85 Sie setzt als Korrektiv an, wo die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie fehlen.86 Auch wenn im Ergebnis der Richter zur Realisierung des Rechtsinstituts der Inhaltskontrolle aufgerufen ist, so hat sie sich nicht als ein Problem richterlicher Kompetenz zu zeigen, sondern muß sich als eine besondere und generell gültige Schranke der Vertragsfreiheit erweisen.87 Mit diesem Zwischenergebnis wird sich daher jetzt der Vertragsfreiheit näher zuzuwenden sein. Sind deren Funktionsprinzipien erkannt, konkretisiert sich die richterliche Inhaltskontrolle als Mittel zur Abwehr von Störungen der Vertragsfreiheit.
85 BGH, 30.05.1995, XI ZR 165/94, NJW 1995, 2282 (2283); BGH, 03.07.1997, V ZB 2/97, NJW 1997, 2956 (2957); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.IV., S. 12 f.; Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (28 f.); dies., AcP 190 (1990), 1 (4); Becker, WM 1999, 709 (710); Damm, VersR 1999, 129 (137). 86 Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (49). 87 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.VI., S. 14; Becker, WM 1999, 709 (710).
§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe Die Vertragsfreiheit bildet ein zwar ungeschriebenes, jedoch grundlegendes Prinzip der deutschen Privatrechtsordnung. Sie gilt als der wichtigste Teilausschnitt der Privatautonomie1 und wird dort durch die Eigentumsfreiheit, die Testierfreiheit und die Vereinigungsfreiheit2 ergänzt.3 Privatautonomie ist das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach eigenem Willen.4 Die Privatautonomie ist das Werkzeug zur Teilnahme am Privatrechtsverkehr.5 Sie wird dann wieder für den Bereich des Vertragsrechts durch den Grundsatz der Vertragsfreiheit konkretisiert und letztlich auch verwirklicht.6 Verträge dienen dann der rechtlichen Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen durch Selbstbestimmung der Beteiligten.7 Es geht hier um das rechtliche Können der Beteiligten, um nach deren Willen und Belieben ihre privatrechtlichen Beziehungen zueinander durch rechtsverbindliche Abreden zu 1 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); OLG Frankfurt, 28.08.1996, 17 W 22/96, NJWRR 1997, 77; Starck, JuS 1981, 237 (244); Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, § 3.III.2., S. 71, Fußn. 115; Hönn, Jura 1984, 57; Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, 1 (2); Eike Schmidt, DRiZ 1991, 81 (82); Grün, WM 1994, 713 (714); Spieß, DVBl. 1994, 1222; Eckert, Schuldrecht, 1997, S. 37, Rdnr. 56; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Aufl., 1997, § 34 III., Rdnr. 22, S. 646; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.III.q.a., S. 63; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 41; Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, S. 18; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277). 2 Nach Hönn, Jura 1984, 57 (58) ist die Vereinigungsfreiheit lediglich eine besondere Form der Vertragsfreiheit. 3 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 2.II.2.b., S. 30; § 3, S. 46; Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1. 4 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (136); ders., Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 1992, § 1, S. 1; Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, 1970, S. 1 f.; Grün, WM 1994, 713 (714); Dieterich, RdA 1995, 129 (130); Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, § 1, S. 1; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.a), S. 159; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 2.I., S. 13; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277). 5 Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, 1 (2). 6 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)aa), S. 160. 7 Raiser, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 101 (104).
§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
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regeln.8 Die Vertragsfreiheit kennzeichnet somit eine bestimmte Form rechtlichen Könnens.9 Dieses rechtliche Können wird auch mit „Befähigung“,10 „Fähigkeit“,11 „Berechtigung“,12 „Ermächtigung“,13 „Möglichkeit“,14 „Befugnis“,15 „Zuständigkeit“16 oder „Kompetenz“17 umschrieben. Abweichendes wird hier allerdings nicht zum Ausdruck gebracht. Vertragsfreiheit bedeutet daher die Freiheit der Entscheidung, einen Vertrag überhaupt zu schließen, ihn inhaltlich zu gestalten und auch wieder aufzulösen.18 Sie wird verwirklicht durch übereinstimmende Willenserklärungen, mithin durch die Rechtsgeschäftslehre, da die Privatautonomie ihren Geltungsgrund in der Respektierung des Individuums und des freien Willens der erklärenden Person hat.19
8 Enderlein, Rechtspaternalismus, § 9.I., S. 71; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 43. 9 Flume, Allgemeiner Teil, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 12. 10 Stoll, in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, 1930, S. 175. 11 Schapp, JuS 1992, 537 (544). 12 Schmidt, J., Schutz der Vertragsfreiheit durch Deliktsrecht?, FS für Rudolf Lukes, 1989, S. 793. 13 Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.II., Rdnr. 83, S. 77. 14 Dilcher, NJW 1960, 1040; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 298; Schimansky, WM 1995, 461; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 15 f.; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.a), S. 159; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 43; Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, S. 15; § 3.II., S. 53; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., 1989, § 2.II.e), S. 40; ders., Lehrbuch des Schuldrechts, I. Band, 14. Aufl., 1987, § 4, S. 41; Eckert, Schuldrecht, 1997, S. 37, Rdnr. 55; Medicus, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., 1997, § 17.I.2, S. 74, Rdnr. 174. 15 Raiser, JZ 1958, 1; Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, 1970, S. 2; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 298; ders., Jura 1984, 57; Geißler, JuS 1991, 617 (618); Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 85 (100) – „Selbstregelungsbefugnis der Beteiligten für ihre Rechtsbeziehungen“; Rüthers, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., 1997, § 3.I.1., S. 28 f., Rdnr. 41; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 2.I., S. 14; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277) – „spezifisch rechtliche Befugnis“. 16 Rittner, AcP 180 (1980), 392 (396); Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, 1. 17 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, S. 19; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.II.3., S. 28; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, § 9.I., S. 71; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 54; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277); Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 2: „Kompetenz zur privaten Sozialgestaltung“. 18 Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)aa), S. 160; Eckert, Schuldrecht, 1. Aufl., 1997, S. 37, Rdnr. 55. 19 Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, 1995, § 3.I., S. 6; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 44; Ritgen, JZ 2002, 114 (115).
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
I. Die bürgerlich-rechtliche Normierung der Vertragsfreiheit 1. §§ 241, 305 BGB a. F.; § 311 Abs. 1 BGB n. F. Ob von §§ 241, 305 BGB a. F. die bürgerlich-rechtliche Normierung der Vertragsfreiheit beinhaltet war,20 soll keiner weiteren Untersuchung zugeführt werden. Weiterführende Erkenntnisse wären hieraus aller Voraussicht nach nicht abzuleiten. Es spricht jedoch viel dagegen, nicht nur allein der Wortlaut. § 305 BGB a. F. wird nicht die gesetzliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit geboten haben. Die Norm hat sie eher bereits vorausgesetzt.21 Wenn § 311 Abs. 1 BGB n. F. den Wortlaut von § 305 BGB a. F. sachlich und redaktionell unverändert aufnimmt,22 wird auch diese Änderung wenig ergiebig sein.23 2. Die Überschrift zu § 1408 BGB Mehr Aufmerksamkeit gebührt hingegen der Überschrift zu § 1408 BGB. Sie lautet: „Ehevertrag, Vertragsfreiheit“.24 Hierbei handelt es sich mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts seit dem 01.01.200225 auch um eine sogenannte amtliche bzw. gesetzliche Überschrift.26 Diese amtlichen Überschriften sind bekanntlich bei der Auslegung und Anwendung der jeweiligen Norm zu berücksichtigen.27 Das gilt auch für die amtlichen Überschriften des Schuld20 BGH, 24.06.1998, XII ZR 195/96, NJW 1998, 2664 (2666); OLG Brandenburg, 09.08.2001, 9 UF 238/00, NJW-RR 578 (579) eine Trennung- und Scheidungsfolgenvereinbarung betreffend; Pauly, MDR 1995, 1081; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1. 21 Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.II., Rdnr. 84, S. 77; Schlechtriem, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl., 1997, Rdnr. 34, S. 22. 22 Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 311 BGB, Rdnr. 1. 23 Emmerich, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 311 BGB, Rdnr. 2 geht weiterhin davon aus, daß die Norm das Vertragsprinzip statuiert und auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit beruht. Ebenso zur bisherigen Rechtslage: Thode, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 305 BGB, Rdnr. 1. 24 Siehe die Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 02.01.2001: BGBl. I, S. 42 (239). 25 Das „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ vom 29.11.2001, BGBl. I, S. 3138 hat das gesamte BGB verändert. Es hat jedem Paragraphen, unabhängig ob inhaltlich geändert oder nicht, eine amtliche Überschrift beigefügt. 26 Schwab, FamRZ 2002, 1; Leipold, NJW 2003, 2657 (2659); Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, 2002, S. 230. Siehe: Art. 1 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (SchuldRModG) vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138 (3170) nebst Anlage BGBl. I, S. 3138 (3207) und BT-Drs. 14/6040, S. 34, 67, 272. 27 BGH, 26.03.1953, III ZR 209/51, BGHZ 9, 359 (365); BGH, 12.07.1960, III ZR 168/58, BGHZ 33, 119 (121); BGH, 14.03.1980, V ZR 115/78, BGHZ 76, 242 (245); BGH, 28.04.1980, II ZR 254/78, BGHZ 77, 94 (96); BGH, 23.10.1986, III ZR 144/ 85, BGHZ 99, 44 (48) = NJW 1987, 835 (836); BGH, 14.01.1987, IVb ZR 46/85,
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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rechtsmodernisierungsgesetzes.28 Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber, soweit er bisher schon vorhandenen Normen eine Überschrift vorangestellt hat, regelmäßig deren Auslegung nicht verändern, sondern lediglich die Transparenz des Gesetzes verbessern will.29 Deshalb ist die Frage berechtigt, ob eine unverändert gebliebene Norm jetzt im Lichte ihrer neuen gesetzlichen Überschrift gegebenenfalls abweichend interpretiert werden muß.30 Jedenfalls ist für den Ehevertrag festzuhalten, daß sich an keiner anderen Stelle des BGB sonst eine ausdrückliche Benennung der Vertragsfreiheit findet. Erst ab dem 01.01.2002 wären deshalb die schon zur nichtamtlichen Überschrift gegebenen Hinweise berechtigt gewesen. Danach sollte sich die vom Bundesgerichtshof angenommene „volle Vertragsfreiheit“ für Eheverträge bereits aus der Überschrift der Norm ergeben.31 Dem folgend, soll durch § 1408 Abs. 1 BGB auf bürgerlich-rechtlicher Ebene die Vertragsfreiheit der Ehegatten gewährt sein.32 Die Erwähnung der Vertragsfreiheit einzig im Zusammenhang mit der gesetzlichen Niederlegung des Rechts der Ehegatten zur vertraglichen Regelung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse (Ehevertrag) darf jedoch nicht überbewertet werden. Dem wird nicht zu entnehmen sein, daß beim Ehevertrag eine besonders ausgreifende Vertragsfreiheit eingeräumt ist. Die Vertragsfreiheit der Ehegatten hat den auch sonst geltenden Regeln zu folgen. Diese Regeln finden ihren Ausgangspunkt in der Verfassung. Sie ist eine Werteordnung. An dieser haben sich alle nachrangigen Bestimmungen zu orientieren und auszurichten.33
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit 1. Die Vertragsfreiheit im Text des Grundgesetzes Deshalb sind die Grundlagen der Vertragsfreiheit und insbesondere der Ehevertragsfreiheit im Verfassungsrecht aufzuzeigen. Im Text des Grundgesetzes wird die Vertragsfreiheit an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt.34 DemgegenBGHZ 99, 304 (311) = NJW 1987, 1764 (1765); BGH, 05.10.1993, 1 StR 376/93, NJW 1994, 332 (333); BGH, 20.10.1993, 5 StR 473/93, NJW 1994, 267 (268); BGH, 27.09.1995, IV ZR 283/94, BGHZ 131, 15 (18); BGH, 10.12.1998, I ZB 20/96, BGHZ 140, 193 (199) = NJW 1999, 1186 (1187). 28 Leipold, NJW 2003, 2657 (2659) 29 Heinrichs, in: Palandt, Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, 2002, Einleitung, Rdnr. 11. 30 Schwab, FamRZ 2002, 1. 31 Gerber, DNotZ 1998, 288* (289*). 32 BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 (1275); BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2240); BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857. 33 Rüthers, Rechtstheorie, 1. Aufl., 1999, § 22.III., S. 419 f., Rdnr. 752 f.
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
über war in Art. 152 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung vom 01.08.191935 die Vertragsfreiheit noch ausdrücklich unter Schutz gestellt.36 Auch wurde sie als Teil der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durch Art. 3 Verfassungsgrundsätzegesetz (VerfGrdG)37 noch 1990 in das Verfassungsrecht der ehemaligen DDR übernommen.38 Anders als in Art. 151 Abs. 2 BayVerf, Art. 52 Abs. 2 RheinlPfälzVerf und Art. 44 SaarlVerf findet sich, gleich dem Grundgesetz, in der Verfassung des Landes Brandenburg39 eine ausdrückliche Erwähnung der Vertragsfreiheit ebenfalls nicht.40 Nach Art. 42 Abs. 1 BbgVerf hat jeder das Recht auf freie Entfaltung wirtschaftlicher Eigeninitiative, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die Verfassung und die ihr entsprechenden Gesetze verstößt. Die Regelung dient der Konkretisierung von Art. 10 BbgVerf. Diese Norm bringt die Allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG in die Brandenburgische Verfassung ein.41 Nach Abs. 2 Satz 2 ist der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht unzulässig und zu verhindern. Das Verbot gilt nicht nur im wirtschaftlichen Bereich. Es untersagt auch die politische Einflußnahme.42 Trotzdem ist es eher als programmatisches Staatsziel und Handlungsauftrag an Exekutive und Gesetzgebung anzusehen.43 Einen Freiheitsraum oder eine Grundrechtsschranke beschreibt das Verbot nicht. Die zwar prinzipiell angelegte Möglichkeit zur Beschränkung grundrechtlich geschützten Handelns kann nicht weiter gehen, als bundesverfassungsrechtlich zulässig und bedarf darüber hinaus auch näherer gesetzlicher Umsetzung.44 Im übrigen dürfte das Verbot auch nicht 34 Siehe nur: Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, § 3.III.2., S. 70; dazu auch: Raiser, JZ 1958, 1 (4): „Schweigen der Verfassung“. Ausführlich zum verfassungsrechtlichen Schutz der Vertragsfreiheit auch: Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, S. 130 ff. 35 RGBl. S. 1383. 36 „Im Wirtschaftsverkehr gilt Vertragsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze. Wucher ist verboten. Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig.“ 37 Verfassungsgrundsätzegesetz vom 17.06.1990, GBl. DDR I, S. 299. 38 BGH, 12.10.1995, VII ZR 199/94, DTZ 1996, 82 (83). 39 Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.08.1992 (GVBl. I, S. 298). 40 Der Verfasser lebt von Geburt an im Land Brandenburg, hat seit April 1993 an der Universität Potsdam studiert, am LG Potsdam vom November 1997 bis zum November 1999 seinen Referendardienst geleistet, war seit Mai 1997 am Lehrstuhl der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht, Prof. Dr. Detlev W. Belling, M.C.L., tätig und seit März 2000 als Rechtsanwalt am Landgericht Potsdam zugelassen. Es mag daher Nachsicht ermöglicht werden, daß nur die BbgVerf näherer Betrachtung unterzogen wird. 41 Iwers, Entstehung, Bindungen und Ziele der materiellen Bestimmungen der Landesverfassung Brandenburg, Band II, Dissertation Universität Potsdam, 1998, S. 625. 42 Berlit, in: Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, 1994, § 9, Rdnr. 24. 43 Berlit, in: Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, 1994, § 9, Rdnr. 24.
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die Vertragsfreiheit im herkömmlichen Sinne erfassen. Auch zu Art. 2 Abs. 1 GG wird eine Differenzierung zwischen der Vertragsfreiheit und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit vertreten.45 Im Ergebnis wird die Brandenburgische Verfassung daher für das Verhältnis von Vertragsfreiheit und Verfassungsrecht keine über das Bundesverfassungsrecht hinausgehenden Erkenntnismöglichkeiten bieten. Die Vertragsfreiheit wird im Grundgesetz ausdrücklich nicht erwähnt. Das führte zu der Ansicht,46 daß der Vertragsfreiheit kein unmittelbares verfassungsrechtliches Fundament zugeordnet ist.47 Es wird geschlußfolgert, daß dem Grundgesetz ein von der Weimarer Reichsverfassung abweichendes Verfassungsverständnis eigen ist. Die Vertragsfreiheit wurde nicht mit Grundrechtsqualität ausgestattet. Anders ist in bewußter Abweichung vom Text der WRV der Verzicht auf die ausdrückliche Erwähnung nicht erklärbar.48 Sie wird als privatrechtliche Ausprägung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung als dem ihr übergeordneten und nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Verfassungsprinzip gesehen.49 Die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und die Vertragsfreiheit können nicht gleichzusetzen sein. Zwischen beiden besteht ein Stufenverhältnis von Verfassungsgrundsatz einerseits und beispielhafter Ausformung durch das einfache Recht andererseits. Die Vertragsfreiheit bedarf der Ausgestaltung und Ausformung unterhalb des Verfassungsrechts durch den Gesetzgeber. Nur so kann sie im Privatrecht ihre Wirkung entfalten.50 Der Gesetzgeber muß nur die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG beachten. Dann kann er die Vertragsfreiheit abändern und begrenzen. Der Gesetzgeber kann auch bis zu den von Art. 2 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen mit der bisherigen Tradition der vertragsfreiheitlich geprägten Privatrechtsordnung brechen.51 44 Iwers, Entstehung, Bindungen und Ziele der materiellen Bestimmungen der Landesverfassung Brandenburg, Band II, Dissertation Universität Potsdam, 1998, S. 624 f. 45 Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.II., Rdnr. 83, S. 77. 46 Siehe zur vergleichbaren Problematik der fehlenden Erwähnung des Streikrechts in der WRV und im GG: Belling, Streik in der Diakonie?, ZevKR 48 (2003), 407 (413 ff.). 47 Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, 1966, S. 16 ff.; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, S. 56. Ausführlich setzen sich Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 142 ff.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 70 ff. und Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 6.III.1., S. 109 ff. mit diesen Ansichten auseinander. 48 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, 1979, S. 117; Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, 1966, S. 18 ff., 30 f.; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, S. 55 f.; Struck, DuR 1988, 39 ff.; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.II.1., S. 53. 49 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, 1979, S. 118; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, S. 55 f. 50 Schmidt-Salzer, NJW 1970, 8 (14). 51 Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, S. 46 ff.
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
Zutreffend ist an dieser Sicht, daß die Vertragsfreiheit erst durch unterfassungsrechtliche Normen konkretisiert und allgemeinverbindlich im Sinne eines rechtlichen Könnens als formelle Vertragsfreiheit konstituiert werden muß.52 Dieser Umstand trifft jedoch auch auf ausdrücklich benannte Freiheitsrechte zu. Auch diese entfalten sich erst durch das Medium der das jeweilige Rechtsgebiet bestimmenden Vorschriften.53 Der Grundrechtsqualität der Vertragsfreiheit steht somit nicht entgegen, daß sie erst noch durch einfache Gesetze unterlegt werden muß. Das Schweigen des Grundgesetzes ist kein Beleg für das Fehlen des Grundrechtscharakters der Vertragsfreiheit.54 Nicht alle vom Schutz eines Grundrechts erfaßten Verhaltensweisen können in der Verfassung ausdrückliche Erwähnung finden. Die einzelnen Grundrechtsbestimmungen enthalten deshalb über ihren ausdrücklichen Wortlaut hinaus regelmäßig grundrechtliche Berechtigungskomplexe.55 In der konkret genutzten Formulierung ist eine Mehrzahl von normativen Wertungen enthalten, denen jeweils eine konkrete subjektive Berechtigung zugeordnet werden kann.56 2. Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Einen grundrechtlichen Berechtigungskomplex beschreibt insbesondere auch Art. 2 Abs. 1 GG. Nach seinem Wortlaut schützt er nur die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Der Schutzbereich ist jedoch inhaltlich von der ausschließlichen Ausrichtung auf den Schutz der Persönlichkeitssphäre abgelöst. Er ergreift umfassend alle menschlichen Verhaltensweisen.57 Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit enthält den Grundsatz der Handlungsfreiheit. Handlungsfreiheit ist im umfassenden Sinne als Allgemeine Handlungsfreiheit zu verstehen. Zwar ist die Allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG nicht ausdrücklich benannt. Die fehlende Erwähnung im Verfassungstext ist jedoch lediglich auf rein sprachliche Gründe zurückzuführen.58 Geschützt wird jedes 52 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (136 f.); Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, § 3.III.2., S. 71, Fußn. 115; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 22; Busche, Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.II.1., S. 54. 53 BVerfG, 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (205 f.); BVerfG, 11.5.1976, 1 BvR 671/70, BVerfGE 42, 143 (148); BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214; BGH, 27.9.1999, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028. 54 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Band I, 2. Aufl., 1953, S. 661; Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (139); Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.I.1., S. 6. 55 Sachs, in: Stern, Handbuch des Staatsrechts, Band III/1, § 65.V. 56 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 70. 57 Kunig, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 12; Schwabe, JZ 1998, 66 (69).
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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menschliche Tun oder Unterlassen59 oder – plakativ – das Recht, zu tun und zu lassen was man will.60 Zum sachlichen Anwendungsbereich gehören daher Betätigungen jedweder Art und Güte, ohne daß diese einen besonders prägenden Bezug zur Entfaltung der Individualpersönlichkeit aufweisen müßten.61 Auch das Prinzip der Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem eigenen Willen ist ein spezifischer Anwendungsfall der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG.62 Die bürgerlich-rechtliche Vertragsfreiheit ist daher ganz allgemein in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgt.63 Die Definition der Vertragsfreiheit als der „Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben“64 ist für den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG auch vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich übernommen worden.65 Ist die Vertragsfreiheit das Mittel zur Selbstgestaltung der rechtlichen Eigensphäre durch die einzelnen Rechtsgenossen, dient sie vor allem der Selbstbestimmung der Person,66 dann ist sie auch unerläßliche Voraussetzung für die freie Entfal58 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 2.I.2.a., S. 22 f.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 13. 59 Jarass, in: Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 2 GG, Rdnr. 3. 60 Kunig, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 13. 61 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 70. 62 BVerfG, 12.11.1958, 2 BvL 4, 26, 40/56 und 1, 7/57, BVerfGE 8, 274 (328). 63 BGH, 29.10.1990, II ZR 111/90, NJW 1991, 923 (924); BGH, 09.01.1997, VII ZR 48/96, NJW 1997, 1694 (1695); BGH, 24.02.1999, IX ZB 2/98, NJW 1999, 2372; BGH, 27.09.1999, II ZR 305/98, NJW 1999, 3552 (3554); BGH, 27.09.1999, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028 (1030); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124); Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (140); Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, § 3.III.2., S. 70; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, § 4.IV., S. 59; ders., Allgemeiner Teil, 7. Aufl., 1989, § 4.III., S. 85; Habersack, AcP 189 (1989), 403 (405); Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75); Becker, DZWir 1994, 397 (400); Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (392); Grün, WM 1994, 713 (721); Dieterich, RdA 1995, 129 (130); Vykydal, JA 1996, 81 (82); Diederichsen, Jura 1997, 57 (60); Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.II., Rdnr. 83, S. 76; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)bb), S. 160; Busche, Privatautonomie und Vertragsfreiheit, 1999, § 2.2.a., S. 22; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.a), S. 37; Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199; Wakkerbarth, AcP 200 (2000), 45 (50); Kunig, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 16; Jarass, in: Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 2 GG, Rdnr. 4; Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 6; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 (Fußn. 2). 64 Flume, Allgemeiner Teil, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 17 f.; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, S. 46 f. 65 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 (231) unter Bezug auf: Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1. Aufl., 1989, S. 1210, Rdnr. 58; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021; vgl. auch: BVerfG, 19.01.1999, 1 BvR 216/94, NJW 1999, 1153. 66 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2089); BGH, 23.01.1997, IX ZR 69/96, NJW 1997, 1003; Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
tung der Persönlichkeit.67 Eine Rechtsordnung, die auf der freien Entfaltung der Persönlichkeit beruht, muß die weitaus meisten Bereiche sozialen Handelns den einzelnen Privatrechtspersonen und ihrer privatautonomen Gestaltung überlassen.68 3. Die verfassungsrechtliche Anknüpfung der Ehevertragsfreiheit Der Theorie von der Funktion des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht folgend,69 wird die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit jedoch nur insoweit von Art. 2 Abs. 1 GG übernommen, als sie nicht bereits durch besondere Grundrechtsbestimmungen garantiert ist.70 Die besonderen Grundrechtsnormen schließen dann für ihren Bereich bereits die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG aus.71 Die Freiheit der Ehegatten, einen Ehevertrag abzuschließen, kann daher lediglich den subsidiären Gewährleistungen der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG unterfallen oder aber bereits dem spezielleren Freiheitsbereich von Art. 6 Abs. 1 GG zuzuordnen sein.72 zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (136); Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 2.I., S. 14 ff., § 2.I.2.a., S. 23 f.; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277). 67 Schmidt-Salzer, NJW 1970, 8 (9 f.); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (405); Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199. 68 Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, S. 1 (2). 69 BVerfG, 16.01.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 (37) „Elfes“ – seither ständige Rechtsprechung; Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 2 GG, Rdnr. 2 f.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 12; kritisch: Diederichsen, Jura 1997, 57 (59). 70 BVerfG, 12.11.1958, 2 BvL 4/56, BVerfGE 8, 274 (328) „Preisgesetz“ – seither ständige Rechtsprechung; Körner, Vertragsfreiheit im neuen Ehegüterrecht, 1961, § 6.1., S. 13; Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, § 3.III.2., S. 71 (73); Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, § 2.B.I.2.a)aa), S. 57 ff. (59); Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.I.2.b., S. 9 ff. (12); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (61); Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)bb), S. 160; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.II.1., S. 55; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, 9. Aufl., 1999, Art. 2 GG, Rdnr. 14; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 85; Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 71 BVerfG, 20.06.1984, 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157 (171) „Überwachung des Brief- und Telefonverkehrs“; BGH, 27.09.1999, II ZR 305/98, NJW 1999, 3552 (3554); BGH, 27.09.1999, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028 (1030). 72 Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, § 3.III.2., S. 74 will dem gegenüber offensichtlich noch weiter differenzieren. So soll die Vertragsfreiheit im Arbeitsverhältnis für die Abschlußfreiheit und die Partnerwahlfreiheit dem von Art. 12 Abs. 1 GG eröffneten Schutzbereich der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit unterfallen. Die inhaltliche Vertragsgestaltungsfreiheit hingegen soll bei der allgemeinen Handlungsfreiheit verbleiben. Unabhängig davon, daß eine solche Zergliederung der Vertragsfreiheit unnötig ist, scheint die Ansicht von Belling auch durch das Bestreben
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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a) Die Ehevertragsfreiheit in Art. 6 Abs. 1 GG Die Generalnorm des Art. 6 Abs. 1 GG statuiert ein umfassendes an die Adresse des Staates gerichtetes Schutzgebot. Es ist weder durch einen Gesetzesvorbehalt noch auf andere Weise beschränkt. Die dreifache verfassungsrechtliche Bedeutung dieser Vorschrift enthält sowohl eine Institutsgarantie wie ein Grundrecht auf Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und darüber hinaus eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe und Familie betreffende Recht.73 Der verfassungsrechtlich in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung setzt zunächst eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus.74 Diese Verpflichtung ergibt sich aus der untrennbaren Verbindung des Grundrechts mit der Institutsgarantie, welche notwendig nach einer rechtlichen Ordnung verlangt.75 Auch die „(. . .) Verwirklichung der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG bedarf einer allgemeinen familienrechtlichen Regelung, welche diejenige Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau, die als Ehe den Schutz der Verfassung genießt, rechtlich definiert und abgrenzt.“76 Dem folgt auch der Bundesgerichtshof77 wenn er festhält, daß „(. . .) die Normierung allein der Scheidungsvoraussetzungen ohne die Scheidungsfolgen dem in Art. 6 I GG enthaltenen Gesetzgebungsauftrag nicht gerecht werden“ würde. „Auch eine angemessene Regelung der Folgen einer Eheauflösung fällt daher in den Schutzbereich des Art. 6 I GG.“ Zu den hier angesprochenen Folgen der Eheauflösung werden auch die vermögensrechtlichen Folgen, welche durch Ehevertrag abänderbar sind, zu zählen sein. Der Gesetzgeber hat seine Pflicht, das Rechtsinstitut der Ehe in einer seiner Natur und Funktion entsprechenden Weise auszugestalten, erfüllt.78 Dabei kann er die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auch zum Anknüpfungspunkt spezieller wirtschaftlicher Rechtsfolgen machen, sofern das der Eigenart des geregelten Lebensgebiets entspricht und die Ehe dadurch nicht diskriminiert wird.79 Der so gebildete Rahmen soll die Ehegatten entlasten, indem er ihnen eine Orientierungshilfe bietet.80 getragen, nicht auf die Schranken der Berufsfreiheit zurückgreifen zu müssen, sondern das Schrankentrias aus Art. 2 Abs. 1 GG nutzen zu können. 73 BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, BVerfGE 24, 119 (135) „Adoption“; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, 9. Aufl., 1999, Art. 6 GG, Rdnr. 1; Krings, ZRP 2000, 409 (411) m. w. N.; Buschendorf, Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, 1987, S. 179. 74 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101). 75 BVerfG, 04.05.1971, 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 (69). 76 BVerfG, 04.05.1971, 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 (69). 77 BGH, 21.03.1979, IV ZB 142/78, FamRZ 1979, 477 (481). 78 Schmitt-Kammler, in: Sachs, 2. Aufl., 1999, Art. 6 GG, Rdnr. 29. 79 BVerfG, 03.10.1989, 1 BvL 78/86, BVerfGE 81, 1 (7). 80 Gernhuber, FamRZ 1979, 193 (194).
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
Mit dem Ehevertrag können dann die Ehegatten ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach abweichend von der Ordnung regeln, wie sie der Gesetzgeber modellartig zur ihrer Entlastung vorgegeben hat. „Art. 6 Abs. 1 GG gibt ihnen hierbei das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten.“81 Der Abwehrcharakter von Art. 6 Abs. 1 GG sichert dann über die Ehegestaltungsfreiheit den Ehegatten die Möglichkeit, ihre güterrechtlichen Verhältnisse und finanziellen Beziehungen durch Ehevertrag abweichend von den gesetzlichen Vorgaben zu regeln.82 Für die Ehe wird neben der Eheschließungs- und Eheauflösungsfreiheit durch Art. 6 Abs. 1 GG eben auch die Ehegestaltungsfreiheit verfassungsrechtlich verbürgt.83 Die verfassungsmäßige Verbürgung der Ehevertragsfreiheit wird somit nicht aus der Allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten sein. Vielmehr ergibt sich die grundgesetzliche Absicherung der Ehevertragsfreiheit bereits aus Art. 6 Abs. 1 GG. Die Freiheitsrechte, gegenüber denen Art. 2 Abs. 1 GG subsidiär ist, garantieren in Abhängigkeit vom jeweiligen Inhalt des Vertrages die Freiheit zum Vertragsschluß im spezielleren Schutzbereich mit.84 Trotzdem bleibt die Vertragsfreiheit stets ergänzend auch durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, wenn und soweit die vertragliche Abrede keinem Schutzbereich eines spezielleren Freiheitsgrundrechtes zugeordnet werden kann.85 Vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist somit die freie Wahl des Ehegüterrechts und der finanziellen Beziehungen der Ehegatten untereinander, mithin die Ehevertragsfreiheit erfaßt.86
81 BVerfG, 18.04.1989. 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 (92); BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101). 82 Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 27; Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 6 GG, Rdnr. 3; Rauscher, FamRZ 1997, 1121 (1123). 83 Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 6 GG, Rdnr. 20. Nach BVerfG, 10.01.1984, 1 BvL 5/83, NJW 1984, 1523 und BVerfG, 14.11.1984, 1 BvR 14, 1642/82, NJW 1985, 1211 schützt Art. 6 Abs. 1 GG die freie Entscheidung der Ehegatten über die Aufgabenverteilung in der Ehe. 84 Laufke, Vertragsfreiheit und Grundgesetz, FS für Heinrich Lehmann, 1956, Band I, S. 145 (162 f.); Körner, Vertragsfreiheit im neuen Ehegüterrecht, 1961, § 6.1., S. 13; Starck, in: v. Mangold/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 4. Aufl., 1999, Art. 2 GG, Rdnr. 136; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 85; Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichem Gewande, 2000, S. 469 f.; Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, Freiheitsrechte, 2. Aufl., 2001, § 152, Rdnr. 59; Ritgen, JZ 2002, 114 (116); a. M.: Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, S. 133 ff., 187 ff. 85 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.II.1., S. 55; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 85; Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 86 Richter, in: AK-GG, Band 1, 2. Aufl., 1989, Art. 6 GG, Rdnr. 31 f.; Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 6 GG, Rdnr. 3; Schmitt-Kammler, in: Sachs, 2. Aufl., 1999,
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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In dieser Richtung erkennt auch das Bundesverfassungsgericht.87 Die Ehegatten brauchen die Regelungen über den Versorgungsausgleich nicht zwingend hinzunehmen. Ihnen ist mittels § 1408 Abs. 2 BGB eine im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 GG bedeutsame Gestaltungsfreiheit eröffnet.88 Da der Versorgungsausgleich vor den Freiheiten des Art. 6 Abs. 1 GG nicht verfassungswidrig war, erübrigte sich für das Bundesverfassungsgericht eine weitere Überprüfung auch an den allgemeinen Gewährleistungen des Art. 2 Abs. 1 GG.89 Die den Ehegatten in § 1408 Abs. 2 BGB gegebene Möglichkeit, den Versorgungsausgleich auszuschließen, war für das Bundesverfassungsgericht somit ein wesentlicher Grund, die Übereinstimmung des Versorgungsausgleichs mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 GG, Rdnr. 26; Skuludis, Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 26; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.II., S. 3, Rdnr. 7; § 1.VI., S. 9, Rdnr. 22; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)bb), S. 160; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.II.1., S. 57; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 85; unklar: Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.I.2.c)cc)(3), S. 16 und B.III.2., S. 36 – wobei die Bezugnahme auf die erbvertragliche Abschluß- und Inhaltsfreiheit andeutet, daß auch die ehevertraglichen Freiheiten vom Spezialgrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG erfaßt sind; a. M.: Leibholz/Hesselberger/Rinck; Art. 6 GG, Rdnr. 21: Das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander ist über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Das gelte grundsätzlich auch für Vereinbarungen über vermögensrechtliche Ansprüche der Ehegatten, die zwischen ihnen bei Scheidung Bedeutung gewinnen. Nach Körner, Vertragsfreiheit im neuen Ehegüterrecht, 1961, § 6.1.5., S. 13 ff. (15) schütze Art. 6 Abs. 1 GG allein die persönlichen Bande innerhalb der Ehe. Das Ehegüterrecht als rein vermögensrechtliche Auswirkung der Ehe werde nicht gewährleistet. 87 BVerfG, 28.02.1980, 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (296 ff.) = NJW 1980, 692 (694 f.). In diese Richtung orientierte auch schon der BGH, 21.3.1979, IV ZB 142/78, FamRZ 1979, 477 (481), wenn er darauf hinweist, daß die Einführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich Art. 6 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, da „(. . .) der Gesetzgeber den Eheleuten den VersAusgl (zumindest bei Neuehen) nicht aufzwingt, sondern es ihnen freistellt, den VersAusgl durch Ehevertrag auszuschließen (§1408 II BGB).“ Ganz anders dagegen: BVerfG, 03.10.1989, 1 BvL 78, 79/84, BVerfGE 81, 1 (10) „Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB)“: Das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten wird in ihren finanziellen Beziehungen untereinander durch Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Ähnlich auch: BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, 66/78, BVerfGE 60, 329 (339) „Scheidungsfolgenvereinbarung zum Versorgungsausgleich, Genehmigungspflicht (§ 1587o Abs. 2 S. 3 BGB)“: Art. 2 Abs. 1 GG ist über seine Bedeutung als Gewährleistung der auch die Vertragsfreiheit umfassenden allgemeinen Handlungsfreiheit hinaus für den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre maßgebend, zu der namentlich die Ehe und ihre Auswirkungen gehören (Art. 6 Abs. 1 GG). Insoweit wird das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander verfassungsrechtlich geschützt. Das gilt grundsätzlich auch für Vereinbarungen über vermögensrechtliche Ansprüche der Ehegatten, die zwischen ihnen bei Scheidung ihrer Ehe Bedeutung gewinnen. Beide Entscheidungen betrafen jedoch nicht Vereinbarungen der Ehegatten im Rahmen der Ehevertragsfreiheit im engeren Sinne nach § 1408 BGB. 88 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.II., S. 3, Rdnr. 7. 89 BVerfG, 28.02.1980, 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (296 ff.) = NJW 1980, 692 (694 f.).
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
Art. 3 Abs. 2 GG zu bejahen.90 Die Einführung des Versorgungsausgleichs ist nur vor dem Hintergrund der durch § 1408 Abs. 2 BGB gewährten Ehevertragsfreiheit zu rechtfertigen.91 Ohne die Bestimmung des § 1408 Abs. 2 BGB wäre der Versorgungsausgleich ein Verfassungsverstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG.92 Berücksichtigt man, daß der Versorgungsausgleich lediglich den Zugewinnausgleichsgedanken im Bereich der Altersversorgung konkretisiert,93 dann kann gefolgert werden, daß die Freiheit der Abänderung der gesetzlichen Regelgüterordnung als Korrektiv notwendig ist, um einen Verfassungsverstoß zu vermeiden. Erst eine umfassend durch Art. 6 Abs. 1 GG eröffnete Gestaltungsfreiheit im Ehevermögensrecht, zu realisieren durch den Abschluß von Eheverträgen, nimmt der gesetzestechnischen Privilegierung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit.94 Es ist daher unzutreffend, daß der gesetzlichen Statuierung eines zwingenden Güterrechtes, also der Entziehung des ehelichen Güterrechtes aus der Privatautonomie, keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen stünden.95 „Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, die (. . .) Familiengemeinschaft (. . .) auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren. Die Ehegatten bestimmen in gleichberechtigter Partnerschaft (. . .) ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung (. . .).“ Die Norm „berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten.“96 b) Die Ehevertragsfreiheit und gesetzlicher Güterstand Die dispositiven Normen des Privatrechts, so auch des Ehevermögensrechts, sind keine Ge- oder Verbote. Es erfolgt die gesetzliche Typisierung des mutmaßlichen Willens vernünftiger und redlicher Parteien.97 Regelungsvorschläge 90
Scheld, Rpfleger 1981, 253 (256). Langenfeld, DNotZ 1998, 281* (282*). 92 Scheld, JZ 1980, 643. Siehe auch Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 19, Fußn. 56, der die Dispositionsfreiheit zum Versorgungsausgleich mit dem BVerfG als eine im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 GG bedeutsame Gestaltungsfreiheit ansieht. 93 Siehe nur: Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, Einf v 1587 BGB, Rdnr. 1; Schwab, Familienrecht, 9. Aufl., 1999, § 40.I., Rdnr. 392, S. 187; Frank, AcP 200 (2000), S. 401 (403). 94 Richter, in: AK-GG, 2. Aufl., 1989, Art. 6 GG, Rdnr. 31a. 95 So aber: Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (139); ders., Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 19; kritisch: Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.III.1., S. 33, 35 f.; vgl. auch: Zöllner, FamRZ 1965, 113 ff. 96 BVerfG, 18.04.1989, 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 (90) = NJW 1989, 2195 (2196); ebenfalls: BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101) = NJW 2001, 957 (958). Siehe auch: Dauner-Lieb, FF 2002, 151. 91
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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werden vom Gesetzgeber unterbreitet. Sie gelten, werden andere Regeln nicht vereinbart.98 Sie dienen auch im Sinne einer gesetzgeberischen Rationalisierung, um den Vertragsparteien eigene Abreden zu ersparen.99 Dispositive Normen bieten auch den Vorteil, daß Rechtsprechung und anwaltliche Beratung zumeist auf ein einheitliches Verständnis dieser Normen zurückgreifen können. So findet sich daher im Bürgerlichen Gesetzbuch eine vom Gesetzgeber angebotene Ausgestaltung einzelner Güterstände. Diese Güterstände können die Ehegatten wahlweise für ihre Ehe komplett akzeptieren. Sie können die Güterstände jedoch ebenfalls durch einen Ehevertrag ihren persönlichen Wünschen und Bedürfnissen anpassen.100 Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt daher immer nur subsidiär mangels anderweitiger ehevertraglicher Regelung.101 Eine besondere Privilegierung kann der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft deshalb nicht beanspruchen. Insofern gelten die gleichen Erwägungen, wie zum Versorgungsausgleich dargestellt. Gibt der Gesetzgeber, verpflichtet durch die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG, einen Rahmen für die güterrechtliche Ordnung durch Normierung eines gesetzlichen Güterstandes vor, dann ist diese Vorgehensweise aber nur dann mit der Freiheitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Vorgaben durch Ehevertrag abänderbar sind. Nur die Möglichkeit einen Ehevertrag abzuschließen, führt zur Verfassungsmäßigkeit der Schaffung eines gesetzlichen Güterstandes. In seiner individual-grundrechtlichen Dimension muß daher Art. 6 Abs. 1 GG den Ehegatten die Befugnis zur autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft gewähren. Den Ehegatten ist die rechtliche Ausgestaltung ihrer Ehe nach eigenen Wertvorstellungen und Wünschen zu ermöglichen.102 97 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (285); Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 47. Auch nach Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, FS für Ludwig Raiser, 1974, S. 3 (6) sind die zwingenden und dispositiven Gesetzesvorschriften „richtig“, weil diese Regelungen typischerweise von den Parteien seit geraumer Zeit im rechtsgeschäftlichen Verkehr vereinbart worden waren. 98 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 47; Langenfeld, Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, S. 5 f.; ders., Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.VI., S. 7, Rdnr. 18. 99 Medicus, AcP 192 (1992), 35 (47). 100 Hartmann-Hilter, Ehevertrag, 2. Aufl., 1978, IV.1., S. 113. Schon v. Baligand, Der Ehevertrag, 1906, § 6, S. 36 hielt hierzu fest: „(. . .) die Stellung der Gemeinschaftsgüterstände nach den allgemeinen Vorschriften über den Ehevertrag deutet scheinbar darauf hin, daß der Gesetzgeber damit wirklich nur „Musterordnungen“ aufstellen, nur das Material liefern wollte, mit dem sich die Ehegatten ein Gebäude nach Belieben errichten können.“ Nur „scheinbar“ deshalb, weil auch v. Baligand, a. a. O., S. 34 ff. (40) die Ansicht vertritt, wonach eine Beschränkung der Ehevertragsfreiheit durch das Wesen des als geltend vereinbarten Güterstandes erfolgt. 101 BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 (2241). 102 Friauf, NJW 1986, 2595 (2601). In diesem Sinne schon Diederichsen, NJW 1977, 217: „Der Gesetzgeber sieht es als die ureigenste Aufgabe mündiger Eheleute an, daß sie ihre Lebensbeziehungen, soweit ihre Gemeinschaft intakt ist, selbst – im wahren Wortsinne: autonom – regeln. Nimmt man diese Aufforderung an, muß jede Dar-
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
Diese Vertragsfreiheit soll den Ehegatten nicht nur im Ehegüterrecht die Möglichkeit gewähren, ihre ehevermögensrechtlichen Verhältnisse dann abweichend vertraglich zu regeln, wenn das Gesetz den Eigenarten ihrer Ehe nicht gerecht wird.103 c) Die Ehevertragsfreiheit und die Förderung von Ehe und Familie Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, welche die mit einer Ehescheidung verbundenen Rechtsfolgen betreffen, müssen auch aus weiteren Erwägungen in ausgleichender Art und Weise Art. 6 Abs. 1 GG beachten. Auch in diesem Zusammenhang verdeutlicht sich die Nähe des Ehevertrages zum Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG. Einmal muß positiv in ihnen der Charakter der Ehe auch hinsichtlich der Nachwirkungen als einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft zum Ausdruck kommen. Negativ müssen sie vermeiden, daß gerade vom Recht der Scheidungsfolgen eine maßgebliche Ursache für die generelle Abnahme der Bereitschaft, die Ehe einzugehen, gesetzt wird.104 Diese Bereitschaft ist durch das Recht der Scheidungsfolgen beeinträchtigt, wenn die möglichen Folgen einer Scheidung bereits anfänglich ein ernstes Motiv gegen die Realisierung der Eheabsicht geben können. Diese Überlegungen sind durch die gesetzliche Möglichkeit zur Erzwingung einer Scheidung angezeigt. Jedem Ehegatten sollte schon bei der Hochzeit klar sein, daß auch ihn die wirtschaftlichen Folgen der Ehescheidung treffen können, unabhängig davon, ob er die Scheidung der Ehe will oder nicht. Sind die gesetzlichen Bestimmungen des Rechts der Scheidungsfolgen auch geeignet, der Eheschließung entgegenzuwirken, dann kann die Erfüllung des Schutzauftrages aus Art. 6 Abs. 1 GG gefährdet sein. Die mittelbaren Auswirkungen des Rechts der Scheidungsfolgen sollen in der Summe sogar zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Ausgestaltung führen.105 Die Zuordnung der Freiheit zum Abschluß von Eheverträgen zum Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG wird noch durch einen weiteren Aspekt bestätigt. Die bürgerliche Ehe steht in Konkurrenz zur Lebensgemeinschaft von Frau und Mann ohne Trauschein. Sie kann sich dort nur behaupten, wenn der Ehevertrag bewußt und gezielt eingesetzt wird, um die Vorstellungen der jeweils Beteiligten von Bindung und Freiheit im konkreten Zusammenleben zu verwirklichen und gegebenenfalls nicht passende Rechtsfolgen zu vermeiden.106 Potentielle stellung der allgemeinen (gesetzlichen) Ehewirkungen in Ausführungen über Ehevereinbarungen münden, in denen die Eheleute diesen Gestaltungswillen manifestieren.“ 103 Gernhuber, EWiR 1997, 591 (592). 104 Pirson, in: Bonner Kommentar, Stand 10/1990, Art. 6 Abs. 1 GG, Rdnr. 116. 105 Pirson, in: Bonner Kommentar, Stand 10/1990, Art. 6 Abs. 1 GG, Rdnr. 129.
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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Ehegatten müssen Bedenken, welche den Heiratsabsichten wegen möglicher Scheidungsfolgen entgegenstehen, durch den Abschluß eines Ehevertrages unter Abänderung des als störend empfundenen Rechts der Scheidungsfolgen ausräumen können. Die Möglichkeit, Eheverträge einzugehen, fördert mit diesem Verständnis auch die Bereitschaft zur Eheschließung. Auch deshalb dient sie der Umsetzung des Schutzauftrages aus Art. 6 Abs. 1 GG. Dieser erschöpft sich bekanntlich nicht nur im besonderen Schutz von Ehe und Familie, sondern beinhaltet auch die Pflicht zur Förderung von Ehe und Familie.107 d) Die Ehevertragsfreiheit und das Gebot einer Inhaltskontrolle Ist die Freiheit zum Abschluß von Eheverträgen ein Bestandteil des Schutzbereiches von Art. 6 Abs. 1 GG, dann nimmt sie auch an dem dortigen besonderen Schutz teil. Dieser Schutz muß über den ganz allgemein von Art. 2 Abs. 1 GG gewährten Schutz der Vertragsfreiheit hinausgehen.108 Andererseits wurde ausführlich begründet, daß gerade der Ehevertrag das konkrete privatrechtliche Instrument ist, um den ausdrücklich durch Art. 6 Abs. 1 GG angeordneten Schutz des Freiheitsbereiches der Ehe vor der staatlichen Einwirkung durch die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Rechts der Scheidungsfolgen zu ermöglichen. Hierdurch wird für die Freiheit zum Abschluß von Eheverträgen ein gegenüber der allgemeinen Vertragsfreiheit hervorgehobenes Spannungsfeld begründet. Im Gegensatz zur allgemeinen Vertragsfreiheit muß für die Ehegatten anfänglich eine nahezu allumfassende inhaltliche Gestaltungsmöglichkeit eröffnet sein. Der Freiraum der Ehe ist nur dann hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung besonders geschützt. Andererseits ist jedoch besonders streng darüber zu wachen – auch das gebietet die besondere Schutzfunktion von Art. 6 Abs. 1 GG – ob beide Ehegatten auch wirklich ihr Freiheitsrecht selbst bestimmt ausüben konnten. Es treffen dann zwei unterschiedliche Freiheitsräume aufeinander. Ehe und Familie sind eine autonome Freiheitssphäre der Privatheit. Das Privatrecht ist die Sphäre privater Freiheit.109 Private Freiheit unterscheidet sich von der Privatheit erheblich. Es geht nicht nur um die Freiheit vor staatlichen Eingriffen ganz allgemein, sondern um die Freiheit vor jeglichem, auch privatrechtlichem Zwang. Wenn der Staat die Einhaltung privatrechtlicher Bindungen in diesem 106
Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.VI., S. 8 f., Rdnr. 20. Jarass/Pieroth, 6. Aufl., 2002, Art. 6 GG, Rdnr. 10 f. 108 Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 141 (142) weisen unter Bezug auf BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 „Ehevertrag I“ darauf hin, daß eine besondere richterliche Inhaltskontrolle gefordert ist, wenn dies ein weiteres Grundrecht bzw. ein besonderer staatlicher Schutzauftrag gebietet. 109 Rolland, FS für Dieter Henrich, 2000, S. 467 (485). 107
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§ 3 Die Grundlagen von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und Ehe
Bereich trotzdem anordnet, hat er zwei Faktoren zu beachten. Er muß einmal bedenken, daß der Freiheitsraum anfänglich sehr weit ist. Die Ehegatten besitzen die Befugnis, inhaltlich nahezu jegliche Abrede zu treffen. Sie können ohne inhaltliche Vorgaben autonom entscheiden, was in ihrer Ehe gelten soll. Das ist, richtig verstanden, die „volle Vertragsfreiheit“ der Ehegatten. Dem gegenüber muß aber auch erkannt werden, daß dieser Freiheitsraum sehr instabil ist. Stabilisierung und Ausgleich durch Markt und Wettbewerb, durch Vergleich der Angebote und durch Abwägung von Handlungsalternativen sind nicht oder jedenfalls kaum möglich. Schon geringe Störungen können daher die Freiheit in dieser Sphäre nachhaltig beeinträchtigen. Ob im Ergebnis die Angemessenheit oder Unangemessenheit der vertraglichen Regelung vorrangig als Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle des Ehevertrages heranzuziehen sein kann, erscheint deshalb eher fraglich. Wo der Freiheitsraum weit ist, die „volle Vertragsfreiheit“ gewährt wird, sind auch höchst unangemessen wirkende Vereinbarungen zu akzeptieren. Vorrang muß daher die Prüfung haben, ob beiden Ehegatten genügend Freiraum zur Verfügung stand. Nur wenn weitestgehend sicher ist, daß die Vereinbarungen des Ehevertrages, mögen sie auch außerordentlich unangemessen wirken, auf einer selbst bestimmten Entscheidung beruhen, erfüllt das Gericht im Rahmen der Inhaltskontrolle den besonderen Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG und darf darauf verweisen, daß Vertrag eben Vertrag ist. Bleiben aber begründete Zweifel an einer selbst bestimmten Entscheidung, dann darf ein unangemessener Ehevertrag keinen Bestand haben und muß aufgehoben und ersetzt werden. Hat sich ein Ehegatte fremdbestimmt der gesetzlichen Rechte begeben, die seinen besonderen Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG bewirken sollen, dann muß er schon während der gesamten Ehe darauf vertrauen dürfen, daß ihn die unangemessenen Folgen der vertraglichen Abrede bei Beendigung der Ehe durch eine Scheidung nicht treffen werden. Ansonsten würden sukzessive immer weitere Fremdbestimmungen hinzutreten. So tritt die Fremdbestimmung hinzu, die Ehe aus wirtschaftlichen Erwägungen fortsetzen zu müssen, obwohl Art. 6 Abs. 1 GG auch die Freiheit zur Auflösung der Ehe schützt. Möglich ist auch Fremdbestimmung dadurch, daß der Ehegatte die dem gesetzlichen Güterstand zugrunde liegende eheliche Aufgabenverteilung durch Familienarbeit nicht annehmen kann, weil er beispielsweise wegen des Verzichts auf Durchführung des Versorgungsausgleichs keine eigene Altersversorgung aufzubauen vermag. Diese Umstände widersprechen dem besonderen Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG, aber auch ergänzend dem Elternrecht, Art. 6 Abs. 2 GG. In diesem Sinne ist die Ehevertragsfreiheit keine Angelegenheit, die sich ausschließlich nur im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewähren muß. Sie kann ihre Bewertung ferner durch die Dauer der Ehe und die sich gegebenenfalls auch wechselnde eheliche Rollenverteilung finden.
II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit
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3. Eine Zusammenfassung Als Zusammenfassung ist festzuhalten, daß Art. 6 Abs. 1 GG den Freiheitsbereich der Ehegatten zur inhaltlichen Gestaltung eines Ehevertrages einerseits sehr weit öffnet. Diese Autonomie verbietet grundsätzlich inhaltliche Beschränkungen an dem Maßstab der Angemessenheit, wie er bei der richterlichen Inhaltskontrolle gilt. Andererseits wird die Ehe als gleichberechtigte Partnerschaft jedoch auch verlangen, daß keiner der Ehegatten übermäßig Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung des Ehevertrages nimmt. Hier sind der Gestaltungsfreiheit im Ehevertrag vorrangig Grenzen zu setzen. Auch der zeitliche Abstand zwischen Vertragsabschluß und Rechtsfolgenwirkung bleibt zu beachten. Entsprechendes gilt für die Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen seit dem Vertragsabschluß.
§ 4 Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit Die Grenzen der Vertragsfreiheit für die inhaltliche Ausgestaltung von Eheverträgen müssen sich aus den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit ergeben. Es ist deshalb insbesondere zu untersuchen, wann die tragenden Gedanken der Vertragsfreiheit den Eingriff in die inhaltliche Gestaltungsfreiheit verlangen.
I. Die Begrenzung der Vertragsfreiheit Die Freiheit, den Inhalt eines Vertrages nach den Interessen des einen Vertragsteils zu gestalten, wird durch die Freiheit des anderen Vertragspartners, daß auch dessen Interessen zu berücksichtigen sind, begrenzt. Die „(. . .) Schranken der individuellen Betätigungs- und damit auch der Vertragsfreiheit sind dem Recht als einer Gemeinschaftsordnung immanent; es bedarf nicht erst eines Gesetzes, um sie aufzurichten. Die Fälle, in denen ein Gesetz das getan hat, sind nicht unorganische Ausnahmen, sondern durch ein besonderes Bedürfnis veranlaßte konkrete Anwendungsfälle des Rechtsgrundsatzes, der in anderen Fällen auch von der Rechtsprechung konkretisiert werden kann und muß.“1 Als Obersatz gilt deshalb: Keine Freiheit ist grenzenlos, auch nicht die Vertragsfreiheit.2 Privatautonomie und Vertragsfreiheit sind zwar Grundprinzipien der Privatrechtsordnung. Doch auch sie gewähren keine totale, absolute Freiheit zur beliebigen Ausgestaltung rechtlicher Beziehungen. Vielmehr bestehen sie schon anfänglich nur im Rahmen der von der Rechtsordnung gezogenen Schranken, der geltenden Gesetze.3 Nur innerhalb dieser Grenzen können die 1 Ludwig Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27.I. 3.b), S. 282. 2 Neben vielen anderen: Gottfried Raiser, Die gerichtliche Kontrolle von Formularbedingungen, 1966, S. 32; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, 1970, S. 17 f.; Kramer, Die „Krise“ des liberalen Vertragsdenkens, 1974, S. 39; Hönn, JuS 1990, 953; Hübner, FS für Bodo Börner, 1992, S. 717 (725); Coester-Waltjen, Jura 1994, 534; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1223); Vykydal, JA 1996, 81 (82); WellenhoferKlein, ZIP 1997, 774 (781); Schlechtriem, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl., 1997, Rdnr. 35, S. 22; Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1. 3 Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, S. 1 (4); Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)cc), S. 161.
I. Die Begrenzung der Vertragsfreiheit
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Subjekte des Privatrechts, mithin auch die Ehegatten, durch Vertrag ihre Beziehungen zueinander frei gestalten.4 Denn: Die Privatautonomie ist dort unter Kontrolle zu nehmen, wo sie die ihr zugewiesene Funktion nicht mehr zu erfüllen vermag.5 Ist es Ziel der Gewährleistung von Vertragsfreiheit, einen angemessenen Interessenausgleich durch frei ausgehandelte Verträge zu ermöglichen, dann müssen wesentliche Funktionsvoraussetzungen erfüllt sein. Probleme bereiten deshalb die Fälle, in denen die Funktionsvoraussetzungen schlicht fehlen oder wenigstens nachhaltig gestört sind. Ganz allgemein soll der Hinweis vorangestellt werden, daß frei disponierende Wirtschaftssubjekte die günstigsten Rahmenbedingungen für eine rationelle Produktion und Verteilung von Gütern bieten. Deshalb ist die Vertragsfreiheit auch das maßgebliche privatrechtliche Instrument6 zur Wirtschaftsgestaltung und somit unverzichtbare Funktionsvoraussetzung einer marktwirtschaftlichen Ordnung.7 Mit dieser Sicht dient die Vertragsfreiheit einmal einer möglichst vollständigen und ungehinderten Befriedigung von Bedürfnissen der Bürger. Zur Wahrung der Vertragsfreiheit verpflichten daher nicht nur ausschließlich die Individualinteressen. Deren Schutz verfolgt auch einen politischem Zweck. Es geht um das grundsätzliche Bekenntnis zu Markt und Wettbewerb. In Form gegenseitiger Abhängigkeit8 stellen dann wiederum Markt und Wettbewerb das effizienteste Mittel zur Gewährleistung der Vertragsfreiheit dar. Jeder Vertrag ist als Vereinbarung in Selbstbestimmung nur möglich, wenn allgemein die vertraglichen Abreden in Selbstbestimmung getätigt werden. Dann trägt jeder Vertrag auch seinen Teil dazu bei, daß wieder andere Vertragspartner ihre Abreden auch in freier Selbstbestimmung werden treffen können.9 Insofern 4 BAG, 16.03.1994, 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937 (939); Boemke, NZA 1993, 532 ff.; ders., Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, § 5.II.1.b)cc), S. 161. 5 Geißler, JuS 1991, 617 (621). 6 BGH, 20.09.1995, VIII ZR 52/94, DTZ 1996, 48. 7 Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsverfassungsrecht, 2. Aufl., 1984, S. 48; Hönn, Jura 1984, 57 (60, 69); Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, S. 1 (2); Spieß, DVBl. 1994, 1222. Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Öffentlichem Recht: Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht in Geschichte und Gegenwart, FS für Fritz Rittner, 1991, S. 69; Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.II., Rdnr. 83, S. 76. 8 Hefermehl, in: Erman, 10. Aufl., 2000, Vor § 145 BGB, Rdnr. 26a. 9 Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (144); Hönn, Jura 1984, 57 (60, 63 f., 69); Rittner, AcP 188 (1988), 101; Schmidt, DRiZ 1991, 81 (82); Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85 (100); Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I., S.156; Löwisch, in Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 305 BGB, Rdnr. 5; Rüthers, Allgemeiner Teil, 10. Aufl., 1997, § 3.I.2., S. 29, Rdnr. 42; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 2.II.3.a., S. 34; Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 10.II.3.b), Rdnr. 72, S. 37 f.; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (293); Kramer, in MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 6; Stoffels, JZ 2001, 843 (844). Auch Lieb, DNotZ 1989, 274
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§ 4 Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit
ist die Vertragsfreiheit durchaus eine grundsätzlich auf kollektive Wahrnehmung ausgerichtete Freiheit, die sich durch die tägliche kollektive Ausübung selbst schützt. Wettbewerb schafft erst das Güterangebot, auf dessen Grundlage sich tatsächliche Entscheidungsfreiheit wirkungsvoll entfalten kann. Ohne Wahlmöglichkeiten durch funktionierenden Wettbewerb ist die Vertragsfreiheit bereits anfänglich begrenzt, weil der Vergleich mit anderen Angeboten nicht möglich ist.10 Deshalb wird zu Recht angemerkt, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dienen nicht nur dem Schutze des Wettbewerbs, sondern auch dem Schutze der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, mithin auch dem Schutze der Vertragsfreiheit.11 Die Vorstellung, Markt und Wettbewerb allein können die Vertragsfreiheit ausreichend gewährleisten, existierte zwar.12 Sie war jedoch schon bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht unumstritten13 und wurde schon bald aufgegeben.14 Einhellige Ansicht ist heute: Auch wenn tatsächlich Markt und Wettbewerb eine bestimmte Abrede hervorgebracht haben, so muß sie al-
(275 ff.) sieht einen starken rechtspolitischen Einfluß als Ursache für die Wandlungen im Verständnis von Eigenverantwortlichkeit und Schutzbedürftigkeit. 10 Hönn, Jura 1984, 57 (62); Vykydal, JA 1996, 81 (82); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (293 f.). Die Ehevertragsfreiheit leidet daher schon unter dem ihr eigenen Defizit, daß Markt und Wettbewerb in diesem Bereich eigentlich nicht stattfinden. Darüber hinaus wird die Ehevertragsfreiheit wohl auch durch ein von Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (24) als Grundlage einer Inhaltskontrolle außerhalb des AGB-Gesetzes beschriebenes Phänomen gekennzeichnet. Hiernach entsteht neben dem dispositiven Recht ein Regelungsmuster, welches dem dispositiven Recht nahezu diametral gegenübersteht und keine billigen und gerechten Lösungen enthält. Wenn das Unbillige und das Ungerechte als das Übliche angesehen wird, dann verschieben sich insgesamt die Wertmaßstäbe und damit auch der Maßstab, an dem der einzelne im Vertragskompromiß seine Vor- und Nachteile mißt. 11 Hönn, Jura 1984, 57 (63); Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 10.III.1., Rdnr. 73, S. 39; Niemöller, Das Verbraucherleitbild in der deutschen und europäischen Rechtssprechung, 1999, § 6.II.1.c), S. 228 f. 12 Siehe nur: Ludwig Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27.I.1., S. 278; Limbach, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 583 (584); Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 1.I.3., S. 22. 13 In dieser Richtung hat schon v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1889, S. 22 ausgeführt, wenn er warnend dem entstehenden BGB entgegenhält: „Allein so gewiß es ist, daß eine Privatrechtsordnung, welche den freien Willen enttrohnte, ihrem heiligsten Berufe untreu würde, so selbstverständlich ist es auch, daß kein Privatrecht, das nicht das soziale Chaos heraufbeschwören will, sich der Aufgabe entziehen kann, dem freien Spiel der Einzelwillen in der Erzeugung von Rechtsverhältnissen Schranken zu setzen.“ 14 Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27.I.2., S. 279: „Der Glaube, im möglichst ungehinderten Gewährenlassen der individuellen Kräfte gedeihe von selbst auch die Gemeinschaft am besten, ist geschwunden.“ Ferner: Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1983, S. 263; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1223).
II. Die beiden Seiten der Vertragsfreiheit
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lein deshalb noch nicht wirksam sein. Vor allen Dingen dürfen die Folgen für die Vertragsfreiheit nicht unterschätzt werden, fehlt der zumeist schon hinreichende Ausgleich der widerstreitenden Interessen durch Markt und Wettbewerb. Dann ist die Vertragsfreiheit schon von Anfang an nachhaltig gefährdet. Allein schon diese Erkenntnis ist auch richtungweisend für die Freiheit der Ehegatten im Rahmen der inhaltlichen Gestaltung ihres Ehevertrages. Hier fehlt jegliches kollektives Element. Man kann von einem beiderseitigen Kontrahierungszwang sprechen, da die Partnerwahlfreiheit als Bestandteil der Vertragsfreiheit gänzlich aufgehoben ist. Selbstverständlich handelt es sich nicht um Kontrahierungszwang im herkömmlichen Sinne. Bei sittlich-moralischen Bindungen eines Rechtssubjekts, wie sie im familiären Bereich vorhanden sind, fehlt es an dem für den Kontrahierungszwang charakteristischen Rechtszwang. Trotzdem können sich auch hier die Rechtssubjekte verpflichtet fühlen, auf Anforderung einen Vertrag – möglicherweise zu „Vorzugskonditionen“ abzuschließen.15 Wenn aber Markt und Wettbewerb nicht für eine Äquivalenz der Leistungen Sorge tragen können, ist die Vertragsfreiheit gefährdet.16 Beim Ehevertrag gibt es wohl weder Markt, noch Wettbewerb. Auch der Blick auf Markt und Wettbewerb als Funktionsvoraussetzungen der Vertragsfreiheit zeigt daher: die Vertragsfreiheit ist zum Zwecke ihrer Bewahrung zu begrenzen.
II. Die beiden Seiten der Vertragsfreiheit Woraus ergeben sich nun die immanenten Grenzen der Vertragsfreiheit? Wie man formelle und materielle Schranken der Vertragsfreiheit unterscheidet,17 so wird auch zwischen formeller und materieller Vertragsfreiheit differenziert.18 15
Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, S. 113. Becker, WM 1999, 709 (712). Ähnlich: Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1., S. 157; Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (392); Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2294); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (776); Ritgen, JZ 2002, 114 (119). 17 Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.III.4.(1), S. 41. 18 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 298 ff.; ders., Jura 1984, 57 (66, 72); ders., Der Schutz des Schwächeren in der Krise, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (255, 259). Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.IV.1., S. 44 ff.; Honsell, JuS 1993, 817; Grün, WM 1994, 713 (714); Kohte, ZBB 1994, 172 (175); Hesse/ Kaufmann, JZ 1995, 219 (220) – materiale und formale Prinzipien; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, § 10.II., S. 78 ff.; Kramer, Krise des Vertragsdenkens, 1974, S. 20 f.; ders., in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 5; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 158 f., 753 f.; Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger, 1996, S. 144; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 498 f.; Drexl, Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 7, 208 f., 266 ff., 294; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.e)aa), S. 49; ders., AcP 200 (2000), S. 273 (277 f.); Damm, VersR 1999, 129 (131) arbeitet mit „formaler und realer Vertragsfreiheit; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.III.3., S. 74 ff.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Ge16
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§ 4 Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit
1. Die formelle Vertragsfreiheit Die Vertragsfreiheit bedarf zunächst gesetzlich vorgegebener Ordnung. Nur dann kann sie ihre Funktion im Rechtsverkehr überhaupt tatsächlich entfalten. Deshalb muß sie in die Rechtsordnung im Wege rechtlicher Ausgestaltung eintreten.19 Formelle Vertragsfreiheit wird dann verwirklicht, erhält der Einzelne die Möglichkeit, sich in Übereinstimmung mit anderen in rechtlicher Beziehung zu binden.20 Die natürliche Vertragsfreiheit wird durch die Rechtsordnung mit dem nötigen formalen Rahmen versehen. Dem natürlichen Können des Einzelnen wird die rechtliche Anerkennung hinzugefügt.21 Die „Spielregeln“ der Vertragsfreiheit werden festgelegt.22 Dieser gesetzliche Rahmen ist erforderlich. Verträge haben nicht von Natur aus verbindlichen Charakter. Zu ihrer Entstehung muß die Rechtsordnung Vorgaben machen. Sind sie erfüllt, können die zunächst aus natürlicher Befähigung getroffenen Abreden rechtlich verbindliche Wirksamkeit erlangen.23 Diese Sicht rechtigkeit, 2000, S. 53; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277); Ritgen, JZ 2002, 114; Dauner-Lieb, FF 2002, 151 (152). Schon Raiser, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 101 (129, 131) stellte formale Gesichtspunkte der Vertragslehre der materiellen Vertragsgerechtigkeit gegenüber. Auch Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, FS für Ludwig Raiser, 1974, 3 (7) differenziert „(. . .) zwischen dem Vertrag als Tatbestand, d. h. der durch Antrag und Annahme sich vollziehenden Einigung, der natürlich auch gegeben ist, wenn die Richtigkeitsgewähr sich einmal nicht verwirklicht hat, (. . .) und dem Vertrag als der funktionellen Form der Rechtsfolgenbestimmung durch übereinstimmenden Parteiwillen.“ 19 Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, S. 1 (3). Umfassend zu diesem Begriff der Ausgestaltung: Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, 2000. 20 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983, S. 54 ff., S. 146; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.III.3.a., S. 74 f. – „technisches Konstrukt“ zur Herstellung von Willensübereinstimmung; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 54; Ritgen, JZ 2002, 114. 21 Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.II.1.b), S. 22; Ritgen, JZ 2002, 114 (116). Dagegen meinen Eschenbach/Niebaum, NVwZ 1994, 1979 (1980), die Privatautonomie sei nicht gesetzlicher Ausgestaltung bedürftig. „Die privatautonomen Beziehungen der Bürger untereinander sind vielmehr naturgemäß um so freier, je weniger der Staat regelnd – reglementierend – eingreift. Wenn die grundrechtlich garantierte Freiheit die Freiheit von staatlicher Einflußnahme ist, bedarf sie zu ihrer Realisierung gerade keiner staatlichen Regelung.“ 22 Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 2. 23 Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 6.III.3.b)aa), S. 122. Hiergegen wenden Eschenbach/Niebaum, NVwZ 1994, 1979 (1980) ein, die Frage der Verbindlichkeit der Abrede stelle sich erst im Anschluß infolge bereits ausgeübter Vertragsfreiheit. „Die vom Gesetz dem Bürger zur Verfügung gestellten staatlichen Zwangsmittel dienen der Vermeidung des Faustrechts und der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Dies ist ein übergeordneter Gemeinwohlbelang, der die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt, sie aber nicht erst ermöglicht.“ Diese Ansicht
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teilt das Bundesverfassungsgericht. „Die Privatautonomie ist notwendigerweise begrenzt und bedarf der rechtlichen Ausgestaltung. (. . .) Nach ihrem Regelungsgegenstand ist die Privatautonomie notwendigerweise auf staatliche Durchsetzung angewiesen. Ihre Gewährleistung denkt die justitielle Realisierung gleichsam mit und begründet daher die Pflicht des Gesetzgebers, rechtsgeschäftliche Gestaltungsmittel zur Verfügung zu stellen, die als rechtsverbindlich zu behandeln sind und auch im Streitfall durchsetzbare Rechtspositionen begründen.“24 Vor diesem Hintergrund orientiert die formelle Vertragsfreiheit auf das zentrale Thema der Rechtsgeschäftslehre.25 Es geht um die Funktionsprinzipien einer Gegenseitigkeitsordnung.26 Formelle Vertragsfreiheit bezeichnet eine von der Rechtsordnung individuell eröffnete, jedoch gemeinschaftlich auszuübende und formal gleiche Kompetenz, um in Übereinstimmung mit dem anderen Vertragspartner rechtliche Beziehungen ordnen zu können.27 Sie erfüllt sich durch die Ausgestaltung eines Verfahrens,28 mit welchem die Partner zu einer bindenden Vereinbarung gelangen können, dem „Vertragsmechanismus“.29 Dieser kann regelmäßig das jeweils egoistisch bedingte Wollen der Kontrahenten paralysieren.30 Hier wird noch die Rechtsgleichheit der Vertragsparteien in den Vordergrund der Betrachtung gestellt.31 2. Die materielle Vertragsfreiheit Durch die gesetzlichen Regelungen erfolgt nicht nur die Ordnung und Ausgestaltung von formalen Rahmenbedingungen der Vertragsfreiheit. Über den formalen Inhalt der Vertragsfreiheit hinaus werden auch die Grenzen der Freiheitsausübung zur Abwehr von Gefahren oder Mißbrauch bestimmt.32
überzeugt nicht. Fragen des „Ob“ einer vertraglichen Abrede und des „Wie“ der Umsetzung der vertraglichen Abrede sind voneinander zu trennen. 24 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38). 25 Hönn, Jura 1984, 57 (72); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 47. 26 Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.III.4.(1), S. 41. 27 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 54; Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 3. 28 Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 2. 29 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (156 f.). 30 Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, FS für Ludwig Raiser, 1974, S. 3 (5). 31 Grün, WM 1994, 713 (714). 32 Badura, Mitbestimmung und Gesellschaftsrecht, FS für Fritz Rittner, 1991, S. 1 (3).
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§ 4 Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit
a) Die Umsetzung der grundgesetzlichen Werteordnung Auch in diesem Bereich der Vertragsfreiheit ist der Staat zur Schaffung von Regelungen verpflichtet. Die Grundrechte enthalten eine objektive Werteordnung.33 Diese Werte können ihre tatsächliche Wirkung erst entfalten, sind sie vom Gesetzgeber zur Wahrung von Vertragsfreiheit im materiellen Sinne durch Rechtsnormen in das einfache Zivilrecht überführt.34 Auch hierzu hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt Stellung genommen. Im Vertragsrecht, so das Gericht, ergibt sich der sachgerechte Interessenausgleich aus dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner. Beide binden sich und nehmen damit zugleich ihre individuelle Handlungsfreiheit war.35 Der damit zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien läßt in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen.36 Wo es aber an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Bei einer solchen Sachlage müssen staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern. Gesetzliche Vorschriften, die sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken, verwirklichen hier die objektiven Grundentscheidungen des Grundrechtsabschnitts.37 Durch diese Normen wird dann die materielle Vertragsfreiheit zu verwirklichen sein. Der Verfassung läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, so führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus, wann Ungleichgewichtslagen so schwer wiegen, daß die Vertragsfreiheit durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden muß. Auch lassen sich die Merkmale, an denen etwa erforderliche Schutzvorschriften ansetzen können, nur typisierend erfassen. Dem Gesetzgeber steht dabei ein besonders weiter Beurteilungs- und Gestaltungsraum zur Verfügung. Allerdings darf er offensichtlichen Fehlentwicklungen nicht tatenlos zusehen. Er muß dann aber beachten, daß jede Begrenzung der Vertragsfreiheit zum Schutze des einen Teils gleichzeitig in die Freiheit des anderen Teils eingreift.38 Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso 33 Dem Thema „Grundrechte als Werteordnung“ widmet sich ausführlich: Schapp, JZ 1998, 913. 34 Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 35 BVerfG; 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470); BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 36 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958) = BVerfGE 103, 89 (100). 37 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). 38 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470).
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die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkung seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit. Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann daher in einer solchen Lage nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, daß in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann.39 Das geltende Vertragsrecht genügt diesen Anforderungen.40 Im Ergebnis verpflichtet daher die Verfassung den Gesetzgeber, der formellen Vertragsfreiheit zusätzlich einen materiellen Rahmen zu geben, in welchem sie genutzt werden kann. Sie gibt ihm darüber hinaus auf, mittels gesetzlicher Regelungen die materiellen Funktionsvoraussetzungen der formellen Vertragsfreiheit zu gewährleisten. Dieser Auftrag zur Gesetzgebung kann in verschiedener Form erfüllt werden. Die Generalklauseln dienen diesem Zweck. So war im BGB schon von Anfang an das formale Vertragsprinzip im Sinne der formellen Vertragsfreiheit nicht ausschließlich verwirklicht. Zwingende Normen und auch § 134 BGB setzten schon immer der Vertragsfreiheit auch materielle Grenzen.41 Die rein technische Anwendung des formalen Vertragsrechts unter Beachtung auch dieser materiellen Außenschranken ist jedoch nicht ausreichend, um ein in allen Belangen funktionierendes System zum Schutz der Selbstbestimmung zu gewährleisten.42 Wenn der Gesetzgeber davon absieht, zwingendes Vertragsrecht für bestimmte Lebensbereiche oder für spezielle Vertragsformen zu schaffen, dann greifen eben ergänzend die zivilrechtlichen Generalklauseln ein.43 In diesem Zusammenhang erlangen heute die Generalklauseln des BGB ihre zentrale Bedeutung. Der Wortlaut des § 138 Abs. 2 BGB bringt das besonders deutlich zum Ausdruck. Darin werden typische Umstände bezeichnet, die zwangsläufig zur Verhandlungsunterlegenheit des einen Vertragsteils führen und zu denen auch deshalb Unerfahrenheit gerechnet wird. Nutzt der überlegene Vertragsteil diese Schwäche aus, um seine Interessen in auffälliger Weise einseitig durchzusetzen, so führt das zur Nichtigkeit des Vertrages. § 138 Abs. 1 BGB knüpft 39
BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470); BVerfG, 19.10. 1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 27.01.1998, 1 BvL 15/87, NJW 1998, 1475 (1476). 40 BVerfG, 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (206); BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). 41 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.III.3.a.bb., S. 74. 42 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.III.3.a.bb., S. 75. 43 BVerfG, 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (206); BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470).
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ganz allgemein die Nichtigkeitsfolge an einen Verstoß gegen die guten Sitten. Differenzierte Rechtsfolgen ergeben sich aus § 242 BGB. Der Grundsatz von Treu und Glauben bezeichnet eine immanente Grenze vertraglicher Gestaltungsmacht und kann die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle des Vertrages begründen.44 Bei der Konkretisierung und Anwendung dieser Generalklauseln sind dann wieder die Grundrechte zu beachten.45 Gerade deshalb ist bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen.46 Der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich hier dann an den Richter.47 Erfolgen Beschränkungen der Vertragsfreiheit hingegen durch konkrete gesetzliche Bestimmungen zum Schutze von sozial schwächeren Personen,48 dann wird durch den Gesetzgeber in dem jeweiligen Teilbereich materielle Vertragsfreiheit für einen Vertragspartner gesondert gesetzlich abgesichert.49 Auch hier erfolgt die Umverteilung von Freiheitssphären.50 b) Der Gegenstand materieller Vertragsfreiheit Aus diesen Normen läßt sich dann auch der Gegenstand von materieller Vertragsfreiheit ableiten. Materielle Vertragsfreiheit will gegenüber der formellen Vertragsfreiheit nicht nur vertragliches Handeln überhaupt, sondern angemessene reale Handlungsspielräume beim vertraglichen Handeln eröffnen.51 Auch hier ist zunächst daran zu erinnern, daß die Vertragsfreiheit ein bipolares Gut ist. Es geht um die „zweiseitige Verwirklichung von Selbstbestim44
BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39). BVerfG, 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (206); BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). 46 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39); 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 47 BVerfG; 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). 48 BVerfG, 23.09.1993, 1 BvL 15/85, 36/87, BVerfGE 87, 114 (150); BGH, 29.06.1995, III ZR 99/94, NJW-RR 1996, 142; BGH, 19.10.1995, III ZR 24/95, NJWRR 1996, 143 (144); BGH, 12.11.1998, III ZR 87/98, NJW-RR 1999, 237 (238) – Kleingartenpacht und BKleinGG; BGH, 24.02.1982, IVb ZB 746/80, MDR 1982, 739 – Genehmigungserfordernis für Scheidungsvereinbarungen über den Versorgungsausgleich, § 1587o Abs. 2 BGB; BGH, 03.06.1992, IV ZR 127/91, NJW 1992, 2631 (2632) – halbzwingende Normen zum Schutze der Versicherungsnehmer, §§ 6 Abs. 1 bis 3, 15a VVG. 49 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1983, S. 284; Limbach, JuS 1985, 10 (14 f.); Kohte, ZBB 1994, 172 (174). 50 Hönn, Jura 1984, 57 (72). 51 Hönn, Jura 1984, 57 (62, 66); Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 37 f.; Grün, WM 1994, 713 (714); Kohte, ZBB 1994, 172 (174); Damm, VersR 1999, 129 (131); Ritgen, JZ 2002, 114. 45
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mung“.52 Eine Person allein kann sie nicht nutzen. Wird sie genutzt, trifft sie in gegenläufiger Richtung auf sich selbst. Die Sicherung der Selbstbestimmung nur eines einzelnen Individuums würde den Wert der Vertragsfreiheit insgesamt verkürzen. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist allen Beteiligten das selbst bestimmte Handeln zu ermöglichen. Beide Partner müssen in der Lage sein, sich in Freiheit für oder gegen eine vertragliche Bindung zu entscheiden.53 Vertragsfreiheit, materiell verstanden, ist somit unmittelbarer Ausdruck eines von Verantwortung nicht nur allein für sich selbst, sondern auch von Verantwortung für den anderen Vertragspartner geprägten Grundverständnisses der Privatautonomie.54 Der mit der Gewährung von Privatautonomie verbürgte Freiheitsraum ist schon anfänglich nicht individuell-absolut, sondern nur objektiv-relativ, mithin in der Gemeinschaft mit dem Gegenüber ausgestaltet.55 Schon deshalb geht es keineswegs um eine wechselseitige Optimierung der Vertragsfreiheit im Sinne einer jeweils maximal möglichen Vertragsfreiheit.56 Wichtig ist ferner die Erkenntnis, daß für die Vertragsfreiheit das Merkmal des Aushandelns – das Einigwerden über die Vertragskonditionen – ein wesentliches konstitutives Element ist.57 Materielle Vertragsfreiheit soll hierfür die nötige Macht zur Selbstbestimmung bereitstellen.58 Es geht um die Feststellung, daß die vom Rechtsgeschäft ausgehende Bindung nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch, mithin real und tatsächlich59 auf einer freien Entscheidung der betreffenden Vertragspartei beruht.60 Materielle Vertragsfreiheit ist daher ge52 Roussos, JZ 1988, 997 (998); Schmidt, DRiZ 1991, 81 (82); Schimansky, WM 1995, 461 (462). 53 BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342). 54 Becker, DZWir 1994, 397 (399). Sehr trefflich auch, jedoch in der Wortwahl dem damaligen Zeitgeist folgend: Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27, S. 277: Die Vertragsfreiheit „(. . .) wie jede andere politische Freiheit ist dem einzelnen nur im Dienste, nicht gegen die Gemeinschaft verliehen.“ 55 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, S. 52. 56 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, S. 60. 57 Schmidt, DRiZ 1991, 81 (83); Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1., S. 157; Grün, WM 1994, 713 (714); Damm, VersR 1999, 129 (138). 58 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2089); BGH, 23.01.1997, IX ZR 69/96, NJW 1997, 1003; OLG Nürnberg, 24.11.1997, 5 U 134/97, OLGR 1998, 133 (134); Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (143, 165); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (63); Honsell, JuS 1993, 817; Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1223); Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (255, 259); Martis, MDR 1998, 936; Hefermehl, in: Erman, 10. Aufl., 2000, Vor § 145 BGB, Rdnr. 26b; Ritgen, JZ 2002, 114 (116, 118). 59 OLG Naumburg, 20.08.2001, 8 WF 169/01, FamRZ 2002, 465 = OLGR 2002, 65 = FF 2002, 69 hält daher völlig zu Recht im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle einer Scheidungsfolgenvereinbarung fest, daß die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Vertragsfreiheit voraussetzt, „(. . .) daß beide Vertragspartner tatsächlich die Vertragsbedingungen selbst bestimmen können.“
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kennzeichnet durch das Fehlen realer Hindernisse bei der Verwirklichung rechtlich offenstehender vertraglicher Regelungsalternativen.61 Auch für eine Individualvereinbarung im Sinne von §§ 1 Abs. 2, 4 AGBG, §§ 305 Abs. 1 Satz 3, 305b BGB wird auf die reale Möglichkeit der abändernden Einflußnahme abgestellt.62 Der Vertrag soll sein Ziel, die gegensätzlichen Interessen der Kontrahenten nach deren freien Willen auszugleichen, erreichen. Diese „Richtigkeitsgewähr“63 kann er für sich jedoch nur dann in Anspruch nehmen, wenn jede Vertragspartei in etwa die gleiche tatsächliche Chance hatte, ihre Interessen zu verfolgen.64 Nur dann läßt die beidseitig eingesetzte Privatautonomie einen gerechten Interessenausgleich vermuten.65 Exakte Gleichheit der Verhandlungschancen wird nicht verlangt.66 Die gegenseitig selbst bestimmte Interessenverwirklichung muß möglich gewesen sein.67 Eine Garantie der Interessendurchsetzung ist jedoch nicht zu verlangen. Auch bedarf es nicht der Absicherung eines an überindividuellen Gerechtigkeitsvorstellungen orientierten materiellen Vertragskompromisses.68 Die Kontrahierenden sind ihrem Schicksal zu überlassen, wenn und weil sie die faire Chance gehabt haben, darüber mitzubestimmen.69 Vertragsfreiheit in diesem Sinne gebietet eben nicht, „(. . .) daß nur allseits interessengerechte Regelungen vereinbart werden dürften.“70 Es geht bei der materiellen Vertragsfreiheit auch nicht 60 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 284, 299; Hönn, Jura 1984, 57 (62, 66); Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75); Reuter, DZWir 1993, 45 (48); Grün, WM 1994, 713 (720); Preis/Rolfs, DB 1994, 261; Kohte, ZBB 1994, 172 (174); Schimansky, WM 1995, 461 (462); Vykydal, JA 1996, 81 (82); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.e)aa), S. 49; ders., AcP 200 (2000), 273 (277 f.); Damm, VersR 1999, 129 (141); Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 5; Ritgen, JZ 2002, 114. 61 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 54. 62 Siehe nur: BGH, 03.11.1999, VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110; Wolf, FS für Hans Erich Brandner, 1996, S. 299 (300); Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 1 AGBG, Rdnr. 51; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 305 BGB, Rdnr. 21; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 305 BGB, Rdnr. 35. 63 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (159 ff.); ders., FS für Hans Carl Nipperdey, 1955, S. 1 ff. 64 Biedenkopf, Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, FS für Franz Böhm, 1965, S. 113 ff.; Kramer, ZHR 146 (1982), 105; Hönn, Jura 1984, 57 (66): „annäherndes Machtgleichgewicht“; Bengelsdorf, BB 1995, 978 (981). 65 Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.VI.1., Rdnr. 89, S. 83. 66 Wolf, FS für Hans Erich Brandner, 1996, S. 299; Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (260). 67 Hefermehl, in: Erman, 10. Aufl., 2000, Vor § 145 BGB, Rdnr. 26b. 68 Hönn, Jura 1984, 57 (61); Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.II.2., S. 61. 69 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1, S. 157. 70 BGH, 27.10.1998, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028 (1030).
