Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen [1 ed.] 9783428483174, 9783428083176

Die Inhaltskontrolle von Vertragsbedingungen hat in letzter Zeit generell an Bedeutung gewonnen. So können auch die Satz

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Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen [1 ed.]
 9783428483174, 9783428083176

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 139

Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen Von

Dorothee Schmiegel

Duncker & Humblot · Berlin

DOROTHEE SCHMIEGEL

Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 139

Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen

Von Dorothee Schmiegel

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schmiegel, Dorothee: Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen / von Dorothee Schmiegel. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 139) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08317-2 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08317-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit lag im Sommersemester 1994 der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau als Dissertation vor. Sie wurde im April 1994 beendet. Dank sagen möchte ich zunächst Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch für die Betreuung der Arbeit. Ihm danke ich ebenso wie Herrn Prof. Dr. Christian Schmidt-Leithoff für die zügige Begutachtung. Herrn Wiss. Ass. Dr. Volker Rieble danke ich für zahlreiche Anregungen bei der Auswahl und Bearbeitung des Themas. Schließlich danke ich meinen Freunden Gisa Klaus, Carsten Rees und Anja Roer, die mir bei der Fertigstellung der Arbeit geholfen haben. Freiburg, September 1994

Dorothee Schmiegel

Inhalt § 1 Einleitung

1 Erster Teil

Grundlagen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen § 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle bei Koalitionen I. Inhaltskontrolle bei Vereinen gemäß dem Urteil des BGH vom 24.10.1988 II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen 1. Typische Ungleichgewichtslage als Voraussetzung jeder Inhaltskontrolle 2. Ungleichgewicht zwischen Verein und Mitglied a) Generelle Paritätsstörung? b) Paritätsstörung wegen besonderer Stellung des Vereins? c) Paritätsstörung wegen Angewiesenheit des Mitglieds auf die Vereinszugehörigkeit? aa) Angewiesenheit auf die Vereinsleistung bb) Alternativen zur Mitgliedschaft d) Ergebnis 3. Sonderfall: Ungleichgewicht zwischen Koalition und Mitglied a) Gewerkschaften aa) Zwingende Wirkung von Tarifvertragsnormen bb) Tatsächlicher Einfluß auf Arbeitsvertragsgestaltung und Arbeitskampf cc) Rechtsschutz und finanzielle Unterstützungen dd) Mitwirkung im Betrieb ee) Interessenvertretung in Staat und Gesellschaft ff) Möglichkeit effektiver Ausübung der Koalitionsfreiheit gg) Ergebnis b) Arbeitgeberverbände aa) Solidarität im Arbeitskampf bb) Weitere Leistungen cc) Ergebnis

3 3

3 5 6 7 8 9 10 10 11 12 14 14 14 15 16 17 18 19 20 21 21 21 22

Inhalt III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

22

1. Materielle Rechtfertigung: Ausgleich einer Grundrechtskollision

22

2. Formelle Rechtfertigung: Rechtsfortbildung extra legem § 3 Durchführung der Inhaltskontrolle I. Gegenstand der Inhaltskontrolle 1. Inhaltskontrolle als Satzungskontrolle a) Kontrolle des Koalitionszwecks b) Kontrolle der »Hauptpflichten« 2. Einfluß der Inhaltskontrolle auf die Beschlußkontrolle

25 28 28 28 28 30 31

a) Ausübungs- und Beschlußkontrolle in typischen Ungleichgewichtslagen

31

b) Verbleibender Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Vereins II. Maßstab und Rechtsfolgen 1. Maßstab a) Leitbild als Maßstab der Inhaltskontrolle

32 34 34 34

aa) Methode der Inhaltskontrolle bb) Spezifität des Leitbilds cc) Entwicklung des Leitbilds b) Maßstab für die Kontrolle der »Hauptpflichten« 2. Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle a) Wirksamkeit des Gesamtvertrags trotz Unwirksamkeit einzelner Klauseln b) Ergänzung von Vertragslücken III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitglieds

34 35 37 37 39 39 40 41

1. Ansprüche des Mitglieds gegen die Koalition

42

a) Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis b) Deliktische Ansprüche 2. Prozessuale Verwirklichung a) Rechtsbehelfe des Mitglieds b) Gerichtsstand c) Geltungsbereich von Urteilen

42 43 44 44 45 46

Zweiter Teil

Inhaltskontrolle im einzelnen § 4 Beitritt I. Begründung des Aufnahmeanspruchs aufgrund der Inhaltskontrolle

48 49 49

Inhalt II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen 1. Inhaltliche Beschränkungen der Aufnahmepflicht a) Mitgliedschaft in Konkurrenzorganisation

XI 51 51 52

b) Unzuständigkeit der Koalition c) Aufnahme von Bewerbern, die nicht auf die Mitgliedschaft angewiesen sind

53

d) Schädigung der Koalition

56

aa) Ablehnung des Koalitionszwecks bb) Ablehnung der Voraussetzungen der Koalitionstätigkeit cc) Unterstützung koalitionsfeindlicher Organisationen

54 56 58 60

dd) Schädigung des Ansehens der Koalition 2. Schriftliche Festlegung der Ablehnungsgründe

61 62

3. Interne Kontrolle von Ablehnungsentscheidungen 4. Wiederaufnahme nach Austritt oder Ausschluß

65 67

III. Bedingungen des Vertragsschlusses 1. Obliegenheit des Bewerbers zur Auskunftserteilung 2. Annahmeerklärung des Vereins a) Erforderlichkeit der Annahmeerklärung b) Annahmefrist c) Verzugsfolgen bei Verzögerung der Annahmeerklärung

68 68 69 69 70 71

3. Beitrittsvoraussetzungen auf Seiten des Bewerbers a) Schriftform der Beitrittserklärung b) Erste Beitragszahlung und Aufnahmegebühr

72 72 73

c) Aufnahme aller Betriebe eines Unternehmens 4. Begründung der Ablehnungsentscheidung 5. Rückwirkende Unwirksamkeit des Beitrittsvertrags a) Widerrufsrecht des Vereins b) Exkurs: Widerrufsrecht des Mitglieds c) Anfechtung

74 74 75 75 77 78

§ 5 Pflichten der Mitglieder

79

I. Generelle Zulässigkeit von Mitgliederpflichten 1. Nähe zum Vereinszweck 2. Intensität der Mitgliederpflicht 3. Ergebnis II. Allgemeine Förderpflicht III. Schriftformgebot?

79 80 81 82 82 84

IV. Durchsetzung der Mitgliederpflichten 1. Klage des Vereins gegen das Mitglied 2. Vereinsstrafe a) Zulässigkeitsvoraussetzungen b) Vereinsinterne Kontrolle

86 86 87 87 88

Inhalt

XII

c) Staatsgerichtliche Kontrolle V. Zulässigkeit einzelner Mitgliederpflichten 1. Zahlungspflichten a) Umfang . aa) Staffelung der Beitragshöhe bb) Umlagen und Abtretung von Vergütungen b) Modalitäten aa) Leistungsort und -zeit

89 91 91 91 91 94 95 95

bb) Lastschriftverfahren

96

cc) Lohnabzugsverfahren

98

dd) Quittung c) Rückzahlung überzahlter Beiträge 2. Pflichten bei der Regelung von Arbeitsbedingungen a) Pflichten im Verbandsarbeitskampf aa) auf Gewerkschaftsseite

99 99 101 101 101

bb) auf seiten der Arbeitgeberverbände

103

b) Pflichten in bezug auf Kollektivvereinbarungen 3. Pflichten zur Unterstützung der Koalition a) Mitverwaltungspflichten

104 105 105

b) Pflicht zur Werbung 4. Pflichten in der Datenverarbeitung a) Mitteilung und Geheimhaltung von Informationen b) Datenaustausch des Vereins mit Dritten aa) Einwilligung des Mitglieds bb) Normative Grundlagen

106 108 108 109 110 111

cc) Wahrung berechtigter Interessen 5. Pflicht zur Anrufung eines Schiedsgerichts a) bei Streitigkeiten zwischen Mitglied und Verein b) bei Streitigkeiten der Mitglieder untereinander 6. Verbot der Betriebsratskandidatur auf fremder Liste? 7. Pflicht zu Vereinsübertritt und Doppelmitgliedschaft § 6 Leistungen der Koalition an die Mitglieder I. Zulässigkeit und Gebotenheit der Leistungen 1. Zulässigkeit einzelner Leistungen a) Unterstützungsleistungen und Rechtsschutz b) Gruppenversicherungen 2. Rechtsanspruch des Mitglieds oder freiwillige Leistungen? a) im Grundsatz b) im Einzelfall II. Leistungsbedingungen 1. Für alle Leistungen

111 113 113 115 116 117 119 119 119 119 121 122 122 123 127 127

Inhalt

XIII

a) Mitgliedschaftsdauer

127

b) Erfüllung der Mitgliederpflichten und -Obliegenheiten c) Kreis der Begünstigten d) Abtretungs- und Verpfandungsverbot e) Rückzahlung erbrachter Leistungen

128 130 131 131

f) Verjährung und Ausschlußfrist 2. Für den Rechtsschutz im besonderen a) Umfang der Leistung b) Leistungsverweigerungsgründe aa) Obliegenheitsverletzung des Mitglieds bb) Umstände des Sachverhalts c) Haftungsausschluß § 7 Innerverbandliche Willensbildung

132 133 134 135 135 137 138 140

I. Vereinswillensbildung in typischen Ungleichgewichtslagen 1. Gebot der Willensbildung »von unten nach oben« 2. Leitbilder für die Willensbildung

140 140 142

II. Einzelne Anforderungen an die Vereinsorganisation 1. Mitglieder- und Delegiertenversammlung a) Erforderlichkeit b) Aufgaben, Turnus und Tagesordnung c) Stellung der Delegierten d) Konsequenzen für die Vereinsgliederung aa) Untergliederungen innerhalb des Vereins bb) Zusammenschluß mit anderen Koalitionen 2. Verwaltungrechte der Mitglieder a) Wahl- und Stimmrecht aa) Wahlrechtsgrundsätze und Wahlverfahren bb) Passives Wahlrecht cc) Insbesondere Quoten b) Minderheitenrechte 3. Anforderungen an die Willensbildung in besonderen Situationen a) im Arbeitskampf

143 143 143 144 146 147 147 149 151 151 151 155 157 161 163 163

b) beim Abschluß von Tarifverträgen 4. Vorstands- und Kontrollorgane a) Erforderliche Organe b) Rechtsstellung der Mandatsträger § 8 Beendigung der Mitgliedschaft I. Ausschluß

166 166 166 167 170 170

XI

Inhalt 1. Materielle Ausschlußvoraussetzungen

171

a) Formen des Ausschlusses

171

b) Verhältnis zwischen Ablehnungs- und Ausschlußgründen c) Einzelne Ausschlußgründe

171 173

2. Formelle Ausschlußvoraussetzungen

176

II. Austritt 1. Inhaltskontrolle der Austrittsregelung? 2. Austrittsbedingungen a) Form

179 179 179 179

b) Frist 3. Verminderte Rechte und Pflichten nach der Austrittserklärung? III. Beendigung wegen Beitragsrückstands IV. Exkurs: Unterbrechung und Ruhen der Mitgliedschaft V. Folgen der Beendigung der Mitgliedschaft

180 182 183 186 187

1. Abwicklung verbleibender Rechte und Pflichten

187

2. Veröffentlichung des Ausschlusses und Boykottaufruf

188

§ 9 Ergebnisse und Schlußbetrachtung

190

Schrifttum

195

Abkürzungen a. Α. Abs. AbzG AcP a. E. a. F. AG AGB AGBG AK AktG Alt. AP AR-Blattei ARB ArbG ArbGG Art. AT Aufl. Az. BAG BAGE BayObLG BayObLGZ BB BBG BDA BDSG Beil. BerHG BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ BK BKartA

anderer Ansicht Absatz Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Die Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alternativkommentar Aktiengesetz Alternative Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsrecht-Blattei Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, abgedruckt bei Harbauer, S. 1 Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, hrsg. von den Mitgliedern des Gerichtshofes Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen, Neue Folge, hrsg. von den Mitgliedern des Gerichts Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesdatenschutzgesetz Beilage Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, hrsg. von den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Bundesanwaltschaft Kommentar zum Bonner Grundgesetz Bundeskartellamt

XVI BRAO BRRG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DAG DB DBB DGB DNotZ DPG EWiR EzA

Abkürzungen Bundesrechtsanwaltsordnung Beamtenrechtsrahmengesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, hrsg. von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, hrsg. von den Mitgliedern des Gerichts Deutsche Angestelltengewerkschaft Der Betrieb Deutscher Beamtenbund Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Postgewerkschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht, hrsg. von Eugen Stahlhacke

f.; ff. FGG Fn. FS GdED GdP GenG GEW GG GGLF GHK GL GTB GWB HAG HausttlrWG HBV HdV hrsg. HS i. d. F. IG IGBE IGBSE IGCPK IGM i. V. m. iwd JuS JZ Kap. KG KOMBA KStG

folgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Festschrift Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands Gewerkschaft der Polizei Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Grundgesetz Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft Gewerkschaft Holz und Kunststoff Gewerkschaft Leder Gewerkschaft Textil-Bekleidung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Heimarbeitsgesetz Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Handwörterbuch der Versicherung herausgegeben Halbsatz in der Fassung Industriegewerkschaft IG Bergbau und Energie IG Bau-Steine-Erden IG Chemie-Papier-Keramik IG Metall in Verbindung mit Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kammergericht; Kommanditgesellschaft Gewerkschaft für den Kommunaldienst Körperschaftssteuergesetz

Abkürzungen LG lit. LS MDR MLPD MünchArbR MünchKomm m. w. N. NGG NJW NJW-RR Nr. NZA oHG OLG ÖTV PartG RBerG RdA RDV RG RGRK RGZ Rn. s., s. o., s. u. S. SGG StGB TVG u. a. VAG VerbändeG-Entw. VerbrKrG VereinsG VersR vgl. Vorb. WG WM WoM WRP WSI WuB WuW/E ZfA ZfgG ZGR ZHR 2 Schmiegel

XVII

Landgericht littera Leitsatz Monatsschrift für Deutsches Recht Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr Parteiengesetz Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Recht der Datenverarbeitung Reichsgericht Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, hrsg. von den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Reichsanwaltschaft Randnummer siehe, siehe oben, siehe unten Satz; Seite Sozialgerichtsgesetz Strafgesetzbuch Tarifvertragsgesetz und andere Versicherungsaufsichtsgesetz Entwurf eines Verbändegesetzes der Kommission des Bundesvorstandes der F.D.P., abgedruckt in RdA 1977, S. 235 Verbraucherkreditgesetz Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Versicherungsrecht vergleiche Vorbemerkung Gesetz über den Versicherungsvertrag Wertpapier-Mitteilungen Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschafts- und Sozial wissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

XVIII ZIP zit. ZPO ZRP ZZP

Abkürzungen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zivilprozeß

Satzungen Die untersuchten Gewerkschaftssatzungen werden im Text wie folgt abgekürzt: DAG

Satzung der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft von 1991

DGB

Satzung des Deutschen Gewerkschaftsbunds von 1990

DPG

Satzung der Deutschen Postgewerkschaft vom 30.9.1992

GdED

Satzung der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands vom 1.1.1993

GdP

Satzung der Gewerkschaft der Polizei i. d. F. vom 12.11.1986

GEW

Satzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom 9.3.1991

GGLF

Satzung der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft vom 22.4.1992

GHK

Satzung der Gewerkschaft Holz und Kunststoff vom 6.10.1990

GL

Satzung der Gewerkschaft Leder vom 1.7.1993

GTB

Satzung der Gewerkschaft Textil-Bekleidung von 1992

HBV

Satzung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen vom 4.11.1992

IGBE

Satzung der IG Bergbau und Energie vom 1.1.1994

IGBSE

Satzung der IG Bau-Steine-Erden vom 1.11.1991

IGCPK

Satzung der IG Chemie-Papier-Keramik vom 1.10.1991

IGM

Satzung der IG Metall vom 1.1.1993

IG Medien

Satzung der IG Medien vom 1.1.1993

KOMBA

Satzung der Gewerkschaft für den Kommunaldienst Baden-Württemberg e. V. vom 19.10.1990

NGG

Satzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten vom 1.12.1990

ÖTV

Satzung der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 24.11.1992

XX

Satzungen

Die Klauseln der Mustersatzung des BDA, abgedruckt in Organisation von Arbeitgeberverbänden, S. 53 ff., werden wie die einer realen Satzung untersucht und mit »BDA-Vorschlag« abgekürzt. Im übrigen werden die Satzungen der Arbeitgeberverbände im Text im einzelnen angegeben. Das Datum bezieht sich auf die Fassung der Satzung. Zum Umfang und zur Auswertung des Materials s. u. vor § 4 I.

§ 1 Einleitung Die richterliche Inhaltskontrolle von Rechtsgeschäften wird in der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung in den letzten Jahren zunehmend diskutiert und angewandt. Die vorliegende Arbeit, die sich mit der Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, einem Sonderfall der Inhaltskontrolle im Vereinsrecht beschäftigt, will zu dieser Diskussion beitragen. Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, die dem Schutz der Mitglieder vor der Überlegenheit mächtiger Verbände dient, ist ein staatlicher Eingriff in die Privat- und speziell in die Koalitionsautonomie. Sie ist ein Instrument, mit dem der Staat das Vereinsrecht ausgest altet. Die Inhaltskontrolle entspricht der heutigen Auffassung über das Verhältnis zwischen Staat und Verbänden, dessen neuere Entwicklung zur Einordnung der Inhaltskontrolle in einigen Punkten skizziert sei: Staatliche Beschränkungen der Vereinsfreiheit erfolgten und erfolgen einerseits zum Schutz des Staates und der Gesellschaft und andererseits zum Schutz der Mitglieder. Dem erstgenannten Ziel, politische und sozialpolitische Vereine unter staatlicher Kontrolle zu halten, diente zunächst das verschleierte Konzessionssystem der §§ 61 Abs. 2, 43 Abs. 3 a. F. BGB in Verbindung mit der Geltung des Rechts der BGB-Gesellschaft für nichtrechtsfähige Vereine (§ 54 S. 1 BGB). Unter dem Grundgesetz wurde mit der Garantie der Vereinigungsfreiheit die freiheitssichernde und integrierende Funktion politischer Verbände anerkannt; die Vereine erhielten einen Anspruch auf Erlangung der Rechtsfähigkeit. Zwar wurde insbesondere in den Siebziger Jahren diskutiert, ob die Macht, die die Verbände ausüben, hinreichend legitimiert ist und ob der Einfluß der Verbände auf staatliche Entscheidungen begrenzt werden muß. Jedoch blieben die Eingriffe in die Vereinsautonomie zum Schutz des Staates auf die Möglichkeit von Vereinsverboten nach Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 VereinsG beschränkt. Auf der anderen Seite wird die interne Vereinsfreiheit seit Erlaß des BGB zum Schutz der Mitglieder durch die unabdingbare Austrittsfreiheit des § 39 BGB begrenzt. Unter dem Grundgesetz dient diese privatrechtliche Norm dem Ausgleich der individuellen mit der kollektiven Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit. Mit der Anerkennung der Schutzfunktion der Grundrechte wurde deutlich, daß der Staat verpflichtet ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Mitglieder ihre - positive und negative - Koalitionsfreiheit auch tatsächlich ausgeüben können. Damit werden allerdings wiederum staatliche Eingriffe in die kollektive Koalitionsfreiheit notwendig.

2

§ 1 Einleitung

Vergleicht man die beiden Aspekte, unter denen die Koalitionsfreiheit eingeschränkt wird, so ist erkennbar, daß die staatlichen Eingriffe in dem einen Bereich ab- und in dem anderen zunahmen: Während es zunächst darum ging, einen Freiraum zu schaffen, in dem sich private gesellschaftliche Initiative frei von staatlicher Bevormundung entfalten kann, steht heute der staatliche Schutz einzelner vor der unkontrollierten Macht der großen Verbände im Vordergrund. Mit der richterlichen Inhaltskontrolle stellt der Staat den Mitgliedern ein Instrument zu Verfugung, mit dessen Hilfe der Interessenausgleich zwischen Koalitionen und ihren Mitgliedern so differenziert vorgenommen werden kann, daß die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit möglichst weitgehend wirksam werden. Die vorliegende Arbeit, in der die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen umfassend untersucht wird, ist wie folgt aufgebaut: Im allgemeinen Teil der Arbeit werden die Voraussetzungen und die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen erörtert (§ 2). Es wird dargelegt, welche Reichweite die Inhaltskontrolle hat und wie sie durchgeführt wird (§ 3). Im besonderen Teil werden einzelne Beziehungen der Mitglieder zu ihrer Koalition nach den Grundsätzen der Inhaltskontrolle beurteilt: Zunächst werden die Voraussetzungen des Aufhahmezwangs sowie die Bedingungen des Vereinsbeitritts untersucht (§ 4). Daran schließt sich eine Erörterung der Zulässigkeit und Durchsetzung von Mitgliederpflichten an. Einzelne Mitgliederpflichten werden auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft (§ 5). Es folgt die Untersuchung, inwieweit die Leistungen, die die Koalitionen an ihre Mitglieder erbringen, zulässig und geboten sind. Einige Leistungsbedingungen werden im einzelnen erörtert (§ 6). In § 7 wird diskutiert, welche Anforderungen die Inhaltskontrolle an die innerverbandliche Willensbildung stellt. Nachfolgend werden verschiedene Voraussetzungen und Umstände der Beendigung der Mitgliedschaft untersucht (§ 8). Die Arbeit schließt mit der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (§ 9).

Erster Teil

Grundlagen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen § 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle bei Koalitionen I. Inhaltskontrolle bei Vereinen gemäß dem Urteil des BGH vom 24.10.1988 Während die offene richterliche Inhaltskontrolle von Verbandsnormen in der Literatur schon seit längerem diskutiert wird 1 , akzeptierte die Rechtsprechung bis 1988 die privatautonomen Regelungen von Mitgliedschaftsverhältnissen im wesentlichen. Sie beschränkte sich darauf, die Aufhahmeund Ausschlußbestimmungen aufnahmepflichtiger Vereine zu überprüfen 2 und so den Aufhahmeanspruch effektiv auszubilden. In der EintrachtBraunschweig-Entscheidung 3 sah der BGH zwar erstmals den Kernbereich einer dispositiven Verfahrensnorm zum Schutz der Mitglieder als unabdingbar an und führte im Einzelfall eine echte Inhaltskontrolle durch. Er legte aber auch hier nicht ausdrücklich offen, daß, warum und wie er eine richterliche Inhaltskontrolle vornahm. Im Grundsatzurteil vom 24.10.19884 wurde die Möglichkeit der richterlichen Inhaltskontrolle von Verbandsnormen dann generell anerkannt. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

— .