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um fehlende Selbstbestimmung im Sinne von fehlender Entscheidungsfreiheit insgesamt. Dann fehlt bereits formelle Vertragsfreiheit. Es geht daher bei der materiellen Vertragsfreiheit graduell darum, „(. . .) welche Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit so relevant sind, daß sie Einfluß auf die Validität71 vertraglicher Regelungen haben“.72 Wenn man so will, müßte im Ergebnis das Maß der Beeinträchtigung der Selbstbestimmung, bzw. besser, das Maß der tatsächlich noch nutzbaren Selbstbestimmung, über die Wirksamkeit der Abrede entscheiden. Quantitativ meßbar73 ist Selbstbestimmung jedoch leider nicht.74 3. Das Verhältnis von formeller und materieller Vertragsfreiheit Formelle und materielle Vertragsfreiheit stehen zueinander in mehrfacher Wechselbeziehung. Materielle Vertragsfreiheit entfällt automatisch, wenn kein formales Verfahren im Sinne von rechtlicher Kompetenz für die angestrebte Vereinbarung eingeräumt worden ist. Dann ist Vertragsfreiheit für diesen Teilbereich privatautonomer Regelungsmöglichkeiten nicht gegeben. Die Vertragsfreiheit im materiellen Sinne setzt somit die Existenz formeller Vertragsfreiheit voraus.75 Formelle und auch materielle Vertragsfreiheit fehlen daher dort, wo Verbotsnormen als zwingendes Recht eingreifen, mögen sie mittelbar gerade der Sicherung der Selbstbestimmung, mithin der Wahrung materieller Vertragsfreiheit dienen.76 Die materielle Vertragsfreiheit ist beeinträchtigt, kann die formelle Vertragsfreiheit trotz allgemein eröffnetem Prozedere aus tatsächlichen Gründen nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt werden.77 Jedem Rechtssubjekt, und nicht nur jeweils einem Rechtssubjekt, muß die Benutzung des Vertrages zur selbst bestimmten individuellen Interessenwahrnehmung ermöglicht sein.78 Läßt es die Rechtsordnung bei den allgemeinen Vorschriften über die Vertragsentstehung – mithin bei lediglich formeller Vertragsfreiheit – bewenden, so besteht die Ge71
Rechtsgültigkeit. Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (28); Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (259 f.). 73 Bspw. in „Prozent“. 74 Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (260). 75 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 299; Hönn, Jura 1984, 57 (72); Heinrich, Formelle Freiheit und materielle Gerechtigkeit, 2000, S. 54. 76 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 299; Hönn, Jura 1984, 57 (72). 77 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 299; Enderlein, Rechtspaternalismus, 1996, S. 81; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 54. 78 Habersack, AcP 189 (1989), 403 (405); Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 3.I., S. 52. 72
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§ 4 Die Grenzen von Vertragsfreiheit und Ehevertragsfreiheit
fahr, daß der Vertrag, anstatt beiderseitige Selbstbestimmung zu verwirklichen, unter Umständen von der einen Partei zu einem Mittel der Fremdbestimmung der anderen Partei mißbraucht wird.79 Die freie Selbstbestimmung der beiden Vertragspartner im Rechtsleben verlangt eben kumulativ nach der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichgewichtigkeit.80 Dem gegenüber hat die Privatautonomie des 19. Jahrhunderts die formale Gleichheit der Bürger zu stark betont und die enorme materielle Ungleichheit dabei außer Acht gelassen. Das Verhältnis von formeller und materieller Vertragsfreiheit betreffend, kann daher festgehalten werden: es erfolgt zum Zwecke der Wahrung materieller Vertragsfreiheit die Begrenzung der formellen Vertragsfreiheit.81 Hier schließt sich die Rückwirkung der materiellen Vertragsfreiheit auf die formelle Vertragsfreiheit an. Um zu verhindern, daß der Vertragsschluß desjenigen Teils, der rein tatsächlich auf den Vertragsinhalt keinen Einfluß nehmen konnte, nur noch formalen Gebrauch der Vertragsfreiheit dokumentiert, wird die formale Vertragsfreiheit des anderen Teils, materiell so vorteilhaft wie nur rechtlich noch wirksam abzuschließen, begrenzt.82 Die gegenüber der formellen Vertragsfreiheit zusätzlichen Anforderungen, welche durch die Gewährung materieller Vertragsfreiheit bedingt sind, führen zu einer Verengung des Bereiches formeller Vertragsfreiheit.83 Die formelle Vertragsfreiheit des einen Vertragspartners ist zum Zwecke der Wahrung materieller Vertragsfreiheit des anderen Vertragspartners begrenzt, wenn die Regelungen eines Vertrages vom Staat nicht als zwischen den Vertragspartnern geltend anerkannt und einer nachträglichen Inhaltskontrolle unterzogen werden.84 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die geschilderten Einschränkungen der Privatautonomie erforderlich sind. Schrankenlose Privatautonomie der jeweils Stärkeren würde sonst zur rechtlichen und wirtschaftlichen Unfreiheit der jeweils Schwächeren führen. Die Vertragsfreiheit einer Partei muß gegen die Vertragsfreiheit der anderen Partei geschützt werden. Die Privatautonomie steht nicht zur Disposition der Privatautonomie.85 Sie darf sich nicht selbst überlas79 Habersack, AcP 189 (1989), 403 (405); Hefermehl, in: Erman, 10. Aufl., 2000, Vor § 145 BGB, Rdnr. 16. 80 Bengelsdorf, BB 1995, 978 (981); Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger, 1996, S. 144 f. 81 Hönn, Jura 1984, 57 (72). 82 LG Lübeck, 11.12.1986, 10 O 43/86, NJW 1987, 959 (960 f.). 83 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 299. 84 Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 85 So: Rüthers, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., 1997, § 2 VI.3., Rdnr. 40, S. 27 f.; ähnlich: Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1223); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (781); Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl., 1997, § 32 I., Rdnr. 472, S. 183; Hefermehl, in: Erman, 10. Aufl., 2000, Vor § 145 BGB, Rdnr. 16; Ritgen, JZ 2002, 114 (116). Ebenso Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 (2) mit dem Hinweis: „Die Begrenzung der Privatautonomie durch die Privatautono-
II. Die beiden Seiten der Vertragsfreiheit
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sen bleiben.86 Dem Wesen der Privatautonomie ist ihre Begrenzung immanent.87 Diese Begrenzung dient gleichsam ihrer Verteidigung, hier vor Beseitigung durch einseitige Fremdbestimmung.88 Die Selbstverantwortung als Grund der Privatautonomie ist dann zugleich auch ihre Grenze.89
mie ist systemimmanent.“ Schimansky, WM 1995, 461 (462) erinnert zu Recht daran: „Die Freiheit ist immer auch die Freiheit des anderen. Das gilt in besonderem Maße für die Vertragsfreiheit.“ Nach Becker, DZWir 1994, 397 (399) ist der vom BVerfG gesetzte Schutzauftrag „unmittelbarer Ausdruck eines von Verantwortung nicht allein für sich selbst, sondern auch für den anderen geprägten Grundverständnisses von Privatautonomie“. Mit Kohte, ZBB 1994, 172 (173) „(. . .) ist davon auszugehen, daß Vertragsfreiheit durch wirtschaftliche Macht in ein Instrument der Fremdbestimmung zu Lasten des weniger mächtigen Vertragspartners verkehrt werden kann und damit die Fähigkeit zum fairen Interessenausgleich am Markt verliert.“ Die Vertragsfreiheit, so Kohte, a. a. O., (174) weiter, sei als „zweiseitiges und dauerhaftes Gebot“ zu begreifen. Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I., S. 157 weisen dann zu Recht darauf hin, daß in einer bilateral gewollten Vertragsfreiheit Spannungsmomente angelegt sind, ohne deren Aufdeckung und konsequente rechtliche Abmilderung der Ruf nach staatlicher Enthaltsamkeit tendenziell nur den jeweils durchschlagskräftigeren Teil bevorzugt. Bereits Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (143) hat darauf hingewiesen, daß Privatautonomie sich nur verwirklichen kann, „(. . .) wenn auch tatsächlich die Macht zur Selbstbestimmung besteht (. . .) und nicht durch die Macht des einen statt der beiderseitigen Selbstbestimmung eine einseitige Fremdbestimmung eintritt.“ 86 Hönn, Jura 1984, 57 (63). 87 Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27.I.3.b), S. 282; Limbach, JuS 1985, 10 (11); Grün, WM 1994, 713 (721). 88 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (204); Canaris, JZ 1987, 993 (994 f.); Hönn, JZ 1983, 677 (679); Esser/Schmidt, E., Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl. 1992, § 10, S. 156; Frenz, JR 1994, 92 (98); Grün, WM 1994, 713 (722); Singer, JZ 1995, 1133; ders., Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, 1995, § 4.VII., S. 44; Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (29); Gernhuber, JZ 1995, 1086 (1094); Vykydal, JA 1996, 81 (82); Rüthers, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., 1997, § 3.II., Rdnr. 43, S. 29; Larenz/Wolf, BGB, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., 1997, S. 767; Damm, VersR 1999, 129 (131); Knobel, Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, S. 19; Dieterich, WM 2000, 11 (13); Horn, NJW 2000, 40 (46); Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 f. 89 Frenz, JR 1994, 92 (98).
§ 5 Richterliche Inhaltskontrolle und materielle Vertragsfreiheit I. Der Zweck der richterlichen Inhaltskontrolle Der Zweck der richterlichen Inhaltskontrolle ist die Sicherung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Sie steht im Konflikt von Privatautonomie und Persönlichkeitsschutz, Vertragsfreiheit und Schutz des Schwächeren aber auch im Konflikt von Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit.1 Trotzdem ist sie taugliches Mittel zur Lösung des Problems gestörter Vertragsparität2 und gilt begrifflich als Synonym für den Schutz des Schwächeren.3 Sie soll der gegenseitigen Vertragsfreiheit im materiellen Sinne zur Geltung verhelfen. Vor diesem Hintergrund muß verständlich sein, daß Vertragsfreiheit und die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen keine Gegensätze bilden. Vertragsfreiheit ohne Kontrolle und ohne die Möglichkeit staatlicher Intervention bedeutet eben nicht unbedingt ein Optimum an Privatautonomie, sondern im Gegenteil die Gefahr der Einschränkung beziehungsweise der teilweisen Aufhebung der Vertragsfreiheit.4 Insofern kommt es auch für den möglichen Einsatz der Inhaltskontrolle als Mittel zur gleichzeitigen Beschränkung und Wahrung der Vertragsfreiheit auch nicht darauf an, daß die Vertragsfreiheit gänzlich für einen Vertragspartner aufgehoben war. Ausreichend ist, daß die Vertragsfreiheit in einem bestimmten Maße Beschränkungen unterlag. Wann dieses Maß regelmäßig erreicht ist, kann durch typische Fallkonstellationen belegt werden. Diese typischen Fallkonstellationen sind die jeweiligen Anlaßgründe einer richterlichen Inhaltskontrolle. Sie sind deshalb später noch eingehend darzustellen. Bei ihnen ist zu beachten, daß die Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge eine in hohem Maße der Begründung bedürftige Ausnahme darstellt.5
1
Kreft, WM 1992, 1425; Honsell, JuS 1993, 817; Fuchs-Wissemann, WiB 1994, 426 (427). 2 Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (76); Hönn, JZ 1983, 677 (679, 684); ders., Der Schutz des Schwächeren in der Krise, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (253, 257); Reuter, DZWir 1993, 45 (48); Wolf, FS für Hans Erich Brandner, 1996, S. 299. 3 Becker, DZWir 1994, 397 (403). 4 Vykydal, JA 1996, 81 (82); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (781). 5 Hille, Die Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge von Publikums-Personengesellschaften, 1986, S. 23; Lieb, DNotZ 1989, 274 (284).
III. Der Maßstab der richterlichen Inhaltskontrolle
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II. Der Schutzgrund der richterlichen Inhaltskontrolle Der Inhaltskontrolle fällt somit die Aufgabe zu, den einen Vertragspartner im Falle gestörter Vertragsparität vor der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den anderen Vertragsteil zu schützen.6 Es liegt ihr ein Funktionsdefizit der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten zugrunde. Die Vertragsfreiheit führt bei materieller Betrachtung zu keinem Ergebnis, das einen Zustand der Vertrags- und Austauschgerechtigkeit herstellt.7 Der Schutzgrund der richterlicher Inhaltskontrolle ist die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit.8 Im Ergebnis ist die Inhaltskontrolle somit eine Schranke der Vertragsinhaltsfreiheit.9 Zutreffend ist zwar, daß grundsätzlich jeder Vertragspartner den Inhalt von ihm abgeschlossener und konsentierter Verträge selbst zu verantworten hat. Durch die richterliche Inhaltskontrolle wird diese Verantwortlichkeit dann aber auf den Vertragspartner verschoben.10 Dieses Risiko trägt der andere Vertragspartner jedoch durchaus zu Recht. Wer durch einseitige Nutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit seine Vorteile sucht, der muß das Risiko tragen, daß die Bestandskraft der vertraglichen Übereinkunft später nochmals einer gerichtlichen Prüfung unterzogen wird. Wird für die richterliche Inhaltskontrolle die erkennbar einseitige Aufbürdung vertraglicher Lasten verlangt, ist ein schutzwürdiges Vertrauen des hiervon begünstigten Teils nicht ersichtlich. Ein schützenswertes Interesse an der Gültigkeit einer unangemessenen Vereinbarung ist nicht anzuerkennen.11 Diese Feststellungen sind für die Rechtsfolgenseite richterlicher Inhaltskontrolle von Bedeutung.
III. Der Maßstab der richterlichen Inhaltskontrolle Der Maßstab der richterlichen Inhaltskontrolle ist grundsätzlich die Angemessenheit der vertraglichen Abrede.12 Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäfts6
Lieb, AcP 178 (1978), 196 (204); Hönn, JZ 1983, 677(679). Becker, WM 1999, 709. 8 BGH, 07.07.1976, IV ZR 229/74, NJW 1976, 2345 (2346) für die Inhaltskontrolle von AGB-Verträgen unter Kaufleuten vor Einführung des AGB-Gesetzes; Bunte, ZIP 1984, 1313 (1317); ders., NJW 1987, 921 (924). 9 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, S. 14. 10 Lieb, DNotZ 1989, 274 (286). 11 Bunte, ZIP 1984, 1313 (1318). 12 Siehe nur: Hönn, JZ 1983, 677 (681); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10, S. 280 ff.; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 11.I.1., S. 298 ff.; Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3 I., S. 52; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 301 ff. Mit BGH, 30.05.2000, IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669 (2670) hat der Maßstab der Angemessenheit auch Eingang in die Rechtsprechung § 138 BGB gefunden, soweit es um ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung geht. Unter Hinweis auf seine Rechtsprechung, wonach ein auffälliges Mißverhältnis regelmäßig vorliege, 7
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§ 5 Richterliche Inhaltskontrolle und materielle Vertragsfreiheit
bedingungen nach §§ 8 ff. AGBG, 307 ff. BGB erfolgt nach einem abstrakt-generellen Maßstab. Eine generalisierende Betrachtungsweise ist vorzunehmen.13 Diese Inhaltskontrolle prüft die Vertragsgestaltung als solche14 und berücksichtigt dabei alle denkbaren Anwendungsfälle einer Klausel, ohne daß jede abwegige Bedeutung der Klausel zu berücksichtigen wäre. Für die Unwirksamkeit der Klausel reicht es aus, wenn sich für einen der Anwendungsfälle eine unangemessene Benachteiligung ergibt. Unbeachtlich ist, ob von der Klausel im konkreten Fall auch in einem unangemessenen Umfang Gebrauch gemacht wird oder ob unter den konkreten Umständen des gegebenen Falles eine tatsächlich sachlich gerechtfertigte Handhabung der Klausel erfolgt.15 Dem gegenüber wird für § 242 BGB eine individuelle, auf den Einzelfall bezogene Bewertung verlangt. Die Überprüfung der Abrede auf ihre Angemessenheit erfolgt durch Abwägung von Interessen. Maßgebend sind die Interessen der Kontrahenten und nicht diejenigen Dritter oder der Allgemeinheit.16 Die Inhaltskontrolle zielt auf die Wahrung der individuellen Vertragsgerechtigkeit.17 Sie hat sich daher auch an dem konkret-individuellen Maßstab der Vertragsgerechtigkeit zu orientieren. Auch die Auslegung als Vorstufe der Inhaltskontrolle hat subjektiv-individuell und nicht, wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, objektiv-generell zu erfolgen.18 Trotzdem geht es bei der Inhaltskontrolle nicht um Vertragshilfe im Einzelfall.19 Um deshalb eine mehr oder weniger offene Billigkeitsrechtsprechung zu vermeiden, ist trotzdem ein typisierender Maßstab zu entwickeln, an welchem dann zu kontrollieren ist, ob die vertragliche Regelung hiervon unangemessen abweicht.20 Hierfür geht die richterliche Inhaltskontrolle von einem vorgegebenen Leitbild aus, das modellhaft den Maßstab objektiv angemessener Interessenbewertung für den zu entscheidenden Interessenkonflikt enthält.21 In erster Linie orientiert sich die Inhaltskontrolle dann am Leitbild des dispositiwenn der Preis knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung, ließ er zunächst für die Maklerprovision ausdrücklich offen, ob auch dort diese Grundsätze gelten. Jedenfalls das Maklerhonorar, welches im konkreten Fall der Verkäufer an die Maklerin „(. . .) zu entrichten hatte, war der Höhe nach völlig unangemessen.“ 13 Damm, JZ 1986, 913 (923); Bunte, NJW 1987, 921 (926); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Pauly, AuA 1999, 77 (78); Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 78; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 307 BGB, Rdnr. 4. 14 Westermann, AcP 175 (1975), 375 (415). 15 Bunte, NJW 1987, 921 (925). 16 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.V., S. 325; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 11.I.3., S. 300. 17 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 301. 18 Wolf, in Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 1 AGBG, Rdnr. 58. 19 Pauly, AuA 1999, 77 (78). 20 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.I.1., S. 280 f.; Peter, ArbuR 1999, 289 (293). 21 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.I.2., S. 281.
IV. Die richterliche Inhaltskontrolle als Rechtskontrolle
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ven Gesetzesrechts.22 Auch wenn diese Vorschriften in erster Linie eine Art Reserveordnung für den Fall darstellen, daß die Vertragspartner keine speziellere oder eine lückenhafte Abrede getroffen haben, so deutet sich in ihnen zugleich die Vorstellung des Gesetzgebers an, was er für den Standardfall unter einem gerechten Interessenausgleich verstehen würde.23 Diese Normen geben daher dem Richter einen Orientierungsrahmen vor, um die Angemessenheit der Abrede beurteilen zu können.24 Je stärker das strukturelle Gefälle zwischen den Vertragspartnern war, desto näher ist zu untersuchen, welche Gründe und Umstände die konkrete Abrede maßgeblich beeinflußt hatten. Nur unter annähernd gleichmäßigen Partnern wird auch eine erhebliche Abweichung von der im Gesetz als typisch angelegten Lastenverteilung noch Ausdruck individueller Selbstbestimmung sein, die keiner richterlichen Korrektur bedarf. Im übrigen läßt sie jedoch den Schluß zu, daß eine Vertragspartei ihr Übergewicht unangemessen ausnutzte und deshalb eine Rückbesinnung auf den gesetzgeberischen Vorschlag angebracht ist.25
IV. Die richterliche Inhaltskontrolle als Rechtskontrolle Bei der richterlichen Inhaltskontrolle wird der Vertragsinhalt durch den Richter einer Angemessenheitskontrolle als Rechtskontrolle unterworfen.26 Es erfolgt die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit und Angemessenheit von Verträgen anhand rechtlicher Maßstäbe.27 Daran lassen die Klauselverbote des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Zweifel. Doch auch die Kontrolle am Maßstab der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB ist Rechtskontrolle.28 22 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.II.1.b), S. 285. Schon Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, § 27.III.4., S. 293 präferiert den Leitbildcharakter des dispositiven Gesetzesrechts als „(. . .) „Recht“ in dem besonderen Sinn einer Objektivierung der Rechtsidee durch die Gesamtrechtsgemeinschaft, (. . .) als die „normale“ Ordnung des betreffenden Lebensverhältnisses.“ Selbst nach Flume, FS zum Hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Band I, 1960, S. 135 (170) ergaben die Dispositivnormen den Maßstab für die Beurteilung der Billigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, freilich bei der richterlichen Prüfung nach § 315 BGB. Entscheidend ist jedoch, das Allgemeine Geschäftsbedingungen nach Flume, a. a. O., S. 167 nur durch einseitige Selbstbestimmung des Verwenders, mithin ohne privatautonome Legitimation, galten. 23 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.II.3., S. 166. 24 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.II.3., S. 166. 25 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.II.3., S. 167. 26 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (27); Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 159; ders., JZ 1983, 677 (681); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, S. 1; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 5.II.1.a), S. 317; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, 1993, § 9.I., S. 237. 27 Hönn, JZ 1983, 677 (681); Becker, WM 1999, 709, 710.
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§ 5 Richterliche Inhaltskontrolle und materielle Vertragsfreiheit
Inhaltskontrolle ist daher Rechtsanwendung, die von engeren „inneren“ materiellen Wirksamkeitsschranken ausgeht.29 Der Maßstab der Angemessenheit30 bezieht sich somit auf die rechtliche Ausgestaltung, nicht aber auf den Preis.31 Es geht hier auch nicht um die Umwidmung des dispositiven Rechts zu zwingendem Recht. Lediglich eine engere Begrenzung der Inhaltsfreiheit, als sie sonst für das Bürgerliche Recht gilt, soll erfolgen.32 Daher ist nicht jeder Schlechterstellung gegenüber dem gesetzlichen Leitbild im Rahmen einer Inhaltskontrolle die Wirksamkeit und somit die Verbindlichkeit zu versagen. Wie schon von § 9 AGBG, § 307 BGB geregelt, sind nur unangemessene Benachteiligungen unzulässig.33 1. Hauptleistungspflichten und Nebenpflichten Nötig dürfte eine Differenzierung nach den im Austauschverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten und den vertraglichen Nebenpflichten sowie den sonstigen Vereinbarungen über die Modalitäten der Vertragsdurchführung sein. Eingriffe in das für jeden Vertrag zentrale Gefüge von Leistung und Gegenleistung berühren die Vertragsfreiheit nicht nur am Rande. Die Bestimmung der Werte für Leistung und Gegenleistung – die Preisfindung – ist der Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung.34 Die Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis sollen daher lediglich der Kontrolle am Maßstab von §§ 134, 138 BGB unterliegen.35 Sie sind das Ergebnis der subjektiv determinierten Entscheidung der Vertragsparteien und deshalb einer externen Kontrolle ihrer Angemessenheit weitestgehend entzogen.36 Preisvereinbarungen unterliegen daher prinzipiell keiner Inhaltskontrolle.37 Im übrigen dürfte es – vom Sonderfall gesetzlicher Gebührenordnungen für Freiberufler mal abgesehen – auch an einem Leitbild für die Angemessenheit vertraglicher Hauptleistungspflichten fehlen.38 Auf die re28 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, S. 9; Lieb, AcP 178 (1978), 196 (208). 29 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, S. 10; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (5). 30 Hönn, JZ 1983, 677 (681). 31 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (27). 32 Fastrich, FS für Otto Rudolf Kissel, 1994, S. 193 (210). 33 Fastrich, FS für Otto Rudolf Kissel, 1994, S. 193 (210). 34 BGH, 16.11.1999, KZR 12/97, BGHZ 143, 128 (140) = NJW 2000, 577 (579); Ritgen, JZ 2002, 114 (115). 35 Peter, ArbuR 1999, 289 (299); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.III.2.c)aa), S. 259; bb), S. 261; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, 1993, § 7.IV.1., S. 177 f.; § 10.V.3., S. 294; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490). 36 Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (266 f.); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.III.2.b), S. 257; Albers-Frenzel, Mithaftung naher Angehöriger, 1996, S. 219. 37 BGH, 04.12.1986, VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828 (1829). 38 Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Ritgen, JZ 2002, 114 (120).
IV. Die richterliche Inhaltskontrolle als Rechtskontrolle
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gulierende Kraft von Markt und Wettbewerb muß hier vertraut werden.39 In einem auf der Freiheit des Individuums aufbauenden Privatrecht können Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht allgemein über die Bedürfnisse der Parteien entscheiden. Privatautonome Regelungen über die vertragscharakteristischen Hauptleistungen – eben die essentialia negotii – sind unverzichtbar. Sie müssen einer an objektiven Angemessenheitsmaßstäben orientierten Kontrolle grundsätzlich entzogen sein. Sonst schlägt die Inhaltskontrolle als Überprüfung der Angemessenheit in unzulässige Bevormundung um.40 Der Grenzbereich ist erreicht, wenn die Vereinbarung das objektiv angemessene Verhältnis von Leistung und Gegenleistung grob verfehlte. Eben dieses Niveau fehlender Angemessenheit ist erst erreicht, liegt ein auffälliges Mißverhältnis im Sinne von § 138 BGB vor. 2. Richterliche Inhaltskontrolle und Zivilprozeßrecht Der heute gebräuchliche Terminus der richterlichen Inhaltskontrolle darf auch nicht die Fehlvorstellung verursachen, daß es sich hierbei um ein Institut des Zivilprozeßrechts handelt. Dieser Rechtsbehelf beschreibt einen Unwirksamkeitstatbestand des materiellen Rechts, dessen Verwirklichung von keinem Richterspruch abhängig ist. Beruft sich eine Partei auf diesen Unwirksamkeitsgrund, wofür sie die Darlegungs- und Beweislast trägt,41 so hat die richterliche Entscheidung lediglich deklaratorischen Charakter. Die Unwirksamkeitsfolge tritt bereits „ipso jure“ ein.42 Die primäre Rechtsfolge – regelmäßig das Recht der benachteiligten Partei die Erfüllung der angegriffenen vertraglichen Vereinbarung verweigern zu dürfen – hängt somit nicht von einem rechtsgestaltenden richterlichen Urteil ab.43 Einer ausdrücklichen Berufung des Schuldners auf den Wegfall der Leistungspflicht bedarf es ebenfalls nicht. Wäre die richterliche Inhaltskontrolle ein durch Erklärung erst geltend zu machendes Gestaltungsrecht, könnte die unterlegene Position die Berufung hierauf ebenfalls verhindern.44 Sie ist ferner vom Gericht von Amts wegen zu beachten, sofern nur eine der Par39 Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, S. 85 (115); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.III.2.c)aa), S. 259; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, 1993, § 10.V.3., S. 294. Im übrigen dürfte Geißler, JuS 1991, 617 (622) zu Recht auch darauf hinweisen, daß der jeweilige Marktpreis zwar ermittelt werden kann, jedoch keineswegs immer der gerechte Preis sein muß. 40 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (27); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.III.2.b), S. 257; andere Ansicht: v. Westphalen, MDR 1994, 5 (7 ff.); Wiedemann, JZ 1994, 411 (412); zurückhaltend: Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (265 f.). 41 Garrn, NJW 1980, 2782 (2784); Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1339); ders., FF 2002, 70. 42 Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 242 BGB, Rdnr. 471. 43 Becker, WM 1999, 709 (710). 44 Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 242 BGB, Rdnr. 471.
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§ 5 Richterliche Inhaltskontrolle und materielle Vertragsfreiheit
teien die tatsächlichen Voraussetzungen der Inhaltskontrolle vorträgt. Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie auch sonst bei Verstößen gegen Treu und Glauben, welche als Einwendung von Amts wegen zu beachten sind.45 Natürlich muß sich der benachteiligte Ehegatte wenigsten durch entsprechenden Tatsachenvortrag darauf berufen.46 3. Keine Kompetenz zur richterlichen Vertragsgestaltung Die richterliche Inhaltskontrolle eröffnet auch keine Kompetenz zur richterlichen Vertragsgestaltung.47 Der Richter ist nicht zur Abänderung des Vertragswerkes ermächtigt. Ihm fehlt jegliche Befugnis zur Umschreibung des Vertragsinhaltes. Weder dürfen andere Vertragsbedingungen festgesetzt werden, noch kann der Richter seine eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle der Entscheidungen der Vertragsparteien setzen. 4. Kein Schutzvorrang im Rahmen der Zwangsvollstreckung Keineswegs braucht sich die richterliche Inhaltskontrolle erst auf der Ebene der Zwangsvollstreckung zu bewähren.48 Sie muß bereits dem Erkenntnisverfahren vorbehalten sein. Nur hier stehen geeignete Möglichkeiten im Verfahren zur Verfügung, um durch hinreichenden Tatsachenvortrag und durch etwaige Beweiserhebung die erforderlichen Erkenntnisse zum Zwecke der Prüfung der Angemessenheit zu finden. Auch geht es doch gerade nicht – vergleichbar mit der Ausübungskontrolle – um die Frage, ob ein bestehender Anspruch umgesetzt werden darf, sondern um die Frage, ob überhaupt ein Anspruch besteht, welcher dann erst unter weiteren Voraussetzungen auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Nicht erst das Zwangsvollstreckungsverfahren bezüglich der versprochenen Leistung selbst, sondern bereits der Umstand, daß der staatliche Zwangsapparat für die Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung überhaupt zur Verfügung steht, muß gerechtfertigt sein.49 Die Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen, obliegt denjeni45 BGH, 12.07.1951, III ZR 168/50, BGHZ 3, 94 (103); BGH, 16.02.1954, V BLw 60/53, BGHZ 12, 286 (304); BGH, 14.10.1959, V ZR 101/59, BGHZ 31, 77 (84); BGH, 11.04.1962, V ZR 22/60, LM Nr. 38 zu § 242 (Ba) BGB; BGH, 23.05.1962, V ZR 123/60, BGHZ 37, 147 (152). 46 Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 16.IV., Rdnr. 136, S. 76. 47 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.II., S. 11. 48 So jedoch wohl: Medicus, ZIP 1989, 817 (822); ders., AcP 192 (1992), 35 (66 f.). 49 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1., S.157.
IV. Die richterliche Inhaltskontrolle als Rechtskontrolle
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gen Gerichten, die über die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche zu entscheiden, d.h. über die Frage zu erkennen haben, ob der Vertrag Grundlage eines staatlichen vollstreckbaren Leistungsbefehls sein kann. Deshalb ist vorrangig das Erkenntnisverfahren dazu bestimmt, die Ausgewogenheit von Verträgen aufgrund der §§ 138, 242 BGB zu prüfen.50 Im übrigen dient die Existenz des Zwangsvollstreckungsverfahren nicht allein nur der Beitreibung der Forderung. Es soll den Schuldner auch dazu anhalten, freiwillig, mithin ohne staatliche Zwangsmittel, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Diese Möglichkeit der freiwilligen Leistung wird dem Schuldner sinnvoll nur erhalten, wenn die Leistungspflicht bereits vor Beginn des Zwangsvollstreckungsverfahren im Erkenntnisverfahren richterlich geprüft wird. Dem steht auch eine mögliche Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung nicht entgegen. Stellt sich eine Vereinbarung als Akt der Fremdbestimmung dar, dann wird dieser Aspekt auch durch eine mögliche Restschuldbefreiung nicht geheilt.51
50 BGH, 24.02.1999, IX ZB 2/98, NJW 1999, 2372 (2373). In diesem Sinne auch: Pape, ZIP 1994, 515 (519 f.) 51 Schlachter, BB 1993, 802 (803); Kohte, ZBB 1994, 172 (175).
§ 6 Die allgemeinen Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle Die Notwendigkeit der richterlichen Inhaltskontrolle wurde aus der materiellen Vertragsfreiheit abgeleitet. Weil sie aber eine Begrenzung der Vertragsfreiheit bewirkt, sind auch die Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle aufzuzeigen. Denn: genau dort, wo die richterliche Inhaltskontrolle ihren Ausgangspunkt hat, beginnen sich gleichzeitig auch deren Grenzen abzuzeichnen.
I. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag Die Schutzpflicht aus der Verfassung ist zugleich Grund und Grenze der Inhaltskontrolle.1 Die Vertragsfreiheit soll verschiedenen Rechten des Einzelnen dienen. Ohne notwendig frei von jeglichen fremden Einflüssen zu sein, soll er jedenfalls frei von Zwang über die Person des Vertragspartners und den Vertragsinhalt entscheiden können.2 Die Vertragsfreiheit garantiert auch die Rechtsverbindlichkeit der getroffenen Abreden.3 Wenn daher die richterliche Inhaltskontrolle der Vertragsfreiheit gegen Fremdbestimmung zum Durchbruch verhilft, begrenzt sie automatisch die Vertragsfreiheit des anderen Teils.4 Die Vertragsfreiheit der überlegenen Partei wird hier zum Schutze der Vertragsfreiheit der unterlegenen Partei beschränkt.5 Diese muß für die schwächere Partei Risiken und Verantwortung mit übernehmen. Hierbei sind nicht nur Schäden ohne eine Ersatzmöglichkeit zu liquidieren. Im Falle der Inhaltskontrolle sind zumeist auch erhebliche Abstriche vom doch eigentlich bindend Vereinbarten hinzunehmen.6 Denkbar ist auch der umgekehrte Fall. Das Gericht kann der Vereinbarung unter Hinweis auf die Schutzfunktion der Grundrechte die Wirkung versagen, obwohl keine hinreichende Fremdbestimmung objektiv vorlag. 1
Ritgen, JZ 2002, 114 (119). Ritgen, JZ 2002, 114 (116). Die Probleme der Partnerwahlfreiheit, die Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999 ausführlich untersucht, sollen hier nicht weiter erörtert werden. 3 Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 4 Hönn, Jura 1984, 57 (69). 5 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470); Hönn, Jura 1984, 57 (69); ders., FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (252); Lieb, DNotZ 1989, 274 (276); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (57); Preis/Rolfs, DB 1994, 261; Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 6 Lieb, DNotZ 1989, 274 (276). 2
I. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag
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Dann erfolgt ein unmittelbarer Eingriff in die Privatautonomie beider Vertragspartner durch Richterspruch. Die beiderseits selbst bestimmte und daher auch wirksame vertragliche Bindung würde aufgehoben.7 Auch wenn daher die Inhaltskontrolle als Instrument zur Durchsetzung materieller Gerechtigkeitsanforderungen dient, bedarf es im Interesse der Selbstbestimmung und im Interesse des Vertragspartners auch einer Begrenzung der Beschränkungen der Vertragsfreiheit.8 Die gleichen Wirkungen zeigen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts. Grundrechtliche Schutzpflichten entfalten stets zugleich auch freiheitsbeschränkende Wirkungen zu Lasten desjenigen Grundrechtsträgers, vor dem geschützt werden soll.9 Die Normen des Privatrechts zur Sicherung der Vertragsfreiheit haben dann eine doppelte Funktion. Im Rahmen der Schutzpflicht bedeuten sie Grundrechtsförderung. Gleichzeitig sind sie Grundrechtsverkürzung durch den von ihnen ausgehenden Grundrechtseingriff.10 Soweit in grundrechtliche Freiheiten eingegriffen wird, dient als Maßstab der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.11 Die Grenze bildet das Übermaßverbot.12 Begründen hingegen die grundrechtlichen Schutzpflichten den Eingriff, dann dient als Maßstab das Untermaßverbot als dem Mindestschutz, den der Staat von Verfassungs wegen zur Verfügung stellen muß, soweit grundrechtliche Freiheiten typischerweise und eklatant durch andere Grundrechtsträger gefährdet werden.13 Die Kollision zwischen dem Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit i. V. m. dem Übermaßverbot einerseits und dem Schutz der Allgemeinen Handlungsfreiheit i. V. m. dem Untermaßverbot andererseits, gilt es daher aufzulösen.14 Von Bedeutung ist hierbei, daß die Wirkungskraft der Schutzgebotsfunktion in Verbindung mit dem Untermaßverbot schwächer ist als die Eingriffsfunktion in Verbindung mit dem Übermaßverbot.15
7
Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (393). Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (257). 9 Damm, VersR 1999, 129 (132); Dieterich, WM 2000, 11 (12). 10 Jarass, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 35 (40); Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 11 Siehe nur: Belling, Streik in der Diakonie?, ZevKR 48 (2003), 407 (435 ff., 439) für den Ausgleich zwischen Streikrecht und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht mittels des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. 12 Pauly, AuA 1999, 77 (78). 13 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); ders., Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.b), S. 39; Medicus, AcP 192 (1992), 35 (53); Dieterich, WM 2000, 11 (12). 14 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (300); Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 15 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.c), S. 40. 8
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§ 6 Die allgemeinen Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle
II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Auch die Vertragsfreiheit beider Teile bedarf der Gewährung möglichst umfassender Entfaltung im Sinne von praktischer Konkordanz.16 Den konkurrierenden Rechtspositionen muß ausgewogen Rechnung getragen werden.17 Weder die Freiheitsbeschränkung noch der Freiheitsschutz dürfen unverhältnismäßig sein.18 Sämtliche Begrenzungen der Vertragsfreiheit müssen somit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.19 Sie müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist kein Fremdkörper im Privatrecht.20 Er hat dort schon eine lange Tradition.21 So ist der Schädiger nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB berechtigt, an Stelle der grundsätzlich geschuldeten Naturalrestitution Entschädigung in Geld zu leisten, wenn die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 S. 1 BGB), nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist.22 Einen ähnlichen Grundgedanken findet man bei §§ 633 Abs. 2 S. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB. Hier ist bei zur Gewährleistung verpflichtenden Mängeln die Nachbesserung nicht geschuldet, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Gesetzliche Ausformung hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch beim Angriffsnotstand in § 904 S. 1 BGB und beim Verteidigungsnotstand in § 228 BGB gefunden. Inhaltlich wird er ferner bei der Notwehr nach § 227 BGB deutlich.23 Nach § 343 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil herabzusetzen. Auch zu § 832 Abs. 1 BGB, der die Aufsichtspflichtverletzung der Eltern gegenüber ihren Kindern regelt, ermittelt sich das richtige Maß der im Einzelfall zur Erfüllung der Aufsichtspflicht gebo16 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1983, S. 283; Kohte, ZBB 1994, 172 (175); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1226); Belling, ZfA 1999, 547 (606 ff.). 17 BGH, 22.01.1991, XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (925). 18 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1471); Reuter, DZWir 1993, 45 (48); Jung, JZ 2001, 1004 (1005); Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 19 Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.II., Rdnr. 84, S. 77 f. 20 Medicus, AcP 192 (1992), 35 (37); Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, 1993, § 13.III.3., S. 361; Rüthers, Rechtstheorie, 1. Aufl., 1999, § 22.V.1., Rdnr. 756, S. 422; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 471. Für Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, 1984, S. 80 ist dem entsprechend auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Beschränkung des Günstigkeitsprinzips zu berücksichtigen. 21 Wieacker, FS für Robert Fischer, 1979, S. 867. 22 Daß § 251 Abs. 2 BGB eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht ist, hält auch BGH, 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (343) fest. 23 Siehe nur: Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., 1989, § 15.I.b), S. 272 ff.
II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
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tenen Aufsichtsmaßnahmen nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten.24 Eine Ausprägung der Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Familienrecht ist § 1579 BGB. Er verlangt – neben dem zum Unterhaltsausschluß führenden jeweiligen Härtegrund – eine billige Abwägung der beiderseitigen Verhältnisse.25 Gleiches gilt für die Richtlinien zur Genehmigung einer Scheidungsvereinbarung über den Versorgungsausgleich in § 1587o Abs. 2 S. 4 BGB. „Wenn Versagungsgründe vorliegen, „soll“ die Genehmigung der Vereinbarung nicht erteilt werden. Diese gesetzliche Regelung trägt ebenfalls dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung.“26 Als zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts gehörend, beansprucht daher der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch in der gesamten Zivilrechtsordnung Geltung.27 Daß er auch den Normen, die eine Vertragskontrolle ermöglichen, nicht fremd ist, zeigt sich deutlich bei § 138 Abs. 2 BGB.28 Das Tatbestandsmerkmal des auffälligen Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung gibt dem Rechtsanwender ebenfalls eine Wertung auf. Hat er die zwei Werte miteinander verglichen, ist zu entscheiden, ob zwischen ihnen noch Verhältnismäßigkeit oder schon Unverhältnismäßigkeit besteht.29 Über § 242 BGB findet der öffentlich-rechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ebenfalls seinen Weg in das Privatrecht.30
24 Schmid, VersR 1982, 822 (823); Albilt, Haften Eltern für ihre Kinder?, 1987, S. 98; Eckert, Wenn Kinder Schaden anrichten, 2. Aufl., 1993, S. 98 f.; Schoof, Die Aufsichtspflicht der Eltern über ihre Kinder, 1999, S. 67 f.; Belling/Eberl-Borges, in: Staudinger, 14. Bearb., 2002, § 832 BGB, Rdnr. 90. Zutreffend untersucht daher OLG Düsseldorf, 11.10.1996, 22 U 71/96, NJW-RR 1997, 343 die gebotene Aufsichtspflicht konkret nach geeigneten, mithin erforderlichen Maßnahmen einerseits und zumutbaren, mithin angemessenen Maßnahmen andererseits. 25 BGH, 09.02.1994, XII ZR 183/92, NJW 1994, 1286 (1287). Auch hat das BVerfG, 14.07.1981, 1 BvL 28/77, BVerfGE 57, 361 (388) den gänzlichen Ausschluß der Härteklausel durch § 1579 Abs. 2 BGB a. F. selbst in Fällen krasser Unbilligkeit als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar angesehen. 26 BVerfG, 04.05.1982, 1 BvL 26/77, NJW 1982, 2365 (2366). Ähnlich: BGH, 20.02.1982, IVb ZB 746/80, NJW 1982, 1463. 27 BGH, 11.02.1987, IVa ZR 194/85, BGHZ 100, 60 (64); BGH, 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (343). 28 Medicus, AcP 192 (1992), 34 (37). 29 Medicus, AcP 192 (1992), 34 (37). 30 So: BGH, 04.02.1976, VIII ZR 167/74, BGHZ 66, 62 (66). Die Entscheidung betraf die als Rechtsverordnung (§ 26 Abs. 2 S. 1 AGBG) in den AVBEltV niedergelegte allgemeine Duldungspflicht des Grundstückeigentümers. Nach dem BGH, a. a. O. setzte die „(. . .) Inanspruchnahme durch das Energie-Versorgungsunternehmen im Einzelfall voraus, daß der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, (. . .). Diesen Umstand hat das Versorgungsunternehmen (. . .) bei seiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang es den Stromabnehmer im Rahmen des privatrechtlichen Stromlieferungsvertrages zur Duldung einer Leitungsführung heranziehen will, Rechnung zu tragen (§ 242 BGB).“
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§ 6 Die allgemeinen Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle
Die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz können jedoch nicht deckungsgleich auf das Privatrecht übertragen werden.31 Selbst die zivilrechtlich verstandene Verhältnismäßigkeit gilt nicht überall in gleicher Weise.32 Mehrheitlich wird sich im Privatrecht die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf dessen dritte Stufe beschränken. Es geht dort um die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, die Angemessenheit des Eingriffs. Dort sollen der verfolgte Zweck und die Wirkung des eingesetzten Mittels zueinander in Beziehung gesetzt werden.33 Auch im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle begrenzt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Prüfung der Angemessenheit am Leitbild des dispositiven Rechts. Er kann bewirken, daß eine Abrede trotz deutlicher Abweichung vom Leitbild des dispositiven Rechts wirksam bleibt. Die Wirksamkeit wird der Abrede erhalten, weil die Abweichung vom dispositiven Recht im Einzelfall noch verhältnismäßig war. Trotzdem begrenzt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst die richterliche Inhaltskontrolle, nicht hingegen bereits originär die inhaltliche Gestaltungsfreiheit der Ehegatten. Günstiger wäre die Verwendung des ebenfalls gängigen Begriffs vom Übermaßverbot. Die vertragliche Gestaltungsmacht der Ehegatten soll auch in Situationen, die einen Kontrollanlaß vorgeben, nicht übermäßig durch die richterliche Inhaltskontrolle eingeengt werden. Im Rahmen der öffentlich-rechtlich geprägten Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist zuerst nach einem objektiv sachlichen Grund für den Eingriff zu suchen. Dieser sachliche Grund kann mit dem Anlaßgrund zur richterlichen Inhaltskontrolle gleichgestellt werden. Gibt es keinen Anlaß, an der Selbstbestimmung beider Vertragspartner beim Vertragsabschluß zu zweifeln, gibt es auch keinen sachlichen Grund zur Durchführung der richterlichen Inhaltskontrolle. Dann ist der Grundsatz des schonendsten Eingriffs in die Interessen des Benachteiligten zu wahren. Sofern der Bereich von Unterhaltsvereinbarungen zwischen Ehegatten von der Inhaltskontrolle betroffen ist, kann hier unter Umständen die richterliche Inhaltskontrolle zugunsten der Ausübungskontrolle begrenzt sein. Letztlich darf die Beeinträchtigung durch die richterliche Inhaltskontrolle nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen.34 Der Zweck wird in der Herstellung von Ergebnissen gesehen, die typischerweise das Ergebnis selbstbestimmter Nutzung von Vertragsfreiheit sind oder jedenfalls sein sollten. Sachliche Kriterien zur Prüfung dieser Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne fehlen oft. Dennoch empfehlen sich auch hier drei Stufen. Zuerst ist der wesentliche Gehalt der gegenläufigen Interessen zu ermitteln. Diese In31 32 33 34
Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 471. Medicus, AcP 192 (1992), 35 (40). Medicus, AcP 192 (1992), 35 (51). Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.III.2.c), S. 317.
II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
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teressen sind sodann abstrakt in ihrer jeweiligen Wertigkeit gegenüberzustellen. So überwiegen beispielsweise abstrakt die gemeinsamen Interessen des Kindes und des die tatsächliche tägliche Betreuung wahrnehmenden Elternteils den Interessen des anderen Elternteils am Ausschluß der finanziellen Belastung durch den Betreuungsunterhalt. Auf der nächsten Ebene ist zu prüfen, mit welcher Intensität diese Interessen beeinträchtigt sind, je nach Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Abrede. Wird das Interesse eines Teils nur am Rande, des anderen Teils hingegen in seinem Kern betroffen, fällt die Abwägung zugunsten des anderen Teils aus. So sind die jeweiligen Interessen beim gegenseitigen Ausschluß des Versorgungsausgleichs abstrakt gleich. Wer jedoch nahezu keine Anwartschaften erwarb und zukünftig auch nicht mehr erwerben kann, wird durch den Ausschluß im Kernbereich betroffen. Die richterliche Inhaltskontrolle kann daher durchaus unverhältnismäßig sein, wenn der im Streit stehende Ausschluß des Versorgungsausgleichs im Ergebnis nur den Streit um den Ausgleich eines geringfügigen Unterschiedsbetrages der erworbenen Anwartschaften betrifft. Für diese Stufe der Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bietet die gesetzliche Abwägungsregel zu § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB ein Beispiel. Für die Genehmigung einer Scheidungsvereinbarung über den Versorgungsausgleich durch das Familiengericht wird dort nur ein angemessener Ausgleich verlangt. Nicht erforderlich ist ein mathematisch gleicher Ausgleich, wie er im Falle einer gerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu treffen wäre (§ 1587a Abs. 1 S. 2 BGB). Auch kann der Ausschluß des Zugewinnausgleichs abstrakt die richterliche Inhaltskontrolle rechtfertigen. Steht tatsächlich jedoch nur ein geringfügiger Ausgleichsanspruch im Streit, verbietet sich eine richterliche Inhaltskontrolle ebenfalls.35 Letztlich gibt eine weitere und abschließende Stufe noch Raum für ergänzende Wertungskriterien. Hier kann es beispielhaft einem überlebenden Ehegatten zu verwehren sein, gegenüber den Erben den Ausschluß des Zugewinnausgleichs mit dem Ziel anzugreifen, den eigenen Erbteil über § 1371 Abs. 1 bzw. über Abs. 2 und 3 in Verbindung mit §§ 1373 ff. BGB zu erhöhen. Der Entscheidung des verstorbenen Ehegatten, den überlebenden Ehegatten trotz Kenntnis der güterrechtlichen Abrede nicht weiter testamentarisch bedenken zu wollen, gebührt auf dieser letzten Wertungsebene der Vorrang.
35 Ein gutes Beispiel bietet hier auch die Abwägung von BGH, 26.03.1997, XII ZR 250/95, FamRZ 1997, 800 = NJW 1997, 2239 mit Anm. Gernhuber, EWiR 1997, 591, mit Anm. Mayer, MittBayNot 1997, 234 und mit Anm. Hohloch, JuS 1998, 81. Die Ehefrau hatte zwar aller Voraussicht nach auf erhebliche Ausgleichsansprüche beim Zugewinn – offensichtlich in dreifacher Millionenhöhe – verzichtet. Der vertraglich vereinbarte nacheheliche Unterhalt, das zu übertragende Grundeigentum und die für den Zugewinn festgelegte Abfindungszahlung jedoch garantierten „(. . .) der Ehefrau (. . .) bis an ihr Lebensende einen – vom Unternehmerrisiko des Ehemannes weitgehend unabhängigen – außerordentlich hohen Lebensstandard (. . .)“.
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§ 6 Die allgemeinen Grenzen der richterlichen Inhaltskontrolle
Die Begrenzung der richterlichen Inhaltskontrolle durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit läßt sich nur umschreiben. Es handelt sich um eine Wertung. Einzelne Wertungskriterien sind genannt. Wichtig ist, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die richterliche Inhaltskontrolle bereits in ihrem Ausgangspunkt begrenzt. Wäre eine richterliche Inhaltskontrolle unverhältnismäßig, findet sie schon nicht statt. Es geht bei dieser Beschränkung nicht um die inhaltlichen Ergebnisse einer durchzuführenden richterlichen Inhaltskontrolle.
§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen Welche gesetzliche Regelung die normative Grundlage richterlicher Inhaltskontrolle von Verträgen ist, die Beantwortung dieser Frage weist die Richtung zu ihren tatbestandlichen Voraussetzungen. Hierzu werden noch immer verschiedene Ansichten vertreten. Auch im Rahmen dieser Arbeit kann nur ein weiterer Beitrag geleistet werden.
I. Die Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Als normative Grundlage der Inhaltskontrolle kann die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht unmittelbar herangezogen werden. Auch wenn die Befugnis zur richterlichen Inhaltskontrolle aus den Schutzgeboten von Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird, so gelten doch die Grundrechte nach zutreffender Ansicht zwischen den Subjekten des Privatrechtsverkehrs nur mittelbar. Auch erfaßt der Schutzbereich der Allgemeinen Handlungsfreiheit die Privatautonomie insgesamt, mithin die Vertragsfreiheit beider Vertragspartner als Träger des Grundrechts.1 Der Schutzbereich muß somit den Schutz von Selbstbestimmung und den Schutz vor Fremdbestimmung gleichzeitig bieten. Die Norm dient daher lediglich als verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt sowohl zur Begründung als auch zur Begrenzung der richterlichen Inhaltskontrolle.2 Die in Art. 2 Abs. 1 GG getroffene Aussage zu Grundwerten geht allenfalls dahin, die Auseinandersetzung mit dem Inhalt privatrechtlicher Verträge nicht allein den jeweiligen Vertragsparteien zu überlassen, sondern eine staatliche Kontrollinstanz zu eröffnen. Die Norm ist somit als Aufforderung an den Gesetzgeber und den Richter zu verstehen, die Inhaltskontrolle als Instrument gegen Funktionsstörungen der Privatautonomie zu erkennen und anzuwenden.3 Wegen des Schutzauftrages aus Art. 2 Abs. 1 GG ist für die Gerichte zwar vorgegeben, daß sie sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen: „Vertrag ist Vertrag“.4 Die Schranken der verfassungsrechtlich gewährten Freiheit müssen 1
Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (49). Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (49). 3 Dieterich, DB 1995, 1813 (1814); Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (50). 4 BVerfG, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 (234); BVerfG, 5.8.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 2
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
sich jedoch, wie es Art. 2 Abs. 1 GG bereits ausdrücklich anordnet, aus der verfassungsmäßigen Ordnung ergeben. Die verfassungsmäßige Ordnung beinhaltet die gesamte Rechtsordnung, soweit deren Bestandteile, welche nicht nur das Gesetzesrecht, sondern auch das Richterrecht und das Gewohnheitsrecht bilden, ihrerseits formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen.5 Art. 2 Abs. 1 GG ist verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt, nicht aber privatrechtliche Grundlage der Inhaltskontrolle. Nötig ist eine privatrechtliche Ausformung der von Art. 2 Abs. 1 GG verlangten richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen.
II. Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen kann nicht durch eine Analogie zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen begründet werden. 1. Keine Analogie mangels Regelungslücke Analogie verlangt nach einer Regelungslücke. Diese setzt vor allem voraus, daß es gesetzlich nicht geregelte Sachverhalte gibt, die einem vorhandenen gesetzlichen Tatbestand so ähnlich sind, daß die fehlende Einbeziehung in den Geltungsbereich des Gesetzes und damit in dessen Rechtsfolgen als Gleichheitsverstoß erscheint.6 Das Gericht ist daher nur dann zur analogen Anwendung einer Gesetzesvorschrift berechtigt, wenn der zur Beurteilung stehende Sachverhalt mit dem vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat. Aus diesem Grunde genügt es nicht, daß auf der Seite eines der Beteiligten das gleiche Interesse vorliegt, das der Gesetzgeber in einer einen anderen Fall betreffenden Gesetzesvorschrift schützen wollte („Schutzzweck“). Bei einer solchen Betrachtungsweise würden die Interessen der anderen Beteiligten in ungebührlicher Weise vernachlässigt. Es muß vielmehr geprüft werden, ob der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlaß der entsprechend anzuwendenden Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre.7 Einmal fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle durch § 1 AGBG, § 305 BGB ist weiter gefaßt. Der Gesetzgeber hat bewußt die konkret feststellbare wirtschaftliche und 5
Kunig, in: v. Münch/Kunig, 4. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 22, 23. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl., 1983, S. 39, 148; Lieb, DNotZ 1989, 274 (289); Rüthers, Rechtstheorie, 1999, § 23 B.I.1., Rdnr. 832 ff., S. 463. 7 BGH, 13.07.1988, IVa ZR 55/87, NJW 1988, 2734 = BGHZ 105, 140. 6
II. Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
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intellektuelle Unterlegenheit des Vertragspartners des Verwenders nicht tatbestandlich zur Voraussetzung der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 ff. AGBG, §§ 307 ff. BGB erhoben. Verzichtete der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit auf die tatsächliche Störung der Vertragsparität als Tatbestandsmerkmal der Inhaltskontrolle von AGB, kommt eine Erweiterung des Anwendungsbereiches über Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 1 AGBG, § 305 BGB hinaus durch analoge Anwendung grundsätzlich nicht in Betracht.8 Auch die Tatbestandsvoraussetzungen von § 1 AGBG, § 305 BGB – Verwendung formelhafter Klauseln als Gegensatz zur Individualvereinbarung – sind so weit voneinander entfernt, daß der Analogieschluß mangels planwidriger Regelungslücke scheitert.9 2. Die Inhaltskontrolle formelhafter Klauseln in Notarverträgen Auch die richterliche Inhaltskontrolle formelhafter Klauseln in notariellen Verträgen nach Inkrafttreten des AGBG10 erfolgte nicht in analoger Anwendung von §§ 9 ff. AGBG, sondern weiterhin an den zu § 242 BGB gefundenen Erkenntnissen.11 Der Gesetzgeber wollte mit dem AGB-Gesetz ausdrücklich nicht hinter den von der Rechtsprechung bereits erreichten Stand zurückgehen.12 Gleiches gilt für die wegen § 23 Abs. 1 AGBG, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 ff. AGBG, §§ 307 ff. BGB ausgeschlossenen Rechtsgebiete (Ausnahmebereich).13 Dieser Befund eröffnet aber nicht die Möglichkeit, die Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB nunmehr ganz allgemein auf dem vom AGB-Gesetz vorgefundenen Niveau als ein generelles Instrument der Vertragskontrolle zu betrachten und anzuwenden.14 Die gesetz8 Bunte, NJW 1987, 921 (924); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 287. 9 Bunte, ZIP 1984, 1313 (1315); Lieb, DNotZ 1989, 274 (289); Pauly, AuA 1999, 77; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.I.1.b), S. 63 f.; Ulmer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 1 AGBG, Rdnr. 78 ff. 10 01.04.1977, 00:00 Uhr; § 30 AGBG. 11 BGH, 05.04.1984, VII ZR 21/83, NJW 1984, 2094; BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135. 12 Bunte, ZIP 1984, 1313 (1316). 13 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 304; Heinrichs, in: Palandt, 60. Aufl., 2001, Vorbem v § 8 AGBG, Rdnr. 18; ders., a. a. O., 62. Aufl., 2003, Vorb v § 307 BGB, Rdnr. 17. Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 23 AGBG, Rdnr. 16 hält den Rückgriff auf § 242 BGB zur Inhaltskontrolle familienrechtlicher Verträge ebenfalls für möglich. So auch Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 23 AGBG, Rdnr. 62. In diesem Sinne auch: BGH, 23.11.1994, IV ZR 124/93, NJW 1995, 589 = BGHZ 128, 54 für die richterliche Inhaltskontrolle von Allgemeinen Versicherungsbedingungen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit nach § 242 BGB, welche wegen § 23 Abs. 1 AGBG – da als „Vereinssatzung“ dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen, von der Bereichsausnahme erfaßt waren. 14 Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 3.
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
lich geregelte Inhaltskontrolle nach den §§ 9 ff. AGBG, §§ 307 ff. BGB vermag mithin die richterliche Inhaltskontrolle in anderen Bereichen nicht zu legitimieren.15 § 9 AGBG, § 307 BGB sind nicht Grundnormen jeglicher Vertragsinhaltskontrolle,16 höchstens ein Ansatzpunkt für eine Rechtsanalogie.17 3. Keine Rechtsänderung durch § 307 BGB n. F. Auch wenn nunmehr mit § 307 Abs. 1 und 2 BGB die Generalklausel zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert wurde, soll hiermit keine grundsätzliche Änderung des Regelungsbereiches beabsichtigt sein.18 Kritik wird deshalb den gesetzgeberischen Integrationsgründen schon insoweit entgegengebracht, als dort darauf verwiesen wird, daß Schuldrecht des BGB sei eng mit dem AGB-Recht verwoben.19 Die Betonung eines engen Zusammenhanges mit dem BGB-Schuldrecht beachtet nicht genügend die Eigengesetzlichkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.20 Ganz entschieden wird dann aber der weiteren gesetzgeberischen Erwägung entgegengetreten. Danach soll eine Eingliederung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs richtig sein, weil sich der Gestaltungsspielraum des dispositiven Schuldrechts erst aus dem AGB-Gesetz ergibt.21 Wörtlich genommen würde ein Mißverständnis vorliegen. Individualvereinbarungen stand das AGB-Gesetz, jedenfalls bisher, nicht entgegen. Entgegen abweichender Reformüberlegungen auf europäischer Ebene22 bedarf es noch immer der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten und einseitig gestellten Vertragsbedingungen. Nicht nur mißverständlich, sondern schlicht unzutreffend muß es jedoch sein, wenn man dieser Erwägung entnehmen soll, daß das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vertragsfreiheit über seinen angestammten Regelungsbereich hinaus beschränkt. Selbst für eine Ausstrahlungswirkung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf das Schuldrecht ist kein Raum. Einer Vermischung von AGB-Recht und allgemeinem Vertragsrecht ist daher nachdrücklich zu widersprechen. Sie wäre unvereinbar mit dem das BGB-Schuldrecht prägenden Grundsatz der Privatautonomie.23 Es bleibt daher die Gefahr, daß durch die In15
Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.I.1.b), S. 63 f. So aber: Hart, AG 1984, 66 (69). 17 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.I.1.b), S. 64. 18 Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, AGBG, Einl., Rdnr. 52 ff.; ders., JZ 2001, 491; Pfeiffer, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 481 (501 f.). 19 DiskE (KF) vom 06.03.2001, Begründung S. 366. 20 Ulmer, JZ 2001, 491 (492). 21 DiskE (KF) vom 06.03.2001, Begründung S. 367. 22 Schulte-Nölke, NJW 1999, 3176. 16
II. Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
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tegration des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Bürgerliche Gesetzbuch sich die Gerichte verstärkt zur Inhaltskontrolle auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereiches der §§ 305 ff. BGB aufgerufen fühlen.24 Jedenfalls tendenziell wäre eine solche Entwicklung, selbstverständlich nur dort, wo sie zum Zwecke der Bewahrung beidseitiger Vertragsfreiheit angezeigt ist, durchaus zu begrüßen. 4. Keine Beschränkung der Inhaltskontrolle auf Formularverträge Da die richterliche Inhaltskontrolle maßgeblich mit der Störung von Vertragsparität begründet ist, gibt es auch keine Beschränkung auf die Überprüfung von formularmäßigen Vertragsklauseln. Störungen des Verhandlungsgleichgewichts infolge wirtschaftlicher oder intellektueller Überlegenheit des einen Teils oder aber auch infolge einseitiger Vorformulierung des Vertragstextes können auch bei individuell vereinbarten Verträgen zu einer inhaltlich unausgewogenen und den unterlegenen Teil einseitig benachteiligenden Vertragsgestaltung führen.25 „Schutz durch Inhaltskontrolle kann (. . .) – schon der Gleichbehandlung im Recht wegen – immer dann gewährt werden, wenn ebenso gewichtige Gefährdungen der Vertragsparität festgestellt werden können; ganz gleichgültig, ob diese nun auf Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen oder auf anderen Umständen beruhen.“26 Entscheidend für die Inhaltskontrolle ist daher nicht jedwede Art der Vorformulierung der Abrede. Hieraus kann sich lediglich ein möglicher Anlaß zur Inhaltskontrolle ergeben. Gewichtiger ist im Gegensatz zur Vorformulierung die Frage, ob ein Aushandeln des Vertragsinhaltes wegen fehlender Einflußmöglichkeit ausgeschlossen war. Nicht ausschließlich nur bei der Vorformulierung, sondern schon immer bei fehlender Einflußnahmemöglichkeit verdient der in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigte Vertragspartner Schutz vor unangemessenen Vertragsbedingungen. Die Entscheidungsfreiheit besitzt als Voraussetzung selbstverantwortlicher Zurechnung von Willenserklä23 Ulmer, JZ 2001, 491 (493). Dem gegenüber hat Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199 (200) ausdrücklich die Integration des AGB-Gesetzes oder aber wenigstens die Aufnahme eines Hinweises auf diese Inhaltskontrollmöglichkeit in das BGB gefordert, gerade weil die Wandlungen des Verständnisses der Vertragsfreiheit weg vom freien Spiel der Kräfte im Liberalismus und hin zum Schutz des sozial Schwachen nur marginal Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch fanden. 24 Ulmer, JZ 2001, 491 (496). 25 Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 3. 26 Lieb, AcP 178 (1978), S. 196 (203). Später betont Lieb, DNotZ 1989, 274 (289 f.), daß er zwar an dieser These festhalte, jedoch an den Nachweis gestörter Vertragsparität insbesondere im Bereich der Individualverträge strenge Anforderungen gestellt wissen will. Hier gehe das Bürgerliche Recht doch typischerweise von Gleichgewichtigkeit, mithin Parität aus. Umstände, die typischerweise Paritätsstörungen aufzeigen, müssen daher von erheblichem Gewicht sein.
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
rungen generelle Bedeutung.27 Das gilt für alle Personengruppen und ist nicht auf Verbraucherverträge zu beschränken. 5. Keine Sperrwirkung des AGB-Gesetzes Deshalb erzeugen das AGB-Gesetz und die Richtlinie 93/13/EWG28 im Gegenzuge auch keine Sperrwirkung für eine Inhaltskontrolle aufgrund anderer Vorschriften.29 Durch das AGB-Gesetz sollte der Rechtsschutz der Betroffenen erweitert und nicht die Kontrollmöglichkeit der Gerichte begrenzt werden.30 Das AGB-Gesetz stellt lediglich eine Teilkodifikation des Rechtsinstitutes der Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge dar.31 Eine geschlossene Gesamtregelung der richterlichen Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge sollte nicht erfolgen.32 Aus § 1 AGBG, § 305 BGB läßt sich daher auch kein Verbot der Inhaltskontrolle von Individualverträgen entnehmen, insbesondere wenn diese nicht das Ergebnis selbstverantwortlicher Prüfung und möglicher Einflußnahme beider Vertragspartner sind.33 Mit der richterlichen Inhaltskontrolle von Individualverträgen in bestimmten Fällen wird nicht das Gesetz korrigiert, sondern eine vom Gesetzgeber offen gelassene Lücke ausgefüllt.34 Die Grenzlinie zwischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Individualvereinbarungen bedeutet daher nicht zugleich, daß nur Allgemeine Geschäftsbedingungen, nicht aber auch individuelle Vereinbarungen einer richterlichen Inhaltskontrolle im Hinblick auf ihre Angemessenheit und Vertragsgerechtigkeit unterliegen.35 Der Umkehrschluß, was durch das AGBG verboten sei, stelle sich in anderen Fällen fehlender Vertragsparität stets als zulässige Wahrnehmung der Vertragsfreiheit dar, ist ebenfalls nicht gerechtfertigt.36
27
Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Aufl., 1997, § 24, Rdnr. 12. AblEG Nr. L 95 vom 21.4.1993, S. 29 ff. = NJW 1993, 1838 ff. 29 Hönn, JZ 1983, 677; Bunte, ZIP 1984, 1313 (1315 f.); Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung, 1993, § 8.I.3.a), S. 220. 30 BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135 (136); Wiedemann, Inhaltskontrolle vorformulierter Verträge, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (181, 187); Rieder, DNotZ 1984, 232; Bunte, ZIP 1984, 1313 (1315). 31 BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135; Lieb, AcP 178 (1978), 196 (197); Wiedemann, FS Max Kummer, 1980, S. 175 (187); Mayer-Maly, AcP 177 (1977), 379 ff.; ders., RdA 1983, 288 (289); Westermann, AcP 178 (1978), 150 (180 f.); Bunte, ZIP 1984, 1313 (1315); ders., NJW 1987, 921 (924). 32 Bunte, NJW 1987, 921 (924); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 304. 33 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.I.1.a), S. 63; Grziwotz, NotBZ 2002, 51 (53). 34 BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135 (136). 35 Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 1 AGBG, Rdnr. 53. 36 Bunte, NJW 1987, 921 (924). 28
II. Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
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6. Inhaltskontrolle im Ausnahmebereich, § 310 Abs. 4 S. 1 BGB Die Regelungen des AGBG finden bei Verträgen auf dem Gebiet des Familienrechts keine Anwendung, § 23 Abs. 1 AGBG, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Von den gesetzlich geregelten Fällen der Inhaltskontrolle sind Eheverträge daher ausdrücklich ausgenommen.37 Auch mit dieser Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereiches des AGB-Gesetzes normierte der Gesetzgeber jedoch kein Verbot der Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Auch Verträge auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts werden durch § 23 Abs. 1 AGBG, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen. Insbesondere die Gesellschaftsverträge der Publikumsgesellschaften werden jedoch einer umfassenden Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB unterzogen. Gleiches gilt für die Gemeinschaftsordnungen der Wohnungseigentümer.38 In der Rechtsprechung des BAG hat die Inhaltskontrolle von Verträgen auf dem Gebiete des Arbeitsrechts bereits eine lange Tradition, welche durch die Normierung von § 23 Abs. 1 AGBG nicht unterbrochen wurde und nunmehr hinsichtlich formularmäßiger Arbeitsvertragsklauseln in § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ausdrücklich auch eine gesetzliche Grundlage gefunden hat. Letztlich war es auch Intention des Gesetzgebers, daß § 23 Abs. 1 AGBG eine Inhaltskontrolle von Verträgen am Maßstab des § 242 BGB in den genannten Vertragsbereichen nicht ausschließen sollte.39 Im Ausnahmebereich ist damit zwar die unmittelbare oder analoge Anwendung des AGB-Gesetzes zur Inhaltskontrolle schon gesetzlich ausgeschlossen. Ein gesetzliches Verbot einer auf der Grundlage von Generalklauseln entwickelten, anderweitig begründeten oder begründbaren Inhaltskontrolle wird durch § 23 AGBG jedoch nicht angeordnet.40 Die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen bleibt daher trotz der Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB möglich.41 Der Ausschluß der Eheverträge aus dem sachlichen Anwendungsbereich des AGBG wurde mit einem fehlenden Bedürfnis einer Inhalts37 Nach Heinrichs, a. a. O., § 310 BGB, Rdnr. 49 ist die Bereichsausnahme für Verträge des Familienrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB analog auf Formularverträge im Sinne von § 7 Abs. 1 LPartG, die Lebenspartnerschaftsverträge, anzuwenden. 38 BGH, 03.07.1997, V ZB 2/97, NJW 1997, 2956 (2957); OLG Frankfurt, 02.03.1998, 20 W 54/98, NJW-RR 1998, 1707 (1709). 39 BT-Drs. 7/3919, S. 41. 40 Hönn, JZ 1983, 677; Bunte, ZIP 1984, 1313 (1316); Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 23 AGBG, Rdnr. 4; Grziwotz, NotBZ 2002, 51 (53); a. M.: Tönnies, VersR 1989, 1023 (1030). 41 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (28); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.II.a)bb), S. 238; Werner, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 23 AGBG, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 23 AGBG, Rdnr. 16; Büttner, FamRZ 1998, 1 (6 ff.); Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 23 AGBG, Rdnr. 62; Heidrich/Heins, NotBZ 2001, 141 (142); Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*).
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kontrolle von Verträgen in diesem Bereich begründet. Diese Erwägung mag schon wegen der Legaldefinition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG, § 305 Abs. 1 Satz 1 zutreffend gewesen sein. Ein Ehepartner wird kaum als Verwender dem anderen Ehepartner in einem Ehevertrag Vereinbarungen stellen, die er bereits zu diesem Zeitpunkt für eine Vielzahl von zukünftig noch abzuschließenden Eheverträgen entworfen hat.42 Ganz allgemein sind die „Konsumentenschutzgesetze“ im Hinblick auf Eheverträge eben schon deshalb nicht einschlägig, weil die dort typische Gegenüberstellung von Verbraucher und Unternehmer, §§ 13 f. BGB, fehlt. „Das bedeutet aber keineswegs, daß der diesen Gesetzen zugrunde liegende allgemeine Rechtsgedanke nicht auch im Familienrecht anwendbar wäre.“43 Selbst die erstmalige Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verbraucherverträgen, die ein Dritter in den Vertrag einbezieht, sind AGB-Klauseln im Sinn von § 24a Nr. 1 AGBG, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.44 Hier hat sich die Rechtslage geändert. Zunächst waren Klauseln, die ein neutraler Dritter vorgeschlagen und in den Vertrag aufgenommen hatte, nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG angesehen worden.45 Es fehlte an einem „Stellen“ der Vertragsbedingung, wenn die formularmäßigen Bedingungen einen Vertragsteil begünstigten, der neutrale Dritte, beim Ehevertrag der Notar, jedoch nur seine üblichen und gebräuchlichen Klauseln genutzt hatte. In den Fällen, in denen ein von den Vertragsparteien eingeschalteter Dritter, so auch der den Ehevertrag beurkundende Notar, seine üblichen Formulare oder Klauseln verwendete, waren die Kriterien des „Stellens“ und somit des „Verwendens“ nicht erfüllt.46 Sicher handelt es sich bei Eheverträgen nicht um Verbraucherverträge im Sinne von § 24a AGBG, § 310 Abs. 3 BGB. Diese Erweiterung im Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes verdeutlicht jedoch, daß auch notarielle Verträge einer Inhaltskontrolle bedürfen können. Auch die notarielle Beurkundung eines Ehevertrages vermag nicht den „Sog des vorformulierten Gedankens“ zu verhindern.
III. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB Teilweise wird an die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zur normativen Erklärung der Inhaltskontrolle angeknüpft.47 Auch soll sich die entsprechende 42 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (28). Siehe auch: BT-Drs. 7/3919, S. 41 und 7/5422, S. 13. Ebenso: Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 8.II.3., S. 234. 43 Schwab, DNotZ 2001, 9* (14*). 44 v. Westphalen, BB 1996, 2101 (2102); Bunte, DB 1996, 1389 (1391 f.). 45 BGH, 16.11.1990, V ZR 217/89, NJW 1991, 843; BGH, 12.06.1992, V ZR 106/ 91, NJW 1992, 2817. 46 Leverenz, Jura 1993, 266 (267 f.).
III. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB
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Anwendung von §§ 317, 319 BGB anbieten, wenn durch einen Notar oder einen sonst mit der Vertragsgestaltung beauftragten Dritten eine unangemessene Klausel in den Vertrag eingebracht wurde, ohne daß die Vertragspartner hierzu verhandelten.48 § 315 BGB kann jedoch ebenfalls nicht normative Grundlage richterlicher Inhaltskontrolle sein. Die Vorschrift ist zur Begrenzung der Vertragsinhaltsfreiheit im Wege der richterlichen Inhaltskontrolle nicht geeignet.49 In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar seit langem anerkannt, daß die Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind.50 Grund dieser Billigkeitskontrolle ist jedoch, daß die Preisabrede zwar ihren Ursprung im Vertrag findet, jedoch gerade wegen der Monopolstellung nicht von einem Konsens der Partner getragen sein kann. Eine einseitig bestehende Rechtsmacht bedarf zwar daher auch hier zur Vermeidung willkürlicher Ergebnisse einer richterlichen Bestimmung nach billigem Ermessen. Vergleichbar der Ausübungskontrolle setzt aber auch diese Billigkeitskontrolle auf einer der Sittenwidrigkeitsund Angemessenheitskontrolle – also der richterlichen Inhaltskontrolle – erst nachfolgenden Ebene ein. Ein in den Vertrag einbezogenes und wirksames Be47 BGH, 29.10.1962, II ZR 31/61, BGHZ 38, 183 (186); auch: BGH, 14.04.1975, II ZR 147/73, BGHZ 64, 238 (242) unter Hinweis auf § 319 BGB; unklar auch noch: BGH, 08.10.1997, IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394 (399). Ferner: Lukes, NJW 1963, 1897 (1900); Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtskontrolle im Arbeitsrecht, 1972, S. 224; Mayer-Maly, AcP 177 (1977), 379 (382); Kramer, ZHR 146 (1982), 105 (111, 116); Kronke, AcP 183 (1983), 113 (125, 128 ff.). Für Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 315 BGB, Rdnr. 2; ders., a. a. O., § 310 BGB, Rdnr. 50; ders., a. a. O., § 25 BGB, Rdnr. 9 ist § 315 BGB zusammen mit § 242 BGB insbesondere im Ausnahmebereich des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB noch immer Grundlage richterlicher Inhaltskontrolle. 48 Bunte, ZIP 1984, 1313 (1317). 49 Westhoff, Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 1975, S. 62 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.I., S. 14 ff.; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VI.3.a), S. 195; Pauly, AuA 1999, 77; Medicus, Schuldrecht I, 7. Aufl., 1993, S. 102; Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 315 BGB, Rdnr. 8. Siehe auch: Pütz, § 315 BGB – Rechtsgrundlage einer Inhaltskontrolle bei Imparität der Vertragspartner, 1989. 50 BGH, 01.07.1971, KZR 16/70, WM 1971, 1456 (1457); BGH, 27.10.1972, KZR 9/71, LM Nr. 2 zu LuftVZO; BGH, 24.11.1977, III ZR 27/76, LM Nr. 5 zu LuftVZO; BGH, 19.12.1978, VI ZR 43/77, BGHZ 73, 114 (116), BGH, 19.01.1983, VIII ZR 81/ 82, WM 1983, 341 (342); BGH, 03.11.1983, III ZR 227/82, MDR 1984, 558; BGH, 04.12.1986, VII ZR 77/86, WM 1987, 295 (296); BGH, 10.05.1990, VII ZR 209/89, BGHR BGB § 315 Abs. 3 – Stromversorgung Nr. 1; BGH, 10.10.1991, III ZR 100/ 91, BGHZ 115, 311 (316); BGH, 17.06.1993, VII ZR 243/91, LM Nr. 48 zu § 315 BGB; BGH, 02.07.1998, III ZR 287/97, LM Nr. 5 zu § 138 (Cc) BGB; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 8 AGBG, Rdnr. 15; Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 315 BGB, Rdnr. 22. Siehe auch: Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.b.bb., S. 257 ff. zur Bedeutung von § 315 Abs. 3 BGB für die gerichtliche Leistungsbestimmung in Verträgen bei Kontrahierungszwang, deren Abschluß verweigert wurde.
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
stimmungsrecht unterliegt in seiner konkreten Ausübung der gerichtlichen Überprüfung. Der Anwendungsbereich der Billigkeitskontrolle ist demnach erst eröffnet, wenn innerhalb eines bestehenden Vertrages eine Leistungsbestimmung im Sinne einer Konkretisierung des Vertragsinhaltes vorgenommen wird. Formal übereinstimmend festgelegte Punkte – also vom Konsens der Vertragspartner schon getragene Abreden – liegen dann außerhalb der Billigkeitskontrolle. Im Wege der Billigkeitskontrolle wird nur die konkrete Ausübung einer vertraglich bereits wirksam eingeräumten Kompetenz geprüft. Die Kompetenzklausel selbst wird nicht an § 315 BGB gemessen.51 Die Bewertung der Wirksamkeit der Kompetenzklausel wäre aber schon der zutreffende Gegenstand der richterlichen Inhaltskontrolle. Deshalb ist der Hinweis zutreffend, daß die Anwendung von § 315 BGB bereits ein vertraglich wirksam vereinbartes Bestimmmungsrecht voraussetzt. Bei der richterlichen Inhaltskontrolle geht es hingegen um die Frage der Wirksamkeit des Bestimmungsrechts.52
IV. Der Sittenwidrigkeitsvorwurf nach § 138 BGB Auch die Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist als ausschließlicher normativer Ausgangspunkt einer richterlichen Inhaltskontrolle als Angemessenheitskontrolle ungeeignet. Die Norm enthält mit der Sittenklausel im ersten Absatz zwar einen extrem weiten Tatbestand, auf der Rechtsfolgenseite jedoch keinerlei Bewegungsfreiheit.53 Als Sanktion sieht die Vorschrift Nichtigkeit vor und zwar schlechthin als einzig in Betracht kommende Sanktion.54 Gerade weil die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zumeist den Interessen der Parteien nicht gerecht wird, kann § 138 BGB allein nicht Rechtsgrundlage einer richterlichen Inhaltskontrolle sein.55 Es „(. . .) lassen sich die differenzierten Probleme typischerweise gestörter Vertragsbeziehungen nicht mit dem groben Geschütz des § 138 BGB lösen.“56 Auch würde die Gesamtnichtigkeit des Vertrages oder zumindest einzelner Vertragsteile dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag nicht genügend entsprechen. Durch die Nichtigkeit darf sich der Schutz des schwächeren Vertragspartners nicht in sein Gegenteil verkehren.57 Trotzdem bietet diese Vorschrift erhebliche Ansätze zur Ableitung ei51 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 306 f. Ähnlich auch: Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VI.3., S. 195 f. 52 Leverenz, Jura 1993, 266 (269). 53 Damm, JZ 1986, 913 (915). 54 Mayer-Maly, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 157. 55 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.II.2., S. 19; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.IV., S. 176, 180; Leverenz, Jura 1993, 266 (270); Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 399, 407, 410; a. M.: Hönn, JZ 1983, 677 (683). 56 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.IV., S. 176.
V. Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben
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ner normativen Grundlage für die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen. Hierauf wird noch näher eingegangen.
V. Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben § 242 BGB beziehungsweise das Prinzip von Treu und Glauben werden regelmäßig als normative Grundlage richterlicher Inhaltskontrolle benannt. Diese Vorschrift verlangt daher nach einer näheren Prüfung auf ihre unmittelbare Eignung als normative Grundlage der richterlichen Inhaltskontrolle. 1. Die richterliche Inhaltskontrolle nach § 242 BGB Normativ wird die Inhaltskontrolle im weiteren Sinne, also die Vertragskontrolle, soweit sie im Bereich des BGB nicht unmittelbar auf § 138 BGB zu stützen ist, in aller Regel – zumindest auch – auf § 242 BGB gestützt.58 Insoweit besteht ganz allgemein Konsens. Auch in § 9 Abs. 1 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 sowie in Art. 3 Abs. 1 RiLi 93/13/EWG ist das Prinzip von Treu und Glauben als Rechtsgrundlage der Inhaltskontrolle verankert. Der einheitliche Maßstab für vergleichbare Schutzbedürfnisse bleibt erhalten.59 Grundsätzlich soll daher die Heranziehung von § 242 BGB zur Inhaltskontrolle außerhalb des von § 23 Abs. 1 AGBG, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB geregelten sachlichen Anwendungsbereiches uneingeschränkt zulässig bleiben.60 Die Rechtsprechung bezieht sich daher oftmals im Zusammenhang mit der richterlichen Inhaltskontrolle auf § 242 BGB.
57 Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 7.V.2.c)bb), S. 170. Ähnlich: Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 399. 58 Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (187 f.); Kramer, ZHR 146 (1982), 105 (116); Damm, JZ 1986, 913 (922); Becker, DZWir 1994, 397 (404); Hess, FamRZ 1996, 981 (986); Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearb., § 242 BGB, Rdnr. 458. Peter, ArbuR 1999, 289 (292) nimmt im Rahmen der arbeitsvertraglichen Inhaltskontrolle ohne nähere Differenzierung Bezug auf §§ 242, 315 BGB. 59 Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 1 AGBG, Rdnr. 54. 60 Lieb, AcP 176 (1976), 221 (224); Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (189); Fikentscher, FS für Wolfgang Hefermehl, 1971, S. 41 (51); Stein, Die Inhaltskontrolle vorformulierter Verträge, 1982, S. 115; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 9 AGBG, Rdnr. 24; Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 429. Nach Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780) entspricht das heute bereits herrschender Meinung.
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
a) Gesellschaftsverträge Demgemäß unterwirft der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, für die nach § 23 Abs. 1 AGBG, jetzt § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, die Vorschriften des AGBG nicht anwendbar sind, der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach § 242 BGB, um Gesellschafter einer Publikums-Kommanditgesellschaft vor unbilligen Vertragsbedingungen zu schützen.61 b) Formelhafter Gewährleistungsausschluß Eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich gegenüber dem formelhaften Ausschluß der Gewährleistung in notariell beurkundeten Verträgen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Errichtung von neuen Gebäuden, Eigentumswohnungen u. ä. durchgeführt.62 Maßgebend für den BGH war, daß das AGB-Gesetz lediglich eine Teilkodifikation des Rechtsinstituts der Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge darstellt und deshalb eine richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen, die von seinem Anwendungsbereich nicht erfaßt werden, keineswegs ausschließt. Aus diesem Grund seien, so der BGH, in Einzelfällen bestimmte Individualverträge, die gemäß § 1 Abs. 2 AGBG nicht dem AGB-Gesetz unterliegen, der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach § 242 BGB zu unterziehen, wenn es zum Schutz eines Beteiligten erforderlich ist. Die besondere Schutzbedürftigkeit in diesen Fällen liege darin, daß in einen notariell beurkundeten Individualvertrag aufgenommene Klauseln den Anschein der Rechtmäßigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit verbreiten, deren Sinn und Rechtsfolgen sich die Beteiligten jedoch nicht ausreichend bewußt machen. In diesen Fällen, so der Bundesgerichtshof ausdrücklich,63 erscheint die Richtigkeitsgewähr des Vertrags typischerweise beeinträchtigt.64 61 Siehe nur: BGH, 10.10.1983, II ZR 213/82, LM BGB § 242 (Cd) Nr. 252 = WM 1983, 1407. 62 BGH, 05.04.1979, VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204 (209); BGH, 06.05.1982, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243; BGH, 05.04.1984, VII ZR 21/83, NJW 1984, 2094; BGH, 20.02.1986, VII ZR 318/84, BauR 1986, 345 (346); BGH, 07.05.1987, VII ZR 366/85, BGHZ 100, 391 (396); BGH, 21.05.1987, VII ZR 3/86, BB 1987, 1488 = WM 1987, 1018; BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135; BGH, 21.04.1988, VII ZR 146/87, NJW 1988, 1972 (1973); BGH, 26.06.1989, VII ZR 151/ 88, BGHZ 108, 164 mit Anm. Brambring, DNotZ 1990, 99 und Lüke, JR 1990, 239. Ebenso: OLG München, 08.10.1980, 27 U 303/80, NJW 1981, 2472; OLG Köln, 01.06.1989, 7 U 65/88, VersR 1991, 890; OLG Hamburg, 26.02.1997, 5 U 102/95, BauR 1997, 835; OLG Köln, 18.11.1999, 12 U 71/99, ZfBR 2000, 336 = MittRhNotK 2000, 69; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., 2002, Rdnr. 2164, 2180. 63 Unter Hinweis auf: Kramer, ZHR 146 (1982), 105 (111). 64 BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135.
V. Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben
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Wegen § 24a Nr. 1 AGBG, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB hat diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an Bedeutung verloren.65 Formelhafter Gewährleistungsverzicht unterliegt nunmehr schon dann der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn der Notar als Dritter die Regelung in einen Standardvertrag aufnahm.66 In seiner Entscheidung vom 16.11.199067 hat der BGH die Frage aufgeworfen, ob unabhängig von der erfolgten notariellen Beurkundung die dort streitige Vereinbarung von Fälligkeitszinsen gegen Treu und Glauben verstößt. Er sah sich jedoch ausdrücklich nicht veranlaßt „Möglichkeit und Grenzen einer diesbezüglichen Kontrolle“ festzulegen, da die getroffene Regelung im Rahmen von § 242 BGB nicht zu beanstanden war. c) Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer Mit Beschluß vom 03.07.199768 hat das Gericht festgehalten, daß die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer für den Inhalt von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung durch die Grenzen der Vertragsfreiheit nach §§ 134, 138 BGB und einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB beschränkt ist, die maßgebliche Bestimmung der Teilungserklärung jedoch weder gegen zwingendes Recht noch gegen Treu und Glauben verstoße. d) Verbandsnormen und Satzungen Auch unterliegen die Verbandsnormen von Sportverbänden, die Beziehungen zu ihren Mitgliedern, aber auch zu Nichtmitgliedern betreffend, einer „Inhaltskontrolle unmittelbar nach § 242 BGB“.69 Letztlich werden auch die Regelungen der Satzung über die Beitragsgestaltung der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten als Allgemeine Geschäftsbedingungen eingeordnet. Diese unterliegen zunächst der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, § 307 BGB. Weil die Bundesbahn „(. . .) eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, erstreckt sich diese Kontrolle auch auf die Verletzung von Grundrechten; die Satzung darf überdies nicht gegen § 242 BGB verstoßen.“70
65
Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., 2002, Rdnr. 2164. BGH, 10.03.1999, VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180 (2181); Brambring, FS für Helmut Heinrichs, 1998, S. 39 (46); Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 24a AGBG, Rdnr. 43; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 24a AGBG, Rdnr. 36; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 310 BGB, Rdnr. 12. 67 BGH, 16.11.1990, V ZR 217/89, DNotZ 1991, 680 (681). 68 BGH, 03.07.1997, V ZB 2/97, NJW 1997, 2956 (2957). 69 BGH, 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585); BGH, 27.09.1999, II ZR 305/98, NJW 1999, 3552; Pfister, JZ 1995, 464 (466); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99 f.). Heermann, NZG 1999, 325 (332) will die Inhaltskontrolle auf §§ 9 ff. AGBG stützen. 66
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
Ganz allgemein wird man daher davon auszugehen haben, daß außerhalb des Anwendungsbereiches von § 138 BGB bzw. von §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB der Bundesgerichtshof die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen auf Treu und Glauben nach § 242 BGB stützt. Die unmittelbare Vorschrift des § 242 BGB bietet für sich genommen jedoch ebenfalls keine hinreichende normative Grundlage für die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen. Unmittelbar aus § 242 BGB läßt sich die Inhaltskontrolle normativ nicht ableiten.71 2. Das übergeordnete Prinzip von Treu und Glauben Treu und Glauben sind nicht starr an § 242 BGB gebunden. Sie sind ein den Normen übergeordnetes Prinzip.72 Normative Grundlage der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen außerhalb des AGB-Gesetzes und über die Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 BGB hinaus ist nach überzeugender Ansicht das in § 242 BGB verankerte und über den Norminhalt hinausgehende Prinzip von Treu und Glauben.73 Die Abänderung dispositiver Vorschriften des Bürgerlichen Rechts „(. . .) muß selbstverständlich mit den das ganze Rechtsleben beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbar sein. Eine Unwirksamkeit käme danach in Betracht, wenn im Einzelfall die gesetzlich zulässige Freizeichnung unangemessen wäre und zu einem mit Treu und Glauben nicht mehr im Einklang stehenden Ergebnis führen würde.“74 Deshalb ist § 242 BGB ein „Notventil“ im Rahmen der ansonsten höher konkretisierten Rechtssätze. Die Norm hat sich zu einer „Ermächtigungsgrundlage“ für die außergesetzliche Neubildung von Rechtssätzen durch den Rechtsanwender entwickelt.75
70 BGH, 10.09.2003, IV ZR 387/02, Urteilsumdruck S. 4; BGH, 30.09.1998, IV ZR 262/97, VersR 1999, 210. 71 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (212); Canaris, Schutzgesetze – Verkehrspflichten – Schutzpflichten, FS für Karl Larenz, 1983, S. 27 ff.; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (16). Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.II., S. 70 ff., 72; CoesterWaltjen, Jura 1995, 26 (28); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780). Auch nach Medicus, Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, S. 22 kann § 242 BGB allenfalls einen „Aufhänger“ für die Inhaltskontrolle von Rechtsgeschäften bieten. 72 Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 16.I.2., Rdnr. 125, S. 72. 73 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (16). Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.II., S. 70 ff. (72); Leverenz, Jura 1993, 266 (270); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (28); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780); Pauly, AuA 1999, 77 (78). 74 BGH, 06.06.1986; V ZR 67/85, NJW 1986, 2824 (2825). 75 Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 2.
V. Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben
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3. Das Prinzip von Treu und Glauben und § 138 BGB Entscheidend für die normative Zuordnung der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen dürfte das Verhältnis dieses Rechtsinstituts zur Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB sein. Der Standard der guten Sitten schützt nur bestimmte, besonders qualifizierte Interessen. § 242 BGB erlaubt weit darüber hinaus eine allgemeine Interessenabwägung. Im Gegensatz zur rigiden Rechtsfolge der Nichtigkeit aus § 138 BGB, läßt sich aus dem Rechtsfolgenrahmen des § 242 BGB ein differenzierterer und damit eventuell auch weitergehender bzw. wirkungsvollerer Schutz des Betroffenen entwickeln.76 Gerade in den Grenzfällen der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB kann mittels einer ergänzenden Heranziehung von § 242 BGB schon der interessengerechte Schutz geboten werden. Aber auch in den Fällen, in denen das Verdikt der Sittenwidrigkeit „etwas zu hoch gegriffen scheint“, mithin dieses „scharfe Schwert“ eine durchaus angezeigte Wirksamkeitskontrolle dann doch verhindert, kann mit der zusätzlichen Berücksichtigung von § 242 BGB eine Abhilfemöglichkeit geboten sein.77 Da aber die Beurteilung der Interessengerechtigkeit nach der einen Generalklausel nicht im Widerspruch stehen darf zu derjenigen nach der anderen Generalklausel, bedeutet das Konkurrenzproblem zwischen § 138 und § 242 BGB der Sache nach lediglich, daß mittels der unter § 242 BGB entwickelten Wertungsgrundsätze auch § 138 BGB modifiziert werden kann.78 Mit anderen Worten: Das Prinzip von Treu und Glauben, § 242 BGB, findet auch bei der Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB seine Anwendung. Ist nicht die Norm des § 242 BGB unmittelbar die Rechtsgrundlage der Inhaltskontrolle, sondern das aus §§ 157, 226, 242, 307, 826 BGB abzuleitende Rechtsprinzip von Treu und Glauben,79 und betrachtet man weiter dieses Rechtsprinzip auch für die Erweiterung des Tatbestandes von § 138 BGB als geeignet,80 76 Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 116 unter Hinweis auf: BGH, 16.02.1954, V BLw 60/53, BGHZ 12, 286 (295, 297); Werner, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 242 BGB, Rdnr. 15. 77 Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 117. 78 Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 117. 79 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.II., S. 70 ff. (72). 80 Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearb., § 242 BGB, Rdnr. 458; ähnlich: Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 16.IV., Rdnr. 135, S. 76. Schon Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, 1914, S. 364 hat gegenüber der Verkehrssitte im Sinne von § 242 BGB darauf hingewiesen: „Wieweit sie (die Verkehrssitte – Anm. d. V.) wirken soll, hängt nie von ihr selbst ab, sondern immer nur von dem allein maßgeblichen Rechtsbefehl des staatlichen Gesetzgebers. Was sie schafft, hat nicht selbst den Charakter von Rechtssätzen, sondern ist nur Ausfüllungsmaterial für die Anwendung anderweitiger staatlicher Sätze.“ Ähnlich auch: Hamburger, Treu und Glauben im Verkehr, 1930, § 3, S. 10 f.: „Der Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte stellt als allgemeines Rechtsprinzip einen den Gesetzesbestimmungen immanenten Kern dar. Solange die Gesetzesbestimmung in ihrer Anwendung auf den Einzelfall sich mit dem allgemeinen Grundsatz deckt, hat es bei
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
dann folgt die Rechtsgrundlage der sich auf das Rechtsprinzip von Treu und Glauben stützenden Inhaltskontrolle normativ nicht aus § 242 BGB, sondern aus § 138 Abs. 1 BGB. Überhaupt verschwimmt mit dem Wegfall der tatbestandlichen Voraussetzung einer rechtlichen Sonderverbindung für § 242 BGB auch die Abgrenzung zu § 138 BGB.81 Es erfolgt hier eine rechtstechnische Verknüpfung des Prinzips von Treu und Glauben aus § 242 BGB mit dem Normbestand von § 138 BGB.82 Geht es bei der Inhaltskontrolle um die materiellen Schranken der Vertragsfreiheit,83 dann ist der systematische Standort dieser Schranken eben auch bei § 138 BGB.84 Die Bezeichnung dieses systematischen Standorts hat dann die Bedeutung der Anlagerung einer eigenen, rechtsfortbildend entwickelten Sondernorm für Fälle fehlender oder eingeschränkter materieller Vertragsfreiheit, die mit § 138 BGB nur den systematischen Standort, nicht aber den Regelungsinhalt gemein hat.85 Die systematische Anknüpfung der Inhaltskontrolle an § 138 BGB ist von der Subsumtion unter die Norm selbst zu unterscheiden.86 So bleibt es dann folgerichtig auch unschädlich, wenn die Anforderungen an einen Anlaß zur Durchführung der Inhaltskontrolle hinter den Anforderungen an eine Sittenwidrigkeitsprüfung zurückbleiben.87
ihrer Anwendung sein Bewenden. Führt die Anwendung der Gesetzesbestimmung, die Auslegung des Vertrages, der Willenserklärung im Einzelfall zu einem Ergebnis, das dieser Maxime nicht entspricht, so muß es durch ein dem Grundsatz von Treu und Glauben im Verkehr entsprechendes Ergebnis ersetzt werden.“ Daraus dürfte folgen, daß § 242 BGB seine Konkretisierungs- und auch Abwandlungsfunktion auch im Tatbestand von § 138 Abs. 1 BGB erbringen kann und muß. 81 Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 16.II.3., Rdnr. 130, S. 74. Auch für Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (325) Fußn. 177 sind die Grenzen zwischen § 138 BGB und der Inhaltskontrolle im Sinne einer Angemessenheitskontrolle zwar fließend, jedoch nicht identisch. 82 Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 412. Damm, JZ 1986, 913 (923) hält es unter Ablehnung einer „Generalgeneralklausel“ der §§ 133, 157, 242, 138 BGB für angemessen, von einer Assimilierung der vertragsrechtlichen Generalklauseln gewissermaßen in einem Generalklauselverbund zu sprechen, welche von einer kategorischen Trennung zu sich überschneidenden Legitimationszentren richterlicher Inhaltskontrolle führt. In der Sache kaum abweichend auch Hönn, JZ 1983, 677 (685). Er will zwar das Rechtsgeschäft an § 138 Abs. 1 BGB überprüft haben. Der Prüfungsmaßstab muß jedoch durch Wertungen konkretisiert sein. Diese seien einmal dem AGB-Gesetz entnehmbar. Aber auch die von Rechtsprechung und Lehre über die „sog. Inhaltskontrolle“ entwickelten Grundsätze seien heranzuziehen. Es gehe, so Hönn, a. a. O., 688, um „(. . .) die Konkretisierung der Guten-Sitten-Klausel unter Berücksichtigung einer typischen Schutzbedürftigkeit bei bestimmten Individualverträgen.“ 83 Grün, WM 1994, 713 (720 f.). 84 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.II.1.b), S. 73. 85 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.II.1.b), S. 73. 86 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.I.3.c), S. 233. 87 Bengelsdorf, BB 1995, 978 (980).
V. Die Norm des § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben
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a) Die tatbestandliche Nähe von § 138 BGB und der Inhaltskontrolle Die tatbestandliche Nähe von § 138 BGB und der Inhaltskontrolle wird an verschiedenen Beispielen deutlich. aa) Der Vergleich zwischen § 138 Abs. 1 BGB und §§ 9 Abs. 1 AGBG, 307 Abs. 1 BGB So ergibt sie sich beispielsweise aus einem Vergleich zwischen § 138 Abs. 2 BGB und § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB. Geradezu modellhaft baut § 138 Abs. 2 BGB auf drei Elementen auf. Als Musterbeispiele für eine Beeinträchtigung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit im Sinne der strukturellen Unterlegenheit werden die Zwangslage, die Unerfahrenheit, der Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche des Bewucherten genannt. Hinzutreten muß als weiteres inhaltliches Element im Sinne der besonders schweren Belastung ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als Angemessenheitsstörung. Letztlich muß der Wucherer die Zwangslage usw. ausgebeutet haben. Der zur Nichtigkeit führende Vertragsdefekt muß ihm zugerechnet werden können.88 Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist ebenfalls die Beeinträchtigung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit. Dem Kunden fehlt tatsächlich die Möglichkeit, auf die Gestaltung des Vertragsinhaltes Einfluß zu nehmen. Ebenso fehlt durch das Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen ein effizienter Wettbewerb der übrigen potentiellen Vertragspartner.89 Inhaltlich müssen diese Vertragsbedingungen dann ebenfalls unangemessen sein, § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB. Wegen der Verwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind die Beeinträchtigung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit und die inhaltliche Unangemessenheit dem Verwender dann auch zurechenbar. Die Grundstruktur der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG ähnelt daher dem Modell von § 138 Abs. 2 BGB in den jeweiligen Kriterien, welche jedoch bei der Inhaltskontrolle wesentlich schwächer ausgeprägt sind.90 Es trifft daher zu, von einer größeren Funktionsnähe und Strukturähnlichkeit zwischen § 138 Abs. 2 BGB und § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB als zwischen § 242 BGB und § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB auszugehen. Zwischen § 138 BGB, § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB einerseits und § 242 BGB andererseits, nicht aber zwischen § 242 BGB, § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB und § 138 BGB, verläuft die markantere Trennungslinie.91 Die größere 88
Canaris, AcP 200 (2000), 273 (280). Canaris, AcP 200 (2000), 273 (324); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, S. 80, 86. 90 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (326). 89
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
Nähe der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB zu § 138 BGB als zu § 242 BGB ergibt sich auch aus dem generalisierenden Maßstab beider Normen. Bei § 138 BGB werden darüber hinaus auch das Vertragsverhältnis übergreifende Dritt- und Allgemeininteressen berücksichtigt.92 bb) Die Normstruktur von §§ 134, 138, 242, 307 BGB Auch ein vergleichender Blick auf die Strukturen der gesetzlich geregelten Normen zur Vertragskontrolle soll das Modell der Anlagerung an § 138 BGB unterstützen. In überspitzender Typologie bieten sich von der gesetzlichen Ausgangslage her folgende Normstrukturen. § 242 BGB besitzt einen unendlichen Tatbestand bei unendlicher Rechtsfolgendifferenzierung. § 138 BGB hat dem gegenüber einen unendlichen Tatbestand bei eliminierter Rechtsfolgendifferenzierung. § 134 BGB ist dann ein durch Verweisung relationaler Tatbestand mit normzweckorientierter Rechtsfolgendifferenzierung.93 Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist eine Unterscheidung in Unternormierung (§ 242 BGB), Übernormierung (§ 138 BGB) und Zwecknormierung (§ 134 BGB) erkennbar.94 Wird dann wieder der Vergleich zur gesetzlichen Inhaltskontrollnorm des § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 BGB gesucht, so ist dort, ähnlich wie bei § 138 BGB, zunächst als Normstruktur ein unendlicher Tatbestand bei eliminierter Rechtsfolgenbestimmung auffindbar. Bei genauerer Betrachtung wird diese Normstruktur in doppelter Hinsicht relativiert. Auf der Tatbestandsebene erfolgt, gleich Verbotsgesetzen, durch die Klauselverbote eine Reduzierung des Anwendungsbereiches. Auf der Rechtsfolgenseite, § 6 AGBG, erfolgt dann, vergleichbar ebenfalls mit § 134 BGB, eine normzweckorientierte Rechtsfolgenbestimmung.95 b) Die richterliche Inhaltskontrolle auf der normativen Grundlage von § 138 Abs. 1 BGB Ohne freilich konkret diese Wandlung ausdrücklich herauszustellen, näherte sich der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung über Jahre faktisch an eine Inhaltskontrolle von Individualverträgen auf der normativen Grundlage von § 138 Abs. 1 BGB an.96 91
Damm, JZ 1986, 913 (923). Damm, JZ 1986, 913 (923); Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 9 AGBG, Rdnr. 18; Kötz, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, vor § 8 AGBG, Rdnr. 7. 93 Damm, JZ 1986, 913 (919). 94 Damm, JZ 1986, 913 (919). 95 Damm, JZ 1986, 913 (920). 96 Roth, JZ 2001, 1039 (1040). Schon Hergenröder, DZWir 1994, 485 (489) hat konstatiert, daß der BGH die vom BVerfG im Bürgschaftsbeschluß angeregte richter92
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aa) Das sittenwidrige Rechtsgeschäft Ganz allgemein und grundsätzlich war und ist ein Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Dem steht es gleich, wenn sich jemand bewußt oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt.97 Für auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge hat der Bundesgerichtshof sodann bestimmte Regeln zur Sittenwidrigkeit eines wucherähnlichen, durch eine schwere Äquivalenzstörung gekennzeichneten Rechtsgeschäfts entwickelt.98 Diese sollten zunächst nur für gegenseitige, aus Leistung und Gegenleistung bestehende Verträge gelten.99 Danach konnten gegenseitige Verträge, selbst wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt war, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein. Diese wucherähnlichen Rechtsgeschäfte verstoßen gegen die guten Sitten, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten. Das angemessene Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wurde so in den Mittelpunkt der Bewertung gestellt. Hinzutreten mußten jedoch noch weitere, die Sittenwidrigkeit darüber hinaus begründende Umstände. Sie sind insbesondere erkennbar, wenn der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten tritt hervor, wenn er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt. Ausreichend ist auch, wenn er sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag einließ. Dem wirtschaftlichen Zwang zum Eingehen auf ungünstige Vertragsbedingungen stehen die in § 138 Abs. 2 BGB genannten Umstände in ihren Auswirkungen auf die freie Willensentschließung gleich. Es reicht daher aus, wenn sich der Begünstigte bewußt oder grob fahrlässig der Einsicht verschließt, daß der andere Teil den Vertrag nur aus Mangel an Urteilsvermögen oder wegen erheblicher Willensschwäche liche Inhaltskontrolle nicht in Betracht ziehe. „Korrigiert wird nur die bisherige Rechtsprechung zu § 138 Abs. 1 BGB, der Sittenwidrigkeitsmaßstab wird relativiert.“ Nach Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 wird vor allem § 138 BGB in der Gegenwart zur Bewältigung großer Problemkomplexe herangezogen, zu denen eine denkbare gesetzliche Regelung nicht besteht. 97 Siehe nur: BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127. 98 BGH, 10.10.1997, V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590 (591); BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431). 99 BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431).
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
eingegangen ist.100 Ist das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so ist allein deswegen der Schluß auf bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig. Der Vertrag kann schon allein deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein.101 Von einem solchen Mißverhältnis geht der Bundesgerichtshof bereits dann aus, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung102 oder der geforderte Zins den marktüblichen Zins um knapp 100% übersteigt.103 Im Ergebnis sind bereits nach dieser Rechtsprechung grob unangemessene gegenseitige Verträge im Zweifel sittenwidrig. Offensichtlich durch die Bürgschaftsrechtsprechung104 des Bundesverfassungsgerichts sah sich der Bundesgerichtshof veranlaßt, diese Überlegungen auszudehnen. Die Beschränkung auf gegenseitige Verträge und deren im Synallagma stehende Hauptleistungspflichten konnte nicht beibehalten werden. Die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB wird nicht mehr auf die Fälle des groben Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung beschränkt. Bei Bürgschafts- und Mithaftungsfällen zwischen Kreditinstituten und privaten Siche100
BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127. BGH, 04.02.2000, V ZR 146/98, NJW 2000, 1487 (1488); BGH, 30.05.2000, IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669 (2670); BGH, 20.06.2000, XI ZR 237/99, WM 2000, 1580 (1581); BGH, 08.12.2000, V ZR 270/99, UU S. 5; BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128); BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56); BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431). 102 BGH, 18.01.1991, V ZR 171/89, NJW-RR 1991, 589; BGH, 08.11.1991, V ZR 260/90, NJW 1992, 899 (890); BGH, 16.02.1994, IV ZR 35/93, NJW 1994, 1475 (1476); BGH, 09.10.1996, VIII ZR 233/95, WM 1997, 230 (232); BGH, 26.11.1997, VIII ZR 322/96, WM 1998, 932 (934); BGH, 04.02.2000, V ZR 146/98, NJW 2000, 1487 (1488); BGH, 30.05.2000, IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669 (2670); BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56). 103 BGH, 24.03.1988, III ZR 30/87, NJW 1988, 1659 (1660); BGH, 24.03.1988, III ZR 24/87, NJW 1988, 1661 (1662); BGH, 20.02.1990, XI ZR 195/88; NJW 1990, 1597; BGH, 13.03.1990, XI ZR 252/89, NJW 1990, 1595 (1596); BGH, 30.05.2000, IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669 (2670). Kritisch steht Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (75) derart festen Wertgrenzen gegenüber, hat jedoch (a. a. O., S. 79) Verständnis für die vom Gesetzgeber allein gelassenen Gerichte. Auch BGH, 12.03.1981, III ZR 92/79, BGHZ 80, 153 (159) sah diese Frage zunächst in einem anderen Licht: „Mit der Einführung einer Kreditzinsbegrenzung (Preisgrenze), die auch unabhängig von individuell ausgehandelten Umständen (z. B. Sicherheiten) und ohne Rücksicht auf die sonstige Ausgestaltung des Vertrags und auf seine Rahmenbedingungen gelten soll, würde der Richter nicht die ihm obliegende Aufgabe der Konkretisierung des § 138 BGB erfüllen, sondern die ihm im gewaltenteilenden Rechtsstaat gesetzten Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschreiten.“ 104 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 „Bürgschaft II“; BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“. 101
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rungsgebern ist der Grad des Mißverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten entscheidend.105 Um keine falschen Schlußfolgerungen zu provozieren, fühlte sich der Bundesgerichtshof jedoch veranlaßt, klarstellende Hinweise zu geben. Grundsätzlich ist ein Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB auch weiterhin nur dann nichtig, wenn es in seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter den guten Sitten widerspricht.106 Eine Verpflichtung ist deshalb auch zukünftig nicht bereits rechtlich zu mißbilligen, wenn der Schuldner im Zeitpunkt seiner Willenserklärung nicht die Einkünfte oder das Vermögen zur Erfüllung der Verbindlichkeiten hatte, für die er haften soll.107 Hat die Verpflichtung hingegen einen Umfang, der die gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners weit übersteigt, kann ein solcher Vertrag unter weiteren Voraussetzungen gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Der Schuldner muß durch weitere Umstände in einer dem Gläubiger zurechenbaren Weise zusätzlich erheblich belastet sein. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, daß der Gläubiger die geschäftliche Unerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen ausnutzt oder auf andere Weise ihn in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt. Diese zur wirtschaftlichen Überforderung hinzu kommenden Belastungen müssen dann weiter zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragspartner führen.108 Im Grunde wurde somit der Gedanke des wucherähnlichen gegenseitigen Rechtsgeschäfts auf einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte übertragen. An die Stelle des groben Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung trat die krasse Überforderung des Schuldners durch seine eingegangene Leistungsverpflichtung. Als Pendant der besonderen, die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände ist die 105 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93; BGHZ 125, 206 (211) = NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1276 (1277); BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, BGHZ 136, 347 (351) = NJW 1997, 3372 (3373); BGH, 18.12.1997, IX ZR 271/96, BGHZ 137, 329 (333) = NJW 1998, 597 (598); BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 (42) = NJW 2001, 815 (816); BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, WM 2001, 1330 (1331) = NJW 2001, 2466 (2467); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (211). 106 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93; BGHZ 125, 206 (209) = NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342). 107 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93; BGHZ 125, 206 (209) = NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH, 05.01.1995, IX ZR 85/94, NJW 1995, 592; BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 (1275). 108 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93; BGHZ 125, 206 (210) = NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH, 05.01.1995, IX ZR 85/94, BGHZ 128, 230 (232, 234) = NJW 1995, 592; BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1276 (1277); BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, BGHZ 132, 328 (330) = NJW 1996, 2088 (2089); BGH, 18.12.1997, IX ZR 271/96, BGHZ 137, 329 (332) = NJW 1998, 597 (598); OLG Koblenz, 16.03.1999, 3 U 1343/97, NJW-RR 2000, 639 (640).
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unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Schuldners durch den Gläubiger anzusehen. Auch die zuletzt genannte Voraussetzung hat der Bundesgerichtshof erneut relativiert. Selbst ohne solche, gegen die Rechts- und Sittenordnung verstoßende Einwirkungen auf die Entschließungsfreiheit kann ein Vertrag im Einzelfall gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Nötig ist wieder ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners. Dann streitet jedoch in diesen Fällen ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine widerlegliche tatsächliche Vermutung dafür, daß sich der Schuldner bei der Übernahme der Haftung nicht von seinen Interessen und von einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen und das Kreditinstitut die emotionale Beziehung zwischen dem Hauptschuldner und dem Mithaftenden in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.109 Ausnahmsweise kann dann in besonders gelagerten krassen Ausnahmefällen eine Bürgschaft allein schon wegen des Umfangs der Verpflichtung sittenwidrig sein. Das kommt dann in Betracht, wenn die Verbindlichkeit, für die der Bürge einstehen soll, so hoch ist, daß bereits bei Vertragsschluß feststeht, er werde, wenn sich das Risiko verwirklicht, auch bei günstigster Prognose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Forderung des Gläubigers nicht einmal zu großen Teilen tilgen können. Einer derartigen Verpflichtung fehlt von vornherein jeder vernünftige wirtschaftliche Sinn, sofern der Bürge nicht einmal an dem Projekt, dessen Durchführung das Rechtsgeschäft zwischen Gläubiger und Hauptschuldner dient, rechtlich oder wirtschaftlich in wesentlichem Maße beteiligt ist. In einem solchen Falle droht dem Bürgen eine Schuld, von der er sich lebenslang niemals aus eigenen Kräften befreien kann, ohne daß dem wenigstens die Chance gegenübersteht, wesentliche Vorteile für die eigene Lebensgestaltung zu gewinnen.110 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum wucherähnlichen zweiseitigen Vertrag und zur Sittenwidrigkeit kraß einseitig verpflichtender Rechtsgeschäfte scheint nahezu identisch zu sein. In beiden Fällen bedarf es eines besonders krassen Mißverhältnisses entweder zwischen Leistung und Gegenleistung oder zwischen Leistungsverpflichtung und Leistungsfähigkeit. Sie unterscheidet sich jedoch trotzdem. Da an Mithaftungsfällen entwickelt, verlangt der Bundes-
109 BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, BGHZ 136, 347 (351) = NJW 1997, 3372 (3373); BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1276 (1278); BGH, 18.12.1997, IX ZR 271/96, BGHZ 137, 329 (333) = NJW 1998, 597 (598); BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (816); BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, WM 2001, 1330 (1331) = NJW 2001, 2466 (2467); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (211); OLG Koblenz, 16.03.1999, 3 U 1343/97, NJW-RR 2000, 639 (640). 110 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93; BGHZ 125, 206 (211) = NJW 1994, 1278 (1279).
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gerichtshof für einseitig verpflichtende Verträge darüber hinaus noch eine besondere persönliche Verbundenheit zum Hauptschuldner. Denn bei diesen Rechtsgeschäften schlägt die aus dem krassen Mißverhältnis abgeleitete tatsächliche Vermutung noch nicht unmittelbar bis zum subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit durch. Es wird ein Umstand, der die verwerfliche Gesinnung erkennbar werden läßt, mit der Ausnutzung der emotionalen Verbundenheit vermutet. Diese Begrenzung der tatsächlichen Vermutung bei einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäften dürfte jedoch entbehrlich sein. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Schuldner wirtschaftlich kraß überfordert ist, weil er keine Gegenleistung enthält oder weil er eine unverhältnismäßig geringwertige Gegenleistung bekommt. Es spricht sogar viel dafür, daß derjenige, der keine Gegenleistung erhält, erheblich mehr wirtschaftlich belastet ist. Soweit für die Eheverträge von Relevanz, kommt es hierauf jedoch nicht an. Unabhängig davon, ob man den Ehevertrag als gegenseitigen Vertrag111 mit synallagmatischen Hauptleistungspflichten ansehen will,112 wird regelmäßig auch hier die tatsächliche Vermutung der Ausnutzung emotionaler Abhängigkeit eingreifen. Aus diesem Grunde beschränkt sich die weitere Darstellung auf die Erkenntnisse zu den gegenseitig verpflichtenden Verträgen. bb) Die Vermutung der Sittenwidrigkeit Diese Rechtsprechung führt im praktischen Ergebnis zur Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 138 BGB ohne den subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit. Aus der Formel, wonach ein besonders krasses Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung beim Begünstigten schließen läßt, entnimmt der Bundesgerichtshof eine tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten.113 Sie wird ihm schlicht unterstellt.114 111 Eine gegenseitiger (zweiseitiger) Vertrag ist er auf jeden Fall. Siehe nur: Baligand, Der Ehevertrag, 1906, S. 2. 112 Für die Fälle des Verzichts auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich bzw. nachehelichen Unterhalt wird man von einem Erlaßvertrag nach § 397 BGB auszugehen haben. So für den Unterhaltsverzicht: Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., 1963, S. 250; Frey, Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, 1988, S. 9; Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 22. Grundsätzlich wird man jedoch von einem Vertragsinstitut sui generis zur Regelung güterrechtlicher Verhältnisse auszugehen haben, Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 2. Wenn aber gegenseitig verzichtet wird, dann wird man hierin wohl auch gegenseitige Hauptleistungspflichten erkennen können. 113 Ständige Rechtsprechung; BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (211); Emmerich, JuS 1988, 925 (926, 930); Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Auf., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 7. 114 Emmerich, JuS 2001, 706 (707).
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Die prozessuale Bedeutung einer solchen tatsächlichen Vermutung ist problematisch. Die Rechtsprechung stellt sie regelmäßig auf, um in der Praxis schwierige Beweisführungen zu vermeiden.115 Tatsächliche Vermutungen finden im Gesetz und im System der Verteilung der Beweislast jedoch keine Stütze.116 Sie sind insbesondere von der gesetzlichen Vermutung im Sinne von § 292 ZPO zu unterscheiden.117 Deshalb sollte der irreführende, auf eine Verlagerung der Beweislast hindeutende Begriff eigentlich vermieden werden.118 Zur Begründung des subjektiven Tatbestandes der Sittenwidrigkeit wird – jedenfalls in den Fällen der Mithaftung naher Angehöriger – im Kern sogar mit zwei Vermutungen gearbeitet. Einmal wird vermutet, daß der Schuldner die ihn finanziell kraß überfordernde Verpflichtung allein aus emotionaler Verbundenheit übernahm.119 Dann ließ er sich nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten. Weiter wird dann vermutet, daß der Gläubiger diese auf vermuteter emotionaler Bindung beruhende Entscheidung des Schuldners in sittlich anstößiger Weise ausnutzte.120 Diese beiden Vermutungen werden auch zusammengefaßt. Bei Verträgen mit einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gilt dann insgesamt die tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des Begünstigten. Diese Vermutung wird aus dem Erfahrungssatz hergeleitet, daß in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not – oder nicht ohne andere, den Benachteiligten hemmende Umstände – zugestanden werden, und auch der Begünstigte diese Erfahrung teilt.121 Es handelt sich regelmäßig um Fälle, in denen sich der Gewährende in einer „mißlichen Lage“ befand, die ihm nahe legte, außerge115 Baumgärtel, FS für Karl-Heinz Schwab, 1990, S. 43; Heinrich, Die Beweislast bei Rechtsgeschäften, 1996, S. 99; Musielak, 1. Aufl., 1999, § 292 ZPO, Rdnr. 1; Greger, in: Zöller, 22. Aufl., 2001, Vor § 284 ZPO, Rdnr. 33. 116 Roth, JZ 2001, 1039 (1040). 117 Musielak, 2. Aufl., 2000, § 292 ZPO, Rdnr. 1; Greger, in: Zöller, 22. Aufl., 2001, § 292 ZPO, Rdnr. 3. 118 Greger, in: Zöller, 22. Aufl., 2001, Vor § 284 ZPO, Rdnr. 33; Prütting, in: MünchKomm, 2. Aufl., 2000, § 292 ZPO, Rdnr. 23. 119 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (817); BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466 (2467); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (125); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (211). 120 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (817); BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466 (2467); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (125); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (211). Diese Vermutungen gelten trotz krasser finanzieller Überforderung und emotionaler Verbundenheit nicht, wenn der Gläubiger aufgrund objektiver Tatsachen davon ausgehen darf, die Mithaftung erfolgt aus einem eigenen, unmittelbaren und wirtschaftlichen Interesse, so beispielsweise bei einem Strohmann als geschäftsführendem Alleingesellschafter. Zwar kann auch hier die Mithaftung sittenwidrig sein. Für die Voraussetzungen trägt jetzt jedoch der Schuldner die gesamte Darlegungspflicht und Beweislast, da er sich auf einen Ausnahmetatbestand beruft – BGH, 18.12.1997, IX ZR 217/96, NJW 1998, 597 (599) mit Fortführung durch BGH, 18.09.2001, IX ZR 183/00, ZIP 2001, 1954; BGH, 15.01.2002, XI ZR 98/01, ZIP 2002, 389 (390).
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wöhnliche Vorteile einzuräumen und den eigenen unmittelbaren Vorteil aus dem Austauschgeschäft gering zu achten.122 Unklar ist, welche Bedeutung eine solche tatsächliche Vermutung hat. Einerseits sah sich der Bundesgerichtshof angesichts dieser Vermutung zu dem Hinweis veranlaßt, daß mit dieser Rechtsprechung nicht gänzlich auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit verzichtet wird.123 Andererseits hat er wiederholt ausgesprochen, daß es für das Vorliegen eines besonders groben Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und die daraus resultierende Schlußfolgerung auf die verwerfliche Gesinnung allein auf die objektiven Werte der Leistungen ankommt.124 Denn eine verwerfliche Gesinnung muß schon dann bejaht werden, wenn sich der Begünstigte zumindest leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der andere Teil nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder den in § 138 Abs. 2 BGB genannten Umständen auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat.125 Nach dem geschilderten Satz der Lebenserfahrung, daß außergewöhnliche Gegenleistungen nicht ohne Not zugestanden werden, kann sich der Begünstigte der Kenntnis der „mißlichen Lage“ des anderen Teils nicht nur dadurch verschließen, daß er bei erkannt krassem Mißverhältnis dessen Zwangslage oder einen anderen ihn hemmenden Umstand nicht zur Kenntnis nimmt, sondern auch dadurch, daß er sich schon des objektiv besonders groben Mißverhältnisses nicht bewußt wird.126 Ob der Begünstigte Kenntnis von den objektiven Wertverhältnissen hatte, ist für die tatsächliche Vermutung daher unerheblich.127 Auch positive Kenntnis von den Umständen, aus denen sich die krasse finanzielle Überforderung ergibt, ist somit entbehrlich.128 Ob diese Schlußfolgerung angesichts der Vielgestaltigkeit individueller Umstände, die eine Willensentscheidung zum Vertragsschluß beeinflussen können, derart zwingend ist, daß sie im Wege des Anscheinsbeweises den vollen Beweis 121 BGH, 28. 05.1976, V ZR 170/74, MDR 1976, 916; BGH, 18.01.1985, V ZR 123/83, WM 1985, 948 (949); BGH, 12.12.1986, V ZR 100/85, WM 1987, 353 (354); BGH, 21.03.1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155 (1156); BGH, 08.12.2000, V ZR 270/99, S. 6 f.; BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128); BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431); Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 7. 122 BGH, 28.05.1976, V ZR 170/74, LM BGB § 138 Aa Nr. 22; BGH, 18.01.1985, V ZR 123/83, WM 1985, 948 (949). 123 BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56). 124 BGH, 30.01.1981, V ZR 7/80, WM 1981, 404 (405); BGH, 20.04.1990, V ZR 256/88, NJW-RR 1990, 950; BGH, 12.01.1996, V ZR 289/94, NJW 1996, 1204; BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128). 125 BGH, 03.07.1992, V ZR 76/91, WM 1992, 1916 (1918); BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128). 126 BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128). 127 BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128); BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431). 128 BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112).
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für die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erbringen könnte oder ob ihr Bedeutung lediglich als Indizienbeweis zukommt, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich nicht entschieden.129 Die tatsächliche Vermutung, so der Bundesgerichtshof, ist eine Beweiserleichterung, die vom Tatrichter im Bereich der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. An diese Regel der Beweiswürdigung ist der Tatrichter grundsätzlich gebunden. Sie kann nur dann nicht zur Anwendung kommen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist.130 Die tatsächliche Vermutung ist daher widerlegbar.131 Solche, die Vermutung erschütternden Umstände werden, wenn sich der Begünstigte des besonders groben Mißverhältnisses nicht bewußt ist, eher gegeben sein, als im Fall seiner Kenntnis. So ist etwa denkbar, daß den Vertragsparteien das Wertverhältnis der beiderseitigen Leistungen völlig gleichgültig war. Weiter kommen besondere Motive oder ein Affektionsinteresse in Betracht. Diese Umstände spielen zwar für die objektive Feststellung des krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung keine Rolle. Sie erlangen aber für die Prüfung der subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit Bedeutung. Auch ist die Vermutung entkräftet, wenn die Vertragsparteien ein fehlerhaftes Gutachten zur Grundlage der Ermittlung des Wertes von Leistung und Gegenleistung machen. Gleiches gilt für besondere Bewertungsschwierigkeiten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.132 Insbesondere die Gleichgültigkeit über das Wertverhältnis und die genannten Bewertungsschwierigkeiten können auch bei Regelungen über Zugewinn, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt in einem Ehevertrag Bedeutung erlangen. Darzulegen und ggf. zu beweisen sind solche besonderen Umstände nach den allgemeinen Grundsätzen von der Partei, zu deren Vorteil sie wirken, hier also vom Begünstigten.133 Es ist, so ausdrücklich der Bundesgerichtshof, gerechtfertigt, in den Fällen einer krassen finanziellen Überforderung die Darlegungs- und Beweislast für eine im wesentlichen freie Willensentscheidung des anderen Teils dem Begünstigten aufzubürden. Bei dieser diffe129 BGH, 08.12.2000, V ZR 270/99, S. 6 f.; BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1128). 130 Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 7. 131 BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (211); Roth, JZ 2001, 1039 (1040). 132 BGH, 21.03.1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155 (1156); BGH, 04.02.2000, V ZR 146/98, NJW 2000, 1487 (1488); BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1129); BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431); Sack, in: Staudinger, 13. Bearb., 1996, § 138 BGB, Rdnr. 227 ff.; Hefermehl, in: Soergel, 13. Aufl., 1999, § 138 BGB, Rdnr. 86a; Palm, in: Erman, 10. Aufl., 2000, § 138 BGB, Rdnr. 185; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 112 ff.; Emmerich, JuS 2001, 706 (707). 133 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (817) = BGHZ 146, 37 (45); BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1129); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (125); Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 7; Roth, JZ 2001, 1039 (1040).
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renzierenden Beurteilung bleiben die Umstände des Einzelfalles nicht außer acht. Sie spielen bei der Widerlegung der tatsächlichen Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung eine entscheidende Rolle.134 Zusammengefaßt gilt: liegt objektiv ein besonders grobes Mißverhältnis vor, wird die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten vermutet. Entkräftet werden kann diese Vermutung nur unter besonderen Umständen. Der schlichte Gegenbeweis, daß der Begünstigte keine positive Kenntnis von den Wertverhältnissen hatte, genügt nicht. Es bedarf besonderer Umstände anläßlich der Ermittlung des Wertverhältnisses beim Vertragsabschluß. Daraus dürfte folgen: Gegenseitige Verträge mit einem objektiv besonders krassen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sind nichtig, es sei denn, es kommt ausnahmsweise auf die Kenntnis des Begünstigten vom Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung an. Unklar scheint die Reichweite dieser Rechtsprechung unter den einzelnen Senaten zu sein. So hat der XII. Zivilsenat deren Allgemeingültigkeit in Abrede gestellt.135 Sie soll nur für bestimmte Vertragstypen, insbesondere für Teilzahlungs- oder Ratenkreditverträge mit privaten Kunden und für Grundstückskaufverträge, gelten. Die Grundsätze sind daher nicht ohne weiteres auf die Prüfung, ob ein gewerblicher Miet- oder Pachtvertrag als wucherähnliches Geschäft nichtig ist, zu übertragen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verzichtet nicht insgesamt, so wird zur Begründung ausgeführt, auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit. Sie geht lediglich davon aus, daß das vorliegende krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einen hinreichend sicheren Rückschluß darauf zuläßt, daß auch dieses subjektive Element – die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten – gegeben ist. Dieser Rückschluß verlangt, daß sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß ein krasses Mißverhältnis vorliegt. Deshalb muß der Marktwert der Leistung für den Begünstigten erkennbar gewesen sein.136 Für Darlehensverträge von Kreditbanken mit Privatpersonen soll das ohne weiteres zu bejahen sein, weil der Kreditbank der Leitzins der Bundesbank bekannt ist. Bei Grundstücksgeschäften wird diesem Gesichtspunkt insofern Rechnung getragen, als eine kritische tatrichterliche Würdigung erforderlich ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß bei Abschluß des Vertrages aufgrund besonderer Umstände Bewertungsschwierigkeiten bestanden, aufgrund derer der Begünstigte das krasse Mißverhältnis möglicherweise nicht erkannt haben könnte. Solche Bewertungsschwierigkeiten sollen beim Abschluß von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen nicht nur in Ausnahmefällen vorliegen. Deshalb ist bei gewerblichen Mietverträgen im Rahmen der Prüfung, ob 134 135 136
BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112). BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56). BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56).
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aus einem auffälligen Mißverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäßig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das krasse Mißverhältnis für den Begünstigten erkennbar war.137 Diese abweichende Stellungnahme berücksichtigt nicht, daß der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung schon auf weitere Vertragstypen ausgedehnt hatte. Diese Grundsätze sollen auch für Fälle des Verkaufs beweglicher Sachen jedenfalls dann gelten, wenn es um ähnlich hohe absolute Beträge geht, wie üblicherweise beim Verkauf von Grundstücken.138 Sie fand auch beim Finanzierungsleasing Anwendung.139 Für den Maklervertrag hat der Bundesgerichtshof die Regel erörtert, wonach die vermutete verwerfliche Gesinnung vorliegt, wenn die versprochene Provision die übliche Provision von 3% bis 5% des Veräußerungserlöses um 100% übersteigt.140 Problematisch ist, ob der Rückschluß von den objektiven Gegebenheiten auf die subjektive Einstellung auch für familienrechtliche Vereinbarungen gelten kann. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze betreffen auf Austausch von Leistungen oder Gütern gerichtete Verträge. Deshalb will sie der Bundesgerichtshof nicht auf familienrechtliche Verträge übertragen.141 Es scheint jedoch eher konsequent zu sein, ganz allgemein bei krasser objektiver Benachteiligung durch den Vertragsinhalt eine tatsächliche Vermutung für eine unterlegene Situation beim Vertragsabschluß und somit auch für den subjektiven Tatbestand anzunehmen.142 Dann müssen diese Grundsätze auch für familienrechtliche Verträge, mithin für Eheverträge gelten. Hier dürfte sich mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen ein hinreichender Grund bieten, die ablehnende Entscheidung143 erneut zu überdenken. Eine Antwort auf die Frage, ob eine Differenzierung nach Vertragstypen nötig ist, braucht hier nicht zu erfolgen. Wichtig war aufzuzeigen, daß es der Bundesgerichtshof in jüngster Zeit verstärkt nur noch auf die objektive Benachteiligung ankommen läßt. Die praktische Bedeutung der Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes von § 138 Abs. 1 BGB tritt sukzessive in den Hintergrund. Die Nähe zur richterlichen Inhaltskontrolle entsteht, weil es auch dort 137
BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56). BGH, 26.11.1997, VIII ZR 322/96, NJW-RR 1998, 1065. 139 BGH, 11.01.1995, VIII ZR 82/94, BGHZ 128, 255 (263). 140 BGH, 30.05.2000, IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343 = NJW 2000, 2669. Wenn das vereinbarte Verwalterhonorar die ortsübliche Vergütung um 140% übersteigt: OLG Oldenburg, 17.07.2002, 5 U 77/02, ZMR 2002, 782. 141 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834). Anders: Schubert, FamRZ 2001, 733 (735). 142 Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*); ähnlich schon: ders., FamRZ 2001, 349 f. Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (310) stellt, beantwortet die Frage aber nicht. 143 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834). 138
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nur auf die objektiv zu ermittelnde Angemessenheit der vertraglichen Abrede ankommt. In der Praxis geht es nur noch um die quantitative Nähe zwischen dem krassen Mißverhältnis beim wucherähnlichen Geschäft einerseits und andererseits um die Frage, wann eine unangemessene Abrede vorliegt. Auch dürfte es hier nicht von Bedeutung sein, ob es sich bei der tatsächlichen Vermutung der verwerflichen Gesinnung wirklich um eine Regel zur Beweiswürdigung handelt.144 Die tatsächlichen Vermutungen als praesumtiones factis werden zumeist dem „prima-facie-Beweis“, mithin dem Anscheinsbeweis zugeordnet.145 Dieser führt entgegen der Regelung in § 292 ZPO zwar nicht zur Umkehrung der Beweislast, kommt dieser jedoch nahe. Wer den ersten Anschein gegen sich hat, muß zwar nicht das Gegenteil, aber immerhin die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache oder Wirkung, zumeist einen atypischen Geschehensablauf, behaupten und beweisen. Erweist sich danach der erste Anschein als falsch, lebt die originäre gesetzliche Beweislast wieder auf.146 Auch in der tatsächlichen Vermutung der verwerflichen Gesinnung gemäß § 138 Abs. 1 BGB wird ein Beweis des ersten Anscheins gesehen.147 Aber auch als Indizienbeweis werden die tatsächlichen Vermutungen genutzt.148 Die tatsächliche Vermutung kann ferner auch eine Modifizierung von schwer beweisbaren Tatbestandsmerkmalen des materiellen Rechts kraft Richterrechts sein.149 Für diese Einordnung spricht, daß mit der tatsächlichen Vermutung die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 BGB objektiviert werden.150 Klar ist, daß in der Regel 144 BGH, 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1129); BGH, 05.10.2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429 (431); Hirtz, MDR 1988, 182 (185) – für die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr nach Erstbegehung im Wettbewerbsrecht; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 60. Aufl., 2002, Anh § 286 ZPO, Rdnr. 14. 145 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 1983, S. 50 ff. (58); Baumgärtel, FS für Karl Heinz Schwab, 1990, S. 43 (48); Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 9, Heinrich, Die Beweislast bei Rechtsgeschäften, 1996, S. 99; Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung, 2001, S. 23, Rdnr. 14; Schellhammer, Zivilprozeß, 9. Aufl., 2001, Rdnr. 404, S. 190. 146 BGH, 05.02.1987, I ZR 210/84, NJW 1987, 2876 (2877); Schellhammer, Zivilprozeß, 9. Aufl., 2001, Rdnr. 404, S. 190 f. 147 Baumgärtel, FS für Karl Heinz Schwab, 1990, S. 43 (46); Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 9. Von BGH, 08.12.2000, V ZR 270/99, S. 6 f.; BGH, 19.01.2001, V ZR 437/ 99, NJW 2001, 1127 (1128) wurde ausdrücklich offen gelassen, ob es sich hierbei um einen Anscheinsbeweis oder einen Indizienbeweis handelt. 148 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 1983, S. 50 ff. (56, Fußn. 31); Baumgärtel, FS für Karl Heinz Schwab, 1990, S. 43 (49); Heinrich, Die Beweislast bei Rechtsgeschäften, 1996, S. 99. 149 Greger, in: Zöller, 22. Aufl., 2001, Vor § 284 ZPO, Rdnr. 33. Siehe bspw.: BGH, 03.03.1983, III ZR 34/82, MDR 1983, 827 – tatsächliche Vermutung der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden. 150 Emmerich, JuS 1988, 925 (930).
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objektive Tatbestandsmerkmale dem Beweis einfacher zugänglich sind als subjektive Tatbestandsmerkmale. Zum Schutz der schwächeren Vertragspartei wird dann aus Beweisgründen auf die positive Feststellung eines subjektiven Tatbestandes des § 138 Abs. 1 BGB verzichtet.151 Wenn aber die Notwendigkeit eines subjektiven Tatbestandselementes aus § 138 Abs. 1 BGB mit dem prozessualen Mittel einer Vermutung, deren Widerlegung theoretisch möglich, praktisch aber so gut wie ausgeschlossen ist, weiter verfolgt wird, dann entspräche es dem Gebot der Methodenehrlichkeit, doch ausdrücklich auf ein subjektives Tatbestandselement bei der Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB zu verzichten.152 Eine Tendenz, den Schwellenwert für die Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB herabzusetzen, besteht ohnehin.153 Aus diesem Grunde, und auch, weil die Materialien es nahelegen,154 wird denn auch verstärkt wieder ganz allgemein der Verzicht auf einen subjektiven Tatbestand zu § 138 BGB präferiert.155 Ein subjektives Element zum obligatorischen Erfordernis des § 138 Abs. 1 BGB zu 151
Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.II.3.b), S. 73. Kohte, NJW 1985, 2217 (2221); Emmerich, JuS 1988, 925 (930); Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 8; Gernhuber, JZ 1995, 1086 (1096); Roth, JZ 2001, 1039 (1040). Auch Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (76) sieht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der „(. . .) Nähe einer unwiderleglichen Vermutung und damit einer Fiktion.“ Schmidt, DRiZ 1991, 81 (87) hält die Tendenz der „(. . .) Verobjektivierung der durchaus subjektiv gemeinten Ausbeutungsmerkmale (. . .) für begrüßenswert, die Konzeption hingegen für zu halbherzig.“ 153 So erkennt Lieb, DNotZ 1989, 274 (276) – kritisch – die durch obige Rechtsprechung genommenen „(. . .) Wege eines neuverstandenen und definierten Sittenwidrigkeitsbegriffs des § 138 BGB (. . .)“ als Beispiel für „(. . .) eine immer weiter um sich greifende Inhaltskontrolle (. . .)“. Lieb, AcP 178 (1978), 196 (216) hatte schon zu einem früheren Zeitpunkt einen weniger strengen Umgang mit den Voraussetzungen des § 138 BGB vorgeschlagen. Danach kann die Herausbildung einer Art verfeinerter Verkehrsmoral vorformulierte Klauseln letztlich auch im Individualvertrag inakzeptabel werden lassen. Auch Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 22.VII., Rdnr. 92, S. 86 will, daß mit § 138 Abs. 1 BGB nicht zu zurückhaltend verfahren wird. Preis/ Rolfs, DB 1994, 261 (264) kritisieren, daß es innerhalb des Bundesgerichtshofes nur schwer nachzuvollziehen sei, wenn im Bereich des Kreditrechts die Regelung des § 138 Abs. 1 BGB in unterschiedlicher Prüfungsdichte angewendet wird. 154 Siehe: § 106 BGB des I. Entwurfe und: Mugdan, Materialien I, S. 469 = Motive I, S. 211; Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die 1. Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, 1981, S. 160; Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (70). 155 Schmidt, DRiZ 1991, 81 (87); Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.II.3.b), S. 73; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 382 ff.; Schubert, FamRZ 2001, 733 (735). Den Funktionswandel des Sittenwidrigkeitsbegriffs untersuchte schon Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983, S. 121 ff. ausführlich. Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (265) meinen denn auch, das Bundesverfassungsgericht fordere „(. . .) eine verfassungskonforme Auslegung des § 138 BGB hin zu einem objektivierten Verständnis der Sittenwidrigkeit, damit die Rechtsordnung bei strukturellem 152
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machen, wird daher zu Recht als verfehlt angesehen.156 Die Bewertung eines Vertrages als sittenwidrig ist nicht vergleichbar mit einem Straftatbestand. Dort bedarf es eines auch persönlichen, mithin subjektiven sittlichen Vorwurfs. Zu beurteilen ist jedoch nicht das Verhalten einer Person, sondern die Wirksamkeit eines Vertrages. Anknüpfungspunkt sollte deshalb nicht das individuelle Gewissen sein. Zu fragen ist nicht, wie ein gerecht und billig Denkender in einer ähnlichen Konstellation gehandelt hätte, sondern wie ein solchermaßen Denkender das betreffende Rechtgeschäft bewertet.157 Sinn und Zweck von § 138 BGB liegen nicht in einer Verhaltenskontrolle. Die Vorschrift dient der Vertragskontrolle. Nicht das Subjekt, sondern das Objekt sind Gegenstand einer Prüfung. Damit ist nicht gesagt, daß die Vorstellungen der Vertragspartner für § 138 BGB ohne Belang sind. Fest steht aber, daß ein bestimmter subjektiver Tatbestand keine zwingende tatbestandliche Voraussetzung von § 138 BGB darstellt. Deshalb kommt es weder auf dessen tatsächliche Feststellung, noch auf dessen Fiktion im Wege einer Vermutung an.158 Sittenwidrigkeit kann daher auch allein aus objektiven Elementen resultieren. Die subjektive Vorwerfbarkeit ist nur eines der möglichen Merkmale der Sittenwidrigkeit eines Vertrages.159 Gerade bei Verträgen mit Kreditinstituten ist denn auch auffällig, daß in Wirklichkeit noch kein Gericht die verwerfliche Gesinnung des Vorstandes der betroffenen Bank festgestellt hat.160 Der fiktive Charakter der widerleglichen Vermutung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verstärkt die Bedenken an der Berechtigung allgemeiner subjektiver Voraussetzungen der Sittenwidrigkeitskontrolle. Deshalb gilt es als vorzugswürdig, die Notwendigkeit der Prüfung der Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen erst die sittenwidrige subjektive Zielsetzung eine an sich bei lediglich objektiver Betrachtung noch zulässige vertragliche Regelung als unvereinbar mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen läßt. In diesen Fällen bedarf es dann aber auch jeweils konkreter Anhaltspunkte für die Kenntnis. Für Fiktionen ist insoweit Ungleichgewicht und ungewöhnlich belastenden Verträgen ein richterliches und in der Praxis wirksames Korrektiv zur Hand hat.“ 156 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 383. Ebenso: Esser, ZHR 135 (1971), 320 (330); Nirk, NJW 1971, 1913 (1914); Nicklisch, BB 1972, 1285 (1289 f.); Lindacher, AcP 173 (1973), 124 (127); Sack, NJW 1985, 761 (765 ff.); Kohte, NJW 1985, 2217 (2221); Mayer-Maly, Das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit, 1971, S. 25 ff.; ders., FS für Walter Wilburg, 1986, S. 117 (123 ff.); ders./ Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 130. 157 Sack, NJW 1985, 761 (765); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 383. 158 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 383. 159 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 384. 160 Emmerich, JuS 1988, 925 (930). So stellte es auch das OLG Stuttgart, 07.08.1984, 6 U 51/84, ZIP 1984, 1201 (1210) = WM 1985, 349 (355) mit Anmerkung Lindacher, NJW 1985, 498 fest.
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kein Raum. Subjektive Faktoren können also Unbedenkliches als bedenklich erscheinen lassen. Ihr Fehlen bewirkt hingegen nicht, daß Bedenkliches nunmehr unbedenklich wird.161 Die verwerfliche Gesinnung ist als zwingendes subjektives Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit entbehrlich.162 Eine verwerfliche Gesinnung ist nicht allgemeine Voraussetzung der Sittenwidrigkeit. Sie ist – wie gesagt – eben nur eines von mehreren Sittenwidrigkeitselementen.163 Dann muß man sich jedoch auch dazu bekennen, daß der Vertragsinhalt nicht mehr herkömmlich streng einer Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 BGB unterzogen wird, sondern eine Vertragskontrolle anderer Art stattfindet, wofür sich die richterliche Inhaltskontrolle – da methodenehrlich – anbietet. cc) Die Vermutung der Sittenwidrigkeit beim Ehevertrag Im übrigen ist es auch keineswegs so, daß die Vermutung der Sittenwidrigkeit beim Ehevertrag ein neuer Gedanke wäre. Schon Ramm wollte die von ihm geforderte Überprüfung der inhaltlichen Berechtigung des Ehevertrages durch eine Vermutung der Sittenwidrigkeit erleichtern.164 Auch Büttner teilt diese Überlegungen. „Wenn nach längerer Ehe mit ehebedingter Bedürfnislage ohne Gegenleistung global auf Zugewinn, Versorgungsausgleich und Unterhalt verzichtet wird, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß dieses Rechtsgeschäft nicht ohne Ausnutzung der schwächeren Position des Übervorteilten zustande gekommen sein kann. Es ist dann gerechtfertigt, daß nicht der Benachteiligte die Ausnutzung einer Zwangslage beweisen muß, sondern der Begünstigte darlegen und beweisen muß, daß er trotz des äußeren Anscheins keine Zwangslage ausgenutzt hat.“165 „Entweder ist das subjektive Element schon 161
Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 130. Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 129. 163 Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 125. 164 Ramm, Familienrecht, Band I, Recht der Ehe, 1984, § 45.IV.2., S. 365 f.: „Der einzelne Ehevertrag ist auf seine inhaltliche Berechtigung zu überprüfen. Diese Prüfung wird dadurch erleichtert, daß eine Vermutung der Sittenwidrigkeit aufgestellt wird. Wird durch einen Ehevertrag ein Ehegatte erheblich benachteiligt, so wird vermutet, daß der andere Ehegatte eine Machtstellung (die vielfältiger Natur sein kann) besessen und sie ausgenutzt hat. Es ist Sache desjenigen, der sich auf die Gültigkeit des Ehevertrags beruft, diese Vermutung zu widerlegen.“ 165 Büttner, FamRZ 1998, 1 (6) unter Hinweis auf: OLG Köln, 05.02.1981, 14 UF 77/80, FamRZ 1981, 1087 = DNotZ 1981, 444 (447) mit kritischer Anmerkung v. Hornhardt. Siehe auch: OLG Karlsruhe, 07.03.1990, 1 U 147/89, NJW-RR 1991, 452. Ebenso: Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*): Bei krasser objektiver Benachteiligung streitet eine tatsächliche Vermutung für eine Unterlegenheitssituation. Siehe auch: ders., FamRZ 2001, 349; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (310). Richtig auch: Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1339); ders., FF 2002, 70: Für die Darlegungs- und Beweislast genügt es, wenn der durch den Ehevertrag benachteiligte Ehegatte die besonders einseitige Aufbürdung vertraglicher Lasten und die „Dominanz“ des anderen Teils als weitere Voraussetzung der Fremdbestimmung belegt. Sache des anderen Ehe162
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allein aufgrund der objektiven Sittenwidrigkeit gegeben, oder es ist entbehrlich. Liegt keine anfängliche Unwirksamkeit vor, kann ein etwaiges subjektives Element allenfalls ein – untergeordnetes – Abwägungskriterium im Rahmen von § 242 BGB darstellen.“166 Letztlich hat auch der 15. Deutsche Familiengerichtstag in seinen Empfehlungen festgehalten, die subjektiven Voraussetzungen im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen richterlichen Inhaltskontrolle sind widerlegbar zu vermuten, wurde ein Globalverzicht vereinbart.167 Mit dieser Empfehlung stellt sich der Familiengerichtstag unter Berufung auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen eindeutig gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach die widerlegliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung im Rahmen der Sittenwidrigkeitskontrolle eben bei Eheverträgen nicht allein aus dem kraß belastenden Vertragsinhalt abgeleitet werden kann.168 4. Das Ergebnis Im praktischen Ergebnis stimmen die Ansichten, die eine Vertragskontrolle nur nach § 138 BGB akzeptieren, mit den Ansichten, die wegen der flexibleren Handhabung auf § 242 BGB – bzw. zutreffender auf das aus dieser Norm abzuleitende Gebot von Treu und Glauben – zurück greifen, doch wieder überein. Beantwortet werden kann auch die Frage, wie über § 242 BGB und das Prinzip von Treu und Glauben zu erklären ist, daß das Ergebnis der Inhaltskontrolle die Unwirksamkeit der Vereinbarung sein soll, wenn anderseits nur § 138 BGB ausdrücklich als Rechtsfolge die Unwirksamkeit einer Bestimmung anordnet und § 242 BGB in seiner unmittelbaren Anwendung nur die Berufung auf ein vertragliches Recht in Form einer Einwendung verwehrt, die vertragliche Abrede selbst aber in ihrem Bestand nicht verwirft. Andererseits steht der strikten Rechtsfolgenanordnung des § 138 BGB, welche die grundsätzliche Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung vorsieht, nicht die Reduzierung auf das gesetzliche Leitbild, das dispositive Gesetzesrecht, entgegen. Gerade die Rechtsfolgen von § 138 BGB scheinen die Ursache zu sein, warum an die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 138 BGB sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Nimmt man jedoch der Rechtsfolge von § 138 BGB im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle die vorhandene Strenge, dann darf für die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle der Blick auf den normativen Tatbestand von gatten ist es dann, die belastenden Momente durch seine Darlegung und Beweisführung zu entkräften. 166 Schubert, FamRZ 2001, 733 (735). 167 Empfehlungen des 15. Deutschen Familiengerichtstages, NJW 2003, Heft 51, S. XXXIII (XXXIV), mitgeteilt von Brudermüller und Schürmann. 168 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834).
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§ 7 Die normativen Grundlagen der Inhaltskontrolle von Verträgen
§ 138 BGB geöffnet bleiben. Dieses Ziel läßt sich erreichen, wenn man dem Prinzip von Treu und Glauben aus der Generalklausel des § 242 BGB, dem Stück offen gelassener Gesetzgebung, die Wirkung zuordnet, Normen zum Zwecke als notwendig erkannter Rechtsfortbildung zu modifizieren.169 Normative Grundlage der richterlichen Inhaltskontrolle ist somit die Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB in seiner durch das Prinzip von Treu und Glauben modifizierten beziehungsweise konkretisierten Ausformung.170 So wird auch das Bundesverfassungsgericht171 zu verstehen sein, wenn es im Zusammenhang mit dem Erfordernis der richterlichen Inhaltskontrolle § 138 BGB und § 242 BGB gemeinsam zitiert.
169 Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearb., § 242 BGB, Rdnr. 458; ähnlich: Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 16.IV., Rdnr. 135, S. 76. 170 So ist m. E. auch: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 5.II.1.b), S. 73; ders., § 9.I.3.c), S. 233 zu verstehen. 171 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469 „Handelsvertreter“; BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 „Bürgschaft II“; BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“.
§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle An die Untersuchungen zu den normativen Grundlagen der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen hat sich unter Berücksichtigung der dort gefundenen Ergebnisse aufbauend die Darstellung der konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen einer richterlichen Inhaltskontrolle anzuschließen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle bedürfen auch dann noch näherer Untersuchung, wenn die normative Grundlage in § 138 BGB in seiner durch das Prinzip von Treu und Glauben konkretisierten Ausformung gefunden ist.
I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach den bisherigen Ergebnissen dient die richterliche Inhaltskontrolle der Wahrung beiderseitiger Vertragsfreiheit und ist schon von der Verfassung vorgegeben. Dann aber sind zunächst die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts näher zu untersuchen, inwieweit sich bereits dort nähere Erkenntnisse zu den Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle finden lassen. 1. Die Ableitung aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Das Bundesverfassungsgericht1 hatte sich in der jüngeren Vergangenheit wiederholt zu Entscheidungen der Zivilgerichte im Spannungsfeld von Vertragsfreiheit und richterlicher Inhaltskontrolle zu äußern. Auf die dort gewonnenen Erkenntnisse wird daher aufzubauen sein.
1 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469 „Handelsvertreter“; BVerfG, 28.01.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, BVerfGE 85, 191 = NJW 1992, 964 „Nachtarbeitsverbot“; BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 „Bürgschaft I“; BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 „Bürgschaft II“; BVerfG, 2.5.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021 „Bürgschaft III“; BVerfG, 08.04.1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 = NJW 1997, 1975 „LPG Altschuldenregelung“; BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/ 92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 „Ehevertrag II“.
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
a) Keine Vorgaben zum Wie Die Verfassungsrichter haben den Zivilgerichten zunächst nicht ausdrücklich aufgegeben, das Problem der gestörten Vertragsparität ausschließlich mittels der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen zu lösen. Es sei Sache des einfachen Rechts anzuordnen, wie die Gerichte bei gestörter Vertragsparität zu verfahren haben.2 Dem ist jedoch nicht zu entnehmen, daß vom Bundesverfassungsgericht keine Vorgaben gemacht wurden, wann und wie die Zivilgerichte zur Wahrung der Vertragsfreiheit unter Anwendung des geltenden einfachen Rechts ihre Entscheidungen zu finden haben. Deshalb gelten die vom Bundesverfassungsgericht gewonnenen Erkenntnisse, ab wann das Zivilgericht sich nicht mehr auf den Standpunkt des pacta sund servanda zurückziehen darf, auch als – verfassungsrechtliche – Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle.3 b) Die Aufnahme durch den BGH Auch der Bundesgerichtshof hatte zunächst nicht, später nur zögerlich und in den Senaten unterschiedlich die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen.4 Er hat sich zur Lösung des Problems gestörter Vertragsparität mittelloser Bürgen, insbesondere bei Bürgschaften von nahen Angehörigen, zur ebenfalls und gleichberechtigt neben der richterlichen Inhaltskontrolle vom Bundesverfassungsgericht5 benannten Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 2 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39); Frank, JuS 1996, 389; Krämer, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 367 (369, 377). 3 Löwe, ZIP 1993, 1759; Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (264); Spieß, DVBl. 1994, 1222 (1227); Rehbein, JR 1995, 45 (48); Schimansky, WM 1995, 461 (466); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780); Peter, ArbuR 1999, 289 (293); Limbach, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 383 (388). Anderer Ansicht ist Loritz, DNotZ 1994, 543 (545), wenn er kritisiert, das Bundesverfassungsgericht sei zwar der Sache nach tief in die zivilrechtliche Inhaltskontrolle eingestiegen, hätte jedoch auch „(. . .) den Versuch unternehmen sollen, den Zivilgerichten inhaltlich-sachliche Kriterien für ihre künftigen Entscheidungen aufzuzeigen, statt mit allgemeinen Formulierungen und mit dem Hinweis auf verfahrensmäßige Handhabungsfehler die Verfassungswidrigkeit zu begründen.“ Diese Kritik überzeugt nicht, hat doch das Bundesverfassungsgericht schon verdeutlicht, wann der Grundsatz „Vertrag ist Vertrag“ Einschränkungen hinzunehmen hat. 4 Hierzu ausführlich: Joswig, Fremdbestimmung, strukturelle Unterlegenheit und Ausgleich gestörter Vertragsparität – eine Terminologie für das Zivilrecht?, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (336 ff.). Die „Griechen“ Entscheidung BGH, 22.01.1991, XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (925) hat zwar, soweit ersichtlich, erstmals und zeitnah die Schutzpflicht der Gerichte bei gestörter Vertragsparität ausdrücklich unter Hinweis auf den Handelsvertreterbeschluß aufgegriffen. Der Gedanke wurde jedoch zunächst nicht konsequent weiter geführt. Später nahm der Bundesgerichtshof vermehrt Bezug, so u. a. mit: BGH, 24.02.1999, IX ZB 2/98, NJW 1999, 2372 (2373); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124).
I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Abs. 1 BGB entschieden.6 Die Nähe der Norm des § 138 BGB zur richterlichen Inhaltskontrolle als Mittel zur Lösung des Problems gestörter Vertragsparität wurde bereits an anderer Stelle untersucht; § 7 V.(3)(a). Im Ergebnis konnte festgehalten werden, daß sich die vom Bundesgerichtshof praktizierte Problemlösung als Sittenwidrigkeitskontrolle jedenfalls erheblich an eine Angemessenheitskontrolle durch richterliche Inhaltskontrolle annähert. Die Grenzen dürften verschwimmen. Es drängt sich die These auf, der Bundesgerichtshof führe unter der normativen Begründung mit § 138 Abs. 1 BGB, zwischenzeitlich jedenfalls, faktisch eine richterliche Inhaltskontrolle als Angemessenheitskontrolle durch. Für Unangemessenheit und für Sittenwidrigkeit gelten zwar verschiedene Maßstäbe.7 Wegen der sachlichen Nähe im Rahmen der Vertragskontrolle, und weil der Bundesgerichtshof eben auch in Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen zum Schutze der Privatautonomie entschied, ist zum Zwecke der weiteren Untersuchung ergänzend auf die Erkenntnisse des Bundesgerichtshofs zurückzugreifen. Auch zeigt sich, daß sich die vom Bundesverfassungsgericht genannten Voraussetzungen sowohl in der Sittenwidrigkeitskontrolle, als auch in der richterlichen Inhaltskontrolle wiederfinden müssen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat den Fachgerichten stets die Wahl des Korrekturinstruments offen gelassen.8 5
BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39). BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278; BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341; BGH, 26.04.1994, XI ZR 184/93, NJW 1994, 1726; BGH, 05.01.1995, IX ZR 85/94, NJW 1995, 592; BGH, 30.03.1995, IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886; BGH, 02.11.1995, IX ZR 222/94, NJW 1996, 513; BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274; BGH, 08.02.1996, IX ZR 211/95 – (zitiert nach: Ganter, WM 1996, 1705 [1711 f.]; Pape, NJW 1997, 980 [981]); BGH, 15.02.1996, IX ZR 245/94, NJW 1996, 1341; BGH, 07.03.1996, IX ZR 43/95, NJW 1996, 1470; BGH, 28.03.1996, IX ZR 199/95, NJW-RR 1996, 813; BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088; BGH, 02.05.1996, IX ZR 259/95, NJW-RR 1996, 1262; BGH, 23.06.1996, IX ZR 229/95, NJW 1996, 2369; BGH, 10.10.1996, IX ZR 333/95, NJW 1997, 52; BGH, 05.11.1996, XI ZR 274/95, NJW 1997, 257; BGH, 28.11.1996, IX ZR 204/95, NJW-RR 1997, 1381; BGH, 05.12.1996, IX ZR 137/95, NJW 1997, 940; BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980; BGH, 23.01.1997, IX ZR 69/96, NJW 1997, 1003; BGH, 23.01.1997, IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005; BGH, 11.03.1997, XI ZR 50/96, NJW 1997, 1773; BGH, 15.04.1997, IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230; BGH, 17.04.1997, IX ZR 135/96, NJW-RR 1997, 1199; BGH, 18.09.1997, IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372; BGH, 13.11.1997, IX ZR 289/96, NJW 1998, 450; BGH, 11.12.1997, IX ZR 274/96, NJW 1998, 894; BGH, 18.12.1997, IX ZR 271/96; NJW 1998, 597; BGH, 19.03.1998, IX ZR 120/97, NJW 1998, 2138; BGH, 06.10.1998, XI ZR 244/97, NJW 1999, 135; BGH, 08.10.1998, IX ZR 257/97, NJW 1999, 58; BGH, 24.02.1999, IX ZB 2/98, NJW 1999, 2372; BGH, 29.06.1999, XI ZR 10/98, NJW 1999, 2584; BGH, 25.11.1999, IX ZR 40/98; NJW 2000, 362; BGH, 16.12.1999, IX ZR 36/98; NJW 2000, 1179; BGH, 27.01.2000, IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182; BGH, 14.11.2000; XI ZR 248/99, NJW 2001, 815; BGH, 26.04.2001, IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466; BGH, 12.07.2001, IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331; BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123. 7 Fastrich, RdA 1997, 67 (70); Peter, ArbuR 1999, 289 (293). 6
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
c) Die Aufnahme in der Literatur Der Ansicht, die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben zum Schutze der Privatautonomie gelten bereits als tatbestandliche Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle, wird mit einem weiteren Argument entgegnet. Danach bilden diese Kriterien nur die Grenze im Sinne des Untermaßverbotes. Würden diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht beachtet, ist die Entscheidung des Zivilgerichtes von Verfassungs wegen aufzuheben. Tatbestandliche Merkmale, ab wann beispielsweise Sittenwidrigkeit vorliegt, seien hingegen nicht vorgegeben.9 Diese Ansicht überzeugt nicht. Selbstverständlich ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, den Tatbestand von § 138 BGB neu zu fassen. Das Gericht hat auch nicht ausgeführt, daß alle Zivilurteile aufzuheben sind, in denen eine Verpflichtung zur Leistung trotz Vorliegens der genannten Merkmale tenoriert wurde. Wenn diese Merkmale vorliegen, dann und nur dann genügt der pauschale Hinweis auf die Volljährigkeit und den erfolgten Vertragsabschluß nicht mehr. Dann müssen die Zivilgerichte prüfen und bewerten, ob noch eine hinreichend selbstbestimmte Entscheidung zum Vertragsabschluß vorlag. Erfolgt diese Prüfung, verkennen die Gerichte nicht die Grundrechte, hier das Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, an das Gerichte nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar gebunden sind. „Wie sie dabei zu verfahren haben und zu welchem Ergebnis sie gelangen müssen, ist eine Frage des einfachen Rechts, dem die Verfassung einen weiten Spielraum läßt“.10 Ist es aber Sache des einfachen Rechts, wie die Gerichte zu verfahren haben, um die Wirkung der Grundrechte in das Privatrecht hinein nicht zu verkennen, dann stellt sich die richterliche Inhaltskontrolle zunächst als ein „Prüfungsverfahren“ dar. Steht fest, daß eine richterliche Inhaltskontrolle des Vertrages zu erfolgen hat, dann ist damit noch nicht gesagt, daß im Ergebnis einer solchen Kontrolle alle Verträge unwirksam sind. Die richterliche Inhaltskontrolle ist keine Unwirksamkeitsnorm, sondern ein Prüfungsverfahren. Niemand käme auf die Idee zu behaupten, Allgemeine Geschäftsbedingungen sind unwirksam, nur weil eine richterliche Inhaltskontrolle nach §§ 8 ff. AGBG, §§ 307 ff. BGB möglich ist. Genau wie dort die potentielle Gefahr der auf einer Inhaltskontrolle beruhenden Unwirksamkeit über die Zeit zur Verwendung angemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen führte,11 wird sich hier derjenige, der sich in einer überlegenden Position beim Vertragsabschluß befindet, zukünftig eher von 8
Schwab, DNotZ 2001, 9* (17*). Kohte, ZBB 1994, 172 (176). 10 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39). 11 Siehe bspw.: Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, Einl. AGBG, Rdnr. 57 ff.; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, AGBG Einl., Rdnr. 17; ders., in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, Vor § 305 BGB, Rdnr. 15. 9
I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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selbst bemühen, hinreichend auch die Interessen des anderen Teils berücksichtigende Abreden zu vereinbaren. Entsprechendes gilt auch für die Beratungspraxis insbesondere der Notare. 2. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien sind zu ermitteln. Ausgangspunkt war der Handelsvertreterbeschluß vom 07.02.1990. Weil die Inhaltskontrolle eine Begrenzung der Vertragsfreiheit bewirkt, nehmen die Entscheidungen dort ihren Anfang. „Auf der Grundlage der Privatautonomie, die Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ist, gestalten die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich.“12 „Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Wechselseitige Bindung und Freiheitsausübung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien läßt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat.“13 Daraus, daß der Staat die privatautonome Gestaltung nur „grundsätzlich“ zu respektieren hat, wird deutlich, es gibt Ausnahmen. „Die Feststellung und Beachtung des Vertragsinhaltes reicht jedoch nicht aus, (. . .). Privatautonomie besteht nur im Rahmen der geltenden Gesetze (. . .).“14 „Die aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG folgende Vertragsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet ihre Schranken gem. Art. 2 I GG vielmehr unter anderem in der verfassungsmäßigen Ordnung. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen.“15 „Keine bürgerlich rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu den Prinzipien stehen, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommen. Das gilt vor allem für diejenigen Vorschriften des Privatrechts, die zwingendes Recht enthalten und damit der Privatautonomie Schranken setzen.“16 „Solche Schranken sind unentbehrlich, weil Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht, 12
BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). So auch schon: BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470) und sinngemäß erstmals aufgenommen in: BGH, 22.01.1991, XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (925). 14 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). 15 BVerfG, 08.04.1997, 1 BvR 48/94, NJW 1997, 1975 (1976). 16 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). So auch schon: BVerfG, 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, (205 f.). 13
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
also voraussetzt, daß auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind.“17 Jetzt ist der Kern des Problems angesprochen. Vertragsfreiheit im materiellen Sinne verlangt Selbstbestimmung, wird durch Fremdbestimmung verdrängt. Deshalb gibt das Bundesverfassungsgericht auch konkrete Vorgaben, wann es die Selbstbestimmung jedenfalls als gefährdet ansieht. „Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung.“18 „Allerdings kann die Rechtsordnung nicht für alle Situationen Vorsorge treffen, in denen das Verhandlungsgleichgewicht mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden.“19 „Bei (. . .) ausgeprägter Unterlegenheit eines Vertragspartners kommt es entscheidend darauf an, auf welche Weise der Vertrag zustande gekommen ist und wie sich insbesondere der überlegene Vertragspartner verhalten hat.“20 „Ist (. . .) auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, daß in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, daß sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt.“21 „Enthält ein (. . .)vertrag eine erkennbar einseitige Lastenverteilung (. . .), obliegt es vornehmlich den Gerichten, bei der Inhaltskontrolle den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag umzusetzen und (. . .) Schutz vor Druck und Bedrängung (. . .) zu gewähren, insbesondere wenn (. . .) dadurch zu Vertragsvereinbarungen gedrängt wird, die (. . .) Interessen massiv zuwiderlaufen.“22 „Es ist Aufgabe der Gerichte, in solchen Fällen gestörter Vertragsparität über die zivilrechtlichen Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositio17 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). Sinngemäß ebenso: BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). 18 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). Nahezu wörtlich identisch: BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 19 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); Ebenso: BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 20 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38). 21 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). Ähnlich: BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248. 22 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958).
I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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nen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren.“23 In diesem Schlußsatz liegt offensichtlich der wesentliche zivilrechtlich zu verarbeitende Gehalt der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen. Es geht um die richtige Anwendung des zivilrechtlichen Instrumentariums, dort insbesondere der Generalklauseln §§ 138, 242 BGB.24 Es hat eine Kontrolle stattzufinden. Im Ergebnis dieser Kontrolle hat der Vertragsinhalt dann eine Korrektur zu erfahren, aber nur „gegebenenfalls“. Hiermit und mit weiteren abgewandelten Formulierungen, auf welche noch näher einzugehen ist, sind die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle benannt. Liegen diese Voraussetzungen vor, muß das Problem gestörter Vertragsparität gesehen werden.25 Die Inhaltskontrolle hat als Mittel zur Lösung des Problems gestörter Vertragsparität stattzufinden.26 3. Eine Definition Voraussetzung der Inhaltskontrolle ist danach die einseitige Verfolgung eigener Interessen durch einen Vertragspartner mittels Aufbürdung unangemessener vertraglicher Lasten gegenüber dem anderen Vertragspartner als Folge einer typisierbaren ungleichen Verhandlungsposition.27 Verlangt ist eine auf Machtdisparität beruhende Vertragsdisparität. Die Unterlegenheitsposition des einen Teils muß sich im Inhalt des Vertrages niedergeschlagen haben.28 Diese Voraussetzungen sind in Form von ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen gesetzt. Zur Vermeidung von Orientierungslosigkeit der Vertragsparteien und zur Gewähr von Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungen muß eine Präzisierung erfolgen.29
23 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). Ähnlich: BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248. 24 Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 10.III.2., Rdnr. 74, S. 39. 25 Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (254). 26 Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (253). 27 Löwe, ZIP 1993, 1759; Wiedemann, JZ 1994, 411 (412); Grün, WM 1994, 713 (721); Adomeit, NJW 1994, 2467; Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1811); Frank, JuS 1996, 389 (390); Wolf, FS für Hans Erich Brandner, 1996, S. 299; Krämer, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 367 (379); Küttner, RdA 1999, 59 (63). 28 Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*). 29 Wiedemann, JZ 1994, 412; Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (264); Bengelsdorf, BB 1995, 978 (981).
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
II. Die Vertragsdisparität Die Vertragsdisparität untergliedert sich in zwei Elemente. Im Kern geht es hier um die Auswirkungen des Vertrages.30 Einmal muß der Vertrag für eine Seite eine besondere Belastung im Sinne von ungewöhnlichen vertraglichen Pflichten beziehungsweise vertraglichen Lasten begründen. Sodann muß diese vertragliche Zuweisung von Pflichten oder Lasten einseitig sein. Diese Zuweisung muß unter Berücksichtigung der mitunter natürlich gegenläufigen Interessen der Vertragspartner als Interessenausgleich völlig ungeeignet sein. Kurz gesagt: Ohne vertretbare Gründe sind gröblich die Vorteile der einen und die Nachteile der anderen Seite durch den Vertrag zugewiesen. 1. Die ungewöhnlich starke Belastung durch den Vertrag Das Merkmal der ungewöhnlich starken Belastung ist auf den ersten Blick völlig zutreffend eine quantitative Voraussetzung der Inhaltskontrolle.31 Hiermit ist keineswegs jede nachteilige Abweichung vom Leitbild des dispositiven Gesetzesrechts gemeint.32 Auch wer Verpflichtungen eingeht, die seine Leistungsfähigkeit überschreiten, handelt in Ausübung und im Rahmen seiner Vertragsfreiheit. Daran haben die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nichts geändert.33 Deshalb die Inhaltskontrolle nur auf krasse Fälle zu beschränken,34 dürfte jedoch ebensowenig zutreffend sein,35 wie die Angleichung an das Niveau der nach Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.36 Eine ungewöhnlich starke Belastung ist daher mehr als eine nur unangemessene Rege30
Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (345). Fuchs-Wissemann, WiB 1994, 426 (427); Groeschke, BB 1994, 725 (728). 32 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.III.1.a), S. 299. 33 Frank, JuS 1996, 389 (391); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (352). 34 So aber: Honsell, NJW 1994, 565 (566); ders., EWiR 1994, 531 (532). 35 Fuchs-Wissemann, WiB 1994, 426 (427). 36 Hier zutreffend: Honsell, NJW 1994, 565 (566); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780); Ritgen, JZ 2002, 114 (120). Anders wohl BGH, 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585): Die Anwendung der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz auf sportliche Regelwerke ist ausgeschlossen. „Da diese jedoch ihrerseits nur als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstehen ist, erscheint es (. . .) richtiger, der Besonderheit sportlicher Regelwerke durch eine Inhaltskontrolle unmittelbar nach § 242 BGB Rechnung zu tragen und Wertungsmaßstäbe des AGB-Gesetzes allenfalls entsprechend heranzuziehen, soweit sie auf das Rechtsverhältnis zwischen dem (. . .) Sportverband und den Teilnehmern (. . .) zutreffen. Eine Beeinträchtigung des Rechtsschutzes dieses Personenkreises ist damit nicht verbunden, da an die Angemessenheit sportlicher Verbandsnormen, welche die Beziehungen zu externen Sporttreibenden regeln, kein weniger strenger Maßstab anzulegen ist als bei Anwendung des AGB-Gesetzes (. . .). 31
II. Die Vertragsdisparität
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lung. Die Unangemessenheit im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dürfte die untere Grenze abbilden. Die Obergrenze wiederum muß unterhalb von § 138 Abs. 1 BGB liegen. Insofern ergibt sich eine neue Kategorie der groben Unangemessenheit.37 Wenn auch eine Verletzung von Grundrechten durch das Zivilgericht, weil es von einer Inhaltskontrolle abgesehen hat, eine ungewöhnlich starke Belastung voraussetzt, so ist hiermit nicht gesagt, daß die richterliche Inhaltskontrolle erst ab einem quantitativen Niveau an Belastung einsetzen darf, wenn widrigenfalls sonst eine Grundrechtsverletzung droht. Unterhalb dieser Schwelle verkennen die Zivilgerichte zwar nicht den Grundrechtsschutz. Wann eine der Korrektur bedürftige vertragliche Abrede vorliegt, hierfür steht den Zivilgerichten im Rahmen des einfachen Rechts bekanntlich ein weiter Spielraum zur Verfügung.38 Es ist der Rechtsprechung daher unbenommen, die von der Verfassung gestellten Anforderungen zum Schutze der Vertragsfreiheit auf der Ebene des einfachen Rechts zu verschärfen.39 Die Vereinbarung muß unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine ungewöhnlich starke und einseitige Belastung begründen. Fehlt es schon daran, ist für eine weitere Inhaltskontrolle in der Regel kein Raum.40 Darüber hinaus wird eine Zukunftsprognose als erforderlich angesehen.41 Diese Prognose stellt auf die Sicht eines vernünftigen Vertragspartners im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab.42 Der Bundesgerichtshof muß mit einer Zukunftsprognose arbeiten, weil er die Vertragskontrolle normativ über § 138 Abs. 1 BGB führt und 37
Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (781). BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39); BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021; Fuchs-Wissemann, WiB 1994, 426 (427 f.). 39 Roth, JZ 2001, 1039. 40 Küttner, RdA 1999, 59 (63); Ritgen, JZ 2002, 114 (119). Das wird der Bundesgerichtshof wohl auch meinen, wenn er in BGH, 12.07.2001, IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331 ausführt: Wer sich auf die Nichtigkeit der Bürgschaft nach § 138 Abs. 1 BGB beruft, für den müssen zunächst „(. . .) Einzelheiten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme vorgetragen (. . .)“ werden. BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170 f.): „Hatte der Bürge bei Vertragsabschluß kein Einkommen, wofür der Bürge die Beweislast trägt, sind im Rahmen einer Prognose Einkommen- und Vermögen im Zeitpunkt der Inanspruchnahme zu prüfen.“ BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112): „An der finanziellen Überforderung der Beklagten bei Abschluß des Vertrages kann kein Zweifel bestehen. Auch war aus der Sicht eines vernünftigen Kreditgebers während der Laufzeit nicht mit der Beseitigung der Leistungsunfähigkeit zu rechnen.“ 41 Becker, DZWir 1994, 397 (400) – Selbstbestimmung und Selbstverantwortung wären ungewöhnlich belastet, bestünde auch in Zukunft nur noch ein ganz geringer Spielraum für eine neuerliche Betätigung der Willensfreiheit. 42 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112). 38
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
weil nach seiner ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend ist.43 Gerade weil er dann aber mit Vermutungen und Fiktionen arbeiten muß, wird die fehlende Eignung der Sittenwidrigkeit zur Lösung des Problems gestörter Vertragsparität hinreichend deutlich. Die Prognoserechtsprechung bietet jedoch gute Anhaltspunkte zur quantitativen Konkretisierung des als nötig angesehen Ausmaßes der Belastung durch den Vertragsinhalt. Die Prognose der erwarteten zukünftigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse soll einmal unter Bezug auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme erfolgen.44 Entscheidend ist danach der Zeitpunkt, in welchem die vertraglich vereinbarten Rechtsfolgen tatsächlich wirksam werden. Dieser Teil der Prognose hat sich vorrangig an dem tatsächlichen Ablauf des Geschehens zu orientieren.45 Hier auf das reale Geschehen abzustellen, wird gewöhnlich den Belangen beider Parteien am besten gerecht. Im Regelfall ist für sie bei Vertragsschluß in gleicher Weise nicht voraussehbar, wann die Regelungen des Ehevertrages relevant werden. Sie werden daher diese Frage bei den Vertragsverhandlungen nicht erörtern. Häufig machen sie sich darüber keine näheren Gedanken.46 Probleme ergeben sich, wenn die Ergebnisse der Zukunftsprognose auf der Basis der Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Eintritts der vertraglich vereinbarten Rechtsfolgen nachhaltig differieren. Es gilt hier eine weitere Vermutung. Die tatsächliche Entwicklung der Einkommensund Vermögensverhältnisse bis zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme soll bereits von Anfang an genau so vorhersehbar gewesen sein.47 Aus diesem Grunde kommt es für die Beurteilung der ungewöhnlichen Belastung durch den Vertrag genau genommen zunächst nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern auf den Zeitpunkt an, zu welchem die vertraglich vereinbarten Rechtsfolgen tatsächlich wirksam werden. Um den Bezug zum Zeitpunkt des Vertrags43 Ständige Rechtsprechung: BGH, 14.07.1952, IV ZR 1/52, BGHZ 7, 111; BGH, 15.02.1956, IV ZR 294/55, BGHZ 20, 71 (73); BGH, 09.11.1978, VII ZR 54/77, BGHZ 72, 308 (314); BGH, 15.04.1987, VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353 (359); BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, BGHZ 120, 272 (276); BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, BGHZ 125, 206 (209); BGH, 24.02.1999, IX ZB 2/98, BGHZ 140, 395 (399) = NJW 1999, 2372 (2373); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 210 (212). Kritisch für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages: Ramm, Familienrecht, Band I, 1. Aufl., 1984, § 28.II.4.a), S. 225; Hess, FamRZ 1996, 981 (986). 44 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124). 45 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112). 46 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090). 47 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090); Martis, MDR 1998, 936 (940).
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abschlusses nicht zu verlieren, soll diese Vermutung jedoch widerlegbar sein. Die Darlegungspflicht und die Beweislast trägt jeweils diejenige Partei, die aus der behaupteten Abweichung der ursprünglichen Sicht vom realen Verlauf für sich einen Vorteil herleitet.48 Der durch den Vertrag belastete Teil kann daher vorbringen, der andere Teil habe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mit den realen Einkünften zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme rechnen können. Der begünstigte Teil kann erwidern, die finanziellen Möglichkeiten des unterlegenen Teils hätten sich ungünstiger entwickelt, als es im Zeitpunkt der vertraglichen Abrede vorhersehbar gewesen sei.49 Ob der Vertrag für einen Teil ungewöhnlich belastende Rechtsfolgen bereit hält, ist dann zu entscheiden, wenn die Rechtsfolgen eingetreten sind. Sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse schlechter als prognostiziert, dann kommt es auf die aktuellen Verhältnisse an. Ob der benachteiligte Partner die Abweichung von der prognostizierten Entwicklung zu vertreten hat, wäre an dieser Stelle noch nicht zu bewerten.50 Andererseits hat dann aber auch Relevanz, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wider Erwartens tatsächlich positiv entwickelten.51 Diese Verschiebung des Bewertungszeitpunktes macht auch darauf aufmerksam, daß der Maßstab von Treu und Glauben als Grundlage der Inhaltskontrolle zu dienen hat. Im Bereich der Sittenwidrigkeit könnte es stets und ausschließlich nur auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommen.52 Für den Ehevertrag muß man dann die Prognose auf den nunmehr konkret bekannten Zeitpunkt richten, zu welchem der Ehevertrag seine Rechtsfolgen zeichnet. Dieser Zeitpunkt wird regelmäßig die Rechtskraft der Scheidung sein. Die Parallele zu den Bürgschaftsentscheidungen ist gerechtfertigt. Wie beim Ehevertrag, ist auch bei der Bürgschaft im Zeitpunkt der Eingehung des Vertrages weder bekannt, ob die vereinbarten Regelungen überhaupt, und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt Wirkungen zeichnen werden. Das Gericht wird daher prüfen, ob eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgenommene Zukunftsprognose ergibt, daß trotz eines beispielsweise vereinbarten „Dreisprungs“53 die
48 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090). Die Pflicht zur Darlegung und die Beweislast für das krasse Mißverhältnis zwischen Leistungsumfang und Leistungsfähigkeit bei Eingehung der Verpflichtung trägt der mithaftende Schuldner allein. Gleiches gilt für die anfängliche Behauptung, daß auch nicht damit zu rechnen war, dies werde sich zukünftig ändern – OLG Koblenz, 16.03.1999, 3 U 1343/97, NJW-RR 2000, 639 (640). 49 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2090); OLG München, 17.09.1996, 18 U 2182/96, WM 1997, 216 (218); Pape, ZIP 1994, 515 (517); Martis, MDR 1998, 936 (940). 50 Becker, Ch., DZWir 1994, 397 (405). 51 Becker, Ch., DZWir 1994, 397 (405). 52 Becker, Ch., DZWir 1994, 397 (405). 53 „Dreisprung“ – Verzicht auf Zugewinn, Unterhalt- und Versorgungsausgleich; siehe: Grziwotz, FamRB 2002, 26.
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des benachteiligten Ehegatten ausreichen, um einen solchen Verzicht wettzumachen. Jedenfalls in den Fällen, in denen beim Vertragsschluß Kinder vorhanden, geplant oder auch nur biologisch nicht ausgeschlossen waren, stellt der Globalausschluß sämtlicher Scheidungsfolgeregelungen über Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie nachehelichen Unterhalt eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Benachteiligung dar, es sei denn, hierfür ist ein akzeptabler sachlicher Grund oder ein adäquater Ausgleich vorhanden.54 In diesem Sinne gab auch der 15. Deutsche Familiengerichtstag seine Empfehlungen ab. Das subjektive Kriterium der einseitigen Dominanz eines Partners unter Ausnutzung einer ungleichen Verhandlungsposition ist nach den Empfehlungen widerlegbar zu vermuten, wenn ein Globalverzicht ehevertraglich vereinbart wurde.55 Da eine Prognose geprüft werden muß, sind die von Ausbildung, Fähigkeiten und familiärer Belastung abhängigen Verdienstaussichten zu berücksichtigen.56 Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung von pfändbarem Einkommen und Vermögen sowie unter Ausschluß des Leistungsvermögens des Ehegatten hat zu erfolgen.57 Eine starre wertmäßige Grenzziehung verbietet sich zwar eigentlich.58 Gibt aber der Gesetzgeber den zur Entscheidung verpflichteten Gerichten keine Vorgaben, so wird man Verständnis dafür aufzubringen haben, setzt die Rechtsprechung eine Taxe an.59 Bei der Beurteilung der ehevertraglich geregelten Lastenverteilung sind die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und Per54 Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130). In dieser Richtung auch: Nachreiner, MittBayNot 2001, 356 (360); Grziwotz, FamRB 2002, 26; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1339). Für OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634 (635) mit Anmerkung Grziwotz, FamRZ 2003, 637 – Revision eingelegt zum Az: IV ZR 445/02 – war die Vereinbarung von Gütertrennung, der Ausschluß des Versorgungsausgleichs und der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt auch für den Fall der Not zwischen einem 40jährigen Mann und einer 48jährigen Frau wirksam. Beide hatten in der Urkunde erklärt, ein jeder werde eigenständig Vorkehrungen für seine Alterssicherung treffen, da beabsichtigt sei, daß beide erwerbstätig bleiben. Da die jeweiligen Bestimmungen und Verzichtsleistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis standen, sei – so das Gericht – keiner der Vertragsschließenden benachteiligt. „Seinem Inhalt nach lässt der Vertrag somit durchaus den Willen beider erkennen, ihre Ehe in gleichberechtigter Partnerschaft führen zu wollen, in der jeder seine wirtschaftlichen Verhältnisse selbständig und unabhängig vom anderen regeln sollte.“ 55 Empfehlungen des 15. Deutschen Familiengerichtstages, NJW 2003, Heft 51, S. XXXIII (XXXIV), mitgeteilt von Brudermüller und Schürmann. 56 BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH, ZIP 1998, 1905; Grün, WM 1994, 713 (723); Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (320). 57 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, mit Anmerkung: Roth, JZ 2001, 1039 f. 58 Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (320). 59 Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (79).
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spektive sowie die von den Eheleuten beabsichtigte Aufteilung der Erwerbsund Familienarbeit zu berücksichtigen. Zu dieser ehevertraglichen Lastenverteilung gehört herausgestellt der Verzicht auf die gesetzlichen Rechte trotz Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit und unter gleichzeitiger Übernahme der Kinderbetreuung und Haushaltsführung.60 Die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung geben dann zunächst einmal das voraussichtlich zutreffende Prognoseergebnis wieder. Den Gegenbeweis kann und muß dann der Ehepartner führen, für den die tatsächliche Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen sein soll. Im Ergebnis muß er also vorbringen, die jedenfalls jetzt mittelbar durch den Ehevertrag bewirkten wirtschaftlichen Scheidungsfolgen hinsichtlich Zugewinn, Unterhalt beziehungsweise Versorgungsausgleich seien bei Vertragsabschluß so nicht erkennbar gewesen. Hiermit bringt er jedoch dann auch zum Ausdruck, hätte man diese Folgen im Zeitpunkt der Eingehung des Ehevertrages schon vorhergesehen, dann wäre es zu einem anderen Vertragsinhalt gekommen. Dann aber kann er sich schlechterdings auch nicht dagegen zur Wehr setzen, wenn nunmehr im Wege der richterlichen Inhaltskontrolle der Vertragsinhalt korrigiert wird. Ob im Rahmen der Feststellung von Vertragsdisparität unabhängig von weiteren Verzichtsabreden die alleinige Vereinbarung von Gütertrennung statt Zugewinnausgleich bereits regelmäßig eine hinreichend starke ungewöhnliche Belastung bewirkt, erscheint fraglich. Dagegen spricht schon die von den §§ 1408 ff. BGB eröffnete Wahlmöglichkeit.61 Auch die Gütertrennung ist als Wahlgüterstand angeboten. Bedenklich erscheint hier lediglich der aus § 1414 S. 2 BGB resultierende Automatismus beim Ausschluß des Versorgungsausgleichs.62 Im übrigen impliziert das Eheverständnis des Bürgerlichen Rechts keine bestimmte Zuordnung oder Strukturierung der Vermögenssphäre. Ferner verlangt auch die eheliche Solidarität nicht nach gegenseitiger Vermögensbeteiligung. Die eheliche Solidarität knüpft nach deutschem Güterrecht nicht an Bedarfslagen an. Sie soll deshalb auch keine unterhaltsrechtliche Funktion erfüllen.63 Andererseits dürfte der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in besonderer Weise die Zielstellungen von Art. 3 Abs. 2 GG verwirklichen. Er korrespondiert mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Erwerbsarbeit und Haushaltsführung sowie Kinderbetreuung, §§ 1356 Abs. 2, 1360 S. 2 BGB. Für die Haushaltsführungs- bzw. Zuverdienstehe gewährt der gesetzliche Güterstand demjenigen Ehegatten einen Ausgleich, der sich um der Familie willen in seiner beruflichen Entfaltung und damit auch in seiner Vermögensbildung einschränkt. 60 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, FamRZ 2001, 343 (346 f.); BVerfG, 29.03. 2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985. Einen Überblick, wann eine einseitige Lastenverteilung angenommen werden kann, gibt: Schubert, FamRZ 2001, 733 (736 ff.). 61 Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*). 62 Schwab, DNotZ 2001, 9* (16*). 63 Schwab, DNotZ 2001, 9* (16*).
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
Gerade wegen § 1360 S. 2 BGB müssen dann die in der Ehezeit angefallenen Vermögenszuwächse als Ergebnis der arbeitsteiligen Kooperation der Ehegatten angesehen werden. Vor diesem Hintergrund kann der Wahlgüterstand der Gütertrennung im Einzelfall dann doch schon mit dem gelebten Ehetyp in einen Widerspruch geraten, der eine richterliche Korrektur gebietet.64 Die Ehedauer wird hier jedoch nachhaltig zu berücksichtigen sein.65 Erfolgen die güterrechtlichen Vereinbarungen nicht zusammen mit weiteren Verzichten, insbesondere im Zusammenhang mit einem Unterhaltsverzicht, dürfte jedoch regelmäßig kein hinreichender Anlaß bestehen, die Gestaltungsfreiheit einzugrenzen. Selbstverständlich ist jedoch auch hier keine allgemeingültige Aussage möglich. Erinnert sei nur an Konstellationen, in denen nach langjähriger Ehe deren Fortsetzung von einem ersatzlosen Verzicht auf bisher angefallene Ansprüche auf Zugewinnausgleich abhängig gemacht wird.66 Nicht immer unbedenklich sind auch Sonderfälle, in denen die Vereinbarung von Gütertrennung zwar nicht von einer Unterhaltsvereinbarung flankiert ist, jedoch aus anderen Gründen ein Unterhaltsanspruch nicht besteht.67 Kritisch werden letztlich auch immer Vereinbarungen zu betrachten sein, wo bestimmte Folgewirkungen der Ehe oder ihrer Auflösung nur einseitig ausgeschlossen worden sind.68 Ist ein tatsächlicher Unterhaltsbedarf gegeben und bestünde ohne die ehevertragliche Abrede auch ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, dann wird von Vertragsdisparität auszugehen sein, es sei denn, durch Beteiligung an Zugewinn oder Versorgungsausgleichsanwartschaften wird der Unterhaltsbedarf aufgefangen. Völlige wirtschaftliche Gleichstellung wird nicht zu verlangen sein. Angemessene eigene wirtschaftliche Absicherung mindestens in Höhe des gesetzlichen Unterhaltsmaßes, § 1578 Abs. 1 BGB, dürfte die unterste Grenze sein. Zwingend ist jedoch, daß gerade wegen des Inhalts des Ehevertrages ein Ehegatte nicht einmal diese wirtschaftliche Absicherung besitzt. Träte die gleiche Folge auch ohne den Ehevertrag ein, fehlt es an der gerade auf dem Abschluß des Ehevertrages beruhenden Vertragsdisparität.
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Schwab, DNotZ 2001, 9* (16*). Unter welchen Voraussetzungen ein Ehevertrag nach langjähriger Ehe sittenwidrig sein kann, hat BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193) ausdrücklich offen gelassen. 66 Schwab, DNotZ 2001, 9* (17*). In dieser Richtung auch: OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764 (766). Das Gericht hat ausdrücklich Vortrag der Ehefrau vermißt, aus welchem sich hätte ergeben können, daß der Ehemann im Zeitpunkt des Vertragsabschlußes ein höheres ausgleichpflichtiges Vermögen gehabt hatte als die Ehefrau. Dem wird man wohl entnehmen können, der ersatzlose Verzicht auf einen bereits latenten Zugewinnausgleichsanspruch macht den Vertrag möglicherweise kraß benachteiligend für die Ehefrau und somit auch schon sittenwidrig. 67 Schwab, DNotZ 2001, 9* (17*); Schubert, FamRZ 2001, 733 (736). 68 Schwab, DNotZ 2001, 9* (17*). 65
II. Die Vertragsdisparität
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2. Der Vertrag als Interessenausgleich Die ungewöhnlich starke Belastung darf sich nicht ausschließlich daran orientieren, ob das Rechtsgeschäft für den Betroffenen verheerende wirtschaftliche oder persönliche Folgen hat. Eine lebenslange Begrenzung von Einkommen und Vermögen auf die Pfändungsfreibeträge ist ausreichend,69 jedoch nicht Bedingung.70 Die Inhaltskontrolle würde sonst erst und nur vor wirtschaftlichem Ruin schützen.71 Der Inhalt des Vertrages muß für eine Seite ungewöhnlich belastend und darüber hinaus auch als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen sein.72 Erst dann ist Vertragsdisparität endgültig erkennbar. Neben der abstrakten einseitigen Belastung durch den Vertrag ist zu verlangen, daß die Interessen des einseitig belasteten Vertragspartners im Vertragswerk und seinen Folgen auch anderweitig keine angemessene Berücksichtigung finden.73 Zum Abgleich ist zu ermitteln, welchen Inhalt ein angemessener Interessenausgleich hätte.74 Der offensichtlich fehlende angemessene Ausgleich der Interessen ist bereits kompensiert, wenn keine ungewöhnliche Belastung begründet wird. Daher kann die ungewöhnlich starke Belastung des einen Vertragsteils durch die mit der Vereinbarung verfolgten Interessen der Vertragspartner aufgewogen sein. Für den Ehevertrag wird man auch hier zweistufig vorzugehen haben. Vielleicht sollte man von abstrakter und konkreter Vertragsdisparität sprechen. Abstrakte Vertragsdisparität liegt dann vor, wird die beschriebene wirtschaftliche Grundabsicherung nicht erreicht. Konkret kann diese Vertragsdisparität ausnahmsweise jedoch Interessengerecht sein. So beispielsweise, weil der andere Ehegatte sonstige überobligatorische Leistungen erbrachte oder übernahm. So kann er in erheblichem Umfang Schulden des anderen Ehegatten getilgt haben 69 BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 19996, 2088 (2091); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (124); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (267); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (352). 70 Becker, DZWir 1994, 397 (404). 71 Wiedemann, JZ 1994, 411 (412). Für Loritz, DNotZ 1994, 543 (545) ist es in einer marktwirtschaftlichen Ordnung unvermeidlich, daß Personen, wenn sie hohe wirtschaftliche Risiken eingehen, in den finanziellen Ruin geraten können. 72 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39); BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021; Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2292); Grün, WM 1994, 713 (721); Wiedemann, JZ 1994, 411 (413). Kritisch hiergegen Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491 f.), mit dem Hinweis, das ein Bürgschaftsversprechen als einseitiges Rechtsgeschäft immer altruistisch sei und in Ermangelung eines Äquivalenzverhältnisses ohnehin nicht von einem Interessenausgleich gesprochen werden könne. Diese Kritik überzeugt jedoch nicht. Für Interessen ist ein Gegenseitigkeitsverhältnis unnötig. 73 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, FamRZ 2001, 343 (346, 347); BVerfG, 29.03. 2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985; Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (321). 74 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.I.1.b)cc), S. 221.
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
oder über einen längeren Zeitraum allein den anderen Ehegatten treffende Unterhaltspflichten, insbesondere gegenüber dessen Kindern, erfüllt haben. Vielleicht hat er auch in der Vergangenheit umfangreich die unternehmerischen Aktivitäten des anderen Ehegatten unterstützt, die jedoch nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg brachten. Auch kann er während der Ehezeit werthaltige Vermögensgegenstände, wie insbesondere Immobilien übertragen haben, die nunmehr, ohne daß er es selbst zu vertreten hätte, nicht mehr zur wirtschaftlichen Grundabsicherung zur Verfügung stehen. Auch kann er während der Ehezeit aktiv dem anderen Ehegatten die Möglichkeit eingeräumt haben, selbst die Grundlagen für eine eigene wirtschaftliche Grundabsicherung zu schaffen, die dieser jedoch nicht nutzen wollte. Doch auch das Interesse des durch den Ehevertrag begünstigten Ehegatten an den getroffenen Regelungen wird zu beachten sein. Hier müssen vorrangig Gesichtspunkte der Leistungsfähigkeit eine Rolle spielen. Auch wenn der Versorgungscharakter der Ehe nicht überbetont werden darf, findet doch während der Ehezeit durch den anderen Ehegatten regelmäßig eine unentgeltliche Unterstützung statt. Die festgestellte abstrakte Vertragsdisparität kann daher im Einzelfall und wohl auch nur ausnahmsweise im Rahmen der Prüfung der konkreten Vertragsdisparität als gerechtfertigt und daher dann auch als angemessen erscheinen. Diese Wechselwirkung ergibt sich auch aus § 9 Abs. 1 AGBG, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Danach ist eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders nötig. Die Prüfung hierzu erfolgt auf zwei Ebenen. Zunächst bedarf es einer unangemessenen Klausel. Dann ist zu hinterfragen, ob die Klausel den konkreten Vertragspartner des Verwenders auch benachteiligt.75 Dem Verwender muß einmal die den Geboten von Treu und Glauben widersprechende Verfolgung seiner Interessen vorzuwerfen sein, welche aber erst dann zu einer Benachteiligung des Kunden wird, wenn sie zusätzlich ein nicht nur unerhebliches Gewicht besitzt.76 Auch kann durch eine andere vorteilhafte Vertragsbestimmung eine an sich erhebliche Benachteiligung des Vertragspartners an anderer Stelle wieder kompensiert werden.77 75 Der Umstand, daß eine Klausel den Vertragspartner des Verwenders nicht erheblich belastet, ändert an der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung dann nichts, wenn es sich um eine Verbandsklage nach § 13 ff. AGBG handelt (BGH, 30.11.1993, XI ZR 80/93, NJW 1994, 318 [319]). Die Verbandsklage dient nicht dem Schutz des einzelnen Kunden, sondern dem Rechtsverkehr im ganzen (BGH, 17.01.1989, XI ZR 54/88, NJW 1989, 582 [583]). 76 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.III.1.a), S. 299; Wolf, in: Wolf/ Horn/Lindacher, 4. Aufl., 1999, § 9 AGBG, Rdnr. 50; Brandner, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, 9 Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 73; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 307 BGB, Rdnr. 7; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 307 BGB, Rdnr. 29. 77 Locher, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 3. Aufl., 1997, § 15.2.a), S. 141; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 307 BGB, Rdnr. 32.
III. Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität)
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III. Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität) Steht Vertragsdisparität fest, bedarf es jedoch noch der Machtdisparität. Mit dieser Voraussetzung ist das tatsächliche Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern angesprochen. In seiner unmittelbaren Wortbedeutung bezeichnet Disparität das tatsächliche Machtgefälle zwischen den Parteien.78 Dem Wortsinne nach bedeutet „strukturell“, daß etwas in seinem inneren Gefüge bereits angelegt ist, was sich als Eigenschaft äußerlich dann widerspiegelt.79 Sowohl Umstände in der Person selbst, als auch die konkrete Verhandlungssituation sind entscheidend.80 Insofern wird nach personenbezogener und vertragsbezogener Disparität unterschieden. Bei der personenbezogenen Disparität wird weiter auf abstrakte und individuelle Unterschiede abgestellt. Zur Frage der Machtdisparität wird die Ungerechtigkeit einer Parteivereinbarung auf der Grundlage des Nachweises der Verhandlungsübermacht einer Vertragspartei untersucht. Ein gerechtes, weil ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung setzt voraus, daß der Vertrag aufgrund eines wirklichen Kompromisses zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Hängt seine inhaltliche Gestaltung vom Willen aller Betroffenen ab, so scheinen die Vertragsparteien schon aus reinem Eigennutz die Leistungen in ein objektiv oder subjektiv gerechtes Gleichgewicht zueinander zu setzen. Der vom Bundesverfassungsgericht genutzte Begriff der strukturellen Unterlegenheit darf somit nicht darüber täuschen, daß hier im Ergebnis die Beeinträchtigung der faktischen Entscheidungsfreiheit angesprochen ist.81 Strukturelle Unterlegenheit und materielle Vertragsfreiheit liegen inhaltlich dicht beieinander. Im übrigen sollen auch für die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB über die einseitige, als vertraglicher Interessenausgleich unangemessene Belastung hinaus weitere belastende Umstände hinzutreten müssen, die dann erst ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern offenbar werden lassen. Diese weiteren Umstände sollen dort aufgesucht werden, wo eine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit erkennbar wird.82 Ob die Selbstbestimmung beeinträchtigt war, hängt nicht davon ab, ob der begünstigte Teil die ungewöhnlich belastende Wirkung der vertraglichen Abrede und deren 78
Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 2.III.2.a), S. 154. Frank, JuS 1996, 389 (391). 80 Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (345). 81 Grün, WM 1994, 713 (721); Zöllner, AcP 196 (1996), S. 1 (28 ff.); ders., Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, 1996, S. 42 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.e)aa), S. 49, Fußn. 147; Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (325). 82 BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); Grün, WM 1994, 713 (723). 79
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
fehlende Eignung als Interessenausgleich erkannt oder zumindest hätte erkennen können.83 Die Umstände, welche zur Einschränkung der Selbstbestimmung führten, sollten aber in der Kenntnis des begünstigten Teils stehen. Zumindest wird man verlangen müssen, daß dieser sich derartiger Kenntnis bewußt verschloß.84 1. Die äußere Machtdisparität Die äußere Machtdisparität beschäftigt sich mit den abstrakten Merkmalen und Eigenschaften der Vertragspartner, die für den Interessenausgleich durch einen Vertragsschluß von Bedeutung sind. Einmal gibt es, so wird wiederholt angemerkt, typische Konstellationen von in der persönlichen Stellung der Vertragspartner zueinander begründeten strukturellen Unterlegenheit.85 Bei der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind hier der Verwender einerseits und dessen Vertragspartner andererseits angesprochen. „Beim Versicherungsvertrag ist der Versicherungsnehmer im allgemeinen der schwächere Teil. Er steht an Geschäftserfahrung dem Versicherer regelmäßig nach.“86 Gerade in den Auswertungen zum Bürgschaftsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts wurde eine typische strukturelle Vertragsimparität in einer Vielzahl von Konstellationen ausgemacht.87 So zwischen der Bank und dem Kreditkunden,88 dem Anbieter von Waren oder Dienstleistungen und dem Endverbraucher89 bzw. dem Großkonzern und dem Zulieferer,90 dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher,91 aber auch generell im Arbeits- oder Mietverhältnis.92 Beim Abschluß von Arbeitsverträgen, so das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich,93 83
Becker, DZWir 1994, 397 (406). Becker, DZWir 1994, 397 (407). 85 Hönn, Jura 1984, 57 (74); Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (346); Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (52); Paulus/ Zenker, JuS 2001, 1 (2). 86 BGH, 03.06.1992, IV ZR 127/91, NJW 1992, 3158 (3161). 87 Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491). 88 Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Hesse/Kaufmann, JZ 1995, 219 (220); Frank, JuS 1996, 389 (391). 89 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., 1997, § 42, Rdnr. 25 ff.; Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (347). 90 v. Westphalen, MDR 1994, 5 (7). 91 Wiedemann, JZ 1994, 411 (413). 92 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, 1970, S. 12; Westermann, AcP 178 (1978), 150 (164); Hönn, Jura 1984, 57 (74); Limbach, JuS 1985, 10 (11); dies., KritV 1986, 165 (182); Geißler, JuS 1991, 617 (621); Kohte, ZBB 1994, 172 (175); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (264); Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (102 f.); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., 1997, § 42, Rdnr. 23 f.; Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (775); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (346). 84
III. Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität)
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sei typischerweise mit den Mitteln des Vertragsrechts kein sachgerechter Ausgleich der Interessen möglich, weil es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehle. Auch das Verhältnis zwischen Patient und Arzt wird hier zuzuordnen sein. Strukturelle Unterlegenheit soll es ferner im Gesellschaftsrecht geben, so zwischen Anleger und Publikumsgesellschaft,94 zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bei Mehrheitsbeschlüssen95 sowie auch zwischen Mitglied und Verein bzw. Verband, jedenfalls soweit letzterer eine überragende wirtschaftliche oder soziale Machtstellung innehat.96 Auch zwischen dem geschäftsgewandten Westdeutschen und dem geschäftsunerfahrenen Ostdeutschen soll das im Zuge der deutschen Einheit anzunehmende informationelle Machtgefälle zur typischerweise gestörten Vertragsparität führen.97 Ganz allgemein wird die aus der sogenannten Rollensoziologie abgeleitete Schutzwürdigkeit erweitert auf den Bereich besonderer berufsspezifischer Verantwortung,98 wie sie gerade die beratenden Berufe99 besitzen. Ob diese rein äußerliche Disparität bereits hinreicht, erscheint schon angesichts der Beispiele fraglich. Im übrigen wird wohl auch zu Recht darauf hingewiesen, daß die richterliche Inhaltskontrolle dann unter dem Aspekt der Gleichbehandlung bedenklich wäre, würde ihr Anwendungsbereich auf den Schutz bestimmter Personengruppen, gekennzeichnet nach Stand oder Status, beschränkt.100 Den schlechthin Schwächeren wird es nicht geben.101 Ein Kompen93 BVerfG, 28.01.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, NJW 1992, 964 (966). Ebenso: Küttner, RdA 1999, 59 (62). Deshalb, so Kühling, ArbuR 1994, 126 (131), müßten bei Abhängigkeitslagen, wie sie im Arbeitsrecht anzutreffen sind, generell staatliche Schutzpflichten bestehen, die – zum Beispiel durch Anforderungen an paritätische Verhandlungs- und Konfliktregelungen – einer solchen Abhängigkeit entgegenwirken und damit materielle Vertragsfreiheit bewirken können. Peter, ArbuR 1999, 289 (293) ist dann der Ansicht, es sei grundsätzlich „(. . .) von der Vermutung auszugehen, dass unangemessene Arbeitsbedingungen auf struktureller Unterlegenheit des ArbN beruhen.“ Anderer Ansicht ist: Bengelsdorf, BB 1995, 978 (983). 94 Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (102 f.). 95 Wiedemann, JZ 1994, 411 (412). 96 BGH, 24.10.1988, II ZR 311/87, NJW 1989, 1724 (1726); BGH, 27.09.1999, II ZR 305/98, NJW 1999, 3552; Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (350). Gleiches gilt auch für Nichtmitglieder, wenn sie sich den Verbandsnormen kraft vertraglicher Abrede unterworfen haben: BGH, 28.11.1994, II ZR 11/94, BGH, NJW 1995, 583 (585). 97 In diesem Sinne: BGH, 16.02.1994, IV ZR 35/93, NJW 1994, 1475 (1476); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (169) – Zitat aus Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts; LG Bremen, 14.03.1996, 7 S 592/95, NJW 1996, 1544 (1545); Kohte, ZBB 1994, 172 (177 f.); kritisch: Singer, JZ 1995, 1133 (1138, Fußn. 68); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Joswig, FS für Schimansky, 1999, S. 335 (348); a. M.: BGH, 30.03.1995, IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 (1888). 98 Lieb, DNotZ 1989, 274 (277). 99 Notare, Rechtsanwälte und Steuerberater, aber wohl auch Immobilien- und Finanzmakler, Anlageberater und Vermögensverwalter. 100 Hönn, JZ 1983, 677 (680).
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
sationsbedarf durch richterliche Inhaltskontrolle kann daher jedenfalls nicht allein vom Nachweis äußerlicher Disparität abhängig sein. Dieses Ungleichgewicht der Vertragspartner genügt noch nicht für eine sachliche Differenzierung zwischen gerechten und ungerechten Parteivereinbarungen.102 Aus diesem Grunde überzeugt auch die Ansicht nicht, wonach die Ehefrau typischerweise dem Ehemann strukturell unterliegt und schon deshalb regelmäßig nicht in der Lage ist, ihre Interessen denen des Mannes adäquat entgegen zu setzen.103 Es sind immer die Gesamtumstände zu würdigen. Ganz allgemein und insbesondere auch für die Ehegatten muß daher für den konkreten Einzelfall feststehen, daß einer der handelnden Ehegatten dem anderen – aus welchen Gründen auch immer – in Bereichen, die für das Aushandeln der Bedingungen des Ehevertrages von Bedeutung sind, überlegen war.104 2. Die unmittelbar personenbezogene Disparität Auch soll regelmäßig ein intellektuelles, wirtschaftliches, gesellschaftliches (soziales) oder sonstiges Gefälle zwischen den Vertragsparteien nötig sein. Es eröffne die einseitigen Gestaltungsspielräume, um der anderen Partei bestimmte Inhalte einseitig aufzwingen zu können.105 Ein statischer Vergleich der konkreten Vertragsparteien ist jedoch ebenfalls unzureichend.106 Unterschiedliche Verhandlungsstärke der Vertragspartner ist ein Faktum, welches der überlegene Teil oftmals selbst mit gutem Willen nicht gänzlich beseitigen kann. Eine möglichst gleich gute Ausgangsposition für beide Seiten muß ausreichend sein.107 Ferner 101 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 273; ders., FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (260). In diesem Sinne auch: Lieb, DNotZ 1989, 274 (277); Grunsky, Vertragsfreiheit und Kräftegleichgewicht, 1995, III.2.a), S. 12 f.; Horn, WM 1997, 1081 (1084). 102 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 2.III.1.a), S. 146 ff.; Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2293); Rehbein, JR 1995, 45 (49). 103 So aber ausdrücklich: Schwenzer, AcP 196 (1996), 88 (109). Dieser Versuch gilt wohl übereinstimmend als gescheitert: Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130). Wichtig bleibt hieran jedoch auch weiterhin die Erkenntnis, daß sich Frauen jedenfalls objektiv immer in einer ungleichen Verhandlungsposition befinden, weil eben nur sie die Kinder bekommen und im Ernstfall allein schon deshalb die damit verbundenen, für die Erwerbsbiographie nachteiligen „Betreuungslasten“ übernehmen. 104 So ausdrücklich gegen Schwenzer, a. a. O.: Gerber, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (58). 105 Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199 (200); Ritgen, JZ 2002, 114 (119). In diesem Sinne auch: Laumen, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., 1991, § 138 BGB, Rdnr. 9. Danach ist die tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung beim objektiv sittenwidrigen Ratenkredit widerlegt, wenn der Kreditnehmer einer bestimmten Bevölkerungs- oder Berufsgruppe angehört und diese regelmäßig als rechts- und geschäftsgewandt gilt. 106 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9 I.1.b)aa), S. 217.
III. Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität)
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kann etwa die intellektuelle Überlegenheit eines Vertragspartners rechtmäßig verdient sein, weil er sich seinen Wissensvorsprung durch besondere Anstrengungen beschaffte. Würde dieser Fleiß durch richterliche Inhaltskontrolle ausgeglichen, wäre das Desinteresse prämiert.108 Richtig ist auch der Hinweis, daß weder Alter, noch Vorbildung, Geschlecht oder Nationalität eine Gewähr für Geschäftserfahrung bieten können. Ebenso wenig sind Urteilsfähigkeit, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen überhaupt objektiv meßbare Größen.109 So richtig wie diese Erkenntnisse auch sind, sie vermögen jedoch nicht zu verhindern, daß auch diese unmittelbar personenbezogene Disparität einen hinreichenden Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle bewirken kann. 3. Die individuelle Situation beim Vertragsabschluß Unterlegenheit im Sinne des materiellen Vertragsprinzips wird daher stets nur unter Bezug auf die konkreten Umstände beim Vertragsabschluß zu ermitteln sein. Hier können dann sowohl die äußeren Merkmale und Eigenschaften der Vertragspartner, als auch die intellektuellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen (sozialen) oder sonstigen Unterschiede zwischen den Vertragspartnern bedeutsam werden. Mag daher sein, daß die Unterlegenheit, gegebenenfalls auch „strukturell“, durch äußere Merkmale und Eigenschaften sowie ein abstraktes Machtgefälle schon anfänglich erkennbar wurde. Entscheidend bleibt jedoch immer die individuelle Situation im Rahmen der Vertragsanbahnung und beim Vertragsabschluß.110 Ob Unterlegenheit vorlag, welche nachhaltig die Selbstbestimmung beschränkte, hängt von den konkreten Umständen beim Vertragsabschluß ab.111 Deshalb können typische, den Vertragsabschluß begleitende Umstände, auf eine strukturelle Unterlegenheit nur hindeuten.112 Es geht hier um die situationsbedingte Überlegenheit des Vertragspartners,113 die Prüfung der Verfahrenssituation, aus welcher der Vertragsabschluß hervorging.114 Daß Stellen und die Vorformulierung im Sinne von. § 1 Abs. 1 AGBG, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind hier zuzuordnen.115 Allgemein kann eine Seite ihren Markt107
Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (392). Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 10.III.1., Rdnr. 73, S. 39; ders. ähnlich schon: AcP 192 (1992), 35 (62). 109 Rehbein, JR 1995, 45 (49). 110 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 308; ders., FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (261); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (350). 111 Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (348). 112 Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (325); Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (55). 113 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 6.I.5., S. 93. 114 Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Bengelsdorf, BB 1995, 978 (981), Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (344). 108
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
vorsprung robust ausgenutzt haben. Auch kann der strukturell unterlegene Teil in verschiedenem Maß auf den Vertragsabschluß angewiesen gewesen sein.116 Auch der im konkreten Fall verhandelte Vermögenseinsatz kann auf eine strukturelle Unterlegenheit hindeuten.117 Im Gegenzug gilt es, die Verharmlosung der vertraglichen Pflichten zu bewerten.118 An dieser Stelle wäre auch eine monopolartige Stellung, mithin die Möglichkeit zum Ausweichen auf Alternativen zu berücksichtigen.119 Selbst der Umstand, daß der unterlegene Teil Bedenkzeit für die Vertragsentscheidung hatte oder gar rechtsberatend betreut worden war, muß per se noch nicht zwingend zum Wegfall struktureller Unterlegenheit führen.120 Andererseits spricht eine Überrumpelung, mithin die plötzliche Konfrontation mit dem Vertragsabschluß – gegebenenfalls sogar an ungewohnter Stelle – für Unterlegenheit.121 Ganz in diesem Sinne ist dann beispielsweise die Schwangerschaft allein nur ein Indiz für eine vertragliche Disparität. Sie gibt Anlaß, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und Perspektive sowie die von den Parteien des Ehevertrages beabsichtigte Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der Ehe können dann weitere maßgebliche Faktoren sein, durch welche die Situation der Schwangeren bestimmt wird. Diese können im Einzelfall auch dazu führen, die Unterlegenheit auszugleichen.122 Gerade die Machtdisparität bildet den maßgeblichen Hintergrund für die Überlegungen, wann eine richterliche Inhaltskontrolle des Ehevertrages stattzufinden hat. Wegen dieser Wechselwirkung wird auf die Überlegungen zum Anlaßgrund einer richterlichen Inhaltskontrolle, wie alsbald näher beschrieben, verwiesen. 4. Die fehlende Bestimmtheit des Paritätsbegriffs Die Ungleichgewichtslage zwischen den Vertragspartnern als Voraussetzung der Inhaltskontrolle wird stark kritisiert. Überhaupt sind die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts, so wird vorgebracht, derart ungenau, daß sie schwerlich 115 Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75); Becker, DZWir 1994, 397 (407); Wackerbarth, AcP 200 (2001), 45 (55). 116 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (22); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.I.3.c), S. 232; Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199 (200). 117 Wiedemann, JZ 1994, 411 (413). 118 Becker, DZWir 1994, 397 (407). 119 Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75); Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1., S. 157; Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (392); Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2294); Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 (2). 120 Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1812); Hess, FamRZ 1996, 981 (988). 121 § 1 Abs. 1 HTWiG, § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB; Becker, DZWir 1994, 397 (407). 122 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (104) „Ehevertrag I“. Dem folgt: Schwab, DNotZ 2001, 9* (15*).
III. Die strukturelle Unterlegenheit (Machtdisparität)
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für Wissenschaft und Praxis als tragfähiges Fundament einer Weiterarbeit taugen.123 Die Kritik setzt mehrheitlich auch an der fehlenden Bestimmtheit der verwendeten Begriffe an. Eine nähere tatbestandliche Konkretisierung würde nicht möglich sein.124 Wirtschaftliche Macht kann beispielsweise durch intellektuelle Überlegenheit kompensiert werden125 oder in der konkreten Situation, beispielsweise wegen Termindrucks, aufgehoben sein.126 Auf einen konkreten Maßstab zur Konkretisierung von Verhandlungsstärke kommt es jedoch nicht an. Die vom Bundesverfassungsgericht genutzten Begriffe dienen nicht zur unmittelbaren Konkretisierung der privatrechtlichen Generalklauseln. Diese Aufgabe obliegt der Zivilgerichtsbarkeit.127 Für die begriffliche Kennzeichnung der typischen Konstellationen, in denen eine richterliche Inhaltskontrolle erfolgen soll, muß es genügen, daß die in Betracht kommenden Sachverhalte anhand konkreter Umstände beispielhaft beschrieben werden. Probleme, die aus begrifflichen Unwägbarkeiten resultieren, sind unvermeidlich. Diese Erkenntnis spricht jedoch nicht gegen deren praktischen Nutzen. Sie verdeutlicht nur, daß eine Konkretisierung durch Kasuistik nötig ist.128 Das Denken in typischen Fallgruppen ähnlicher oder gleicher Interessenlagen mit entsprechend angenäherten normativen Beurteilungsmaßstäben ist eine spezifische Aufgabe der Justizpraxis und Voraussetzung geglückter richterlicher Normsetzung.129 Richtig bleibt an der Kritik, daß nicht automatisch jedes Machtungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern die materielle Gerechtigkeit des vertraglichen Verhandlungsergebnisses gefährdet. Das Phänomen der Macht ist vielschichtig. Es läßt sich nicht durch einige wenige Kriterien definieren.130 Wo genau die – möglicher123
Loritz, DNotZ 1994, 543 (546); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780). Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30 (57); Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (236 ff.); Limbach, JuS 1985, 10 (13); Rittner, AcP 188 (1988), 101 (127); CoesterWaltjen, AcP 190 (1990), 1 (18 ff.); Wiedemann, JZ 1990, 695 (697); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.I.1.b), S. 217; Preis, ArbuR 1994, 139 (141); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (491); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (775); Horn, WM 1997, 1081 (1088); ders., in: Staudinger, 13. Bearb., 1997, § 765 BGB, Rdnr. 173; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (53). 125 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (19 f.); Medicus, Abschied von der Privatautonomie, 1994, S. 20: „Ganz grob gesagt: Um wie viel soll jemand reicher sein müssen, um die eigene relative Dummheit auszugleichen?“. 126 Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (52). 127 Dieterich, WM 2000, 11 (14). 128 Kothe, ZBB 1994, 172 (176); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (346). Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 253 beispielsweise, ordnet dem Begriff der Vertragsparität keinen materialen Gehalt zu. Er ließe sich jedoch heuristisch nutzen, indem er als Bezugspunkt der funktionalen Analyse der Rechtsordnung diene. Wie, beschreibt Hönn, JZ 1983, 677 (684) ebenfalls. 129 Rüthers, Rechtstheorie, 1999, § 23 III., Rdnr. 930, S. 510; Limbach, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 383 (391). 130 Limbach, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 383 (391). 124
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
weise selbst schädigende – Selbstbestimmung endet und die unzulässige Fremdbestimmung beginnt, bleibt stets eine Gradwanderung.131 Eine allgemein gültige Antwort in einem qualitativen Sinne gibt es nicht. Sie braucht es auch nicht zu geben. Sie würde auch dem Charakter ihrer normativen Grundlage, einer Generalklausel, widersprechen. Selbst wenn man konkreten Umständen ein hinreichendes Maß an Fremdbestimmung beiordnen wollte, bedeutet es nicht, daß dann in jedem vergleichbaren Fall eine richterliche Inhaltskontrolle stattzufinden hätte. Wichtig ist nur, daß der Blick auf den gröblich unangemessenen Vertragsinhalt allein nicht ausreicht. Deshalb ist für die Fremdbestimmung immer das Verhältnis von Vertrags- und Machtdisparität beachtlich.
IV. Das Verhältnis von Vertragsdisparität und Machtdisparität Sind Vertragsdisparität in Form einer unangemessen belastenden vertraglichen Abrede und Machtdisparität als Ausprägung beeinträchtigter Entscheidungsfreiheit die Voraussetzungen des Verfahrens der richterlichen Inhaltskontrolle, wird zu ergründen sein, wie diese Voraussetzungen der Inhaltskontrolle zueinander in Beziehung stehen. Es stellt sich die Frage, ob der Staat die Verbindlichkeit der Abrede akzeptiert, weil und soweit sie auf der Selbstbestimmung beruht oder weil und soweit die vertragliche Vereinbarung gerecht ist.132 Oder ist nur denjenigen Abreden die Geltung zu versagen, die kumulativ ungerecht und fremd bestimmt sind. 1. Die Relevanz der einzelnen Paritätskriterien Die Vertragsdisparität muß kausal auf der Machtdisparität beruhen. Die tatsächlich im Einzelfall vorhandene strukturell ungleiche Verhandlungsstärke muß adäquat kausal für die einseitig belastende vertragliche Abrede geworden sein.133 Dieser Kausalzusammenhang ergibt sich eindeutig aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: „Ist (. . .) der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so dürfen sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen: „Vertrag ist Vertrag“. Sie müssen vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist (. . .).“134 Entsprechendes hat das Bundesverfassungsgericht für den Ehevertrag festgehalten, wenn es ausführt: „Dies 131 Schwab, Einführung in das Zivilrecht, 13. Aufl., 1997, Rdnr. 622; Limbach, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 383 (392). 132 Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 133 Rehbein, JR 1995, 45 (49); Frank, JuS 1996, 389 (390); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780).
IV. Das Verhältnis von Vertragsdisparität und Machtdisparität
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gilt auch für Eheverträge, mit denen Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach regeln. (. . .) Der Staat hat infolgedessen der Freiheit der Ehegatten, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt.“135 Darüber hinaus ist ein weiterer Kausalzusammenhang bedeutsam. Das Bundesverfassungsgericht betonte mehrfach, daß gerade der Schutz der Selbstbestimmung bewirkt werden muß. So sei die Begrenzung der Vertragsfreiheit „(. . .) unentbehrlich, weil Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht, also voraussetzt, daß auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind.“136 „Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung.“137 „Ist (. . .) auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, daß in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, daß sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt.“138 Man wird daher wohl zu Recht davon auszugehen haben, daß eine isolierte Prüfung auf strukturelle Unterlegenheit und Störung der Vertragsparität allein nicht ausreicht. Die hierzu vorgebrachten Umstände müssen im Ergebnis für den unterlegenen Vertragsteil kausal auch eine Fremdbestimmung bewirkt haben.139 Der Kreis der Geschäfte, bei denen eine Seite die Ungleichgewichtslage 134 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39). Ebenso: BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 135 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). Ähnlich: BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248. 136 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). Sinngemäß ebenso: BVerfG, 28.01.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, NJW 1992, 964 (966); BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). 137 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470). Nahezu wörtlich identisch: BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 138 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958). Ähnlich: BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248. 139 Rehbein, JR 1995, 45 (49); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (344).
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
zur Fremdbestimmung der anderen Seite ausnutzt, wird mit diesem kausalen Zusammenhang nicht abschließend definiert.140 Über den Zugang zu richterlicher Inhaltskontrolle wird daher ebenfalls nicht abschließend befunden sein.141 Ob Fremdbestimmung infolge einer in der Lebenswirklichkeit vorhandenen strukturellen Unterlegenheit einer Vertragspartei besteht, ist in erster Linie durch Überprüfung der tatsächlichen Gegebenheiten beim Vertragsschluß zu ermitteln.142 Ganz wesentlich bleibt dann, wie sich die überlegene Verhandlungsmacht im Einzelfall tatsächlich auswirkte. Erst die Übertragung der Machtstellung in die spezifischen Gefahren der durchgesetzten Vertragsbedingungen zeigt dann die Kontrollbedürftigkeit der Regelung auf.143 Die praktische Relevanz dieses Zusammenhanges dürfte jedoch eher gering sein. Macht- und Vertragsdisparität führen zu vermuteter Fremdbestimmung.144 Dieser Kausalzusammenhang beantwortet auch die Frage nach dem Verhältnis von Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit. Die Vertragsfreiheit führt zur rechtlichen Verbindlichkeit der Abrede nicht, weil und soweit sie gerecht ist, sondern, weil und soweit sie auf der Selbstbestimmung der Beteiligten beruht.145 Ob der Vertrag zu einem angemessenen Interessenausgleich führt, ist unerheblich, solange ihn beide Vertragspartner in freier Selbstbestimmung und voller Eigenverantwortung so gewollt haben. Die Freiheit steht ebenso wenig unter einem Gerechtigkeitsvorbehalt, wie sie unter dem Vorbehalt der Sozialverträglichkeit steht.146 2. Das bewegliche System Je gravierender die Vertragsfreiheit im konkreten Einzelfall gestört ist und die Folgen für den strukturell unterlegenen Vertragspartner sind, um so dringender ist eine Korrektur geschlossener Verträge mit Hilfe der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs.147 Je stärker dabei das Übergewicht des Begünstigten ist, je gravierender die Belastungen und je enger die persönlichen Beziehungen sind, desto wahrscheinlicher ist es, daß es an einer nüchtern abwägenden, 140 Coester-Waltjen, Jura 1995, 26 (29); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (344). 141 Zu Recht daher kritisch: Fastrich, RdA 1997, 65 (68). 142 Bengelsdorf, BB 1995, 978 (981). 143 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 2.III.1.a), S. 146 ff.; Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2293). 144 Köndgen, EWiR 1994, 23 (24): „praesumtio iuris“. 145 Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (85); Canaris, FS für Peter Lerche, 1993, S. 873 (886); Ritgen, JZ 2002, 114 (117). 146 Ritgen, JZ 2002, 114 (117). 147 BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (125); Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (6).
IV. Das Verhältnis von Vertragsdisparität und Machtdisparität
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selbstbestimmten Entschließung fehlt.148 Gleichfalls ist auch im Rahmen eines beweglichen Systems149 eine höhere Intensität an einseitiger Bestimmung des Vertragsinhaltes zu verlangen, je weiter sich die Abrede an eine angemessene Vereinbarung annähert. Ist die Abrede inhaltlich weitestgehend ausgewogen, erlangt eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit kaum Bedeutung.150 Enthält dagegen die Vereinbarung nicht nur eine völlig einseitige Belastung, sondern ist darüber hinaus die Zukunftsprognose zur Leistungsfähigkeit absolut negativ, so bedarf es nur geringfügiger Ansätze einer Fremdbestimmung.151 Insgesamt bietet sich ein Vergleich mit der Verwirkung an. Sie verlangt grundsätzlich ein Zeit- und ein Umstandsmoment. Die Anforderungen an das Umstandsmoment verringern sich umgekehrt proportional zum Zeitablauf. Gänzlich kann auf das Umstandsmoment jedoch auch nicht verzichtet werden.152 148
BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112). Grundlegend: Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, 1951; ders., AcP 163 (1964), 346; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 444 f. Das bewegliche Zusammenspiel verschiedener Bestimmungselemente im Rahmen der Inhaltskontrolle betont Hönn, JZ 1983, 677 (685). Kothe, ZBB 1994, 172 (176) präferiert die Methode des beweglichen Systems. Er hält bei der Anwendung der Generalklauseln die Bildung von Fallgruppen für vorzugswürdig, welche sich jeweils durch verschiedene, nicht abschließend formulierte Untermerkmale auszeichnen, die untereinander nach Intensität und Bedeutung abzuwägen sind. Auch Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (351) meint, die Sittenwidrigkeit eines Vertrages liegt um so näher, je mehr die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit auf Fremdbestimmung hinausläuft. Ähnlich auch: Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (77). Auch Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 205 ff., 320 ff., 365 betont „Das flexible Wertungssystem eines Zusammenspiels von Vertragsfreiheit und Vertragskontrolle“. 150 Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (392); Grün, WM 1994, 713 (724). 151 Grün, WM 1994, 713 (724); Becker, DZWir 1994, 397 (406). Schon der BGH, 10.03.1982, VIII ZR 74/81, NJW 1982, 1455 hat zum Problem der Sittenwidrigkeit eines Aussteueranschaffungsvertrags mit Ansparvereinbarung, Preisgarantie und freiem Auswahlrecht über 20 zehnteilige Bettwäsche-Garnituren festgehalten: „Je risikoreicher ein Geschäft, dessen Inhalt die eine Vertragspartei unter weitgehend einseitiger Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit bestimmt hat, für die andere Partei ist, desto näher liegt die Annahme, daß dieses Rechtsgeschäft mit den Anschauungen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbaren ist.“ 152 Heinrichs, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 415; Roth, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 242 BGB, Rdnr. 301. Siehe auch: BGH, 19.12.2000, X ZR 150/98, BGHZ 146, 218 (225): „(. . .) Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Die zeitlichen wie die sonstigen Umstände des Falles müssen in ihrer Gesamtheit die Beurteilung tragen, daß Treu und Glauben dem Gläubiger die Verfolgung des Anspruchs verwehren, mit dessen Geltendmachung der Schuldner nicht mehr rechnen mußte. Je länger aber der Gläubiger untätig bleibt, obwohl eine Geltendmachung seiner Rechte zu erwarten wäre, desto mehr wird der Schuldner in seinem Vertrauen schutzwürdig, der Gläubiger werde ihn nicht mehr in Anspruch nehmen.“ Ähnlich auch: BSG, 05.12.1972, 10 RV 441/71, NJW 1973, 871. 149
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§ 8 Die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle
Auch das Bundesverfassungsgericht153 entscheidet offensichtlich mit einem solchen Verständnis unter Berücksichtigung der zuvor als Obersatz aufgestellten Voraussetzungen einer richterlichen Inhaltskontrolle. Beginnend hält es hinsichtlich der vereinbarten Bürgschaftsübernahme eine ungewöhnlich hohe wirtschaftliche Belastung fest. Sodann ermittelt es die im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß verfolgten Interessen. Gegenübergestellt wird, wessen Interessen die einzelnen vertraglichen Regelungen dienen. Weiter kommt das Gericht sodann zur Feststellung der ausgeprägten Unterlegenheit eines Vertragspartners, hier des Bürgen. Für die Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen soll entscheidend sein, auf welche Weise der Vertrag zustande kam und wie sich insbesondere der überlegene Vertragspartner konkret verhalten hat. Die Gewährung von Aufklärung und Information, das Bedrängen zum Vertragsabschluß und die Bagatellisierung der Vertragspflichten haben den Vertragsabschluß charakterisieren können. Auch hier wird eine Verbindung zwischen der ungewöhnlich hohen Belastung durch den Umfang der vertraglichen Verpflichtung und den vertragsabschlußbegleitenden Umständen gezogen. In diesem Sinne liest sich auch die Begründung des Bundesverfassungsgerichts154 zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Zunächst stellt das Gericht auf eine ungleiche Verhandlungsposition ab. Der Vertrag darf nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sein. Er muß eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten widerspiegeln.155 Im Ansatz geht es um eine rein formale Unterscheidung.156 Keine Inhaltskontrolle daher, gab es eine Verhandlungssituation gleichberechtigter Partner. Schwangerschaft allein genügt dann aber doch noch nicht, um auf eine ungleiche Verhandlungsposition bereits hinreichend und abschließend zu erkennen. Schwangerschaft führt zwar typischerweise zu einer dem anderen Vertragspartner gegenüber weit unterlegenen Position. Sie ist jedoch nur ein Indiz für eine vertragliche Disparität, „(. . .) das Anlass gibt, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen.“157 Sozusagen ebenfalls im beweglichen System zieht das Gericht – da Schwangerschaft nach dessen Sichtweise eben nur ein Indiz sein kann – den gefundenen Vertragsinhalt heran. Wenn dann auch – und damit zusätzlich zur Schwangerschaft – der Vertragsinhalt eine Unterlegenheitssituation zum Ausdruck bringt, „(. . .) wird die Schutzbedürftigkeit offenkundig“.158
153
BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214. BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222 = FPR 2001, 137 „Ehevertrag I“. 155 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101). 156 Bergschneider, FF 2003, 118. 157 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101). 158 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102). 154
IV. Das Verhältnis von Vertragsdisparität und Machtdisparität
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3. Ein Zwischenergebnis Es schließt sich der Kreis zwischen vertraglicher Selbstbestimmung und unangemessenem Vertragsinhalt. Die Unangemessenheit des Vertragsinhaltes allein ist am Anfang allenfalls ein Indiz für fehlende vertragliche Selbstbestimmung.159 Sie ist insoweit zwingende Voraussetzung der Inhaltskontrolle, weil auch angemessene vertragliche Regelungen unter fehlender vertraglicher Selbstbestimmung getroffen werden können. In Ermangelung einer ungewöhnlich starken Belastung des um seine vertragliche Selbstbestimmung gebrachten Teils bedürfen sie einer richterlichen Vertragsinhaltskorrektur jedoch nicht.160 Die Gerichte dürfen sich auf die Feststellung: „Vertrag ist Vertrag“ nicht zurückziehen, wenn „(. . .) der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen (. . .)“ ist.161 Ist der Vertragsinhalt objektiv unangemessen, was am gesetzlichen Leitbild und an der Ortsüblichkeit durchaus auch tatsächlich überprüfbar ist, erst dann müssen die Gerichte klären, ob die vertragliche Regelung eine Folge fehlender vertraglicher Selbstbestimmung ist.162 Fehlt es daran, muß auch eine ungewöhnlich hohe Belastung, eben ein unangemessener Vertragsinhalt, als verbindlich hingenommen werden. Die fehlende Angemessenheit der vertraglichen Abrede allein reicht aber nicht aus, um dem Gericht eine Inhaltskontrolle des Vertrages abzuverlangen. Anders höchstens, wenn der Vertragsinhalt schon an sich eine krasse Benachteiligung enthält. Dann dürfte jedoch auch schon die Grenze des § 138 BGB erreicht sein. Unterhalb dieser quantitativen Ebene bedarf es zusätzlich noch eines konkreten Anlasses, um den Richter zur Inhaltskontrolle des Vertrages anzuhalten. Dieser Gedanke findet seine Entsprechung in dem Umstand, daß unangemessene Vertragsklauseln grundsätzlich nur dann der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB unterzogen werden, wenn es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Liegen hingegen keine AGB-Klauseln vor, besteht grundsätzlich auch kein Anlaß, unangemessene vertragliche Abreden zu überprüfen. Wann besteht daher ein begründeter Anlaß, eine richterliche Inhaltskontrolle durchzuführen?
159 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (18); Krämer, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 367 (384). 160 Küttner, RdA 1999, 59 (64). 161 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214; BVerfG, 5.8.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 162 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214; BVerfG, 5.8.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021.
§ 9 Der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen Mit der Erkenntnis, daß die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen grundsätzlich in allen Bereichen des Privatrechts stattfinden kann, ist noch nicht beanwortet, wann sie überhaupt zu erfolgen hat. Keinesfalls sind die Zivilgerichte immer zu einer Inhaltskontrolle von Verträgen aufgerufen.1 Der kleinste gemeinsame Nenner dürfte sein, daß der ausgehandelte Individualvertrag, der in einer wirtschaftlichen, sozialen und intellektuellen Gleichgewichtslage unter den Parteien zustande kommt, keiner richterlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Er ist lediglich und ausschließlich an den §§ 134, 138 und 826 BGB zu messen.2 Darüber hinaus wird im Interesse von Wirklichkeitsnähe und Rechtssicherheit stets auch ein gewisses Maß an Disparität hinzunehmen sein.3 Weder gibt es eine Schranke der Vertragsfreiheit, wonach nur Regelungen vereinbart werden können, die den beiderseitigen Interessen umfassend gerecht werden,4 noch gefährdet jede Beeinträchtigung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit die materielle Vertragsfreiheit nachhaltig genug, um einen Eingriff in die vom anderen Vertragspartner genutzte formelle Vertragsfreiheit zu rechtfertigen.5 Der Institution Vertrag ist der Gegensatz zwischen rechtlicher und tatsächlicher, mithin formeller und materieller Vertragsfreiheit immanent. Während die Kompetenz zur Gestaltung von Rechtsbeziehungen grundsätzlich auf Verbindlichkeit angelegt und angewiesen ist, tendiert das Prinzip der Selbstbestimmung, verstanden als tatsächliche Entscheidungsfreiheit, eher zur Aufhebung vertraglicher Bindungen.6
1 Wiedemann, JZ 1994, 411 (412); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (268) – Inhaltskontrolle als Notrecht; Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1811). 2 Hergenröder, DZWir 1994, 585 (489). 3 Habersack, AcP 189 (1989), 403 (412); Hergenröder, DZWir 1994, 485 (488); Bengelsdorf, BB 1995, 978 (981); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (344). 4 BGH, 27.10.1998, X ZR 116/97, NJW 1999, 418 (420). 5 „(. . .) wir ständen dort in wohlmeinender Absicht, doch sollten wir die Freiheit auch dort eifersüchtig hüten, wo die Unfreiheit den Mantel der Fürsorge trägt.“ – Gernhuber, JZ 1995, 1086 (1089). 6 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (279, 300).
I. Der verfassungsrechtliche Abgleich
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I. Der verfassungsrechtliche Abgleich Auch für die Beantwortung der Frage, wann eine richterliche Inhaltskontrolle stattfinden darf, kann ein Abgleich zum Verfassungsrecht wertvolle Hinweise bieten. Ist es doch der Schutzauftrag insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG, der die Gerichte zur Durchführung der richterlichen Inhaltskontrolle anhält. Verfassungsrechtlich gesehen, wird durch das kontrollierende Gericht in die formale Vertragsfreiheit des Gläubigers eingegriffen, um die materielle Vertragsfreiheit des Schuldners zu schützen. Die Kollision zwischen dem Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit i. V. m. dem Übermaßverbot einerseits und dem Schutz der Allgemeinen Handlungsfreiheit i. V. m. dem Untermaßverbot andererseits gilt es aufzulösen.7 Am Anfang muß auch hier die Erkenntnis stehen, daß die Verfassung lediglich verbietet, ein gewisses Minimum an Schutz zu unterschreiten.8 Man wird daher zunächst verlangen müssen, daß von der vertraglichen Bindung ein konkretes Grundrecht überhaupt berührt ist.9 Sodann bedarf es der Feststellung, daß sich konkret aus der Verfassung eine staatliche Pflicht zum Schutz des anderen Vertragspartners ableiten läßt.10 Als elementares Kriterium für die Annahme einer Schutzpflicht muß hierbei ein gewichtiges Bedürfnis für den Schutz des betreffenden Grundrechts bestehen. Es geht primär um die tatsächlichen Grundlagen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Gutes und nicht um dessen rechtliche Dimension.11 Hauptziel der Schutzgebotsfunktion im Verhältnis zwischen den Subjekten des Privatrechts ist es, die grundrechtlichen Gü7 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (300); Dieterich, WM 2000, 11 (12); Ritgen, JZ 2002, 114 (116). Trefflich umschreibt Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75 f.) diese Konstellation: „Der auf Vertragserfüllung bestehende und diese einklagende Gläubiger greift in die Freiheit des in Anspruch genommenen Schuldners ein, ohne daß dafür dessen rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung ohne weiteres als Rechtfertigungsgrund ausreichte; denn die vertragliche Zustimmung des anderen, unterlegenen Teils beruhte nicht auf freier Selbstbestimmung. Er bedarf wegen des Kräfteungleichgewichts zu seinen Lasten des staatlichen Schutzes seiner Grundfreiheiten vor übermäßigen Beschränkungen, die er sich zwar nach seinem erklärten Rechtsbindungswillen selbst auferlegt hat, die ihm aber tatsächlich von dem wirtschaftlich überlegenen Teil aufgezwungen worden sind.“ 8 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.b), S. 39. 9 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, VI.2.b), S. 74. 10 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, V.3.a), S. 56. Kritisch merken Hesse/Kaufmann, JZ 1995, 219 (222) zur Schutzpflichtlehre an, daß sie eine klare Absage an das Gewaltenteilungsprinzip sei. Sie bedeute eine Ermächtigung und Verpflichtung der dritten Gewalt zur Politik. Canaris, a. a. O., III.1.b), S. 25 hat trefflich darauf hingewiesen, daß sich die Bindung der Judikative an die Grundrechte nicht nur unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ist eine Verfassungsbeschwerde auch gegen Entscheidungen der Zivilgerichte wegen einer verfassungswidrigen Handhabung des materiellen Privatrechts zulässig. Kann mit gerichtlichen Entscheidungen durch falsche Anwendung des Privatrechts eine Grundrechtsverletzung erfolgen, so ist zwingend, daß die Zivilgerichte auch in materieller Hinsicht an die Grundrechte gebunden sind. 11 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, VI.2.b), S. 74.
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§ 9 Der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
ter vor tatsächlichen Beeinträchtigungen zu bewahren und ihre tatsächliche Funktionsfähigkeit zu gewährleisten.12 Neben den Kriterien der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das grundrechtliche Gut, seiner Gefährdung und der Angewiesenheit seines Inhabers auf die Mitwirkung anderer Subjekte des Privatrechts bei dessen Ausübung sind auch Rang und Art des betroffenen Grundrechts, die Schwere des drohenden Eingriffs und die Intensität der Gefährdung, die Möglichkeit des Grundrechtsträgers zu effizientem Selbstschutz sowie das Gewicht gegenläufiger Grundrechte und Interessen als Wertungsgesichtspunkte in einem beweglichen System zu berücksichtigen.13 Erst wenn man danach überhaupt eine Schutzpflicht feststellen konnte, gelangt man zu einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der damit verbundenen Abwägung zwischen Übermaß- und Untermaßverbot.14 Diese Abwägung hat zu beachten, daß die Wirkungskraft der Grundrechte in ihrer Schutzgebotsfunktion in Verbindung mit dem Untermaßverbot grundsätzlich schwächer ist, als die der Eingriffsfunktion in Verbindung mit dem Übermaßverbot.15 Durch die schwächere Wirkungskraft von Schutzgebotsfunktion und Untermaßverbot verdeutlicht sich dann wieder der Respekt vor der Eigenständigkeit des Privatrechts und insbesondere vor der Privatautonomie.16
II. Die Abbildung auf privatrechtlicher Ebene Die zwei Stufen – Feststellung der Schutzpflicht und sich anschließende Abwägung – finden auf der Ebene des Privatrechts eine Abbildung. Die Frage nach der Schutzpflicht findet ihre privatrechtliche Entsprechung in der Frage, wann der Weg zur richterlichen Inhaltskontrolle abstrakt eröffnet ist. Die Abwägung wiederholt sich dann in der Durchführung der richterlichen Inhaltskontrolle. Praktische Bedeutung hat diese Unterscheidung vor allem schon deshalb, weil die Beantwortung der Frage nach dem „Ob“ des Schutzes durch das Zivilgericht mit Sicherheit voll in die Überprüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts fällt, während die Abwägung im Rahmen des „Wie“ des Schutzes weitgehend unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene zu erfolgen hat und allein der Zivilgerichtsbarkeit oder auch der Arbeitsgerichtsbarkeit zukommt.17 Nur wenn das Zivilgericht die gestörte Vertragsparität völlig negiert und die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle als Instrument zur Lösung gestörter Vertrags12
Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, VI.2.b), S. 75. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, VI.2.b) bb), S. 80. 14 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.b), S. 43; Ritgen, JZ 2002, 114 (116). 15 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.c), S. 43. 16 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, IV.3.c), S. 45. 17 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, V.3.c), S. 61 f.; Krämer, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 367 (373). 13
II. Die Abbildung auf privatrechtlicher Ebene
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parität nicht erkennt bzw. nicht in Erwägung zieht, mithin die Problemlösung nur mit untauglichen Mitteln versucht, kann ein der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zugänglicher Grundrechtsverstoß vorliegen.18 Vor diesem Hintergrund ist auch der Hinweis berechtigt, die richterliche Inhaltskontrolle bildet das privatrechtliche Seitenstück zur Verfassungsgerichtsbarkeit und dort insbesondere zur Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG).19 Die konkrete Aufstellung und normative Umsetzung des Schutzkonzepts ist dann zunächst originäre Aufgabe des Gesetzgebers im Rahmen des Privatrechts. Die Zivilgerichte müssen ergänzend in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung auf dem Wege der Rechtsfortbildung oder der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe die Schutzpflicht wahrnehmen. So ist denn auch das vom Richter abverlangte Verfahren der Inhaltskontrolle bereits im Grundgesetz angelegt. Sie findet ihren Ursprung in den Schranken von Art. 2 Abs. 1 GG.20 Danach kann nur der sich gegenüber der staatlichen Gewalt, mithin auch gegenüber dem Richter (Art. 1 Abs. 3 GG), auf den Hinweis: „Vertrag ist Vertrag“ berufen, der sich innerhalb des Rahmens der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt.21 Die verfassungsmäßige Ordnung bezieht sich auf die gesamte Rechtsordnung, soweit sie formell und materiell mit der Verfassung im Einklang steht.22 Die Rechtsordnung in diesem Sinne, zwar weitestgehend durch Gesetzesrecht konstituiert, erfaßt auch das ungeschriebene Recht in Form des Richterrechtes und des Gewohnheitsrechtes.23 Auch die Generalklauseln §§ 138, 242 BGB gehören danach zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG.24 So hat es das Bundesverfassungsgericht zwar nicht in den beiden Leitentscheidungen zur Inhaltskontrolle ausdrücklich dargelegt,25 jedoch dann in einer späteren Entscheidung klargestellt, wenn es ausführt: „Die aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG folgende Vertragsfreiheit ist nicht 18
Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (254). Becker, WM 1999, 709 (710). 20 Becker, DZWir 1994, 397 (401). 21 Fikentscher, Schuldrecht, 9. Aufl., 1997, § 21.VII., Rdnr. 92, S. 86: „Wo gröblich gegen solche Verfassungswerte verstoßen wird (. . .), darf das Recht dem Verfassungsbrecher auch im Zivilrecht seine Hand nicht leihen.“ 22 Kunig, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 22. 23 Kunig, in: von Münch/Kunig, 5. Aufl., 2000, Art. 2 GG, Rdnr. 23. 24 BVerfG, 15.01.1958, 1 BvR 400/51, NJW 1958, 257 = BVerfGE 7, 198 (206); BVerfG, 11.05.1976, 1 BvR 671/70; NJW 1976, 1677 = BVerfGE 42, 143 (148); BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470); BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958); BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248; siehe auch: BGH, 27.09.1999, II ZR 377/98, NJW 2000, 1028. 25 BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 „Handelsvertreter“; BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 „Bürgschaft“; Becker, DZWir 1994, 397 (401). 19
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§ 9 Der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet ihre Schranken gem. Art. 2 I GG vielmehr unter anderem in der verfassungsmäßigen Ordnung. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen. Eine gerichtliche Entscheidung, welche die Vertragsfreiheit beeinträchtigt, verletzt folglich Art. 2 I GG nur dann, wenn sie sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen kann, die ihrerseits verfassungsmäßig ist, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, oder wenn eine diesen Anforderungen genügende Regelung nicht in verfassungsmäßiger Weise, also insbesondere unter Beachtung des eingeschränkten Grundrechts, ausgelegt und angewandt worden ist.“26 Die Freiheit des Stärkeren, vom Staat nicht beim beliebigen Abschluß von Verträgen gestört zu werden, endet dann dort, wo sie zur Unfreiheit des Schwächeren wird, weil er sonst dessen Handlungsfreiheit verletzt. Das Gesetz beschreibt abstrakt diese Grenze der Privatautonomie. Durch den Richterspruch wird sie konkretisiert.27 Wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete Vertragsfreiheit nicht verkannt werden soll, müssen sich die Gerichte die Frage stellen, ob und inwieweit beide Vertragspartner über den Abschluß des Vertrages frei entscheiden konnten.28 Ist die vom Grundgesetz geschützte Vertragsfreiheit regelmäßig gefährdet, wenn die Entscheidungsfreiheit tatsächlich beeinträchtigt war,29 dann muß das Gericht immer dann eine richterliche Inhaltskontrolle als Verfahrenshandlung – ganz gleich mit welchem Ergebnis – vornehmen, wenn und soweit typische generelle Begebenheiten hierfür Anlaß geben. Wenn es sich um eine „typisierbare Fallgestaltung“30 handeln muß, dann wird durch Rechtsprechung und Lehre die Bildung von Fallgruppen anzustreben sein.31 Formalisierung und Generalisierung wider Rechtsunsicherheit gilt es zu bewirken.32
III. Die richterliche Inhaltskontrolle als ein Prüfungsverfahren Die richterliche Inhaltskontrolle eines Vertrages, verstanden als Prüfungsverfahren mit – noch – offenem Ergebnis, ist deshalb vom Richter dann zu verlangen, wenn hierzu ein konkreter Anlaß vorliegt.33 Mit anderen Worten geht es 26
BVerfG, 08.04.1997, 1 BvR 48/94, NJW 1997, 1975 (1976). Becker, DZWir 1994, 397 (401). 28 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 (231); Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (75). 29 Canaris, AcP 200 (2000), 273 (296); Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (28). 30 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38). 31 Hönn, JZ 1983, 677 (685); Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2292). 32 Hönn, JZ 1983, 677 (685). 33 Langenfeld, DNotZ 2001, 272 (279) hält unter Hinweis auf BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92; NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = BVerfGE 103, 89 „Ehevertrag 27
III. Die richterliche Inhaltskontrolle als ein Prüfungsverfahren
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um Aufgreif- bzw. Einstiegskriterien für eine Inhaltskontrolle, noch nicht um die Kontrollkriterien der Inhaltskontrolle selbst.34 Die Einstiegsschwelle für eine Einschränkung der Vertragsfreiheit mittels der Inhaltskontrolle ist festzulegen,35 die „kontrollauslösenden Faktoren“ sind zu definieren.36 Nur auffälligen Verträgen ist durch Vollzug der Inhaltskontrolle nachzugehen.37 Will man durch richterliche Inhaltskontrolle materielle Vertragsgerechtigkeit herstellen, mithin materielle Vertragsfreiheit gewähren, dann braucht man „Anknüpfungstatsachen“. Diese sollen Fallgestaltungen erkennbar werden lassen, bei denen die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte aktiviert wird38 und der verfassungsrechtliche Auftrag an den Richter zum Schutz der unterlegenen Vertragspartei gilt. Die Zivilrechtsordnung ist eben nur in „typisierbaren Fallkonstellationen“ zu Korrekturen aufgefordert.39 Es ist „(. . .) ein Indiz für eine vertragliche Disparität“ aufzusuchen, „das Anlaß gibt, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen.“40 Bei der Inhaltskontrolle geht es um die „(. . .) Anwendung und weitere Ausgestaltung eines besonderen Schutzrechtssystems für gewisse typische Ungleichgewichtslagen“.41 Um eine Gruppe von Sachverhalten aus der Gesamtheit aller grundsätzlich einheitlichen Fallgestaltungen einer rechtlichen Sonderbehandlung zuführen zu können, muß eine Norm auf tatsächliche Elemente – eben „Anknüpfungstatsachen“ – Bezug nehmen, durch die sich diese Gruppe dann von den verbleibenden Konstellationen unterscheidet.42 I“ fest, daß im dort entschiedenen Fall nach den Vorgaben des Gerichts objektiv sowohl eine Ungleichgewichtslage als auch eine einseitige vertragliche Lastenteilung vorlag. „Damit ist aber erst der Anlass gegeben, in eine Überprüfung der Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts einzutreten.“ 34 Roussos, JZ 1988, 997 (999); Damm, VersR 1999, 129 (137); ähnlich: Habersack, AcP 189 (1989), 403 (418) für das „Aufgreifkriterium“ der Vorformulierung; Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (85) unter Hinweis auf die Ungleichgewichtslage als verfassungsgerichtlichen „Anknüpfungspunkt (. . .) für die Zulässigkeit richterlicher Inhaltskontrolle“. Ähnlich auch Gerber, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 49 (58): Nur wenn feststeht, daß ein Ehegatte in Bereichen, die bei Aushandlung des Ehevertrages von Bedeutung sind, überlegen war, kann und muß dieser Umstand bei der Anwendung der Generalklauseln berücksichtigt werden. 35 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (26). 36 Becker, WM 1999, 709 (711). 37 Becker, DZWir 1994, 397 (400). 38 Ritgen, JZ 2002, 114 (119). 39 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (38); BVerfG, 05.08. 1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG, 02.05.1996, 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 40 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, FamRZ 2001, 343 (346) = BVerfGE 103, 89 (104); BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302). Auch Frank, JuS 1996, 389 (391) war auf der Suche nach Indizien für die Vertragsunterlegenheit in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. 41 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (212). 42 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 1.II.2., S. 29 ff. (31 f.), § 2.III.1.a), S. 145 f.