Für die Inhaltskontrolle aller Vereinssatzungen Wiedemann , S. 173; Flume , AT I 2; S. 320 f.; Vieweg, FS Lukes, S. 809, 817; Soergel/Hadding, § 25, Rn. 25; van Look, Vereinsstrafen, S. 184; AK-BGB/Ort, § 25, Rn. 21 f.; Palandt/Heinrichs, § 25, Rn. 9; Wolf///WLindacher, § 23, Rn. 88. Für eine Beschränkung auf »mächtige« Vereine Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 45 ff.; £//mer/Brandner/Hensen, § 23, Rn. 29. Für eine Beschränkung auf mitgliederstarke Vereine Fastrich, S. 144, 230 f.; Grunewald, Ausschluß, S. 143 f. 2

BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 153 f.=NJW 1985, 1216; vom 19.10.1987, BGHZ 102, 265, 276 f. = NJW 1988, 552, 555 jeweils für Gewerkschaften. 3

BGH vom 17.11.1986, BGHZ 99, 119, 123.

4

BGHZ 105, 306 = NJW 1989, 1724.

4

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

Der beklagte Spitzenverband der Kreditgenossenschaften ist eine kollektive Sicherungseinrichtung des Bankgewerbes. Die Klägerin ist ein genossenschaftlich organisiertes Kreditinstitut und Mitglied des Beklagten. Der Spitzenverband hatte 1977 einen Garantiefonds gegründet, um die beteiligten Banken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu unterstützen. Mitgliedsbeiträge, Vereinsleistungen und Verwaltung des Fonds hatte die Mitgliederversammlung in einem Statut geregelt. Wegen eines erhöhten Sanierungsbedarfs hatte der Verbandsrat für 1984 und 1985 die Erhebung von Sonderbeiträgen und die Erhöhung des Erhebungssatzes beschlossen. Die Klägerin hatte jedoch jeweils nur die Grundbeiträge auf der Grundlage des alten Erhebungssatzes gezahlt. Nachdem sie erfolglos gemahnt worden war, war sie aus dem Spitzenverband ausgeschlossen worden. Mit der Klage begehrte sie die Feststellung, daß der Ausschluß unwirksam sei. Es habe kein Ausschlußgrund bestanden, da der Verband gar keinen Zahlungsanspruch gehabt habe. Die Beitragsregelungen hätten nämlich in der Satzung selbst getroffen werden und eine Höchstbetragsgrenze enthalten müssen. Zudem sei der Ausschluß unverhältnismäßig. Der Spitzenverband machte widerklagend den vollen Beitrag geltend. Die Vorinstanzen hielten den Ausschluß für offenbar unbillig und deshalb unwirksam 5 . Es sei für die Beklagte zumutbar gewesen, zunächst eine Beitragsklage zu erheben. Die Widerklage wurde abgewiesen, weil die Beitragserhöhung in dem Statut keine wirksame Grundlage habe: Das Statut unterliege der richterlichen Inhaltskontrolle und müsse daraufhin überprüft werden, ob es die Rechtsstellung der Mitglieder unbillig beschränke. In Anbetracht der Bedeutung der Mitgliedschaft für die Klägerin wurde die Unbilligkeit bejaht, da eine Beitragshöchstgrenze zwingend erforderlich sei, um eine willkürliche Beitragsfestsetzung zu verhindern. Der BGH befaßte sich zunächst mit der Widerklage, da der Ausschluß ohne weiteres unwirksam ist, wenn diese unbegründet ist. Er lehnte einen Zahlungsanspruch im Ergebnis ab, »weil die umstrittenen Beitragsregelungen mangels Festlegung einer den Mitgliedsbanken zumutbaren Höchstbetragsgrenze wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam sind.«6

Er entschied ebenso wie die Instanzgerichte, daß Verbandsnormen der Inhaltskontrolle unterworfen sein können:

5 6

LG Bonn vom 26.1.1987, WM 1987, 1074; OLG Köln vom 17.9.1987, ZIP 1988, 19. BGHZ 105, 306,316.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

5

»Die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit einer Inhaltskontrolle verbandsinterner, die Rechtsstellung der Mitglieder regelnder Normen ist jedenfalls für diejenigen Vereine oder Verbände, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben, zu bejahen. Sowenig wie es solchen Vereinigungen freigestellt sein kann, Bewerber, die auf die Mitgliedschaft bei ihnen angewiesen sind, willkürlich abzuweisen, sowenig kann es ihnenfreistehen, ihre Mitglieder willkürlichen oder unbilligen, Treu und Glauben (§ 242 BGB) widerstreitenden Satzungsgestaltungen zu unterwerfen.«^

Der BGH begründete die Inhaltskontrolle mit der geringen Effizienz der mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte, der Möglichkeit, dispositive Normen zugunsten der Verbandsleitung zu ändern, sowie der Mißbrauchsmöglichkeit, die sich für den Verband daraus ergibt, daß die Mitglieder auf die Mitgliedschaft angewiesen sind 8 . Die Inhaltskontrolle des konkreten Statuts wurde dann allein damit gerechtfertigt, daß der Spitzenverband Monopolist und die Mitgliedschaft für einige Mitglieder von existentieller Bedeutung ist, so daß »... eine Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im eigentlichen Sinne nicht gegeben ist.«^

In der folgenden Interessenabwägung stellte der BGH die Argumente für und gegen eine flexible Beitragsregelung ohne Beitragshöchstgrenze gegenüber und bewertete sie. Im Ergebnis hielt das Statut der Inhaltskontrolle nicht stand: »Diese Bestimmungen beeinträchtigen [...] unangemessen und unbillig die schutzwürdigen Belange der Mitgliedsbanken, ohne daß hierfür ein überwiegendes sachliches Interesse des verklagten Verbandes an einer derartigen Regelung geltend gemacht werden könnte.«1^

Allerdings könne der Verband rückwirkend eine wirksame Beitragsregelung schaffen, die die Klägerin aufgrund ihrer Treuepflicht akzeptieren müsse 11 .

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen Während der BGH die Möglichkeit der Inhaltskontrolle generell für mächtige Vereine begründet hat, wird im folgenden untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen Koalitionssatzungen der Inhaltskontrolle unterliegen.

BGHZ 105, 306,318. 8

BGHZ 105, 306, 318 f.

9

BGHZ 105,306, 320.

10

11

BGHZ 105,306, 320. BGHZ 105, 306, 322 f.

6

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

Drei Teilfragen können unterschieden werden: (1) Welche Voraussetzungen hat die Inhaltskontrolle generell? (2) In welcher Form liegen diese Voraussetzungen bei Vereinen im allgemeinen vor? (3) Sind sie bei den Koalitionen als speziellem Vereinstyp erfüllt?

1. Typische Ungleichgewichtslage als Voraussetzung jeder Inhaltskontrolle

Die Voraussetzungen der Inhaltskontrolle ergeben sich aus ihrer Funktion, die Privatautonomie zum Schutz eines unterlegenen Vertragspartners einzuschränken: Die Privatautonomie gehört zu den grundlegenden Prinzipien unseres Zivilrechts und erlaubt Privaten, ihre Rechtsverhältnisse nach ihrem Willen selbst zu gestalten 12 . Auch die Vereinsautonomie als das Recht des Vereins, sich einen Zweck zu setzen, eine Ordnung zu geben und sich selbst zu verwalten, wird durch den privatautonomen Beitritt der Mitglieder beziehungsweise die Teilnahme an der Gründung legitimiert. Der Staat erkennt die privaten Regelungen an, weil sie dem Willen der Vertragspartner entsprechen 13 und die Chance auf objektive Richtigkeit enthalten 14 . Die Privatautonomie setzt daher im Idealfall voraus, daß die Vertragspartner in freier Selbstbestimmung über den Inhalt des Rechtsgeschäfts entscheiden können 15 . Kann nämlich ein Beteiligter dem anderen seine Vorstellungen aufoktroyieren, so kann weder vermutet werden, daß der Vertragsinhalt dem Willen beider Parteien entspricht, noch daß er »richtig« ist. In solchen Fällen wird die Privatautonomie teilweise durch zwingende Normen des Privatrechts zugunsten des unterlegenen Partners beschränkt 16 . Im übrigen fingiert die Rechtsordnung das Gleichgewicht der Vertragspartner und vermeidet so die ständige Prüfung, ob im Einzelfall eine Partei unterlegen ist 1 7 . Sie räumt der Rechtssicherheit den Vorrang vor der Vertrags-

n

Flume, AT II, S. 1.

13

Flume, FS DJT I, S. 135, 142 f.; Raiser, FS DJT I, S. 101, 119.

14

Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130, 155 f.; ihm folgend Hönn, S. 12 f.; K. Schmidt, GesR, S. 107 f.; Fastrich, S. 51 ff. 15 16

17

BVerfG vom 7.2.1990, BVerfGE 81,242, 254 f. So insbesondere im Wohnraummietrecht, im Arbeitsrecht und im Verbraucherschutzrecht.

BVerfG vom 19.10.1993, NJW 1994, 36, 38 = ZIP 1993, 1775, 1780; Fastrich, S. 218; Lieb, AcP 178 (1978), S. 196,203; i//mer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 1, Rn 83.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

7

gerechtigkeit ein und verbietet grundsätzlich nur gesetzes- und sittenwidrige Vereinbarungen (§§ 134, 138 BGB). In typischen Ungleichgewichtslagen weicht die Fiktion des Gleichgewichts allerdings zu sehr von der Wirklichkeit ab. Hier muß der Staat die Privatautonomie stärker einschränken 18 . Durch die Beschränkungen wird die freie Selbstbestimmung des unterlegenen Partners zwar nicht wiederhergestellt, jedoch können Benachteiligungen, die sich aus der typischen Paritätsstörung ergeben, kompensiert werden. Das Instrument, mit dem die Privatautonomie bei generellen und typischen Störungen der Vertragsparität begrenzt wird, ist die richterliche Inhaltskontrolle 1 9 . Im Rahmen der Inhaltskontrolle erkennt der Staat nur solche privaten Vereinbarungen als rechtswirksam an, die den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht widersprechen 20. Die Inhaltskontrolle ergänzt als typisierte Angemessenheitskontrolle die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle (insbesondere §§ 134, 138 BGB) und die Ausübungskontrolle im Einzelfall (§ 242 B G B ) 2 1 . Da die Inhaltskontrolle eine typische Ungleichgewichtslage voraussetzt, sind zu ihrer Begründung nur die typischen Umstände bei einer Gruppe von Verträgen relevant und nicht die Umstände des Einzelfalls. Insbesondere darf nicht von dem unbilligen Inhalt einer Vereinbarung oder der Abweichung vom dispositiven Recht auf eine Paritätsstörung geschlossen werden 22 , da die Privatautonomie grundsätzlich den Abschluß unangemessener Verträge zuläßt.

2. Ungleichgewicht zwischen Verein und Mitglied

Im Verhältnis des Mitglieds zum Verein wird eine typische Ungleichgewichtslage, die die richterliche Inhaltskontrolle erforderlich macht, teils 18

BVerfG NJW 1994, 36, 39.

19

Sie ist insbesondere bei der Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen und bei Publikums-Personengesellschaften anerkannt. 20

Das Verbot unangemessener Benachteiligungen läßt den Parteien mehr Spielraum als ein Gebot angemessener Vertragsgestaltung. Mit der Inhaltskontrolle soll nicht ein optimaler Interessenausgleich durchgesetzt, sondern nur Mißbrauch verhindert werden, Preis, S. 298 f.; Fastrich, 21

S. 298 ff.

Fastrich,

S. 17 ff., 24 ff.

22

Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), S. 1, 18. Allerdings kann ein offensichtlich unangemessener Interessenausgleich Anlaß für die Prüfung einer Paritätsstörung sein, BVerfG vom 19.10.1993, NJW 1994, 36,38 = ZIP 1993, 1775,1780.

8

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

generell (a), teils bei einer besonderen Stellung des Vereins (b) oder einer besonderen Beziehung zwischen Verein und Mitglied (c) angenommen.

a) Generelle Paritätsstörung? Einige Autoren befürworten die Inhaltskontrolle aller Vereinssatzungen, da zwischen Verein und Mitgliedern stets eine Ungleichgewichtslage bestehe 23 . Tatsächlich haben die Vereinsmitglieder auf die Satzungsgestaltung regelmäßig weniger Einfluß als etwa auf einen zweiseitigen Vertrag: Sie müssen vorformulierte Beitrittsbedingungen sowie bestehendes Satzungsrecht akzeptieren und sind an Mehrheitsentscheidungen gebunden. Damit gleicht die Gestaltungsmacht des Vereins der eines Verwenders allgemeiner Geschäftsbedingungen (§ 1 Abs. 1 S. 1 AGBG) 2 4 . Die Inhaltskontrolle aller Vereinssatzungen ist jedoch sowohl verfassungs als auch zivilrechtlich unzulässig 25 : Art. 9 Abs. 1 GG garantiert, daß generell erlaubte Tätigkeiten auch von Vereinigungen ausgeübt werden dürfen 26 und zwingende Folgen der Vereinsstruktur nicht nachteilig sanktioniert werden. Werden private Vereinbarungen grundsätzlich anerkannt, sofern sie nicht gesetzes- oder sittenwidrig sind, muß dies also auch für Vereinssatzungen gelten. Zudem hat sich der Privatrechtsgesetzgeber dafür entschieden, trotz der typischen Vereinsstrukturen für den Normalfall an Vereinsregelungen keine höheren Anforderungen zu stellen als an andere Verträge (§ 25 BGB). Im allgemeinen Vereinsrecht kann die Privatautonomie daher nicht eingeschränkt werden.

Wiedemann, S. 173; van Look, Vereinsstrafen, S. 184; Staudinger/J. Schmidt, § 242, Rn. 295; Palandt/Heinrichs, § 25, Rn. 9.

AK-BGB/Otf, § 25, Rn. 21a, begründet dies damit, daß Satzungsbestimmungen eines Vereins wegen des hohen Informationsaufwands ebensowenig einen Wettbewerbsfaktor darstellen würden wie verbraucherfreundliche AGB; dagegen Bunte, ZGR 1991, S. 316, 323; zum fehlenden Konditionenwettbewerb bei AGB Habersack, AcP 189 (1989), S. 403, 414 f.; Kötz, S. A31f. 24

Die Inhaltskontrolle von AGB wird unter anderem mit der einseitigen Vorformulierung oder dem fehlenden Aushandeln begründet, Hönn, S. 148; Bunte, ZIP 1984, S. 1313, 1317. 25

Reuter, A G 1979, S. 321, 323; Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 35; Fastrich, S. 141; Reichert/Dannecker, Rn. 1798 f.; i/Zmer/Brandner/Hensen, § 23, Rn. 29; Murswiek, JuS 1992,

S. 116, 120. 26

Maunz/Dürig/HerzogASWio/z, Art. 9, Rn. 39.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

b) Paritätsstörung

9

wegen besonderer Stellung des Vereins?

Andere Autoren bejahen eine Ungleichgewichtslage zwischen Verein und Mitglied, wenn der Verein - unabhängig von seiner Beziehung zum Mitglied - eine stärkere Stellung als das Mitglied hat. Dies wird namentlich dann angenommen, wenn der Verein wirtschaftliche oder soziale Macht ausübt 27 , eine hohe Mitgliederzahl hat 2 8 oder öffentliche Funktionen wahrnimmt 29 . Diese Faktoren allein beeinträchtigen die Selbstbestimmungsmöglichkeit der Mitglieder indes nicht und rechtfertigen daher keinen besonderen Mitgliederschutz: Ein wirtschaftliches Gefalle zwischen zwei Vertragspartnern ist in der Praxis häufig und im BGB prinzipiell kein Grund für Sonderregelungen. Es kann oftmals durch Wettbewerb kompensiert werden 30 . Zudem kann eine wirtschaftlich starke Partei nicht generell günstigere Vertragsbedingungen aushandeln als eine schwächere Partei in derselben Situation 31 . Bei Vereinen mit hoher Mitgliederzahl wird die Vereinsleitung regelmäßig nicht effektiv kontrolliert, sondern ist weitgehend unabhängig von den Mitgliedern, die ihre Mitwirkungsrechte nicht effektiv wahrnehmen (können) 32 . Gleiches gilt für mächtige Vereine, denen die Mitglieder häufig nicht um des Organisationszwecks willen beitreten, sondern um selektive Vorteile aus der Mitgliedschaft zu erhalten 33 . Auch eine derartige Struktur beeinträchtigt die Parität der Partner bei Abschluß des Beitrittsvertrags jedoch nicht: Im Gegensatz zum Gründungsvertrag der Publikums-Personengesellschafit bietet der Gründungsvertrag eines Vereins wegen der gleichgerichteten Interessen der Gründungsmitglieder eine hinreichende Richtigkeitsgewähr. Spätere beitretende Mitglieder können auf diesen Vertragskompromiß vertrauen 34 . Ein besonderer Schutz der Mitglieder ist nicht erforderlich, da ihre Freiheit, über die Vereinszugehörigkeit zu entscheiden, nicht gemindert ist.

11

Kohler, S.218.

28

Grunewald, Ausschluß, S. 138; Fastrich,

S. 144, 230 f.

29

Leßmann, S. 240; Birk, JZ 1972, S. 343, 349; Föhr, S. 164 für den Aufnahmezwang. 30

Flume, A T II, S. 10, Rittner, AcP 188 (1988), S. 101, 132. 31

Coester-Waltjen,

AcP 190 (1990), S. 1, 19; Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221, 237.

32

Grunewald, Ausschluß, S. 138. 33

Teubner, S. 37 ff., 60 ff., 278.

34

Röhricht, AcP 189 (1989), S. 386, 393.

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

10

Schließlich können Vereine, die öffentliche Funktionen wahrnehmen, in der Tat zur Aufnahme von Bewerbern und zur Willensbildung »von unten nach oben« verpflichtet sein, um ihre Tätigkeit zu legitimieren 35 . Damit wird die Verbandsstruktur aber unter einem anderen Aspekt betrachtet als unter den Voraussetzungen der Privatautonomie. Die Inhaltskontrolle zum Zweck des Mitgliederschutzes in einer Ungleichgewichtslage läßt sich nicht mit den Außenfunktionen eines Verbands, sondern nur mit Besonderheiten im Verhältnis zwischen Verein und Mitglied erklären.

c) Paritätsstörung wegen Angewiesenheit des Mitglieds auf die Vereinszugehörigkeit? Daher ist der Rechtsprechung darin zu folgen, daß das ausschlaggebende Kriterium für die Ungleichgewichtslage die Angewiesenheit des Mitglieds auf die Vereinszugehörigkeit ist 3 6 : Kann ein Bewerber auf die Vereinsmitgliedschaft verzichten, so kann ihm selbst ein Monopolverein die Beitrittsbedingungen nicht einseitig auferlegen. Ist ein Bewerber hingegen auf die Mitgliedschaft in einem Verein angewiesen, muß er dessen vorgegebene Satzungsgestaltung akzeptieren und bedarf deshalb eines besonderen Schutzes. Entfällt nämlich das Korrektiv der Austrittsfreiheit, braucht der Verein bei der Normsetzung keine Rücksicht auf die Mitgliederinteressen zu nehmen, sondern kann den Vertrag einseitig gestalten und seine Macht mißbrauchen 37 . Mit diesem Ergebnis läßt sich allerdings die Frage, in welchen konkreten Mitgliedschaftsverhältnissen eine Paritätsstörung vorliegt, noch nicht beantworten. Hierzu müssen die Kriterien, die die Angewiesenheit begründen, erörtert werden. Es sind dies die Angewiesenheit auf die Vereinsleistung (aa) und die Alternativen zur Mitgliedschaft (bb).

aa) Angewiesenheit auf die Vereinsleistung Die Angewiesenheit auf die Mitgliedschaft setzt zunächst voraus, daß das Mitglied der vom Verein erbrachten Leistung bedarf. Leistung ist dabei nicht nur der Erhalt von Gütern oder Dienstleistungen, sondern auch die Vertre35

Reuter, JZ 1985, S. 536 f.; Föhr, S. 166.

36

Daß auch Vereine, die öffentliche Mittel verteilen oder exklusiven Zugang zu Informationen der öffentlichen Hand haben, besonderen Bindungen unterliegen, bleibt hier unbeachtet; zur Aufnahmepflicht solcher Vereine Grunewald, AcP 182 (1982), S. 181,202 f. 37

BGHZ 105,306,319.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

11

tung bestimmter Interessen oder die Möglichkeit, sich in einem bestimmten Lebensbereich sinnvoll zu betätigen 38 . Damit stellt sich das Problem, ob und wie objektiv beurteilt werden kann, ob jemand auf eine Leistung angewiesen ist. Der einzige Lösungsvorschlag, der eine klare Abgrenzung ermöglicht, geht dahin, die Angewiesenheit nur bei existentieller Abhängigkeit, namentlich bei Arbeits- und Wohnraummietverhältnissen, anzunehmen 39 . Jedoch beschränken sich die menschlichen Bedürfnisse nicht auf Arbeit und Wohnung, sondern erstrecken sich auf alle Bereiche, die zur individuellen Entfaltung erforderlich sind; letztlich kann jede Entscheidung die Existenz des einzelnen in gewisser Weise berühren 40 . Wegen der Notwendigkeit menschlicher Kontakte kann auch der soziale, kulturelle oder sportliche Bereich nicht ausgenommen werden. Im Ergebnis lassen sich die Leistungen, auf die jemand so stark angewiesen ist, daß er ihretwegen unangemessene Vertragsbedingungen akzeptiert, deshalb nicht exakt objektiv eingrenzen. Das Tatbestandsmerkmal »Angewiesenheit auf die Leistung« genügt nicht, um Paritätsstörungen positiv festzustellen. Es hilft nur in Extremfällen, Vereine mit entbehrlichen Leistungen von der Inhaltskontrolle auszunehmen. Im übrigen kann allenfalls - insbesondere mit Hilfe grundrechtlicher Wertungen - die mehr oder minder große Bedeutung einer Leistung festgestellt werden.

bb) Alternativen zur Mitgliedschaft Jemand, der auf eine Leistung angewiesen ist, die ein Verein erbringt, ist nur dann auch auf die Vereinszugehörigkeit angewiesen, wenn er die Leistung anderweitig nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erhalten kann. Alternativen sind insbesondere andere Anbieter (Einzelpersonen oder Vereine), die Nutzung einer Vereinseinrichtung als Nichtmitglied 41 sowie die 38

U. Schmidt, S. 28. Jötten, S. 342 ff.; Bartodziej,

ZGR 1991, S. 517, 537 bejahen die Ang-

ewiesenheit einer Person auf die Vereinszugehörigkeit, wenn sie nur als Vereinsmitglied ihre Grundrechte sinnvoll wahrnehmen beziehungsweise an gesellschaftspolitischen Entscheidungsprozessen teilnehmen kann. 39

Fastrich, 306,319.

S. 232 f. Für strenge Anforderungen auch BGH vom 24.10.1988, BGHZ 105,

40

Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), S. 1, 23. Nach MünchKomm/Ztewter, Vor § 21, Rn. 96, hat die Angewiesenheit als Abgrenzungskriterium durch die Reduzierung der Anforderungen jeden Wert verloren. Zur Abgrenzung zwischen Freiwilligkeit und Zwang beim Vereinsbeitritt vgl. auch Streeck, S. 200 f. 41

Birk, JZ 1972, S. 343, 348 f.