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§ 9 Der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
Das Gericht hat daher nicht immer, sondern nur, wenn tatsächliche Umstände hierfür einen Anlaß geben, zu prüfen, ob die Einigung zwar formal, nicht aber auch materiell privatautonom zustande kam.43 Die konkreten Umstände müssen nur nahelegen, daß eine unterschiedliche Verhandlungsstärke vorgelegen hat.44 Nach diesem Verständnis braucht der Richter nicht bei jedem Vertrag zu prüfen, ob die Vertragsfreiheit des einen Teils zu Lasten des anderen Teils unangemessen verdrängt war. Vielmehr werden zunächst durch die Partei, welche sich auf die Unwirksamkeit einer Abrede beruft, die tatsächlichen Voraussetzungen der durch Bildung von Fallgruppen konkretisierten Anlaßgründe für eine Inhaltskontrolle darzulegen sein. Fehlt für diese richterliche Prüfung ausreichender Parteivortrag, müssen entsprechende Hinweise gegeben werden, §§ 139 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; Art 103 Abs. 1 GG. Daß es auch zur Eröffnung einer richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen eines hinreichenden Anlasses bedarf, wird durch die zu § 1408 Abs. 2 BGB gewonnenen Erkenntnisse gestützt. Durch die Fristgebung in „§ 1408 II BGB will der Gesetzgeber den Grundsatz der Privatautonomie vorbehaltlos nur für während einer intakten Ehe geschlossene Vereinbarungen gewährleisten. Für Vereinbarungen, die aus Anlaß einer Trennung oder bevorstehenden Scheidung zum Versorgungsausgleich getroffen werden, schränkt die nach § 1587o BGB vorgesehene richterliche Inhaltskontrolle diese Privatautonomie ein, um im Falle einer Scheidung eine gleichwertige, eigenständige, soziale Sicherung beider Ehegatten zu garantieren und um zu verhindern, daß diese soziale Sicherheit zum unadäquaten Handelsobjekt bei den Verhandlungen im Vorfeld einer Scheidung gemacht wird.“45 Haltlos wäre, leitete man aus dieser Erkenntnis und der Tatsache, daß letztlich jeder Ehevertrag Regelungen für Trennung und Scheidung trifft, dessen stetige Kontrollbedürftigkeit ab. Wichtig ist an dieser Stelle jedoch die Erkenntnis, daß auch der Gesetzgeber aus bestimmten Anlaßgründen heraus die richterliche Inhaltskontrolle von ehevertraglichen Vereinbarungen fordert. Festzuhalten ist ferner, daß mit der Bestimmung dieses gesetzlichen Anlaßgrundes – Trennung oder bevorstehende Scheidung – auch Ableitungskriterien für andere Anlaßgründe vorgegeben werden. Fehlt es an den Voraussetzungen eines Anlaßgrundes, dann findet die Inhaltskontrolle nicht statt, mag die vertragliche Abrede auch unangemessen sein. Die Grenzen der Vertragsfreiheit bleiben dann regelmäßig mit §§ 134, 138 BGB gezogen. Auch wenn von der Rechtsordnung die individuelle Selbstbestimmung anerkannt wird, muß die Rechtssicherheit beachtet werden. Sie ist ein die Beurteilungsautonomie der Parteien ergänzender Gesichtspunkt. Die nötige Rechts43
Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger, 1996, S. 144. Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (393). 45 Wörtlich: OLG Düsseldorf, 17.09.1985, 3 UF 69/85, NJW-RR 1986, 626 (627); ferner: BGH, 17.10.1984, IV b ZB 153/82, NJW 1985, 315 (316). 44
III. Die richterliche Inhaltskontrolle als ein Prüfungsverfahren
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sicherheit verbietet einen allgemeinen Schwebezustand von Verträgen, der aus stetig möglicher Inhaltskontrolle drohen könnte. Aus diesem Grunde muß der Bereich, in dem Verträge einer Inhaltskontrolle unterliegen, möglichst hinreichend bestimmt sein.46 Für diese Bestimmung ist auf den Ausgangspunkt der richterlichen Inhaltskontrolle, die materielle Vertragsfreiheit, zurückzukommen. Die Anlaßgründe sind dann Beispiele „eines Funktionsversagens der Vertragsfreiheit“.47
46 Habersack, AcP 189 (1989), 403 (412); Hesse/Kaufmann, JZ 1995, 219 (221); Hönn, FS für Alfons Kraft, 1998, S. 251 (255). 47 Becker, WM 1999, 709 (711).
§ 10 Ein Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen In der Folge wird beispielhaft dargestellt, unter welchen Umständen ein Anlaß für die Durchführung der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen bestehen kann. Anzumerken ist, daß sich diese Beispiele oftmals auch auf andere Verträge übertragen lassen. Ebenso kann aus anderen, bereits untersuchten Beispielen, eine Ableitung für Eheverträge erfolgen. Zweifelsfrei wird es noch weitere, hier nicht dargestellte Ansätze geben, die eine Durchführung der Inhaltskontrolle abstrakt als notwendig erscheinen lassen.1
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten anläßlich der notariellen Beurkundung ihres Ehevertrages Der Ehevertrag bedarf wegen § 1410 BGB der notariellen Form. Die Beurkundung des Ehevertrages muß jedoch nach dem Gesetz nicht bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Ehegatten vor dem Notar erfolgen. Ergibt sich ein Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle, wenn nicht beide Ehegatten persönlich und zeitgleich die Beurkundung durchführten? Dieses Problemkreises haben sich die Arbeitskreise Nr. 4 und 20 des 13. Deutschen Familiengerichtstages vom 22. bis 25.09.1999 in Brühl bei Köln angenommen. In ihren Empfehlungen an den Gesetzgeber hat der Arbeitskreis 20 eine Neufassung des § 1410 BGB vorgeschlagen. Danach soll der Ehevertrag nur bei persönlicher und gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden können.2 Der Arbeitskreis 4 schlug so1 Die Zweistufigkeit zwischen abstraktem Anlaß und konkreter Inhaltskontrolle erinnert an den wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB. Dort muß der Vertragsverstoß auch zunächst abstrakt geeignet sein, einen wichtigen Grund abzubilden. Erst dann wird hinterfragt, ob auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und ferner im Rahmen der Interessenabwägung die fristlose Kündigung gerechtfertigt war (siehe nur: Dörner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2000, § 626 BGB, Rdnr. 628–630). 2 Empfehlungen des 13. Deutschen Familiengerichtstages, Teil B, Empfehlungen an den Gesetzgeber, III. Zugewinn, mitgeteilt von: Willutzki, NJW 2000, 1464 (1466). Diese Diskussion dürfte schon sehr alt sein. Schon bei: v. Baligand, Der Ehevertrag, 1906, § 4, S. 17 f. wird mitgeteilt, daß die Gegner der freien Veränderlichkeit des Güterstandes den Abschluß des Ehevertrages bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten
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gar vor, daß der Gesetzgeber vorsieht, daß auch nach Ablauf der Zeitschranke des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB ein vereinbarter Verzicht auf Versorgungsausgleich auf Antrag vom Familiengericht einer Billigkeitsprüfung unterzogen werden muß.3 Es scheint daher zu Recht problematisch zu sein, wenn die Ehegatten bei der Beurkundung nicht persönlich anwesend sind. Denn: die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen wird unter anderem auch mit dem Argument abgelehnt, die wegen § 1410 BGB erforderliche notarielle Beurkundung lasse die fehlende Schutzbedürftigkeit offenbar werden. Neben der notariellen Kontrolle sei eine richterliche Inhaltskontrolle entbehrlich.4 Auch nach dem Bundesverfassungsgericht hat die notarielle Form eine hervorgehobene Bedeutung im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Da „(. . .) der Gesetzgeber davon abgesehen hat, bei ehevertraglichen Abreden über Unterhaltslasten, anders als bei Vereinbarungen über den ehelichen Zugewinn oder den Versorgungsausgleich, durch Formerfordernisse oder Verfahrensregelungen einen gewissen Schutz vor Übervorteilung eines Vertragsteils zu bieten (. . .)“, ist bei einer nicht notariell beurkundeten Abrede eher eine richterliche Inhaltskontrolle geboten.5 Doch auch über formlose Abreden zum Unterhalt hinaus muß diese Erkenntnis gelten, wenn die Abrede zwar tatsächlich in einer notariellen Urkunde enthalten ist, der Akt der Beurkundung vor dem Notar praktisch jedoch nicht stattgefunden hat. Der Schutz durch die Formvorschrift kann insbesondere dann unerfüllt bleiben, waren die Ehegatten bei der Beurkundung nicht persönlich anwesend. Da eine richterliche Inhaltskontrolle wie bei Scheidungsfolgenvereinbarungen nach § 1587o Abs. 2 S. 2 BGB nicht stattfindet, dient dem Schutz der Ehegatten insbesondere die Formvorschrift des § 1410 BGB, welche eine Belehrung über die Rechtsfolgen durch den Notar wegen § 17 BeurkG sichert.6 Der Notar kann die gegebenenfalls vorliegende strukturelle Unterlegenheit wieder aufheben.7 Danach sollen die Notare einen nicht nur geringen Verdienst an der praktischen Sicherung der Ehevertragsfreiheit haben. Sie seien mit ihr immer sehr vorsichtig und behutsam umgegangen. Durch die von § 1410 BGB vorgegebene Form wird doch die Sicherstellung sachkundiger Beratung und Gestaltung als vor dem Gericht oder vor dem Notar verlangten, was sich jedoch hinsichtlich der persönlichen Anwesenheit nicht durchsetzte (Protokolle, Band V, 1897, S. 445). 3 Empfehlungen des 13. Deutschen Familiengerichtstages, Teil B, Empfehlungen an den Gesetzgeber, IV. Versorgungsausgleich, mitgeteilt von: Willutzki, NJW 2000, 1464 (1466). 4 Siehe u. a.: Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (586); ders., MDR 2000, 393 (394); Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (71*). 5 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102) „Ehevertrag I“. Für Schubert, FamRZ 2001, 733 (736) steht die notarielle Beurkundung nicht einer umfassenden richterlichen Inhaltskontrolle entgegen. 6 Hahne, in: Johannsen/Henrich, 4. Aufl., 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 5. 7 Gerber, DNotZ 1998, 288* (294*).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
auch der Schutz vor einseitiger Benachteiligung und Übereilung gewährt.8 In der Praxis scheide regelmäßig auch die nach dem Gesetz mögliche Vertretung der Ehegatten aus. Der Notar muß die Verlobten oder Eheleute über das gesetzliche Ehegüter- und Scheidungsfolgenrecht und die ehevertraglichen Möglichkeiten seiner Abbedingung oder Änderung belehren. Die Belehrung hat sicherzustellen, daß beide Teile die Tragweite und die Rechtsfolgen ihrer Vereinbarung überblicken. Hierzu gehört auch die Belehrung über den Sinn des Gesetzes und die Funktion der Vertragsfreiheit. Der Notar muß verhindern, daß ein Vertragsteil die Unkenntnis, die Unerfahrenheit oder den Leichtsinn des anderen ausnutzt, um sich ehevertraglich gesetzlicher Pflichten zu entziehen, welche dem gelebten oder geplanten Ehetyp angemessen wären. Wenn ein Ehegatte besonderen, für ihn einseitig nachteiligen ehevertraglichen Vereinbarungen zustimmt, dann muß er dies in freier Willensentscheidung und in Kenntnis der möglichen Folgen tun.9 Die Formstrenge des § 1410 BGB erfüllt daher zu Recht mehrere Funktionen. Neben der Beweisfunktion, die vor allem der Klarstellung dient, ob und mit welchem Inhalt der Ehevertrag geschlossen wurde, hat der Formzwang des § 1410 BGB auch eine Warn- und Belehrungsfunktion zu erfüllen.10 Durch die Warnfunktion werden die Ehegatten vor übereilten Bindungen hinsichtlich der Risiken eines Ehevertrages geschützt.11 Die Beratungsfunktion stellt mittels der notariellen Beurkundung die sachkundige Beratung und Belehrung der Ehegatten sicher, § 17 BeurkG.12 Die inhaltliche Richtigkeit sowie rechtliche Gültigkeit und Klarheit der Vereinbarung soll gewährleistet sein.13 Durch die notariellen Belehrungen ist sicherzustellen, daß den Beteiligten die Tragweite ihrer Vereinbarung und ihre grundlegende Bedeutung für einen meist langen Lebensabschnitt vor Augen geführt wird.14 Weiter entfaltet die Beurkundungspflicht zusätzlich auch eine Schutzfunktion.15 Der Ehevertrag greift regelmäßig tief in die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten ein. Er hat langfristige Auswirkungen bis zur und insbesondere bei Auflösung der Ehe und noch dar8 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1 II., Rdnr. 5; § 1 V., Rdnr. 16. 9 Langenfeld, Der Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, 1.C.I., S. 8. 10 Kiethe, MDR 1994, 639 (641); Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 2; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 2. Zum Zweck der Form des § 1410 BGB ausführlich auch: Schippel, Jura 1999, 57 (62). 11 Kiethe, MDR 1994, 639 (641); Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 2. 12 Kiethe, MDR 1994, 639 (641). Dem Formzwang eine „Nötigung“ zu sachkundiger Beratung zu entnehmen (so: Gaul, in: Soergel, 12. Aufl. 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 2), dürfte dem Zweck der Formvorschrift nicht gerecht werden. 13 Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 2. 14 OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95; NJWE-FER 1997, 221. 15 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 1.
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten
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über hinaus. Der Schutz der Ehegatten vor Konsequenzen der beabsichtigten Regelung, die sie nicht erkennen, und der Schutz jedes Ehegatten vor Übervorteilung durch den anderen Teil ist mithin zwingend geboten.16 Insbesondere in seiner Schutzfunktion entfaltet § 1410 BGB seine Hauptbedeutung. Die übrigen Funktionen treten in ihrer Bedeutung hinter die Schutzfunktion zurück.17 Zwar ist diese Argumentation richtig. Sie ist jedoch angreifbar. Die geltende gesetzliche Regelung in § 1410 BGB kann diese Funktion nicht ausreichend erfüllen. Die Form des § 1410 BGB sichert weder, daß vor dem Notar auch nur einer der vertragschließenden Ehegatten persönlich erscheint, noch, daß beide Ehegatten wenigstens durch jeweilige Vertreter die notarielle Belehrung erfahren. Es besteht stets die Gefahr, daß der über § 1410 BGB und § 17 BeurkG gewollte Schutz bewußt oder unbewußt unterlaufen wird.18 1. Die gleichzeitige, aber nicht persönliche Anwesenheit Nach § 1410 BGB muß der Ehevertrag nur bei gleichzeitiger, nicht jedoch auch bei persönlicher Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden.19 Das Gleichberechtigungsgesetz20 ließ nach Art. 1 Nr. 9 die zuvor in § 1434 a. F. BGB enthaltene Regelung inhaltlich unverändert. Seine jetzige Fassung hat die Norm durch §§ 56 Abs. 3, 71 des Beurkundungsgesetzes21 erhalten.22 Danach werden Eheverträge durch Beurkundung nur noch zur Niederschrift eines Notars geschlossen. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte für die Beurkundung von Rechtsgeschäften, die zuvor in §§ 167 ff. FGG geregelt war, ist entfallen. Zwar kann nach § 127a BGB die notarielle Beurkundung eines Ehevertrages auch durch einen gerichtlichen Vergleich ersetzt werden. Dann müssen die Erklärungen der Beteiligten in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll aufgenommen werden. Auch hier ist die gleichzeitige, nicht notwendig persönliche Anwesenheit beider Teile erforderlich.23 In dieser 16
Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 1. Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 2. 18 Hahne, in: Johannsen/Henrich, 4. Aufl., 2003, § 1587o, Rdnr. 5; Schippel, Jura 1999, 57 (62). 19 Diese Form gilt auch für einen Vorvertrag und die Verpflichtung zum Abschluß eines Ehevertrages gegenüber einem Dritten – Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 3. Ein formgerecht abgeschlossener Vorvertrag entbindet nicht von der Einhaltung der Form bei Abschluß des Ehevertrages – Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 4. 20 GleichberG v. 18.6.1957 (BGBl. I S. 609); ausführlich: Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, 1958. 21 BeurkG v. 28.8.1969 (BGBl. I S. 1513). 22 Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 1; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 1; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 1. 17
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Form kann ebenfalls ein Ehevertrag formwirksam abgeschlossen werden.24 Das 1. Eherechtsreformgesetz25 hat den Anwendungsbereich von § 1410 BGB auf Verträge über den Versorgungsausgleich mit der Einführung von § 1408 Abs. 2 BGB ausgedehnt.26 Für die Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich, die von den Ehegatten während eines auf Auflösung der Ehe gerichteten Verfahrens getroffen werden, verlangt § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB lediglich die notarielle Beurkundung oder die gerichtliche Protokollierung in einem Verfahren in Ehesachen vor dem Prozeßgericht, § 127a BGB. Gleiches gilt wegen § 1587o Abs. 2 S. 1, 2 BGB für Vereinbarungen der Ehegatten über den Versorgungsausgleich, sofern diese im Zusammenhang mit der Scheidung getroffen werden. Zusätzlich ist hier wegen § 1587o Abs. 2 S. 3 BGB die Genehmigung des Familiengerichts nötig. Die gleichzeitige Anwesenheit beider Teile ist nicht verlangt. Ob dieser Unterschied praktisch kaum ins Gewicht fällt,27 kann bezweifelt werden. Nach einhelliger Ansicht soll das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile die Anwendbarkeit von §§ 128, 152 S. 1 BGB ausschließen.28 Das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile findet sich auch in § 925 Abs. 1 S. 1 BGB für die Auflassung und weiter in § 2276 Abs. 1 S. 1 BGB für den Erbvertrag.29 Nach § 2290 Abs. 4 BGB gilt das Gleiche für die 23 BayObLG, 19.08.1983, Allg. Reg. 29/83, FamRZ 1983, 1248 (1250); Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 4. Durch die Protokollierung des gerichtlichen Vergleiches wird nur die Form der notariellen Beurkundung, nicht aber die Forderung nach der gleichzeitigen Anwesenheit der Parteien ersetzt – Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 12. 24 BGH, 01.07.1982, IX ZR 32/81, BGHZ 84, 333 (335); BayObLG, 19.08.1983, Allg. Reg. 29/83, FamRZ 1983, 1248 (1249); Lange, JZ 1970, 652 (654); Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 2; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 4; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 7. 25 EheRG v. 14.06.1976 (BGBl. I S. 1421); ausführlich: BMJ (Hrsg.), Das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976, 1976. 26 Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 1, 6. 27 BGH, 16.12.1982, IX ZR 90/81, FamRZ 1983, 157 (159); Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 4. 28 BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858); OLG Frankfurt/ Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95; NJWE-FER 1997, 221; LG Braunschweig, 28.10. 1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50; Kiethe, MDR 1994, 639; Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 6; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 7; Pfeifer, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 925 BGB, Rdnr. 83 für die Abgabe der Auflassungserklärungen in gleichzeitiger beiderseitiger Anwesenheit nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB. 29 Nach Kanzleiter, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 2276, Rdnr. 3 entspricht das Erfordernis des Abschlusses des Erbvertrages zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile der Regelung für den Ehevertrag in § 1410 BGB.
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten
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Aufhebung eines Erbvertrages. Die sukzessive Beurkundung von Angebot und Annahme (sog. Stufenbeurkundung) kann daher nicht erfolgen.30 Insbesondere kann ein bindendes Angebot nicht abgegeben werden.31 Die Formvorschrift drängt auf Klarstellung der am Vertragsschluß beteiligten Personen. Es soll keine Ungewißheit über die Beteiligten bestehen. Das Anwesenheitserfordernis soll sicherstellen, daß keine Zweifel über die Person der Beteiligten möglich ist. Aus diesem Grunde ist es einem vollmachtlosen Vertreter versagt, die Auflassung nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB für noch nicht bestimmte Personen entgegen zu nehmen.32 Die Annahme durch „den, den es angeht“, ist daher ausgeschlossen. Der Vertreter kann daher auch nicht im Namen eines erst noch zu benennenden zukünftigen Ehegatten handeln.33 Ein Vertretener kann nur dann als anwesend gelten, wenn er existiert und wenn der Vertreter den Namen des Vertretenen kennt und damit zu erkennen gibt, wen die Wirkungen seiner Erklärungen treffen sollen. Hierdurch soll ein besonders strenges gesetzliches Formerfordernis begründet worden sein.34 Die Regelung verlangt aber nicht, wie beispielsweise § 1311 S. 1 BGB für die Eheschließung, daß die Ehegatten bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit den Ehevertrag schließen.35 Gleichzeitige Anwesenheit bedeutet nicht persönliche Anwesenheit.36 Der Ehevertrag ist 30 LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 6. 31 Kanzleiter, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 2276 BGB, Rdnr. 3 für die gleichlautende Form des Erbvertrages nach § 2276 Abs. 1 S. 1 BGB. 32 LG Aurich, 02.01.1987, 3 T 298/86, NJW-RR 1987, 850 = Rpfleger 1987, 194. 33 AG Hamburg, 13.08.1970, H. M. 1335, NJW 1971, 102; LG Aurich, 02.01.1987, 3 T 298/86, NJW-RR 1987, 850 = Rpfleger 1987, 194. Siehe auch: BayObLG, 18.11.1983, 2 Z 89/83, BayObLGZ 1983, 255 (280) = Rpfleger 1984, 11 (12): „Für eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bestimmte Person kann ein (vollmachtloser) Vertreter die Auflassung eines Grundstücks nicht rechtswirksam entgegennehmen.“ Ebenso: Kanzleiter, in: Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 925 BGB, Rdnr. 16; Pfeifer, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 925 BGB, Rdnr. 83. Alle für die Abgabe der Auflassungserklärungen in gleichzeitiger beiderseitiger Anwesenheit nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Vertretene muß zumindest „bestimmbar“ sein: Bassenge, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 925 BGB, Rdnr. 5. Diese Grundsätze werden auf § 1410 BGB zu übertragen sein. 34 Kiethe, MDR 1994, 639. Wie im folgenden nachgewiesen, kann der mit dieser Formstrenge verfolgte Zweck jedoch völlig ins Leere gehen. 35 Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Schippel, Jura 1999, 57 (62). 36 OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95; NJWE-FER 1997, 221; LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1.V., Rdnr. 17; Reinhartz, NJW 1977, 81 (83); Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 7; Skuludis, Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 162; Ferner: Pfeifer, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 925 BGB, Rdnr. 69, 83 für die Abgabe der Auflassungserklärungen in gleichzeitiger beiderseitiger Anwesenheit nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB.
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kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. Zu beurkunden ist lediglich der Austausch der beiderseitigen Erklärungen.37 Trotz dieser eindeutigen Regelung werden dem beurkundenden Notar abweichende Vorschläge erteilt. So soll der beurkundende Notar in der Praxis angesichts der Bedeutung des Geschäfts regelmäßig auf der persönlichen Anwesenheit der beteiligten Verlobten oder Eheleute bestehen.38 Vor allem wegen der weitreichenden Folgen von Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich wird dem handelnden Notar vorgeschlagen, zumindest auf der persönlichen Anwesenheit des durch den Ausschluß oder die Modifikation benachteiligten Ehegatten zu bestehen.39 Er soll weiter von der – an sich zulässigen – Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder dem Selbstkontrahieren unter Befreiung von § 181 BGB abraten.40 Wenn der Notar in der empfohlenen Weise verfährt, wird die „gesetzgeberische Nachlässigkeit in den Formanforderungen“ abgemildert.41 Auch soll es ein Anliegen der Rechtsberatung sein, auf die Einhaltung der für das Vertretergeschäft nötigen Form für die Erteilung einer Vollmacht hinzuwirken, solange der Gesetzgeber nicht die erforderliche Korrektur von § 167 Abs. 2 BGB vornimmt.42 Die Formfreiheit von Vollmacht (§ 167 Abs. 2 BGB) und Genehmigung (§ 182 Abs. 2 BGB), noch mehr aber die Möglichkeit, von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien, werden als mit dem Schutzzweck der Form des § 1410 BGB als unvereinbar angesehen.43 Deshalb wird der Gesetzgeber aufgerufen, de lege ferenda die Beurkundungsform auch für Vollmacht und Genehmigung vorzuschreiben. Sachgerechter soll es jedoch sein, wenn der persönliche Abschluß des Ehevertrages entsprechend § 1311 S. 1 BGB für die Eheschließung und § 2274 BGB für den Erbvertrag geregelt würde.44 Maßgeblicher Zweck der Formvorschrift zum Abschluß von Eheverträgen sollte sein, daß die Ehegatten die weitreichende Bedeutung dieses Vertrages persönlich erkennen können und nicht in Eile oder Unwissenheit eine Vereinbarung treffen.45 37 Kanzleiter, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 2276 BGB, Rdnr. 3 für die gleichlautende Form des Erbvertrages nach § 2276 Abs. 1 S. 1 BGB. 38 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, §1 V., Rdnr. 17; ders., NJW 1978, 1503 (1504). 39 Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 6. 40 Ruland, DRV 1979, 84 (100); Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 6. 41 Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 6. 42 Reinhartz, NJW 1977, 81 (84). So „erfindet“ denn notfalls auch Brambring, DNotZ 1998, 301* einen Paragraphen im BGB, nach dem die Eheleute in gleichzeitiger (persönlicher) Anwesenheit den Ehevertrag zu schließen haben. 43 So schon: Kanzleiter, in: MünchKomm, 3. Aufl., 1993, § 1410 BGB, Rdnr. 4. 44 OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95; NJWE-FER 1997, 221; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 4. 45 Skuludis, Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 160 f.
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten
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Die Schwäche der oben genannten Argumentation wird zweifelsfrei erkannt. Ob dem lediglich durch einen Appell an die Notare begegnet werden kann, erscheint eher fraglich. Die Notwendigkeit der Untersuchung dieses Problems steht jedenfalls fest. Die erhebliche Brisanz ergibt sich aus der folgenden Darstellung allgemeiner Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre, insbesondere des Rechts der Stellvertretung. Ein nicht unter gleichzeitiger und persönlicher Anwesenheit der Ehegatten geschlossener Ehevertrag beinhaltet – abstrakt betrachtet – die höhere Gefährdung der Ehevertragsfreiheit. 2. Der Ehevertrag als Vertretergeschäft Die Ehegatten können sich nach den allgemeinen Regelungen der §§ 164 ff. BGB rechtsgeschäftlich vertreten lassen.46 So können sie jeweils einen Dritten zum Vertragsabschluß nach § 167 Abs. 1 BGB bevollmächtigen. Nach § 167 Abs. 2 BGB bedarf diese Vollmacht grundsätzlich nicht der notariellen Beurkundung.47 Ob die Form des § 1410 BGB in Abweichung zu § 167 Abs. 2 BGB für die Vollmacht erforderlich ist, sollte die Vollmacht unwiderruflich erteilt worden sein, ist noch nicht abschließend geklärt.48 Die Frage wird jedoch positiv zu beantworten sein. Die formlos erteilte unwiderrufliche Voll46 BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858); OLG Frankfurt/ Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221; LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50; v. Baligand, Der Ehevertrag, 1906, §4, S. 18; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1 V., Rdnr. 17; Reinhartz, NJW 1977, 81 (83); Schippel, Jura 1999, 57 (62); Dörr/Hansen, NJW 2000, 3174 (3176); Grziwotz, FamRB 2002, 26; Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 5, 7; Skuludis, Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 162. Ferner Pfeifer, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 925 BGB, Rdnr. 69, 83 für die Abgabe der Auflassungserklärungen in gleichzeitiger beiderseitiger Anwesenheit nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB. 47 BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858); OLG Frankfurt/ Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221; LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1 V., Rdnr. 17; Reinhartz, NJW 1977, 81 (83); Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 4; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 5; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 167 BGB, Rdnr. 29. 48 BGH, 11.02.1952, V ZR 80/52, NJW 1952, 1210; BGH, 23.02.1979, V ZR 171/ 77, NJW 1979, 2306; OLG München, 10.03.1988, 24 U 474/87, NJW-RR 1989, 663 (665); Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 167 BGB, Rdnr. 19; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 167 BGB, Rdnr. 2; ders., in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 311b BGB, Rdnr. 20 – alle für die Form des § 313 BGB a. F., jetzt: § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Ebenso für die Form des § 1410 BGB: OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221; Gernhuber, Familienrecht, 3. Aufl., 1980, § 32 II.1., S. 438; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 3; wohl auch: Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 167 BGB, Rdnr. 29. BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96,
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macht ist nicht nur widerruflich, sondern insgesamt nichtig. Entgegen dem Schutzzweck von § 1410 BGB würde sonst eine faktische Bindung des Vollmachtgebers erzeugt werden. Regelmäßig hat dieser von der Widerruflichkeit der Vollmacht doch keine Kenntnis.49 Auch soll das Kausalgeschäft der Form des § 1410 BGB unterliegen können. Gemeint ist das Kausalgeschäft, in dessen Ausführung der Ehevertrag zu schließen ist.50 Hier wird es sich zumeist um ein Auftragsverhältnis, §§ 662 ff. BGB, handeln. Das der Vollmacht zugrunde liegende Kausalverhältnis kann formbedürftig sein, wenn das auftragsgemäß auszuführende Vertretergeschäft einem Formerfordernis mit Warnfunktion unterliegt.51 Dann bedarf es für die Vollmacht nicht mehr der Form des Vertretergeschäfts. Durch die Beachtung der Form des Vertretergeschäfts bei der Begründung des für die Bevollmächtigung relevanten Kausalverhältnisses kann der Vertretene hinreichend gewarnt werden. Der Formzweck gerade gegenüber dem vertretenen Vertragspartner wäre gewahrt.52 Entbehrt das Kausalgeschäft jedoch der Form des § 1410 BGB, so kann die Formunwirksamkeit durch eine formwirksame Bevollmächtigung geheilt werden. Auch dann wird der Vertretene noch zureichend gewarnt.53 Hierauf wird für den Ehevertrag knapp erwidert, daß das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis (§ 168 BGB) zwar in einem Auftrag besteht, der jedoch gemäß § 671 Abs. 1 BGB jederzeit widerruflich ist und deshalb ebenfalls nicht der Form des § 1410 BGB unterliegt.54 Für die dargestellte Ansicht ist daher nichts gewonnen. Ganz allgemein nützt die Übertragung der Formvorschriften des Vertretergeschäfts auf die Bevollmächtigung eher wenig. 3. Der Ehevertrag als Insichgeschäft, § 181 BGB Schon frühzeitig ist darüber hinaus darauf erkannt worden, daß neben der Bevollmächtigung Dritter auch die Bevollmächtigung des anderen Ehegatten unter Gestattung des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB möglich ist.55 Die BGHZ 138, 239 (247) dürfte diese Frage für die Form des § 1410 BGB wohl ausdrücklich noch offen gelassen haben. 49 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 3, Fußn. 2. 50 Einsele, NJW 1998, 1206 (1207). 51 BGH, 17.10.1980, V ZR 143/79, NJW 1981, 1267 (1268); BGH, 05.11.1982, V ZR 228/80, BGHZ 85, 245 (250 f.); BGH, 25.02.1987, IVa ZR 263/85, NJW 1987, 2071; BGH, 14.04.1987, IX ZR 237/86, ZIP 1987, 831 (834); BGH, 18.07.1990, II ZR 132/89, WM 1989, 1543 (1544); BGH, 18.11.1993, IX ZR 256/92, WM 1994, 752 (754); BGH, 07.10.1994, V ZR 102/93, NJW 1994, 3346 – Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB n. F. für Erwerbsverpflichtungsverträge. 52 Einsele, NJW 1998, 1206 (1207). 53 Einsele, NJW 1998, 1206 (1207); dies., DNotZ 1996, 835 (849 ff.). 54 BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1859) unter Hinweis auf: Seiler, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 662 BGB, Rdnr. 6 ff.
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Regelungen des § 181 BGB finden auch bei familienrechtlichen Verträgen Anwendung.56 Bedenken gegen diese Möglichkeit werden zwar erhoben, die gesetzliche Regelung soll jedoch nicht in Frage zu stellen sein.57 Die Gefahren, die hieraus entstehen, sind noch mit Abstand größer, als die Gefahren, welche durch die gesetzlich ausgeschlossene Stufenbeurkundung gebannt werden können. Insbesondere auch deshalb, weil die Bevollmächtigung und die Gestattung nach § 181 BGB – jedenfalls nach überwiegender Ansicht – wegen § 167 Abs. 2 BGB formlos möglich sind.58 Für die Gestattung nach § 181 BGB soll die ausdrückliche Erteilung einer Vollmacht zum Abschluß des Ehevertrages entbehrlich sein. Als ausreichend gilt eine allgemeine Ermächtigung des anderen Ehegatten, beispielsweise durch eine Generalvollmacht.59 Ob es neben der Bevollmächtigung noch der ausdrücklichen Gestattung im Sinne von § 181 BGB bedarf, muß bezweifelt werden.60 Diese Erkenntnis ist wichtig, weil dem anderen Ehegatten unter Umständen dann noch weniger bewußt wird, welchem Risiko er sich mit der Bevollmächtigung aussetzt. Wenn ein Ehegatte dem anderen Vollmacht zum Abschluß eines Ehevertrages erteilt, dann kann diese Vollmacht nur zur Umsetzung gelangen, wenn der bevollmächtigte Ehegatte mit sich selbst kontrahiert. Gegenüber einem anderen kann er keine auf Abschluß eines Ehevertrages gerichtete Willenserklärung abgeben, welche Wirkung für den vertretenen Ehegatten haben könnte. Vollmacht an den anderen Ehegatten zum Abschluß eines Ehevertrages muß zwangsläufig die Ge55 RG, 26.04.1912, Reg. II. 515/11, RGZ 79, 282 (283); BayObLG, 13.07.1925, Reg.Nr. III Nr. 23/25, JW 1925, 2139; v. Baligand, Der Ehevertrag, 1906, § 4, S. 18; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1 V., Rdnr. 17; Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Kanzleiter, in: Münchener Kommentar, 3. Aufl., 1993, § 1410 BGB, Rdnr. 4. Nach Gaul, a. a. O., soll der Notar jedoch vom Selbstkontrahieren unter Befreiung von § 181 BGB abraten. Dagegen findet sich in den Erläuterungen von Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, 1958, S. 206 zunächst lediglich die allgemeine Feststellung, daß die Ehegatten den Ehevertrag nicht persönlich abzuschließen brauchen. Sodann: „Wird der Ehevertrag durch den gesetzlichen oder einen bevollmächtigten Vertreter abgeschlossen, so muß der Vertreter mit dem anderen Ehegatten oder dessen Vertreter gleichzeitig vor Gericht oder dem Notar erscheinen.“ 56 Schilken, in: Staudinger, 13. Bearb., § 181 BGB, Rdnr. 11. 57 Beitzke, Familienrecht, 24. Aufl., §13 IV.1.; ders., FS für Werner Flume, 1978, S. 317 (318); Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 4. 58 Skuludis, Vertragsfreiheit im Ehegüterrecht, 1976, S. 162. Allgemein auch: Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 46. 59 BayObLG, 13.07.1925, Reg.Nr. III Nr. 23/25, JW 1925, 2139; Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3. Nach: BGH, 10.11.1976, IV ZR 236/74, mitgeteilt bei: Johannsen, WM 1978, 654 (666), kann bei Erteilung von Generalvollmacht der Abschluß eines Ehevertrages unwirksam sein, wenn und soweit der bevollmächtigte Ehegatte im Verhältnis zum vertretenen Ehegatten nicht berechtigt war, in dieser Weise von der Generalvollmacht Gebrauch zu machen. 60 Ohnehin wird die Gestattung häufig in der Vollmacht erteilt: Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 46.
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stattung nach § 181 BGB enthalten. Man wird daher regelmäßig in der Bevollmächtigung jedenfalls eine konkludent auch erteilte Gestattung zu sehen haben.61 Eine solche schlüssige Gestattung soll insbesondere immer dann anzunehmen sein, wenn nach den Umständen des Falles und unter Berücksichtigung des der Vertretungsmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses das Vertretergeschäft nur durch ein Insichgeschäft abgeschlossen werden kann.62 Vor diesem Hintergrund soll die Bevollmächtigung eines Ehegatten, den anderen Ehegatten in allen Angelegenheiten zu vertreten, in der Regel auch die Befreiung von § 181 BGB enthalten.63 Man mag hier nicht einwenden, daß der bevollmächtigte Ehegatte doch ohnehin einem Dritten für den vertretenen Ehegatten eine Untervollmacht erteilen könnte.64 Auch wäre denkbar, daß der bevollmächtigte Ehegatte einen Dritten bevollmächtigt, um sich selbst vertreten zu lassen. An der wirksamen Erteilung dieser Vollmachten wäre der bevollmächtigte Ehegatte wegen § 181 BGB gehindert, fehlte es an der Gestattung durch den Vertretenen. Die Vornahme des Vertretergeschäfts mit einem Unterbevollmächtigten oder Eigenbevollmächtigten ist zwar bei wörtlicher Auslegung von § 181 BGB noch kein Insichgeschäft. Im Wege teleologischer Auslegung der Vorschrift wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß § 181 BGB diese Vertretungsmacht einschränkt. Niemand kann mehr Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst besitzt. Der am Selbstkontrahieren gehinderte Vertreter darf deshalb nicht über den Umweg der Bestellung eines Unterbevollmächtigten seine eigene Vertretungsmacht erweitern. Entsprechendes gilt für die Einschaltung eines eigenen Untervertreters. Der Vertreter – dem die Gestattung nach § 181 BGB fehlt – ist dann als Vollmachtgeber weiterhin am Vertragsabschluß auf beiden Seiten beteiligt. Er hat dann auch die Möglichkeit, auf die Sachentscheidung des von ihm bestellten Untervertreters einzuwirken. § 181 BGB findet daher auch auf diese Fälle entsprechende Anwendung.65 Auch diese Vollmachten können daher nur wirksam sein, 61 Da die Übertragung von Aufgaben, deren Erfüllung einer bestimmten Vollmacht bedarf, regelmäßig eine entsprechende stillschweigende Bevollmächtigung enthält (siehe nur: Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 167 BGB, Rdnr. 1; ders., § 173 BGB, Rdnr. 21; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 167 BGB, Rdnr. 39; BGH, 28.11.2001, VIII ZR 38/01, NJW 2002, 1041 – Die Natur der übertragenen Aufgabe begründet eine entsprechende Bevollmächtigung), wird man wohl dem formlosen Auftrag an den anderen Ehegatten, einen Ehevertrag zu „machen“, nicht nur eine Vollmacht, sondern auch eine Befreiung von § 181 BGB zu entnehmen haben. 62 Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 49. 63 Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 49. 64 Dazu ausführlich: Jäger, Teleologische Reduktion des § 181 BGB, 1999, § 4 I.2.b., S. 38 f. 65 Vergleiche: BGH, 19.04.1971, II ZR 98/68, BGHZ 56, 97; BGH, 06.03.1975, II ZR 80/73, BGHZ 64, 72 (74) = NJW 1975, 1117; BGH, 13.06.1984, VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334 = NJW 1984, 2085; BGH, 24.09.1990, II ZR 167/89, NJW 1991, 691 (692); OLG Hamm, 02.10.1980, 15 W 117/80, NJW 1982, 1105; BayObLG, 26.02.
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wenn der vertretene Ehegatte mit seiner Vollmachterteilung auch die Gestattung nach § 181 BGB gewährt. Jede Bevollmächtigung – ja wohl schon jede Beauftragung des anderen Ehegatten zum Abschluß eines Ehevertrages – enthält jedenfalls konkludent auch die Gestattung nach § 181 BGB.66 4. Die Form des § 1410 BGB für die Vollmacht? Hier muß dann erneut die Frage der Ausnahme zu § 167 Abs. 2 BGB gestellt werden. Ausnahmsweise könnte jetzt für die Bevollmächtigung die Form des § 1410 BGB erforderlich sein, weil auch eine Gestattung im Sinne von § 181 BGB erteilt ist. Der Schutzzweck des § 1410 BGB, insbesondere seine Warnfunktion, soll die teleologische Reduktion von § 167 Abs. 2 BGB bewirken können. Wann der Schutzzweck des § 1410 BGB eine solche Einschränkung von § 167 Abs. 2 BGB bewirken muß, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das zu geschehen hat, ist jedoch nicht geklärt.67 Wenn dem bevollmächtigten Ehegatten, ob ausdrücklich oder konkludent, das Insichgeschäft nach § 181 BGB gestattet worden war, soll nach einer Ansicht die Vollmacht immer der Form des § 1410 BGB genügen müssen.68 Das wird für alle Formerfordernisse vertreten, die auch Warnfunktion haben. Diese zunächst generelle Forderung wird jedoch überwiegend eingeschränkt. Die Form des Rechtsgeschäfts soll nur nötig sein, wenn mit der Erlaubnis zum Selbstkon1993, 2 Z BR 6/93, DB 1993, 928 = BB 1993, 746; KG, 26.12.1997, 1 W 5694/97, NJW-RR 1999, 168; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 24; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 181 BGB, Rdnr. 12; Larenz, Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., 1989, § 30 II.a), S. 598; Medicus, Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., 1997, § 57 IV.1.c)cc), Rdnr. 962; a. M.: RG, 17.02. 1922, RGZ 103, 417 (418). 66 Soweit mittels teleologischer Reduktion der Anwendungsbereich des § 181 BGB lediglich rechtlich vorteilhafte Geschäfte nicht erfassen soll, so kann diese Ausnahme nur für die gesetzliche Vertretung nicht voll geschäftsfähiger Personen gelten. Voll geschäftsfähige natürliche Personen haben eine originäre Befugnis zur privatautonomen Regelung ihrer Vermögensinteressen (Jäger, Teleologische Reduktion von § 181 BGB, 1999, § 14 II.2.a., S. 210). 67 So ausdrücklich: OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221. Ebenso: Schippel, Jura 1999, 57 (62). Wenn auch BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, BGHZ 138, 239 (243) grundsätzlich wegen §§ 167 Abs. 2, 182 Abs. 2 BGB sowohl die Vollmacht, als auch die nachträgliche Genehmigung bei Eheverträgen formlos gestattet, so läßt er doch ausdrücklich offen (a. a. O., BGHZ 138, 239 [247]), „(. . .) ob andere Fallgestaltungen, die nach den zu § 313 BGB entwickelten Grundsätzen eine Formbedürftigkeit der Vollmacht bedingen, auch für Eheverträge von Bedeutung sind.“ 68 Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, § 52.2.b., S. 864 f. zur Form des § 313 BGB. Für § 1410 BGB stimmen Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3 und Schippel, Jura 1999, 57 (62) dieser Ansicht zu.
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trahieren bereits eine abschließende rechtliche Bindung des Vollmachtgebers gewollt ist.69 Mit dieser Voraussetzung wird eine gewisse Nähe zur unwiderruflichen Bevollmächtigung hergestellt. Grundsätzlich bedarf daher auch die Gestattung nach § 181 BGB keiner Form.70 Die Gestattung kann daher – von Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich vor oder nach der Bevollmächtigung formlos erklärt werden.71 Diese, überwiegend zu § 313 BGB a. F., § 311b Abs. 1 BGB n. F. entwickelten Grundsätze, werden auf § 1410 BGB übertragbar sein.72 Die Form des Vertretergeschäfts ist nur dann einzuhalten, wenn die Vollmacht zwar rechtlich noch widerrufen werden kann, die Bevollmächtigung jedoch tatsächlich eine Bindungswirkung gleich einer unwiderruflichen Vollmacht bewirkt. Maßgeblich ist die Vorstellung des Vollmachtgebers. Er muß sich subjektiv in einer Situation befinden, die ihn nach eigener Überzeugung tatsächlich an die Vollmacht bindet. Die vom Vollmachtgeber angenommene Bindung an die Vollmacht muß aus dessen Sicht der Bindung aus dem Abschluß des formbedürftigen Hauptvertrages faktisch gleichstehen. Die Vollmacht verdeckt dann den mit der Bevollmächtigung bereits gewollten formbedürftigen Vertrag.73 Eine praktisch dem Abschluß des Vertretergeschäftes gleichkommende Bindung 69 BGH, 11.07.1952, V ZR 80/52, NJW 1952, 1210; BGH, 23.02.1979, V ZR 171/ 77, NJW 1979, 2306 – jeweils zu § 313 BGB; OLG Schleswig, 25.05.2000, 2 U 19/ 00, NJW-RR 2001, 733; Medicus, BGB AT, 7. Aufl., 1997, § 57 II.1.c), Rdnr. 929; Larenz, BGB AT, 7. Aufl., 1989, § 31 II., S. 621; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 4. Nach Schilken, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 181 BGB, Rdnr. 49 soll die Gestattung nach § 181 BGB immer formlos möglich sein. Ob hier eine der Bevollmächtigung nachfolgende, getrennt gewährte Gestattung angesprochen sein soll, bleibt unklar. 70 Anders jedoch für die Form des § 766 S. 1 BGB ausdrücklich: BGH, 29.02.1996, IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 (122 ff.): „Bei formbedürftigen Bürgschaften ist es daher generell gerechtfertigt, die Vollmacht zur Abgabe der entsprechenden Willenserklärung (. . .) der Schriftform zu unterwerfen. (. . .) Dies gilt erst recht, soweit der Bürge einen anderen – insbesondere den Gläubiger unter Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB – zur Vervollständigung der Urkunde ermächtigt.“ Nach: BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858) ist trotz dieser Rechtsprechung nicht die Form des § 1410 BGB für eine Vollmacht zum Abschluß von Eheverträgen zu verlangen: „Die Übertragung der zur Blankobürgschaft entwikkelten Grundsätze auf den Fall des § 1410 erscheint wegen der anders gearteten Interessenlage als nicht gerechtfertigt. Es geht nicht darum, mit der Erstreckung der Schriftform des § 766 BGB auf die Vollmachterteilung dem Bürgen Art und Umfang seiner Haftung vor Augen zu führen und die Entschließung darüber nicht einem Dritten zu überlassen, sondern um eine sachgerechte Aufklärung der Vertragsteile über die Konsequenzen einer von ihnen beabsichtigten Regelung. Wie ausgeführt, läßt sich der Schutzzweck des § 1410 BGB nicht entscheidend durch einen Formzwang für die Vollmacht fördern. Soweit der Gesetzgeber diesem Zweck keinen Vorrang gegenüber dem Interesse an der Erleichterung des Rechtsverkehrs gegeben hat, ist das hinzunehmen.“ 71 Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 46. 72 Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 6 73 BGH, 23.02.1979, V ZR 171/77, NJW 1979, 2306 (2307 mit krit. Anm. Kanzleiter, DNotZ 1979, 687 (688).
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durch die Bevollmächtigung soll feststellbar sein, wenn der Vollmachtgeber durch den rechtlich zwar möglichen Widerruf der Vollmacht Nachteile zu erwarten hat.74 Diese Voraussetzung wird allein durch die Freistellung von den Beschränkungen des § 181 BGB noch nicht erfüllt. Dadurch wird zunächst lediglich die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten erweitert. Eine stärkere Bindung des Vollmachtgebers an die Vollmacht resultiert daraus jedoch noch nicht. Auch bei der Bevollmächtigung unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB kommt es somit auf die Umstände des Einzelfalles an. Vorrangig ist das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu beachten.75 Im Ergebnis ergibt sich für die Bevollmächtigung des anderen Ehegatten zum Abschluß eines Ehevertrages allein aus der Gestattung des Insichgeschäfts nicht der Formzwang des § 1410 BGB.76 § 167 Abs. 2 BGB findet uneingeschränkt Anwendung. Im übrigen wird zutreffend bezweifelt, daß die Ausdehnung des Formzwanges auf die Bevollmächtigung den Schutzzweck von § 1410 BGB zu realisieren vermag.77 Bei der Beurkundung einer Bevollmächtigung bezieht sich die Belehrungspflicht des Notars grundsätzlich nur auf die Vollmacht und deren rechtliche Folgen. Sie umfaßt nicht notwendig die Belehrung über den Inhalt, die Tragweite und die Folgen des Vertretergeschäfts.78 Insoweit besteht ein Wertungsgleichklang mit § 182 Abs. 2 BGB, wonach auch der unbelehrte Vertragsbeteiligte formfrei einen schwebend unwirksamen Vertrag genehmigen kann.79 74
OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221. BGH, 23.02.1979, V ZR 171/77, NJW 1979, 2306 (2307); Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 46. 76 So denn auch: LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50. 77 BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858); OLG Frankfurt/ Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221; LG Braunschweig, 28.10. 1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50. 78 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (225 f.): „Die Belehrungspflicht geht (. . .) nach dem Sinn und Zweck von § 17 BeurkG nur so weit, als eine Belehrung für das Zustandekommen einer formgültigen Urkunde erforderlich ist, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der für das beabsichtigte Rechtsgeschäft richtigen Form wirksam enthält. Bei der Beurkundung einer Genehmigungserklärung bezöge sich die Belehrungspflicht grundsätzlich nur auf die Genehmigung und deren rechtlichen Folgen, d.h. auf das Wirksamwerden des Geschäfts, nicht aber notwendigerweise auf Inhalt und Ausgestaltung des Vertretergeschäfts.“ Dem widerspricht Einsele, NJW 1998, 1206 (1208) jedenfalls für den Fall einer Vollmacht, die für ein einzelnes Rechtsgeschäft bei detaillierter Bindung des Bevollmächtigten und damit auch der inhaltlichen Fixierung des Vertretergeschäftes erteilt wird. Die vom BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858) geführte Argumentation könne daher nur für den Fall einer Generalvollmacht gelten. Dazu hatte der BGH aber gerade nicht zu entscheiden. Die Feststellung, daß der Vertretene durch die Beurkundung der Bevollmächtigung nicht geschützt werde, soll daher nicht unreflektiert übernommen werden können. Dem BGH folgend: Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 39. 75
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Die teleologische Reduktion von § 167 Abs. 2 BGB wäre daher auch nicht geeignet, den Normzweck von § 1410 BGB besser zu gewährleisten, als die vorgefundene gesetzlich normierte Regelung es ermöglicht.80 5. Die Vertretung ohne Vertretungsmacht Auch ist die Vertretung durch einen vollmachtlosen Vertreter möglich. Die dann gemäß § 177 Abs. 1 BGB erforderliche Genehmigung als nachträgliche Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB) bedarf wegen § 182 Abs. 2 BGB ebenfalls nicht der Form des Vertretergeschäftes.81 Die Regelung des § 182 Abs. 2 BGB ist auf die Genehmigung im Sinne von § 177 Abs. 1 BGB anzuwenden. Auch durch lediglich beschränkt geschäftsfähige Ehegatten geschlossene Eheverträge (§ 107 BGB) können formlos nach § 182 Abs. 2 BGB genehmigt werden.82 Die Genehmigung des vom vollmachtlosen Vertreters abgeschlossenen Ehevertrages bedarf daher ebenfalls nicht der Form des § 1410 BGB.83 Insbesondere soll auch im Falle der nachträglichen Genehmigung des zunächst durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Ehevertrages keine Stufenbeurkundung im Sinne von § 128 BGB erfolgt sein.84
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BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858). OLG Frankfurt/Main, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221. 81 Schilken, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 167 BGB, Rdnr. 23; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 39; Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 5; Schippel, Jura 1999, 57 (62). 82 BGH, 25.01.1989, IVb 44/88, NJW 1989, 1728 = FamRZ 1989, 476. Diese Entscheidung ist durch die Herabsetzung des Eheschließungsalters nicht bedeutungslos geworden – §§ 1303 Abs. 2 bis 4, 1411 Abs. 1 Satz 1 und 4 BGB. Danach sind Eheverträge beschränkt Geschäftsfähiger weiterhin möglich, zumal der Ehevertrag schon vor Eingehung der Ehe geschlossen werden kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Regelung zu § 1411 Abs. 1 Satz 4 BGB, wonach die gesetzlichen Vertreter für einen beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten einen Ehevertrag nicht abschließen dürfen und auf die Erteilung einer Zustimmung nach Satz 1 beschränkt sind. Bedeutet diese Regelung nur ein Verbot nach Eingehung der Ehe oder auch schon für den beschränkt geschäftsfähigen Verlobten? M.E. gilt letzteres, da auch § 1408 Abs. 1 BGB nur von den Ehegatten spricht und trotzdem auch die Verlobten meint. Trotz der vielleicht zu §§ 112, 113 BGB vergleichbar wirkenden Situation wird durch die Befreiung nach § 1303 Abs. 4 BGB die Zustimmungsbedürftigkeit nach § 1411 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aufgehoben. Wie auch § 1304 BGB zeigt, sind Ehemündigkeit und Geschäftsfähigkeit keineswegs gleich zu setzen (Müller-Gindullis, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1303 BGB, Rdnr. 3). 83 BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, BGHZ 138, 239 (243); LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1 V., Rdnr. 17; Finke, in: RGRK, 12. Aufl., 1978, § 1410 BGB, Rdnr. 3; Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 3; a. M.: Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 6; ders., in: MünchKomm, 2. Aufl., 1984, § 167 BGB, Rdnr. 28. 84 LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50. 80
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6. Der Ehegatte als vollmachtloser Vertreter Sodann kann ein Ehegatte auch ohne Vollmacht des anderen Ehegatten einen Ehevertrag als Vertreter mit sich selbst abschließen.85 Dem steht zunächst das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile bei Abschluß des Ehevertrages aus § 1410 BGB nicht entgegen. Der Vertretung ohne Vertretungsmacht durch den anderen Ehegatten steht auch § 181 BGB nicht entgegen. § 181 BGB enthält zunächst eine Begrenzung von bereits vorhandener Vertretungsmacht. Fehlt diese noch, ist § 181 BGB nicht anwendbar. Insbesondere kann sich der vollmachtlos handelnde Vertreter die Gestattung nach § 181 BGB nicht selbst gewähren, ist doch die Gestattung selbst ebenfalls ein dem § 181 BGB unterliegendes Rechtsgeschäft.86 Zunächst wurde wegen des Wortlauts der Norm angenommen, im Wege des Selbstkontrahierens geschlossene Rechtsgeschäfte sind bis auf die beiden ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen schlechthin nichtig.87 Die Vorschrift enthält jedoch kein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB,88 sondern beschränkt das rechtliche Können für Insichgeschäfte.89 Ungenau ist daher die Annahme, daß der persönliche Anwendungsbereich des § 181 BGB auch für den Vertreter ohne Vertretungsmacht gilt.90 Die systematische Stellung des § 181 BGB nach den §§ 177–180 BGB für die Vertretung ohne Vertretungsmacht spräche noch für diese Ansicht. § 181 BGB kann jedoch nur eine gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht sein, wenn überhaupt Vertretungsmacht vorliegt. Der falsus procurator hat jedoch gerade keine Vertretungsmacht. Auch wird diesem durch eine etwaige Genehmigung nicht nachträglich Vertretungsmacht erteilt. Hiermit ist jedoch nichts gewonnen. Da trotz des Gesetzeswortlautes („kann . . . nicht“) ein Insichgeschäft nicht verboten ist, sind auch die durch einen vollmachtlosen Vertreter mit sich selbst abgeschlossen Rechtsgeschäfte nur schwebend unwirksam.91 Das wird mit der ausdrücklich im Gesetz genannten Mög85 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 1 V., Rdnr. 17; Kanzleiter, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 2276 BGB, Rdnr. 3 für die gleichlautende Form des Erbvertrages nach § 2276 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Erblasser kann auch gleichzeitig den Vertragspartner vollmachtlos vertreten. Ferner Pfeifer, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 925 BGB, Rdnr. 69, 74, 83 für die Abgabe der Auflassungserklärungen in gleichzeitiger beiderseitiger Anwesenheit nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB. 86 BGH, 07.02.1972, II ZR 169/69, BGHZ 58, 115 (118) mit abl. Anmerkung Will, NJW 1974, 1073. Ähnlich auch: OLG Hamburg, 11.07.1985, 6 U 36/85. 87 Siehe nur: Heilfron, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., 1904, § 52.c.2., S. 624. 88 Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 41. 89 Jauernig, in: Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer, 7. Aufl., 1994, § 181 BGB, Anm. 1; Leptien, in: Soergel, 12. Aufl., 1988, § 181 BGB, Rdnr. 45; Kern, JA 1990, 281 (282). 90 So aber: Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 181 BGB, Rdnr. 3. Siehe auch: BayObLG, 13.02.1986, 2 Z 52/85, Rpfleger 1988, 61.
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lichkeit einer abweichenden Vereinbarung begründet.92 Wer ein Insichgeschäft vornimmt, handelt lediglich außerhalb erteilter Vertretungsmacht. Wenn jegliche Vertretungsmacht schon anfänglich fehlte, wird der Vertreter beim Insichgeschäft wie der falsus procurator behandelt.93 Die §§ 177–180 BGB finden somit auf Insichgeschäfte des vollmachtlosen Vertreters (jedenfalls entsprechende) Anwendung.94 Rechtsgeschäfte, die entgegen dem Verbot des § 181 BGB geschlossen worden sind, können gemäß § 177 BGB genehmigt werden.95 Auch diese Genehmigung hat Rückwirkung gemäß § 184 Abs. 1 BGB.96 Selbst ein Vertreter ohne Vertretungsmacht kann genehmigen, wenn er dann nachträglich noch Vertretungsmacht erlangt.97 Eine ausdrückliche nachträgliche Gestattung ist gleichfalls entbehrlich. Die Aufhebung des Verbots des Selbstkontrahierens liegt bereits in der Genehmigung des vollmachtlos abgeschlossenen Geschäftes. Diese Genehmigung erhebt das schwebend unwirksame Geschäft in dem Umfang zur Wirksamkeit, wie es abgeschlossen worden war. Sie deckt die Einigung so, wie sie zustande gekommen ist.98 Darüber hinaus sind die durch teleologische Reduktion zu § 167 Abs. 2 BGB entwickelten Einschränkungen bei § 182 Abs. 2 BGB nicht zu beachten.99 Die 91 Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 41; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 181 BGB, Rdnr. 15. Siehe auch: BGH, 08.10.1975, VIII ZR 115/74, BGHZ 65, 123 (125); BGH, 29.11.1993, II ZR 107/92, NJW-RR 1994, 291 (292). 92 Leptien, in: Soergel, 12. Aufl., 1988, § 181 BGB, Rdnr. 45; Kern, JA 1990, 281 (282). 93 Leptien, in: Soergel, 12. Aufl., 1988, § 181 BGB, Rdnr. 45. 94 BGH, 29.11.1993, II ZR 107/92, NJW-RR 1994, 291 (292); Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 41. 95 BGH, 08.10.1975, VIII ZR 115/74, BGHZ 65, 123 (125 f.); Leptien, in: Soergel, 12. Aufl., 1988, § 181 BGB, Rdnr. 45; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 41. 96 Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 181 BGB, Rdnr. 41. 97 BGH, 18.02.1960, VII ZR 21/59, WM 1960, 611 (612); BGH, 29.11.1993, II ZR 107/92, NJW-RR 1994, 291 (292); Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, §§ 177, 178 BGB, Rdnr. 6. Eine (rückwirkende) Genehmigung der Verfügung eines Nichtberechtigten (§§ 185 Abs. 2, 184 BGB) erfordert jedoch, daß derjenige, der die Genehmigung erteilt, jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung auch Verfügungsmacht hierfür besitzt. Anderenfalls würde er in das Recht eines anderen, hier des wahren Eigentümers (Berechtigten – § 185 BGB), mit seiner Genehmigung eingreifen – BGH, 23.05.1989, IX ZR 135/88, BGHZ 107, 340 (341). Auch die Genehmigung durch den Vertretenen gemäß § 177 Abs. 1 BGB kann die Verfügungswirkungen des Vertretergeschäfts nur herbeiführen, wenn der Vertretene Verfügungsmacht hat – Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 184 BGB, Rdnr. 22. 98 Pfeifer, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 925 BGB, Rdnr. 74 für die Abgabe der Auflassungserklärungen in gleichzeitiger beiderseitiger Anwesenheit nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB. 99 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (224) = NJW 1994, 1344 (1346) = JZ 1995, 97 (99); Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 39; Prölss, JuS 1985, 577 (585); Wufka, DNotZ 1990, 339 (344); a. M.: Neben
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Genehmigung ist daher stets formlos möglich.100 Die Genehmigungserklärung bedarf als nachträgliche Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB) nach § 182 Abs. 2 BGB nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig.101 Dem gegenüber wird teilweise eine teleologische Reduktion von § 182 Abs. 2 BGB dahingehend für erforderlich gehalten, daß die Genehmigung eines gemäß § 313 Satz 1 BGB formbedürftigen Rechtsgeschäfts ebenfalls der notariellen Form bedarf. Dabei wird überwiegend eine generelle Beurkundungspflicht der Genehmigung angenommen.102 Zumindest soll die für das Rechtsgeschäft geltende Form in den Fällen erforderlich sein, in denen nach der Rechtsprechung die Vollmacht zum Abschluß eines Grundstückskaufvertrages entgegen § 167 Abs. 2 BGB beurkundet werden müßte.103 Es gibt jedoch keine Lücke, die über eine restriktive Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut zu schließen wäre. Es muß grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen bleiben, mit welcher Rigorosität er einen bestimmten Gesetzeszweck – hier den des § 311b BGB bzw. des § 1410 BGB – umfassend durchsetzen will.104 Dem steht die Rechtsprechung zur Beurkundungsbedürftigkeit bindender Vollmachten als Ausnahme zum Wortlaut von § 167 Abs. 2 BGB nicht entanderen: Larenz, BGB AT, 7. Aufl., 1989, § 32 I., S. 627. Für strengere Formanforderungen als bei § 167 Abs. 2 BGB sogar Medicus, BGB AT, 7. Aufl., 1997, § 59 I.1.a), Rdnr. 976; Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, § 54.6.b). 100 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (220); Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 39. 101 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (220); BGH, 25.09.1996, VIII ZR 172/95, NJW 1996, 3338 (3339); OLG Köln, 12.03.1993, 20 U 218/92, NJW-RR 1993, 1364. Siehe auch: BGH, 21.01.1980, II ZR 153/79, WM 1980, 866 (867); BGH, 23.11.1988, VIII ZR 262/87, WM 1989, 256, (257 ff.) = NJW-RR 1989, 291; OLG Düsseldorf, 30.04.1987, 10 U 220/86, ZMR 1988, 304; OLG Karlsruhe, 08.06.1994, 6 U 47/93, NJW-RR 1994, 1290. 102 Siehe beispielsweise: Schilken, in: Staudinger, 12. Aufl., 1979, § 177 BGB, Rdnr. 11; Tiedtke, JZ 1990, 75 (76); Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 6. Aufl., 1997, Rdnr. 92. 103 OLG München, 28.06.1950, U 217/50, DNotZ 1951, 31; OLG Karlsruhe, 03.02.1988, 13 U 52/87, NJW 1988, 2050; Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., 1982, § 177 BGB, Rdnr. 6; ders., § 182 Rdnr. 7; Thiele, in: MünchKomm, 3. Aufl., 1993, § 177 BGB, Rdnr. 34; Jauernig, in: Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teich-mann/Vollkommer, 7. Aufl., 1994, § 177, Anm. 3. Auch Brox, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 182 BGB, Rdnr. 4 hält die gesetzliche Regelung für „bedenklich“, hat die für das Rechtsgeschäft vorgeschriebene Form eine Warnfunktion. 104 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (223); BGH, 07.06.2000, VIII ZR 268/99, BGHZ 144, 357 (363). Zu Recht fordert daher Lerch, ZRP 1998, 347 (348) unter Bezug auf Wolfsteiner, DNotZ 1993, 21* (27*) den Gesetzgeber auf, entweder die Vorschrift des § 182 Abs. 2 BGB gänzlich zu streichen oder aber jedenfalls die Genehmigung der Form zu unterwerfen, wie das zeitlich vorangegangene Rechtsgeschäft, sofern es sich dort um die Form der notariellen Beurkundung handelte. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit im Zusammenhang mit der Neufassung der §§ 310– 313 BGB a. F. zu § 311b BGB n. F. nicht genutzt.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
gegen. Beide Problemkreise sind nur bedingt miteinander vergleichbar. Die Rechtsprechung zur Vollmacht konnte an die Tatsache der Vollmachtserteilung und deren Qualität anknüpfen und damit einen Kernbereich des § 167 Abs. 2 BGB unangetastet lassen. Da die Genehmigung stets sofort bindet, den Vertrag wirksam macht und unwiderruflich ist, wäre sie bei Anwendung von §§ 311b BGB, 1410 BGB ausnahmslos beurkundungsbedürftig und damit der Anwendungsbereich von § 182 Abs. 2 BGB auf Null reduziert. Eine Unterscheidung zwischen formbedürftigen und nicht formbedürftigen Genehmigungen ist unter diesem Gesichtspunkt kaum noch vorstellbar.105 Für eine Beschränkung der Beurkundungspflicht auf die Fälle, in denen dem Vertragsschluß eine unwirksame (weil formbedürftige) Vollmacht vorausgegangen ist, fehlt jede sachliche Rechtfertigung. Im Hinblick auf die Formzwecke der §§ 311b BGB, 1410 BGB ist es unerheblich, ob der Vertrag vom Vertreter aufgrund einer unwirksamen Vollmacht oder von vornherein ohne Vollmacht erfolgt ist. Konsequenterweise fordert deshalb auch die überwiegende Gegenmeinung generell die Beurkundung der Genehmigung von Verträgen nach § 311b BGB und würde so in diesem Bereich § 182 Abs. 2 BGB völlig außer Kraft setzen, was sich mit Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm nicht mehr vereinbaren läßt.106 Zuzugeben ist, daß die Warn- und Schutzfunktion des § 313 BGB unmittelbar allein den Vertreter erreicht, weil der Notar nur die Beteiligten belehren muß (§ 6 Abs. 2, § 17 BeurkG). Nach der bestehenden Gesetzeslage ist der Schutz des Vertretenen aber bewußt nicht so ausgestaltet, als habe er selbst an der Beurkundung teilgenommen. Über eine nicht beurkundete Vollmacht bindet sich der Vertretene ohne notwendigerweise die Einzelheiten der vertraglichen Regelung zu kennen und ohne, daß sich in diesem Zeitpunkt die Belehrungspflicht des Notars auswirken konnte. Davon unterschieden ist die Lage desjenigen, der einen bereits beurkundeten Vertrag genehmigt, dessen Inhalt er jedenfalls kennen kann. Im übrigen wäre auch im Falle einer Beurkundung der Genehmigungserklärung der Schutz des Vertretenen keineswegs in dem Umfang gewährleistet, als wäre dieser selbst an der Beurkundung des Vertrages beteiligt. Die Belehrungspflicht geht bekanntlich nach dem Sinn und Zweck von § 17 BeurkG nur so weit, als eine Belehrung für das Zustandekommen einer formgültigen Urkunde erforderlich ist, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der für das beabsichtigte Rechtsgeschäft richtigen Form wirksam enthält.107 Bei der Beurkundung einer Genehmigungserklärung bezöge sich die Belehrungspflicht grundsätzlich nur auf die Genehmigung und deren rechtliche Folgen, also auf das Wirksamwerden des Geschäfts, nicht aber notwendigerweise auf den Inhalt und die Ausgestaltung des Vertretergeschäfts. 105 106 107
BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (224). BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (225). Siehe: BGH, 29.10.1987, IX ZR 181/86, NJW 1988, 1143 (1146).
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten
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Ein effektiver Schutz durch sachgerechte Belehrung und Beratung wäre deshalb entsprechend der Lage bei einer Beurkundung nach § 128 BGB nicht allein durch die Formbedürftigkeit der Genehmigung gewährleistet. Der Gefahr eines möglichen Mißbrauchs dieser Gestaltungsform durch Einschaltung eines vollmachtlosen Vertreters ohne sachliche Rechtfertigung läßt sich daher bisher auf der Ebene des notariellen Standesrechts begegnen.108 Auch soll bei Formfreiheit der Genehmigung der Schutz des Vertretenen nicht so gering sein, wie die Vertreter einer Beurkundungspflicht befürchten. Bei Grundstücksgeschäften ist aus grundbuchrechtlichen Gründen (§ 29 GBO) in den meisten Fällen zwar nicht eine Beurkundung, wohl aber eine Unterschriftsbeglaubigung erforderlich. In diesem Rahmen kann der Vertretene jedenfalls die Beratung des Notars in Anspruch nehmen, wenn dieser nicht ohnehin zur Belehrung wie bei einer zur Niederschrift aufgenommenen Urkunde verpflichtet sein sollte, weil er den Text der Genehmigungserklärung entworfen hat.109 Diese Argumentation greift beim Ehevertrag nicht. Zwar ist auch der Antrag auf Eintragung in das Güterrechtsregister in öffentlich beglaubigter Form zu stellen, § 1558 Satz 2 BGB. Der zwingend schriftliche Antrag bedarf daher auch der notariellen Beglaubigung oder der notariellen Beurkundung, § 129 BGB.110 Das Güterrechtsregister hat sich in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt.111 Eintragungen im Güterrechtsregister werden von den Ehegatten nur selten vorgenommen.112 Die Wirksamkeit des Ehevertrages ist nicht von der Eintragung im Güterrechtsregister abhängig.113 Die Eintragung hat nur deklaratorische Funktion.114 Auch ist – jedenfalls für die ehevertraglich vereinbarte Abänderung der güterrechtlichen Verhältnisse (§ 1561 Abs. 2 Nr. 1 BGB) – der Eintragungsantrag nur eines Ehegatten ausreichend. Die Genehmigung eines Ehevertrages durch den zunächst vollmachtlos vom anderen Ehegatten vertretenen Ehegatten ist daher grundsätzlich formlos, sogar mündlich oder durch schlüssiges Verhalten, möglich.115 Eine formlos mögliche 108 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (225); Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 39. 109 BGH, 25.02.1994, V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 (226). 110 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1560 BGB, Rdnr. 2; Keidel/Stöber, Registerrecht, 5. Aufl., 1991, Rdnr. 1212, 1214. 111 Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1412 BGB, Rdnr. 1. 112 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1412 BGB, Rdnr. 1; ders., in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, Vor § 1558 BGB, Rdnr. 3. 113 Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 1412 BGB, Rdnr. 1. 114 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, Vor § 1558 BGB, Rdnr. 2. 115 BGH, 25.01.1989, IVb 44/88, NJW 1989, 1728 = FamRZ 1989, 476; BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, BGHZ 138, 239 (243); LG Braunschweig, 28.10.1999, 8 T 1161/99 (694), NJWE-FER 2000, 50. Ungenau daher Dörr/Hansen, NJW 2000, 3174 (3176), die der Entscheidung des LG Braunschweig, a. a. O., entnehmen wollen, daß es für die Eintragung des Ehevertrags in das Güterrechtsregister genüge, wenn ein
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Genehmigung kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden.116 Bloßer Zeitablauf soll hierfür jedoch nicht ausreichend sein. Dadurch allein wird das Recht, die Unwirksamkeit geltend zu machen, nicht verwirkt.117 Großzügigkeit im Rahmen stillschweigender Genehmigungserklärungen ist nicht angebracht.118 Der andere Teil kann den Vertretenen jederzeit nach § 177 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Erklärung der Genehmigung auffordern, will er sich die nötige Klarheit verschaffen. Gerade auch für Eheverträge wird eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten nur zurückhaltend anzunehmen sein. Die Sichtweise, wonach dem Schweigen schon ein hinreichender Erklärungswert zukommt, hat der eine Ehegatte den anderen Ehegatten ohne Vertretungsmacht beim Vertragsabschluß vertreten,119 kann höchsten für Rechtsgeschäfte gegenüber Dritten, nicht jedoch unter den Ehegatten selbst gelten. Je weniger somit ein Ehegatte in den Vertragsabschluß im Rahmen der Beurkundung einbezogen war, je mehr Mißtrauen ist zunächst gegenüber den ehevertraglichen Abreden angezeigt. Diese Schlußfolgerung ist der anerkannten Schutzfunktion von § 1410 BGB geschuldet. Sie wirkt sich, wie dargestellt, in den unterschiedlichen Konstellationen rechtsgeschäftlicher Vertretung immer weniger aus. 7. Die Niederschrift vor dem Notar Letztlich muß der Ehevertrag nach § 1410 BGB „(. . .) zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden“.120 Die Auflassung nach § 925 Abs. 1 S. 1 BGB muß lediglich gegenüber der zuständigen Stelle (nach S. 2 ist auch der Notar zuständig) erklärt werden. Fraglich ist, ob durch die gesetzliche Anforderung anwesender Ehegatte zugleich als vom Selbstkontrahierungsverbot befreiter Bevollmächtigter des anderen Ehegatten handele und die Genehmigungserklärung des letzteren in notariell beglaubigter Form beigebracht werde. Die notarielle Form ist für die Wirksamkeit der Genehmigungserklärung nicht erforderlich. Im konkret entschiedenen Fall war die Genehmigungserklärung notariell beglaubigt worden. Das war jedoch wegen § 1560 S. 2 BGB angezeigt. Danach muß der Antrag auf Eintragung in das Güterrechtsregister in öffentlich beglaubigter Form gestellt werden. Die Anträge waren bereits in der Ehevertragsurkunde enthalten. Da der Ehemann jedoch durch seine Ehefrau zunächst vollmachtlos vertreten worden war, sollte nunmehr die Genehmigung zur Wahrung der Antragsform notariell beglaubigt werden. Auch das war jedoch wegen § 1561 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BGB entbehrlich. Danach genügt für die Eintragung eines Ehevertrages der Antrag eines Ehegatten. 116 Siehe nur: Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 26. 117 OLG München, 25.01.1968, 6 U 2538/66, NJW 1968, 2109; Leptien, in: Soergel, 12. Aufl., 1988, § 181 BGB, Rdnr. 45; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 30. 118 Prölss, JuS 1985, 577 (585). 119 OLG Karlsruhe, 07.11.1991, 9 U 245/90, VersR 1992, 1363; Schramm, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 177 BGB, Rdnr. 29. 120 Dazu: Thiele, in: Staudinger, 13. Bearb., 1994, § 1410 BGB, Rdnr. 10.
I. Die persönliche Anwesenheit der Ehegatten
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des Vertragsabschlusses zur Niederschrift eines Notars ein besonderes Formerfordernis aufgestellt wurde. Verlangt der Begriff der „Niederschrift“121 eine besondere Form hinsichtlich der Anwesenheit der Vertragspartner? Kann die „Niederschrift eines Notars“ nur bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Vertragspartner erfolgen? Bevor am 01.01.1970 (§ 71 BeurkG) die jetzige Regelung in Kraft trat, lautete die Norm: „Der Ehevertrag muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen werden.“ Die Worte: „vor Gericht oder vor einem Notar“ wurden durch die Worte: „zur Niederschrift eines Notars“ ersetzt, § 56 Abs. 3 S. 1 BeurkG. Nach der amtlichen Überschrift war die „Beseitigung von Doppelzuständigkeiten“ durch diese Regelung beabsichtigt.122 Die zuvor in §§ 167 ff. FGG geregelte Zuständigkeit der Amtsgerichte für die Beurkundung von Rechtsgeschäften wurde aufgehoben, § 57 Abs. 5 Nr. 2 BeurkG. Ein notarielles Beurkundungsmonopol wurde eingeführt.123 § 56 BeurkG beseitigte weitgehend die bisherige gerichtliche Zuständigkeit für Beurkundungen.124 Ein besonderes Formerfordernis ergibt sich aus der genannten gesetzlichen Formulierung mithin nicht. Jedenfalls wird sich aus dem Begriff der Niederschrift schon deshalb kein zusätzliches Element für die Anwesenheit der Vertragsparteien beim Notar ergeben, weil die gesetzliche Regelung selbst hierzu bereits Festlegungen trifft. Denn: „Der Ehevertrag muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile (. . .) geschlossen werden“ (§ 1410 BGB). 8. Das Vertretergeschäft als Anlaßgrund zur Inhaltskontrolle Das Ergebnis, gefunden in den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre, stellt nicht zufrieden. Der durch §§ 1410, 2276 Abs. 1 S. 1, 2290 Abs. 4 BGB gewollte Schutz der Vertragspartner vor Übereilung wird nicht erreicht. Die ebenfalls beabsichtigte Warnfunktion geht ins Leere. Die mit der notariellen Belehrung erreichbare Risikoaufklärung findet nicht statt. Weder die Formfreiheit von Vollmacht und Genehmigung, noch die Möglichkeit der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, werden der Schutzfunktion der Regelung in § 1410 BGB gerecht.125 Die durch die notarielle Belehrung abgesicherte 121
Synonym von: Abfassung, Aufsatz, Aufzeichnung, Druckvorlage, Formulierung, Konzept, Manuskript, Notizen, Protokoll. 122 Siehe ausführlich: Haegele, Beurkundungsgesetz. Textausgabe mit den gesamten Materialien und Anmerkungen sowie Mustern, 1969. 123 Beitzke, NJW 1970, 265. Siehe auch: BGH, 20.03.2000, NotZ 21/99, DNotZ 2000, 717 (718). 124 OLG Frankfurt, 27.02.1970, 13 W 24/70, NJW 1970, 1050 (1051). 125 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 4; Hahne, in: Johannsen/Henrich, 4. Aufl. 2003, § 1587o BGB, Rdnr. 5.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Richtigkeitsgewähr des Ehevertrages ist nicht mehr gewährleistet, ist einer der Ehegatten bei der Beurkundung vollmachtlos oder durch einen Bevollmächtigten vertreten.126 Die hierin liegende Gefahr darf insbesondere für einen geschäftsunerfahrenen Ehegatten nicht hoch genug veranschlagt werden.127 Kann hier nur der Gesetzgeber128 abhelfen, indem er gleich dem Erblasser nach § 2274 BGB auch für die Ehegatten die persönliche Anwesenheit bei Abschluß des Ehevertrages anordnet?129 Mit § 7 Abs. 1 Satz 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG)130 hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit versäumt, die schon bekannte Kritik aufzunehmen, denn auch die Lebenspartnerschaftsverträge müssen nur bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Lebenspartner zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden.131 Der Gesetzgeber hat dieses Problem – nur teilweise – gesehen. Im Gesetzgebungsverfahren zum Gleichberechtigungsgesetz 132 ist im Hinblick auf das Verhältnis des Formzwanges eines Ehevertrages zur Formfreiheit der Vollmachtserteilung die Frage erörtert worden, ob „ein Dritter durch ein einfaches Blatt Papier zu einer so weittragenden Maßnahme wie dem Abschluß eines Ehevertrages bevollmächtigt werden“ kann. Für die Beibehaltung der Formfreiheit der Vollmacht wurde jedoch der Gesichtspunkt der Erleichterung des Rechtsverkehrs ins Feld geführt, zumal es nicht wenig Fälle gebe, „in denen die künftigen Ehegatten weit voneinander entfernt“ lebten. Von der Reform war dann auch abgesehen worden, weil eine Bestimmung, mit der 50 Jahre kein Mißbrauch betrieben wurde, nicht abgeändert werden sollte.133 Mit dieser Begründung hat denn auch der BGH das Erfordernis einer teleologischen Reduktion von § 167 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Formzwanges nach § 1410 BGB verneint. Für die Reduktion sei kein Raum, da der Gesetzgeber ausdrücklich 126
Brambring, DNotZ 1998, 301*. Reinhartz, NJW 1977, 81 (83). 128 Auch OLG Frankfurt, 07.11.1996, 5 UF 266/95, NJWE-FER 1997, 221; Reinhartz, NJW 1977, 81 (84), Gaul, in: Soergel, 12. Aufl., 1989, § 1410 BGB, Rdnr. 6 verlangen nach Abhilfe durch den Gesetzgeber. 129 Auch der BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858) stellt das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit der Ehegatten als Lösungsmöglichkeit vor. Nur so könne den Schutzinteressen bei Abschluß eines Ehevertrages nachhaltig Rechnung getragen werden. Gerber, DNotZ 1998, 288* (294*); Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1410 BGB, Rdnr. 4; ders., NJW 1999, 1612 (1613); Schubert, FamRZ 2001, 733 (739) verlangen daher zu Recht de lege ferenda nach gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit beim Ehevertragsschluß, wie es § 1311 S. 1 BGB für die Eheschließung regelt. 130 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.02.2001 mit dem: Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG), BGBl. I/2001, S. 266. 131 Zu Recht kritisch daher: Schubert, FamRZ 2001, 733 (739), Fußn. 44. 132 GleichberG v. 18.6.1957 (BGBl. I S. 609). 133 BT, 2. Wahlperiode 1953, Protokoll der 7. Sitzung des Unterausschusses „Familienrechtsgesetzbuch“ vom 22.4.1955. 127
II. Die fehlende Transparenz
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der Schutzfunktion des § 1410 BGB keinen Vorrang vor der Erleichterung des Rechtsverkehrs, dem auch § 167 Abs. 2 BGB dient, einräumen wollte.134 Die rechtsgeschäftlich begründete Vertretung beim Ehevertragsschluß erscheint daher als Fallgruppe, bei welcher die Inhaltskontrolle notwendig werden kann. So soll der Ehevertragsschluß sittenwidrig sein, wenn ein kollusives Zusammenwirken eines beim Abschluß des Ehevertrages für einen anderen Ehegatten auftretenden Vertreters mit dem anwesenden Ehegatten zum Nachteil des vertretenen Ehegatten erfolgt.135 Zum Problemkreis „Sittenwidrigkeit und Ehevertragsschluß durch Vertreter“ hat denn auch Berger136 vor dem 25. Deutschen Notartag in Münster am 12.6.1998 die zur Diskussion auf den Vortrag von Grziwotz137 anwesenden Notare aufgefordert, die wissenschaftliche Diskussion um Überlegungen zu bereichern. Es seien Kriterien zu finden, nach welchen Eheverträge, geschlossen durch mindestens einen Vertreter, dem Maßstab der guten Sitten des § 138 BGB widersprechen. Eine „typische Fallkonstellation“ ist im Ergebnis vorliegend, wenn der Ehevertrag nicht bei persönlicher Anwesenheit beider Teile vor dem Notar geschlossen wird.138 Die mit § 1408 BGB gesetzlich niedergelegte Ehevertragsfreiheit kann nur im Zusammenwirken mit der Formvorschrift des § 1410 BGB ihren vollen Umfang entfalten. Die Ehevertragsfreiheit findet ihre innere Rechtfertigung gerade auch in dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung.139 Waren daher nicht beide Ehegatten persönlich beim Notar anläßlich der Beurkundung anwesend, besteht immer hinreichend Anlaß, den Ehevertrag einer richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen.
II. Die fehlende Transparenz Trotz Belehrung beim Notar kann Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle bestehen, wenn die vertragliche Regelung schon objektiv nicht oder nur kaum durchschaubar war. Die fehlende Transparenz kann ebenfalls eine „Einstiegsschwelle“, mithin ein Anlaßgrund für eine Einschränkung der Vertragsfreiheit durch richterliche Inhaltskontrolle sein.140 Das Transparenzgebot soll dazu an134
BGH, 01.04.1998, XII ZR 278/96, NJW 1998, 1857 (1858). Gerber, DNotZ 1998, 288* (290*). 136 Gerber, DNotZ 1998, 288* ff. 137 Grziwotz, DNotZ 1998, 228* ff. 138 Nach Grziwotz, FamRB 2002, 26, Fußn. 3 ist zwar eine Vertretung bei Abschluß des Ehevertrages zulässig. „Erfolgt sie nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen kompetenten nahen Angehörigen, kann sie Anlass für eine verstärkte gerichtliche Kontrolle sein.“ 139 Brambring, DNotZ 1998, 301*. 140 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (26). Ausdrücklich gegen Coester-Waltjen: Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 9.II.4., S. 259 f. Ihm ist insoweit zu 135
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
halten, die Rechte und Pflichten der Vertragspartner durch entsprechende Ausgestaltung und geeignete Formulierung der Vertragsbedingungen durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar darzustellen. Das Gebot der Klarheit ist gewahrt, wenn Mißverständnisse, Überraschungen und Zweifel vermieden werden. Verständlichkeit ist anzunehmen, wenn der durchschnittliche Vertragspartner des jeweiligen Vertragstyps den Sinn der Konditionen aus sich heraus selbst erfassen kann.141 Ein Vertragspartner wird erst dann sein Interesse durch eine angemessene Abrede selbst wahren können, wenn der Vertragsinhalt ihm in den wesentlichen Punkten ein vollständiges und wahres Bild zu vermitteln vermag. Als Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Marktmechanismen wird mithin ein Mindestmaß an Informationen über die Grunddaten von Leistung und Gegenleistung im Vertrag zu gelten haben. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle für preisbestimmende und leistungsbeschreibende Klauseln liegt in der Anerkennung der regulierenden Wirkung von Markt und Wettbewerb. Es wird vermutet, die Vertragsfreiheit vermag hier regelmäßig angemessene Abreden zu bewirken. Eine materielle Inhaltskontrolle hat daher zu erfolgen, wo nicht auf eine funktionierende Marktregulierung verwiesen werden kann. Erst wenn ein Vergleich mit anderen Angeboten, eben mit Regelungsalternativen, möglich war, erscheint die Annahme gerechtfertigt, der Markt werde regelmäßig für einen angemessenen Interessenausgleich sorgen. Staatlicher Interventionsbedarf ist aber angezeigt, wird durch mangelnde Information oder gar durch gezielte Verschleierung und Desinformationen der eigentliche Vertragsinhalt nicht oder nur eingeschränkt offenbart.142 Regelungen fehlt beispielsweise die nötige Transparenz, mit denen ein Vertragspartner auf die ihm nach dispositivem folgen, als entgegen Coester-Waltjen fehlende Transparenz nur „(. . .) einen wichtigen, keineswegs den wichtigsten Aspekt der Inhaltskontrolle (. . .)“ darstellt. Er lehnt jedoch auch die Transparenz als „Einstiegsschwelle“ in die Inhaltskontrolle ab. „Um die Intransparenz als typisierendes Merkmal für eine gestörte Vertragsbeziehung jedoch prüfen zu können, muß ohnehin in die Einzelprüfung einer einzelnen Klausel eingetreten werden. Nicht eine bestimmte Situation beim Vertragsschluß, sondern die Ausgestaltung einzelner Klauseln gibt dann den Ausschlag für die Zulässigkeit einer Angemessenheitsprüfung.“ Indiz für tatsächlich beeinträchtigte Vertragsfreiheit als Auslöser der Inhaltskontrolle kann doch aber auch sein, daß sich ein Vertragspartner auf Abreden einließ, die unbestimmt und wenig durchschaubar sind. 141 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 450. Siehe auch: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.IV., S. 319 ff.; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 11.IV.6., S. 324 ff. Wenn Fastrich, a. a. O., S. 321 anmerkt, daß die Transparenz Allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich kein Problem der Inhaltskontrolle als Angemessenheitskontrolle, sondern eher schon der Einbeziehungskontrolle ist, so bestätigt diese Sicht die Überlegung, das Transparenz eben eine Frage des Anlasses richterlicher Inhaltskontrolle ist. Die Angemessenheit muß sich dann erst später zeigen. 142 BGH, 10.07.1990, XI ZR 275/89, NJW 1990, 2383; BAG, 26.05.1993, 5 AZR 219/92, NJW 1994, 213 (214); Köndgen, NJW 1989, 943 (948); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.III.3.a)aa), S. 265; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 9 AGBG, Rdnr. 87 ff.; Stoffels, JZ 2001, 843 (845; 847).
II. Die fehlende Transparenz
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Recht zustehenden Rechtspositionen verzichtet, wenn ein solcher Verzicht nicht hinreichend deutlich wird. Ist nur unter Benennung des Paragraphen geregelt, daß diese Norm keine Anwendung findet,143 fehlt der vertraglichen Regelung daher die nötige Transparenz.144 Wird nicht der Zugewinnausgleich ausdrücklich ausgeschlossen, sondern ohne nähere Darstellung der Gründe das Anfangsvermögen dem Endvermögen gleichgesetzt, dann kann es ebenfalls an der nötigen Transparenz der Vereinbarung fehlen.145 Fehlende Transparenz ist auch bei Regelungen erkennbar, mit denen an bestimmte Ereignisse Fiktionen geknüpft werden, welche ihrerseits wieder nachteilige Rechtsfolgen auslösen, die sich jedoch nicht unmittelbar aus der vertraglichen Regelung selbst, sondern nur aus dem Gesetz oder aus einer mit der Regelung nicht deutlich in Verbindung stehenden weiteren Vertragsbestimmung ergeben.146 Gedacht ist an Regelungen, die ein an anderer Stelle sanktioniertes Verhalten bei bestimmten Ereignissen ohne näheren Nachweis fingieren.147 Hier wäre beispielsweise eine Regelung kritisch zu prüfen, wonach auch eine Ehezeit von über 3 oder gar 5 Jahren ausdrücklich noch eine „Ehe von kurzer Dauer“ (siehe § 1579 Nr. 1 BGB) sein soll. Einer solchen Abrede kann die nötige Transparenz fehlen, weil der unterhaltsberechtigte Teil nicht zu erkennen vermag, daß bei einer Ehe von nur kurzer Dauer der nacheheliche Unterhaltsanspruch möglicherweise ausgeschlossen sein wird. Da der nacheheliche Unterhaltsanspruch dispositiv ist (§ 1585c BGB), muß auch eine Vereinbarung über die Voraussetzungen einer Ehe von kurzer Dauer möglich sein.148 Fand eine Beurkundung beim Notar nicht in beiderseitiger persönlicher Anwesenheit statt, dann sind an die Intransparenz geringere Anforderungen zu stellen. Ein verklausulierter, weitestgehend unverständlicher Vertrag wird dann schon der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Auch hier ist die tatsächlich erfolgte Aufklärung und Belehrung durch den beurkundenden Notar von erheblicher Bedeutung für den Bestand der Vereinbarung.149
143
Bspw.: „§ 1569 BGB findet keine Anwendung.“ Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (26). 145 OLG Stuttgart, 23.11.1982, 18 UF 150/82, DNotZ 1983, 693 hat hieraus die Sittenwidrigkeit des Ehevertrags abgeleitet. Kanzleiter zweifelt in seiner Anmerkung (DNotZ 1983, 697 [698]) unter Hinweis auf die den Eheverträgen immanente Äquivalenzstörung das Ergebnis des OLG Stuttgart an, stellt dann jedoch die These auf, daß man auf Grundlage der Überlegungen von Hönn, JZ 1983, 677 möglicherweise doch zur Sittenwidrigkeit gelangen könnte (DNotZ 1983, 697 [699], Fußn. 6). Dieser Bezug verdeutlicht jedenfalls, daß die zu entscheidende Sache durchaus schon dem Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle zuzuordnen ist. 146 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (26 f.). 147 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (27). 148 Regelungen zur zeitlichen Begrenzung der Unterhaltspflicht sind jedenfalls möglich: Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, § 4.VII.3., Rdnr. 852, S. 268 f. 144
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
III. Die geschäftliche Unerfahrenheit Mit der fehlenden Transparenz der vertraglichen Regelung korrespondiert zumeist die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit des anderen Teils. Auch diese ist ein typisches Beispiel strukturellen Ungleichgewichtes.150 Auch beim Ehevertrag ist für die Wirksamkeitskontrolle etwaig beim Abschluß vorliegende Unerfahrenheit oder Unwissenheit kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu berücksichtigen.151 So ergibt es sich auch ausdrücklich aus dem gesetzlichen Tatbestand des Wuchers, § 138 Abs. 2 BGB. Der Wortlaut bezeichnet typische Umstände, die zwangsläufig zu einer unterlegenen Verhandlungsposition führen und zu denen auch die Unerfahrenheit gerechnet wird.152 Gleiches gilt für das wucherähnliche Rechtsgeschäft. Zutreffend ist zwar der Hinweis, geschäftliche Unerfahrenheit sei objektiv nicht meßbar. Drängen sich jedoch Anhaltspunkte für geschäftliche Unerfahrenheit auf, müssen die Gerichte diesen im Rahmen der dann angezeigten richterlichen Inhaltskontrolle nachgehen.153 Unerfahrenheit wird hier als Mangel an Lebenserfahrung und an Kenntnis in geschäftlichen Dingen definiert.154 Abgestellt wird regelmäßig auf allgemeine Defizite. Eine auf den Einzelfall bezogene Unerfahrenheit soll nicht genügen.155 Entscheidend ist somit die typische Unkenntnis.156 149 Siehe bspw.: OLG Naumburg, 20.08.2001, 8 WF 169/01, FamRZ 2002, 465 = OLGR 2002, 65 = FF 2002, 69 mit zustimmender Anm. Bergschneider. 150 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980, (1981); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2001, 167 (170); BGH, 15.01.2002, XI ZR 98/01, ZIP 2002, 389 (390); OLG Saarbrücken, 08.08.1995, 7 U 143/95, NJW-RR 1996, 813; Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (266); Becker, DZWir 1994, 397 (408); Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1812); Rehbein, JR 1995, 45 (49). 151 Siehe nur: OLG Hamburg, 14.03.1991, 15 UF 157/89, FamRZ 1991, 1317 (1318). In diesem Sinne auch: OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764 (765): „Auch das der Kl. die Unerfahrenheit der Bekl. bzw. seine intellektuelle Überlegenheit zum Zwecke der Ausgestaltung des Vertrages ausgenutzt hätte, ist nicht ersichtlich (. . .)“. 152 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39). 153 Rehbein, JR 1995, 45 (49). Freilich nur neben weiteren Umständen hat das BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (39) die ausgeprägte Unterlegenheit der Bürgin auch dem Umstand entnommen, daß die vertragliche Gestaltung, insbesondere die Bedeutung und das Ausmaß des übernommenen Risikos, selbst für geschäftlich erfahrene Personen kaum abschätzbar war und für die erst 21jährige Bürgin, die keine qualifizierte Berufsausbildung hatte, praktisch undurchschaubar gewesen ist. 154 Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 150; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 138 BGB, Rdnr. 71; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 387. 155 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 387. 156 BGH, 07.05.1998, I ZR 85/96, NJW 1998, 3350 (3351) hat „(. . .) mit Recht angenommen, daß rechtlich und geschäftlich unerfahrene (potentielle) Kunden (. . .)
III. Die geschäftliche Unerfahrenheit
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1. Lebensalter und Vorbildung Geringes Lebensalter und das Fehlen einer qualifizierten beruflichen Vorbildung sind typische Anzeichen dafür, daß ein Vertragspartner weder über eine große Lebenserfahrung noch über Gewandtheit und Erfahrung in Geschäften verfügt.157 Ein erkennbarer Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung des Vertragsgegners kann daher insbesondere bei Jugendlichen vorliegen.158 Insgesamt wird hiernach bei noch sehr jungen Ehegatten – wohl bis zu 25 Jahren – und auch bei Ausländern, die erst kurze Zeit im deutschen Sprach- und Rechtsraum leben und auch noch erhebliche Sprachdefizite besitzen, der Anlaßgrund der Unerfahrenheit zu prüfen sein. Das gilt insbesondere dann, wenn der andere Teil erheblich älter ist und darüber hinaus aus einer vorangegangenen Scheidung über einen Wissensvorsprung hinsichtlich der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten verfügt.159 Wer unter Betreuung steht (§§ 1896 ff. BGB), bedarf für die Eingehung der Ehe nicht der Zustimmung seines Betreuers, § 1903 Abs. 2 BGB. Wohl aber kann sich eine Betreuung für die mit der Eheschließung verbundenen vermögensrechtlichen Geschäfte, wie beispielsweise Eheverträge und Unterhaltsverträge, als notwendig erweisen.160 Sollte die Betreuung für diesen Aufgabenkreis nicht angeordnet sein (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB), ist auch hier eine richterliche Inhaltskontrolle wegen geschäftlicher Unerfahrenheit zu prüfen. 2. Informationsgefälle Geschäftliche Unerfahrenheit geht regelmäßig auch mit einem erheblichen Informationsgefälle zwischen den Parteien einher. Auch gegen hierauf gegründete Unterlegenheit müssen Schutzvorkehrungen getroffen werden.161 Unterbliebene Aufklärung gilt daher als Indiz für strukturelle Unterlegenheit.162 Durch korrekte Information wird das Maß an Selbstverantwortung beim Vertragsabschluß nachhaltig erhöht. Ein Ausgleich der Vertragsdisparität und eine Stärkung der unterlegenen Vertragspartei kann so erfolgen.163 Nötig ist die Aufklärung späte-
eines besonderen Schutzes bedürfen. Dieser Personenkreis ist erfahrungsgemäß häufig nicht in der Lage, die wirtschaftliche Tragweite und die rechtlichen Auswirkungen eines Angebots abzuschätzen, da er in der Regel noch über keinerlei Erfahrungen mit den hiesigen Geschäftsgepflogenheiten verfügt.“ 157 BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750). 158 BGH, 07.10.1991, II ZR 194/90, NJW 1992, 300 (301). 159 Was das AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609 nicht ausreichend beachtet hat. 160 So ausdrücklich: Schwab, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2002, § 1896 BGB, Rdnr. 98. 161 Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, 199 (201). 162 Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2292); Becker, Ch., DZWir 1994, 397 (407); Henrich, FS für Dieter Medicus, 1999, S. 199 (201); Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 (2).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
stens, wenn der informiertere Vertragsteil sich seines Wissensvorsprunges gewiß ist.164 Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn der begünstige Ehegatte den Vertrag gegenüber seiner 19jährigen Ehefrau abschließt, weil er aus den Erfahrungen mit seiner ersten Scheidung gelernt hat und deshalb eben einen „(. . .) gewissen Wissensvorsprung, was rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten angeht“,165 besitzt. Aufzuklären ist umfassend über die Vertragsrisiken. Wenn Anzeichen für ein Mißverhältnis zwischen dem Leistungsvermögen und der eingegangenen Verpflichtung erkennbar sind, dann soll auch hier eine Hinweispflicht bestehen.166 Der Umfang richtet sich nach dem bereits vorhandenen Informationsstand. Ferner gibt das intellektuelle Leistungsvermögen des anderen Teils ebenfalls Anforderungen an die zu gewährende Aufklärung vor.167 Können die Vertragspartner selbst die Risiken der beabsichtigten vertraglichen Vereinbarung nicht abschließend beurteilen, dann kann es ausreichend sein, wenn der eine Vertragsteil ausdrücklich auf seine fehlende oder mangelhafte Sachkunde aufmerksam macht und der andere Teil trotz dieser Kenntnis auf eine weitere Risikoaufklärung ersichtlich keinen Wert legt.168 Die hier benannte Aufklärungslast, und damit auch die Beweislast für eine hinreichende Information,169 trägt die Vertragspartei, welche sich auf die Wirksamkeit der Abrede beruft.170 Die vom Bundesgerichtshof statuierte Aufklärungslast ist nicht mit der notariellen Belehrungs- und Erörterungspflicht aus § 17 Abs. 1 und 2 BeurkG gleichzusetzen. Das Informationsbedürfnis der Partei, die sich einer formelhaften Klausel mit objektiver Unausgewogenheit gegenübersieht, besteht gleichermaßen bei notariellen wie privatschriftlichen Verträgen.171 Durch die Aufklärung wird das sogenannte Informationsmodell verwirklicht, welches die geschäftliche und rechtliche Unerfahrenheit des unterlegenen Verhandlungspartners durch die Bereitstellung von Informationen kompensieren will.172 Deshalb wird die Statuierung von Aufklärungspflichten auch als Mög163 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1., S. 157; Wiedemann, JZ 1994, 411 (413); Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2221 (2292); FuchsWissemann, WiB 1994, 426 (429); Groeschke, BB 1994, 725 (727); Wellkamp, VuR 1994, 61 (62); Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S. 389 (392); 1312 ff.; Grün, WM 1994, 713 (724); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (303). 164 Becker, DZWir 1994, 397 (407). 165 Anders aber erneut: AmtsG Warendorf, 16.07.2002, 9 F 244/01, FamRZ 2003, 609 (610). 166 Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2293). 167 Wellkamp, VuR 1994, 61 (63). 168 BGH, 19.05.1998, XI ZR 286/97, NJW 1998, 2675 (2676). 169 Garrn, NJW 1980, 2782 (2784). 170 Stürner, DNotZ 1984, 763 (765). 171 Stürner, DNotZ 1984, 763 (766); Schubert, FamRZ 2001, 733 (736). 172 Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, 1983, S. 62 ff.; Brandner, ZHR 153 (1989), 147 (149 f.); Rollinger, Aufklärungspflichten bei Börsentermingeschäften, 1990, S. 84 ff.
III. Die geschäftliche Unerfahrenheit
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lichkeit begriffen, um einer (grundsätzlich unerwünschten) Herabsetzung der Sittenwidrigkeitsschwelle zu begegnen.173 Das Informationsmodell ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits angesprochen. Danach kann einem formularmäßigen Gewährleistungsausschluß bei Veräußerung neu errichteter oder noch zu errichtender Eigentumswohnungen oder Häuser durch eine „ausführliche Belehrung und eingehende Erörterung seiner einschneidenden Rechtsfolgen“ zur Wirksamkeit verholfen werden.174 „Jeder in einem Vertrag enthaltene formularmäßige Haftungsausschluß kann deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur hingenommen werden, wenn er zuvor Gegenstand ausführlicher Belehrung und besonderer Vereinbarung gewesen ist. Das gilt gerade für häufig vorkommende Freizeichnungsklauseln, die in einem notariell beurkundeten Formularvertrag unwirksam wären. Auch eine solche Klausel kann dann nicht als rechtsverbindlich anerkannt werden, wenn sie nur formelhaft und ohne eingehende Erörterung ihrer einschneidenden Rechtsfolgen benutzt worden ist, gleichviel wie der Vertrag sonst gestaltet ist.“175 Diese Rechtsprechung ist trotz Kritik in der Folgezeit wiederholt aufgegriffen und bestätigt worden.176 Interessant ist an dieser Sichtweise, daß durch Abbau der strukturellen Unterlegenheit mittels Risikoinformation zugleich auch das Angemessenheitsverhältnis der Regelung für den vertraglichen Interessenausgleich positiv beeinflußt werden kann. Damit besteht zwischen der strukturellen Unterlegenheit einerseits und der ungewöhnlich starken Belastung anderseits durchaus ein Abhängigkeitsverhältnis.177 Nicht verkannt werden darf jedoch, daß in diesem Bereich grundsätzlich die allgemeinen vorvertraglichen Aufklärungspflichten als Schutzmechanismus wirken müssen.178 Eine Verletzung kann zu einem Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluß führen. Die Naturalrestitution kann dann 173 Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger für Kredite des Hauptschuldners, 1996, S. 115. 174 BGH, 05.04.1984, VII ZR 21/83, NJW 1984, 2094. 175 BGH, 05.04.1984, VII ZR 21/83, NJW 1984, 2094 (2095); auch schon: BGH, 06.05.1982, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243 (2244) unter Bezug auf: Garrn, NJW 1980, 2782 ff., der maßgeblich darauf erkennt, daß auch Individualvereinbarungen in Notarverträgen einer Inhaltskontrolle zugänglich sind, wenn Regelungen von besonderer Tragweite ohne eingehende Erörterung beurkundet wurden. Dann beruht die formularmäßig verwendete Regelung nicht mehr auf einer eigenverantwortlichen Willensentscheidung. 176 BGH, 20.02.1986, VII ZR 318/84, BauR 1986, 345 (346); BGH, 21.05.1987, VII ZR 3/86, WM 1987, 1018; BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, BGHZ 101, 350 (353 f.). 177 Richtig daher Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger für Kredite des Hauptschuldners, 1996, S. 120 mit dem Hinweis, daß nach erfolgter Aufklärung, verbunden mit einer Kompensation der geschäftlichen Unerfahrenheit, die Anwendbarkeit anderer Schutzinstrumente, wie beispielsweise der Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB, erschwert wird. 178 Coester-Waltjen, Jura 1994, 534 (535); kritisch: Lieb, DNotZ 1989, 274 (278 f.).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
auch in der Vertragsaufhebung liegen.179 Dieser Anspruch kann jedoch dem unterlegenen Teil möglicherweise nur wenig nutzen, da er den gesamten Vertrag verliert.180 Genau wie die Sittenwidrigkeitskontrolle mit ihrer engen Rechtsfolgenanordnung ist daher auch die aus dem Verschulden beim Vertragsschluß abzuleitende Aufklärungspflichtverletzung allein und ausschließlich nicht geeignet, Paritätsstörungen wegen Informationsdefizits abschließend zu erfassen. Dieser Ansatz zeigt jedoch die Parallele zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB in den Fällen der gestörten Vertragsparität auf. Es geht auch hier um die Frage, inwieweit die gestörte Vertragsparität, insbesondere die intellektuelle Unterlegenheit, in bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft ausgeglichen werden muß.181 Befindet man sich dann aber bereits im sachlichen Anwendungsbereich der Sittenwidrigkeitskontrolle, kann auch das erhebliche Informationsdefizit als Anlaß für eine richterliche Inhaltskontrolle nicht abgelehnt werden. 3. Fehlende Sprachkunde Vor diesen Überlegungen ist zweifelhaft, ob wirklich auf eigene Gefahr handelt, wer objektiv und tatsächlich den Inhalt eines notariell beurkundeten Ehevertrages nicht versteht, ihn jedoch trotzdem – quasi „blanko“ – unterzeichnet.182 Daher soll die Vereinbarung der Gütertrennung in einer notariellen Urkunde – jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände – nicht allein schon deshalb sittenwidrig sein, weil die Ehefrau die Einzelheiten der Vereinbarung wegen mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache und wohl auch wegen der in dem notariellen Vertrag verwendeten juristischen Fachbegriffe nicht verstanden hat.183 Eine notarielle Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung wird selbst dann als wirksam angesehen, wenn ein Beteiligter nicht nur seine 179 So ist denn auch zunächst versucht worden, die Fälle ruinöser Angehörigenbürgschaften über eine Vertragsaufhebung nach den Grundsätzen der c. i. c. zu lösen. Hierzu: OLG Celle, 07.02.1987, 3 U 53/86, NJW-RR 1987, 1261 = WM 1988, 1436 (1437); OLG Hamm, 23.09.1992, 31 U 93/92, NJW-RR 1993, 113; ferner: Medicus, ZIP 1989, 817 (822); Brandner, ZHR 153 (1989), 147 (160); Großfeld/Lühn, WM 1991, 2013 (2016); Schlachter, BB 1993, 802 (805 ff.); ausführlich auch: Heinrichsmeier, Die Einbeziehung des Ehegatten in die Haftung für Geldkredite, 1993, S. 165 ff.; Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger für Kredite des Hauptschuldners, 1996, S. 111 ff. 180 Heinrichsmeier, Die Einbeziehung des Ehegatten in die Haftung für Geldkredite, 1993, S. 167. 181 Heinrichsmeier, Die Einbeziehung des Ehegatten in die Haftung für Geldkredite, 1993, S. 166. 182 So aber: OLG Köln, 16.05.2001, 27 UF 282/00, NJWE-FER 2001, 278 = FPR 2001, 412 = FuR 2001, 430 = FamRZ 2002, 457. 183 OLG Köln, 16.05.2001, 27 UF 282/00, NJWE-FER 2001, 278 = FPR 2001, 412 = FuR 2001, 430 = FamRZ 2002, 457. Ähnlich auch der Fall: OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634 mit Anmerkung Grziwotz, FamRZ 2003, 637 – Revision eingelegt zum Az: IV ZR 445/02.
III. Die geschäftliche Unerfahrenheit
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fehlende Sprachkunde behauptete, sondern der Notar sogar davon überzeugt war.184 Einfache Lösungen verbieten sich hier. Fehlende Sprachkunde allein ist sicher noch kein Grund für die Sittenwidrigkeit des Vertrages. Doch bedarf es stets der gründlichen Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, zu denen die fehlende Sprachkunde ganz erheblich hinzugehört. Dann ist es auch richtig, wenn ein notarieller Ehevertrag mit einem Verzicht auf Unterhalt und Zugewinnausgleich wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB für nichtig erklärt wird, weil die rechtlich unerfahrene Ehefrau nur über unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und die Parteien ein gemeinsames zweijähriges Kind haben.185 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen186 hat gerade für Eheverträge mit Ausländerrinnen und Ausländern eine herausgehobene Bedeutung.187 Wird die Ausnutzung der fehlenden Sprachkunde und der rechtlichen Unerfahrenheit eines der beiden Ehegatten festgestellt, schon dann sind die Gerichte zu der Prüfung veranlaßt, ob hier nicht die Benachteiligung des sprachunkundigen und geschäftlich unerfahrenen Ehegatten auf einer vom Bundesverfassungsgericht angemahnten faktischen Dominanz des anderen Ehegatten beruhte.188 Dann braucht der sprachunkundige Ehegatte auch nicht noch weitere Umstände vorzutragen. Das gilt insbesondere für den immer wieder verlangten Vortrag zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen der Sittenwidrigkeit. Durch die fehlende Sprachkunde und die rechtliche Unerfahrenheit ist die Benachteiligung und die faktische Dominanz des anderen Ehegatten hinreichend dargelegt und gegebenenfalls auch bewiesen. Weitere Darlegungen und Beweise sind (zunächst) nicht zu verlangen. Es ist dann Sache des anderen Ehegatten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß trotzdem kein Fall von Benachteiligung vorliegt.189 Jede andere Sichtweise wird auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur widerleglichen Vermutung der Ausnutzung – hier der Unerfahrenheit – bei Vorliegen einer krassen Benachteiligung nicht gerecht. 184 OLG Hamm, 10.03.1997, 6 UF 120/96, FamRZ 1998, 372. Siehe in diesem Zusammenhang auch: OLG Hamm, 22.04.1991, 31 U 239/90, NJW-RR 1991, 1141; OLG Stuttgart, 04.03.1999, 9 U 33/99, VuR 1999, 276 – jeweils zu Sprachunkunde und Bürgschaft. Siehe aber auch schon: BGH, 22.01.1991, XI ZR 11/90, NJW 1991, 923 (924) – Griechen-Fall; hierzu wieder: Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger für Kredite des Hauptschuldners, 1996, S. 211. 185 OLG Frankfurt, 16.12.1998, 5 UF 100/98, NJWE-FER 1999, 230 = FF 2001, 172. 186 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222 = FPR 2001, 137 „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 „Ehevertrag II“. 187 Bergschneider, FamRZ 2002, 458 (459); ders., FamRZ 2003, 377 (378). 188 Bergschneider, FamRZ 2002, 458 (459); ders., FamRZ 2003, 377 (378). In diesem Sinne auch: Grziwotz, FamRZ 2003, 637 in seiner Anmerkung zu: OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634. 189 Bergschneider, FamRZ 2002, 458 (459); ders., FamRZ 2003, 377 (378).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Wenig hilfreich und auch unzutreffend ist es dann, wenn im Fall der fehlenden Sprachkunde lediglich auf die Anfechtungsmöglichkeiten wegen Irrtums, § 119 BGB, verwiesen wird.190 Mit dieser Verweisung wird einmal schon nicht beachtet, daß mangelnde Deutschkenntnisse regelmäßig zu einer ungleichen Verhandlungsposition führen und damit die Möglichkeit für den anderen Vertragspartner eröffnen, den Vertragsinhalt faktisch einseitig zu bestimmen. Darüber hinaus ist mit dem stumpfen Instrument der Anfechtung – wie im vorliegenden Falle tatsächlich erfolgt – auch wenig gedient, da solchen Konstellationen wegen des Ablaufs der Anfechtungsfrist, aber auch wegen der Beweislast, so nicht beizukommen ist.191 Aus diesem Grunde hat sich denn auch das OLG Koblenz192 im Anschluß an das Bundesverfassungsgericht193 sehr ausführlich mit der fehlenden Sprachkunde der vertragsschließenden Ehefrau auseinander gesetzt. Die Russin hatte dort auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie alle Unterhaltsansprüche nach einer Scheidung – unabhängig von dann etwa vorhandenen Kindern – ehevertraglich am 10.06.1999 verzichtet. Am 15.06.1999 wurde geheiratet. Das gemeinsame Kind wurde am 24.08.2000 geboren. Die Ehegatten sind grundsätzlich von einem gegenseitigen Kinderwunsch ausgegangen. Es sei aber nicht sicher gewesen, ob er sich in Zukunft tatsächlich auch erfüllen werde. Die geschiedene Ehefrau konnte sich hinsichtlich der Verbundfolgesachen Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich nicht erfolgreich darauf berufen, auf Grund ihrer zur damaligen Zeit mangelnden Sprachkenntnisse habe sie den Vertragsinhalt nicht hinreichend erfaßt. Unstreitig hatte sie bereits am 26.05.1999, also zwei Wochen vor der notariellen Beurkundung, den Notar gemeinsam mit dem Bräutigam und einer Dolmetscherin aufgesucht. Dort wurde der Inhalt des Vertrags besprochen. Am 09.06.1999 – einen Tag vor der Beurkundung – erhielt sie dann die russische Übersetzung des Vertragsentwurfs. Diesen hat sie mit Anmerkungen versehen. Beim Notartermin wurden die von ihr gestellten Fragen durch den Notar beantwortet. Vor der Unterzeichnung wurde ihr der Vertrag nochmals vollständig durch die erneut anwesende Dolmetscherin übersetzt. Damit, so das Gericht, hatte sie hinreichend Gelegenheit, sich mit dem Inhalt des Vertrages auseinander zu setzen. Es habe daher allein ihrer Entscheidung oblegen, den Ehevertrag zu unterzeichnen.194 Ob ein Tag genügt, um sich nicht nur den übersetzten Text durchzulesen, sondern auch im Gesamtkontext den tatsächlich-praktischen und auch den recht190
OLG München, 25.09.2002, 16 WF 1328/02, FamRZ 2003, 376 (377). Bergschneider, FamRZ 2003, 377 (378). 192 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920. 193 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222 = FPR 2001, 137 „Ehevertrag I“. 194 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920 (2921). 191
III. Die geschäftliche Unerfahrenheit
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lichen Hintergrund der dort enthaltenen Regelungen zu erfassen, erscheint sehr zweifelhaft. Interessant wäre hierbei auch, inwieweit sich die vom Notar beantworteten Fragen der Braut insbesondere auch auf den Ausschluß von Zugewinnund Versorgungsausgleich sowie nachehelichen Unterhalt bezogen hatten. Nur wenn wirklich sichergestellt ist, die sprach- und auch rechtsunkundige Ehefrau wußte um die Wirkung der Verzichtserklärungen, insbesondere auch darum, ohne die Verzichtserklärungen hätte sie kraft Gesetzes diese Ansprüche im Fall der Scheidung, dann sollte die fehlende Sprachkunde nicht der Wirksamkeit des Vertrages entgegen stehen. Diesem Erfordernis wird nachweislich bereits dann nicht hinreichend Genüge getan, stellt sich später heraus, der hinzugezogene Dolmetscher hat das Vertragsexemplar für den ausländischen Ehegatten nicht richtig übersetzt.195 4. Eine Zusammenfassung Zusammenfassend wird sich die Fallgruppe „Unerfahrenheit“ als nur wenig konkret erweisen. Irgendwie sind die meisten Ehegatten bei Abschluß eines Ehevertrages auch noch ohne Erfahrung, da regelmäßig zum ersten Mal und meist auch zum letzten Mal ein solcher Vertrag geschlossen wird. Deshalb ist der nochmalige Hinweis wichtig, auf die einzelfallbezogene Unkenntnis kommt es nicht an. Entscheidend ist der auf einem allgemeinen Kenntnisdefizit basierende Mangel an Lebenserfahrung und Geschäftskenntnis.196 Wenn daher lediglich unter dem Gesichtspunkt der Unerfahrenheit die richterliche Inhaltskontrolle eröffnet erscheint, dann müssen schon sehr gewichtige und deutliche Hinweise auf das nötige Kenntnisdefizit vorliegen. Jugendliches Alter gepaart mit fehlender Ausbildung oder nahezu vollständig fehlende Sprachkenntnisse sind als wesentliche Beispiele genannt. Fehlt es an derart deutlichen Hinweisen, müßten weitere Umstände hinzutreten, die ihrerseits auch eine richterliche Inhaltskontrolle rechtfertigen können, jedoch ebenfalls in ihrer Intensität allein nicht zureichend wären. Dann kann im Sinne einer „Summierung“ ein „gruppeninterner Intensitätsausgleich“ erfolgen. Sind für sich und einzeln betrachtet die Gründe für eine richterliche Inhaltskontrolle insbesondere hinsichtlich der Quantität des Eingriffs in die materielle Vertragsfreiheit – noch – nicht ausreichend, ergibt aber die Gesamtschau beider Umstände einen im Gewicht einem Element vergleichbaren Gehalt, so kann insoweit auch von einer Tatbestandsverwirklichung ausgegangen werden. Das als richtig erkannte „bewegliche System“ beweist sich auch an dieser Stelle.197
195 Vergleiche hierzu: OLG Nürnberg, 12.11.2002, 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634 mit Anmerkung Grziwotz, FamRZ 2003, 637. 196 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 387 m. w. N. 197 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 388.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
IV. Die Überraschung In enger Verbindung zu den bereits genannten Anlaßgründen steht der vielschichtige Bereich der „Überrumpelung“ durch den Vertrag. Hier geht es oft um ein Bündel verschiedener Umstände, die mit anderen Anlaßgründen korrespondieren. Solche Überschneidungen haben wegen der möglichen „Summierung“ ohnehin keine nachteilige Bedeutung. Eine gegenseitige Abgrenzung ist genau so wenig erforderlich, wie eine eindeutige Zuordnung zu einem Anlaßgrund nötig wäre. Der Anlaßgrund der Überraschung durch den Vertrag und seinen Inhalt hat im Kern zur Folge, daß der benachteiligte Ehegatte den Vertragsschluß vollzieht, ohne zuvor dessen Tragweite zu verinnerlichen. Normative Ausprägung hat diese Fallgruppe zu § 3 AGBG, § 305c Abs. 1 BGB – die sogenannten überraschenden Klauseln betreffend – gefunden. Da Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten die Vereinbarung nicht angreifbar machen kann, muß dieses Defizit gerade durch das Verhalten des begünstigten Ehegatten verursacht worden sein. Man wird nicht verlangen können, daß der begünstigte Ehegatte dieses Ziel bewußt und planvoll ansteuerte. Ausreichend muß sein, wie auch sonst auf der subjektiven Ebene der Sittenwidrigkeit,198 daß er sich leichtfertig dieser Erkenntnis verschloß. Umstände beim Vertragsabschluß, die zu einer unzulässigen Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit, mithin zu Fremdbestimmung führen, kennzeichnen daher auch diesen Anlaßgrund. Er liegt vor, wenn der benachteiligte Vertragspartner in unlauterer Weise in eine Lage versetzt wird, in der ihm eine eigenverantwortliche Prüfung der für und gegen den Vertragsabschluß sprechenden Gründe unmöglich war.199 Dabei sind die gesamten Umstände mit zu berücksichtigen.200 Es muß eine Lage entstanden sein, in der zu ruhiger Überlegung keine Zeit blieb. Die nüchterne und eigenständige Abwägung des Für und Wider, insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Vereinbarung, war verhindert.201 Die Tragweite der übernommenen Verpflichtung konnte nicht überblickt werden.202 In diesem Zusammenhang kann es jedoch noch nicht Anlaß für eine richterliche Inhaltskontrolle des Ehevertrages sein, wenn der durch den Vertrag letztendlich begünstigte Ehegatte allein die Vorbereitung des Vertragsabschlusses übernommen hatte.203 198 BGH, 17.04.1980, III ZR 96/78, NJW 1980, 2076 (2077); BGH, 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 (56). 199 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170). 200 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997 , 1980 (1982). 201 BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH, 30.03.1995, IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 (1889); BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170). 202 Ritgen, JZ 2002, 114 (119). 203 OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764 (765).
IV. Die Überraschung
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Die Schaffung einer seelischen Zwangslage oder die Ausübung unzulässigen Drucks wirken hier oft ebenfalls mit und können mittelbar dann auch zur richterlichen Inhaltskontrolle führen.204 Diese Anlässe unterscheiden sich vom Vertragsdiktat, worauf nachfolgend noch näher eingegangen werden wird, durch ihre geringere, jedoch noch hinreichend rechtlich relevante Intensität. Bei diesen Zwangslagen wird man eigentlich erwarten können, daß der unterlegene Teil ihr ohne weiteres standhält. Um trotzdem einen Anlaßgrund zu begründen, wird man die Zwangslage um eine zeitliche Komponente anreichern müssen. Der grundsätzlich erlaubt ausgeübte Druck mit dem Ziel des Vertragsabschlusses gestattet auch hier nur dann eine selbst bestimmte Entscheidung, wenn die nötige Bedenkzeit eingeräumt war. Die objektiven Probleme bei dem Erfassen der wahren Tragweite des Inhalts der Vereinbarung müssen somit um ein zeitliches Moment verstärkt worden sein. Als Paradebeispiel dieser Konstellation kann die erstmalige Konfrontation mit einer sofortigen Kündigung sein, welche nur durch einen Vertragsabschluß noch abwendbar wäre. Hierher gehört die Situation, in der dem Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertrag oder ein Änderungsvertrag zur Unterzeichnung vorgelegt wird, mit der Alternative des sofortigen Ausspruchs einer Kündigung des Arbeitsvertrages.205 Vergleichbar sind Situationen, wo die Kreditinstitute den Ehegatten oder den Geschäftsführern der Darlehensnehmer Mithaftungsverpflichtungen zur Gegenzeichnung vorlegten, widrigenfalls sonst sofort durch eine Kündi-
204 BGH, 15.01.2002, XI ZR 98/01, ZIP 2002, 389 (390). Zwang wird ganz allgemein als Ursache für Fremdbestimmung angesehen: Ritgen, JZ 2002, 114 (119). 205 Siehe einerseits: BAG, 17.10.2000, 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206; LAG Hamburg, 03.07.1991, 5 Sa 20/91, NZA 1992, 309; LAG Berlin, 25.07.1996, 10 Sa 39/96, NZA-RR 1999, 355 und andererseits: BAG, 16.12.1983, 7 AZR 134/81, NJW 1983, 2958; BAG, 30.09.1993, 2 AZR 268/93, NZA 1994, 209 = NJW 1994, 1021; BAG, 14.02.1996, 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811 = NJW 1996, 2593; LAG MecklenburgVorpommern, 06.07.1995, 1 Sa 629/94, NZA 1996, 535. Siehe auch: Schmidt, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2000, AufhebVtr., Rdnr. 56 f., 75. Die Rechtsprechung des BAG, wonach grundsätzlich eine Bedenkzeit nicht eingeräumt werden braucht, ist inkonsequent. Bereits nach BAG, 27.09.1984, 2 AZR 62/83, NZA 1985, 1797 = NJW 1985, 455 muß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Beendigungskündigung ein mögliches und zumutbares Änderungsangebot unterbreiten, für dessen vorbehaltliche Annahme durch den Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von § 2 Satz 1 KSchG der Arbeitgeber eine Überlegungsfrist von einer Woche einräumen muß (siehe auch: Künzl, in: Ascheid/Preis/ Schmidt, a. a. O., § 2 KSchG, Rdnr. 34 und Groeger, FA 1999, 278). Die Wochenfrist wird aus § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG entnommen. Ist dem so, dann kann für die Wahl zwischen Beendigungskündigung und Aufhebungsvertrag eigentlich keine abweichende Sichtweise vertreten werden. Jedenfalls wenn eine betriebsbedingte Beendigungskündigung gegen Abfindung im Raume steht, hat der Arbeitnehmer auch das Recht abzuwägen, ob er gerichtlich den Erhalt seines Arbeitsplatzes erstreiten will, oder gegen Abfindung darauf verzichtet. Wo der maßgebliche Unterschied zu dem Arbeitnehmer liegt, der durch die Änderungskündigung (teilweise) auf seinen (bisherigen) Arbeitsplatz verzichtet, ist nicht ersichtlich.
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gung die Darlehen fällig gestellt würden.206 Bezogen auf den Ehevertrag ist hier insbesondere an Konstellationen zu denken, in denen das „Aufgebot schon bestellt“ und die Einladungen zur Feier an die Gäste verschickt sind. Es kommt darauf an, ob der andere Ehegatte in dieser Situation droht, die Hochzeit „platzen“ zu lassen, bekommt er nicht den Ehevertrag nach seinen Vorstellungen.207 Hier ist zwar die Überlegung angebracht, auf die Ehe mit einem solchen Partner zu verzichten. Ein trotzdem geschlossener Ehevertrag muß jedoch zumindest einer richterlichen Prüfung auf seine Angemessenheit zugänglich sein.208 Gerade diese Beispiele zeigen die inhaltliche Nähe zur nachfolgend noch näher erläuterten Fallgruppe des Vertragsdiktats auf. Der Unterschied wird darin liegen, daß hier eine Verbindung zwischen dem nur schwer erkennbaren Inhalt der Vereinbarung nebst den hieraus erwachsenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen einerseits und andererseits dem erhöhten zeitlichen Druck zur Eingehung der Vereinbarung besteht.209 Unter Beibehaltung des Zeitmomentes gehören zu dieser Fallgruppe jedoch nicht nur Konstellationen, in denen unter Ankündigung eines empfindlichen Übels die Vertragserklärungen abverlangt wurden. Die Beeinträchtigung der Willens206 BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 (1276); BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982). 207 Coester-Waltjen, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 2000, S. 985 (999) – kurzfristig vor dem angesetzten Hochzeitstermin von einem Partner unter Androhung des „Platzenlassens der Hochzeit“ geforderte Verzichtserklärungen; dies., S. 1005 – bereits laufende Hochzeitsvorbereitungen; Büttner, FamRZ 1998, 1 (5) – wenige Tage vor der im großen Stil vorbereiteten Hochzeit mit der ultimativen Forderung nach Abschluß eines Ehevertrages konfrontiert; ders., FF 2001, 65 (66); Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1339) – einige Tage vor der Eheschließung mit einem stark benachteiligenden Ehevertrag konfrontiert, wenn schon alle Hochzeitsvorbereitungen getroffen und die Einladungen verschickt sind. Unbeachtlich jedoch nach: BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, FamRZ 1992, 1403 – Ehevertrag vom 22.08.1984, Hochzeit am 31.08.1984, Niederkunft am 09.01.1985 – die Drohung, andernfalls die Eheschließung „platzen zu lassen“ greift für die Sittenwidrigkeit nicht durch; BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 – Ehevertrag vom 27.07.1984, Eheschließung am 30.07.1984, Niederkunft am 02.12.1984. 208 Vergleiche hier: OLG Köln, 12.07.1994, 4 UF 219/93, FamRZ 1995, 997 (998): Das Gericht lehnt die Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages mit Unterhaltsverzicht unter anderem auch deshalb ab, weil die durch den Verzicht belastete Ehefrau als Staatsbürgerin Sri Lankas vor Abschluß des Ehevertrages „(. . .) die Möglichkeit hatte sich zu erkundigen, sowie eine hinreichend lange Überlegungsfrist gegeben war.“ Problematisch ist nach dem in den Entscheidungsgründen mitgeteilten Sachverhalt jedoch, daß die vom Senat festgestellte Überlegungsfrist von 8 Monaten erst zwischen Vertragsabschluß und Eheschließung selbst ablief. 209 Nahezu klassisch sind hier dringend erfolgreich zu beendende Vertragsverhandlungen, über viele Stunden bis in den frühen Morgen hinein geführt, bei denen dann eine Partei – kurz vor der völligen Ermüdung der anderen Partei – nochmals ein nur schwer durchschaubares Vertragspaket vorlegt, deren Gesamtinhalt erst nach erneuter und nunmehr auch „ausgeruhter“ Überprüfung vollständig von der anderen Partei erkannt wird.
IV. Die Überraschung
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bildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung kann auch Anlaß zur Inhaltskontrolle von Verträgen sein.210 Der Blick auf den Anfechtungstatbestand nach § 123 Abs. 1 BGB zwingt zu der Überlegung, daß neben der rechtswidrigen Drohung auch durch Täuschung die Selbstbestimmtheit der vertraglichen Einigung nachteilig beeinträchtigt wird. Auch wenn beispielsweise die rechtliche und wirtschaftliche Tragweite der Vertragserklärung bewußt verharmlost wird, kann vertragliche Selbstbestimmung zu Fremdbestimmung werden.211 So, wenn der begehrte Vertragsabschluß als bloße Formalie dargestellt wird.212 Wichtig ist, daß sich eine solche Verharmlosung des Risikos auf die Entscheidung zum Vertragsabschluß auch tatsächlich auswirkte.213 Das Verhalten des begünstigten Teils muß auch hier verhindert haben, daß die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen der Vertragsbindung erkannt wurden. Auch wenn man vertragliche Pflichten bagatellisiert, fehlt es an der eigenständigen Abwägung des Für und Wider der mit dem Vertrag einher gehenden Belastungen.214 Der beschwichtigte Teil wird sich mit dem Inhalt der vertraglichen Abrede nicht näher befassen.215 Beispielsweise ist danach die Überrumpelung des anderen Teils in rechtlich anstößiger Art und Weise erkennbar, wenn der benachteiligte Vertragspartner ohne Vorankündigung an einem Wochenende in seiner Wohnung mit einem Vertragsantrag konfrontiert wird und der andere Teil zusätzlich das Vertragsrisiko mit Erklärung, es handele sich um eine reine Formsache, verharmlost.216 Nochmals: gerade in den soeben näher beschriebenen Fallgruppen überschneiden sich oftmals diejenigen tatsächlichen Umstände, welche eine richterliche Inhaltskontrolle auszulösen vermögen. Die punktgenaue Zuordnung ist daher unter dem Gesichtspunkt der „Summierung“ eher entbehrlich. Bedeutung erlangen die Überschneidungen, fehlt es den jeweiligen, die Inhaltskontrolle 210
BGH, 15.01.2002, XI ZR 98/01, ZIP 2002, 389 (390). BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1343); BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2089); BGH, 06.10.1998, XI ZR 244/97, NJW 1998, 135 (136). 212 BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, NJW 1994, 36 (37, 39); BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1343) – unter ausdrücklicher Aufgabe der noch von BGH, 16.03.1989, IX ZR 171/88, NJW 1989, 1605 (1606) vertretenen Auffassung; BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170). Gegebenenfalls muß man (noch immer) differenzieren. Der Hinweis, es sei nur eine Formsache, kann für die Beteiligten auch als allgemeine Redensart ohne inhaltliche Aussage über Umfang und Bedeutung des Risikos anzusehen sein; BGH, 05.01.1955, IV ZR 112/54, WM 1955, 375; BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1344); ferner: BGH, 27.10.1994, IX ZR 168/93, NJW 1995, 190 (191). 213 BGH, 15.04.1997, IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230 (3231). 214 BGH, 30.03.1995, IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 (1889). 215 BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1343). 216 BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170). 211
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
auslösenden Umständen allein noch an der nötigen Qualität beziehungsweise Quantität.217
V. Das Vertragsdiktat Der bereits genannte weitere Anlaßgrund zur richterlichen Inhaltskontrolle – hier unter dem Oberbegriff des Vertragsdiktats – ergibt sich ganz allgemein immer dann, wenn ein Vertragspartner sich zum Abschluß des Ehevertrages irgendwie gezwungen sah. Die Fälle zum Vertragsdiktat sind dadurch gekennzeichnet, daß der Ehevertrag vorrangig nicht wegen der konkreten vertraglichen Regelungen geschlossen wurde. Dem eigentlichen Regelungszweck des Ehevertrages muß ein anderes Motiv übergeordnet gewesen sein. Das direkte und unmittelbare Motiv zum Abschluß des Ehevertrages lag daher nicht in dem Wunsch, die durch den vereinbarten Ehevertrag möglichen Rechtsfolgen herbeizuführen. Im Kern muß hier der Abschluß des Ehevertrages nur Mittel zum Zweck, einem Zweck, der mit den geregelten Rechtsfolgen unmittelbar nichts zu tun hatte, gewesen sein. Im weiteren Sinne muß dann ferner zumindest einer der Partner auf den Vertragsschluß zur Erreichung dieser anderer, als der vertraglich näher geregelten Zwecke, angewiesen gewesen sein. Gerade in dieser Angewiesenheit liegt ein starkes Kriterium zur Auslösung von Schutzpflichten.218 Ist einer der Partner auf den Vertragsschluß angewiesen, entsteht ein Ungleichgewicht, wie es gleichsam typisch auch für nicht ausgehandelte Vertragsbedingungen ist. Daher muß es auch in diesen Fällen möglich sein, die Regelung einer Inhaltskontrolle zu unterziehen.219 Eine hinreichende Zwangslage für die Fallgruppe des Vertragsdiktats ist zumeist dann entstanden, wenn der Vertragspartner mit einem Übel im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB drohte, das angedrohte Übel jedoch objektiv rechtmäßig war, was wiederum eine erfolgreiche Anfechtung ausschloß.220 Unbeachtlich ist, ob ein Anspruch auf die begehrte vertragliche Verpflichtung bestand. Auch wenn es an einem Anspruch fehlt, ist die Drohung mit einem erlaubten Erfolg regelmäßig statthaft. Der angedrohte Erfolg darf jedoch nicht sittenwidrig sein. 217
Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 388. Kohte, ZBB 1994, 172 (175); Vykydal, JA 1996, 81 (82); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, V.3.c), S. 60; V.4.a), S. 64; Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 985 (1008); Ritgen, JZ 2002, 114 (119). Schon für SchmidtRimpler, FS für Ludwig Raiser, 1974, S. 3 (6) war die Ablehnungsmöglichkeit für die Erreichung der „Richtigkeitsgewähr“ erforderlich. 219 BGH, 24.10.1988, II ZR 311/87, NJW 1989, 1724 (1726) zur Inhaltskontrolle von im Verhältnis zu den Mitgliedern geltenden Satzungsnormen eines Vereins mit überragender, monopolartiger Stellung. 220 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1981). 218
V. Das Vertragsdiktat
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Ein auf diesem Wege veranlaßter Vertragsabschluß ist dann grundsätzlich nicht rechtswidrig,221 kann jedoch der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Der Annahme eines Anlaßgrundes steht ebenfalls nicht entgegen, ist das Verhältnis zwischen eingesetztem Drohmittel und begehrter Verpflichtung angemessen. Auch wenn der erstrebte Erfolg erlaubt ist, kann die Drohung trotzdem widerrechtlich sein. So, wenn Mittel und Zweck zwar für sich allein betrachtet nicht widerrechtlich sind, ihre Verbindung aber – die Benutzung dieses Mittels zu diesem Zweck – gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden oder gegen Treu und Glauben verstößt. Dann macht die Verknüpfung des in Aussicht gestellten Übels mit dem erstrebten Erfolg die Drohung insgesamt rechtswidrig.222 Hier muß eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung der Belange der Beteiligten erfolgen. Es ist zu prüfen, ob der Drohende an der Erreichung des von ihm erstrebten Erfolgs ein berechtigtes Interesse hat und ob die Drohung ein angemessenes Mittel darstellt.223 Hierbei sind nicht nur die Belange des Drohenden, sondern auch die Belange des Bedrohten zu berücksichtigen.224 Die rechtmäßige Drohung allein reicht jedoch nicht aus. Die Selbstbestimmung wird durch die Drohung nur dann nachhaltig beeinträchtigt, wenn dem Bedrohten eine nüchterne, eigenverantwortliche Abwägung nicht mehr möglich ist.225 Aus diesem Grunde muß die Konfrontation mit dem begehrten Vertragsabschluß den Bedrohten völlig unvorbereitet getroffen haben.226 Darüber hinaus wird zu fordern sein, daß der Drohende den anfänglichen Widerstand des Bedrohten gerade auch dadurch überwand, weil er als Alternative zum ausbleibenden Vertragsabschluß nur den sofortigen Eintritt des angekündigten Übels herausstellte.227 Der richterlichen Inhaltskontrolle kann auch hier wieder nur entgehen, wer in einer solchen Situation dem anderen Teil Bedenkzeit gewährt.228 221 BGH, 23.09.1957, VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217 (220 f.); BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 (1275). 222 BGH, 04.11.1982, VII ZR 11/82, NJW 1983, 384 (385); BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 (1275); BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1981). 223 BGH, 14.06.1951, IV ZR 42/50, BGHZ 2, 287 (296); BGH, 23.09.1957, VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217 (220 f.); BGH, 25.06.1965, V ZR 31/63, MDR 1965, 818; BGH, 28.05.1969, IV ZR 790/68, NJW 1969, 1627; BGH, 20.11.1972, VIII ZR 73/ 71, WM 1973, 36 (37); BGH, 06.05.1982, VII ZR 208/81, NJW 1982, 2301 (2302); BGH, 04.11.1982, VII ZR 11/82, NJW 1983, 384 (385); BGH, 12.07.1984, III ZR 8/ 84, WM 1984, 1249 (1250). 224 BGH, 12.07.1984, III ZR 8/84, WM 1984, 1249 (1250). 225 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170). 226 BGH, 22.01.1991, XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (924 f.); BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2002, 167 (170). 227 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Unnötig ist, ob die Bedenkzeit ausdrücklich verlangt wurde. Ausreichend muß sein, daß der Drohende die Notwendigkeit der Gewährung von Bedenkzeit hätte erkennen können. Hiervon ist auszugehen, wenn offenbar wurde, daß der Bedrohte noch nicht hinreichend Gelegenheit hatte, um in ruhiger Überlegung den begehrten Vertragsabschluß einerseits und das angedrohte Übel andererseits gegeneinander abzuwägen.229 Die Drohung, ansonsten die schon geplante und vorbereitete Hochzeit „platzen“ zu lassen,230 kann daher auch unter dem Gesichtspunkt des Vertragsdiktats eine richterliche Inhaltskontrolle rechtfertigen. Selbstverständlich kann eine Ehe auch ohne Ehevertrag geschlossen und gelebt werden. Gerade auch deshalb fordert jede Art von Verpflichtung zum Vertragsschluß besondere Beachtung. Gleichgültig ist, ob die Pflicht rechtlich völlig unverbindlich war und nur auf einer jedoch nachhaltigen subjektiven Empfindung eines der beiden Partner beruhte. Wußte der andere Ehegatte um diese zusätzliche Motivation, dann kann Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle vorliegend sein, wenn die Verpflichtung offensichtlich keinen näheren Bezug zu den konkret dann getroffenen Abreden hatte. Der Anlaßgrund des Vertragsdiktats ist anzuerkennen, weil einerseits eine gewisse Verpflichtung zum Vertragsschluß besteht, andererseits mangels Alternativen ein Ausweichen auf einen anderen Vertragspartner jedenfalls ausgeschlossen erscheint. Man kann eben nicht ernsthaft behaupten, zwischen „Ehe mit Ehevertrag“ und „Ehe ohne Trauschein“ bestünden echte Alternativen.231 Auch wenn sich die Angemessenheit einer Abrede danach beurteilt, ob der benachteiligte Vertragspartner der unangemessenen Regelung ausweichen konnte und ob ihm dieses Ausweichen auch zumutbar war,232 dann wird man beispielsweise der Eheschließung den Vorrang vor der Ablehnung des Ehevertrages einräumen müssen. Bisher wurde dieser Gedanke – soweit ersichtlich – kaum berücksichtigt. Beim Ehevertrag sind die potentiellen Vertragspartner vorgegeben. Hat man sich zum Abschluß eines Ehevertrages entschieden, dann steht auch zwingend fest, mit welcher Person der Vertrag zu schließen ist. Ein Ausweichen auf einen anderen Vertragspartner ist – mal abgesehen von der Trennung der (potentiel228 BGH, 18.01.1996, IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 (1276). Siehe auch: OLG Stuttgart, 03.08.2000, 16 UF 180/00, FamRZ 2001, 246 – Bedenkzeit zur Vaterschaftsanerkennung als ordre public; BGH, 19.10.1978, III ZR 74/77, NJW 1979, 872 (874) – Einräumung von Bedenkzeit für Abschluß eines „Abwicklungsvertrages“ bei Abzahlungsgeschäft (Verbraucherkredit). 229 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 (1982). 230 Siehe nochmals: Coester-Waltjen, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I, 2000, S. 985 (999); dies., a. a. O., S. 1005; Büttner, FamRZ 1998, 1 (5); ders., FF 2001, 65 (66); Bergschneider, FamRZ 2001, 1337 (1339). 231 So aber: Grziwotz, MDR 2001, 393 (394). Zu Recht dem gegenüber aber bereits Büttner, FamRZ 1997, 600 (601), mit dem Hinweis, daß dann die Frau doch glücklich sein müsse, überhaupt geheiratet zu werden. 232 Fastrich, FS für Otto Rudolf Kissel, 1994, S. 193 (209).
V. Das Vertragsdiktat
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len) Ehegatten – ausgeschlossen. Diese Situation ähnelt dem Kontrahierungszwang, ohne ihm gleichzustehen. Aber gerade auch die Störung von Markt und Wettbewerb durch Monopolbildung, mithin die Alternativlosigkeit, beeinträchtigt typischerweise die Vertragsfreiheit.233 Diese Alternativlosigkeit hinsichtlich der Person des potentiellen Vertragspartners vermag grundsätzlich dann Kontrahierungszwang zu begründen.234 Die Pflicht zum Abschluß eines Vertrages – also die Durchbrechung der Vertragsbegründungsfreiheit als Teil der Vertragsfreiheit – ist dann aber ohne Regelungen über die Art und Weise der Bestimmung auch des Vertragsinhalts praktisch wertlos.235 Die Durchbrechung der Vertragsbegründungsfreiheit hat somit automatisch auch Auswirkung auf die Vertragsgestaltungsfreiheit beziehungsweise die Vertragsinhaltsfreiheit. 236 Beim Kontrahierungszwang ist die privatautonome Aushandlung des Vertragsinhalts im Ergebnis nicht praktikabel. Es bedarf hier daher einer Lösung, die dem Funktionsprinzip der Vertragsfreiheit weitestgehend Rechnung trägt.237 Ziel des allgemeinen Kontrahierungszwangs ist die Herstellung eines Verhaltens, wie es unabhängige Vertragspartner in der konkreten Situation zeigen würden. Diese Situation ähnelt zunächst dem Anwendungsbereich der §§ 612 Abs. 2; 632 Abs. 2; 653 Abs. 2 BGB. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Normen entspricht diese Situation inhaltlich dem Fall, daß die Vertragspartner – ohne einem Einigungsmangel nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterliegen – die vertraglichen Leistungen, insbesondere die Gegenleistung, (noch) nicht konkret bestimmt haben.238 Deshalb soll insbesondere § 316 BGB seinem Rechtsgedanken nach für die Bestimmung der Gegenleistung beim allgemeinen Kontrahierungszwang entsprechend anwendbar sein.239 Soweit keine verbindlichen Regelungen über die Höhe der vom Vertragsinteressenten zu entrichtenden Gegenleistung bestehen, vermittelt das Rechtsinstitut des allgemeinen Kontrahierungszwangs einen Anspruch auf den begehrten Vertragsgegenstand zu Bedingungen, die billigem Ermessen entsprechen. Nach dem Regelungskonzept von 233 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.I.1., S.157; Bydlinski, WuB I F 1 a. – 4.94, S, 389 (392); Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2291 (2294); Ritgen, JZ 2002, 114 (119). Die wirtschaftliche Betrachtung der Alternativlosigkeit bevorzugt auch: Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (776). 234 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 5.II.2.a., S. 131 (132). 235 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.a., S. 251. 236 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.a., S. 252. 237 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.b.aa., S. 252. 238 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.b.aa., S. 255. Siehe auch: Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 154 BGB, Rdnr. 2; Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 154 BGB, Rdnr. 8. Siehe auch: BGH, 02.04.1964, KZR 10/62, BGHZ 41, 271 (276). 239 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.b.aa., S. 256. Siehe auch: Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 154 BGB, Rdnr. 8; Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 316 BGB, Rdnr. 6.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
§ 316 BGB hat zunächst der Gläubiger die Möglichkeit, die Gegenleistung selbst zu bestimmen. Als Gegenleistung kommen hier nicht nur der Preis selbst – also die im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht – sondern auch alle Vertragsbedingungen im weiteren Sinne in Betracht.240 Hat der Schuldner Zweifel daran, daß die vom Gläubiger vorgenommene Bestimmung der Leistung billigem Ermessen entspricht, kann er die Verbindlichkeit der Leistungsbestimmung wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gerichtlich prüfen lassen. Waren seine Zweifel berechtigt, bestimmt das Gericht die Leistung nach billigem Ermessen durch Urteil, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. § 315 BGB wiederum war dann jedenfalls anfänglich die normative Grundlage für die gerichtliche Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes.241 Auch wenn heute wohl zutreffend § 315 BGB als normative Grundlage der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen außerhalb des Anwendungsbereiches von § 305 ff. BGB – wie oben bereits ausgeführt – abgelehnt wird,242 die aus der Alternativlosigkeit in der Auswahl des Vertragspartners beim Ehevertrag resultierende latente Gefährdung der Vertragsfreiheit wird jedoch durchaus noch erkennbar.243 Die Angewiesenheit auf den Ehevertragsabschluß nur gegenüber genau einem potentiellen Vertragspartner ist schon per se eine nachhaltige Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit. Mit anderen Worten: Der Ehevertrag trägt wegen dem Wegfall der Vertragspartnerwahlfreiheit die Gefährdung der Vertragsfreiheit und somit die Gefährdung der vertraglichen Selbstbestimmung schon in sich. Wenn dann aber zusätzlich noch ein verpflichtend empfundener Zwang zum Abschluß eines Ehevertrages aufgebaut wird, dann ist die Selbstbestimmtheit der Vertragsentscheidung so erheblich in Frage gestellt, daß eine richterliche Inhaltskontrolle regelmäßig gerechtfertigt erscheint. 1. Das interne Vertragsdiktat Die hier als Vertragsdiktat bezeichneten Umstände lassen sich in innere und äußere Einflüsse, mithin in interne und externe Zwangssituationen unterteilen. Die Anlaßgründe zum internen Vertragsdiktat sind durch eine moralisch, sittlich oder auch emotional empfundene Verpflichtung zum Abschluß des Ehevertrages jedenfalls bei einem Ehegatten gekennzeichnet. Die grundsätzliche Eignung insbesondere emotionaler Bindungen von Ehegatten, aber auch von nahen Angehö240 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, § 7.VI.2.b.aa., S. 256. Siehe auch: Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 315 BGB, Rdnr. 23; ders., a. a. O., § 316 BGB, Rdnr. 4. 241 BGH, 29.10.1962, II ZR 31/61, BGHZ 38, 183 (186). 242 Siehe nur nochmals: Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2003, § 315 BGB, Rdnr. 8 ff. 243 Der Makel, nicht auf andere Vertragspartner und deren vertragliche Alternativen beim Ehevertrag ausweichen zu können, berechtigt daher durchaus zum Ruf nach dem Gesetzgeber (Büttner, FamRZ 1997, 600 [601]).
V. Das Vertragsdiktat
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rigen wie Kindern und Geschwistern sowie ferner auch von nichtehelichen Lebenspartnern als Indiz für die Unterlegenheit eines Vertragspartners, mithin für fehlende Vertragsparität, ist schon längere Zeit anerkannt.244 Bestehende persönliche Beziehungen aufgrund familiärer Bindung legen es regelmäßig nahe, daß die Fähigkeit zu einer selbst bestimmten Entscheidung bei Begründung der vertraglichen Verpflichtung beeinträchtigt war.245 Bei diesen Bindungen ist es erfahrungsgemäß selbst dann, wenn die Entschließungsfreiheit nicht rechtswidrig beeinflußt wird, schwierig, die erforderliche Entscheidung auf rationale, das wirtschaftliche Risiko sachlich und neutral abwägende Überlegungen zu stützen. Starke emotionale Zuneigung und darauf beruhendes persönliches Vertrauen einerseits, aber auch die Erkenntnis finanzieller Abhängigkeit und ein daraus resultierendes Gefühl eigener Unterlegenheit andererseits verführen leichter als in anderen zwischenmenschlichen Bereichen dazu, wirtschaftliche Risiken zu übersehen oder falsch einzuschätzen.246 Deshalb wird beispielsweise auch gerade hier die strukturelle Unterlegenheit beim Vertragsabschluß vermutet, ist eine krasse finanzielle Überforderung247 durch die vertraglichen Pflichten festgestellt. Es wird vermutet, daß der Ehegatte oder der nahe Angehörige sich nicht von einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten ließ und weiter, daß der Vertragspartner gerade diese emotionale Bindung in 244 BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1343); BGH, 23.01.1997, IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005; BGH, 11.12.1997, IX ZR 274/96, NJW 1998, 894; BGH, 18.12.1997, IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 (598); BGH, 08.10.1998, IX ZR 257/97, NJW 1999, 58 (59); BGH, 25.11.1999, IX ZR 40/98, NJW 2000, 362 (363); BGH, 16.12.1999, IX ZR 36/98, NJW 2000, 1179 (1181); BGH, 27.01.2000, IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182 (1184); BGH, 08.11.2001, IX ZR 46/99, ZIP 2001, 167 (170); BGH, 04.12.2001, XI ZR 56/01, ZIP 2002, 110 (112); OLG Saarbrücken, 08.08.1995, 7 U 143/95, NJW-RR 1996, 813. Für Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (22); ähnlich dies., FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1008) ist die Entscheidungsfreiheit typischerweise eingeschränkt, sieht sich ein Teil aus Liebe existentiell auf den Vertragsschluß angewiesen. In diesem Sinne auch: Derleder, FS für Johannes Bärmann und Hermann Weitnauer, 1990, S. 121 (138 ff.); Großfeld/Lühn, WM 1991, 2013 ff.; Göpfert, JuS 1993, 655 (658); Becker, DZWir 1994, 397 (407); Pape, ZIP 1994, 515 (517); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (266); Rehbein, JR 1995, 45 (49); Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (326); Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (337, 353); Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, S. 2000, 985 (1003). Ausdrücklich noch anderer Meinung: BGH, 07.06.1988, IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599 (2602): Es ist in Anbetracht von § 138 Abs. 1 BGB nicht anstößig, wenn die eigene Interessenwahrnehmung in Kenntnis der „verwandtschaftlichen Gefühlsbindungen“ des anderen Teils erfolgt. BGH, 19.01.1989, IX ZR 124/88, NJW 1989, 830 (831): Die Ausnutzung familiärer Hilfsbereitschaft vermag Sittenwidrigkeit nicht zu begründen. Noch immer zweifelnd: BGH, 05.01.1995, IX ZR 85/94, NJW 1995, 592 (593): Die Ehe allein ist kein hinreichend anstößiges Motiv. 245 BVerfG, 05.08.1994, 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750). 246 BGH, 24.02.1994, IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH, 18.12.1997, IX ZR 217/96, NJW 1998, 597 (598). 247 Diese Überforderung soll in Mitverpflichtungsfällen feststellbar sein, wenn der Ehegatte oder nahe Angehörige nicht die laufenden Zinsen aus seinem eigenen pfändbaren Einkommen bedienen kann.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
sittlich anstößiger Weise ausnutzte.248 Auch die Ausnutzung einer Vertrauensstellung249 ist an dieser Stelle zu nennen. Üblicherweise haben auch Ehegatten ein gesteigertes Vertrauen zueinander. Ferner soll ein objektiv nachvollziehbares „Dankesgefühl“ die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit bewirken können.250 Selbst erfahrene und geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell überfordern und die sie im geschäftlichen Bereich vermutlich niemals eingegangen wären.251 An der emotional beeinflußten Konfliktsituation fehlt es auch dann nicht, wird die Mithaftung für eine juristische Person übernommen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung der nahestehenden Person gehört.252 Die Selbstbestimmung beim Vertragsabschluß kann darüber hinaus noch in gesteigerter Form in Frage gestellt sein. Hier appelliert der eine Ehegatte an die eheliche Liebe, Hilfsbereitschaft und Solidarität, um den Vertragsabschluß durch den anderen Ehegatten zu bewirken. Diese Ausnutzung einer seelischen Zwangslage soll schon im Rahmen 248 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (816); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (125). So hatte es Honsell, JuS 1993, 817 (820) bereits für Ehegatten und Lebensgefährten vorgeschlagen, wenn er meint, der BGH solle „(. . .) eine bei Vertragsschluß prognostizierbare Überforderung für das Urteil der Sittenwidrigkeit genügen lassen und (. . .) auf weitere Umstände verzichten“. Auch Pape, ZIP 1994, 515 (517) hatte sich bereits für die Vermutung ausgesprochen, daß bei nahen Angehörigen der moralische Druck die Eingehung wirtschaftlich verheerender Verpflichtungen verursacht und es regelmäßig an einer wirtschaftlich nachvollziehbaren Motivation zur Eingehung dieser Verpflichtungen fehlt. Für Coester-Waltjen, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S. 985 (1003) ist die Berücksichtigung der emotionalen Lage der Vertragsparteien das „Herzstück“ des in den Bürgschaftsfällen vom Bundesverfassungsgericht geforderten Schutzes. 249 Vergleiche: OLG Karlsruhe, 18.02.1999, 19 U 66/98, NJW 2001, 2804 (2805). 250 Hierzu: BGH, 15.04.1997, IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230 (3231). 251 BGH, 27.01.2000, IX ZR 198/98, WM 2000, 410 (413); BGH, 13.11.2001, XI ZR 82/01, ZIP 2002, 123 (125). 252 BGH, 18.12.1997, IX ZR 217/96, NJW 1998, 597 (599); BGH, 18.09.2001, IX ZR 183/00, ZIP 2001, 1954 (1955) mit Anmerkung Emde, GmbHR 2001, 1045; BGH, 15.01.2002, XI ZR 98/01, ZIP 2002, 389 (390). Dann gelten die zur Ehegattenmithaftung entwickelten Grundsätze jedoch nur, wenn dem Kreditinstitut klar ersichtlich war, daß der als Bürge auftretende Strohmann finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung als Gesellschafter ohne eigenes wirtschaftliches Interesse und nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat. Hier befindet sich derjenige, der die Haftung übernehmen soll, nicht selten in einer für Verwandten- oder Ehegattenbürgschaften typischen Konfliktsituation. Das kann dazu führen, daß die Entscheidung, sich an einer Gesellschaft zu beteiligen, nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruht, sondern allein deshalb erfolgt, um dem anderen einen Gefallen zu tun. In diesen Fällen, so wird man BGH, 15.01.2002, XI ZR 98/01, ZIP 2002, 389 (390) wohl entgegen BGH, 18.09.2001, IX ZR 183/00, ZIP 2001, 1954 (1955) verstehen müssen, folgen aus der krassen finanziellen Überforderung und aus der emotionalen Verbundenheit des Bürgen mit der die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person ebenfalls tatsächliche Vermutungen zu Lasten des Kreditgebers. Darlegen und beweisen muß der Mithaftende lediglich, daß ein eigenes wirtschaftliche Interesse insgesamt fehlte und ferner, daß dieser Umstand dem Kreditinstitut klar ersichtlich war.
V. Das Vertragsdiktat
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der Sittenwidrigkeitskontrolle regelmäßig rechtlich zu mißbilligen sein.253 Bewirkt die Erklärung des Ehemannes, die Ehefrau könne ihm mit ihrer Unterschrift ihre Liebe beweisen,254 den Vertragsabschluß mit, dann spielen solche Motive auch im Recht sehr wohl eine Rolle.255 Ein solches Ansinnen kann als Verstoß gegen die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft gewertet werden. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet die Ehegatten nur zu maßvoller Unterstützung, nicht jedoch zu Verträgen mit ungewöhnlich hoher Belastung.256 a) Der Ehevertrag als Bedingung für die Eheschließung Diese Grundsätze sind zweifelsfrei erkennbar, wenn ein Ehegatte die Eheschließung von der Bedingung abhängig gemacht hatte, daß ein Ehevertrag geschlossen wird. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung.257 Der Ehevertrag als Bedingung der Eheschließung stellt immer eine hinreichende Zwangssituation dar. Gesteigert wird die Drucksituation dann, wenn der Abschluß des Ehevertrages erst wenige Tage vor der Hochzeit verlangt wird. Unter keinen Umständen mehr hinzunehmen ist es, findet der Notartermin am Tage der Eheschließung vor der standesamtlichen Trauung und vor den Hochzeitsfeierlichkeiten unter dem Hinweis statt, ansonsten die Hochzeit „platzen“ zu lassen.258 b) Die Schwangerschaft der Braut Deutlicher wird das Kontrollbedürfnis, wenn – zumeist der Ehemann – die Eheschließung in Ansehung einer bevorstehenden Niederkunft vom Abschluß eines Ehevertrages abhängig macht. Die zeitliche Nähe von bevorstehender Niederkunft, Ehevertragsschluß und Eheschließung sind Umstände, welche die 253 BGH, 22.01.1991, XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (925); BGH, 24.11.1992, XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH, 25.04.1996, IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 (2089); BGH, 23.01.1997, IX ZR 69/96, NJW 1997, 1003; Becker, DZWir 1994, 397 (408). Gernhuber, JZ 1995, 1086 hält es daher unter Verzicht auf ein subjektives Tatbestandsmerkmal für nach § 138 BGB sittenwidrig, „(. . .) Rechtsgeschäfte zu tätigen, die nur Zustandekommen, weil ein emotional übersteuerter Vertragspartner um familiärer Verbundenheit willen Solidarität im Übermaß zu üben bereit ist.“ 254 BGH, 22.01.1991, XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (925). 255 Anders noch: Honsell, JuS 1993, 817 (818, 819); Reuter, DZWir 1993, 45 (48) „Schutz vor eigener Unvorsichtigkeit“, wenn sich die Ehefrau durch einen Appell an ihre persönlichen Gefühle zur Unterschrift überreden läßt. 256 Becker, DZWir 1994, 397 (408). 257 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101 f., 105) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 258 OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138 (139).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Rechtsprechung auch schon bisher zur Sittenwidrigkeitskontrolle des Ehevertrages angehalten haben.259 Daran wird nunmehr regelmäßig festzuhalten sein.260 Die Tatsache der Schwangerschaft allein sollte jedoch keinen Schluß auf die Sittenwidrigkeit zulassen, jedenfalls dann nicht, wenn keine Feststellungen getroffen werden können, daß die Ehefrau – wohl wegen der Schwangerschaft – besonders leicht beeinflußbar war und der Ehemann diese Umstände ausnutzte, um den Ehevertrag zu erlangen.261 Die bestätigenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes262 dürften ebenfalls durch das Bundesverfassungsgericht eine deutliche Antwort gefunden haben.263 Um den Preis eines sie stark benachteiligenden Ehevertrages soll die Schwangere nicht die Eheschließung bewirken müssen.264 Wegen der Sorge auch um die Zukunft des erwarteten Kindes und unter dem Druck der bevorstehenden Entbindung befindet sich die Schwangere typischerweise in einer dem Ehemann weit unterlegenen Position.265 „Eine Situation der Unterlegenheit/Dominanz ist (. . .) dann anzunehmen, wenn z. B. eine ledige schwangere Frau vor die Alternative gestellt wird, alleinerziehende Mutter zu werden oder – um den Preis, verheiratet zu sein – auf sämtliche Unterhaltsansprüche zu verzichten und den Kindesvater ggf. noch von Unterhaltsansprüchen des Kindes freizustellen.“266 Doch gerade auch hier bleibt der Hinweis wichtig, Schwangerschaft ist nur ein exemplarisches Beispiel für eine Situation von Unterlegenheit.267 Selbstverständlich können schwangere Frauen grundsätzlich wirksame Eheverträge eingehen. Es kommt eben auch auf den Vertragsinhalt an. Beachtet dieser Vertragsinhalt die jetzt erfolgende Rollenverteilung ausreichend, belastet er auch die werdende Mutter nicht. c) Der Ehevertrag als Bedingung für die Fortsetzung der Ehe Auch ein während schon länger laufender Ehezeit geschlossener Ehevertrag kann durchaus mit kritischer Aufmerksamkeit zu betrachten sein. Einmal kön259
OLG Hamm, 28.9.1982, 2 W 403/82, FamRZ 1982, 1215. OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138 (139). 261 OLG Hamm, 28.9.1982, 2 W 403/82, FamRZ 1982, 1215. 262 BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165) = FamRZ 1992, 1403 (1404); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, FamRZ 1996, 1536 (1537). 263 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101 f., 105) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 264 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (102) „Ehevertrag I“. 265 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (104) „Ehevertrag I“. 266 OLG Brandenburg, 28.07.2002, 9 WF 25/02, FamRZ 2003, 764 (765). 267 Bergschneider, FF 2003, 118. 260
V. Das Vertragsdiktat
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nen Trennung und Scheidung kurz bevorstehen. Dieses Problem hat der Gesetzgeber gesehen und eine Wirksamkeitssperre in § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB eingeführt. Auch – und diese Fälle sollen den jetzt bearbeiteten Anlaßgrund umschreiben – wird der Abschluß des Ehevertrages gegebenenfalls zwar nicht mehr zur Bedingung der Eingehung, sondern jetzt der Fortsetzung der Ehe gestellt. Auf die Ehescheidungsfreiheit kann sich einer der Ehepartner ebensowenig zur Durchsetzung unangemessener Vertragsbedingungen berufen, wie auf die Eheschließungsfreiheit.268 So zum Beispiel, wenn sich die Ehegatten nach einem „Seitensprung“ im Interesse der Kinder entschließen, die Ehe fortzuführen. Hier kann ein Ehegatte wegen des „(. . .) ehelichen Fehlverhaltens in einer mißlichen Lage (. . .)“ sein, die es ihm „(. . .) nahegelegt hat, auf die entsprechenden rechtlichen Wünsche (. . .) einzugehen.“269 Anlaß zur Inhaltskontrolle muß es daher entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch sein, steht die Rücknahme eines gestellten Scheidungsantrages unter der Bedingung der Eingehung eines Ehevertrages.270 Auch die Sichtweise des Bundesgerichtshofes, nur weil es einem der Ehegatten wegen der ehevertraglichen Vereinbarungen schwerer fällt, sich scheiden zu lassen, sei der Ehevertrag noch nicht Wirksamkeitsbedenken ausgesetzt,271 bedarf unter diesem Gesichtspunkt stetig neuer Überprüfung. d) Der Ehevertrag und die Jahresfrist nach § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB Auch im Zusammenhang mit der Jahresfrist zu § 408 Abs. 2 Satz 2 BGB kann eine richterliche Inhaltskontrolle erforderlich werden. Kritisch müssen hier zeitliche Abläufe gewürdigt werden, die folgendem Beispiel272 entsprechen. Zunächst stellt der durch einen erst später noch geschlossenen Ehevertrag wirtschaftlich begünstigte Ehegatte einen Scheidungsantrag. Dann werden diesem Ehegatten die wirtschaftlichen Folgen der Scheidung bewußt. Er beantragt, das Scheidungsverfahren für 6 Monate auszusetzen. Die Ehegatten unternehmen einen Ehefortsetzungsversuch. Während dieser Zeit wird dann der den Scheidungsantragsteller nunmehr wirtschaftlich begünstigende Ehevertrag geschlos268
Büttner, FF 2001, 65 (66). OLG Frankfurt, 3.12.1982, 1 UF 137/82, FamRZ 1983, 176 (178). 270 Anders jedoch: OLG Hamm, 20.04.1994, 10 UF 505/92, NJW-RR 1995, 964 = FamRZ 1995, 40; OLG Köln, 19.10.1994, 27 UF 54/94, FamRZ 1995, 929; OLG Koblenz, 05.02.1996, 13 UF 625/95, NJW-RR 1996, 901 = FamRZ 1996, 1212; OLG Köln, 15.01.1997, 26 UF 136/96, FamRZ 1997, 1539. Die Entscheidungen BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 = FamRZ 1996, 1536 und BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 = FamRZ 1997, 156 gelten mit Grziwotz, DNotZ 1998, 228* (257*) als Bestätigung dieser obergerichtlichen Rechtsprechung. 271 BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1834); BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192 (193). 272 Siehe: OLG Koblenz, 22.8.1986, 13 UF 465/85, FamRZ 1986, 1220. 269
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
sen. Dann nimmt dieser Ehegatte seinen Scheidungsantrag in Kenntnis der Rechtsfolgen von § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB zurück.273 Nach Ablauf der Jahresfrist stellt er dann erneut einen Scheidungsantrag. Ihr Vorbringen, den Ehevertrag gezeichnet zu haben, weil sie an der Fortsetzung der Ehe interessiert war, nutzte der Ehefrau nicht, obwohl sie die Aufrichtigkeit der Bekundung des Ehemannes, den Vertrag in der Absicht, die Versöhnung der Ehegatten herbeizuführen, ausdrücklich anzweifelte. Der Vertrag sei doch während des Aussöhnungsversuches, der schließlich zur Rücknahme des Scheidungsantrages führte, abgeschlossen worden.274 Auch hier war der Ehevertrag eine Bedingung für die Fortsetzung der Ehe, hier im Wege der Aussöhnung. Erschwerend tritt die Manipulation gegenüber § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB hinzu. Als weiteres Beispiel von Manipulationsmöglichkeiten275 gilt ein Ablauf, bei dem bereits getrennt lebende Ehegatten sodann ehevertraglich auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs gegenseitig verzichteten. Bei dieser Gelegenheit waren sie unter wörtlicher Ausformulierung in der notariellen Urkunde über die Rechtsfolgen des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB belehrt worden. Da man sich offensichtlich darüber verständigt hatte, im Fall der Scheidung aus Kostengründen nur auf einer Seite einen Rechtsanwalt zu beauftragen,276 teilte die Ehefrau dem Anwalt des Ehemannes noch vor Ablauf der Jahresfrist mit, daß sie „nun doch auf einen Rentenausgleich nicht mehr verzichten“ möchte. Dann stellte 273 Bei Rücknahme eines innerhalb der Jahresfrist gestellten Scheidungsantrages wird der Ausschluß des Versorgungsausgleichs mit Ablauf der Jahresfrist wirksam: BGH, 13.1.1993, XII ZB 9/90, FamRZ 1993, 672; OLG Hamm, 20.04.1994, 10 UF 505/92, FamRZ 1995, 40 (41); a. M.: OLG Zweibrücken, 12.11.1984, 2 UF 43/84, FamRZ 1985, 72; OLG Köln, 29.1.1985, 25 UF 162/84, NJW 1985, 922; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30. Die bereits bei Abschluß des Ehevertrages bestehende Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages steht der erst nachträglichen Antragsstellung gleich: OLG Düsseldorf, 17.9.1985, 3 UF 69/85, NJW-RR 1986, 626(627); OLG Koblenz, 22.8.1986, 13 UF 465/85, FamRZ 1986, 1220(1221). § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB ist „entsprechend“ anzuwenden: BGH, 4.2.1987, IV b ZB 106/85, NJW 1987, 1768 (1769); OLG Hamm, 20.04.1994, 10 UF 505/92, FamRZ 1995, 40 (41). Wenn der vor Ausschluß des VersAusgl bereits gestellte Scheidungsantrag dann zurück genommen wird, läuft die Jahresfrist weiter. 274 OLG Koblenz, 22.8.1986, 13 UF 465/85, FamRZ 1986, 1220 (1221). Aber: Ohne die Rücknahme des Scheidungsantrages wären die Rechtsfolgen des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB nie beseitigt worden. 275 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30, Fußn. 95. „Daß der durch den Ausschluß des VersAusgl benachteiligte Ehegatte es nach dieser Regelung in der Hand hat, sich innerhalb der Jahresfrist gleichsam in Form des Scheidungsantrages von der belastenden Ausschlußvereinbarung loszusagen, ist eine vom Gesetzgeber hingenommene Folge und dient nicht dem Zweck, dem Vertragsreuigen einen zusätzlichen einseitigen Lösungsgrund zu verschaffen.“ – BGH, 16.09.1998, XII ZB 104/96, FamRZ 1999, 155 (156). 276 Was möglich ist – siehe nur: Vollkommer, in: Zöller, 23. Aufl., 2003, § 78 ZPO, Rdnr. 33.