12

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

Neugründung eines neuen Vereins, der die Leistung erbringen kann. Dessen Leistung muß nicht mit der des anderen Vereins identisch sein, aber den betreffenden Bedürfnissen genügen. Bei Interessenvereinigungen ist die Neugründung regelmäßig nicht möglich, wenn der Verein institutionelle Bedeutung erlangt hat oder einen Großteil der potentiellen Mitglieder erfaßt 42 . Vereine, die auf Bundes- oder Landesebene Gewicht haben, müssen eine gewisse Größe haben und können nicht kurzfristig gegründet werden. Andererseits ist der Aufwand zur lokalen oder regionalen Interessenvertretung nicht so hoch, als daß nicht auch ein neuer Verein oder eine Einzelperson Einflußmöglichkeiten hätte 43 . Erbringen mehrere Vereine die fragliche Leistung, ändert dies nichts daran, daß der Bewerber auf die Mitgliedschaft zu einem von ihnen angewiesen ist 4 4 . Jedoch zwingt der Druck der Konkurrenten die Vereine gewöhnlich, angemessene Vertragsbedingungen anzubieten, so daß die Inhaltskontrolle nicht erforderlich ist. Auch hier läßt sich allerdings nicht eindeutig und generell festlegen, bei wie vielen Anbietern der Konkurrenzdruck so stark ist, daß die Paritätsstörung entfällt: Während bei drei oder vier ähnlich starken Vereinen regelmäßig keine Ungleichgewichtslage gegenüber dem Mitglied vorliegen wird, können mehrere kleine Gruppen die Angewiesenheit auf die Mitgliedschaft zu einem großen Verein nicht durchweg verhindern.

d) Ergebnis Die Machtstellung des Vereins gegenüber den Mitgliedern, die typische Ungleichgewichtslage begründet, setzt die Angewiesenheit Mitglieds auf die Vereinsleistung sowie fehlende Alternativen voraus. entspricht annähernd der Rechtsprechung zum Aufnahmeanspruch, verlangt, daß

eine des Dies die

»ein Verein oder Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein schwerwiegendes Interesse von Beitrittswilligen am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.«45

42

U. Schmidt, S. 29, 136 ff.

43

Grunewald, AcP 182 (1982), S. 181, 207 f.

44

Grunewald, AcP 182 (1982), S. 181, 190. Zur Aufnahmepflicht in solchen Fällen s. u. § 4 II 2 a. 45

BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151. Zum Verhältnis des Aufiiahmeanspruchs zur Inhaltskontrolle s. u. § 41.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

13

Ob die beiden Merkmale jeweils für sich erfüllt sind, läßt sich nicht immer eindeutig feststellen. Die Anforderungen beeinflussen sich jedoch wechselseitig, so daß etwa bei einem Monopolverein geringere Ansprüche an die Notwendigkeit der Leistung zu stellen sind. So kann in der Zusammenschau geklärt werden, ob eine typische Ungleichgewichtslage vorliegt. Die Inhaltskontrolle von Vereinssatzungen wird mit dem besonderen Verhältnis der Mitglieder zum Verein begründet, kann aber nicht für ein einzelnes Mitgliedschaftsverhältnis durchgeführt werden. Sie umfaßt vielmehr die Beziehungen eines Vereins zu allen seinen Mitgliedern, also auch zu denen, die nicht konkret auf die Mitgliedschaft angewiesen sind. Voraussetzung der Inhaltskontrolle der gesamten Vereinssatzung ist lediglich, daß einzelne Mitglieder auf die Vereinsmitgliedschaft angewiesen sind. Obwohl auch Geselligkeitsvereine Monopolcharakter haben können und die Mitgliedschaft zu ihnen für den einzelnen von großer Bedeutung sein kann 4 6 , findet bei ihnen keine Inhaltskontrolle statt: Die »Leistung« dieser Vereine besteht im wesentlichen im Zusammensein mehrerer Personen in einer bestimmten Form. Die Mitgliedermehrheit kann diese Leistung nur erhalten, wenn sie die Mitgliederstellung nach Belieben ausgestalten kann. Das Interesse der Mitgliedermehrheit an Vereinsautonomie entspricht daher dem gegenteiligen Interesse einzelner Mitglieder, vom Verein nicht unangemessen benachteiligt zu werden. Insbesondere ist das Beitrittsinteresse eines Bewerbers mit dem grundrechtlich geschützten Interesse der Mitglieder, sich nicht mit diesem Bewerber zusammenschließen zu müssen, nicht vereinbar. Daher verdient das Interesse des einzelnen keinen besonderen Schutz vor dem Interesse der Mitgliedermehrheit. Besonderheiten gelten auch für Vereinsverbände'. Bilden mehrere Einzelvereine einen Vereinsverband, dem nur sie, nicht aber ihre Mitglieder angehören 47 , so unterliegt dieser regelmäßig nicht der Inhaltskontrolle. Die Mitgliedsvereine sind nämlich zumeist nicht auf die Vereinszugehörigkeit angewiesen, sondern können ihren Vereinszweck auch selbständig sinnvoll verfolgen. Damit entsteht das Problem, daß die Einzelvereine die Anforderungen der Inhaltskontrolle umgehen können, indem sie sich zusammenschließen und Entscheidungen auf den Vereinsverband übertragen. Um dies zu verhindern, sind Beschlüsse des Vereinsverbands, die sich auf die Stellung der Mitglieder auswirken, diesen gegenüber nur wirksam, wenn sie inhaltlich den Anforderungen der Inhaltskontrolle genügen: Die Entschei46

Α. A. Grunewald, AcP 182 (1982), S. 181, 205, die die Angewiesenheit auf Vereine im gesellschaftlichen Bereich durchweg verneint. 47

Zu Vereinszusammenschlüssen s. u. § 7 II 1 d bb.

3 Schmiegel

14

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

düngen des Vereinsverband wirken sich nicht unmittelbar auf die Rechte und Pflichten des Einzelmitglieds aus 48 , sondern müssen vom Einzelverein umgesetzt werden. Ist dieser aber an die Inhaltskontrolle gebunden, so darf er Beschlüsse des Vereinsverbands, die der Inhaltskontrolle nicht genügen, gegenüber seinen Mitgliedern nicht durchsetzen. Mittelbar beschränkt die Inhaltskontrolle damit auch die Autonomie der Vereinsverbände.

3. Sonderfall: Ungleichgewicht zwischen Koalition und Mitglied

Die Inhaltskontrolle ist bei denjenigen Koalitionen zulässig, die eine Leistung erbringen, deren die Mitglieder bedürfen und die sie nicht anderweitig erlangen können. Die wichtigsten Leistungen, die die Koalitionen erbringen, werden nunmehr im einzelnen daraufhin untersucht, ob sie eine Angewiesenheit auf die Mitgliedschaft begründen.

a) Gewerkschaften aa) Zwingende Wirkung von Tarifvertragsnormen Die Gewerkschaften schließen Tarifverträge ab, durch die die Mindestarbeitsbedingungen der tarifgebundenen, also gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend geregelt werden (§ 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 T V G ) 4 9 . Sie tragen damit dazu bei, die im Individualarbeitsverhältnis typischerweise bestehende Paritätsstörung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu kompensieren. Soweit die Arbeitnehmer dieses Schutzes bedürfen, könnten sie auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft angewiesen sein. Jedoch profitieren auch Nichtorganisierte von den Tarifverträgen, die häufig Orientierungsmaßstab für die ganze Branche sind und teilweise für allgemeinverbindlich erklärt werden (§ 5 Abs. 4 T V G ) 5 0 . Infolgedessen nehmen einige Autoren an, Arbeitnehmer bedürften des zwingenden Tarifschutzes nicht 5 1 . Andere sehen den bloß faktischen Schutz - zumal in Krisenzeiten hingegen als nicht ausreichend an 5 2 .

48

Vgl. ArbG Düsseldorf vom 21.8.1972, DB 1973, 876, 877.

49

Zur Mitwirkung der Gewerkschaften bei der Regelung der Arbeitsbedingungen der Beamten s. u. ee. 50

Vgl. die Schätzungen bei MünchArbR/IöwwcA, § 245, Rn. 7; Zöllner/Lorzte, § 33 II 1.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

15

Tatsächlich wird ein tarifgebundener Arbeitgeber regelmäßig betriebseinheitliche Arbeitsbedingungen schaffen, weil dies einfacher durchzuführen ist, den Betriebsfrieden sichert 53 und die Arbeitnehmer nicht zusätzlich zum Gewerkschaftsbeitritt motiviert. Der faktische Schutz wird durch das Verbot von Differenzierungsklauseln zusätzlich gestärkt 54 , so daß das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach zwingendem Tarifschutz nur gering ist. Umgekehrt kann bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern auch die Gewerkschaftsmitgliedschaft keinen zwingenden Tarifschutz vermitteln.

bb) Tatsächlicher Einfluß auf Arbeitsvertragsgestaltung und Arbeitskampf Arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten werden üblicherweise nicht nur durch privatautonome Abmachungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt, sondern auch durch betriebsverfassungsrechtliche und gegebenenfalls mittelbar kraft Verweisung oder tatsächlicher Handhabung tarifVertragliche Vereinbarungen. Da die Arbeitnehmer ihre Interessen gegenüber den Arbeitgebern individuell nicht immer befriedigend wahrnehmen können, sind sie auf diese Kollektivregelungen ihrer (Mindest-) Arbeitsbedingungen angewiesen 55 . Der faktische Einfluß der Kollektivverträge auf die Arbeitsverhältnisse, der unabhängig von der Koalitionsmitgliedschaft besteht, ist angesichts des Ungleichgewichts im Individualarbeitsverhältnis zum Schutz der Arbeitnehmer erforderlich. Er hat allerdings zur Folge, daß Dritte über die Vertragsbedingungen in einem für viele Arbeitnehmer wesentlichen Lebensbereich maßgeblich mitbestimmen. Da die meisten Arbeitnehmer zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts auf das Arbeitsverhältnis angewiesen sind, kann diese Fremdbestimmung nicht mit dem freiwilligen Abschluß des Arbeitsvertrags begründet werden. Die Kollektivvereinbarungen sind vielmehr nur legitimiert, wenn die Arbeitnehmer ihre Gestaltung beeinflussen können.

51

Sachse, S. 125 ff.; Reuter, JZ 1985, S. 536; Traub, WRP 1985, S. 591, 599; Bartodziej,

ZGR 1991, S. 517, 537. 52

Henrici, S. 62 f.

" Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221, 234. 54

Sachse, S. 127. 55

BVerfG vom 26.6.1991, BVerfGE 84, 212, 231; ausführlich Hönn, S. 194 ff.

16

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

A u f betrieblicher Ebene wird dies durch die Wahl des Betriebsrats ermöglicht. Über die Tarifverträge bestimmen hingegen wegen der Koalitionsautonomie ausschließlich die Mitglieder der Tarifvertragsparteien 56, auf Arbeitnehmerseite also die Mitglieder der Gewerkschaften (§ 2 Abs. 1 TVG). Um die ihn betreffenden Regelungen mitgestalten zu können, ist ein Arbeitnehmer daher auf die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft angewiesen, die einen Tarifvertrag abschließt, der sich faktisch auf seinen Arbeitsvertrag auswirkt. Wegen der hohen Anforderungen, die das BAG an die Tariffähigkeit von Gewerkschaften stellt 5 7 , ist die Neugründung keine realistische Alternative zur Mitgliedschaft in einer bestehenden Gewerkschaft. Weil nach Ansicht des BAG innerhalb eines Betriebs nur ein Tarifvertrag g i l t 5 8 , gibt es vielmehr regelmäßig nur eine einzige Gewerkschaft, die die fragliche Leistung erbringt. Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, die Anschlußtarifverträge abschließt, genügt dem Mitwirkungsinteresse nur, wenn die Gewerkschaft tatsächlich Einfluß auf den Vertragsinhalt nehmen kann. Über den Beginn und die Ziele eines Arbeitskampfes können gleichfalls nur die Gewerkschaftsmitglieder bestimmen. Auch hier sind aber alle Arbeitnehmer den Folgen von Gewerkschaftsbeschlüssen, etwa der Verlagerung des Betriebsrisikos, ausgesetzt. Sie müssen daher die Möglichkeit haben, über die Mitgliedschaft an der Entscheidung teilzuhaben. Insofern besteht eine Angewiesenheit auf die Mitgliedschaft zu der Gewerkschaft, deren Arbeitskämpfe das Arbeitsverhältnis berühren.

cc) Rechtsschutz und finanzielle Unterstützungen Die Gewährung von Rechtsschutz ist eine traditionelle und bedeutende Serviceleistung der Gewerkschaften. Will ein Arbeitnehmer seine Rechte gegenber dem Arbeitgeber durchsetzen, ist er in der Regel auf Rechtsberatung und Prozeßvertretung angewiesen. Weil diese Dienstleistungen jedoch auch von Rechtsanwälten erbracht werden, gibt es insofern Alternativen zur Gewerkschaftsmitgliedschaft.

56

Löwisch/Rieble,

Arbeitskampfrecht, Rn. 960.

57

BAG vom 16.1.1990, AP Nr. 38, 39 zu § 2 TVG; zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Rechtsprechung ZöllnerILoritz, § 34 12 a. 58

BAG vom 14.6.1989, AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; dagegen LöwischJRieble, TVG, § 4, Rn. 290 ff.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

17

Das Besondere des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes ist, daß er für die Mitglieder unentgeltlich ist. Soll die Angewiesenheit aber aus der wirtschaftlichen Vergünstigung für die Arbeitnehmer folgen, muß die Beitragsverpflichtung der Mitglieder berücksichtigt werden 59 . Vergleicht man diese Kosten etwa mit den Prämien für eine Rechtsschutzversicherung, die das Risiko für alle Familienmitglieder und auf vielen Rechtsgebieten übernimmt, macht der Rechtsschutz die Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht erforderlich, zumal bei geringem Einkommen staatliche Hilfe durch Beiordnung eines Rechtsanwalts und Prozeßkostenhilfe gewährt wird (§ 1 la ArbGG) 6 0 . Unter den finanziellen Leistungen der Gewerkschaften ist die Arbeitskampfbeihilfe für streikende oder ausgesperrte Arbeitnehmer die bedeutendste. Auch hier sind aber die Beitragsverpflichtung (samt der Möglichkeit, das Geld anders anzulegen) und - für den Notfall - der Anspruch auf Sozialhilfe zu berücksichtigen. Die Arbeitskampfbeihilfe bietet für Arbeitnehmer, die häufig am Arbeitskampf beteiligt sind, eine günstige Versicherung; sie ist aber keine Leistung, die eine Ungleichgewichtslage begründet 61 . Gleiches gilt für die Gemaßregeltenunterstützung. Selbst die Möglichkeit, daß ein Mitglied alle Leistungen kumulativ erhält, kann die Angewiesenheit nicht begründen. Im Bereich der übrigen Beihilfen (bei Arbeitslosigkeit, Rente, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit, Tod, Notfall) werden heute staatliche, insbesondere sozialversicherungsrechtliche Leistungen erbracht, die die Angewiesenheit auf gewerkschaftliche Unterstützungen beseitigt haben.

dd) Mitwirkung im Betrieb Die Mitverwaltungsbefugnisse der Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz und den Mitbestimmungsgesetzen nehmen gewählte Arbeitnehmervertreter wahr. Diese Ämter werden überwiegend Gewerkschaftsmitgliedern übertragen 62 , die systematisch geschult werden und die erforderlichen Informationen erhalten können. Die Angewiesenheit auf die Gewerkschafits-

59

BGH vom 26.6.1979, NJW 1980, 186.

60

§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BerHG, dem zufolge wegen der Tätigkeit der Berufsverbände in Arbeitssachen keine Beratungshilfe gewährt wird, ist gemäß BVerfG vom 26.1.1993, NZA 93, 427, verfassungs widrig. 61

62

Sachse, S. 130 ff.

Niedenhoff,

gewerkschaftsreport 6/1990, S. 5, 12.

18

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

Zugehörigkeit wird daher teilweise mit den »Partizipationschancen an der Sozialgestaltung« begründet 63 . Die Angewiesenheit ist in diesem Bereich allerdings nicht so stark wie im Tarifwesen: Der Betriebsrat wird von der gesamten Belegschaft gewählt und legitimiert. Er dient nicht der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder, sondern der Repräsentation der Belegschaftsinteressen. Ein Arbeitnehmer ist zur Vertretung seiner Interessen nicht darauf angewiesen, selbst Betriebsratsmitglied zu werden; er erhält durch die Wahl aber zweifellos größere Gestaltungsmöglichkeiten. Weiterhin haben die Gewerkschaften im Betrieb umfangreiche eigene (Initiativ-, Beratungs- und Kontroll-) Rechte 64. Diese Rechte stehen zwar jeweils auch anderen Personen oder Organen zu, können aber von den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften oft einfacher und effektiver wahrgenommen werden. Insbesondere ist es für einen Arbeitnehmer häufig leichter, seine Rechte über seine Gewerkschaft auszuüben, als das erforderliche Quorum in der Belegschaft zu erreichen.

ee) Interessenvertretung in Staat und Gesellschaft Die Gewerkschaften verstehen sich als umfassende Interessenvertretung aller Arbeitnehmer 65 und üben diese Aufgabe erfolgreich aus 66 . Sie werden beim Erlaß arbeits- und sozialpolitischer Gesetze angehört, äußern sich zu Fragen von allgemeinpolitischem Interesse und haben Vorschlags- und Entsendungsrechte in administrative und gerichtliche Gremien 67 . Wie im Tarifwesen werden auch in diesem Bereich faktisch alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Mitgliedschaft durch die Gewerkschaften vertreten 68 , während nur die Gewerkschaftsmitglieder über die Art und Ziele der 63

Sachse, S. 142 ff. Sachse unterscheidet allerdings nicht zwischen der Betätigung nach der Betriebs- und Unternehmensverfassung, im Tarifwesen und in der öffentlichen Verwaltung, obwohl es im Tarifwesen um die Vertretung eigener, im übrigen um die Vertretung fremder (Belegschafis- oder Arbeitnehmer-) Interessen geht. 64

Vgl. die Ubersicht bei //ess/Schlochauer/Glaubitz, § 2, Rn. 82.

65

Zacher, FS Böhm, S. 707, 713. Vgl. § 3 II 2 IGBSE; § 4 S. 1 IGCPK; § 3 I GdED; § 4 I GGLF; § 5 II HBV; § 3 GHK; § 2 S. 3 Nr. 1 GL; § 4 III Nr. 1 IG Medien; § 2 S. 6 Nr. 1 IGM; § 3 S. 2 Nr. 1 S. 1 NGG; § 2 I GdP; § 3 I DPG; § 4 IV GTB; § 3 S. 1 DAG. 66 67 8

BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 153. Hierzu ausführlich Hirsch, S. 155 ff., Föhr, S. 91 ff. Teubner, S. 61.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

19

Vertretung mitbestimmen können. Die Möglichkeiten des einzelnen, seine Interessen allein zu vertreten, sind gleichfalls unzureichend. Ein Unterschied zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen besteht allerdings darin, daß nicht die Koalitionen, sondern anderweitig legitimierte Amtsträger die Entscheidungen letztverantwortlich treffen. Die Möglichkeit, auf staatliche Entscheidungen Einfluß zu nehmen, ist daher für die Angewiesenheit auf die Gewerkschaftszugehörigkeit nur wenig relevant. Zur Interessenvertretung der Gewerkschaften gehört aber auch ihre Mitwirkung beim Erlaß beamtenrechtlicher Regelungen: Die Arbeitsbedingungen der Beamten werden nicht privatautonom, sondern einseitig hoheitlich und für alle Beamten festgelegt. Zum Ausgleich des fehlenden Tarif- und Streikrechts werden die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften an der Vorbereitung der Regelungen in besonderem Maße beteiligt (§§ 58 BRRG, 94 B B G ) 6 9 . Die Beamten sind daher auf die Mitgliedschaft in einer entsprechenden Gewerkschaft angewiesen, um ihre verbleibenden Rechte wahrnehmen und wenigstens mittelbar auf die Regelung ihrer Arbeitsbedingungen einwirken zu können 70 . Sie können nicht auf die Neugründung einer Gewerkschaft verwiesen werden, da der beteiligte Verband eine erhebliche Bedeutung unter den vertretenen Beamten haben muß und die Beamten bereits in hohem Maße organisiert sind 7 1 .

ff) Möglichkeit effektiver Ausübung der Koalitionsfreiheit Art. 9 Abs. 3 GG garantiert »das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden«. Um dieses Grundrecht überhaupt wahrnehmen zu können, muß man keiner bestehenden Gewerkschaft beitreten, sondern kann auch eine neue Vereinigung gründen. Um jedoch an den Privilegien der Koalitionen 72 teilzuhaben und das Grundrecht effektiv auszuüben, ist man auf die Gewerkschaften im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG angewiesen. Das BAG vertritt nämlich einen einheitlichen Gewerkschaftsbegriff, der prinzipiell die Tariffähigkeit und damit eine ge69 70

MünchArbR/Löwsc/i, § 239, Rn. 135, 137. A. A. Henrici, S. 151ff., der die Angewiesenheit verneint.

71

1992 waren 45 % der Beamten im DBB und ein weiteres Drittel im DGB organisiert, Statisti sches Jahrbuch 1993, S. 113, 759. 72

Etwa die Rechte nach dem Tarifvertrags-, dem Betriebsverfassungs- und dem Arbeitsgerichtsgesetz.

20

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

wisse Mächtigkeit voraussetzt 73 . Die Neugründung ist daher keine wirkliche Alternative.

gg) Ergebnis Die Gewerkschaften erbringen mehrere Leistungen, derer die abhängig Beschäftigten in verschiedenem Maße bedürfen und zu denen es teilweise Alternativen gibt. Prüft man alle Leistungen jeweils für sich daraufhin, ob sie die Mitgliedschaft erforderlich machen 74 , so dürfte dies lediglich bei der Möglichkeit, über die Tarifautonomie die Gestaltung des eigenen Arbeitsvertrags zu beeinflussen, zu bejahen sein. Dann bestünde eine Paritätsstörung allerdings nur zwischen Arbeitnehmern und den Gewerkschaften, deren Tarifabschlüsse auf die konkreten Arbeitsbedingungen einwirken. Diese Betrachtung vernachlässigt aber, daß gerade alle gewerkschaftlichen Leistungen zusammengenommen den Beschäftigten viele Vorteile bringen, die sie auf andere Weise nur schwer erhalten können. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft erleichtert es den Arbeitnehmern erheblich, ihre Rechte in einem existenziellen Lebensbereich effektiv wahrzunehmen. Weil dazu gerade die Mitwirkung an der internen Willensbildung erforderlich ist, genügt es insbesondere nicht, als Nichtmitglied an den Gewerkschaftsleistungen teilzuhaben. Vielmehr sind sowohl Arbeitnehmer als auch Beamte auf die Gewerkschaftszugehörigkeit angewiesen. Es besteht eine typische Ungleichgewichtslage zwischen einem Beschäftigten und denjenigen Gewerkschaften, die seine konkreten Arbeitsbedingungen beeinflussen oder denen in seinem Betrieb Rechte zustehen. Aus diesem Ansatz ergeben sich konkrete Ziele für die Inhaltskontrolle: Sind die Arbeitnehmer auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft angewiesen, um in ihren eigenen Angelegenheiten selbst bestimmen zu können, muß ihnen dies zu angemessenen Bedingungen möglich sein. Insbesondere müssen sie wesentlichen Einfluß auf die Vertretung ihrer Interessen durch ihre Gewerkschaft haben (dazu § 7). Die Leistungen der Gewerkschaften dürfen nicht im Sinne eines Kopplungsvertrags davon abhängig gemacht werden, daß die Mitglieder Pflichten erfüllen, die von der eigentlichen Gewerkschaftsarbeit unabhängig sind (dazu § 5).