V. Das Vertragsdiktat
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der Anwalt für den Ehemann einen Scheidungsantrag. Nach Ablauf der Jahresfrist nahm der Anwalt den Scheidungsantrag wieder zurück. Weitere 8 Monate später stellte dieser Anwalt erneut einen Scheidungsantrag für den Ehemann.277 Das Berufungsgericht278 hat den Versorgungsausgleich durchgeführt. Der Ehemann könne sich nicht auf den Ausschluß berufen, §§ 162 Abs. 1, 242 BGB. Es sei unredlich, dem Ansinnen der Ehefrau durch Stellung des Scheidungsantrages zunächst zu folgen, um dann, nach Ablauf der Jahresfrist und ohne vorherigen Hinweis an die Ehefrau, den Antrag wieder zurückzunehmen. Zu beachten war auch, daß beide Ehegatten nur einen Anwalt beauftragten. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß die bloße Antragstellung nach einer Ansicht ausreichen soll, unabhängig davon, ob der Scheidungsantrag begründet oder unbegründet ist279 oder aber der Antrag selbst zurück genommen280 wird. Ob die Gefahr des Mißbrauchs der Vorschrift des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB in den Fällen der Antragsrücknahme gering ist,281 darf schon bezweifelt werden. Jedenfalls führt diese Sichtweise zur Einräumung eines Rechts zum Widerruf mit Jahresfrist.282 Daher muß der Ausschluß des Versorgungsausgleiches mit Antragsrücknahme wirksam werden können.283 Nur diese Auffassung verhindert, daß sich ein Ehegatte durch Stellung des Scheidungsantrages und spätere Rücknahme einseitig von den ehevertraglichen Verpflichtungen lösen kann.284 Wird der Scheidungsantrag durch den vom Ausschluß des Versorgungsausgleichs begünstigten Ehegatten innerhalb der Jahresfrist gestellt, kann dem anderen Ehegatten nur zwingend die Stellung eines eigenen Antrages anzuraten sein. Was gilt, wenn der vor Rücknahme, jedoch nach Ablauf der Jahresfrist gestellte andere Antrag zur Scheidung führt, ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof stimmte der Wertung des Berufungsgerichts dem Grunde nach zu. Er hatte jedoch Zweifel an der Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei der Ehefrau. Das Berufungsurteil 277
BGH, 13.01.1993, XII ZB 9/90, FamRZ 1993, 672 = NJW 1993, 1004. OLG Düsseldorf, 15.12.1989, 5 UF 57/88, n. v. 279 OLG Stuttgart, 09.02.1982, 18 UF 357/81, FamRZ 1982, 614; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30. Die Zustellung eines PKH-Antrages genügt hingegen nicht: BGH, 16.09.1998, XII ZB 104/96, FamRZ 1999, 155 (156). 280 OLG Zweibrücken, 12.11.1984, 2 UF 43/84, FamRZ 1985, 72; OLG Köln, 29.01.1985, 25 UF 162/84, NJW 1985, 922; Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30. 281 OLG Köln, 29.01.1985, 25 UF 162/84, NJW 1985, 922 (923). 282 Reinartz, NJW 1977, 81 (83) sieht die Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes binnen Jahresfrist. 283 BGH, 14.05.1986, IVb ZB 14/85, NJW 1986, 2318; BGH, 13.01.1993, XII ZB 9/90, FamRZ 1993, 672; OLG Hamm, 20.04.1994, 10 UF 505/92, FamRZ 1995, 40 (41); Eichenhofer, DNotZ 1994, 213 (227); Gaul, FamRZ 1981, 1134 (1138); a. M.: Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30 m. w. N. 284 BGH, 14.05.1986, IVb ZB 14/85, NJW 1986, 2318. 278
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Die Ehefrau hätte binnen einer angemessenen Frist nach der Rücknahme des Scheidungsantrages einen eigenen Scheidungsantrag stellen müssen.285 Dem Ergebnis ist zuzustimmen. Die Illustration der Manipulationsmöglichkeiten bleibt. Ein Anlaßgrund dürfte jedoch hier nicht gegeben sein. Zwar hat sich der Ehemann unredlich verhalten, jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Abschluß des Ehevertrages. Die beiden Sachverhalte unterscheiden sich gerade wesentlich in ihrer zeitlichen Abfolge. Überschneidungen mit dem nachfolgenden Anlaßgrund werden jedoch ersichtlich. Gerade die Erkenntnis, daß ein – auch nach Stellung des Scheidungsantrages – erfolgter ehevertraglicher Ausschluß des Versorgungsausgleichs mit Rücknahme des Scheidungsantrages wirksam wird, zeigt Manipulationsmöglichkeiten auf.286 Deshalb trotz Rücknahme des Scheidungsantrages an der Unwirksamkeit nach § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB festzuhalten,287 dürfte nicht die zutreffende Lösung aufzeigen. Treten Rechtsfolgen des materiellen Rechts durch die Rechtshängigkeit einer Klage ein, dann entfallen sie im Zweifel rückwirkend, wenn durch Klagerücknahme der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, §§ 269 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 262 ZPO.288 Festzuhalten bleibt hier jedenfalls, daß die abweichende Ansicht mehr Sensibilität für diese Konstellationen anmahnt, eben einen Anlaß sieht, doch genauer zu prüfen.
285 BGH, 13.01.1993, XII ZB 9/90, FamRZ 1993, 672 (673). Die Stellung eines eigenen Scheidungsantrages wird daher immer dann erfolgen müssen, wenn er u. a. die Wirkungen des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB zeichnen soll. Was bei Rücknahme des ersten Scheidungsantrages gilt, wenn der zweite Scheidungsantrag erst nach Ablauf der Jahresfrist gestellt wurde, ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. 286 Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30, Fußn. 95. 287 Nach Kanzleiter, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1408 BGB, Rdnr. 30, Fußn. 95 heilt die Rücknahme des Scheidungsantrages wegen der damit eröffneten Manipulationsmöglichkeiten nie die Unwirksamkeit nach § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB, unabhängig davon, ob der Scheidungsantrag bei Abschluß des Ehevertrages gestellt war oder nicht. Nach Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl. 2003, § 1408 BGB, Rdnr. 16 soll lediglich ein nach Stellung des Scheidungsantrages vereinbarter ehevertraglicher Ausschluß des Versorgungsausgleiches durch Antragsrücknahme nicht mehr wirksam werden können. Anders jedoch ausdrücklich: OLG Koblenz, 22.8.1986, 13 UF 465/85, FamRZ 1986, 1220 (1221) und jedenfalls sinngemäß: BGH, 4.2.1987, IVb ZB 106/85, NJW 1987, 1768 (1769), wenn er ausführt, daß die Ehegatten „(. . .) – vom Sonderfall der Antragsrücknahme abgesehen – (. . .)“ nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages „(. . .) den Versorgungsausgleich nur noch durch eine Scheidungsfolgenvereinbarung nach § 1587o BGB vertraglich regeln können. 288 BGH, 14.5.1986, IVb ZB 14/85, NJW 1986, 2318; Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1564 BGB, Rdnr. 49 f.; Thomas, in: Thomas/Putzo, 22. Aufl. 1999, § 269 ZPO, Rdnr. 11; Lüke, in: MünchKomm, 2. Aufl. 2000, § 269 ZPO, Rdnr. 40; Brammsen/Leible, JuS 1997, 54 (59).
V. Das Vertragsdiktat
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e) Der Ehevertrag und die Scheidungserschwerung Noch ein weiterer Anlaßgrund kann sich aus den Rechtsfolgen von § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB ergeben. Wenn für den Ehegatten, der Antrag auf Scheidung der Ehe innerhalb der Jahresfrist stellt, im Ehevertrag dann Nachteile drohen, die sonst – also nach Ablauf der Jahresfrist – nicht wirksam werden sollen, so muß diese Scheidungserschwerung289 das Tor zur richterlichen Inhaltskontrolle öffnen. Doch auch ganz allgemein wird die Scheidungserschwerung schon jetzt als Unwirksamkeitsgrund anerkannt. „Der Abschluß eines Ehevertrages nach § 1408 Abs. 1 Satz 1 BGB schränkt ohne Hinzutritt besonderer (. . .) Umstände keinen der Vertragspartner in der Möglichkeit ein, binnen Jahresfrist nach Vertragsschluß einen Scheidungsantrag zu stellen und dadurch – gewollt oder ungewollt – die Rechtsfolge des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB auszulösen.“290 An welche „besondere Umstände“ mag der BGH hier gedacht haben? Denkbar, daß durch ehevertragliche Vereinbarungen der Eintritt der rechtlichen Wirkungen von § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB dadurch verhindert werden soll, daß die Parteien des Ehevertrages vereinbaren, sich im wirtschaftlichen Ergebnis so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Unwirksamkeitsgrund wegen Fristablaufes nicht eingriffe?291 Dann würde jedoch nur gelten, was auch nach Ablauf der Jahresfrist beachtlich ist. Eine beachtliche Scheidungserschwerung wäre noch nicht ersichtlich. Zu denken wäre jedoch an die Unwirksamkeit dieser ergänzenden Abrede unter dem Gesichtspunkt des Umgehungsgeschäfts, § 134 BGB. Was gilt aber, wenn zwar durch rechtzeitige Antragstellung der Ausschluß des Versorgungsausgleiches entfällt, zur Strafe aber dann auch eine positive Regelung beispielsweise hinsichtlich des Zugewinnausgleichs gestrichen ist? § 139 BGB steht dem wohl nicht entgegen. Die Parteien haben doch eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen. Grund zur Annahme, daß der gesamte Ehevertrag für den Fall der Unwirksamkeit der Abmachungen über den Versorgungsausgleich entfallen soll, besteht daher gerade nicht. Haben die Parteien ergänzende Vereinbarungen angesichts von Wirksamkeitszweifeln getroffen, soll § 139 BGB ohnehin nicht eröffnet sein.292 Auch dürfte die positivere Gestaltung zum Zugewinn bedingt sein – aufschiebend bedingt durch den
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In Anlehnung an die sog. arbeitsrechtliche „Kündigungserschwerung“. BGH, 17.10.1984, IVb ZB 153/82, NJW 1985, 315 (317). 291 OLG Koblenz, 17.12.1985, 11 UF 850/85, FamRZ 1986, 273. Die schuldrechtlich verpflichtende Heilungsvereinbarung wurde vom Gericht gesehen und sogar zur Begründung der Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB mit herangezogen. „Über Ansprüche, die sich aus diesen Verpflichtungen ergeben, (. . .)“ brauchte und wollte das Gericht ausdrücklich nicht befinden. 292 Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 1997, § 35 II.3.a), Rdnr. 507, S. 193; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, § 23 II.b), S. 462. 290
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Ablauf der Jahresfrist oder auflösend bedingt durch die negative Tatsache, daß während dieser Frist kein Scheidungsantrag gestellt wird. In Abgrenzung zur Scheidungserschwerung ist jedenfalls ein ehevertraglicher Ausschluß der Scheidung unwirksam. Gleiches gilt für einen lediglich zeitlich befristeten Ausschluß der Scheidung.293 Es gehört zur bürgerlich-rechtlichen Ehe, daß sie unter den gesetzlichen Voraussetzungen geschieden werden kann. Die Vorschriften über die Scheidung sind zwingend und der Disposition der Parteien im Ehevertrag entzogen.294 Verzichtet werden kann lediglich auf einen bereits bestehenden Scheidungsanspruch, mithin auf die Geltendmachung bereits entstandener Scheidungsvoraussetzungen, wie beispielsweise bereits abgelaufene Trennungszeiten.295 Die Grenzen zulässiger Scheidungserschwerung sind durch §§ 138, 134 BGB erreicht. Wenn ähnlich einer Vertragsstrafe die Scheidung wirtschaftlich unmöglich gemacht werden soll, wird die Abrede als unwirksam behandelt. Ein Zahlungsversprechen wird dann als grundsätzliche Scheidungssperre angesehen. Wenn sich ein Ehegatte in einem Ehevertrag für den Fall der Scheidung zu Leistungen an den anderen verpflichtet oder die getroffenen Abreden bei einer Scheidung sonst ausschließlich oder doch überwiegend zu seinen Lasten gehen, rechtfertigt es allein zwar noch nicht die Annahme, die Scheidung werde diesem Ehegatten in unzulässiger Weise erschwert. Zwar mag ihm der Entschluß, sich scheiden zu lassen, wegen der abzusehenden, durch die Vereinbarung begründeten Folgen schwerer fallen als seinem Ehepartner. Darin liegt jedoch noch kein Nichtigkeitsgrund. Dazu müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die der Vereinbarung ein anstößiges Gepräge geben. Solche Umstände liegen etwa vor, wenn die Vereinbarung ein Leistungsversprechen zum Gegenstand hat, das den Versprechenden – nach Art einer Konventionalstrafe – von der künftigen Erhebung eines Scheidungsantrages abhalten soll. Ebensowenig wie sich Ehegatten verpflichten können, künftig keinen Scheidungsantrag zu stellen, können sie die Ausübung ihres Scheidungsrechts durch entsprechende Vertragsstrafenversprechen oder ähnliche Vereinbarungen erschweren, die für den Scheidungsfall nachteilige Folgen vorsehen, um von der Erhebung eines Scheidungsantrages abzuhalten.296 Unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) werden Abreden bewertet, bei denen an die Stellung des Scheidungsantrags unmittelbare Vermögensnachteil geknüpft werden. Diese müssen zweckgerichtet dazu dienen und nach den Vorstellungen 293 BGH, 09.04.1986, IV b ZR 32/85, NJW 1986, 2046; Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl. 2003, § 1564 BGB, Rdnr. 4. 294 Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1564 BGB, Rdnr. 22. 295 BGH, 09.04.1986, IV b ZR 32/85, NJW 1986, 2046 (2047); Brudermüller, in: Palandt, 62. Aufl. 2003, § 1564 BGB, Rdnr. 4; Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1564 BGB, Rdnr. 26 f. 296 BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704); OLG Hamm, 20.08.1990, 29 W 101/89, FamRZ 1991, 443 (444); Wolf, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2000, § 1564 BGB, Rdnr. 23.
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der Ehegatten objektiv dazu geeignet sein, den vom Vermögensnachteil betroffenen und potentiell scheidungswilligen Ehegatten von einer Antragstellung abzuhalten.297 Die Schwierigkeit liegt hier in der Abgrenzung. Sicher kann die Auferlegung von Zahlungspflichten für den Fall der Scheidung zunächst eine sinnvolle und gewollte Scheidungsfolgenregelung sein. Dort aber, wo es vorrangig nicht darum geht, die Scheidungsfolgen – auch abweichend vom Gesetz – eigenständig zu regeln, sondern schon anfänglich und überhaupt den Eintritt von Scheidungsfolgen durch wirtschaftlichen Druck zu verhindern, wird die Abgrenzung zu suchen sein. Ist dann eine solche Scheidungserschwerung gekoppelt mit ergänzenden und einseitig belastenden Scheidungsfolgenvereinbarungen, dürfte die Sichtweise des Bundesgerichtshofes überholt sein, es komme für die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht darauf an, daß sie den Entschluß eines Ehegatten zur Antragsstellung erschwere. Oft wird auch der eine Ehegatte seinen Verzicht auf einen nachehelichen Unterhaltsanspruch vom Ausschluß des Zugewinnausgleichs oder vom Ausschluß des Versorgungsausgleichs abhängig machen. Diese Bedingungen sind grundsätzlich gutes Recht des Anspruchsinhabers und stellen kein unzulässiges Druckmittel dar. Anders kann die Beurteilung auch hier nur dann ausfallen, wenn die Vereinbarung unter beachtlichem psychischen und zeitlichen Druck geschlossen wurde, welcher erkennbar die Entscheidungsfreiheit beschränkte.298 2. Das externe Vertragsdiktat Eine die tatsächliche Entscheidungsfreiheit einschränkende Drucksituation als Beispiel struktureller Unterlegenheit beim Vertragsabschluß ist nicht nur auf familiäre Bindungen zu beschränken. Sie gilt auch für ähnlich intensiv wirkende Zwänge.299 Hierzu gehört der Bereich, wo den Vertragspartnern aufgrund äußerer Umstände eine nahezu unumgängliche Pflicht zum Vertragsabschluß suggeriert wird. Ohne besonders repräsentativ zu sein, findet sich in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Beispiel die Förderrichtlinie des Bundeswirtschaftsministeriums für die Eigenkapitalhilfe. Danach war die Gewährung eines zinsgünsti297
OLG Oldenburg, 08.03.1994, 12 UF 168/93, FamRZ 1994, 1454 (1455). OLG Oldenburg, 05.10.1994, 12 UF 76/94, FamRZ 1995, 744 (745). 299 BGH, 16.01.1997, IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980, (1981); BGH, 17.04.1997, IX ZR 135/96, NJW 1998, 597 (598); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (266); Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1812); Halstenberg, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 315 (326). Ganz allgemein wird man auch hier erheblichen „Druck“ ausreichen lassen müssen, der jedenfalls nicht das qualitative Niveau für eine Anfechtbarkeit nach § 123 BGB erreichen braucht (Maurer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2000, § 1585c BGB, Rdnr. 47). 298
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gen Darlehens von der Übernahme der Mithaftung durch den Ehegatten abhängig.300 Nur weil die Bürgschaft der staatlichen Förderrichtlinie entsprach, konnten Bedenken gegen die Wirksamkeit der Ehegattenmitverpflichtung nicht automatisch ausgeräumt sein.301 Ganz im Gegenteil: „Die sittlichen Mindestanforderungen, die an das Verhalten im Rechtsverkehr zu stellen sind, gelten für die öffentliche Hand, wenn schon nicht in besonderem, so doch keinesfalls in geringerem Maße. (. . .) Es versteht sich von selbst, daß staatliche Fördermaßnahmen nicht davon abhängig gemacht werden dürfen, ob ein Dritter finanzielle Verpflichtungen übernimmt, die er nicht erfüllen kann, (. . .).“302 Das OLG Celle303 hat zu dieser Problemstellung in einer voran gegangenen Entscheidung, welche zustimmend aufgenommen worden ist,304 sogar ausdrücklich entschieden, daß die Mithaftung, weil sie nicht einem konkreten Sicherungsbedürfnis im Einzelfall, sondern der Förderrichtlinie entsprang, auf strukturell ungleiche Verhandlungsstärke und damit auf eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Privatautonomie schließen lasse. Zur näheren Umschreibung der Fallgruppe zum externen Vertragsdiktat soll hier nicht entscheidend sein, daß überhaupt die Gewährung des Darlehens von der Mithaftung der Ehefrau abhängig gemacht wurde. Entscheidend ist hier vielmehr, daß dieser Zusammenhang auf einer staatlichen Förderrichtlinie beruhte, welche nicht verhandelbar erscheint und auch nicht verhandelbar gewesen sein dürfte. Darüber hinaus wird hier regelmäßig auch Einfluß auf die Willensbildung haben, daß staatliche Förderung und Subvention zu Recht den Anschein der Angemessenheit setzt.305 Natürlich sind 300 Beispielsweise: Nr. 4i der Richtlinie des Bundesministers für Wirtschaft für die Gewährung von Eigenkapitalhilfe zur Förderung selbständiger Existenzen i. d. F. vom 17.12.1984. 301 BGH, 11.03.1997, XI ZR 50/96, NJW 1997, 1773 (1774). 302 BGH, 11.03.1997, XI ZR 50/96, NJW 1997, 1773 (1774). 303 OLG Celle, 15.06.1994, 3 U 166/93, OLGR 1994, 290 = BB 1995, 219 (220): „Wie aus der Bezugnahme auf die Richtlinien im Darlehensvertrag (. . .) hervorgeht, wurde die Mithaft der Beklagten praktisch einseitig als Darlehensbedingung bestimmt, weil dies nach den Richtlinien der Klägerin so ,Vorschrift‘ sei. Diese einseitige Machtüberlegenheit (. . .) hätte es im vorliegenden Fall geboten, die familiären Vermögensverhältnisse und damit die objektive Leistungsfähigkeit der Beklagten zumindest näher zu hinterfragen und zu prüfen. Da dies unstreitig nicht geschehen, sondern schematisch und ohne Rücksicht auf den Einzelfall das Darlehen von der Mithaft der Beklagten abhängig gemacht wurde, ist der Vertrag unter Verletzung der Privatautonomie der Beklagten geschlossen und damit nichtig.“ Siehe auch: OLG Hamm, 14.11.1994, 31 U 193/93, WM 1995, 332; OLG Jena, 02.07.1996, 5 U 115/96, OLG-NL 1996, 265; OLG Nürnberg, 24.11.1997, 5 U 134/97, BB 1998, 559 (560). 304 BGH, 05.11.1996, XI ZR 274/95, NJW 1997, 257 (258); Kerls, DZWir 1996, 9; Joswig, FS für Herbert Schimansky, 1999, S. 335 (351); Mayer-Maly, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 69 (79), Fußn. 66. 305 Vergleiche hierzu: OLG Jena, 02.07.1996, 5 U 115/96, OLG-NL 1996, 265 (266). Das Gericht verkennt jedoch, daß es nicht auf die Angemessenheit der Zinsverpflichtung wegen des objektiv zinsgünstigen Darlehens ankommt, sondern auf die
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auch hier wieder weitere Einflußfaktoren der Willensbildung erkennbar wie der „formularmäßige“ Charakter der Förderrichtlinie und auch die monopolartige Stellung des Eigenkapitalhilfeprogramms. Der von außen, mithin extern ausgelöste Zwang muß weder alleinig die Selbstbestimmung beeinträchtigt haben, noch eine im Rahmen von § 123 BGB rechtlich relevante Intensität erreichen. Es sollte sich um ein Motiv zum Vertragsschluß handeln, dem man sich auch bei an Vernunft und Realität orientierter Bewertung jedenfalls nur sehr schwer entziehen kann. Es geht nicht um Werbung oder ein geschäftstüchtig gewecktes Bedürfnis, sondern um einen aus empfundener Abhängigkeit resultierenden Zwang. Das Problem, eine treffliche abstrakte Definition nicht anbieten zu können, entsteht auch hier. Wie üblich, sollen daher auch hier Beispiele diese Lücke füllen. Weitere typische Konstellationen werden sich dann eher zuordnen lassen. a) Aus gesellschaftsrechtlicher Bindung Die Verpflichtung zum Abschluß von Eheverträgen wird sich oft aus der gesellschaftsrechtlichen Bindung eines Ehegatten ergeben. So finden sich in den Formularmustern für Gesellschaftsverträge – dort insbesondere für sogenannte Familiengesellschaften 306 – Bestimmungen über die Pflicht zum Abschluß und den Inhalt von Eheverträgen der Gesellschafter. Zweck einer Familiengesellschaft ist regelmäßig die dauerhafte Bündelung des Familienvermögens in einer Hand über Generationen hinweg. Nachfolgebedingte Zerfaserungen des Vermögens sollen verhindert werden. Zugleich ist beabsichtigt, den Erben eine ausreichende existentielle Sicherheit zu verschaffen. Von einer Familiengesellschaft spricht man daher, wenn ein Unternehmen in der Hand einer oder weniger Familien gehalten wird, unabhängig von der Größe und Bedeutung des Unternehfehlende Angemessenheit der Mitverpflichtung der Ehefrau des Unternehmers und Darlehensnehmers. 306 Siehe: Heidenhain/Meister, in: Münchener Vertragshandbuch, Band 1., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 1996, IV.22: § 9 Ehelicher Güterstand: (1) Verheiratete Familiengesellschafter sind verpflichtet, entweder durch Ehevertrag Gütertrennung zu vereinbaren oder, falls sie Gütergemeinschaft vereinbart haben, die Beteiligung an der Gesellschaft im Ehevertrag zum Vorbehaltsgut des Gesellschafters zu erklären und dies im Güterrechtsregister eintragen zu lassen oder, falls sie im Stande der Zugewinngemeinschaft leben, durch Ehevertrag zu vereinbaren, daß der Familiengesellschafter den Beschränkungen des § 1365 BGB nicht unterliegt. (2) Auf schriftliche Aufforderung der Gesellschaft oder eines anderen Familiengesellschafters hin hat der betreffende Familiengesellschafter der Gesellschaft unverzüglich, längstens binnen einer Frist von drei Monaten seit Empfang der Aufforderung, nachzuweisen, daß er die Verpflichtungen gemäß Abs. 1 erfüllt hat. Ebenso: Volhard/Tischbirek, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 1995, II.B.5, § 3 (5), II.D.4, § 4 (2): Verheiratete Gesellschafter sind verpflichtet, durch Ehevertrag Gütertrennung zu vereinbaren.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
mens. Eine Familiengesellschaft kann in jeder Gesellschaftsform ausgestaltet werden. Eine beliebte Form ist insbesondere die Errichtung einer Grundbesitzgesellschaft, weil gerade der Grundbesitz eine dauerhafte Einkommensquelle darstellt und als langfristiger Vermögenswert mit einem vertretbaren Aufwand verwaltet werden kann. Bei fehlender gesellschaftsrechtlicher Gestaltung, insbesondere auch durch Eheverträge der Gesellschafter, wird oft bei der Nachlaßteilung eine Fülle von Auseinandersetzungsproblemen verursacht. Zerschlagungen des Familienvermögens folgen. Dem soll gestalterisch durch die Pflicht zur Vereinbarung bestimmter ehevertraglicher Regelungen vorgebeugt werden. Die deshalb in Gesellschaftsverträgen von Familiengesellschaften anzutreffenden Klauseln, durch welche die Gesellschafter zur Vereinbarung von Gütertrennung verpflichtet werden, sollen sicherstellen, daß jeder Familiengesellschafter hinsichtlich seines Geschäftsanteils allein verfügungsberechtigt bleibt und daß der Geschäftsanteil nur für dessen Verbindlichkeiten haftet.307 Ebenfalls sollen diese Regelungen das in der Gesellschaft gebundene Familienvermögen vor Abwanderung und Auszehrung infolge eigener Familiengründung des Familiengesellschafters schützen. Dieses Ziel erreicht der bloße Ausschluß der Verfügungsbeschränkung nach § 1365 BGB nicht.308 Gerade auch die Zugewinnausgleichsansprüche sollen die Existenz einer Familiengesellschaft bedrohen können.309 Deshalb wird zumeist vorgeschlagen, daß nur Gesellschafter aufgenommen werden können, die bereits im Güterstand der Gütertrennung leben oder vor Aufnahme in die Gesellschaft diesen Güterstand ehevertraglich vereinbaren. Widrigenfalls droht die Nichtaufnahme oder die statutarisch angeordnete Einziehung.310 Derartige gesellschaftsvertragliche Pflichten sollen verfassungsrechtlich bedenklich sein. Sie tangieren über Art. 6 Abs. 1 GG die Freiheit der Ehegatten in der Gestaltung ihrer ehelichen Gemeinschaft.311 Auch Art. 3 GG kann ihnen entgegenstehen.312 Abgesehen von den Bedenken gegen ihre rechtliche Wirksamkeit werden solche Vereinbarungen als unangemessen und auch unzweckmäßig betrachtet.313 307 Heidenhain/Meister, in: Münchener Vertragshandbuch, Band 1., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 1996, IV.22, Anm. 7. 308 Er wird trotzdem als „ratsam“ angesehen von Winter, in: Scholz, 9. Aufl., 2000, § 15 GmbHG, Rdnr. 199 und dürfte daher auch als Pflicht in einem Gesellschaftsvertrag wirksam vereinbart werden können. 309 Volhard/Tischbirek, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 1995, II.B.5, Anm. 2.; Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 7. Aufl., 1987, I.A.4.d), S. 84 (88); Geck, in: Peter/Crezelius, Gesellschaftsverträge und Unternehmensformen, 6. Aufl., 1995, F.2.8., Rdnr. 1417 f. 310 Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 7. Aufl., 1987, I.A.4.d), S. 88 f.; Geck, in: Peter/Crezelius, Gesellschaftsverträge und Unternehmensformen, 6. Aufl., 1995, F.2.8., Rdnr. 1418. 311 Volhard/Tischbirek, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 1995, II.B.5, Anm. 2. 312 Volhard/Tischbirek, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 1995, II.B.5, Anm. 2. 313 Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 967, S. 317.
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b) Aus testamentarischer oder erbvertraglicher Bindung Auch kann die zukünftige Erbenstellung erbvertraglich oder testamentarisch eine Verpflichtung zum Abschluß eines Ehevertrages beinhalten. Doch auch wenn ein erheblicher Vermögenserwerb durch vorweggenommene Erbfolge bereits eingetreten ist oder durch Erbfolge erwartet werden kann, drängen die Erblasser, zumeist die Eltern, auf eine ehevertragliche Vereinbarung.314 Der Nachlaß soll regelmäßig „in der Familie bleiben“. Ferner können hier auch Situationen zu erfassen sein, wo kurzfristig die bereits seit längerer Zeit zugesagte Übertragung eines elterlichen Grundstückes oder vergleichbarer Vermögensgegenstände, wie beispielsweise Unternehmen oder Unternehmensteile, noch vom Abschluß eines Ehevertrages abhängig gemacht werden. Ferner kann sich die Pflicht zum Abschluß von Eheverträgen auch aus sogenannten Hausgesetzen, den internen Regeln des Stammhauses der Familie ergeben. Auch hier kann beispielsweise seinen Erbanspruch verlieren, wer ohne Zustimmung des Hausvaters heiratet.315 Dieser verlangt für seine Zustimmung jedoch einen Ehevertrag. Doch auch dann, wenn die vermögenden Eltern eines Ehegatten bei dem anderen Ehegatten unlautere Motive vermuten und als Beweis, daß die Hochzeit nur aus der Liebe und Zuneigung geschieht, den Abschluß eines Ehevertrages verlangen,316 kann eine richterliche Inhaltskontrolle angezeigt sein. c) Wegen ausländerrechtlichen Vorschriften Als ein weiteres Beispiel des externen Vertragsdiktats wird die vom OLG Koblenz317 zu beurteilende Situation gelten. Dem Gericht lag ein am 10.06. 1999 beurkundeter Ehevertrag vor. Danach war Zugewinn- und Versorgungs314 Langenfeld, Der Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, S. 128; ders., Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 965, S. 316. 315 Vergleiche: BayObLG, 03.09.1996, 1 Z BR 41/95, FamRZ 1997, 705 (708) mit kritischer Anmerkung von Goebel, FamRZ 1997, 656 (660) der völlig zu Recht darauf hinweist, daß die Zustimmungsbedürftigkeit der Eheschließung unter dem Aspekt des Drucks auf die Eheschließungsfreiheit durchaus den Makel der Sittenwidrigkeit zu tragen geeignet ist. Siehe ferner: BGH, 02.12.1998, IV ZB 19/97, BGHZ 140, 118 und OLG Stuttgart, 19.08.1997, 8 W 124/97, FamRZ 1998, 260 (261). Insbesondere das OLG Stuttgart, a. a. O., hebt unter Rekurs auf BVerfG, 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 = BVerfGE 89, 214 „Handelsvertreter“ gegenüber den Hausgesetzen ausdrücklich den Einfluß der Werteordnung des Grundgesetzes über die Generalklauseln auf das Privatrecht hervor, welcher die Inhaltskontrolle von Verträgen bestimmt und sich nicht nur über § 138 BGB, sondern auch über § 242 BGB vollzieht. Deshalb soll den Hausgesetzen die Wirkung zu versagen sein, wenn sie die Gerichte zwingen, über die Ebenbürtigkeit einer Ehe zu befinden. Diese Regelungen stünden im Widerspruch zur verfassungsrechtlich geschützten Eheschließungsfreiheit. 316 Beispiel nach: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (300). Siehe auch: Langenfeld, Handbuch der Eheverträge, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 967, S. 318; ders., Der Ehevertrag, 8. Aufl., 1999, S. 132. 317 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920.
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
ausgleich, aber auch nachehelicher Unterhalt ausgeschlossen. Die Eheschließung wurde am 15.06.1999 vollzogen. Die besondere Situation, der sich die russische Staatsbürgerin ausgesetzt sah, bestand einmal schon in den fehlenden Sprachkenntnissen. Ferner – und für das externe Vertragsdiktat von Interesse – war ihr zum Zwecke der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland lediglich ein „Visum zur Eheschließung“ erteilt worden, § 3 Abs. 3 S. 1 AuslG.318 Diese Visa werden grundsätzlich nur befristet erteilt, § 12 Abs. 2 S. 1 AuslG. Hier lag es so, daß „(. . .) das Heiratsvisum wenige Tage nach dem geplanten Hochzeitstermin vom 15.06.1999 ablief und nicht verlängert werden konnte, (. . .)“.319 Die Ehefrau konnte „(. . .) sich auch nicht darauf berufen, (. . .) sie (. . .) sei durch das wenige Tage später ablaufende Heiratsvisum quasi zu dem Vertragsabschluß gezwungen worden.“ Der kurz bevorstehende Ablauf des Hochzeitsvisums führe nicht zu der Annahme, sie habe sich in einer Zwangslage befunden. „Denn da sie bereits seit dem 26.05.1999 Kenntnis von dem geplanten Ehevertrag hatte, bestand hinreichend Zeit und Möglichkeit, sich zunächst anwaltlichen Rat einzuholen und gegebenenfalls von dem Ehevertrag und der geplanten Hochzeit Abstand zu nehmen.“320 Einmal nutzt der völlig mittellosen und sprachunkundigen Russin der Hinweis auf die Einholung anwaltlichen Rates jedenfalls bei der nötigen praktischen und realitätsnahen Betrachtung wenig. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht gerade dieser Argumentation jegliche Wirkung entzogen. Die Freiheit der Ehegatten zur Eheschließung rechtfertigt eben gerade nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung.321 Das Eheversprechen hebt die einseitige Belastung durch einen Ehevertrag nicht auf. In ihrer Entscheidung, ob sie eine Ehe eingehen wollen, sind die Vertragspartner immer frei.322 „Man kann nicht gleichzeitig verheiratet und unverheiratet sein.“323 Träfe die gegenteilige Sichtweise zu, könnte man mit dieser Argumentation nahezu jede Drucksituation als unerheblich erklären. Der Verzicht auf die 318 Vor diesem Hintergrund könnte auch die Entscheidung: OLG Frankfurt, 10.03.2003, 1 UF 197/02, ZFE 2003, 250 noch kritisch zu untersuchen sein. Das Gericht teilt in den Entscheidungsgründen nur mit, die Ehefrau habe über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügt und wäre mit Hilfe einer Arbeitserlaubnis, die sich auf die eheliche Lebensgemeinschaft gründete, in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Was aber, wenn die Ausländerin gerade zum Zwecke der Erlangung einer Arbeitserlaubnis sich gezwungen sah, den Ehevertrag als Bedingung für die Eheschließung ebenfalls zu akzeptieren. Dann dürfte eine hinreichende Zwangslage ebenfalls erkennbar sein. 319 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920 (2921). 320 OLG Koblenz, 23.06.2003, 13 UF 257/03, NJW 2003, 2920 (2921). 321 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101 f.) „Ehevertrag I“; BVerfG, 29.03.2001, 1 BvR 1766/92, FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 300 (302) „Ehevertrag II“. 322 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (105) „Ehevertrag I“. 323 Dauner-Lieb, FF 2003, 117.
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Eheschließung beziehungsweise die Fortsetzung der Ehe steht zumeist als Alternative zur Verfügung. Eventuell überzeugt auch hier wieder ein Argument aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Kunde kann den Vertrag selbst in positiver Kenntnis der Unwirksamkeit einzelner Klauseln des Verwenders abschließen. Ihm ist es selbst dann nicht verwehrt, sich später auf die Unwirksamkeit zu berufen. Der zuweilen anzutreffende Hinweis auf das „April, April Syndrom“ – ich unterzeichne zunächst einmal den Ehevertrag und nehme die von mir gewollte Eheschließung, läuft es dann nicht so wie ich es mir vorstelle, kann ich mich ja noch auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen – ist vor diesem Hintergrund auch nicht überzeugend. Im Ergebnis ist daher dem OLG Koblenz eindeutig zu widersprechen. Zu den schon oben behandelten Sprachproblemen der Braut gesellte sich noch ein zeitliches Moment hinzu, welches eine sofortige Entscheidung wegen der alsbald nötigen Eheschließung verlangte. Diese Umstände können dem Bräutigam nicht entgangen sein. Der Vertragsabschluß noch vor der Hochzeit belegt deutlich, daß er diese Situation auch für die Durchsetzung seiner Interessen ausnutzen wollte. Das Gericht hingegen hat dem Antrag der Ehefrau auf Anerkennung ihrer Berufausbildung, dem Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung und der späteren Durchführung eines bereits beabsichtigten Sprachkurses die Absicht beiderseitiger Berufstätigkeit entnommen. Dann habe sie auch eigene Rentenanwartschaften und eigenes Vermögen bilden können. Der Ausschluß von Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie nachehelichem Unterhalt sei somit keine unangemessene Benachteiligung. Dem wird man nur folgen können, waren die Voraussetzungen hierfür bei Eheschließung und Vertragsabschluß schon vorliegend. Was alles später noch hätte sein können, aber dann trotzdem irgendwie nicht eintrat, kann für die Beurteilung der Situation, in der sich der unterlegene Vertragsteil beim Vertragsabschluß befand, nicht herangezogen werden. d) Aus gesellschaftlichem oder moralischem Pflichtgefühl Eine enge Verbindung zwischen inneren und äußeren Zwangssituationen entsteht auch noch in der heutigen Zeit durch die höchst unangenehmen gesellschaftlichen Folgen der Absage einer bereits angekündigten und gegebenenfalls sogar schon mit Einladungen terminlich fest fixierten Hochzeit.324 Gerade auch die Angst vor unangenehmen Fragen von Verwandten, Bekannten, Berufskollegen und Freunden über die Gründe einer solchen Absage kann hier einen nicht zu vernachlässigenden äußeren Druck zum Abschluß des inhaltlich benachteiligenden Ehevertrages begründen. Nötig bleibt jedoch auch hier die Einzelfallprüfung. Abstrakt werden Vereinbarungen nach diesem Gesichtspunkt nur unbedenklich bleiben können, waren sie bereits vor der Bekanntgabe des Hochzeits324
OLG Koblenz, 04.02.2003, 11 UF 371/02, FF 2003, 138 (139).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
termins schon beurkundet. Auch wenn die Verlobten sich möglicherweise über den Abschluß eines Ehevertrages und auch dessen maßgeblichen Inhalt schon vor diesem Zeitpunkt einig gewesen sein sollten, so kommt der Notar mit seiner Belehrungs- und Aufklärungsfunktion dennoch zu spät. Diese Beispiele lassen sich fortsetzen. Sie sollen nur eine Fallgruppe des Vertragsdiktats belegen. Sie umschreiben eine Situation, in der ein Ehegatte unter dem Hinweis, andere Umstände, insbesondere Dritte, würden es so verlangen und er nur deshalb auf den Abschluß eines Ehevertrages drängt. Selbstverständlich muß deshalb der abgeschlossene Ehevertrag noch nicht unangemessen sein. Hier soll es jedoch zunächst ausreichen, das Verfahren der Durchführung einer richterlichen Inhaltskontrolle zu eröffnen.
VI. Die vorformulierten Eheverträge Eine weitere Fallgruppe, in der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle besteht, sind die vorformulierten Eheverträge. Auch wer einen vorformulierten Vertrag vorlegt und zu keiner Zeit bereit war, über dessen Inhalt zu verhandeln, schafft eine typische Fallkonstellation strukturellen Ungleichgewichtes.325 Die Vorformulierung von Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen und ihre anschließende unveränderte Verwendung sind ein sicheres Indiz für einseitige Gestaltungsmacht. Vorformulierung und unveränderte Verwendung lassen vermuten, daß es dem anderen Teil nicht möglich war, abändernden Einfluß auf den Vertragsinhalt zu nehmen.326 Auch der vorformulierte bzw. der inhaltlich nicht weiter ausgehandelte Individualvertrag sind ein wesentliches Beispiel typischen Verhandlungsungleichgewichts. Auch hier kann die Begrenzung der Vertragsfreiheit erforderlich sein.327 Schutzgrund einer hier ansetzenden Inhaltskontrolle ist über die einseitige Inanspruchnahme von vertraglicher Gestaltungsmacht hinaus der Schutz des Vertragspartners vor unangemessenen Abreden wegen fehlenden Aushandelns im Vertrauen auf die Angemessenheit der formularmäßigen Vereinbarung.328 Der Schutz eines solchen Vertrauens ist gerechtfer325 Kramer, ZHR 146 (1982), S. 105 (111); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (266); Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1812). 326 Wolf, FS für Hans Erich Brandner, 1996, S. 299 (300). 327 Lieb, AcP 178 (1978), 196 (203); ders., jedoch stark einschränkend: DNotZ 1989, 274 (289); Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (179); Garrn, NJW 1980, 2782 (2783); Stein, Die Inhaltskontrolle vorformulierter Verträge des allgemeinen Privatrechts. Zum Spannungsverhältnis der Kontrollverfahren aufgrund des AGBGesetzes und § 242 BGB, 1982, S. 45 ff., 96 ff.; Hönn, JZ 1983, 677 (685); Preis/ Rolfs, DB 1994, 261 (266); Bauer/Diller, DB 1995, 1810 (1812); Dagegen: Zöllner, JuS 1988, 329 (334); ders., FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 85 (105); Hille, Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge, S. 68 ff., 80 ff. 328 Garrn, NJW 1980, 2782 (2783); Bunte, ZIP 1984, 1313 (1317); Damm, VersR 1999, 129 (138).
VI. Die vorformulierten Eheverträge
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tigt, weil und soweit die vorformulierte Abrede gleichsam als allgemein üblich präsentiert wird.329 Durch einen Formularvertrag wird ein Anschein der Rechtmäßigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit erweckt.330 Werden – was nicht zwangsläufig immer so sein muß – unangemessene Abreden als das übliche Regelungsmodell angesehen, dann verschiebt sich nicht nur insgesamt der Wertemaßstab innerhalb der Rechtsordnung, sondern auch die individuelle Vergleichsbasis, an welcher die Vertragsparteien im Rahmen ihrer Willensbildung die Vor- und Nachteile der zu treffenden Vereinbarung abwägen. Das Vorverständnis, was üblicherweise als angemessene Abrede gilt, wird zu Lasten einer Vertragspartei geprägt.331 Darüber hinaus unterliegen diejenigen Abreden, die vom Vertragspartner als üblich angesehen werden – unabhängig davon, ob sie wirklich üblich sind, das heißt, ob sie wirklich regelmäßig in dieser Art und Weise vereinbart werden – gerade nicht der regulierenden Wirkung von Markt und Wettbewerb. Diese Konditionen, da eben üblich, werden keinem Vergleich mehr mit Alternativen unterzogen.332 Vorformulierungen strahlen eine gewisse „Autorität“ aus und hemmen bereits anfänglich die Durchsetzung eigener Interessen.333 Deshalb soll denn auch die Inhaltskontrolle dazu beitragen, unbillige Klauseln aus juristischen Formularbüchern zu vertreiben.334 Werden dann als üblich angesehene Vertragsbedingungen auf der Grundlage eines notariellen Vertragsmusters vereinbart, mithin von einem zur Unparteilichkeit verpflichteten Amtsträger vorformuliert, sind sie in ganz besonderer Weise geeignet, Vertrauen in ihre inhaltliche Ausgewogenheit zu beanspruchen.335
329 Garrn, NJW 1980, 2782 (2783); Zöllner, RdA 1989, 152 (157); Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (24); Stoffels, JZ 2001, 843 (848). 330 BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, BGHZ 101, 350 (354); Lindacher, BB 1972, 296 (297); Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (180); Kramer, ZHR 146 (1982), 105 (114); Hönn, JZ 1983, 677 (678); Rieder, DNotZ 1984, 226 (234); Walchshöfer, FS Zehn Jahre AGB-Gesetz, 1987, S. 155 (171); Lieb, DNotZ 1989, 274 (292). 331 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (24). Obwohl der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum formelhaften Gewährleistungsausschluß für neu errichtete Gebäude sehr kritisch gegenüberstehend, sollen auch nach Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, V.2.c), S. 25 f. notariell beurkundete Verträge „(. . .) mit gutem Grund beanstandet werden (. . .)“, wenn sie im Rahmen der Verlesung der notariellen Urkunde dem rechtliche Unerfahrenen als die übliche Vertragsgestaltung erscheinen, die sich von selbst versteht und daher diskussionslos zu akzeptieren ist. „Unter solchen Umständen muß man von einer Überrumpelung sprechen.“ 332 Habersack, AcP 189 (1989), 403 (414 f.); Stoffels, JZ 2001, 843 (847). 333 Roussos, JZ 1988, 997 (998). 334 Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (180 f.); Kramer, ZHR 146 (1982), S. 105 (115); Hönn, JZ 1983, 677 (678, 686); kritisch: Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, III.3., S. 14; a. M.: Tönnies, VersR 1989, 1023 (1026). 335 Garrn, NJW 1980, 2782 (2783); Wiedemann, FS für Max Kummer, 1980, S. 175 (183); Hönn, JZ 1983, 677 (678, 686).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
Die notarielle Beurkundung eines Vertrages steht nach allgemeiner Ansicht einer Inhaltskontrolle nicht entgegen.336 Die Einhaltung einer gesetzlich oder auch vertraglich bestimmten Form macht die richterliche Inhaltskontrolle nicht entbehrlich.337 Durch Formvorschriften läßt sich im Zweifel ein wirksamer Schutz vor unangemessenen vertraglichen Abreden, daher auch vor unbilligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nicht abschließend und endgültig gewährleisten.338 Aus diesen Überlegungen wird für vorformulierte Verträge allgemein festgehalten, daß zwar der Vertragsschluß als solcher vom wirklichen Willen des unterlegenen Teils umfaßt ist, nicht aber der Vertragsinhalt im einzelnen.339 Die wegen § 1410 BGB stets den Abschluß des Ehevertrages begleitende notarielle Beurkundung, mithin die zumeist vom Notar erfolgte Vorformulierung des Vertragstextes, kann – für sich allein genommen – noch nicht hinreichender Anlaßgrund einer richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen sein. Wie die Vorformulierung, ist bei entsprechenden Vorgaben auch ein notarielles Vertragsmuster zwar ein treffliches Mittel, um sich eine günstige Ausgangsposition für die inhaltliche Vertragsgestaltung zu schaffen. Ist der andere Teil jedoch nur zu bequem, sich selbst Gedanken zu machen – was oft Beweggrund und Hoffnung des „Verwenders“ ist –, dann begründet diese Bequemlichkeit noch keine Schutzbedürftigkeit.340 Deshalb wird durchaus zu Recht eingewandt, es gehört auch zur Vertragsfreiheit, daß jeder einen Vertragsschluß Anbietende die Bedingungen formulieren darf, zu denen er zu kontrahieren bereit ist. Ob er sich darüber hinaus nicht auf Verhandlungen über die Vertragskonditionen einzulassen braucht,341 erscheint dagegen eher fragwürdig. Dann kann eine dem Merkmal 336 Kramer, ZHR 146 (1982), S. 105 (115); Hönn, JZ 1983, 677 (686); Eike Schmidt, DRiZ 1991, 81 (88); Hess, FamRZ 1996, 981 (988); Schubert, FamRZ 2001, 733 (736); Bergschneider, FamRZ 2001, 1337. Lieb, DNotZ 1989, 274 (292) weist jedoch zu Recht darauf hin, daß diese Erkenntnis auf der Prämisse beruht, der Notar ist am Vertrag nur der Form wegen beteiligt. Im übrigen ist die notarielle Beurkundung für die richterliche Inhaltskontrolle irrelevant. Wenn hingegen gerade die notarielle Beurkundung den „Anschein der Rechtmäßigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit“ erweckt, zumindest jedoch verstärkt und dieser Anschein maßgeblicher Anlaß der Inhaltskontrolle ist, dann würde der herkömmliche Rahmen der Belehrungspflicht aus § 17 Abs. 1 BeurkG, so Lieb, a. a. O., S. 293, überschritten. Dann wäre die Inhaltskontrolle durch eine unterlassene Belehrung veranlaßt, zu welcher der Notar – jedenfalls bisher – nicht verpflichtet war. 337 Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2002, § 1 AGBG, Rdnr. 38, 69. Siehe auch: BGH, 14.05.1992, VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229 (239) und ferner: BGH, 29.01.1982, V ZR 82/81, BGHZ 83, 56 (58); BGH, 05.03.1991, XI ZR 75/90, BGHZ 114, 9 (12). 338 Kötz, Gutachten für den 50. Deutschen Juristentag, Band I, 1974, S. A 59 ff. 339 Schmidt, DRiZ 1991, 81 (83); Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (778). 340 Stürner, DNotZ 1984, 763 (766 f.); Lieb, DNotZ 1989, 274 (291). Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 1999, § 10.III.1., Rdnr. 73, S. 39 hält in diesem Zusammenhang zutreffend fest: „Wer verreist, statt sich die für den Vertragsabschluß nötigen Kenntnisse zu verschaffen, bräuchte dann keinen Nachteil zu fürchten.“
VI. Die vorformulierten Eheverträge
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des „Stellens“ in § 1 Abs. 1 S. 1 AGBG, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB umschriebene Vertragssituation erkennbar werden.342 Unbedenklich können vorformulierte Einheitsbedingungen eines Vertrages daher nur dann sein, wenn der Vertragspartner eine echte Chance hatte, um durch Verhandlung zu einer Abänderung der vorformulierten Bedingungen zu gelangen.343 Zum Aushandeln einer Vertragsbedingung gehört es, den gesetzesfremden Kern der Regelung ernsthaft zur Disposition der verhandelnden Parteien zu stellen. Dem Verhandlungspartner muß Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt werden. Es bedarf für ihn der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können.344 Die tatsächliche Möglichkeit zur Einflußnahme auf den Vertragsinhalt ist zurückgesetzt, wenn bereits anfänglich die zu vereinbarenden Regelungen ohne nähere Erläuterung ausformuliert vorgelegt werden.345 Es kommt nicht darauf an, durch wen die Bedingungen vorformuliert wurden. Nicht nur der Vertragspartner selbst, auch ein sogar von beiden Parteien übereinstimmend ausgewählter Notar, Rechtsanwalt, Treuhänder, Makler oder ein anderer Sachkundiger kann die Regelungen für die Vertragsparteien erstellt haben.346 „Auch wer sich gleichsam fremde Schützenhilfe zu eigen macht, kann sich dann nicht auf Vertragsautonomie zurückziehen, wenn der andere Teil (. . .) von der Mitsprache ausgeschlossen war.“347 Ansonsten werden die Gestaltungschancen durch einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit abgeschnitten. Es soll eben darauf ankommen, ob ein Vertragspartner ein solch starkes Gewicht in die Vertragsverhandlung eingebracht hat, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig zu bestimmen vermochte.348 Es ist auch nicht entscheidend, ob der belastete Teil überhaupt mit Gegenforderungen verhandelte, jedoch diese Forderungen im Ergebnis nicht durchsetzen konnte, oder ob er schon anfänglich widerspruchslos die Forderungen des anderen Teils hinnahm. Werden die Vertragsbedingungen genau so niedergelegt, wie sie gefordert wurden, dann bleibt nur noch zu überprüfen, ob die Vereinbarung in dieser Form kausal auf der Verhandlungsposition des begünstigten Teils beruhte. Ungleiche Verhandlungsstärke läßt dann aber schon vermuten, daß die Vertragsbedingungen vom begünstigten Teil gestellt
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Zöllner, JuS 1988, 329 (333). Lieb, DNotZ 1989, 274 (291, 294); Grziwotz, NotBZ 2002, 51 (52). 343 BGH, 15.12.1976, IV ZR 197/75, NJW 1977, 624 (625); BGH, 26.02.1981, IVa ZR 99/80, BB 1981, 756 (757); BGH, 18.11.1982, VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305 (308); BGH, 03.07.1985, IVa ZR 246/83, WM 1985, 1208. 344 BGH, 25.06.1992, VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759 (2760); BGH, 16.07.1998, VII ZR 9/97, NJW 1998, 3488 = WM 1998, 2297. 345 Bunte, ZIP 1984, 1313 (1317). 346 Bunte, ZIP 1984, 1313 (1317). 347 Schmidt, DRiZ 1991, 81 (88). 348 BVerfG, 06.02.2001, 1 BvR 12/92, FamRZ 2001, 343 (345) „Ehevertrag I“. 342
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
wurden.349 Die Vermutung ist widerlegt, wurden diese Bedingungen nachweislich im einzelnen ausgehandelt.350 Deshalb kommt es nicht allein darauf an, ob tatsächlich verhandelt worden ist. Die Grundvoraussetzungen einer wirksamen Verhandlungsmöglichkeit müssen vorgelegen haben. Hierfür genügt das bloße Verlesen der einzelnen Abreden durch den Notar eben nicht. Es ist wegen § 17 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BeurkG gerade abzusichern, daß eine hinreichend eigenverantwortliche Willensentscheidung im Rahmen der notariellen Beurkundung zu allen Punkten abgegeben wird. Für jede einzelne vertragliche Regelung muß gesondert Klarheit darüber hergestellt sein, daß sie dem wahren Willen der Beteiligten entspricht. Hier müssen Regelungen mit besonderer Tragweite und solche, die nicht ohne weiteres als selbstverständlich angesehen werden können, nicht nur ausgehandelt, sondern auch eingehend erörtert werden.351 Nur dann können sie als Individualabrede gelten. Beruht daher der Ehevertrag auf einem für den juristischen Laien nur schwer verständlichen notariellen Vertragsentwurf, mag er auch grundsätzlich nach den Zielvorgaben der Eheleute erstellt sein, und ist dieser Entwurf jedenfalls gegenüber dem benachteiligten Partner lediglich verlesen worden, besteht hinreichender Anlaß zur Inhaltskontrolle. Stütze findet auch dieses Ergebnis in den Entscheidungen zur formelhaften Haftungsfreizeichnung in notariell beurkundeten Verträgen über die Gewährleistung bei Veräußerung und Bebauung von Grundstücken.352 Hier kann ein Haftungsausschluß nur wirksam sein, wenn der Notar diese Vertragsbestimmungen unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend mit den Vertragsparteien erörtert hat. Auch wenn diese Rechtsprechung sich vehementer Kritik ausgesetzt sah353 und zwischenzeitlich auch davon ausgegan349
Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (781). Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (781). 351 BGH, 05.04.1979, VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204 (210); Garrn, NJW 1980, 2782 (2784); Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, V.3., S. 26 ff. 352 BGH, 29.03.1974, V ZR 22/73, BGHZ 62, 251 (254); BGH, 13.01.1975, VII ZR 194/73, WM 1975, 409 = MDR 1975, 569; BGH, 04.12.1975, VII ZR 269/73, NJW 1976, 515; BGH, 02.07.1976, V ZR 185/74, BGHZ 67, 101 (103); BGH, 22.12.1977, VII ZR 45/77, BGHZ 70, 193 (196); BGH, 18.05.1978, VII ZR 138/77, LM Nr. 17 zu § 320 BGB; BGH, 05.04.1979, VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204 (209); BGH, 10.05.1979, VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258 (270); BGH, 08.10.1981, VII ZR 99/ 80, NJW 1982, 169 (170); BGH, 17.02.1982, VIII ZR 186/80, ZfBR 1982, 124 (125); BGH, 06.05.1982, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243 (2244); BGH, 05.04.1984, VII ZR 21/83, NJW 1984, 2094; BGH, 06.06.1986, V ZR 67/85, NJW 1986, 2824 (2825) = BGHZ 98, 100 (106); BGH, 20.02.1986, VII ZR 318/84, NJW-RR 1986, 1026; BGH, 21.05.1987, VII ZR 3/86, NJW-RR 1987, 1035; BGH, 07.05.1987, VII ZR 366/85, NJW 1988, 490 (491) = BGHZ 100, 391 (396); BGH, 17.09.1987, VII ZR 153/86, NJW 1988, 135 = BGHZ 101, 350 (353); BGH, 21.04.1988, VII ZR 146/87, NJW 1988, 1972; BGH, 29.06.1989, VII ZR 151/88, NJW 1989, 2748 (2749) = BGHZ 108, 164 (168); BGH, 16.11.1990, V ZR 217/89, NJW 1991, 843 (844). 353 Stürner, DNotZ 1984, 763 (764 ff.); Brambring, DNotZ 1986, 613 (626); ders., NJW 1987, 97 (104 f.); ders., DNotZ 1988, 296; Medicus, Zur gerichtlichen Inhalts350
VII. Das Ergebnis
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gen wird, daß sie gerade wegen dieser Kritik stillschweigend aufgegeben wurde,354 so dürfte jedoch weiterhin in Parallele zum formelhaften Gewährleistungsausschluß ein formelhafter Verzicht auf Zugewinnausgleich oder auf nachehelichen Unterhalt jedenfalls ausreichendes Indiz und Anlaß sein, den Vertrag und sein Zustandekommen einer näheren Prüfung unterziehen zu dürfen. Gerade der Mangel eingehender Belehrung und Erörterung als zusätzliches Element zur Vorformulierung sind auch ein wesentlicher Unterschied zur Inhaltskontrolle nach den §§ 9 ff. AGB-Gesetz, §§ 307 ff. BGB. Dort wandelt sich einseitiges Stellen Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch dann nicht in Individualvereinbarungen um, werden die Vertragskonditionen eingehend erläutert.355
VII. Das Ergebnis Als ein Zwischenergebnis der Untersuchungen mit dieser Arbeit sind die soeben dargestellten Anlaßgründe für eine richterliche Inhaltskontrolle festzuhalten. Sie geben wichtige Beispiele für typisierbare Fallkonstellationen, in denen sich das Gericht nicht mehr auf den Standpunkt „Vertrag ist Vertrag“ zurückziehen darf. Werden von einer Vertragspartei Tatsachen vorgetragen und gegebenenfalls auch bewiesen, welche die genannten Fallbeispiele oder ihnen vergleichbare Situationen zu belegen vermögen, dann streitet eine Vermutung dafür, daß eine der Parteien sich beim Vertragsabschluß in einer die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung ausschließenden Situation befand. Die Einstiegsschwelle356 für eine Einschränkung der Vertragsfreiheit mittels der Inhaltskontrolle ist dann festgestellt. Hinreichende „kontrollauslösende Faktoren“357 sind kontrolle notarieller Verträge, 1989, III.4., S. 15, IV.3., S. 20; Habersack, AcP 189 (1989), 403 (416 ff.); Lieb, DNotZ 1989, 274 (286 ff.); Tönnies, VersR 1989, 1023 (1025 ff.); dagegen zustimmend u. a.: Stein, Inhaltskontrolle vorformulierter Verträge des allgemeinen Privatrechts, 1982, S. 115; Hönn, JZ 1983, 677 (686); Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1986, S. 309 ff.; Emmerich, JuS 1988, 311 (312); Leverenz, Jura 1993, 266 (275); Preis/Rolfs, DB 1994, 261 (264). 354 Ulmer, JZ 2001, 491 (493); ders., in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 1 AGBG, Rdnr. 81. 355 BGH, 10.10.1976, IV ZR 135/75, NJW 1977, 624 (625); BGH, 05.04.1979, VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204 (209); BGH, 29.01.1982, V ZR 82/81, NJW 1982, 1035 (1036); BGH, 06.05.1982, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243 (2244); BGH, 29.09.1983, VII ZR 225/82, NJW 1984, 171 (172); BGH, 25.06.1992, VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759 (2760); BGH, 18.05.1995, X ZR 114/93, WM 1995, 1455 (1456); BGH, 03.11.1999, VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104 (111); Stürner, DNotZ 1984, 263 (265); Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1986, S. 315; Tönnies, VersR 1989, 1023 (1026); Schmidt, DRiZ 1991, 81 (88); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 9.III.3.b)aa), S. 273; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 10.IV.2., S. 291. 356 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (26). 357 Becker, WM 1999, 709 (711).
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§ 10 Inhaltskontrolle von Eheverträgen – typische Fallkonstellationen
dargelegt. „Anknüpfungstatsachen“, bei denen die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte aktiviert wird,358 liegen dort in ausreichendem Maße vor. Wenn der andere Vertragsteil, konkret der andere Ehegatte, behaupten will, der Ehevertrag sei trotz dieser konkreten Situation von einer selbstbestimmten Entscheidung getragen, hat er darzulegen und nötigenfalls auch zu beweisen, durch welche weiteren Umstände seine Behauptung bestätigt wird. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, ist der Vertrag auf seine Angemessenheit hin zu prüfen. Sind die Überlegungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen sowie die Umstände erläutert, wann eine solche Inhaltskontrolle zu erfolgen hat, bleiben noch die Rechtsfolgen darzustellen.
358
Ritgen, JZ 2002, 114 (119).
§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen Richterliche Inhaltskontrolle ist Wirksamkeitskontrolle.1 Die unangemessene Abrede gilt nicht, ist eben unwirksam.2 Durch die feststellende gerichtliche Entscheidung wird der Regelungsgehalt der konkreten Vereinbarung suspendiert.3 Inhaltskontrolle ist daher Gültigkeitsprüfung mit Bezug auf das Zustandekommen und den Verpflichtungsinhalt der vertraglichen Vereinbarung. An dieser Stelle können auch die kontroversen Ansichten zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen wieder etwas weiter zusammengeführt werden. Im wesentlichen verweisen die Gegner der richterlichen Inhaltskontrolle im hier verstandenen Sinne darauf, daß es zwischen der Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit einerseits und der Rechtsmißbrauchskontrolle als Ausübungskontrolle nach § 242 BGB andererseits kein weiteres Vertragskontrollinstrument gebe.4 Hinzu kommt die Überlegung, bei den Vereinbarungen über Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie Unterhalt handele es sich um Regelungen zu den „familienrechtlichen essentialia“. Die richterliche Inhaltskontrolle von schuldrechtlichen Verträgen gründe sich jedoch zunächst auf einseitig vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen, betreffe daher jedenfalls im Ausgangspunkte lediglich die Überprüfung von Nebenabreden.5 Doch trifft die Befürworter des zweischrankigen Systems aus Sittenwidrigkeits- und Ausübungskontrolle Kritik aus den eigenen Reihen. „Eine Ausdehnung des Instituts der Ausübungskontrolle auch auf (. . .) Konstellationen, in denen eine der vertragschließenden Parteien selbst unangemessen benachteiligt wird, und zwar aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluß bereits absehbar waren, würde (. . .) den bisher anerkannten Rahmen dieser 1 Hönn, JZ 1983, 677 (681); ders., JA 1987, 337 (340); Bunte, NJW 1987, 921 (924); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.II., S. 11; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, Vor § 7, S. 148; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 303. 2 Siehe zur Inhaltskontrolle vor Geltung des AGB-Gesetzes: BGH, 29.10.1956, II ZR 79/55, BGHZ 22, 90 (98); BGH, 16.04.1973, VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353 (356); BGH, 29.03.1974, V ZR 22/73, BGHZ 62, 251 (255); BGH, 29.01.1982, V ZR 82/81, BGHZ 83, 56 (58). 3 Becker, WM 1999, 709 (710). 4 Langenfeld, FS für Helmut Schippel, 1996, S. 251 (255); ders., DNotZ 2001, 272 (277, 278); Grziwotz, FamRZ 1997, 585 (589); ders., MDR 2000, 393 (394); ders., FamRB 2002, 26 (27); Kanzleiter, DNotZ 2001, 69* (82*). 5 Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (326).
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
Rechtsfigur sprengen. Die Ausübungskontrolle bekäme einen eigenständigen Rang zwischen den schneidigen Instrumenten der allein auf die Vertragsabschlußsituation bezogenen Wirksamkeitskontrolle einerseits und den weichen Instituten einer Anpassung an veränderte und wirklich unvorhersehbare Umstände andererseits. Auch bewußt in den Parteilwillen aufgenommene Problemlösungen und Risikozuweisungen könnten später unter Berücksichtigung der tatsächlich eingetretenen Entwicklung korrigiert werden, falls sie sich im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich als einseitige und unangemessene Lastenverteilung zugunsten eines Ehepartners auswirken. Die Entwicklung eines „dritten Weges“ unter „(. . .) dem Aspekt eines Schutzes vor einer Überforderung der Selbstverantwortung bei Entscheidungen, deren konkrete Auswirkungen sich erst in einer fernen Zukunft zeigen, läßt sich (. . .) auch für die Bewältigung der Probleme ehevertraglicher Vereinbarungen gut vertreten.“6 Deshalb sei „(. . .) eine teleologische Einschränkung der Ehevertragsfreiheit im Wege der extensiven Handhabung einer auf das Verbot des Rechtsmißbrauchs gestützten Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB trotz mancher Bedenken der vorzugswürdigere Weg.“7 Vor diesem Hintergrund soll daher darüber nachzudenken sein, „(. . .) ob die richterliche Inhaltskontrolle nicht – ganz unabhängig von der Situation bei Vertragsschluß – auf alle Fälle einer einseitigen Lastenverteilung zuungunsten des Ehepartners, der zum Nachteil seiner eigenen Erwerbsbiographie die Familienarbeit übernommen hat, auszudehnen ist. Es würde sich dann freilich im technischen Sinne nicht mehr um eine Inhaltskontrolle, sondern um eine nachträgliche Ausübungskontrolle handeln.“8 Oftmals müsse eine Disparität gerade nicht im Zeitpunkt der Vereinbarung des Ehevertrages kompensiert werden, sondern eine Ungleichgewichtslage, die sich erst im Laufe der Zeit als Konsequenz der gemeinsam praktizierten Lebensform der Einverdienerehe entwickelt habe. „Näher läge daher ein Ausbau des Instruments der Ausübungskontrolle, das einen eigenständigen Rang zwischen den schneidigen Instrumenten der allein auf die Vertragsabschlußkontrolle bezogenen Wirksamkeitskontrolle einerseits und den weichen Instituten der Anpassung an veränderte und wirklich unvorhersehbare Umstände (z. B. ergänzende Vertragsauslegung) andererseits bekäme.“9 Insofern unterscheiden sich eben diejenigen Fälle, in denen beispielsweise wegen Schwangerschaft eine besondere Situation der Unterlegenheit schon bei Vertragsschluß bestand, von denen, in welchen wegen des „Zeitbom6
Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (328 f.). Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (331). 8 Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130). Siehe hierzu auch: AG Berlin Tempelhof/Tiergarten, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140). Ob die Ehefrau im Zeitpunkt der Vereinbarung des Ehevertrages auch schwanger war, ließ das Gericht ausdrücklich offen. Ausreichend war, daß sie ihre berufliche Karriere aufgegeben hatte, um sich entsprechend der getroffenen Lebensplanung der Erziehung und Betreuung der Kinder zu widmen. 9 Dauner-Lieb/Sanders, FF 2003, 117 (118). 7
I. Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages
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bencharakters“10 der Familienarbeit die einseitige Benachteiligung durch den Inhalt des Ehevertrages erst bei der Scheidung praktische Unterlegenheitswirkungen zeichnet. Wo jedenfalls im praktischen Ergebnis noch der Unterschied zu den Rechtsfolgen der richterlichen Inhaltskontrolle liegt, ist nicht ersichtlich. Ersichtlich ist hingegen – diese Ausübungskontrolle soll einseitige, nicht mehr hinnehmbare Belastungen eines Ehepartners vermeiden.11 Sie soll daher unangemessene vertragliche Abreden suspendieren. Dieses Ziel dürfte auch bei extensiver Anwendung nicht durch eine Ausübungskontrolle zu erreichen sein. Nochmals: Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle sind nicht gegeneinander ersetzbar. Rechtsmißbrauch als Voraussetzung der Ausübungskontrolle ist unmöglich, wird das Recht in dem Sinne verwendet, zu welchem es eingeräumt wurde.12 Gegenstand der individuellen Mißbrauchskontrolle als Ausübungskontrolle ist daher gerade nicht der unangemessene Vertragsinhalt, sondern das treuwidrige Verhalten eines Vertragspartners.13 Nicht nur im Verhältnis von richterlicher Inhaltskontrolle und Sittenwidrigkeitsprüfung, sondern auch im Verhältnis von richterlicher Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle ist erneut die nötige Methodenehrlichkeit anzumahnen. Unangemessene vertragliche Abreden werden daher sinnvoll mit der richterlichen Inhaltskontrolle geprüft und der entsprechenden Rechtsfolge zugeführt. Wie das Rechtsfolgenprogramm gestaltet ist, dazu jetzt.
I. Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages Obwohl die Inhaltskontrolle Wirksamkeitskontrolle ist, berührt sie zunächst und grundsätzlich den Bestand des gesamten Vertrages nicht. Grundsätzlich ist der Vertrag zu veränderten Bedingungen fortzusetzen.14 Hierin besteht gerade auch der Vorteil der richterlichen Inhaltskontrolle gegenüber der Sittenwidrigkeitskontrolle. Der angemessene Teil des Vertrages bleibt bestehen. Lediglich einzelne Vertragsbestimmungen sind unwirksam und finden keine Anwendung. Es gilt daher gegenüber der gesetzlichen Bestimmung in § 139 BGB die umgekehrte Regel. Nach der Auslegungsregel des § 139 BGB ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Für den Fall der Teilnichtigkeit muß dort 10
Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130). Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295 (331). 12 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 305. 13 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 7.VII., S. 198. 14 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 2.V., S. 13; § 11, S. 326; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Becker, WM 1999, 709 (718); a. M.: Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, 1989, VI.1.b), S. 31 – „(. . .) widerspricht (. . .) dem § 139 BGB, (. . .)“. 11
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
durch ergänzende Auslegung ein entsprechender hypothetischer Parteiwille ermittelt werden.15 Für den Fortbestand des wirksamen Restvertrages sind weder die Sicht des „vernünftigen Dritten“ oder gar des entscheidenden Richters, sondern der objektiv zu ermittelnde Standpunkt der Vertragsparteien relevant.16 Die Norm des § 139 BGB ist nicht nur in den Fällen der Nichtigkeit bei Formmängeln, § 125 BGB, beim Gesetzesverstoß, § 134 BGB, bei der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, oder nach der Anfechtung, §§ 119 ff., 142 Abs. 1 BGB, anwendbar. Auch wenn eine Vereinbarung unwirksam ist oder bleibt, so bei Ausbleiben einer erforderlichen Genehmigung, §§ 108 Abs. 1, 177 Abs. 1 BGB, ist entsprechend auf § 139 BGB zurückzugreifen.17 Übrig bleiben muß nach Entfernung des unwirksamen Vertragsbestandteils ein Vertragsinhalt, der für sich allein genommen einen Sinn behält.18 Dem gegenüber regelt § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB für die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, daß der Vertrag trotz Unwirksamkeit einzelner Klauseln im übrigen wirksam bleibt. Hier wird die Grundregel des § 139 BGB umgekehrt. Deshalb spricht man auch von der Subsidiarität des § 139 BGB.19 Der Regelfall ist der wirksame Fortbestand des Vertrages.20 Das Interesse des Verwenders an der Aufhebung des gesamten Vertrages hat hinter die Schutzbedürftigkeit des Kunden zurückzutreten.21 Würde der 15 Brox, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 139 BGB, Rdnr. 1; Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 28; Cahn, JZ 1997, 8 (18). Siehe auch: BGH, 30.01.1997, IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684 (685): „§ 139 BGB enthält eine widerlegliche Vermutung, die am mutmaßlichen Parteiwillen ausgerichtet ist. Daher kommt es in erster Linie darauf an, welche Entscheidung die Parteien bei Kenntnis der Sachlage nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung getroffen hätten“. Siehe auch noch: BGH, 20.06.1980, V ZR 84/79, NJW 1981, 222; BGH, 13.03.1986, III ZR 114/84, NJW 1986, 2576 (2577); BGH, 07.01.1993, IX ZR 199/ 91, NJW 1993, 1587 (1589). 16 Medicus, BGB-AT, 7. Aufl., 1997, § 35.II.3.b), Rdnr. 508, S. 194. 17 Brox, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 139 BGB, Rdnr. 26; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 139 BGB, Rdnr. 2. 18 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (817). 19 Damm, JZ 1986, 913 (916); Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 3. 20 Vgl. nur: Schaub, JuS 2000, 555 (561); Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 5. 21 BGH, 16.01.1992, IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (897): „(. . .) § 6 Abs. 1 AGBG (. . .) enthält eine Sonderregelung gegenüber der auf Individualverträge zugeschnittenen Vorschrift des § 139 BGB und hat eine Schutzfunktion zugunsten des Kunden.“ Siehe weiter: BGH, 14.12.1994, VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 (166); BGH, 09.05.1996, III ZR 209/95, WM 1996, 2018 (2020); BT-Drs. 7/3919, S. 21; Coester-Waltjen, Jura 1988, 113 (115); Locher, Das Recht der AGB, 3. Aufl., 1997, § 10.1., S. 70; Medicus, BGB-AT, § 35.III.2.a), Rdnr. 513, S. 195; Heinrichs, in: Palandt, 59. Aufl., 2000, § 6 AGBG, Rdnr. 1; ders., a. a. O., 62. Aufl., 2003, § 306 BGB, Rdnr. 1; Hefermehl, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 6 AGBG, Rdnr. 1; Schmidt, H., in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 5; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 2.
I. Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages
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Verwender mit der Behauptung gehört, er hätte den Vertrag in Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel nicht abgeschlossen, so wäre dem Kunden nicht gedient. Der Kunde hat sich regelmäßig auf die Durchführung des Vertrages eingerichtet.22 Auch müßte der Kunde schon bei Unwirksamkeit einer einzigen unangemessenen Klausel, deren „Stellen“ im Verantwortungsbereich des Verwenders liegt, die Rückabwicklung des gesamten Vertrages gegenwärtigen. Der Kunde würde dann häufig davon abgehalten, die Unwirksamkeit einzelner, ihn erheblich belastender Klauseln geltend zu machen.23 Die vom Gesetzgeber mit dem AGB-Gesetz unter anderem auch bezweckte präventive Einflußnahme auf die Gestaltung von Formularverträgen würde an Bedeutung verlieren. Auch der Kunde ist jedoch nur insoweit schutzwürdig, als es sein Interesse an einer angemessenen Regelung angeht. Ein etwaiger Wunsch des Kunden, sich unter Berufung auf die nur teilweise Unwirksamkeit des Vertrages vom gesamten Vertrag lösen zu können, muß unbeachtet bleiben. Den Belangen des Kunden wird regelmäßig mit der Rückführung der unangemessenen Klausel auf die dispositive gesetzliche Regelung, bei Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen, hinreichend Rechnung getragen.24 Zwar kann es durchaus im Interesse des Kunden liegen, sich aus einer als lästig empfundenen vertraglichen Bindung (insgesamt) zu lösen. Dieses Interesse reicht über § 6 Abs. 3 AGBG, § 306 Abs. 3 BGB jedoch nicht aus, um in der (weiteren) Durchführung des nach § 6 Abs. 2 AGBG, § 306 Abs. 2 BGB modifizierten Vertrages eine unzumutbare Härte zu erblicken.25 Doch auch schon vor Kodifizierung des AGBG galt, daß § 139 BGB im Rahmen der Bestimmung der Rechtsfolgen einer Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung findet.26 Diese Regel gilt auch jetzt noch für die Inhaltskontrolle von Formularverträgen im Ausnahmebereich, § 23 AGBG, § 310 BGB. Der Regelungsgehalt von § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB findet ferner entsprechende Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit vorformulierter Vertragsteile aus allgemeinen Grundsätzen wie beispielsweise §§ 134, 138, 242 BGB oder aus spezialgesetzlichen Regelungen außerhalb des 22
Larenz, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., 1989, § 29a.III.d), S. 574. Locher, Das Recht der AGB, 3. Aufl., 1997, § 10.1., S. 70. 24 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 7/3919, S. 94; Bunte, NJW 1987, 921 (927). 25 Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 32; Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 42. 26 BGH, 29.10.1956, II ZR 791/55, BGHZ 22, 90 (93); BGH, 11.11.1968, VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 (57); BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (30); BGH, 19.04.1972, VIII ZR 30/71, NJW 1972, 1227; Koehler, Allgemeine Verkaufsbedingungen, 1934, § 10.4., S. 38; Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935; § 30.II.3., S. 323 f.; Sandrock, AcP 159 (1959), S. 481 (524 ff., 532); Diederichsen, ZHR 132 (1969), 232 (248); Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 1; Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 5. 23
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
AGBG ergibt.27 Entsprechendes gilt, sind die Formularklauseln formunwirksam28 oder erfolgreich angefochten.29 § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB soll jedoch auch in diesen Fällen dann keine Anwendung finden, wenn sonst § 139 BGB zum Nachteil des Kunden verdrängt und damit der Schutzzweck des § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 BGB praktisch in sein Gegenteil verkehrt würde.30 Die Grenze für die noch zulässige unmittelbare beziehungsweise entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB dürfte die unangemessene Individualvereinbarung bilden.31 Hier verbleibt es bei der Anwendung der Vermutungsregelung des § 139 BGB.32 Eine entsprechende Anwendung – unabhängig vom Nichtigkeitsgrund – verlangt zumindest nach einer unwirksamen formularvertraglichen Abrede. Fehlt es daran, fehlt auch der Bezug zu § 1 Abs. 1 AGBG, § 305 Abs. 1 BGB und somit auch der Bezug zu § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB. Ob die Unwirksamkeit der konkreten individualvertraglichen Abrede den Bestand des gesamten Vertragswerkes berührt, bleibt daher weiterhin eine vorrangig mit § 139 BGB zu beantwortende Frage.33 Auch wenn die Norm des § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB eine für alle Fälle der Inhaltskontrolle anzuwendende Regel aufzeigt, so ist sie jedoch aus sich selbst heraus nicht geeignet, diese Regel hinreichend zu rechtfertigen.34 Wichtig bleibt im Ansatz jedoch: der Grundgedanke von § 6 Abs. 1 AGBG gilt auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereiches des AGB-Gesetzes bzw. der §§ 305 ff. BGB. „Diese Norm enthält eine Sonderregelung gegenüber 27 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 2, 9, 22. Siehe auch: BGH, 16.01.1992, IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (897) = WM 1992, 391 (392): „Diese Bestimmung (des § 6 Abs. 1 AGBG – Anm. d. Verf.) gilt auch, wenn die Unwirksamkeit sich nicht aus dem AGB-Gesetz, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt.“ Siehe ebenfalls: BGH, 03.05.1995, XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297 (306); OLG Nürnberg, 29.01.1986, 4 U 3370/85, NJW-RR 1986, 782 (783) zur vertraglich vereinbarten Verkürzung der Kündigungsfrist aus § 89 Abs. 1 S. 1 HGB. 28 Schlosser, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 6 AGBG, Rdnr. 6; Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 7; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 7; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 306 BGB, Rdnr. 2. 29 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 7, 18; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 7; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 306 BGB, Rdnr. 3; ders., a. a. O., Vorb v § 307 BGB, Rdnr. 20; a. M.: Schlosser, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 6 AGBG, Rdnr. 8. 30 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 2. Siehe auch: BGH, 14.12.1994, VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 (166) = NJW 1994, 722 (724). 31 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 6; Schlosser, in: Staudinger, 13. Bearb., 1998, § 6 AGBG, Rdnr. 2. 32 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG. 33 Schmidt, in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 242 BGB, Rdnr. 471. 34 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.I.1.b), S. 327.