73

Vom 23.4.1971, AP Nr. 2 zu § 97 ArbGG 1953; vom 16.1.1990, AP Nr. 38, 39 zu § 2

TVG. 74

So Sachse, S. 125 ff.

II. Voraussetzungen der Inhaltskontrolle bei Koalitionen

21

b) Arbeitgeberverbände aa) Solidarität im Arbeitskampf Weil die Arbeitgeber im Individualarbeitsverhältnis eine stärkere Stellung haben als die Arbeitnehmer, sind sie zur Gestaltung der Arbeitsverträge grundsätzlich nicht auf die Arbeitgeberverbände angewiesen. Will eine Belegschaft aber mit gewerkschaftlicher Unterstützung günstigere Arbeitsbedingungen durchsetzen, kann der Arbeitgeber seine Interessen alleine häufig nicht zur Geltung bringen: Im Arbeitskampf steht er nämlich nicht nur den Arbeitnehmern gegenüber, sondern ist zusätzlich dem Druck seiner Konkurrenten ausgesetzt, die seine Schwäche zugunsten eigener wirtschaftlicher Vorteile ausnutzen können. Dieser doppelten Belastung können viele Arbeitgeber nicht standhalten75. Die Arbeitgeberverbände verpflichten ihre Mitglieder hingegen zur Solidarität im Arbeitskampf und verbieten ihnen etwa, während des Arbeitskampfs gegenseitig Kunden abzuwerben. Sie ermöglichen den Arbeitgebern so, im Arbeitskampf ihre gleichgerichteten Interessen in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen durchsetzen. Die Arbeitgeber sind auf den Zusammenschluß angewiesen, um der Vereinigung der Arbeitnehmer zu Gewerkschaften ein Pendant entgegensetzen zu können.

bb) Weitere Leistungen Die Aufgabe der Arbeitgeberverbände mit unmittelbarer Firmenmitgliedschaft, ihre Mitglieder arbeitsrechtlich und arbeitspolitisch zu beraten, können grundsätzlich auch Rechtsanwälte und andere Berater wahrnehmen. Dadurch, daß die Arbeitgeberverbände aber von vornherein an vielen Entwicklungen beteiligt sind, haben sie häufig einen Wissensvorsprung, von dem nur ihre Mitglieder profitieren können. Diese »Leistung« hilft den Arbeitgebern, dem Zusammenschluß der Arbeitnehmer wirkungsvoll entgegentreten zu können. Auch die Vorteile des gegenseitigen Nachrichten- und Erfahrungsaustauschs kommen nur den Verbandsmitgliedern zugute. Für die fachliche und (gesellschafits-) politische Interessenvertretung sowie die materielle Unterstützung im Arbeitskampf 76 und in Rechtsstreitigkeiten gilt das für die Gewerkschaften Gesagte entsprechend.

Teichmann, Organisationsgrad, S. 609, 623 f.; Mundorf, arbeitgeber 1993, S. 698. 76

Zu den Unterstützungssystemen der BDA Gleixner, WSI-Mitteilungen 1981,425,429 f.

22

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

cc) Ergebnis Die Arbeitgeber sind auf die Mitgliedschaft zu den Arbeitgeberverbänden angewiesen. Wegen der Relevanz des Arbeitskampfes gilt dies insbesondere für Fachverbände 77, die Tarifverträge abschließen. Ist die Mitgliedschaft in einem regionalen Verband Voraussetzung, um die erforderlichen Leistungen eines Gesamtvereins oder Vereinsverbands zu erhalten, besteht auch im Verhältnis zum Regionalverband eine typische Ungleichgewichtslage. Wegen des hohen Organisationsgrades der Arbeitgeber 78 können Bewerber nicht auf die Neugründungsfreiheit verwiesen werden.

I I I . Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Inhaltskontrolle bei Koalitionen Die Inhaltskontrolle beschränkt das Recht der Koalitionen, sich eine eigene Ordnung zu geben und danach zu handeln. Sie verbietet somit Ausgestaltungen der Mitgliederstellung und der Organisationsstruktur, die grundsätzlich von der Koalitionsfreiheit gedeckt sind. Sie hindert die Koalitionen, ihre Ziele und Aufgaben nach ihrem Belieben zu erfüllen. Die Inhaltskontrolle ist daher ein staatlicher Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG). Folglich muß sie sowohl materiell (Ist ein solcher Eingriff seinem Inhalt nach zulässig? [1]) als auch formell (Gibt es eine gesetzliche Grundlage? [2]) gerechtfertigt werden.

1. Materielle Rechtfertigung: Ausgleich einer Grundrechtskollision

Die Koalitionsfreiheit ist ein Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt. Eingriffe in Art. 9 Abs. 3 GG sind daher nur zulässig, um Kollisionen mit anderen Grundrechten oder Verfassungsgütern im Sinne praktischer Konkordanz abzugleichen 79 . Eine Kollision zwischen der kollektiven Koalitionsfreiheit und Grundrechten der Mitglieder liegt vor, wenn die Grundrechtsausübung der Koalition die der Mitglieder beschränkt. Koalition und Mitglied nehmen durch den Abschluß des Beitrittsvertrags nach ihrem Willen ihre Grundrechte wahr. Daß sie dabei gegenüber dem

Zur Organisation der Arbeitgeberverbände MünchArbRTLöwisch, § 242, Rn. 7. 78

Vgl. MünchArbR/Löwisch, 7

§ 242, Rn. 5.

Jaraw/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 37 f.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

23

Vertragspartner auf die Ausübung bestimmter Freiheiten verzichten und sich zu bestimmten Leistungen verpflichten, ist durch ihren Freiheitsstatus gedeckt 80 . Die Parteien können durch den Vertrag einen Ausgleich schaffen zwischen der kollektiven Koalitionsfreiheit auf der einen Seite und der individuellen Koalitionsfreiheit, aber etwa auch dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), dem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG), der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. HS GG) oder der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) auf der anderen Seite. Der Staat als Grundrechtsadressat muß die private Vereinbarung als Lösung der Kollision grundsätzlich akzeptieren 81. Er gestaltet das Privatrecht daher so aus, daß der Vertrag rechtswirksam und mit staatlicher Hilfe durchsetzbar ist. Dies ist verfassungsrechtlich so lange unproblematisch, wie beide Partner die vertragliche Freiheitsbeschränkung tatsächlich wollen. Kann sich hingegen eine Partei den Handlungen der anderen nicht oder nur schwer entziehen, so kann sie ihre Rechte in der Vertragsbeziehung nicht selbst zur Geltung bringen. Wenn in einer Ungleichgewichtslage »über eine grundrechtlich verbürgte Position verfügt wird, müssen [deshalb] staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern« 82 . Dies folgt aus der Schutzpflicht als Teil der grundrechtlichen Gewährleistung 83 und gilt unabhängig von einer Mißbrauchsabsicht des stärkeren Partners 84. Der Privatrechtsgesetzgeber, der unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist 8 5 , muß daher das Privatrecht so ausgestalten, daß es den grundrechtlichen Wertungen genügt 86 . Er muß dabei das Über- (wie stark darf der Eingriff in die Rechtsposition des stärkeren Partners sein?) sowie das Untermaßverbot (was verlangt der Schutz des anderen?) beachten 87 . Er darf also in typischen Ungleichgewichtslagen vertragliche Vereinbarungen weder generell verbie-

80

81

BVerfG vom 7.2.1990, BVerfGE 81, 242, 254; Klein, NJW 1989, S. 1633, 1640. BVerfGE 81, 242, 255.

82

BVerfGE 81, 242, 255.

83

Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 226 ff.; Pietzcker,

FS Dürig, S. 345, 362.

84

Reichert/Dannecker, Rn. 1798 f., halten die Inhaltskontrolle hingegen nur für zulässig, um Fälle evidenten Mißbrauchs auf das angemessene Maß zurückzuführen. 85

Hesse, Rn. 355. 86

BVerfG vom 19.10.1993, ZIP 1993, 1775, 1780 = NJW 1994, 36,38.

Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 228; HStR \IIsensee, § 111, Rn. 165; BVerfG vom 28.5.1993, NJW 1993, 1751 (LS 6), 1754.

24

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

ten noch pauschal anerkennen. Vielmehr muß er danach unterscheiden, ob die Grundrechte beider Vertragspartner hinreichend zur Geltung kommen. Bei der konkreten Ausgestaltung des Privatrechts steht dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum z u 8 8 . Neben dem Erlaß zwingender Normen ist die Inhaltskontrolle eine Möglichkeit, die grundrechtlichen Wertungen im Privatrecht durchzusetzen. Sie verletzt das Übermaßverbot nicht, da sie keinen bestimmten Vertragsinhalt vorschreibt, sondern lediglich unangemessene Vereinbarungen verbietet. Speziell gegen die Inhaltskontrolle bei Koalitionen wird allerdings eingewandt, die innere Koalitionsautonomie verbiete es dem Staat, auf die inneren Verfahrensabläufe und Verbandsstrukturen Einfluß zu nehmen 89 . Wegen der Zwecksetzungs- und Zweckverfolgungsfreiheit der Koalitionen dürfe der Interessenausgleich zwischen Verein und Mitglied nicht vom Gericht, sondern müsse von der Koalition selbst vorgenommen werden 90 . Die kollektive Koalitionsfreiheit gewährt indes keine staatsfreie Sphäre, in der die allgemeinen Grundsätze nicht gelten und Machtmißbrauch zulässig ist 9 1 . Da der autonome Interessenausgleich auch bei Koalitionen in Ungleichgewichtslagen keine Gewähr dafür bietet, daß die Interessen der Mitglieder ausreichend zur Geltung kommen, muß der Staat eingreifen. Allerdings ist die privilegierte Stellung der Koalitionen bei der gerichtlichen Abwägung zu berücksichtigen, indem die Kollektivinteressen im Arbeitskampf- und Tarifwesen stark gewichtet werden 92 . Die Tarifautonomie wird durch die Inhaltskontrolle nicht berührt, da die Beschränkungen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände unter gleichen Voraussetzungen treffen. Daß die Koalition nicht unangemessen in die individuelle Koalitionsfreiheit ihrer Mitglieder eingreifen darf, könnte zudem - unabhängig vom Privatrecht - aus der unmittelbaren Drittwirkung des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG folgen. Da die unmittelbare Drittwirkung materiell aber keinen weitergehenden Schutz bietet, sondern nur den Adressatenkreis des Grundrechts erweitert und so die Durchsetzung der Koalitionsfreiheit gegenüber Privaten erleich-

88

BVerfG vom 7.2.1990, BVerfGE 81, 242, 255.

89

AK-GG/Kittner,

Art. 9 Abs. 3, Rn. 60.

90

Wendeling-Schröder, ZGR 1990, S. 107, 128. Vgl. auch Zöllner, Betriebsratswahl, S. 33, der einen Aufnahmezwang der Koalitionen mit der Begründung ablehnt, daß die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses Koalitionsvoraussetzung ist. 91

MünchKomm/Ztewter, Vor § 21, Rn. 118. Säcker/Rancke,

AuR 1981, S. 1, 13.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

25

tert, kann hier offen bleiben, ob sie im Verhältnis zwischen Koalition und Mitglied überhaupt g i l t 9 3 . Hingegen kann die Inhaltskontrolle nicht mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 GG) begründet werden. Die Forderung nach einer »demokratischen« Willensbildung der Koalitionen, die mit der Ausübung gesellschaftlicher Macht begründet w i r d 9 4 , berührt nicht das hier interessierende Innenverhältnis zwischen Mitglied und Verein. Zwar kann auch der Mitgliederschutz eine »demokratische« Willensbildung gebieten, jedoch folgt dies dann nicht aus dem Demokratieprinzip, sondern aus den subjektiven Rechten der Mitglieder.

2. Formelle Rechtfertigung: Rechtsfortbildung extra legem

Die Inhaltskontrolle regelt den Ausgleich einer Grundrechtskollision zwischen zwei gleichgeordneten Grundrechtsträgern. Für dieses Verhältnis gelten der Gesetzes vorbehält und die Wesentlichkeitslehre nicht 9 5 . Trifft der Gesetzgeber jedoch eine Regelung, so ist diese wegen des Gesetzesvorrangs beachtlich und von den anderen Staatsgewalten zu respektieren. Das Verhältnis zwischen Koalitionen und ihren Mitgliedern ist nicht speziell geregelt. Statt dessen hat der Gesetzgeber entschieden, daß das allgemeine Vereinsrecht auch für Koalitionen gilt. Er hat dabei nicht zwischen Gleichgewichtslagen und Paritätsstörungen differenziert, sondern die generelle Anerkennung privatautonomer Vereinbarungen angeordnet. Ausnahmen, insbesondere zwingendes Zivilrecht, bedürfen daher grundsätzlich einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung 96 . Die Inhaltskontrolle ist eine solche Ausnahme von der umfassenden Privatautonomie. Sie hat allerdings keine gesetzliche Grundlage 97 .

Dafür von Stechow, S. 74 f.; BYJvon Münch, Art. 9, Rn. 158; wohl auch Murswiek,

JuS

1992, S. 116, 120; dagegen Reuter, EWiR § 25 BGB 1/89, S. 747, 748; Henrici, S. 92. Gegen die unmittelbare Drittwirkung zwischen Koalition und Mitglied spricht, daß in diesem Verhältnis stets eine Grundrechtskollision vorliegt, die einer Ausgestaltung durch das Privatrecht bedarf. 94

So insbesondere AK-GG/Stein,

Art. 20 Abs. 1-3 II, Rn. 48, 50; Föhr, S. 123 ff.; Göhner,

S. 18 ff. 95 BVerfG vom 26.6.1991, BVerfGE 84, 212, 226; vom 2.3.1993, BVerfGE 88, 103, 115; Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 204, 214. 96

Vgl. § 305 BGB einerseits, §§ 134, 138, 104 ff, 116 ff BGB andererseits. Ausführlich Fastrich,

S. 61 ff; Hille, S. 69 ff; ebenso Preis, S. 237.

26

§ 2 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle

Daß die richterliche Inhaltskontrolle verfassungsrechtlich geboten ist, genügt als Eingriffslegitimation nicht: Die grundrechtliche Schutzpflicht kann Eingriffe in die Privatautonomie zwar materiell rechtfertigen, schafft aber keine zusätzlichen Kompetenzen einzelner Staatsorgane 98. Insbesondere haben die Zivilgerichte keine Kompetenz zum Erlaß abstrakt-genereller Regelungen, sondern sind in bezug auf die Verwirklichung von Grundrechten grundsätzlich auf die verfassungskonforme Auslegung von Generalklauseln beschränkt. Eine gesetzliche Grundlage der Inhaltskontrolle könnte entbehrlich sein, wenn aus dem allgemeinen Justizgewähranspruch ein umfassender staatlicher Kontroll- und Korrekturvorbehalt der Judikative folgt, mit dem Grundrechtsfehlabgrenzungen im Privatrecht korrigiert werden können 99 . Indes setzt die Rechtsschutzgarantie subjektive Rechte voraus und begründet sie nicht selbst 1 0 0 . Wegen der staatlichen Entscheidung, privatautonome Rechtsgestaltung zuzulassen, besteht also überhaupt kein subjektives Recht auf einen angemessenen Vertrag, sondern sind die staatlichen Kontrollbefugnisse zulässigerweise reduziert. Ein allgemeiner Korrekturvorbehalt würde zur Inhaltskontrolle aller Verträge und damit zur Aushöhlung der Privatautonomie führen. Somit kann die Inhaltskontrolle nur durch richterliche Rechtsfortbildung begründet werden. Richterrecht übernimmt bei planwidrigen Lücken der gesetzlichen Rechtsordnung die Funktion eines Gesetzes. Das private Vereinsrecht ist nicht lückenhaft in dem Sinne, daß es für bestimmte Fälle keine Regelung bereithält. Vielmehr wird normativ die Parität der Vertragspartner unterstellt und deshalb deren vertragliche Regelung weitgehend als Lösung anerkannt. Diese Fiktion ist in typischen Paritätsstörungen jedoch verfassungswidrig, weil die Schutzpflicht eine restriktivere Regelung erfordert. Die Gesetzeslücke besteht also darin, daß die Selbstbestimmung der Parteien durchweg vorausgesetzt wird und trotz des verfassungsrechtlichen Gebots keine speziellen Regeln für den Fall bestehen, daß sie typischerweise fehlt 1 0 1 .

98

Wahl/Masing,

JZ 1990, S. 553, 559.

99

So Vieweg, Normsetzung, S. 162 f.; FS Lukes, S. 809, 817. 100 MünchKomm/Ztewte/·, Vor § 21, Rn. 93, 124. Jarow/Pieroth, Art. 19, Rn. 21 für Art. 19 Abs. 4; gleiches gilt für den Rechtsschutz in privatrechtlichen Streitigkeiten nach dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip. 101

Fastrich,

S. 75.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

27

§ 23 Abs. 1 AGBG behebt die Planwidrigkeit der Lücke nicht, da er nur die Anwendung des AGBG auf Vereinssatzungen, nicht aber deren Inhaltskontrolle nach allgemeinen Grundsätzen ausschließt 102 . Umgekehrt kann das AGBG nicht als Grundlage für eine Analogie herangezogen werden 1 0 3 , da es ein Spezialgesetz ist und die Inhaltskontrolle auch schon vor seinem Erlaß (gerade im Bereich der AGB) durchgeführt wurde. Vielmehr ist die Inhaltskontrolle eine verfassungskonforme Ergänzung des Privatrechts.

102 103

Fastrich,

S. 235; Bunte, ZGR 1991, S. 316, 321.

So aber Fastrich, S. 75.

§ 3 Durchführung der Inhaltskontrolle I. Gegenstand der Inhaltskontrolle 1. Inhaltskontrolle als Satzungskontrolle

Die Inhaltskontrolle befaßt sich im Recht der Koalitionen mit den verbandsinternen, die Rechtsstellung der Mitglieder regelnden Normen. Dazu gehört vor allem die Vereinsverfassung mit den für das Verbandsleben wesentlichen Grundentscheidungen. Der Inhaltskontrolle unterliegen aber auch weitere abstrakt-generelle Vorschriften, sei es, daß sie in die Satzungsurkunde oder eine Vereinsordnung 1 aufgenommen worden sind oder daß sie als Gewohnheitsrecht der Koalition gelten. Die Frage, welche Regelungen unter welchen Voraussetzungen in der Vereinsverfassung oder in Vereinsordnungen getroffen werden können 2 , wird in der Inhaltskontrolle nicht behandelt. Die spezifische Aufgabe der Inhaltskontrolle ist es, die Regelungen daraufhin zu untersuchen, ob sie die Mitglieder unangemessen benachteiligen. Es bleibt aber zu erörtern, ob sich die Inhaltskontrolle auf alle Regelungen einer Koalition erstreckt oder ob es kontrollfreie Bereiche gibt.

a) Kontrolle des Koalitionszwecks Der Koalitionszweck bestimmt die Identität einer Koalition. Seine autonome Festlegung gehört zum Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Es stellt sich daher die Frage, ob die Zwecksetzungsfreiheit absoluten Schutz genießt und von der Inhaltskontrolle frei ist 3 oder ob auch ihr aus Gründen des Mitgliederschutzes Schranken gesetzt werden können. 1 BGH vom 24.10.1988, BGHZ 105, 306, 316 für Durchführungsbestimmungen zu einem Garantiefonds. 2

Dazu Reichert/Dannecker,

Rn. 315 ff; SozigtMHadding,

§ 25, Rn. 8.

3

So MünchArbR/Löwisch, § 239, Rn. 16 ff.; für die Freiheit einer Gewerkschaft, ihre Tarifzuständigkeit zu bestimmen BAG vom 19.11.1985, NJW 1987, 514 = AP Nr 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit.

I. Gegenstand der Inhaltskontrolle

29

Das Grundgesetz erlaubt Einschränkungen des Kernbereichs der Koalitionsfreiheit nur, soweit sie nach Art. 9 Abs. 2 GG 4 oder zum Schutz kollidierender Verfassungsgüter geboten sind 5 . Zu diesen Verfassungsgütern gehört das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG. Daraus folgt für die Inhaltskontrolle des Verbandszwecks: Zweifellos steht den Koalitionen in ihrer Zwecksetzung ein weiter Spielraum zu. Bei der Bestimmung von Art und Ziel der Vereinstätigkeit sind ihnen im gesetzlich zulässigen Rahmen praktisch keine Grenzen gesetzt. So kann ein Arbeitgeberverband lediglich Firmen ab einem bestimmten Jahresumsatz oder einer bestimmten Beschäftigtenzahl aufnehmen 6. Keine Koalition ist verpflichtet, bestimmte Randgruppen zu vertreten, deren Mitgliedschaft eine Änderung ihrer Vereinstätigkeit zur Folge hätte7. Darüber hinaus kann eine Koalition den Kreis ihrer Mitglieder unabhängig von ihrem Zweck begrenzen 8. Sie darf ihre Zuständigkeit positiv an ein Merkmal des Art. 3 Abs. 3 GG knüpfen. Gewerkschaften, die sich auf Arbeitnehmer bestimmter Nationalität oder Parteizugehörigkeit beschränken, sind auch unter dem Grundgesetz zulässig9. Derartige Differenzierungen sind zulässig, weil das Prinzip der freien Gruppenbildung insoweit Vorrang vor dem Gleichheitssatz hat. Die Inhaltskontrolle bindet die Koalition nicht wie den Staat unmittelbar an die Grundrechte, sondern verbietet ihr nur, ihre Mitglieder oder Bewerber unangemessen zu benachteiligen. In der Selbstbeschränkung auf eine bestimmte Gruppe liegt aber in der Regel schon deshalb keine unangemessene Benachteiligung, weil diese überlicherweise zuläßt, daß für andere Gruppen andere Koalitionen bestehen oder gegründet werden können 10 . 4

Nach herrschender Meinung gilt Art. 9 Abs. 2 GG auch für Koalitionen, MünchArbR/ Löwisch, § 237, Rn. 24; a. A. JarassfPkroih, 5

Art. 9, Rn. 31.