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der auf Individualverträge zugeschnittenen Vorschrift des § 139 BGB und hat eine Schutzfunktion zugunsten des Kunden. Diese Bestimmung gilt auch, wenn die Unwirksamkeit sich nicht aus dem AGB-Gesetz, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt.“35 Die Subsidiarität von § 139 BGB besteht daher nicht nur gegenüber § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB, also expliziten Sonderregelungen, sondern auch gegenüber Nichtigkeitsnormen mit besonderem Schutzzweck.36 Zu diesen Vorschriften gehört wiederum § 134 BGB in Verbindung mit der jeweiligen Verbotsnorm.37 „(. . .) § 139 BGB ist unanwendbar, wenn sich aus dem Zweck der Verbotsnorm eine abweichende Regelung ergibt.“38 Verstößt eine Abrede, mag es auch eine Individualabrede sein, gegen eine gesetzliche Regelung, die einen der Vertragspartner vor besonders nachteiligen vertraglichen Vereinbarungen schützen soll,39 dann beschränkt sich regelmäßig die Nichtigkeit entsprechend dem Zweck der Verbotsnorm auf die gesetzlich unzulässige Abrede, während im übrigen der Vertrag wirksam bleibt.40 35 BGH, 16.01.1992, IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (897); ausdrücklich bestätigt von: BGH, 24.02.1994, IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278; BGH, 03.05.1995, XII ZR 29/94, NJW 1995, 2028 (2030) = BGHZ 129, 297 (306). Ob § 6 Abs. 1 AGBG den § 139 BGB verdrängt, wenn dem AGBG unterfallende Regelungen nur deshalb keine Wirksamkeit erlangten, weil schon ein Verbraucherkreditwiderruf, § 7 Abs. 1 VerbrKrG, vorlag, wurde von BGH, 14.12.1994, VIII ZR 46/94, BGH, NJW 1995, 722 (724) = BGHZ 128, 156 (166) ausdrücklich nicht entschieden. Aufgeworfen wurde aber „die sich aufdrängende Frage, ob § 6 Abs. 1 AGBG jedenfalls dann keine Anwendung findet, wenn sonst § 139 BGB (. . .) zum Nachteil des Kunden verdrängt und damit der Schutzzweck des § 6 Abs. 1 AGBG praktisch in sein Gegenteil verkehrt würde.“ Diese Frage verdeutlicht anschaulich den Wechsel im Regel-AusnahmeVerhältnis von § 139 BGB/§ 6 Abs. 1 AGBG. 36 Damm, JZ 1986, 913 (916); Cahn, JZ 1997, 8 (18); Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 3. 37 Heinrichs, in: Palandt, 61. Aufl., 2002, § 6 AGBG, Rdnr. 3; ders., a. a. O., 62. Aufl., 2003, § 306 BGB, Rdnr. 3; ders., a. a. O., § 134 BGB, Rdnr. 13; ders., a. a. O., § 139 BGB, Rdnr. 18; Basedow, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 7; Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 2, 9. Siehe auch: Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 353; Ulmer, FS für Ernst Steindorff, 1990, S. 799 (804). 38 BGH, 16.12.1999, IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333 (1335). Siehe auch: BGH, 22.12.2000, VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250 (257 f.): „Die Abschlagszahlungsvereinbarung ist aufgrund (. . .) Verstoßes gegen § 12 MaBV gemäß § 134 BGB nichtig (. . .). Die Wirksamkeit des Vertrages im übrigen bleibt unberührt (. . .). Die Nichtigkeit ist auf die Abschlagszahlungsvereinbarung beschränkt. Aus dem Zweck der Verordnung, den Erwerber vor Vermögensschäden zu schützen, ergibt sich, daß die Nichtigkeit der Abschlagszahlungsvereinbarung nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt.“ Ebenso: BGH, 22.12.2000, VII ZR 311/99, NotBZ 102 (103). 39 Bspw.: §§ 276 Abs. 3, 475, 547 Abs. 2, 551 Abs. 2, 553 Abs. 3, 554 Abs. 4, 555, 556a Abs. 3, 557 Abs. 4, 557a Abs. 4, 557b Abs. 4, 558 Abs. 6, 651k BGB; Gerichtstandsklauseln von Nicht-„Unternehmern“ nach §§ 38, 29 ZPO oder Schiedsgerichtsklauseln von Verbrauchern entgegen der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO. 40 Hönn, JZ 1983, 677 (683); Damm, JZ 1986, 913 (915); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 354; Hefermehl, in: Soergel, 13. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 51; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 139 BGB, Rdnr. 18.
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
Ansonsten würde der aus der Verbotsnorm begünstigte Teil seine Rechte aus dem Vertrag verlieren. Durch die Aufhebung auch des wirksamen Teils wird regelmäßig der Schutzzweck der Verbotsnorm gefährdet,41 er würde in sein Gegenteil verkehrt.42 Das gilt insbesondere, wenn die Schutznorm gerade den Schutz vor Ausbeutung, Übervorteilung oder Unsicherheit bewirken will.43 Methodisch ersetzt das zwingende Recht unmittelbar die nicht wirksame Abrede. In diesen Fällen ist bereits anfänglich der Weg zur Annahme der Totalnichtigkeit nach der Regel des § 139 BGB versperrt. Nur diese Sichtweise entspricht dem Schutzzweck der Verbotsnormen.44 Verträge, durch deren Abschluß nur eine der Vertragsparteien ein gesetzliches Verbot verletzt, sind daher regelmäßig gültig. Nur in besonderen Fällen kann sich die Unwirksamkeit auch aus einer einseitigen Gesetzesübertretung ergeben. Dann muß der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen sein. Auch darf die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hinnehmbar sein. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluß des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg.45 Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn gerade der angestrebte Schutz des Vertragsgegners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert46 oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist. Reicht es dagegen aus, dem gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der 41 BVerfG, 08.02.1994, 1 BvR 1693/92, NJW 1994, 993 (994); BGH, 01.06.1966, VIII ZR 65/64, BGHZ 46, 24 (26); BGH, 23.10.1980, IVa ZR 33/80, BGHZ 78, 269 (271); BGH, 11.01.1984, VIII ZR 13/83, BGHZ 89, 316 (319): „Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Bei § 5 WiStG handelt es sich um ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB (. . .). Ein Verstoß hiergegen führt nicht zur Nichtigkeit des gesamten Mietvertrages, sondern in Anwendung von § 134 Halbsatz 2 BGB nur zur Teilnichtigkeit der Mietzinsabrede. (. . .) Entscheidend ist, daß § 5 WiStG als Mieterschutzvorschrift lediglich die Vereinbarung überhöhter Mieten unterbinden soll. Dieser Schutz würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn über den unzulässigen Teil der Mietpreisabrede hinaus der Mietvertrag insgesamt vernichtet würde. Das gilt (. . .) um so mehr, als § 5 Abs. 1 WiStG bereits tatbestandlich „ein geringes Angebot“ an vergleichbaren Räumen voraussetzt, was dem Mieter eine Berufung auf die Vorschrift praktisch verwehrt, wenn er andernfalls damit rechnen muß, zugleich den Anspruch auf Überlassung der Wohnung zu verlieren.“ Siehe auch: Brox, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 134 BGB, Rdnr. 11; Larenz, BGB-AT, 7. Aufl., 1989, § 22.II., S. 431, 432 f.; Damm, JZ 1986, 913 (915). 42 Hönn, JZ 1983, 677 (683); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 354; Hefermehl, in: Soergel, 13. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 50. 43 Larenz/Wolf, BGB-AT, 8. Aufl., 1997, § 45.II.1.b), Rdnr. 3, S. 854. 44 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 354. 45 BGH, 22.10.1998, VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387 (391 f.); BGH, 22.12.2000, VII ZR 311/99, NotBZ 102 (103). 46 Siehe nur: BGH, 14.05.2002, XI ZR 148/01, IBR 2002, 419 – Zweckrichtung von Art 1 § 1 RBerG – und hierzu auch: BGH, 18.09.2001, XI ZR 321/00, WM 2001, 2113 (2114); BGH, 11.10. 2001, III ZR 182/00, WM 2001, 2260 (2261).
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Gesamtnichtigkeit nach §§ 134, 139 BGB daneben keinen Platz mehr.47 Zutreffend wird deshalb die Derogation von § 139 BGB festgestellt.48 Eine partielle Abkehr von einer verunglückten Regelung sei vollzogen worden.49 Deshalb ergibt nicht nur bei den Verbotsnormen die typische Bewertung der Interessen der Vertragsparteien, daß die Gültigkeit des Restvertrages ihrem mutmaßlichen Willen (eher) entspricht. Die Rechtsfolge des § 139 BGB tritt daher regelmäßig nicht ein. Dem steht grundsätzlich der objektivierte mutmaßliche Parteiwille entgegen.50 Denn ob die Teilnichtigkeit nach der Regel des § 139 BGB auch die Gesamtnichtigkeit nach sich zieht, entscheidet sich nach dem hypothetischen Parteiwillen.51 Für diesen kommt es nicht darauf an, ob die Parteien das Rechtsgeschäft ohne den nichtigen Teil tatsächlich gewollt hätten. Entscheidend ist vielmehr eine objektive Bewertung. Wäre vernünftigerweise dann das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden? Dann gilt entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB nur Teilnichtigkeit. Der Vertrag bleibt im übrigen bestehen.52 Maßgebend ist daher, welche Vereinbarung die Parteien bei Kenntnis der Sachlage in Ansehung der Teilnichtigkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) getroffen hätten.53 Regelmäßig ist hier dann das objektiv Vernünftige als Parteiwille ermittelbar.54 Es gilt, welche hypothetische Entscheidung die Parteien bei vernünftiger Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen hätten.55 § 139 BGB darf deshalb auch nicht nur als reine Auslegungsregel ver47
BGH, 19.01.1984, VII ZR 121/83, BGHZ 89, 369 (373). Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 354. 49 Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 2. 50 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 353. 51 Siehe nur: BGH, 30.01.1997, IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684 (685); Cahn, JZ 1997, 8 (18); Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 28; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 139 BGB, Rdnr. 14. 52 Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 28. 53 BGH, 30.01.1997, IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684 (685): „§ 139 BGB enthält eine widerlegliche Vermutung, die am mutmaßlichen Parteiwillen ausgerichtet ist. Daher kommt es in erster Linie darauf an, welche Entscheidung die Parteien bei Kenntnis der Sachlage nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung getroffen hätten.“ Siehe auch: BGH, 20.06.1980, V ZR 84/79, NJW 1981, 222; BGH, 13.03.1986, III ZR 114/84, NJW 1986, 2576 (2577); BGH, 07.01.1993, IX ZR 199/ 91, NJW 1993, 1587 (1589). 54 Siehe: OLG Frankfurt, 03.12.1982, 1 UF 137/82, FamRZ 1983, 177 (178) zur Frage der (weiteren) Wirksamkeit der Vereinbarung von Gütertrennung bei festgestellter Unwirksamkeit gleichfalls ehevertraglich vereinbartem Ausschluß von Versorgungsausgleich und nachehelichem Betreuungsunterhalt: „(. . .) stellt sich die Frage, ob damit auch die übrigen – güterrechtlichen – Vereinbarungen der Parteien im Hinblick auf § 139 BGB nichtig sind. Der Senat verneint diese Frage. Nach dieser Vorschrift kommt es auf die Erforschung des mutmaßlichen Willens der Parteien an, wobei in der Regel das objektiv Vernünftige als Parteiwille – soweit nichts Gegenteiliges konkret ersichtlich ist – angenommen wird.“ Ebenso: Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 139 BGB, Rdnr. 14. 48
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standen werden. Er gründet sich neben dem Gedanken der Privatautonomie, auch auf den Gedanken der objektiv „richtigen“ Regelung.56 Über die Umkehrung der Regel des § 139 BGB herrscht daher dem Grunde nach kaum noch Streit.57 Die Verdrängung der regelmäßigen Rechtsfolge aus § 139 BGB ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen sich die Nichtigkeit der Abrede aus einer Verbotsnorm ableitet, die den einseitigen Schutz einer schwächeren Vertragspartei konstituiert.58 Diese Abweichung vom gesetzlichen Konzept der Rechtsfolgen teilweise unwirksamer Rechtsgeschäfte wird auch für die Nichtigkeit nach § 138 BGB vertreten.59 Insbesondere, weil ein Sittenverstoß nach § 138 Abs. 2 BGB regelmäßig nur einem der Beteiligten zur Last fällt, soll sich aus dem verletzten Sittlichkeitsgebot ähnlich wie bei § 134 BGB in Verbindung mit den Schutznormen zu gunsten des schwächeren Vertragspartners auch eine von der Regel des § 139 BGB abweichende Rechtsfolge ergeben können.60 Auch wenn der Grundsatz der Totalnichtigkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte61 in einigen Fällen durch vorrangige andere Wertungen durchbrochen ist,62 so baut jedoch § 138 BGB im Gegensatz zur richterlichen Inhaltskontrolle auf der Konzeption einer Gesamtnichtigkeit auf und jede andere Rechtsfolge wäre als Ausnahme von der Regel besonders zu rechtfertigen.63 Nur wenn die teilweise Wirksamkeit dem erklärten bzw. hypothetischen Parteiwillen entspricht, der Sittenverstoß sich ausnahmsweise nicht auf diesen Teil erstreckt und der noch verbleibende Teil des Rechtsgeschäfts eine sinnvolle Regelung enthält, die selbständig weiter gelten kann, darf bei Nichtigkeit nach § 138 BGB eine Abweichung von § 139 BGB möglich werden.64 Regelmäßig wird es sich dann um eine einzelne sittenwidrige Klausel handeln. Sie muß aus dem Vertragswerk herausgelöst werden können. Auch ohne diese Klausel soll das Vertragswerk selbst noch zu 55 BGH, 20.06.1980, V ZR 84/79, NJW 1981, 222; BGH, 13.03.1986, III ZR 114/ 84, NJW 1986, 2576 (2577); BGH, 07.01.1993, IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587 (1589); BGH, 30.01.1997, IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684 (685). 56 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 354. 57 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 351; Mayer-Maly/ Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 2 – „die Vorschrift des § 139 BGB geradezu auf den Kopf gestellt“. 58 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 355. 59 Hönn, JZ 1983, 677 (683); Damm, JZ 1986, 913 (915 f.). Siehe auch: Sandrock, AcP 159 (1960), S. 481 (514 ff.); Lindacher, AcP 173 (1973), S. 124 (131); Sack, RdA 1975, 171 (177); Kohte, NJW 1982, 2803 (2804 f.); Hager, JuS 1985, 264 ff.; Roth, JZ 1989, 411. 60 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.II.2., S. 166. 61 BGH, 12.11.1986, VIII ZR 280/85, NJW 1987, 639; BGH, 17.05.1988, VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 (27). 62 Mayer-Maly, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 157 ff.; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 138 BGB, Rdnr. 19, 75 f. 63 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 3.II.3., S. 21. 64 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 299; MayerMaly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 159.
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sinnvoller Geltung fähig sein. Dann ist die Nichtigkeit nur auf die einzelne sittenwidrige Abrede zu beschränken.65 Auch bei der Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB bleibt daher nach § 139 BGB bei nur teilweiser Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts der von der Nichtigkeit nicht erfaßte Teil bestehen, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. Eine solche Teilnichtigkeit ist in erster Linie gegeben, wenn nach Entfernung beziehungsweise sozusagen „Hinausstreichen“ des unwirksamen Teils ein Vertragsinhalt übrig bleibt, der für sich allein genommen einen Sinn behält. Nach der Zielsetzung der Norm ist sie aber grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn die Vertragsschließenden anstelle der unwirksamen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit von Anfang an gekannt, eine andere auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten und sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen läßt. Das ist nach den konkreten Umständen und Verhältnissen zu prüfen. So beispielsweise, wenn die von der sittenwidrigen Regelung grundsätzlich benachteiligte Vertragspartei die auf das zulässige Maß beschränkte Regelung getroffen hätte, da für sich allein sinnvoll und vorteilhaft. Es ist zu ermitteln, was eine rational handelnde Vertragspartei erklärt hätte. Diese Anwendung des § 139 BGB steht nicht in Widerspruch zum Schutzgedanken des § 138 BGB. Zwar dürfen sittenwidrige Rechtsgeschäfte für den Gläubiger nicht das Risiko verlieren, mit dem sie durch die gesetzlich angeordnete Nichtigkeitssanktion behaftet sind. Das wäre der Fall, wenn der Gläubiger im allgemeinen damit rechnen könnte, schlimmstenfalls durch gerichtliche Festsetzung das zu bekommen, was gerade noch rechtlich vertretbar und damit sittengemäß ist. Sittenwidrige und vor allem wucherische Rechtsgeschäfte sind daher grundsätzlich als Einheit zu werten und dürfen auch nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion oder Umdeutung im Sinne des § 140 BGB mit einem zulässigen Inhalt aufrechterhalten werden. Im trotzdem eröffneten Anwendungsbereich von § 139 BGB geht es aber nicht darum, daß der Richter für die Parteien anstelle der sittenwidrigen Vereinbarungen eine Vertragsgestaltung findet, die auf die beiderseitigen Interessen hinreichend Rücksicht nimmt und die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB vermeidet. Vielmehr kann hier der sittenwidrige Teil der Vereinbarung aufgrund der objektiven Umstände und Verhältnisse genau bestimmt und kann infolgedessen ohne weiteres ausgesondert werden.66 65 Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 138 BGB, Rdnr. 159. Ferner hierzu: BGH, 12.07.1965, II ZR 118/63, BGHZ 44, 158 (162); BGH, 17.03.1969, III ZR 188/65, BGHZ 52, 17 (24 f.); BGH, 14.06.1972, VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459; BGH, 31.01.1973, VIII ZR 131/71, WM 1973, 357 (358), BGH, 16.09.1974, VIII ZR 116/72, WM 1974, 1042 (1043); BGH, 21.03.1977, II ZR 96/75, BGHZ 68, 204 (207 f.); BGH, 18.05.1982, KZR 14/81, BB 1983, 662; BGH, 27.02.1985, VIII ZR 85/84, WM 1985, 608 (611); BGH, 05.06.1989, II ZR 227/88, BGHZ 107, 51 (55); BGH, 21.03.1990, VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 (817). 66 BGH, 14.11.2000, XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 (47 f.).
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
Findet die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen methodisch und normativ – wie oben untersucht – ihre Anlehnung insbesondere an § 138 BGB, dann kann in Einzelfällen auf diese Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Vergleichbar mit den Erkenntnissen zu den überlangen Bierbezugsverpflichtungen67 wäre beispielsweise der zeitlich befristete Ausschluß von Zugewinn- und Versorgungsausgleich hinsichtlich der Ehedauer auf ein zulässiges Maß begrenzbar. Entsprechendes gilt, haben die Ehegatten den Begriff der „Ehe von kurzer Dauer“ (§ 1579 Nr. 1 BGB) vertraglich definiert. Da jedoch regelmäßig die Sittenwidrigkeit eines Unterhaltsverzichts auch die Sittenwidrigkeit eines Verzichts auf Versorgungsausgleich wegen § 139 BGB nach sich zieht,68 und auch bei der Bewertung der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages sämtliche Leistungen einbezogen werden müssen, eben der Gesamtcharakter des Ehevertrages entscheidend ist,69 erscheint es eher ausgeschlossen, auf die Rechtsprechung zur Teilnichtigkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte zurückgreifen zu können. Es dürfte regelmäßig an dem zwingend nötigen abgrenzbaren Teil fehlen. Im übrigen dient § 138 BGB vor allem dem Schutz der Rechtsordnung insgesamt. Die Inhaltskontrolle will dem gegenüber in erster Linie der Wahrung der individuellen Vertragsgerechtigkeit dienen.70 Deshalb kann sich die Rechtsfolge der richterlichen Inhaltskontrolle nicht ausschließlich an § 138 BGB orientieren. Die Umkehrung der Vermutungsrichtung in § 139 BGB durch § 6 Abs. 1 AGBG ist sachgerecht. § 6 Abs. 1 AGBG enthält einen für das gesamte Privatrecht geltenden Rechtsgedanken,71 welcher im Ergebnis den derzeitigen Bestand der Rechtsfolgen teilweise unwirksamer Verträge zutreffender darstellt, als der Normtext des § 139 BGB selbst. Dem Rechtsanwender wird mit § 6 Abs. 1 AGBG eine gesetzlich geregelte Alternative zur Überwindung der „mangelnden Eignung“72 des § 139 BGB geboten. Zutreffend muß daher für das 67 BGH, 31.01.1973, VIII ZR 131/71, WM 1973, 357 (358); BGH, 23.11.1983, VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 (338); BGH, 27.02.1985, VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693; BGH, 21.03.1990, VIII ZR 49/89, WM 1990, 1392 (1393); BGH, 08.04.1992, VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, 13.03.1997, I ZR 215/94, ZIP 1997, 1356 (1360). 68 BGH, 02.10.1996, XII ZB 1/94, NJW 1997, 192: „Wäre der Unterhaltsverzicht sittenwidrig, so könnte allerdings diese Sittenwidrigkeit auf den gesamten Ehevertrag ausstrahlen bzw. die Unwirksamkeit des Unterhaltsverzichts könnte nach § 139 BGB die Unwirksamkeit des ganzen Vertrages zur Folge haben.“ 69 BGH, 08.12.1982, IVb ZR 333/81, NJW 1983, 1851 (1852); BGH, 24.04.1985, IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 (1835); BGH, 17.09.1986, IVb ZR 59/85, NJW 1987, 1546 (1548); BGH, 19.12.1989, IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704); BGH, 28.11.1990, XII ZR 16/90, NJW 1991, 913 (914); BGH, 09.07.1992, XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164 (3165); BGH, 18.09.1996, XII ZB 206/94, NJW 1997, 126 (127). 70 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 301. 71 Roth, in: Staudinger, 13. Bearb., 1996, § 139 BGB, Rdnr. 8; Canaris, in: FS für Ernst Steindorff, 1990, S. 519 (539). 72 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 5.
I. Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages
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Verhältnis von § 139 BGB zu § 6 Abs. 1 AGBG nicht mehr von entgegengesetzten, sondern von sich annähernden Rechtsfolgen gesprochen werden.73 Diese Angleichung der Rechtsfolgen wird einmal durch einen meist fingierten, auf Fortführung des wirksamen Vertragsteils gerichteten hypothetischen Parteiwillen bewirkt.74 Der gegebenenfalls festgestellte tatsächliche Parteiwille wird hier nur im Rahmen einer Gesamtabwägung beachtet.75 Er ist somit zwar nicht gänzlich unbeachtlich, soll jedoch regelmäßig ohnehin nicht mit der nötigen Deutlichkeit und Klarheit feststellbar sein.76 Wie wenig selbst der tatsächliche Parteiwille gilt, zeigt sich auch an der Behandlung von salvatorischen Klauseln, die – zugegeben – oftmals als regelmäßiges, mithin als übliches Beiwerk in den Vertrag gelangen. In diesen Fällen kann man sich jedoch, wie aufgezeigt, nicht mehr darauf verlassen, daß die Regelungen – also die salvatorischen Klauseln als Dokumentation des der Gesamtnichtigkeit entgegenstehenden Parteiwillens – auch tatsächlich selbstbestimmt, mithin privatautonom vereinbart worden sind. Verlangt daher der hypothetische Parteiwille die Gesamtnichtigkeit, steht dem jedoch der auf Fortgeltung des Restvertrages gerichtete tatsächliche Parteiwille entgegen und ist letzterer sogar durch eine salvatorischen Klausel manifestiert, selbst dann ist die Fortgeltung des Restgeschäfts nicht die Regel.77 Im Gegensatz zur Ersetzungsklausel, welche diejenige Regelung bestimmt, die an die Stelle der unwirksamen Regelung treten soll, geht es hier um eine salvatorische Klausel in Form der sogenannten Erhaltungsklausel. Die Erhaltungsklauseln bringen zum Ausdruck, daß die Beteiligten nicht die von § 139 BGB gewollte Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit, sondern die Restgültigkeit des Vertrages wollen.78 Ob eine salvatorische Klausel lediglich die Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil verkehrt79 oder ob die Rechtsfolge des § 139 BGB 73 Damm, JZ 1986, 913 (924); ders., in: Alternativkommentar, 1987, § 139 BGB, Rdnr. 3 f. 74 Siehe schon oben und: BGH, 20.06.1980, V ZR 84/79, NJW 1981, 222; BGH, 13.03.1986, III ZR 114/84, NJW 1986, 2576 (2577); BGH, 15.03.1989, VIII ZR 62/ 88, NJW-RR 1989, 800 (801); BGH, 07.01.1993, IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587 (1589); BGH, 30.01.1997, IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684 (685); Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 353; Cahn, JZ 1997, 8 (18); MayerMaly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 28; Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufl., 2003, § 139 BGB, Rdnr. 14. 75 Hager, Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983, S. 151 ff.; ders., JuS 1985, 264 ff.; abl.: Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.I.1.b), S. 328 m. w. N. zur Gegenansicht. 76 Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 29. 77 BGH, 11.10.1995, VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 (774). 78 BGH, 15.03.1989, VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800 (801); Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, § 139 BGB, Rdnr. 5; Schmidt, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 5. 79 BGH, 11.10.1995, VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 (774); OLG Hamm, 18.09. 1979, 4 U 49/79, GRUR 1980, 183 (185); OLG Stuttgart, 28.10.1988, 2 U 170/87, ZIP 1989, 60; Ulmer, in: FS für Ernst Steindorff, 1990, S. 799 (805).
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
als dispositives Recht durch die salvatorische Klausel gänzlich abbedungen wird,80 kann im Ergebnis wohl dahinstehen. Kann trotz der Erhaltungsklausel die Geltung der regelmäßigen Rechtsfolge des § 139 BGB – also die Gesamtnichtigkeit – festgestellt werden, dann dürfte gleichfalls ein auf Gesamtnichtigkeit gerichteter tatsächlicher Parteiwille feststellbar sein, welcher dann wieder die Erhaltungsklausel als durch die Parteien aufgehoben oder für diesen Fall als nicht vereinbart geltend beseitigt.81 Die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Umstände, die eine über die Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung hinausgehende Nichtigkeit weiterer Vertragsbestimmungen oder des gesamten Vertrages begründen, trifft denjenigen, der sich darauf beruft.82 Gesamtnichtigkeit trotz salvatorischer Erhaltungsklausel kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede,83 sondern eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages verändert würde.84 Auch wenn die getroffene, von § 139 BGB abweichende Regelung ihrerseits unwirksam ist, beispielsweise weil der Schutzzweck des gesetzlichen Verbots, aus dem sich die Unwirksamkeit der anderen Bestimmungen ergibt, einer Aufrechterhaltung des Vertrags im übrigen entgegensteht, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung der Gesamtnichtigkeit.85 Auch hier kommt es auf eine salvatorische Erhaltungsklausel nicht an. Die Anwendung des § 139 BGB wird oft auch schon im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tatbestandlich ausgeschlossen.86 Hier wird schon vor der Ermittlung des tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillens zur Frage der Fortgeltung des Restgeschäfts oder der Gesamtnichtigkeit angesetzt. Es wird hinterfragt, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wäre ihnen die von ihnen nicht in Rechnung gestellte Unwirksamkeit der Klausel bewußt gewesen. Kann unter Berücksichtigung des objektiven Vertragszwecks angenommen werden, daß sie 80
BFH, 17.12.1997, X R 88/95, BB 1998, 827 (828). BFH, 17.12.1997, X R 88/95, BB 1998, 827 (828): „(. . .) der Zweck salvatorischer Klauseln liegt gerade in der Aufrechterhaltung der übrigen, vom Rechtsmangel nicht betroffenen Vertragsteile. Die Klauseln werden im Hinblick auf § 139 BGB formuliert; diese Vorschrift erfaßt aber die Unwirksamkeit/Nichtigkeit gerade von ,Teil(en) des Rechtsgeschäfts‘. Ein von dieser Ausgangslage abweichender Wille der Vertragsparteien ist im Streitfall nicht erkennbar.“ 82 BGH, 29.06.1966, V ZR 68/65, BGHZ 45, 376 (379 f.); BGH, 23.04.1969, I ZR 101/67, MDR 1969, 731 (732); BGH, 06.11.1985, IVa ZR 166/83, NJW-RR 1986, 346 (348); BGH, 11.10.1995, VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 (774). 83 BGH, 08.02.1994, KZR 2/93, NJW 1994, 1651 (1652); BGH, 11.10.1995, VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 (774). 84 BGH, 08.04.1976, II ZR 203/74, WM 1976, 1027; BGH, 11.10.1995, VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 (774). 85 BGH, 09.10.1975, III ZR 31/73, NJW 1977, 38 (40); BGH, 08.02.1994, KZR 2/ 93, NJW 1994, 1651 (1652). 86 BGH, 30.10.1974, VIII ZR 69/73, BGHZ 63, 132 (136); Roth, in: Staudinger, 13. Bearb., 1996, § 139 BGB, Rdnr. 8. Ähnlich auch: BGH, 28.05.1993, V ZR 66/92, WM 1993, 1759 (1760). 81
I. Der Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages
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dann eine andere Klausel gewählt hätten, die einerseits die beiderseitigen Belange wahrte und andererseits wirksam war, so gilt diese Klausel als von Anfang an vereinbart.87 Dann aber ist für die Anwendung des § 139 BGB von vornherein kein Raum und der Vertrag insgesamt wirksam.88 Diese Vertragsauslegung führt regelmäßig zu dem Ergebnis, daß die Parteien schon anfänglich ohnehin eine andere, weil dann wirksame Regelung vereinbaren wollten. Diese wirksame Regelung tritt automatisch an die Stelle der zunächst als vertraglich vereinbart angenommenen Abrede.89 Mangels Teilunwirksamkeit kommt es hier auf § 139 BGB schon nicht mehr an. Die Begründung der Abweichung von der Regel des § 139 BGB für alle Fälle der richterlichen Inhaltskontrolle sollte jedoch nicht nur in der Norm selbst, sondern eher auch in den Argumenten zu suchen sein, welche zur gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB geführt haben. § 139 BGB bezweckt bei einem Individualvertrag die Geltung des beiderseitigen Parteiwillens, mithin der Privatautonomie, auch in den Fällen, in denen die Einigung nicht vollständig wirksam werden konnte. Verhindert werden soll, daß den Parteien ein Rechtsgeschäft aufgedrängt wird, daß sie mit diesem, nunmehr aus ihrer Sicht unvollständigen Inhalt im Zweifel nicht gewollt haben.90 Auslöser richterlicher Inhaltskontrolle ist die gestörte Privatautonomie. § 139 BGB beruht dem gegenüber jedoch auf der Prämisse intakter Privatautonomie.91 Wer die Privatautonomie des anderen Teils verletzt, dem wird daher der durch § 139 BGB vermittelte Schutz der Privatautonomie zu entziehen sein.92 Auch ist zweifelhaft, ob in den Fällen gestörter Privatautonomie die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 139 BGB überhaupt vorliegen. Charakteristisch für die zur richterlichen Inhaltskontrolle führenden Anlaßgründe ist doch, daß der unterlegene Teil nicht genügend Raum zur Selbstbestimmung im Rahmen des Vertragsabschlusses hatte. Dann beruht die vertragliche Vereinbarung aber schon anfänglich nicht auf einem beiderseitigen Parteiwillen. Kann auf einen beiderseitigen Parteiwillen jedoch nicht zurückgegriffen werden, fehlt mithin auch ein gemeinsamer hypothetischer Parteiwille, hat auch die Auslegungsregel des § 139 BGB schon anfänglich keine hinreichende tatsächliche Grundlage.93 87 BGH, 25.01.1967, VIII ZR 206/64, LM WährG § 3 Nr. 17 = WM 1967, 257 = NJW 1967, 830. 88 So ausdrücklich: BGH, 30.10.1974, VIII ZR 69/73, BGHZ 63, 132 (136). 89 Im Ergebnis findet hier schon im Vorfeld der Wirksamkeitsprüfung die „geltungserhaltende Reduktion“ durch geltungserhaltende Vertragsauslegung statt. 90 Sandrock, AcP 159 (1960/1961), 481 (491); Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 136; Damm, JZ 1986, 913 (916); Damm, in: Alternativkommentar, 1987, § 139 BGB, Rdnr. 3; Larenz, BGB-AT, 7. Aufl. 1989, § 23.II.c), S. 463; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.II.1., S. 353; Deubner, JuS 1996, 106 (107); Medicus, BGB-AT, 7. Aufl., 1997, § 35.II.3.b), Rdnr. 508, S. 194. 91 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.I.1.b), S. 328. 92 Damm, JZ 1986, 913 (916).
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
Soll die richterliche Inhaltskontrolle wirksam den Schutz von Vertragsfreiheit und Privatautonomie bewirken, so kann dieser Schutz nicht durch Anwendung von § 139 BGB konterkariert sein. Nach dem rechtspolitischen Sinn der verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle besteht unter Berücksichtigung der Belange des Vertragspartners regelmäßig kein Anlaß für die Auflösung des gesamten Vertrages.94 Der durch die richterliche Inhaltskontrolle bewirkte Schutz des einen Vertragsteils genießt Vorrang vor dem durch § 139 BGB vermittelten Schutz der Privatautonomie des anderen Vertragsteils. Andernfalls würde die Aufgabe der richterlichen Inhaltskontrolle – Schutz der Selbstbestimmung im Rahmen der Privatautonomie durch nachträgliche Begrenzung der Vertragsfreiheit des anderen Teils – im Ergebnis leerlaufen.95 Der Wille desjenigen, dem allgemein der Mißbrauch der Vertragsfreiheit zur Last fällt, muß unbeachtet bleiben. Die Behandlung des „kranken Vertragsverhältnisses“ ist primär am Interesse der benachteiligten Vertragspartei auszurichten.96 Diese Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 139 BGB durch den Rechtsgedanken aus § 6 Abs. 1 AGBG, § 306 Abs. 1 BGB erfolgt auch bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen.97 So hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, daß entgegen § 139 BGB die Sonderregelung aus § 6 Abs. 1 AGBG gilt, wenn die Unwirksamkeit einer Klausel sich nicht aus §§ 9 ff. AGBG, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt. Konkret hatten dort die Eheleute eine von der Klinikleitung vorgelegte formularmäßige Vereinbarung unterzeichnet. Danach verpflichtete sich der Ehemann zur Unterhaltsleistung an das Kind und verzichtete wegen der geplanten heterologen Insemination unter anderem auch auf die spätere Anfechtung der Vaterschaft.98 Durch Rechtsgeschäft kann jedoch auch in den Fällen heterologer Insemination ein Verzicht des Anfechtungsrechts nicht vereinbart werden.99 Das Gesetz versage dem Verzicht die rechtliche Wirkung. Dem Ehemann müsse trotz des erklärten Verzichts die ungeschmälerte Frist aus § 1594 Abs. 1 BGB a. F. (jetzt: § 1600b Abs. 1 BGB) zur Überlegung verbleiben. „Eine unwiderrufliche Bindung (an die Zustimmung zur heterologen Insemination [Anm. d. Verf.]) wäre aber auch unwirksam, weil sie gegen elementare Grundsätze des Familienrechts und des Verfassungsrechts verstieße. Eine vertragliche Verpflichtung der Eheleute zu be93
Hefermehl, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 6 AGBG, Rdnr. 1. BGH, 09.03.1977, VIII ZR 192/74, NJW 1977, 1058 (1059). 95 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.I.1.b), S. 329. 96 Raiser, Kontrolle von Formularbedingungen, 1966, Kap. 8.IV.2., S. 168. 97 Siehe: OLG Naumburg, 20.08.2001, 8 WF 169/01, FamRZ 2002, 456 = FF 2002, 69 und hierzu Harders, DNotZ 2002, 791. 98 BGH, 03.05.1995, XII ZR 29/94, NJW 1995, 2028 (2030). 99 BGH, 07.04.1983, IX ZR 24/82, BGHZ 87, 169 (172 f.) = NJW 1983, 2073 (2074); BGH, 03.05.1995, XII ZR 29/94, NJW 1995, 2028 (2029); BGH, 12.07.1995, XII ZR 128/94, NJW 1995, 2921 (2922); BGH, 21.02.2001, XII ZR 34/99, UU S. 10. 94
II. Die Ausnahme der Gesamtunwirksamkeit
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stimmter Familienplanung erkennt die Rechtsordnung nicht an.“100 Die weiteren Verpflichtungen, insbesondere zur Zahlung von Unterhalt auch für den Fall der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung, sah das Gericht hingegen weiter als wirksam an. Deshalb ist es auch folgerichtig, wenn die Gerichte die in Eheverträgen enthaltenen Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt, den Versorgungsausgleich und auch den Güterstand, insbesondere den regelmäßig erfolgenden Ausschluß des Zugewinnausgleichs durch Vereinbarung von Gütertrennung, gesondert und einzeln auf ihre Wirksamkeit hin prüfen.101
II. Die Ausnahme der Gesamtunwirksamkeit Nach dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 3 AGBG, § 306 Abs. 3 BGB gilt die Rechtsfolge der Gesamtunwirksamkeit des Vertrages als „ultima ratio“.102 Ist eine Lückenfüllung – worauf nachfolgend noch ausführlich eingegangen wird – nicht möglich, muß zuvor versucht werden, den Parteien die Chance aufzuzeigen, die unwirksame Vereinbarung durch eine wirksame Regelung zu ersetzen. Eine voreilige richterliche Intervention in den Vertrag mit dem Ergebnis der vollständigen Vertragsbeseitigung darf nicht erfolgen. Vorrangig ist der Weg zu Neuverhandlungen aufzuzeigen. Das Gericht hat hierzu die Parteien gemäß § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO und § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO (§ 278 Abs. 3 ZPO a. F.) anzuhalten.103 Ist die richterliche Inhaltskontrolle als Beschränkung der Vertragsfreiheit zu verstehen, welche gerade aus der bisher einseitigen Ausnutzung von Vertragsfreiheit resultiert, so kann erst dann die vertragliche Bindung in Gänze beseitigt werden, wenn auch der Versuch der Parteien scheitert, sich unter den Bedingungen beiderseitig ausgeglichener Vertragsfreiheit neu zu einigen. Auch wenn der Richter nicht seine eigenen Vorstellungen über einen angemessenen Vertragsinhalt festsetzen darf, so muß er doch nach Herstellung von ausgeglichenen Voraussetzungen der Vertragsfreiheit den Weg zu einem Neuabschluß aufzeigen. Erst wenn die Neuverhandlungen erfolglos bleiben, muß durch Lückenfüllung eine Vertragsanpassung erfolgen. Die gänzliche Beseitigung jeglicher vertraglicher Bindungen ist hiernach in der Regel ausgeschlossen. Dieses Ergebnis ist wieder auf die Vertragsfreiheit zurückzuführen. Denn regelmäßig bewirkt die Inhaltskontrolle nicht Vertragsabschlußkontrolle, sondern Vertragsinhaltskontrolle. Daß sich die Parteien vertraglich binden wollten, 100
BGH, 03.05.1995, XII ZR 29/94, NJW 1995, 2028 (2030). So: OLG München, 01.10.2002, 4 UF 7/02, NJW 2003, 592 = FPR 2003, 130 = FamRB 2003, 5 mit Anm. Kogel = FamRZ 2003, 35 mit Anm. Bergschneider, FamRZ 2003, 38 – Revision unter XII ZR 265/02 eingelegt. Diese die Beantwortung dieser Frage wird von Dauner-Lieb, FF 2001, 129 (130) unter Hinweis auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ausdrücklich offen gelassen. 102 Becker, WM 1999, 709 (718). 103 Becker, WM 1999, 709 (718). 101
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
steht regelmäßig fest. Nur die Unangemessenheit des Inhaltes der vertraglichen Abreden führte zur Inhaltskontrolle und zur Feststellung der Unwirksamkeit der einzelnen Abrede. Erst wenn mit der konkreten Abrede der gesamte Vertrag steht oder fällt, die Parteien sich nicht neu einigen können und eine Anpassung nicht möglich ist, kann sich die Rechtsfolge der Gesamtunwirksamkeit ergeben. So kann denn die Kumulation von sich in unangemessener Weise einseitig zum Nachteil der Ehefrau auswirkenden Verzichtserklärungen über Zugewinnund Versorgungsausgleich sowie nachehelichen Unterhalt durch die gerichtliche Inhaltskontrolle zur Gesamtnichtigkeit des Ehevertrages führen. Eine teilweise Aufrechterhaltung des Vertrages kommt auch in Ansehung einer vereinbarten salvatorischen Klausel nicht in Betracht, wenn sich der Unwirksamkeitsgrund – hier die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB – nicht auf einen eindeutig abtrennbaren Teil beschränken läßt, sondern sich gerade auch aus dem Gesamtcharakter des Vertrages ergibt.104
III. Die Lückenfüllung Geht man vom Grundsatz des Fortbestandes des Vertrages aus, so muß die nach dem Ergebnis der Inhaltskontrolle unwirksame konkrete vertragliche Abrede ersetzt werden. Schon oben wurde benannt, daß nicht der Richter seine Vorstellungen über eine angemessene vertragliche Regelung an die Stelle der unwirksamen Abrede in den Vertrag einfügen darf. Auch gibt nicht eine allgemeine Billigkeit den Entscheidungsmaßstab vor. Der Inhalt der Lückenfüllung muß aus dem höherrangigen Recht abgeleitet werden.105 1. Die Lückenfüllung durch das dispositive Gesetzesrecht Im Ergebnis herrscht darüber Einigkeit, daß, wie auch von § 6 Abs. 2 AGBG, § 306 Abs. BGB ausdrücklich geregelt, an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Abrede die gesetzlichen Bestimmungen treten.106 Ist die Vereinbarung unwirksam, so tritt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung an deren Stelle das dispositive Gesetzesrecht. Insofern gilt die gleiche Folge, als hätten die Parteien zu dieser Frage keine vertragliche Abrede getroffen. Aus dieser Erwägung heraus verkörpert § 6 Abs. 2 BGB nur einen allgemeinen Grundsatz, 104 AmtsG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, 11.03.2003, 171 F 16219/01, FF 2003, 139 (140) – Berufung zum KG, 3 UF 134/03, eingelegt. 105 Becker, WM 1999, 709 (710). 106 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (32 f.); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, §2.V., S. 13; §11.II.1., S. 338; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 1, 7. Aufl., 1992, § 10.II.3., S. 167; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.IV.1., S. 367; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490); Schmidt, J., in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 242 BGB, Rdnr. 471; Becker, WM 1999, 709 (710).
III. Die Lückenfüllung
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der dort nur klarstellende Bedeutung hat107 und hier somit auch für alle Fälle richterlicher Inhaltskontrolle gilt.108 Sind einzelne Vertragsbestimmungen unwirksam, bleibt der Vertrag im übrigen jedoch in seinem Bestand unberührt, dann entspricht diese rechtliche Ausgangslage der Situation aller vertraglich begründeter Schuldverhältnisse, bei denen einzelne Punkte, die grundsätzlich einer vertraglichen Regelung zugänglich sind, nicht näher durch die Parteien festgelegt wurden. Im Streitfalle wenden die Gerichte dann auch das dispositive Recht einschließlich aller seiner richterrechtlichen Fortentwicklungen an, es sei denn, die Vertragsauslegung zeigt einen abweichenden Parteiwillen auf.109 Wenn daher Teile von Vertragsinhalt gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sich bei richterlicher Inhaltskontrolle als unwirksam erweisen, tritt „(. . .) das nur scheinbar verdrängte dispositive Recht (. . .) an ihre die Stelle.“110 Das gleiche gilt, wenn außerhalb des Anwendungsbereiches der AGBG bzw. der §§ 306 ff. BGB mittels richterlicher Inhaltskontrolle einem formularmäßigen Haftungsausschluß die Wirksamkeit zu versagen ist.111 Keineswegs darf dieses Ergebnis zu dem Schluß führen, daß mit der Inhaltskontrolle eine Umwidmung des dispositiven Rechts in zwingendes Recht erfolgt. Es gilt nur eine engere Begrenzung der Vertragsinhaltsfreiheit.112 Normen, die unter chancengleichen Partnern abdingbar sind, werden gegenüber den Mächtigen zu Mindestnormen.113 Dem dispositiven Gesetzesrecht kommt daher eine neue Aufgabe zu.114 Einerseits dient die Möglichkeit zur Abänderung des dispositiven Rechts auch der Vertragsfreiheit. Andererseits sind diese Vorschriften jedoch zumeist auch Richtlinie und Leitbild eines objektiv gerechten Interessenausgleichs.115 Durch diese Normen will der Gesetzgeber typisieren, was 107
Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 24. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.II.1., S. 338; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.IV.1., S. 367. 109 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.IV.1., S. 368. 110 BGH, 06.05.1982, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243 (2244). Ebenso: BGH, 19.04.1972, VIII ZR 30/71, NJW 1972, 1227 (1228); BGH, 01.03.1974, I ZR 132/72, NJW 1974, 1246 (1248); BGH, 08.10.1975, VIII ZR 81/74, NJW 1977, 195 (197); BGH, 09.03.1977, VIII ZR 192/75, NJW 1977, 1058 (1059). 111 BGH, 06.05.1982, VII ZR 74/81, NJW 1982, 2243 (2244). 112 Fastrich, FS für Otto Rudolf Kissel, 1994, S. 193 (210); Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 20. 113 Biedenkopf, FS für Franz Böhm, 1965, S. 113 (135). 114 Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, B.III.4.(2), S. 43; Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., 2001, Vor § 145 BGB, Rdnr. 20. 115 Hönn, Jura 1984, 57 (58); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 10.III.2.b)cc), S. 317; Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 11.II.1.a), S. 303; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 2.II.5.b)aa), S. 140; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 47; Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.II.2.c), S. 67 Fußn. 265; S. 68. Schon BGH, 17.02.1964, II ZR 98/62, BGHZ 41, 151 (154) hält fest, daß die „(. . .) Vorschriften des dispositiven Rechtes ihre Entstehung nicht nur Zweckmäßig108
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
aus seiner Sicht redliche und vernünftige Parteien normalerweise verabreden würden.116 Sie entsprechen den typischen Parteiinteressen der jeweiligen Vertragsart und bringen dem entsprechend auch den jeweilig typischen Parteiwillen zum Ausdruck.117 Sie bilden den angemessenen Ausgleich sich widerstrebender Parteiinteressen ab.118 Die Einfügung des dispositiven Gesetzrechtes ist jedoch nicht zwingend, selbst wenn hinreichend gesetzliche Vorschriften vorhanden sind. Es sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die gesetzliche Regelung dem hypothetischen Parteiwillen nicht gerecht wird. So kann die gesetzliche Bestimmung gerade einer Vereinbarung gewichen sein, weil sie sich als unzweckmäßig und veraltet gezeigt hat oder den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr hinreichend gerecht geworden wäre. Dann geht die richterliche Vertragsergänzung, welche beim Fehlen gesetzlicher Bestimmungen ohnehin zu erfolgen hat, der Geltung des dispositiven Gesetzrechtes vor.119 Ein starres Regel-AusnahmeVerhältnis zwischen Existenz und Nichtexistenz dispositiven Gesetzesrechts gibt es daher in den Rechtsfolgen richterlicher Inhaltskontrolle nicht. Selbstredend bedarf es jedoch eines höheren Begründungsaufwandes, soll durch Vertragsergänzung eine vorhandene gesetzliche Bestimmung als ersetzende Vertragsabrede unbeachtet bleiben. Insgesamt läßt sich als Faustregel jedoch festhalten, daß, je größer der konkrete Vertrag einem gesetzlich durchnormierten Vertragstyp entspricht, desto stärker ist zur Lückenfüllung das dispositive Recht heran-
keitserwägungen, sondern einem aus der Natur der Sache sich ergebenden Gerechtigkeitsgebot verdanken (. . .)“. Abweichende Regelungen müssen „(. . .) für die von ihnen zu regelnden Fälle das dem dispositiven Recht zugrundeliegende Gerechtigkeitsgebot in Frage stellen (. . .). Der Gerechtigkeitsgehalt der vom Gesetzgeber aufgestellten Dispositivnormen kann verschieden groß sein.“ BGH, 07.07.1976, IV ZR 229/74, NJW 1976, 2345 (2346) hat dann ausdrücklich festgehalten: „Das dispositive Recht enthält für jeden Vertragstyp einen an der Gerechtigkeit orientierten Ausgleich der Interessen der Vertragspartner.“ 116 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 47. 117 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 48. Deshalb haben für Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, FS für Ludwig Raiser, 1974, 3 (6) die zwingenden und dispositiven Normen auch „Richtigkeitsgewähr“, weil sie „(. . .) bereits typisch seit geraumer Zeit im rechtsgeschäftlichen Verkehr von den Parteien vereinbart worden waren, wobei der zwingende Charakter auf der besonders wesentlichen Bedeutung der betreffenden Regelung für die Richtigkeit beruht und die früher gemachte Erfahrung verwertet, daß sie wegen ihrer Belastung des betroffenen Partners leicht da, wo dieser machtmäßig überlegen ist, von dem anderen Partner nicht durchgesetzt werden kann.“ 118 So trefflich bereits: Ludwig Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, §27.III.4., S. 293. Ihm folgend sein Neffe Gottfried Raiser, Die gerichtliche Kontrolle von Formularbedingungen, 1966, S. 32; Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, § 3.II.2.c), S. 69. 119 BGH, 23.11.1978, II ZR 20/78; 1979, 1705 (1706); Bunte, NJW 1987, 921 (928).
III. Die Lückenfüllung
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zuziehen, je geringer die Annäherung an einen gesetzlichen Vertragstyp ausfällt, desto mehr greift die ergänzende richterliche Vertragsauslegung ein.120 2. Die Lückenfüllung bei fehlender gesetzlicher Regelung Kann die Lücke nicht durch Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts gefüllt werden, so muß die Inhaltskontrolle nicht zwingend erfolglos bleiben. Hier sind die vorhandenen Grundsätze und Regelungen des Gesetzes- und Richterrechtes zu einem Netz weiterzuweben, aus dem sich passende Regelungen ergeben.121 Der Richter muß ein „angemessenes“ normatives Leitbild rechtsfortbildend entwickeln.122 Hierzu werden im Bedarfsfalle auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze aufzustellen sein.123 Handelt es sich um einen typengemischten Vertrag oder gar um ein atypisches, gesetzlich nicht geregeltes Schuldverhältnis, sind die dispositiven Bestimmungen vergleichbarer oder ähnlicher, gesetzlich normierter Verträge heranzuziehen.124 Auch insofern haben die gesetzlich geregelten Gestaltungen Leitbildcharakter für den ständig im Fluß befindlichen Prozeß der Entwicklung neuer, den Anforderungen einer modernern Wirtschaftsordnung entsprechender vertraglicher Abreden. Im übrigen können auch alle zu Richterrecht verfestigten ungeschriebenen Rechtssätze des Privatrechts, mögen sie auch nur zu einem speziellen Vertragstyp entwickelt worden sein, die Funktion fehlenden dispositiven Gesetzesrechts übernehmen.125 Der Richter hat nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung den Willen der konkreten Vertragsparteien festzustellen und fortzuschreiben, sondern eine allgemeingültige, den Interessen typischerweise gerecht werdende Ersatzregelung zu bestimmen.126 „Läßt sich die mit dem Wegfall einer (. . .) unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen und führt dies zu einem Ergebnis, das den beiderseitigen Interessen nicht in vertretbarer Weise Rechnung trägt, so bedient sich die Rechtsprechung der ergänzenden Vertragsauslegung; denn es wäre unbillig und widerspräche der Zielsetzung des AGB-Gesetzes, dem Vertragspartner des Verwenders einen Vorteil 120 Bunte, NJW 1987, 921 (928); ähnlich: Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, § 2.II.5.b)aa), S. 140. 121 Bildhaft: Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (32). 122 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.II.2., S. 339; Hergenröder, DZWir 1994, 485 (490). 123 So: Schaub, R., JuS 2000, 555 (561) zu § 6 Abs. 2 AGBG. 124 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.IV.2., S. 369. 125 Preis, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 13.IV.2., S. 369. 126 Bunte, NJW 1987, 921 (927); Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 8. Aufl., 1997, § 6 AGBG, Rdnr. 37a für die Fälle der „richterlichen Vertragsergänzung“ bei Fehlen dispositiven Gesetzesrecht im Rahmen von § 6 Abs. 2 AGBG.
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§ 11 Die Rechtsfolgen einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen
zu belassen, der das Vertragsgefüge einseitig zu seinen Gunsten verschiebt. An die Stelle der Klausel tritt dann die Gestaltung, welche die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre.“127 Hierbei ist auf einen objektiv-generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Verträgen dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab abzustellen.128 Der Richter gründet seine Entscheidung auf den hypothetischen Willen der Vertragsparteien; er fragt, wie die Parteien die Vertragslücke vernünftiger- und billigerweise unter Berücksichtigung des Zwecks des Geschäfts und der Interessenlage geregelt haben würden.129 Um die gestörte Vertragsfreiheit zu beseitigen, ist eine Regelung zu finden, die für die Parteien einen beiderseitig angemessenen Interessenausgleich bewirkt. Auch für die Lükkenschließung nach § 6 Abs. 2 AGBG, § 306 Abs. 2 BGB ist bei Fehlen von dispositivem Gesetzes- oder Richterrecht diejenige Gestaltungsmöglichkeit heranzuziehen, welche die Parteien bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel und bei sachgerechter Abwägung ihrer Interessen getroffen hätten.130 An die Stelle der unwirksamen vertraglichen Abrede hat daher eine Gestaltung zu treten, welche die Parteien so stellt, als hätten sie die diese Gestaltung fair – will heißen: unter hinreichender Beachtung gegenseitiger Vertragsfreiheit – ausgehandelt.131 Geltungserhaltende Reduktion findet hier nicht statt. Die Substitution einer gerechten Regel ist mit der Reduktion auf einen gerade noch angemessenen Regelungsinhalt nicht gleichzusetzen.132
127 BGH, 04.07.2002, VII ZR 502/98, NJW 2002, 3098 (3099). Siehe auch: BGH, 13.11.1997, IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153 (157). 128 BGH, 07.03.1989, KZR 15/87, ZIP 1989, 939 (940) = BGHZ 107, 273 (277). Ähnlich: BGH, 01.02.1984, VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 (77 ff.); BGH, 30.10.1984, VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363 (373); Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., 2001, § 6 AGBG, Rdnr. 32. 129 Bunte, NJW 1987, 921 (927). 130 Hefermehl, in: Erman, 9. Aufl., 1993, § 6 AGBG, Rdnr. 16. 131 Schmidt, J., in: Staudinger, 13. Bearb., 1995, § 242 BGB, Rdnr. 471. 132 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, 1992, § 11.II.2.a), S. 339.
§ 12 Die Zusammenfassung Es wurde untersucht, wie Eheverträge einer richterlichen Inhaltskontrolle als Beschränkung der Vertragsfreiheit zu unterziehen sind. Der Schwerpunkt liegt in der Darstellung, wann ein Anlaß für die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen besteht. Wie die Grenzen der Vertragsfreiheit zu ziehen sind, ist an den gesetzlichen Bestimmungen des betreffenden Rechtsgebietes erkennbar. Der Umfang der Vertragsfreiheit korrespondiert mit dem Umfang der dispositiven gesetzlichen Regelungen. Kann über gesetzliche Regelungen nur eingeschränkt disponiert werden, ist für Abänderungen im Rahmen der Vertragsfreiheit zwangsläufig eher wenig Raum. Im Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden sich bereits wesentliche Begrenzungen der Vertragsfreiheit für Eheverträge. Solche Einschränkungen enthalten unter anderem die Vorschriften der §§ 1408 Abs. 2 S. 2, 1409, 1410, 1587o Abs. 2, 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4, 1614 Abs. 1, 1615l Abs. 3 S. 1 BGB. Diese Normen verdeutlichen die Sorge des Gesetzgebers, der stärkere Ehevertragspartner könnte unter der Ausnutzung einer unterlegenen Verhandlungsposition des schwächeren Ehevertragspartners unangemessene Abreden durchsetzen. Der Bundesgerichtshof war bisher Verfechter einer möglichst umfassenden Ehevertragsfreiheit im Sinne von sogenannter „voller Vertragsfreiheit“. Ob diese Freiheit ihre Grenze an den wesentlichen Prinzipien des jeweiligen Güterstandes findet, hatte der Bundesgerichtshof unentschieden gelassen. Die Schranken der Vertragsfreiheit für Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art unter Ehegatten ergaben sich für den Bundesgerichtshof allein aus den §§ 134, 138 BGB. Eine besondere Inhaltskontrolle, ob die Regelung angemessen ist, sollte vorbehaltlich der Vereinbarungen nach § 1587o Abs. 1 BGB nicht erfolgen. Über § 242 BGB ließ er lediglich die Ausübungskontrolle zu. Die Ausübungskontrolle diente dem Bundesgerichtshof zumeist zum mittelbaren Schutz berechtigter Interessen Dritter. Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, waren auf Eheverträge ebenfalls anwendbar. Hatten die Ehegatten die Scheidung ihrer Ehe vertraglich ausgeschlossen oder verpflichtete sich einseitig ein Ehegatte, künftig keinen Scheidungsantrag zu stellen, so waren diese Abreden nach § 134 BGB nichtig. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Ehegatten die Scheidungsfolgen einverständlich regeln. Deshalb gibt es für den Bundesgerichtshof kaum Gründe, die entsprechende Vereinbarungen nach § 138 BGB als nichtig erschei-
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§ 12 Die Zusammenfassung
nen lassen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Vertrages zur Sittenwidrigkeit ist derjenige des Vertragsabschlusses. Ob ein Ehevertrag im Einzelfall gemäß § 138 BGB gegen die guten Sitten verstößt, hängt für den Bundesgerichtshof von seinem aus Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter ab. Ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung soll für die Sittenwidrigkeit von Eheverträgen bisher nicht genügen. Die hierzu anderweitig entwickelten Grundsätze sind auf familienrechtliche Verträge nicht übertragbar. Auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des Sittenwidrigkeitsvorwurfs wird deshalb in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ebenfalls nicht verzichtet. Die Möglichkeiten zur Begrenzung der Ehevertragsfreiheit durch richterliche Vertragskontrolle sind umstritten. Einmal findet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur „vollen Vertragsfreiheit“ auch in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Literatur weiterhin Zustimmung. Die Vertreter dieser Sichtweise berufen sich auf den ihrer Meinung nach hinreichenden Schutz durch die ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen. Darüber hinaus gewährt die notarielle Beurkundung und die Belehrungspflicht des Notars ausreichend Schutz. Über die allgemein zu § 138 BGB geltenden Grenzen hinaus wird eine Beschränkung der Ehevertragsfreiheit abgelehnt. Richterliche Inhaltskontrolle soll nicht erfolgen. Die vermittelnden Ansichten verlangen nach einer verstärkten Sittenwidrigkeitskontrolle. Die Ausübungskontrolle soll als Übergangslösung bis zur gesetzgeberischen Erweiterung von zwingenden Normen umfangreicher angewendet werden. Andere wollen über § 138 BGB hinaus die Grenzen der Ehevertragsfreiheit ziehen. Eine Inhaltskontrolle auf der Grundlage von § 242 BGB bzw. dem übergeordneten Grundsatz von Treu und Glauben soll möglich sein. Mit dem Senatsurteil vom 06.02.2001 und dem Kammerbeschluß vom 29.03. 2001 hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge im Spannungsfeld von Privatautonomie, Vertragsfreiheit und dem Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit fortgeführt. Diese Grundsätze will das Bundesverfassungsgericht auch auf Eheverträge angewandt wissen. Bei einer einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ist die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragsparteien aus Art. 2 Abs. 1 GG eine Aufgabe der Gerichte. Sie haben durch eine Inhaltskontrolle und durch die Korrektur mit Hilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln zu verhindern, daß sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt. Eheverträgen sind daher dort Grenzen zu setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sind, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegeln.
§ 12 Die Zusammenfassung
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Diese Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes haben eine neue Ausgangslage geschaffen. Es war daher das Problem der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen zu untersuchen. Die Vertragskontrolle durch das Gericht erfolgt auf mehreren Stufen. Dort sind verschiedene Schranken der Privatautonomie nacheinander geschaltet. Die erste Ebene der Vertragskontrolle ist die Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 BGB. Zwingendes Gesetzesrecht und Verbotsgesetze geben die nächste Stufe vor. Erst danach erfolgt im Rahmen der Vertragskontrolle die Inhaltskontrolle als Angemessenheitskontrolle. An diese richterliche Inhaltskontrolle schließt sich die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB an. Aus dieser Einordnung erschließt sich die Wirkung der richterlichen Inhaltskontrolle. Wie auch die übrigen Elemente richterlicher Vertragskontrolle bewirkt somit auch die richterliche Inhaltskontrolle eine Begrenzung der Vertragsfreiheit. Für den Ehevertrag war festzuhalten, daß sich außer in der amtlichen Überschrift zu § 1408 BGB an keiner anderen Stelle des Gesetzes eine ausdrückliche Benennung der Vertragsfreiheit findet. Deshalb war die Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich abzuleiten. Die Vertragsfreiheit ist allgemein in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgt. Art. 2 Abs. 1 GG gilt jedoch als Auffanggrundrecht. Die Verfassungsgrundlage der Ehevertragsfreiheit ergibt sich deshalb konkret aus Art. 6 Abs. 1 GG. Die Vertragsfreiheit ist zwar ein Grundprinzip der Privatrechtsordnung. Sie gewährt jedoch keine absolute Freiheit zur beliebigen Ausgestaltung rechtlicher Beziehungen. Es gelten formelle und materielle Grenzen der Vertragsfreiheit. Die formelle Vertragsfreiheit erfüllt sich in der Ausgestaltung eines Verfahrens, mit welchem die Partner zu einer bindenden Vereinbarung gelangen können. Diese Rahmenbedingungen werden durch die materielle Vertragsfreiheit flankiert. Materielle Vertragsfreiheit soll reale Handlungsspielräume beim vertraglichen Handeln eröffnen. Die Vertragsfreiheit ist ein bipolares Gut. Es geht um die beiderseitige Verwirklichung von Selbstbestimmung. Materielle Vertragsfreiheit ist somit unmittelbarer Ausdruck eines von Verantwortung nicht nur allein für sich selbst, sondern auch von Verantwortung für den anderen Vertragspartner geprägten Grundverständnisses der Privatautonomie. Die unter Einsatz formeller Vertragsfreiheit bewirkte rechtsgeschäftliche Bindung soll auch auf einer freien selbstbestimmten Entscheidung beruhen. Um zu verhindern, daß der Vertragsschluß desjenigen Teils, der rein tatsächlich auf den Vertragsinhalt keinen Einfluß nehmen konnte, nur noch formalen Gebrauch der Vertragsfreiheit dokumentiert, wird die formale Vertragsfreiheit des anderen Teils, materiell so vorteilhaft wie nur rechtlich noch wirksam abzuschließen, durch die richterliche Inhaltskontrolle begrenzt. Die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen dient deshalb der Sicherung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Sie ist ein taugliches Mittel zur Lösung des Problems
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gestörter Vertragsparität. Sie verhilft der gegenseitigen Vertragsfreiheit im materiellen Sinne zur Geltung. Zielt die richterliche Inhaltskontrolle auf die Wahrung der individuellen Vertragsgerechtigkeit, hat sie sich an dem konkretindividuellen Maßstab der Vertragsgerechtigkeit zu orientieren. In erster Linie orientiert sie sich dann am Leitbild des dispositiven Gesetzesrechts. Sie ist Wirksamkeitskontrolle und somit Rechtskontrolle. Grenze der richterlichen Inhaltskontrolle ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Was die normative Grundlage der richterlichen Inhaltskontrolle außerhalb des Anwendungsbereiches der §§ 305 ff. BGB ist, sucht noch immer nach einer übergreifend anerkannten Antwort. Nach der hier herausgearbeiteten Lösung ist das aus §§ 157, 226, 242, 307, 826 BGB abzuleitende Rechtsprinzip von Treu und Glauben der Ausgangspunkt. Dieses Rechtsprinzip wird als geeignet für die Erweiterung anderer gesetzlicher Tatbestände und somit auch den Tatbestand von § 138 BGB angesehen. Es erfolgt eine rechtstechnische Verknüpfung des Prinzips von Treu und Glauben mit dem Normbestand von § 138 BGB. Eine Sondernorm für Fälle fehlender oder eingeschränkter materieller Vertragsfreiheit wird im Wege der Anlagerung gebildet, die mit § 138 BGB nur den systematischen Standort, nicht aber den Regelungsinhalt gemein hat. Normative Grundlage der richterlichen Inhaltskontrolle ist somit die Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB in seiner durch das Prinzip von Treu und Glauben konkretisierten Ausformung. Voraussetzung der richterlichen Inhaltskontrolle sind Vertragsdisparität in Form einer unangemessen belastenden vertraglichen Abrede und Machtdisparität als Ausprägung beeinträchtigter Entscheidungsfreiheit. Die Unterlegenheitsposition muß sich im Inhalt des Vertrages niederschlagen. Die Unangemessenheit des Vertragsinhaltes ist ein Indiz für fehlende vertragliche Selbstbestimmung. Dann müssen die Gerichte klären, ob die vertragliche Regelung eine Folge fehlender vertraglicher Selbstbestimmung ist. Fehlt es im Ergebnis dieser Prüfung daran, muß auch eine ungewöhnlich hohe Belastung als verbindlich hingenommen werden. Anders verhält es sich nur, wenn der Vertragsinhalt schon an sich eine krasse Benachteiligung enthält. Dann wird regelmäßig jedoch auch schon die Grenze des § 138 BGB erreicht sein. Unterhalb dieser quantitativen Ebene bedarf es zusätzlich noch eines konkreten Anlasses, um den Richter zur Inhaltskontrolle des Vertrages anzuhalten. Es ist ein Indiz für die Machtdisparität aufzusuchen, das Anlaß gibt, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Das Gericht hat nur, wenn tatsächliche Umstände hierfür einen Anlaß geben, zu prüfen, ob die Einigung zwar formal, nicht aber auch materiell privatautonom zustande kam. Die konkreten Umstände müssen nur nahelegen, daß eine unterschiedliche Verhandlungsstärke vorgelegen hat. Nach diesem Verständnis braucht der Richter nicht bei jedem Vertrag zu prüfen, ob die Vertragsfreiheit des einen Teils zu Lasten
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des anderen Teils unangemessen verdrängt war. Fehlt es an einem Anlaßgrund, dann findet die Inhaltskontrolle nicht statt, mag die vertragliche Abrede auch unangemessen sein. Die Grenzen der Vertragsfreiheit bleiben dann regelmäßig mit §§ 134, 138 BGB gezogen. Beispielhaft wurde untersucht, wann ein Anlaß für die Durchführung der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen besteht. So kann die mit § 1408 BGB gesetzlich niedergelegte Ehevertragsfreiheit nur im Zusammenwirken mit der Formvorschrift des § 1410 BGB ihren vollen Umfang entfalten. Die Ehevertragsfreiheit findet ihre innere Rechtfertigung unter anderem in dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung. Waren beide Ehegatten nicht persönlich beim Notar anläßlich der Beurkundung anwesend, besteht hinreichend Anlaß, den Ehevertrag einer richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Trotz Belehrung beim Notar kann Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle bestehen, wenn die vertragliche Regelung schon objektiv nicht oder jedenfalls nur kaum durchschaubar war. Die fehlende Transparenz ist daher ebenfalls eine Einstiegsschwelle für eine Einschränkung der Vertragsfreiheit durch richterliche Inhaltskontrolle. Mit der fehlenden Transparenz der vertraglichen Regelung korrespondiert zumeist die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit des anderen Teils. Auch diese ist ein typisches Beispiel strukturellen Ungleichgewichtes. Der weitere Anlaßgrund der Überraschung durch den Vertragsinhalt hat im Kern zur Folge, daß der benachteiligte Ehegatte den Vertragsschluß vollzieht, ohne zuvor dessen Tragweite zu verinnerlichen. Die objektiven Probleme bei dem Erfassen der wahren Tragweite des Inhalts der Vereinbarung werden hier regelmäßig um eine zeitliches Moment verstärkt. Eine weitere Fallgruppe, in der Anlaß zur richterlichen Inhaltskontrolle besteht, sind die vorformulierten Eheverträge. Unter dem Oberbegriff des Vertragsdiktats ergibt sich ein in der Praxis wesentlicher Anlaßgrund zur richterlichen Inhaltskontrolle. Hier sah sich regelmäßig ein Vertragspartner zum Abschluß des Ehevertrages gezwungen. Quantität und Qualität des empfundenen Zwangs beim Ehevertrag werden relativiert. Der Ehevertrag trägt wegen des vollständigen Wegfalls der Vertragspartnerwahlfreiheit die Gefährdung der Vertragsfreiheit und somit die Gefährdung der vertraglichen Selbstbestimmung schon in sich. Wenn zusätzlich noch ein verpflichtend empfundener Zwang zum Abschluß eines Ehevertrages aufgebaut wird, ist die Selbstbestimmtheit der Vertragsentscheidung empfindlich in Frage gestellt. Die Anlaßgründe zum internen Vertragsdiktat sind durch eine moralisch, sittlich oder auch emotional empfundene Verpflichtung zum Abschluß des Ehevertrages gekennzeichnet. Starke emotionale Zuneigung und darauf beruhendes persönliches Vertrauen einerseits, aber auch die Erkenntnis finanzieller Abhängigkeit und ein daraus resultierendes Gefühl eigener Unterlegenheit andererseits verführen leichter als in anderen zwischenmenschlichen Bereichen dazu, wirtschaftli-
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che Risiken zu übersehen oder falsch einzuschätzen. Dieser Umstand tritt schon ein, wenn ein Ehegatte die Eheschließung von der Bedingung abhängig macht, daß ein Ehevertrag geschlossen wird. Die Eheschließungsfreiheit berechtigt nicht zu unangemessener Ehevertragsgestaltung. Erfolgt die Eheschließung sogar in Ansehung einer bevorstehenden Niederkunft, befindet sich die werdende Mutter wegen der Sorge um die Zukunft des erwarteten Kindes typischerweise in einer dem Ehemann weit unterlegenen Position. Entsprechendes gilt, wenn der Abschluß des Ehevertrages zur Bedingung der Fortsetzung der Ehe gestellt wird. Eine enge Verbindung zwischen inneren und äußeren Zwangssituationen entsteht auch durch die höchst unangenehmen gesellschaftlichen Folgen der Absage einer bereits angekündigten und gegebenenfalls sogar schon mit Einladungen terminlich fest fixierten Hochzeit. Eine die tatsächliche Entscheidungsfreiheit einschränkende Drucksituation als Beispiel struktureller Unterlegenheit beim Vertragsabschluß ist nicht auf familiäre Bindungen beschränkt. Die Verpflichtung zum Abschluß von Eheverträgen kann sich beispielsweise aus der gesellschaftsrechtlichen Bindung eines Ehegatten ergeben. Auch kann eine potentielle Erbenstellung erbvertraglich oder testamentarisch an eine Verpflichtung zum Abschluß eines Ehevertrages gebunden sein. Beispielhaft gehören zu dieser Fallgruppe auch ausländerrechtliche Implikationen. So können das Bleiberecht, die Aufenthaltsgenehmigung oder eine Arbeitserlaubnis an die eheliche Lebensgemeinschaft anknüpfen. Auch dieser Zwang beeinflußt mittelbar die selbstbestimmte Entscheidung zum Abschluß des vom anderen Ehegatten begehrten Ehevertrages. Werden von einer Vertragspartei diesen Beispielen entsprechende oder vergleichbare Umstände vorgebracht, dann streitet eine Vermutung dafür, daß eine der Parteien sich beim Vertragsabschluß in einer die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung ausschließenden Situation befand. Die Einstiegsschwelle für eine Einschränkung der Vertragsfreiheit mittels der richterlichen Inhaltskontrolle ist dann festgestellt. Wenn der andere Ehegatte dann behauptet, der Ehevertrag beruht trotz dieser konkreten Situation auf einer selbstbestimmten Entscheidung, dann hat er darzulegen und nötigenfalls auch zu beweisen, durch welche weiteren Umstände seine Behauptung bestätigt wird. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, ist der Vertrag auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen. Unangemessen sind Vertragsvereinbarungen, die den Interessen des anderen Teils massiv zuwiderlaufen. Diese Interessen sind am Leitbild des dispositiven Gesetzesrechts zu bewerten. Der Maßstab des ehetypgerechten Ehevertrages ist ergänzend heranzuziehen. Der danach unangemessene Ehevertrag ist unwirksam. Obwohl die Inhaltskontrolle Wirksamkeitskontrolle ist, berührt sie den Bestand des gesamten Vertrages grundsätzlich nicht. Die Kumulation von sich in unangemessener Weise einseitig auswirkenden Verzichtserklärungen über Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie nachehelichen Unterhalt kann jedoch auch zur Gesamtnichtig-
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keit des Ehevertrages führen. Ist der Ehevertrag insgesamt oder teilweise im Ergebnis der richterlichen Inhaltskontrolle unwirksam, so gilt das durch die vertragliche Vereinbarung nur scheinbar verdrängte dispositive Gesetzesrecht. Kann die Lücke in Ermangelung von Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts nicht gefüllt werden, muß der Richter ein angemessenes normatives Leitbild rechtsfortbildend entwickeln. Die Arbeit wurde am 27.01.2004 vorgelegt. Mit Urteil vom 11.02.20041 hat der Bundesgerichtshof erstmals mit einer Entscheidung die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen vom 06.02.2001 und 29.03.2001 aufgegriffen. Seit dem hat sich der Stand der Erkenntnisse bereits weiter entwickelt.2 Er konnte jedoch nicht mehr berücksichtigt werden.
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BGH, 11.02.2004, XII ZR 265/02, NJW 2004, 930. Vgl. nur: BGH, 06.10.2004, XII ZB 110/99, NJW 2005, 137; BGH, 06.10.2004, XII ZB 57/03, NJW 2005, 139; OLG Düsseldorf, 01.07.2004, 7 UF 227/03, NJW-RR 2005, 1; Bergschneider, FamRZ 2004, 807; Börger, ZAP Fach 11 R, 429; Borth, FamRZ 2004, 609; Brambring, FGPrax 2004, 175; Brandt, MittBayNot 2004, 278; Bredthauer, NJW 2004, 3072; Brudermüller, NJW 2004, 3235; Dauner-Lieb, FF 2004, 65; dies., JZ 2004, 1027; Finger, LMK 2004, 108; Gageik, RNotZ 2004, 295; Grziwotz, FamRB 2004, 106; ders., FamRB 2004, 199; ders., BGH-Report 2004, 519; Koch, NotBZ 2004, 147; Langenfeld, ZEV 2004, 311; Mayer, FPR 2004, 363; Münch, ZNotP 2004, 124; Rakete-Dombek, NJW 2004, 1273; Rauscher, DNotZ 2004, 524; Strohal, jurisPR-FamR 3/2004; Wachter, ZFE 2004, 132; ders., ZNotP 2004, 264. 2
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Sachwortverzeichnis Angemessenheitskontrolle 73, 118, 123 Anlaß zur Inhaltskontrolle 239, 244 • Beurkundung, notarielle 248 • Risikoverharmlosung 285 • Scheidungserschwerung 299 • Schwangerschaft 293 • Sprachkunde 278, 306 • Stellvertretung 251 • Transparenz 271 • Überraschung, Überrumpellung 282 • Unerfahrenheit 274 • Vertragsdiktat 286 – externes 301 – internes 290 • Vorformulierung 308 Anscheinsbeweis 205 Ausübungskontrolle 55, 60, 70, 315 • Abgrenzung 124 Bedenkzeit 283, 287 Beurkundung, notarielle 248 Billigkeitskontrolle 118, 184 Bindungen • emotionale 291 • familiäre 291 Dankesgefühl 292 Disparität • Indiz für 92 • strukturelle 22 Drohung 287 Eheschließungsfreiheit 69, 85 Ehevereinbarungen 33 Ehevertrag • Angemessenheitskontrolle 73
• Ausländer 109 • Bedingung für – Ehefortsetzung 295 – Eheschließung 293 • Ehetyp 93 • Ehevertragsbegriff, erweiterter 32 • fallgruppengerechter 65 • Formzwang 249 • Kindeswohl 94 • Kontrahierungszwang 289 • Legaldefinition 23 • Sittenwidrigkeit 47 – Vermutung 74 – Voraussetzungen 50 – Zeitpunkt 48, 72,77 • Stellvertretung – Selbstkontrahieren 256 – Vertretergeschäft 255 – Vollmacht 255 • Verbotsgesetz 45 Generalklauseln 155 Geschäftsgrundlage, Wegfall der 56, 73 Gleichberechtigung 23 Grundrechte • Schutzpflicht 82, 170 • Werteordnung 154 Güterrecht • Bezugnahmeverbot 24 • Familiengesetzbuch DDR 25 • Typenzwang 23 • Wesen 43 Hausfrauenehe 75
Sachwortverzeichnis Informationsdefizit 278 Inhaltskontrolle • Begriff 117 • im engeren Sinne 117 • im weiteren Sinne 115 • richterliche – Anlaß für 21, 239, 244 – Fallgruppenbildung 71, 244 – Beurkundung, notarielle 248 – Risikoverharmlosung 285 – Scheidungserschwerung 299 – Schwangerschaft 65, 70, 89, 293 – Sprachkunde 278, 306 – Stellvertretung 251 – Transparenz 271 – Überraschung, Überrumpellung 282 – Unerfahrenheit 274 – Vertragsdiktat 286 – externes 301 – internes 290 – Vorformulierung 308 – Gegenstand 115 – Grenzen – Schutzauftrag des GG 170 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 172 – Grundlagen 240 – Schutzpflichtlehre im Privatrecht 242 – Verfassung 241 – Maßstab 163 – materielle Vertragsfreiheit 162 – normative Grundlage – Allgemeine Geschäftsbedingungen 178 – Allgemeine Handlungsfreiheit 177 – Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB 184 – Sittenwidrigkeitsklausel 186, 195 – Treu und Glauben, § 242 BGB 187 – Prinzip von 190 – Sittenwidrigkeitsklausel und 191
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– Prüfungsverfahren 214, 244 – Rechtsfolgen 315 – Lückenfüllung 332 – dispositives Recht 332 – Rechtsfortbildung 335 – Vertragsergänzung, richterliche 334 – Vertragsfortbestand 317 – Rechtskontrolle 165 – Schutzgrund 163 – Umgehung 26 – Versorgungsausgleich 29 – Voraussetzungen 211 – Angemessenheit 219 – Definition 217 – Interessenausgleich 225 – Machtdisparität 227 – Vertragsdisparität 218 – Zivilprozeßrecht 167 – Zwangsvollstreckung 168 Interessenausgleich 71, 225 Kindeswohl 94 Legitimationsehe 51 Machtdisparität • äußere 228 • Bestimmtheit 232 • individuelle 231 • personenbezogene 230 • Verhältnis zur Vertragsdisparität 234 Mißbrauchsverbot 54 Notar • Belehrungspflicht 52, 65, 248 Privatautonomie 83, 130 • Schranken der 120 Rechtsfolgen 315 • Lückenfüllung 332
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Sachwortverzeichnis
– dispositives Recht 332 – Rechtsfortbildung 335 – Vertragsergänzung, richterliche 334 • Vertragsfortbestand 317 Rechtskontrolle 116, 165 Rechtsunkenntnis 52 Richtigkeitsgewähr 76 Scheidungsausschluß 300 Scheidungserschwerung 299 Scheidungsfolgenvereinbarung 28, 107 Schwangerschaft 65, 70, 89, 293 • Indiz für Unterlegenheit 104, 108 Selbstbestimmung 149 Sittenwidrigkeit • Grundlage der Inhaltskontrolle 186 • Treu und Glauben 191 • Vermutung der 199 • Vertragskontrolle 122 Sorgerecht • Kommerzialisierung 53, 64 Sozialhilfebedürftigkeit 108 Sprachkenntnisse 113, 278, 306 Stellvertretung 251 • Genehmigung 264 • Selbstkontrahieren 256 • Vertreter, vollmachtloser 263 • Vertretergeschäft 255 • Vollmacht 255 Stufenbeurkundung 28 Transparenzgebot 271 Treu und Glauben 77, 187 Typenzwang 23 Überraschung, Überrumpelung 282 Umgangsrecht 53 Unangemessenheit 219 Unerfahrenheit 52, 155, 197, 274 • Informationsgefälle 275 • Lebensalter 275
• Vorbildung 275 • Wissensvorsprung 276 Unterhalt 33 • Betreuungsunterhalt – nichteheliche Kinder 35 – rechtsmißbräuchlicher Verzicht 54 • Form für Unterhaltsvereinbarungen 34 • Freistellungsvereinbarung 97 • Not 73 • Verzichtsverbot 33 Unterlegenheit • intellektuelle 278 • strukturelle 68, 75 Verbotsgesetze 123, 155, 159 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 96, 172 Verhandlungsgleichgewicht • Störung 68, 71 Verharmlosung von Risiken 285 Vermutung, tatsächliche 72 Verschuldensprinzip 69 Versorgungsausgleich 25, 28 Vertragsdiktat 286 • externes 301 • internes 290 Vertragsdisparität 218 Vertragsfreiheit • Beschränkung 21 • bürgerlich-rechtliche Normierung 132 • Ehevertragsfreiheit 22 – dispositives Gesetzesrecht 142 – Grenzen 148 – Güterrecht 22, 23 – Freiheitsraum 146 – Inhaltskontrolle 145 – Rechte Dritter 53 – Schutz durch notarielle Beurkundung 65 – Schwangerschaft 65, 70, 89 – Indiz für Unterlegenheit 104, 108 – Unterhalt 33 – verfassungsrechtliche Grundlagen 138
Sachwortverzeichnis – Versorgungsausgleich 26 • Ehevertragsgestaltungsfreiheit 67 • formelle 152 • Grenzen 120, 148 – gesetzliche Bestimmungen des Familienrechts 22, 59 – Sittenwidrigkeit 47 – Verbotsgesetz 45 • Grundlagen 130, 148 – Verfassung 133 – Wettbewerb, Schutz durch 150 • materielle 153 – Generalklauseln 155 – Inhaltskontrolle 162 – Verbotsgesetze 155, 159 – Werteordnung des GG 154 – zwingendes Recht 155 • Wechselwirkungen 159 • Ziel der 149
Vertragsgerechtigkeit • materielle 67 Vertragskontrolle 116 • Stufen der 120 Vertrauensstellung 292 Vollmacht 255 • Formbedürftigkeit 255, 259 Vorformulierung 308 Wirksamkeitskontrolle 116, 315 Zeitdruck 65 Zivilprozeßrecht 167 Zwangslage 50, 52, 67, 197, 283 • Beweislast 72 • externe 301 • interne 290 • seelische 283, 292 Zwangsvollstreckung 168
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