MünchArbR/Z,öwscA, § 237, Rn. 55.

6

So § 3 I 1 der Satzung des Landesverbands der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels im Land Niedersachsen e. V. vom 3.3.1972. 7

MünchArbR/LtfwscA, § 239, Rn. 18; Henrici, S. 148.

8

Anders Henrici, S. 148, der die Ablehnung von Bewerbern mangels Zuständigkeit nur für zulässig hält, wenn die Koalition mit der Aufnahme ein neues Betätigungsfeld - etwa die Tätigkeit in einer anderen Region oder einer anderen Branche - eröffnen mllßte. 9

MünchArbR/LtfwscÄ, § 239, Rn. 17, 19; SäckerlRancke,

AuR 1981, S. 1, 11; a. A. Henri-

ci, S. 150, der eine Gewerkschaft für die Angehörigen einer bestimmten politischen Partei oder Nation für unzulässig hält. 10

Zum Verhältnis zwischen Machtstellung und Zielgruppe eines Vereins Bartodziej, 1991, S. 517, 526. 4 Schmiege!

ZGR

30

§

chfrung der Inhaltskontrolle

Damit steht aber auch die Grenze fest, die die Inhaltskontrolle der Zwecksetzungsfreiheit setzt: Das Diskriminierungsverbot kann die Zwecksetzungsfreiheit beschränken, wenn der Mitgliederkreis ohne sachlichen Grund negativ abgegrenzt und nur die Minderheit einer Gesamtgruppe ausgeschlossen wird. Eine Gewerkschaft, die der Inhaltskontrolle unterliegt, darf sich etwa auf bestimmte Staatsangehörige beschränken, nicht aber einzig diese Arbeitnehmer ausnehmen11. Die unangemessene Benachteiligung liegt in diesem Fall darin, daß es den betroffenen Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund faktisch unmöglich gemacht wird, die erforderliche Leistung zu erhalten, da eine Neugründung aussichtslos erscheint 12 . Die Koalitionen können daher durch die Inhaltskontrolle gezwungen werden, ihren Zweck auf alle Angehörigen einer Gruppe zu erweitern.

b) Kontrolle der »Hauptpflichten« Die Inhaltskontrolle erfaßt generell nur die Nebenpflichten und Leistungsbedingungen, während die essentialia negotii und die Äquivalenz der Hauptleistungen kontrollfrei bleiben 13 . Dies gilt auch im Vereinsrecht: Zwar lassen sich dort Haupt- und Nebenleistungen nur schwer unterscheiden 14, da kein Austauschverhältnis vorliegt und sowohl die Beitrags- als auch die Förderpflichten als Hauptpflichten angesehen werden 15 . Dennoch kann man auch bei Vereinen danach differenzieren, ob die Angemessenheit einer Pflicht an einem für eine Vielzahl von Fällen gültigen Maßstab oder nur bezogen auf den Einzelfall beurteilt werden kann. In diesem Fall kann eine Inhaltskontrolle im engeren Sinne nicht durchgeführt werden. Jedoch kann die Inhaltsfreiheit des Verpflichteten insofern aufgrund des Kontrahierungszwangs beschränkt werden 16 : Wenn die Höhe des »Entgelts« 11 Für die Staatsangehörigkeit, die die Mehrzahl der Arbeitnehmer einer Branche oder eines Berufs hat, gilt dies freilich nicht, wenn sich die übrigen Arbeitnehmer nicht wirkungsvoll zusammenschließen können. 12

Löwisch, ZfA 1970, S. 295, 315, hält sogar Werkvereine für unzulässig, wenn die übrigen Arbeitnehmer keine wirksame Vertretung bilden können. 13

Fastrich, S. 257 f., vgl. insbesondere § 8 AGBG.

14

Für das Gesellschaftsrecht Westermann, FS Stimpel, S. 69, 87; gegen jede Unterscheidbarkeit Martens, JZ 1976, S. 511, 513; dagegen Fastrich, S. 257. 15

K. Schmidt, GesR, S.461.

16

Nipperdey, S. 31; Soergel/^oK vor § 145, Rn. 102. Zum Verhältnis der Inhaltskontrolle zum Kontrahierungszwang s. u. § 4 I.

I. Gegenstand der Inhaltskontrolle

31

für eine Leistung nicht auf dem Markt bestimmt werden kann, sind rechtliche Grenzen zum Schutz des schwächeren Vertragspartners erforderlich. Andernfalls könnte der Aufnahmepflichtige den Vertragsschluß von der Übernahme unannehmbarer »Gegenleistungen« abhängig machen und dadurch vereiteln. Soweit ein Kontrahierungszwang besteht, müssen daher auch die Beitragspflichten und andere spezifische Satzungspflichten gerichtlich überprüft werden 17 .

2. Einfluß der Inhaltskontrolle auf die Beschlußkontrolle

a) Ausübungs- und Beschlußkontrolle

in typischen Ungleichgewichtslagen

Die Inhaltskontrolle befaßt sich mit der Frage, welche vertraglichen Rechte und Pflichten in typischen Ungleichgewichtslagen überhaupt entstehen können; sie beschränkt die Vereine in ihrer »Rechtsetzung«18. Bei der Ausübungskontrolle des § 242 BGB geht es hingegen um die Wahrnehmung eines bestehenden Rechts im Einzelfall, insbesondere in einer atypischen Situation 19 . Weil die Ausübungskontrolle zusätzlich zur Inhaltskontrolle durchgeführt werden kann, beschränkt sich diese auf typische Konstellationen 2 0 . Wie aber im allgemeinen Vereinsrecht aus dem Recht des Vereins, seine spezifischen Wertvorstellungen autonom zu definieren, das Recht folgt, diese in der »Normanwendung« durchzusetzen 21, zieht im Bereich der Inhaltskontrolle die Beschränkung der Vereinsautonomie auf Satzungsebene eine Beschränkung der Durchsetzungsfreiheit nach sich. Der angestrebte Mitgliederschutz ist nämlich nur dann effektiv, wenn auch die rangniederen Vereinsentscheidungen inhaltlich den Ergebnissen der Inhaltskontrolle genügen müssen. In typischen Ungleichgewichtslagen wird daher - über die Ausübungskontrolle der Beschlüsse, die auch im allgemeinen Vereinsrecht durchgeführt wird, hinaus - im Rahmen der Beschlußkontrolle überprüft, ob auch die individuellen Vereinsmaßnahmen den Wertungen der Inhaltskontrolle entsprechen.

17

18

Zur Methode dieser Kontrolle s. u. II 1 b. Fastrich,

S. 139 f.

19 20 21

Fastrich,

S. 24 ff.

Fastrich,

S. 310.

Röhricht, Inhaltskontrolle, S. 75, 86.

32

§

chfrung der Inhaltskontrolle

Dies ist insbesondere in den Fällen bedeutsam, in denen es gar keine abstrakten Klauseln gibt, die der Inhaltskontrolle unterliegen könnten. Ein Verein darf die Inhaltskontrolle nämlich nicht dadurch umgehen und sich einen größeren Gestaltungsspielraum verschaffen, daß er eine Frage abstrakt ungeregelt läßt. Gibt es für einen Vereinsbeschluß keine Satzungsgrundlage, so muß in der Beschlußkontrolle zusätzlich geklärt werden, ob eine fiktive Satzungsgrundlage den Anforderungen der Inhaltskontrolle genügen würde.

b) Verbleibender

Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum

des Vereins

Mit der Beschlußkontrolle wird untersucht, ob ein Vereinsbeschluß, der auf der Grundlage einer rechtmäßigen höherrangigen Satzungsklausel ergeht, deren Anforderungen genügt. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob der Sachverhalt richtig aufgeklärt und die Satzung richtig ausgelegt worden ist, ob der Sachverhalt unter die Satzung subsumiert werden kann und ob etwaiges Ermessen auf genereller sowie konkreter Ebene rechtmäßig und zweckmäßig ausgeübt worden ist. Selbst im Bereich der Inhaltskontrolle sind allerdings nicht alle diese Aspekte gerichtlich voll überprüfbar. Vielmehr können die Mitglieder dem Verein bis zur Grenze der unangemessenen Benachteiligung einen kontrollfreien Spielraum einräumen, den das Gericht akzeptieren muß 2 2 . Bei der Beurteilung dieser Fragen darf das Gericht daher nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der Vereinsentscheidung setzen, sondern darf dem Verein nur die Optionen versagen, die dem Mitgliederschutz nicht genügen. Das Gericht hat keine eigene Interessenabwägung vorzunehmen, sondern lediglich die Interessenabwägung des Vereins zu überprüfen 23 . Der Verein muß also in normativen Fragen nicht die - aus Sicht des Gerichts - einzig »richtige« Beurteilung finden. Vielmehr ist eine Entscheidung schon dann zulässig, wenn sie weder die Mitglieder unangemessen benachteiligt noch evident falsch ist. Daraus folgt für die verschiedenen Prüfungsebenen:

22

Zum Spielraum im allgemeinen Vereinsrecht Dütz, Gerichtsschutz, S. 273 ff.; van Look, S. 218 f. 23 Vgl. BGH vom 19.10.1987, BGHZ 102, 265, 277 = NJW 1988, 552, 555; einschränkend vom 25.3. 1991, NJW-RR 1992, 246, 247, zur Subsumtionskontrolle bei aufhahmepflichtigen Vereinen; Reichert/Dannecker, Rn. 1820. Α. A. Reuter, EWiR § 25 BGB 1/88, S. 19, 20; Röhricht, AcP 189 (1989), S. 386, 391, die es nicht für möglich halten, auf der Grundlage der Wertungsautonomie des Vereins eine gerichtliche Interessenbewertung vorzunehmen.

33

I. Gegenstand der Inhaltskontrolle

Die reine Sachverhaltsaufklärung wird von den autonomen Wertungen des Vereins nicht beeinflußt. Sie ist daher - wie sogar im allgemeinen Vereinsrecht 2 4 - gerichtlich voll überprüfbar. Die Kontrolle kann nicht dadurch reduziert werden, daß der Verein zuvor ein besonderes, Richtigkeitsgewähr bietendes Verfahren durchführt. Klauseln, die verschieden ausgelegt werden können, kann das Gericht nicht authentisch auslegen und damit konkretisieren. Statt dessen muß es der Interpretation des Vereins folgen, sofern die Klausel in dessen Auslegung die Mitglieder nicht unangemessen benachteiligt. Dies ist insbesondere bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu beachten 25 . Etwas anderes gilt nur, wenn die Klausel lediglich in einer Auslegungsvariante den Anforderungen der Inhaltskontrolle genügt. Da die Auslegung einer Klausel und die Subsumtion wechselseitig aufeinander einwirken und sich nicht immer klar unterscheiden lassen 26 , muß der Spielraum des Vereins in beiden Fragen übereinstimmen. Weil die Reichweite der Inhaltskontrolle unabhängig von der Spezifität der Satzung ist, gilt deren Prüfungsumfang auch bei der Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe. Das Gericht darf und muß demnach prüfen, ob die Subsumtion plausibel ist und die Mitglieder nicht unangemessen benachteiligt. Dies ermöglicht es dem Verein, seine ideellen Grundentscheidungen zu verwirklichen, vorausgesetzt, diese genügen ihrerseits der Inhaltskontrolle. Für die Bewertung von Tatsachen besteht dieser Beurteilungsspielraum des Vereins unabhängig davon, ob ein Umstand unmittelbar Tatbestandsmerkmal einer Satzungsklausel oder nur Indiz für eine andere Tatsache ist 2 7 . Wird beispielsweise ein Ausschluß darauf gestützt, daß sich das Mitglied dem Verein gegenüber nicht loyal verhalten habe, darf das Gericht nur die Tatsachen, die dieser Beurteilung zugrunde liegen, uneingeschränkt überprüfen. Im übrigen ist es auf die Vertretbarkeits- und Angemessenheitskontrolle beschränkt. Dies gilt unabhängig davon, wie detailliert die Satzung ist. Das Gericht kann Ermessensfehler, die die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung betreffen - insbesondere Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz - wie andere Gesetzesverstöße rügen. Die Beurteilung der Zweckmäßig24

BGH vom 30.05.1983, BGHZ 87, 337, 344 f.; Reichert/Dannecker,

Rn. 1812.

25

Vgl. zum allgemeinen Vereinsrecht K. Schmidt, GesR, S. 601. Anders Habscheid, Sport und Recht, S. 158, 170, der die öffentlich-rechtliche Lehre vom Beurteilungsspielraum auf das Vereinsrecht übertragen will und damit in den meisten Fällen dem Gericht die Entscheidungskompetenz zuweist. 26

Vieweg, JZ 1984, S. 167, 171; Lorenz, Methodenlehre, S. 274 ff., 292.

27

OLG Düsseldorf vom 5.12.1985, NJW-RR 1987, 697, 698.

34

§

chfrung der Inhaltskontrolle

keit liegt hingegen beim Verein, da sie die Auswahl unter mehreren angemessenen und damit zulässigen Regelungen betrifft.

II. Maßstab und Rechtsfolgen 1. Maßstab

a) Leitbild als Maßstab der Inhaltskontrolle aa) Methode der Inhaltskontrolle Mit der Inhaltskontrolle wird die Angemessenheit konkreter Verträge geprüft. Dabei besteht die Gefahr, daß die Inhaltskontrolle zu einer offenen und kasuistischen Billigkeitskontrolle wird. Um dies zu vermeiden und die Inhaltskontrolle so weit wie möglich zu objektivieren, dürfen die betreffenden Verträge nicht nur aus sich selbst heraus beurteilt werden 28 . In Anlehnung an § 9 AGBG als kodifiziertem Unterfall der Inhaltskontrolle schlägt Fastrich statt dessen eine zweistufige Prüfung v o r 2 9 : Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG wird die Unwirksamkeit einer Klausel vermutet, wenn sie vom dispositiven Recht als Leitbild abweicht. Die Vermutung kann in einer offenen Interessenabwägung widerlegt werden (§ 9 Abs. 1 AGBG). Dementsprechend ist generell bei der Inhaltskontrolle zunächst für eine Gruppe von Verträgen ein Leitbild für einen angemessenen Interessenausgleich zu suchen. In einem ersten Schritt wird dann geprüft, ob der konkrete Vertrag von dem Leitbild abweicht. Ist dies nicht der Fall, ist die konkrete Regelung wirksam; andernfalls wird ihre Unwirksamkeit vermutet. Diese Vermutung kann in dem zweiten Schritt widerlegt werden, wenn die fragliche Klausel den unterlegenen Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligt. Zur Beurteilung dieser Frage werden die typischen Interessen beider Vertragspartner gegeneinander abgewogen 30 . Das Leitbild steht als Kontrollmaßstab zwischen zwingendem und dispositivem Recht: Es ist weder absolut verpflichtend noch frei abdingbar. Viel-

28

A. A. Flume, AT I 2, S. 322, wonach die Inhaltskontrolle mangels eines Idealstatuts fUr Vereine »nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen« kann. Für einen generalisierenden Maßstab Preis, S. 299 f. 29

S. 280 ff. Zum Ganzen ausführlich Fastrich, S. 280 ff., 298 ff., 306 ff.

II. Maßstab und Rechtsfolgen

35

mehr sind vom Leitbild abweichende Regelungen unwirksam, es sei denn, sie bieten einen ähnlich angemessenen Interessenausgleich. Gibt es für ein Problem ausnahmsweise nur eine angemessene Regelung, darf nicht vom Leitbild abgewichen werden.

bb) Spezifität des Leitbilds Leitbild in der Inhaltskontrolle ist grundsätzlich das dispositive Recht: Es wird als »in Gesetzesform gebrachte Aussage darüber, was bei Verträgen dieser Art typischerweise vom Vertragszweck gefordert wird« 3 1 und als gelungener Interessenausgleich angesehen. Dies gilt jedoch nur für die Verträge, für die das dispositive Recht ein »passendes« Leitbild bereithält. Probleme ergeben sich bei atypischen Verträgen sowie bei Verträgen, die zwar einem gesetzlichen Typus zugeordnet werden können, aber in wesentlicher Hinsicht von ihm abweichen (Realtypen 3 2 ). Weil das Vereinsrecht des BGB auf kleine und unbedeutende, insbesondere gesellige Vereine ausgerichtet ist 3 3 , zählt zu der zweiten Gruppe unter anderem die Mitgliedschaft zu Verbänden. Für die Realtypen kann nun entweder ein typenspezifisches Leitbild zu entwickeln 34 oder das dispositive Recht des Grundtypus Leitbild sein 35 . Bei den Mitgliedschaftsverhältnissen zu Koalitionen kann Kontrollmaßstab also ein spezielles Leitbild der Arbeitnehmer- beziehungsweise Arbeitgeberverbände oder aber das dispositive allgemeine Vereinsrecht sein. Im ersten Fall werden die Besonderheiten des Realtyps von vornherein, im zweiten Fall erst in der offenen Interessenabwägung berücksichtigt. Anders ausgedrückt stellt sich die Frage, ob alle Verträge desselben gesetzlichen Typus oder nur die desselben Realtypus an einem gemeinsamen Leitbild zu messen sind.

31

Larenz, NJW 1963, S. 737, 740.

32

Terminologie nach Bunte, NJW 1984, S. 1145, 1148; Ulmer/5rW«^/Hensen, § 9, Rn. 140. Ulmer/H. Schmidt, DB 1983, S. 2558, 2564, und Schlosser/Coester-Waltjen/Grata, § 9, Rn. 29 sprechen von Verkehrstypen. Hierher gehören etwa der Gebrauchtwagenkauf, der Kauf mit langer Lieferzeit, der Kauf vom Hersteller oder der Vertrag zwischen Publikums-KG und Anleger. 33

Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 11. 34

So U. Schmidt, S. 79. Entsprechend für die Anwendung des AGBG auf Realtypen: Staudmgtx!Schlosser, § 9 AGBG, Rn. 20; ErmanJH. Hefermehl, § 9 AGBG, Rn. 22; Ulmer/Brandwer/Hensen, § 9, Rn. 140. 35

So für das AGBG Becker, S. 88 f., 117 f.; ihm folgend von Hoyningen-Huene, Inhaltskontrolle, Rn. 245 ff.

36

§

chfrung der Inhaltskontrolle

Die Methode der Inhaltskontrolle ist für beide Alternativen offen: Zwar sagt der Vergleich einer Regelung mit dem dispositiven Recht gegebenenfalls gar nichts über deren Angemessenheit aus, da der optimale Interessenausgleich für einen abgewandelten Typ nicht dem gesetzlichen Grundmodell entsprechen muß 3 6 . Jedoch ist es gerade der Sinn des zweistufigen Verfahrens, das vorläufige Ergebnis des ersten Schritts in der Interessenabwägung mit Blick auf die Besonderheiten des Vertrags korrigieren zu können. Dieses Verfahren darf nicht dadurch umgangen werden, daß das Leitbild beliebig speziell gewählt wird und schon alle Besonderheiten berücksichtigt. Umgekehrt unterscheiden sich die beiden Wege nicht prinzipiell voneinander, da die Interessenabwägung auch bei typenspezifischen Leitbildern Korrekturen erforderlich machen kann. Inhaltlich führen beide Alternativen ohnehin zum selben Ergebnis. Maßgeblich ist deshalb der Geltungsbereich des dispositiven Rechts: Das dispositive Recht hat die Aufgabe, vertragliche Regelungslücken zu schließen. Es ist auf einige Grundtypen beschränkt. Zwar kann dispositives Richterrecht gebildet werden, wenn die gesetzliche Regelung eines Grundtypus eine Lücke aufweist 37 . Daß die Regelung des Grundtypus den Besonderheiten eines Realtyps nicht gerecht wird, rechtfertigt hingegen keine Rechtsfortbildung 3 8 . Aus diesem Grund werden bei Realtypen Vertragslücken, für die das dispositive Recht keine sachgerechte Regelung bereithält, mittels ergänzender Vertragsauslegung geschlossen39. Damit können die Besonderheiten des Realtyps berücksichtigt 40 und ein spezifischer Interessenausgleich gefunden werden. Das dispositive Recht wird also auf die Realtypen generell nicht angewandt, soweit deren Besonderheiten eine abweichende Regelung erfordern. 36

Ulmer/tfrawiftier/Hensen, § 9, Rn. 140. 37

Larenz, NJW 1963, S. 737, 741.

38

Larenz, NJW 1963, S. 737, 740; Canaris, Lücken, S. 54.

Typenspezifisches Richterrecht kann nur im Bereich des zwingenden Rechts entwickelt werden; vgl. etwa die Kündigungsfrist bei Koalitionen, BGH vom 4.7.1977, AP Nr. 25 zu Art. 9 GG unter III; vom 22.9.1980, AP Nr. 33 zu Art. 9 GG = NJW 1981, 340, oder das Recht des arglistig getäuschten Gesellschafters einer Publikumsgesellschaft zur außerordentlichen Kündigung ohne Auflösungsklage, BGH vom 19.12.1974, BGHZ 63, 338, 345 f. 39 Larenz, NJW 1963, 737, 741; MilnchKomm/Mayer-Maly, richs, § 157, Rn. 6.

§ 157, Rn. 38; Palandt///ew-

40

Es ist umstritten, ob sich die ergänzende Vertragsauslegung nach den individuellen Umständen des konkreten Vertrags oder des Realtyps richtet, s. u. Fn. 62 f.

II. Maßstab und Rechtsfolgen

37

Es kann daher insofern auch nicht Leitbild in der Inhaltskontrolle sein. Statt dessen sind typenspezifische Leitbilder zu entwickeln.

cc) Entwicklung des Leitbilds Das Leitbild ist ein Modell für einen angemessenen Interessenausgleich. Es wird anhand der zu beurteilenden Fälle entwickelt 41 und schrittweise konkretisiert und verfestigt. Die Beurteilung konkreter Interessenkonflikte muß sich dabei an den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den gesetzlichen Regelungen vergleichbarer Probleme orientieren. Hierzu gehören insbesondere die dispositiven oder zwingenden Regelungen in anderen typischen Ungleichgewichtslagen42. Zu nennen sind das AGBG, aber auch das Wohnraummietrecht, das Arbeitsrecht und das Versicherungsvertragsgesetz. Speziell für den Mitgliederschutz in Verbänden kann aber auch das Gesellschaftsrecht herangezogen werden, das Regelungen über den Minderheitenschutz und die interne Willensbildung enthält. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze helfen bei der Bewertung der gegenläufigen Interessen. Zu ihnen gehört etwa das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung im gegenseitigen Vertrag 43 oder der verbandsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Grundrechte sind nicht nur Grundlage der Inhaltskontrolle 44 , sondern beeinflussen als Wertentscheidungen auch die Entwicklung des Leitbilds. Will man beispielsweise klären, ob die kritische Stellungnahme eines Mitglieds zu Vereinsangelegenheiten seinen Ausschluß rechtfertigen kann, so ist Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten.

b) Maßstab für die Kontrolle der »Hauptpflichten« Die Hauptleistungspflichten der Mitglieder sind der Methode der Inhaltskontrolle nicht zugänglich: Sie können weder am dispositiven Recht noch an 41

Fastrich, S. 287. 42

Auch das zwingende Recht enthält Wertungen, die auf andere Fälle übertragen werden können. Dies gilt unabhängig von dem Streit, inwieweit das zwingende Recht selbst Leitbild im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr, 1 AGBG sein kann; dazu BGH vom 26.1.1983, NJW 1983, 1320, 1322; JFo#7Horn/Lindacher, § 9, Rn. 68 einerseits; Becker, S. 103 ff.; Palandt/Heinrichs, § 9 AGBG, Rn. 19 anderseits. 43

BGH vom 9.10.1985, BGHZ 96, 103, 109.

44

S. o. §2111 1.

38

§

chfrung der Inhaltskontrolle

einem abstrakten Leitbild gemessen werden, sondern sind nur aus dem Vertrag heraus zu beurteilen. Da sie aber aufgrund des Kontrahierungszwangs überprüft werden müssen 45 , wird im Rahmen der umfassenden Inhaltskontrolle mittelbar eine Einzelfallprüfung erforderlich. Daraus ergibt sich die Frage nach dem Bezugspunkt und dem Maßstab dieser Überprüfung der »Hauptpflichten«. Wie kann beispielsweise beurteilt werden, ob die Höhe einer Geldzahlungspflicht zulässig ist? Das Problem einer einzelfallbezogenen inhaltlichen Bindung von Hauptleistungspflichten wird im Zivilrecht in § 315 Abs. 1 BGB behandelt. Danach ist eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu treffen. Der Bestimmungsberechtigte hat demnach einen weiten Gestaltungsspielraum 46. Die Billigkeit der Ermessensausübung reduziert seinen Spielraum nicht auf eine einzige richtige Lösung, sondern stellt eine Grenze dar, innerhalb derer er sein Ermessen ausüben kann 4 7 . § 315 Abs. 1 BGB ist hier nicht direkt anwendbar, da er ein vertraglich vorbehaltenes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Partei voraussetzt, während die Leistungspflichten der Mitglieder gemäß dem Mehrheitswillen in der Satzung festgeschrieben werden. Zudem ist § 315 BGB eine Auslegungsregel und gilt nur für Austauschverträge 48. Jedoch besteht zum einen beim Kontrahierungszwang insoweit eine vergleichbare Situation, als der stärkere Vertragspartner die Leistungspflichten faktisch einseitig bestimmen kann. Zum anderen geht es nicht darum, § 315 BGB als Grundlage der Inhaltskontrolle insgesamt heranzuziehen 49, sondern lediglich als Maßstab für eine anderweitig begründete Kontrolle zu nutzen. §315 Abs. 1 BGB regelt die Kontrolle von Hauptleistungspflichten in einer speziellen Ungleichgewichtslage; sein Maßstab soll hier für die Kontrolle der Hauptleistungspflichten in anderen Ungleichgewichtslagen gelten. Im Ergebnis sind die »Hauptpflichten« der Vereinsmitglieder objektiv, aber innervertraglich zu kontrollieren. Da insbesondere die Höhe der Zahlungspflichten mit der Verwendung der Finanzmittel korrespondiert, muß auch diese billigem Ermessen entsprechen. Allerdings ist die vereinsauto45

46

S. ο. I 1 b. Soergel/JfW/ § 315, Rn. 38.

47

Staudingcr/Mayer-Maly,

§ 315, Rn. 55.

Von Hoyningen-Huene,

Billigkeit, S. 56.

48 49

So aber Kronke, AcP 183 (1983), S. 113, 132; MünchKomnASö/Zm?/·, § 315, Rn. 29 (anders jetzt MiinchKomm/Gottwald, § 315, Rn. 36); dagegen Fastrich, S. 14 ff.; Hille, S. 75; von Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 155 f.

39

II. Maßstab und Rechtsfolgen

nome Bestimmung der »Hauptpflichten« und der Leistungen zwar nicht unbeschränkt, aber in weitem Umfang anzuerkennen.

2. Rechtsfolgen der Inhaltskontrolle

a) Wirksamkeit

des Gesamtvertrags trotz Unwirksamkeit

einzelner Klauseln

Die Inhaltskontrolle ist eine Wirksamkeitskontrolle 50 . Klauseln, die ihr nicht standhalten, sind daher nichtig 51. Im übrigen ist der Vertrag wirksam 52 , da die Inhaltskontrolle andernfalls dem Vertragspartner, den sie schützen soll, mehr schaden als nützen würde 5 3 . Für das Gesellschafts- und Vereinsrecht wird eine Ausnahmeregelung vorgeschlagen, nach der unangemessene Klauseln nicht als nichtig zu bewerten sind, sondern im Wege der geltungserhaltenden Reduktion in gerade noch zulässige oder in angemessene Regelungen umgewandelt werden 54 . Damit soll in Fällen, in denen das dispositive Recht keine befriedigende Lückenfullung ermöglicht, eine funktionsfähige Ordnung aufrechterhalten werden, an der mitzuwirken die Mitglieder aufgrund ihrer Treuepflicht ohnehin verpflichtet sind 5 5 . Der Nachteil dieser Lösung ist, daß die Trennlinie zwischen wirksamer und unwirksamer Vertragsgestaltung unscharf wird 5 6 . Die Reduktion auf das gerade noch erträgliche Maß ist indes schon deshalb abzulehnen, weil der Staat damit »angemessene Benachteiligungen« nicht nur als privatautonome Vereinbarungen akzeptieren 57 , sondern selbst als Vertragsinhalt anordnen würde.

50

Fastrich,

S. 11.

51

Fastrich, S. 330 ff. m. w. N.; speziell für Verbände Vieweg, FS Lukes, S. 809, 822, der für Eilfälle eine Ausnahme machen will. 52

So ausdrücklich § 13 der Satzung des Fachverbands Kies und Sand, Mörtel und Transportbeton Nordrhein-Westfalen e. V. vom 4.7.1986; § 26 S. 1 der Satzung des Landesverbands Druck Rheinland-Pfalz und Saarland e. V. vom 11.9.1976; § 31 S. 1 der Satzung des Verbands der Druckindustrie Niedersachsen e. V. vom 12.5.1975. 53

In Ungleichgewichtslagen gilt statt § 139 BGB, der die volle Privatautonomie voraussetzt, die Regelung des § 6 Abs. 1, 3 AGBG, Fastrich, S. 328 f.; Preis, S. 352 f. 54 55 56 57

Westermann, FS Stimpel, S. 69, 83, 86 ff.; Grunewald, Ausschluß, S. 253 ff. Westermann, FS Stimpel, S. 69, 88. Preis, S. 363.

Dazu s. o. § 2 Fn. 20.

40

§

chfrung der Inhaltskontrolle

Die Reduktion auf angemessene Regelungen bietet gegenüber der Nichtigkeit hingegen keine wesentlichen Vorteile 58 : Zwar bestimmt bei der Reduktion der Richter den neuen Vertragsinhalt, während es bei einer nichtigen Klausel grundsätzlich den Parteien überlassen bleibt, eine Neuregelung zu finden. Jedoch können einerseits auch in diesem Fall - zumindest vorläufige - staatliche Regelungen über den Vertragsinhalt getroffen werden 59 . Andererseits ist eine endgültige privatautonome Neuregelung durch die Parteien, die die Nachteile der richterlichen Vertragsgestaltung vermeidet, in beiden Alternativen gleichermaßen möglich. Es ist daher nicht erforderlich, durch die geltungserhaltende Reduktion von den allgemeinen Grundsätzen der Inhaltskontrolle abzuweichen.

b) Ergänzung von Vertragslücken Die entstehenden Vertragslücken können grundsätzlich durch das dispositive Recht, nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung oder mit Hilfe des Leitbilds, das als Maßstab der Inhaltskontrolle dient, geschlossen werden. Das dispositve Recht ist zur Lückenfüllung heranzuziehen, soweit es »passende« Regelungen enthält. Dies entspricht § 6 Abs. 2 AGBG und dem generellen Vorrang des dispositiven Rechts vor der ergänzenden Vertragsauslegung. Jedoch tritt das dispositive Recht nicht an die Stelle nichtiger Klauseln, für die es keinen interessengerechten Ausgleich bietet 60 . Bei atypischen Verträgen und Realtypen kommt es deshalb entscheidend darauf an, welche Umstände in die Interessenabwägung einfließen sollen 61 : Das Leitbild stellt einen angemessenen Interessenausgleich für einen Realtyp dar 6 2 und nimmt auf den realen Parteiwillen und die besonderen Umstände 58

Vgl. Roth, JZ 1989, S. 411, 414 für § 6 AGBG. Damit verlieren die Argumente an Bedeutung, die einen Gegensatz zwischen beiden Alternativen aufbauen wollen. So aber der Einwand Grunewalds, Ausschluß, S. 253, daß es im Vereinsrecht keinen Verwender gebe, der wegen seiner Gestaltungsmacht das Nichtigkeitsrisiko tragen soll. 59

Fastrich,

S. 11 f., 338 ff.; dazu sogleich b.

60

Dies entspricht dem Zweck des § 6 Abs. 2 AGBG, einen interessengerechten Ausgleich unter den Parteien zu schaffen, H. Schmidt, S. 167. 61 Für ergänzende Vertragsauslegung (bei der Verwendung von AGB) BGH vom 1.2.1984, BGHZ 90, 69 (LS a); H. Schmidt, S. 214; Palandt/Heinrichs, § 6 AGBG, Rn. 6; Wolf/Horn/Z,/«dacher, § 6, Rn. 15. MünchKomm/Kötz, § 6 AGBG, Rn. 13 ff. Für die Orientierung am Leitbild Fastrich, S. 339 ff., 367. 62

S. ο. 1 a.

III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitglieds

41

des Einzelfalls keine Rücksicht. Auch die ergänzende Vertragsauslegung soll sich nach einer Ansicht lediglich nach der typischen Interessenlage richten 63 , so daß die beiden Institute im Ergebnis übereinstimmen. Ein Unterschied besteht hingegen, wenn man mit der Gegenansicht davon ausgeht, daß für die ergänzende Vertragsauslegung die konkreten Umstände und der konkrete Parteiwille 64 maßgeblich sind. Insofern muß entschieden werden, ob die Lücken - typisiert - anhand des Leitbilds oder - am Einzelfall orientiert mittels ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden: Die Inhaltskontrolle ist Rechtskontrolle und nicht richterliche Vertragshilfe. Sie ist in ihrem Anwendungsbereich und in der Durchführung auf größtmögliche Objektivität ausgerichtet. Dies spricht auch hier für eine objektiv-generalisierende Betrachtung und für die Orientierung an einem Leitbild. Wenn dabei der tatsächliche Parteiwille hinter normativen Erwägungen zurücktreten muß, entspricht dies seiner generell verminderten Bedeutung in typischen Ungleichgewichtslagen.

I I I . Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitglieds Die Inhaltskontrolle kompensiert als objektives Recht die fehlende Richtigkeitsgewähr privatrechtlicher Verträge in Ungleichgewichtslagen und gewährleistet die Ordnungsaufgabe des Privatrechts. Sie dient jedoch gleichermaßen dem Interesse des unterlegenen Vertragspartners an einer ausgewogenen Vertragsgestaltung. Dieser hat deshalb ein subjektives Recht darauf, daß das Schuldverhältnis den Anforderungen der Inhaltskontrolle entsprechend ausgestaltet wird. Personen, die auf die Koalitionsmitgliedschaft angewiesen sind, haben demgemäß einen grundrechtlichen Anspruch gegenüber dem Staat darauf, daß der private Mitgliedschaftsvertrag nur soweit als rechtswirksam anerkannt wird, als er der Inhaltskontrolle genügt. Damit sie ihre Rechte effektiv wahrnehmen können, haben sie daneben eigene Rechte gegenüber dem Verband ( l ) 6 5 , die sie gerichtlich durchsetzen können (2).

63 Flume, AT II, S. 324 f.; speziell für AGB: Palandt/Heinrichs, § 6 AGBG, Rn. 6; H. Schmidt, S. 196 f.; Ulmer/Brandner/Hensen///. Schmidt, § 6, Rn. 32, 37a. 64

Larenz, AT, S. 540; Erman/JT. Hefermehl, MünchKomm/A/ayer-Mz/y, § 157, Rn. 39.

§ 157, Rn. 22; Prandi/ Heinrichs, § 157, Rn. 7;

65

Aufgrund des vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes stehen diese Rechte teilweise auch den Mitgliedern zu, die nicht auf die Zugehörigkeit angewiesen sind.

42

§

chfrung der Inhaltskontrolle

1. Ansprüche des Mitglieds gegen die Koalition

Ob die Mitglieder gegenüber den Koalitionen einen grundrechtlichen Anspruch auf angemessene Vertragsgestaltung haben, hängt davon ab, ob man die unmittelbare Drittwirkung des Art. 9 Abs. 3 GG im Verhältnis zwischen Koalition und Mitglied annimmt 66 . Jedenfalls bestehen aber privatrechtliche Ansprüche:

a) Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis Nach allgemeinem Verbandsrecht hat ein Mitglied gegen seinen Verband einen Anspruch darauf, daß dieser die Mitgliedschaftsrechte achtet und nicht rechtswidrig beeinträchtigt 67 . Vereinsmitglieder haben demnach einen vertraglichen Anspruch darauf, daß der Verein die ihre Mitgliedsstellung berührenden Satzungsbestimmungen einhält 68 . In typischen Ungleichgewichtslagen kommt hinzu, daß der Verein das Mitgliedschaftsverhältnis überhaupt gemäß den Anforderungen der Inhaltskontrolle ausgestalten muß. Mit Hilfe eines gesetzlichen Anspruchs kann das Mitglied unangemessene Benachteiligungen abwehren, die sich aus der Satzung selbst oder aus konkreten satzungskonformen Vereinsmaßnahmen ergeben. Verletzt der Verein das Mitgliedschaftsrecht, indem er eine zu Lasten des Mitglieds unangemessene Satzung erläßt, so behält das Mitglied seinen Erfullungsanspruch; der Verein muß weiterhin eine der Inhaltskontrolle genügende Regelung schaffen. Etwaige Folgeschäden der unangemessenen Vertragsgestaltung sind wegen positiver Forderungsverletzung zu ersetzen. Letzteres gilt auch bei der schuldhaften Verletzung der Mitgliederrechte im Einzelfall 69 , etwa einem unberechtigten Ausschluß 70 oder der Durchsetzung 66

S. o. §2111 1, Fn. 93.

67

BGH vom 25.2.1982, BGHZ 83, 122, 133 für Aktiengesellschaften; vom 6.2.1984, BGHZ 90, 92, 95; vom 12.3.1990, BGHZ 110, 323, 327 für Vereine; Reichert/Dannecker, Rn. 473; K. Schmidt, GesR, S. 537 f. 68

Die Inhaltskontrolle gibt den Mitgliedern indes kein darüber hinaus gehendes Recht, rechtswidriges Vereinshandeln, das ihre Stellung nicht berührt, abzuwehren. Insoweit bleibt es bei der verbandlichen Kompetenzordnung; BGH vom 25.2.1982, BGHZ 83, 122, 134; K. Schmidt, GesR, S. 538 f.; für Koalitionen Münch ArbR/Löwisch, § 244, Rn. 53 gegen Vorderwülbecke, Rechtsform, S. 150 ff. 69

K. Schmidt, JZ 1991, S. 157, 160. BGH vom 6.2.1984, BGHZ 90, 92, 95, und vom 1.3. 1990, BGHZ 110, 323, 327, nimmt eine Schadensersatzpflicht »ähnlich der positiven Vertragsverletzung« an.

III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitglieds

43

unangemessener Mitgliederpflichten. Verletzt der Verein seine Leistungspflichten gegenüber den Mitgliedern, können Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 oder §§ 286, 31 BGB entstehen71.

b) Deliktische Ansprüche Der Anspruch auf angemessene Vertragsgestaltung ist eine Forderung, deren Nichterfüllung keine unerlaubte Handlung darstellt. Der Verband verletzt mit einer unangemessenen Satzungsgestaltung oder einer rechtswidrigen Ablehnung zwar seine Pflicht gegenüber dem Mitglied oder Bewerber, er greift aber nicht in eine bestehende Rechtsposition ein. Die Verbandsmitgliedschaft ist dagegen weitgehend als »sonstiges Recht« im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt 72 . So wird das Mitglied namentlich vor dem völligen oder teilweisen Entzug der Mitgliedschaft deliktsrechtlich geschützt. Vorausgesetzt, daß der deliktische Schutz generell gegenüber Verbandsorganen und den anderen Mitgliedern besteht 73 , können diese den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB auch dadurch erfüllen, daß sie die spezifischen Anforderungen der Inhaltskontrolle mißachten. Beispielsweise ist ein Ausschluß, der nach allgemeinem Verbandsrecht zulässig wäre, nach den strengeren Anforderungen der Inhaltskontrolle aber rechtswidrig ist, eine unerlaubte Handlung: Der Eingriff des Vereins indiziert die Rechtswidrigkeit und ist wegen der Paritätsstörung nicht durch ein Rechtsgeschäft gerechtfertigt.

70

BGH vom 6.2.1984, BGHZ 90, 92, 95. S. auch BGH vom 11.1.1984, BGHZ 89, 296, 302, wonach die unberechtigte Kündigung eines Mietverhältnisses eine positive Forderungsverletzung darstellt. 71

Hadding, FS Kellermann, S. 91, 98. 72

BGH vom 12.3.1990, BGHZ 110, 323, 327 f.; Reichert/Dannecker, Rn. 473; K. Schmidt, JZ 1991, S. 157, 158; MünchKomm/Mertew, § 823, Rn. 131; a. A. Hadding, FS Kellermann, S. 91, 103 ff. Folglich besteht auch ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, vgl. Palandt/Bassenge, § 1004, Rn. 2. 73

So BGH vom 12.3.1990, BGHZ 110, 323, 327 f.; K. Schmidt, JZ 1991, S. 157, 158; a. A.

Wiedemann, S. 464.

44

§

chfrung der Inhaltskontrolle 2. Prozessuale Verwirklichung 7*

a) Rechtsbehelfe des Mitglieds Dem materiellen Schutz der Mitgliedsstellung vor Eingriffen des Verbands entspricht eine eigenständige Klagemöglichkeit des Mitglieds aus der Mitgliedschaft selbst 75 . Sie umfaßt die Abwehr unangemessener Satzungsklauseln und abstrakter Beschlüsse ebenso wie die Kontrolle konkreter Vereinsmaßnahmen. Das Mitglied ist in Vereinsstreitigkeiten prozeßführungsbefugt, wenn es behauptet, in der eigenen Mitgliedsstellung verletzt zu sein. Die Inhaltskontrolle macht es nicht erforderlich, daß ein Mitglied zusätzlich - vergleichbar der Verbandsklage im Verbraucherschutzrecht - fremde Mitgliederrechte im eigenen Namen durchsetzen kann. Folglich kann etwa eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur geltend machen, wer selbst benachteiligt wird, nicht aber, wer gegenüber anderen ungleich besser behandelt wird. Statthafte Klageart ist zunächst die Leistungsklage 76 . Mit ihr kann das Mitglied Teilhaberechte einfordern 77 oder eine angemessene Satzungsbestimmung durchsetzen, sofern nur eine einzige Vertragsgestaltung zulässig ist. Kommen verschiedene Lösungen in Betracht, ist eine Klage auf angemessene Satzungsgestaltung allerdings zu unbestimmt. Ferner kann das Mitglied mit der Unterlassungsklage konkrete unangemessene Mitgliederpflichten abwehren. Soweit die Leistungsklage nicht möglich ist, ist weiter die Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) statthaft. Sie ermöglicht es, die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen78, Satzungsgestaltungen oder konkreten Vereinsmaßnahmen, die das Mitglied auch künftig zu beeinträchtigen drohen, zu klären.

Im folgenden werden nur die Rechtsschutzmöglichkeiten vor staatlichen Gerichten erörtert; zu Vereinsgerichten s. u. §§ 4 II 3, 5 IV 2 b, zu Schiedsgerichten s. u. § 5 V 5. 75

BGH vom 25.2.1982, BGHZ 83, 122, 135 für Aktiengesellschaften; K. Schmidt, GesR, S. 537. Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 142 f., begründet die mitgliedschaftliche Klage nicht mit dem Individualinteresse des Mitglieds, sondern mit einem »Ersatzaufsichtsrecht« des Mitglieds gegenüber der Geschäftsführung. Zum Zusammenhang zwischen materiellen Befugnissen und gerichtlicher Kontrolle Dütz, Gerichtsschutz, S. 274 f. 76

Dazu Reichert/Dannecker,

Rn. 1761 ff.

77

Hierher gehört auch die Aufnahmeklage des abgewiesenen Bewerbers. 78

Noack, S. 81 ff.; Sauter/Schweyer,

Rn. 215; Staudinger/Cowg, § 32, Rn. 28.

III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitglieds

45

Für die Diskussion, ob im Vereinsrecht analog den §§241 ff. AktG rechtswidrige Beschlüsse nicht nichtig, sondern nur anfechtbar sind 7 9 , ergeben sich aus der Inhaltskontrolle keine Besonderheiten: Diese Differenzierung dient der Rechtssicherheit und der Effizienz der Vereinstätigkeit, nicht aber unmittelbar den Mitgliederinteressen. Ferner können die Mitglieder von rechtsfähigen Vereinen beim Registergericht nach §§ 159, 142 Abs. 1 S. 1 FGG die Löschung von satzungsändernden Klauseln, die den Anforderungen der Inhaltskontrolle nicht genügen, anregen. Die Löschung von Amts wegen ist allerdings nur zulässig, wenn die Unangemessenheit einer Klausel, etwa aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung, völlig zweifeis- und bedenkenfrei feststeht 80.

b) Gerichtsstand Die §§ 22, 17 Abs. 1 ZPO begründen den besonderen Gerichtsstand der Mitgliedschaft, dem zufolge sowohl Klagen der Mitglieder gegen den Verein als auch Klagen des Vereins oder der Mitglieder gegen andere Mitglieder am Sitz des Vereins zu erheben sind. Diese Regelung gilt auch für nichtrechtsfähige Vereine wie die Gewerkschaften 81. Sie kann bei Vereinen ohne rechtsfähige Untergliederungen dazu führen, daß ein Mitglied sogar als Beklagter gezwungen wird, einen Prozeß vor einem weit entfernt liegenden Gericht zu führen. § 22 ZPO bedeutet für das Vereinsmitglied eine Benachteiligung gegenüber der allgemeinen Regelung der §§ 12 ff. ZPO 8 2 . Er könnte deshalb verfassungskonform dahingehend zu reduzieren sein, daß er auf Vereine, deren Satzungen der Inhaltskontrolle unterliegen, nicht anwendbar ist.

79

So generell: K. Schmidt, FS Stimpel, S. 217, 241 f.; Grunewald, Ausschluß, S. 270 f.; Reichert/Dannecker, Rn. 1135 ff.; für mehrgliedrige Vereine: Säcker, Großvereine, S. 81, Fn. 337; dagegen: BGH vom 9.11.1972, BGHZ 59, 369 (LS a); Stöber, Rn. 208; Soergel/Hadding, § 32, Rn. 40. 80

Vgl. Keidel/Kuntze/^wit/er/Amelung/Kahl/Zimmermann, § 142, Rn. 19. Das BayObLG vom 12.10.1979, BayObLGZ 1979, 351, 356, schließt die eindeutige Sach- und Rechtslage bei Angemessenheitsprüfungen hingegen generell aus. 81 BGH vom 26.10.1979, NJW 1980, 343; Zöller/Vollkommer, Schumann, § 22, Rn. 7; Schräder, MDR 1976, S. 725 f.

§ 22, Rn. 5; a. A. Stein-Jonas/

82

Zu deren Gerechtigkeitsgehalt Zöller/Vollkommer, 5 Schmiegel

§ 12, Rn. 2.

46

§ 3 Durchführung der Inhaltskontrolle

Daraus, daß eine Restriktion des § 22 ZPO bei allen überrregionalen Massenvereinen überwiegend abgelehnt w i r d 8 3 , läßt sich noch kein Schluß für die Inhaltskontrolle ziehen: Dem Gesetzgeber war zwar das Problem der Massenvereine, nicht aber das der typischen Ungleichgewichtslage bekannt, so daß eine planwidrige Lücke vorliegen könnte. Zudem ergeben sich, anders als bei Massenvereinen, keine Abgrenzungsschwierigkeiten, da ohnehin geprüft werden muß, ob ein Verein der Inhaltskontrolle unterliegt. Jedoch ist der Zweck des besonderen Gerichtsstands, die die inneren Rechtsbeziehungen betreffenden Rechtsstreitigkeiten beim Gericht des Vereinssitzes zu konzentrieren und damit das Beschaffen der Entscheidungsunterlagen sowie eine einheitliche Auslegung der Vereinssatzung zu erleichtern, auch und gerade im Bereich der Inhaltskontrolle bedeutsam. Außerdem folgt aus der Paritätsstörung nicht notwendigerweise, daß das Mitglied in Verfahrensfragen besonders schutzwürdig ist: So sind etwa die Arbeitgeber häufig in ihrer Funktion als - geschäftsgewandte - Kaufleute Mitglied der Arbeitgeberverbände. Eine Reduktion des § 22 ZPO ist daher nicht erforderlich. 84

c) Geltungsbereich von Urteilen Generell erstreckt sich die subjektive Rechtskraft eines Urteils nur auf die Parteien des Rechtsstreits. Wollen mehrere Mitglieder gleiche Ansprüche gegen den Verein durchsetzen oder die Unwirksamkeit gleicher Mitgliederpflichten feststellen lassen, müssen sie also jeweils eine eigene Klage erheben. Hingegen ist im Vereinsrecht die inter-omnes-Wirkung eines Urteils, das die Nichtigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung feststellt, weitgehend anerkannt 85 .

BGH vom 26.10.1979, NJW 1980, 343; Dütz, DB 1977, S. 2217, 2219 ff.; Zöller/Vollkommen § 22, Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Patzina, § 22, Rn. 4; a. A. LG Frankfurt/Main vom 22.11.1976, NJW 1977, 538. 84

Exkurs: Klauseln, die einen weiteren allgemeinen Gerichtsstand nach § 17 Abs. 3 ZPO begründen, unterliegen der Inhaltskontrolle. Sie sind regelmäßig zulässig, da sie auch die Wahlmöglichkeiten des Mitglieds erweitern (§ 35 ZPO). Bei Klagen des Vereins gegen das Mitglied ist aber in der Beschlußkontrolle zu prüfen, ob die Wahl des Gerichtsstands im Einzelfall das Mitglied unangemessen benachteiligt. Dies ist möglich, wenn der Gerichtsstand dem Verein keine besonderen Vorteile bietet, aber für das Mitglied sehr ungünstig ist. Unzulässig ist hingegen die Bestimmung eines ausschließlichen Gerichtsstands, Zöller/ Vollkommer, § 17, Rn. 13; so aber § 25 der Satzung des Landesverbands Druck RheinlandPfalz und Saarland e. V. vom 19.4.1986.

III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitglieds

47

Aufgrund der Inhaltskontrolle könnten darüber hinaus alle Urteile, die die Angemessenheit von »Vereinsnormen« betreffen, für alle Mitglieder gelten. Damit würde die Rechtsdurchsetzung für die Mitglieder, sei es durch Rechtskrafterstreckung oder Gestaltungswirkung 86 , vereinfacht. Eine solch weitgehende Urteilswirkung darf allerdings nur dann rechtsfortbildend entwickelt werden, wenn die Inhaltskontrolle ihre Aufgabe anders nicht sinnvoll erfüllen kann. Indes ist der Verein objektivrechtlich an das Gleichbehandlungsgebot gebunden. Eine neue Klausel, die dem zugunsten eines einzelnen Mitglieds ergangenen Urteils Genüge tun soll, muß also, falls kein Differenzierungsgrund vorliegt, auch für alle anderen Mitglieder gelten. Erfüllt der Verein den Anspruch des obsiegenden Mitglieds durch einseitige Bevorzugungen, provoziert er weitere, offensichtlich begründete Klagen. Diese Bindungen des Vereins gewährleisten einen hinreichenden Mitgliederschutz, der besondere Urteilswirkungen entbehrlich macht.

BGH vom 25.5.1992, DB 1992, 1568, 1569; Reichert/Dannecker, Rn. 1729; Soergel/Hadding, § 32, Rn. 40; Sauter/Schleyer, Rn. 215; Noack, S. 86; a. A. Palandt/Heinrichs, § 32, Rn. 11; Staudinger/Comg, § 32, Rn. 28. 86

Es ist streitig, auf welchem dieser Institute die inter-omnes-Wirkung des Feststellungsurteils beruht, vgl. K. Schmidt, FS Stimpel, S. 217, 239 einerseits; Noack, S. 86; Soergel/ Hadding, § 32, Rn. 40 andererseits.

Zweiter Teil

Inhaltskontrolle im einzelnen Im zweiten Teil der Arbeit werden die Satzungen einiger Koalitionen nach den Regeln der Inhaltskontrolle auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Zusätzlich wird der Einfluß der Inhaltskontrolle auf einige gesetzliche Verpflichtungen - insbesondere in Zusammenhang mit dem Aufnahmezwang sowie auf die Wirksamkeit einzelner Beschlüsse der Koalitionen behandelt. Die Erörterung sowohl von Satzungsklauseln als auch von Beschlüssen wird erforderlich, weil identische Probleme bei verschiedenen Koalitionen bisweilen auf verschiedenen Ebenen geregelt werden. Als Material standen mir von Seiten der Gewerkschaften die Satzungen aller DGB-Gewerkschaften, der DAG und - als Beispiel für einen Fachverband des DBB - der KOMBA-Gewerkschaft Baden-Württemberg zur Verfügung, die ich umfassend ausgewertet habe. Teilweise beziehe ich mich zusätzlich auf Vereinsordnungen der Gewerkschaften. Die Mustersatzung der BDA für einen regionalen Fachverband mit unmittelbarer Firmenmitgliedschaft 1 habe ich ebenfalls eingehend herangezogen, während ich die Satzungen der einzelnen Arbeitgeberverbände nur exemplarisch zitiere. Bei den Koalitionsbeschlüssen beschränke ich mich auf Probleme, die in Rechtsprechung oder Literatur - wenn auch teilweise unter anderen Aspekten diskutiert werden. Obwohl auch durch Tarifverträge Verbandsgewalt gegenüber den Koalitionsmitgliedern ausgeübt wird 2 , unterliegen diese nicht der Inhaltskontrolle und bleiben daher ausgeklammert: Eine derart weit gehende richterliche Kontrolle, die sich nach unbestimmten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen richtet, würde die Tarifautonomie verletzen 3. Ebenso bleibt die Beziehung der Koalitionen zu ihren eigenen Arbeitnehmern ausgeklammert, obwohl auch dort eine typische Ungleichgewichtslage besteht. Diese beruht nämlich nicht auf der Mitgliedschaft, sondern auf dem Arbeitsverhältnis. Abgedruckt in: Organisation von Arbeitgeberverbänden, S. 53 ff. 2

3

Löwisch/RiMe,

Löwisch/RiMe,

TVG, § 1, Rn. 151.

TVG, Gründl., Rn. 37, 39.

§ 4 Beitritt I. Begründung des Aufnahmeanspruchs aufgrund der Inhaltskontrolle Vereine können nach allgemeinem Vereinsrecht grundsätzlich völlig frei entscheiden, wen sie als Mitglied aufnehmen 1. Sie sind im Außenverhältnis zum Bewerber weder an den Gleichbehandlungsgrundsatz noch an ihre eigene Satzung gebunden2. Gleichwohl sind nach allgemeiner Ansicht bestimmte Vereine unter gewissen Umständen aufhahmepflichtig: Schon früh wurde die Aufriahmepflicht der Monopolvereine wegen sittenwidriger Schädigung (§§ 826, 249 BGB) anerkannt 3. Der BGH stützt die Aufnahmepflicht noch heute auf § 826 BGB, läßt es aber genügen, »wenn ein Verein oder Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein schwerwiegendes Interesse von Beitrittswilligen am Erwerb der Mitgliedschaft besteht«^.

In der Literatur wird die Aufnahmepflicht als Unterfall des allgemeinen Kontrahierungszwangs 5 oder als Konsequenz einer zivilrechtlichen Mißbrauchsaufsicht über sozialmächtige Vereine angesehen6. Sie wird insbesondere bei den Koalitionen - aus den Grundrechten abgeleitet7 oder bei Interessenverbänden damit erklärt, daß ein Verein, der als authentischer Repräsentant einer Gruppe auftritt, der Legitimation durch die Angehörigen der Gruppe bedarf 8.

' Reichert/Dannecker, BGHZ 101, 193,200. 2

Rn. 643; BGH vom 26.6.1979, NJW 1980, 186, 187; vom 29.6.1987,

BGH vom 26.6.1979, NJW 1980, 186, 187.

3

RG vom 2.2.1905, RGZ 60, 94, 103; BGH vom 14.11.1968, NJW 1969, 316, 317. Zudem besteht oft ein Aufhahmeanspruch nach § 27 Abs. 1 GWB, vgl. Reichert/Dannecker, Rn. 648 ff. 4

BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151 (LS).

5

Grunewald, AcP 182 (1982), S. 181, 185.

6

Bartodziej, ZGR 1991, S. 517, 523f, 545. Nach Kilian, AcP 180 (1980), S. 47, 73, dient der Kontrahierungszwang generell der Machtkompensation. 7

MünchArbR/LöwwcA, § 238, Rn. 15 (Art. 9 III GG); von Stechow, S. 72 (Art. 9 III GG); Henrich S. 90, 121(Art. 3 I GG); Sachse, S. 164 (§ 826 BGB/Art. 9 III GG).

50

§ 4 Beitritt

In dieser Arbeit geht es darum, die Aufnahmepflicht mit der Inhaltskontrolle zu begründen. Der Aufnahmezwang unterscheidet sich von anderen Fällen der Inhaltskontrolle dadurch, daß er nicht die Kontrolle einer Vertragsgestaltung im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses betrifft, sondern eine Beziehung zwischen den Vertragspartnern erst schafft. Dennoch hat er im Vereinsrecht nicht nur dieselben Voraussetzungen wie die Inhaltskontrolle 9, sondern ist selbst deren Ergebnis 10 : Die Inhaltskontrolle zwingt in typischen Ungleichgewichtslagen den überlegenen Vertragspartner, seine Vertragsfreiheit nicht unangemessen zu Lasten des schwächeren auszunutzen. Ist ein Bewerber auf die Vereinsmitgliedschaft angewiesen, hat die Inhaltskontrolle also zur Folge, daß der Verein seine Abschlußfreiheit nicht willkürlich zum Nachteil des Bewerbers ausüben darf. Folglich ist er verpflichtet, den Bewerber aufzunehmen, sofern kein sachlicher Ablehnungsgrund besteht. Daß die Inhaltskontrolle damit auch außerhalb bestehender Vertragsbeziehungen eingreift, beruht darauf, daß die unterlegene Partei nur so effektiv geschützt werden kann: Könnte der Verein den Bewerber beliebig ablehnen, käme dieser nie in den Genuß des besonderen Schutzes; der Verein könnte die Inhaltskontrolle ins Leere laufen lassen. Umgekehrt würde die Aufnahme einem Bewerber nichts nutzen, wenn der Verein ihn als Mitglied willkürlich benachteiligen dürfte. Insofern ist die Inhaltskontrolle selbst auch eine Konsequenz des Aufhahmeanspruchs. Sieht man damit Aufnahmepflicht und Inhaltskontrolle als unterschiedliche Ausprägungen desselben Prinzips an, so hat dies den Vorteil, daß es für den Bewerberschutz keinen Unterschied macht, ob der Verein abstrakte Aufhahmeklauseln erlassen hat oder nicht: Sind die Aufnahmevoraussetzungen satzungsmäßig geregelt, besteht der Aufnahmeanspruch grundsätzlich nur, wenn der Bewerber die aufgestellten Anforderungen erfüllt 1 1 . Freilich unterliegen diese Regeln ihrerseits der

H

Reuter, JZ 1985, S. 536; Grunewald,

AcP 182 (1982), S. 181, 206. Föhr, S. 163 f., hält den

Einfluß auf den staatlichen Willensbildungsprozeß für maßgeblich. 9 BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151 (LS) einerseits; BGH vom 24.10.1988, BGHZ 105, 306 (LS) andererseits. 10 Ebenso Röhricht, Inhaltskontrolle, S. 75, 79. Α. A. Grunewald, Ausschluß, S. 141 f., die allerdings die Inhaltskontrolle bei allen Vereinen befürwortet (S. 138) und folglich unterschiedliche Voraussetzungen für Inhaltskontrolle und Aufnahmezwang annimmt.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

51

Inhaltskontrolle 12 . So darf die Klausel nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung des Bewerbers führen 13 . Eine Regelung, nach der der Vorstand über die Aufnahme nach freiem Ermessen entscheidet 14 , ist unwirksam. Zusätzlich muß die Ablehnungsentscheidung der Beschlußkontrolle 15 genügen, die den Wertungen der Inhaltskontrolle folgt. Dies gilt zwar unabhängig davon, ob eine abstrakte Klausel überhaupt besteht, ist jedoch besonders fur die Fälle bedeutsam, in denen der Verein keine Aufhahmeregelung getroffen hat. Weder in einer Klausel noch im Einzelfall darf ein Ablehnungsgrund einen Bewerber unangemessen benachteiligen. Die Aufnahmepflicht weist allerdings eine Besonderheit gegenüber der Inhaltskontrolle auf: Während von der Inhaltskontrolle über den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz regelmäßig auch diejenigen Mitglieder profitieren, die selbst nicht auf die Mitgliedschaft angewiesen sind, ist für die Aufnahmepflicht allein ausschlaggebend, wie schutzbedürftig der konkrete Bewerber ist.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen I. Inhaltliche Beschränkungen der Aufnahmepflicht

Weil Koalitionen, deren Satzungen der Inhaltskontrolle unterliegen, regelmäßig aufnahmepflichtig sind, können sie die Ablehnung eines Bewerbers lediglich mit sachlichen Gründen rechtfertigen 16 . Diese sollen nachfolgend erörtert werden.

11

BGH vom 2.12.1974, BGHZ 63, 282, 284 f.

12

OLG Frankfurt vom 23.11.1983, ZIP 1984, 61, 63.

13

Vgl. BGHZ 63,282, 285; BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 154.

14

So § 3 IV 2 der Satzung des Verbands der Druckindustrie Niedersachsen e. V. vom 12.5.1975. 15

Zur Beschlußkontrolle s. o. § 3 I 2.

16

BGH vom 2.12.1974, BGHZ 63, 282, 285 = NJW 1975, 771 f.

§ 4 Beitritt

52

a) Mitgliedschaft

in Konkurrenzorganisation

Die Koalitionen sind nur zur Aufnahme solcher Bewerber verpflichtet, die nicht Mitglied einer Konkurrenzorganisation sind 1 7 : Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG garantiert kein Recht auf gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren konkurrierenden Koalitionen 18 . Ist ein Bewerber bereits Mitglied eines konkurrierenden Verbands, braucht er selbst dann nicht aufgenommen zu werden, wenn dieser Verband die Leistungen, auf die der Bewerber angewiesen ist, gar nicht erbringt. Die Koalition kann den Austritt aus dem Verband zur Aufnahmebedingung machen. Eine solche Regelung ist sachlich begründet und fordert vom Bewerber kein unverhältnismäßiges Opfer 19 . Läßt eine Koalition bei einigen Mitgliedern die Doppelmitgliedschaft zu, so ergibt sich daraus kein Anspruch des Bewerbers auf Gleichbehandlung: Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann die Voraussetzungen des gesetzlichen Aufnahmeanspruchs nicht beeinflussen 20. Er wirkt sich erst innerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses auch zugunsten derjenigen Mitglieder aus, die nicht selbst aufnahmeberechtigt sind. Umgekehrt kann aber ein Bewerber, der bisher nicht Mitglied einer Koalition ist, nicht darauf verwiesen werden, daß auch andere Vereine die erstrebte Leistung erbringen: Der Wettbewerb der Koalitionen untereinander ändert nichts daran, daß der Bewerber auf die Mitgliedschaft zu einer von ihnen angewiesen ist. Nimmt ihn ein Verband freiwillig auf, sind die übrigen nicht aufhahmepflichtig. Verweigern indes alle in Betracht kommenden Koalitionen die Aufnahme, besteht gegen jede einzelne ein Aufnahmeanspruch. Der Bewerber kann wählen, gegen welche Koalition er seinen Anspruch durchsetzt 21 . Mit dem Beitritt erlischt die Aufnahmepflicht der übrigen Vereine.

17 So ausdrücklich § 4 III ÖTV; § 12 III 1 DAG. Nach § 8 I lit. d GdP ist die Mitgliedschaft in einer Konkurrenzorganisation ein Ausschlußgrund. Dies hat zur Folge, daß auch die Ablehnung darauf gestützt werden kann, s. u. II 2. 18

BGH vom 4.7.1977, DB 1977, 2226, 2227 f.

19

Dies sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Aufnahmebeschränkungen, vgl. BGH vom 2.12.1974, BGHZ 63, 282,285; Nicklisch, JZ 1976, S. 105, 111. 20

Gleiches gilt für die Aufnahme von Bewerbern, für die die Koalition nicht zuständig ist. 21

Grunewald, AcP 182 (1982), S. 181, 207; Beuthien/Götz, ZfgG 1978, S. 375, 380 für Handelsvereinigungen. Dies hat zur Folge, daß auch gegen Richtungsgewerkschaften ein Aufnahmeanspruch bestehen kann.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

53

b) Unzuständigkeit der Koalition Die Aufnahmepflicht ist auf solche Bewerber beschränkt, für die die Koalition zuständig ist 2 2 . Dies ergibt sich zum einen regelmäßig faktisch daraus, daß die Zuständigkeit eines Vereins mit den von ihm erbrachten Leistungen korrespondiert, von denen wiederum die Angewiesenheit der Bewerber abhängt: Ist etwa eine Gewerkschaft nur für eine bestimmte Branche zuständig, so schließt sie nur für diese Tarifverträge ab. Bewerber aus anderen Branchen sind von vornherein auf ihre Leistung nicht angewiesen und brauchen deshalb auch nicht aufgenommen zu werden. Betätigt sich in dem Bereich, der den Bewerber betrifft, gar kein Verein, ist die Neugründungsfreiheit in der Regel nicht eingeschränkt, so daß es an der Paritätsstörung fehlt. Zum anderen folgt diese Aufiiahmebeschränkung aus dem Recht des Vereins, über seinen Zweck autonom zu entscheiden. Soweit eine Koalition ihren Zweck frei bestimmen kann 2 3 , kann sie Bewerber unter Hinweis auf ihre Zuständigkeitsbeschränkung ablehnen. Weil die Inhaltskontrolle den großen Gewerkschaften aber die willkürliche Ausgrenzung bestimmter Bewerbergruppen verbietet 26 , müssen diese alle Angehörigen ihres Organisationsbereichs aufnehmen. Die Benachteiligungsverbote in bezug auf Nationalität, Rasse, politisches oder religiöses Bekenntnis, Beruf, Geschlecht oder Alter ergeben sich daher nicht nur aus dem Selbstverständnis der Einheitsgewerkschaften 24, sondern sind rechtlich zwingend. Auch wenn die DGB-Gewerkschaften die Möglichkeit haben müssen, sich künftig als Richtungsgewerkschaften zu organisieren 25, sind sie doch derzeit unabhängig von ihrem Willen zur Aufnahme bestimmter Minderheiten verpflichtet, die keine effektiven eigenen Vertretungen bilden können. Auf Arbeitgeberseite ist das Erfordernis einer gewissen Betriebsdauer oder einer bestimmten Qualifikation des Betriebsinhabers 26 unzulässig.

22

Henrici, S. 147 ff.

23

S. o. § 3 I 1 a.

24

Die aufgeführten Kriterien werden ausdrücklich als unbeachtlich bezeichnet in § 5 I 1 IGBSE; § 5 II IGCPK; § 6 V 1 GEW; § 4 III GHK; § 2 S. 1 GL; § 3 S. 2 Nr. 1 S. 2 NGG; §§ 7 II GTB; § 8 I DAG. 25

Säcker/Rancke,

AuR 1981, S. 1, 11.

26

So aber § 3 II lit. a, b der Satzung des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin e. V. vom 13.12.1979.

54

§ 4 Beitritt

Auf der Ebene der Beschlußkontrolle ist eine Ablehnung unzulässig, die sich auf eine lediglich vorgeschobene Zuständigkeitserklärung stützt. Eine Abgrenzung kann nur dann akzeptiert werden, wenn sie tatsächlich gleichmäßig praktiziert wird. Dies bedeutet nicht die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zwischen Verein und Bewerber. Vielmehr wird aus der tatsächlichen Ablehnungspraxis auf die objektive Zuständigkeit einer Koalition geschlossen.

c) Aufnahme von Bewerbern, die nicht auf die Mitgliedschaft angewiesen sind Bewerber, die nicht auf die Vereinsmitgliedschaft angewiesen sind, haben grundsätzlich keinen Aufnahmeanspruch. Anders als bei Bewerbern, die einzelne Beitrittsvoraussetzungen nicht erfüllen, fehlt es bei ihnen schon an einer Paritätsstörung. Folglich ist ihnen gegenüber in den Grenzen des § 138 Abs. 1 BGB sogar willkürliches Verhalten des Vereins zulässig. Regelt eine Koalition die Aufnahme solcher Bewerber, so dient dies der Bestimmung ihres Selbstverständnisses, begründet aber kein subjektives Recht der Bewerber. Nach der Aufnahme gilt allerdings auch für diese Mitglieder der allgemeine vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Sie können insoweit von der Inhaltskontrolle profitieren, als diese die Rechtsstellung aller Mitglieder betrifft. Allerdings kann es sachlich gerechtfertigt sein, außerordentlichen Mitgliedern einen besonderen Status zu verleihen 27 . Während die Arbeitgeberverbände grundsätzlich zur Aufnahme der Arbeitgeber ihres Organisationsbereiches verpflichtet sind, sind nur Arbeitnehmer und Beamte auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft offensichtlich angewiesen 28 und damit zweifellos aufnahmeberechtigt. Im folgenden wird geprüft, welche weiteren Personengruppen auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft angewiesen sind. Müssen die Gewerkschaften auch Arbeitslose, Studenten, Lehrlinge oder Rentner aufnehmen? Arbeitslose sind nicht derart auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft angewiesen, daß sie einen gesetzlichen Aufnahmeanspruch hätten: Sie sind nur insoweit von Tarifverträgen abhängig, als diese mittelbar ihre Wiedereinstellungschancen beeinflussen; Rechte im Betrieb stehen ihnen mangels Be27

§ 3 V der Satzung des Landesverbands des Bayerischen Einzelhandels e. V. vom 18.6. 1985; § 2 II der Satzung des Arbeitgeberverbandes Lüdenscheid und Umgebung e. V. vom 6.5.1983. 28

S. o. § 2 II 3 a gg.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

55

triebszugehörigkeit nicht zu. Für die DGB-Gewerkschaften läßt sich wegen des Industrieverbandsprinzips zudem oft nicht feststellen, welche Gewerkschaft fur einen Bewerber nach Arbeitsaufnahme zuständig sein wird. Die autonome Festlegung einer Gewerkschaft, nur die Belange der Berufstätigen zu vertreten, ist daher zu akzeptieren, obwohl die Arbeitslosen ihre Interessen durch eine eigene Vereinigung nicht effektiv wahren können 29 . Es steht den Gewerkschaften damit frei, Arbeitslose als Vollmitglieder aufzunehmen 30, ihnen eine Anwartschaft auf die Mitgliedschaft einzuräumen 31 oder sie überhaupt nicht aufzunehmen 32 . Studenten 33 sind von Tarifverträgen nicht unmittelbar betroffen und daher auch nicht auf die Gewerkschaftszugehörigkeit angewiesen; sie haben keinen gesetzlichen Aufnahmeanspruch. Gleiches gilt für den Beitritt von Rentnern und Hinterbliebenen 34 Auszubildende sind hingegen Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG (§ 5 Abs. 1 BetrVG) und werden regelmäßig von den Tarifabschlüssen der zuständigen Gewerkschaft erfaßt. Sie sind damit grundsätzlich beitrittsberechtigt, ohne daß dies ausdrücklich in der Satzung aufgeführt sein müßte. Die Individualnormen von Tarifverträgen können auch für arbeitnehmerähnliche Personen wie freie Mitarbeiter oder Heimarbeiter gelten (§ 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG, § 17 HAG). Letztere haben zudem Rechte nach dem BetrVG (§ 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 BetrVG). Auch bei ihnen ist daher noch eine Angewiesenheit auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft anzunehmen35.

29

Vgl. MünchArbR/Ztfwsc/i, § 239, Rn. 18.

30

§ 1 III (0) 1 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; § 4 II 2 lit. a GHK; § 5 II lit. d IG Medien; § 4 I ÖTV; § 7 I 2 DAG für arbeitslose Jugendliche. 31

§ 6 II HBV; § 3 II GL (für arbeitslose Jugendliche); § 3 II IGM; § 5 II DPG.

32

So § 5 I 1 IGBSE; § 2 S. 2 IGBE; § 1 S. 5 IGCPK; § 2 GdED; § 5 I 1 GGLF; § 4 I GdP; § 1 II DPG; § 5 I GTB; § 5 KOMBA. 33

Studenten werden aufgenommen nach § 2 I, 5 I 1 IGBSE; § 6 IV 1 GEW; § 4 II lit. b GHK; § 5 II lit. c IG Medien; § 1 II lit. f DPG; § 5 I 2 GTB. Mittelbar folgt dies auch aus § 5 II 9 IGM. 34 Sie können nach § 2 lit. g, h GdED; Protokollnotiz zu § 6 III GEW; § 8 VI 1 GdP; § 5 KOMBA Mitglied werden. § 7 III 1 DAG schließt den Beitritt nicht mehr Berufstätiger ausdrücklich aus. 35

Die IG Medien erklärt sich ausdrücklich für diese Gruppen zuständig, § 3 II IG Medien.

§ 4 Beitritt

56

d) Schädigung der Koalition Schließlich können Bewerber abgelehnt werden, von denen zu erwarten ist, daß sie dem Vereinszweck schaden und die Vereinstätigkeit mehr beeinträchtigen als fördern. In diesen Fällen überwiegt das Interesse der Koalition an der Zweckverfolgung das Aufnahmeinteresse der Bewerber.

aa) Ablehnung des Koalitionszwecks Koalitionen, deren Satzungen der Inhaltskontrolle unterliegen, müssen hinnehmen, daß sich ihre konkreten Aufgaben und Aktivitäten ändern, sofern die geltenden Regeln des Willensbildungsprozesses eingehalten werden 36 . Sie dürfen sachliche Kritik zu solchen Punkten, die für die Zukunft zur Disposition der Mitglieder stehen, nicht unterbinden. Die Gefahr, daß die Koalition nach außen nicht völlig geschlossen auftritt, ist hinzunehmen, solange ihre Schlagkräftigkeit in den entscheidenden Momenten, also im Arbeitskampf, gewährleistet ist 3 7 . Folglich dürfen die Koalitionen Bewerber nicht deshalb ablehnen, weil diese eine andere Vereinspolitik anstreben, als bisher verfolgt wurde 3 8 . Damit soll eine interne Diskussion ermöglicht werden, die weitergehende inhaltliche Beschränkungen entbehrlich machen kann 3 9 . Allerdings ist § 33 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Vereinszweck nur mit Zustimmung aller Mitglieder geändert werden kann, im Bereich der Inhaltskontrolle zum Schutz von Minderheiten zwingend. Weil der Koalitionszweck damit grundsätzlich unveränderlich ist, braucht eine Koalition insofern auch keine interne Diskussion zu dulden 40 . Sie kann gegenüber Bewerbern, die ihren Zweck in Frage stellen, die Aufnahme verweigern.

36

Henrici, S. 143; Föhr, S. 174; Bartodziej,

ZGR 1991, S. 517, 541.

" Α. A. BGH vom 25.3.1991, NJW-RR 1992, 247, 248, wonach Mitglieder, die »das Bild einer zersplitterten, in sich selbst uneinigen Gewerkschaft« hervorrufen, deren Ansehen in der Öffentlichkeit so stark schädigen, daß sie ausgeschlossen werden können. 38

Bartodziej,

ZGR 1991, S. 517, 540 f.; Föhr, S. 167 f.; Henrici,

S. 134 ff. Für das parallele

Problem beim Ausschluß Thalmann, S. 126 ff. Für § 27 GWB BKartA vom 14.2.1963, WUW/E 1963, 831, 832 = BKartA 653, 654. 39 40

Kilian, AcP 180 (1980), S. 47, 73.

Weitergehend Bartodziej, ZGR 1991, S. 517, 540, der Bewerber, die den Verbandszweck modifizieren wollen, für beitrittsberechtigt hält, wenn sie bereit sind, sich an die demokratischen Regeln zu halten.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

57

Wieviel Kritik ein Verein an seiner Politik und seinen Aufgaben zulassen muß, hängt vom Umfang seiner Zwecksetzungsautonomie ab 4 1 . Je enger der Koalitionszweck ist, desto mehr Auseinandersetzungen können von vornherein abgewehrt werden. So dürfen Richtungsgewerkschaften ihre politischer Tendenz grundsätzlich dadurch bewahren, daß sie andersdenkende Bewerber ablehnen. Hingegen müssen Koalitionen, die eine große, wenig geschlossene Gruppe vertreten, mehr Meinungen zulassen42. Beispielsweise dürfen die DGB-Gewerkschaften Bewerber nicht deshalb ablehnen, weil diese die derzeitige Form der Einheitsgewerkschaft scharf kritisieren 43 . Dies ändert allerdings auch bei den großen Koalitionen nichts daran, daß sich die konkrete Überzeugung der Mitgliedermehrheit in einzelnen Vereinsbeschlüssen niederschlägt. Trotz der Offenheit der Koalition für die Zukunft sind die Mitglieder selbstverständlich verpflichtet, sich loyal zu verhalten und die geltende Vereinssatzung sowie rechtmäßige Beschlüsse anzuerkennen und zu befolgen 44 . Bewerber, die künftige Beschlüsse voraussichtlich mißachten, können abgelehnt werden 45 . Umgekehrt besteht kein Grund, Bewerber abzulehnen, deren gewerkschaftliche Tätigkeit zwar durch ihre linksoder rechtsextreme politische Ansicht motiviert ist, die aber loyal mitarbeiten und die konkrete Verbandsarbeit nicht zur Verfolgung koalitionsfeindlicher Ziele oder zur Verbreitung politischer Thesen mißbrauchen werden. Das Selbstverständnis einer Koalition als Einheitsgewerkschaft verbietet es nicht von vornherein, Vertreter bestimmter politischer Ansichten abzulehnen. Ein Koalitionsbeschluß über parteipolitische Neutralität hat nämlich keinen Vorrang vor der konkreten Praxis und gegenteiligen Unvereinbarkeitsbeschlüssen, die das Prinzip der Einheitsgewerkschaft relativieren können. Allerdings sind Unvereinbarkeitsbeschlüsse umgekehrt nur rechtmäßig, wenn sie angemessen sind, wenn sie also eine Gefährdung der Koalition von innen vermeiden wollen. § 6 V 2 HBV und § 3 II (1) 2 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW sehen die Ablehnung solcher Bewerber vor, die zuvor aus anderen DGB-Gewerkschaften ausgeschlossen wurden. Der frühere Ausschluß allein behindert die jetzigen Vereinsinteressen jedoch nicht, zumal die Entschei41

s. o. § 3 I 1

a.

42

Leßmann, S. 265, MünchKomm/Ztewter, Vor § 21, Rn. 117, die die authentische Interessenrepräsentation betonen. Enger BGH vom 1.10.1984, NJW 1985, 1214, 1213. 43 BGH vom 27.9.1993, NJW 1994, 43, 44 zum Ausschluß eines Funktionärs der »Republikaner« aus der IG Medien. 44

Henrich S. 145; Schüren, S. 270 f.

45

BGH vom 1.10.1984, NJW 1985, 1214, 1215.

58

§ 4 Beitritt

dung über die Aufnahme nicht einem anderen Verein überlassen werden darf. Der Ausschluß darf nur zum Anlaß für eine intensivere Prüfung des Bewerbers genommen werden 46 . Zur Ablehnung eines Bewerbers genügt bereits der substantiierte Verdacht, daß dieser den Vereinszweck bekämpfen könnte 47 . Die vereinsfeindliche Motivation eines fremden Bewerbers kann nämlich während der kurzen Annahmefrist 48 kaum festgestellt werden. Dem Verein kann nicht zugemutet werden, das Risiko einer Schädigung einzugehen und einen Bewerber bis zur endgültigen Klärung aufzunehmen, um ihn dann ausschließen zu können 49 . Allerdings muß dem Bewerber die Möglichkeit gegeben werden, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen und ihn zu widerlegen.

bb) Ablehnung der Voraussetzungen der Koalitionstätigkeit Bewerber, die die Existenz oder Funktion der Koalition bekämpfen, haben keinen Aufnahmeanspruch 50. Zwar ist eine objektive Gefahrdung, etwa durch Unterwanderung, bei großen Koalitionen kaum zu befurchten. Auch kann man die objektive Angewiesenheit dieser Bewerber auf die Vereinsleistung nicht verneinen 51 . Jedoch ist das Beitrittsinteresse eines verbandsfeindlichen Bewerbers, der den Aufnahmeanspruch zur Zerstörung des Vereins von innen mißbrauchen will und das Versprechen, den Vereinszweck zu fordern, nur vorschiebt, nur sehr gering zu bewerten. Das Ablehnungsinteresse der Koalition überwiegt daher. Daraus folgt: Es dürfen zunächst solche Bewerber abgelehnt werden, die die Koalition in eine verfassungswidrige Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umwandeln wollen und damit deren Verbot provozieren. Weiterhin können Bewerber abgelehnt werden, die sich zwar nicht unmittelbar gegen die Koalition wenden, aber die Voraussetzungen der Leistungen, auf die die Inhaltskontrolle gestützt wird, ablehnen. Diese Bewerber verhal-

47

Die Tatsachen, auf die sich der Verdacht stützt, müssen allerdings feststehen, BGH vom 10.12. 1984, BGHZ 93, 151, 154. 48 49

S. u. III 2 b. OLG Frankfurt vom 23.11.1983, ZIP 1984, 61, 64.

50

BGH vom 1.10.1984, NJW 1985, 1214, 1215; Bartodziej, ZGR 1991, S. 517, 539; Föhr, S. 166; Henrici, S. 138, 144 ff.; Sachse, S. 161; von Stechow, S. 76; Thalmann, S. 89. 51

So aber Bartodziej,

ZGR 1991, S. 517, 540.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

59

ten sich widersprüchlich, da sie letztlich die Voraussetzungen des Aufhahmeanspruchs, auf den sie sich berufen, bekämpfen. Weil die bedeutendste Funktion der Koalitionen, die auch wesentlich zur Imparität gegenüber den Mitgliedern beiträgt, im autonomen Abschluß von Tarifverträgen liegt, haben Bewerber, die die Voraussetzungen der Tariffähigkeit, insbesondere Unabhängigkeit 52 , Gegnerfreiheit 53 und demokratischen Aufbau der Koalition beseitigen wollen, keinen Beitrittsanspruch 54. Zudem werden regelmäßig nur arbeitskampfbereite Koalitionen als tariffähig angesehen55, so daß Bewerber, die Arbeitskämpfe offensiv ablehnen und entsprechende Beschlüsse voraussichtlich nicht einhalten werden, in der Regel ebenfalls abgelehnt werden können. Schließlich brauchen Bewerber, die sich gegen die Tarifautonomie oder deren Voraussetzungen wenden, nicht aufgenommen zu werden. Die Ablehnung von Bewerbern, die sich für eine staatliche Festlegung der Arbeitsbedingungen einsetzen oder die die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen 56 , ist damit zulässig, weil die demokratische Staatsverfassung Voraussetzung der Tarifautonomie ist. Hingegen würde allein das Bekenntnis der Koalitionen zur Demokratie 57 zur Ablehnung extremistischer Bewerber nicht genügen 58 , da es wie andere Vereinsziele zur Disposition der satzungsändernden Mehrheit steht.

52

Die Unabhängigkeit wird in den meisten Gewerkschaftssatzungen ausdrücklich als Eigenschaft des Vereins aufgeführt, § 3 II 1 IGBSE; § 4 S. 2 IGBE; § 3 S. 2 IGCPK; § 3 III 4 GdED; § 4 III GGLF; § 5 I HBV; § 3 I 1 GHK; § 2 S. 1 GL; § 4 I 2 IG Medien; § 2 S. 2 IGM; § 3 S. 1 NGG; § 3 II ÖTV; § 2 IV GdP; § 3 III 1 DPG; § 4 I 2 GTB; § 3 S. 2 DAG. 53

Ein Angehöriger der »Gegenseite« hat schon mangels Zuständigkeit und Angewiesenheit keinen Aufnahmeanspruch. 54

Ebenso Henrici, S. 138f; Föhr, S. 166; für Gegner der Unabhängigkeit auch Reuter, ZHR 148 (1984), S. 523, 537. 55

Vgl. nur MünchArbR/Ltfwsc/*, § 248, Rn. 9.

56

Die Verfassungs- oder Demokratiefeindlichkeit eines Bewerbers oder Mitglieds wird in §§ 5 I 2, 11 I 2 lit. b IGBSE; § 6 V 2 GEW; § 12 I 1 lit. c HBV; § 10 II lit. c GHK; § 13 I 3 GGLF; § 4 II ÖTV; § 8 II DAG als Ablehnungs- oder Ausschiußgrund aufgeführt. Ebenso § 11 I lit. d IG Medien für die Verfolgung faschistischer Ziele und § 4 I 5 NGG für die Unterstützung rechts- oder linksextremer Ziele. 57

§ 3 I 1 IGBSE; § 4 S. 1 IGBE; § 3 S. 1 IGCPK; § 3 III 1-3 GdED; § 5 I 1 HBV; § 2 S. 2 GL; § 4 I 2 IG Medien; § 2 S. 3 IGM; § 3 I ÖTV; § 2 III GdP; § 3 II 1 DPG; § 4 I 1 GTB. 58

So aber BGH vom 4.3.1991, NJW-RR 1991, S. 888, 889; vom 15.10.1990, NJW 1991, S. 485, 486.

60

§ 4 Beitritt

cc) Unterstützung koalitionsfeindlicher Organisationen Die Unterstützung von Organisationen, die die Koalitionen in ihrer Existenz oder ihrem Zweck bekämpfen, ist ein Indiz für die koalitionsfeindliche Haltung eines Bewerbers. Weil schon der Verdacht verbandsfeindlicher Betätigung genügt 59 , kann dies die Ablehnung eines Bewerbers rechtfertigen 60 . Bewerber, die Ämter in koalitionsfeindlichen Gruppen innehaben oder sich nicht nur geringfügig für sie betätigen, können ohne weiteres abgelehnt werden 6 1 . Es ist anzunehmen, daß sie sich so sehr mit der Organisation identifizieren, daß sie selbst eine gefestigte koalitionsfeindliche Überzeugung haben. Die bloße Mitgliedschaft in einer koalitionsfeindlichen Vereinigung muß die konkrete Verbandsarbeit hingegen nicht beeinträchtigen. Zwar stärkt jedes Mitglied eine Organisation, die den Koalitionen gegebenenfalls weit gefahrlicher werden kann als Einzelpersonen. Weil bei der Abwägung aber die Haltung des einzelnen Bewerber wichtiger ist als die Ziele dieser Vereinigung 6 2 , kommt es darauf an, wie sehr sich dieser mit den Gruppenzielen identifiziert. Bei kleinen, insbesondere konspirativen Gruppen kann eher eine starke Übereinstimmung vermutet werden als bei größeren Vereinen, bei denen Zweck und Beitrittsanreiz häufig auseinanderfallen und die Mitgliedschaft durch die damit verbundenen Vorteilen motiviert sein kann 6 3 . Jedenfalls begründet die formale Mitgliedschaft nur eine widerlegbare Vermutung für die koalitionsfeindliche Einstellung des Bewerbers. Dieser muß Gelegenheit haben, den Verdacht zu entkräften 64 . Der Austritt aus einer koalitionsfeindlichen Vereinigung bedeutet in der Regel sowohl das Ende der Unterstützung der Organisation als auch eine Abkehr von deren Zielen. Weil die bloße politische Überzeugung eines Bewerbers allein kein Ablehnungsgrund ist, müssen ehemalige Mitglieder 59

S. o. aa.

60

So fiir die Ablehnung oder den Ausschluß: §§ 5 I 2, 11 I 2 lit. c IGBSE; § 7 I lit. c, d IGCPK; § 7 III 2 GdED; § 13 I 3 GGLF; § 12 I 1 lit. c HBV; § 10 II lit. c GHK; § 11 I lit. c IG Medien; §§ 3 V 5, 12 I 2 IGM; § 4 I 5 NGG; § 6 I GdP; § 9 III 1 DPG; § 8 II DAG. 61 BGH vom 15.10.1990, NJW 1991, 485, 486, für einen MLPD-Vorsitzenden; bestätigend BVerfG vom 21.12.1992 - Kammerbeschluß, NZA 1993, 655. 62

So schon Thalmann, S. 103.

" Teubner, S. 37 f., 60f; MünchKomm/Ztewter, Vor § 21, Rn. 111; Bartodziej,

ZGR 1991,

S. 517, 544, für die SED-Mitgliedschaft. Nach BGH vom 4.3.1991, NJW-RR 1991, S. 888, 889, kann die bloße Mitgliedschaft bei der MLPD den Gewerkschaftsausschi uß rechtfertigen. 64

Klauseln, die formal an die Mitgliedschaft anknüpfen, sind daher restriktiv auszulegen. Dem widerspricht § 12 I 2 IGM, wonach Mitglieder, die einer gegnerischen Organisation angehören, ohne Untersuchungsverfahren ausgeschlossen werden können.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

61

koalitionsfeindlicher Gruppen aufgenommen werden, wenn nicht der konkrete Verdacht besteht, daß sich an ihrer Haltung nichts geändert hat 6 5 . Die Ablehnung kann namentlich auf die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer koalitionsfeindlichen Partei gestützt werden. Bei der Bestimmung, welche Partei in diesem Sinne gegnerisch ist, sind die Berufsverbände als Privatrechtssubjekte nicht an das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG gebunden 66 . Der Verweis auf einen Unvereinbarkeitsbeschluß des D G B 6 7 ist zulässig, auch wenn die Entscheidung damit den Vereinsmitgliedern entzogen und auf die Leitungsorgane verlagert wird 6 8 .

dd) Schädigung des Ansehens der Koalition Ein weiterer Ablehnungsgrund ist die Gefahr, daß ein Bewerber dem Ansehen der Koalition schadet 69 und damit deren künftige Tätigkeit erschwert oder behindert. Ein Verhalten des Bewerbers kann für den Beitritt allerdings nur relevant werden, wenn es einen Bezug zum Vereinszweck aufweist 70 ; im übrigen ist der Schutz der Privatsphäre des Bewerbers vorrangig. Eine mögliche Schädigung des Ansehens kann etwa bei Bewerbern, die schwere Straftaten begangen haben 71 oder Mitglied einer verfassungswidrigen Partei sind, bejaht werden.

BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 156ff., hält die ehemalige Mitgliedschaft hingegen für einen Ablehnungsgrund, solange der Bewerber nicht glaubhaft gemacht hat, daß er sich von den Zielen der Gruppe abgewandt hat. Weil der Meinungswandel als ein für den Beitritt beachtlicher Umstand schwer zu beweisen ist, befürwortet der BGH eine »Karenzzeit«. 66

Otto, Personale Freiheit, S. 161; a. A. Thalmann, S. 106. 67

68

So § 5 III lit. c GL. Dazu § 7 II 1 d bb.

69

Dies ist Ablehnungs- oder Ausschlußgrund nach § 9 I lit. c IGBE; § 11 I lit. b IG Medien; § 9 II lit. a GTB; § 12 III 1 DAG; § 7 III lit. b KOMBA. 70

Soergei/Hadding, § 25, Rn. 49 für Vereinsstrafen; Otto, Personale Freiheit, S. 187; Grunewald, Ausschluß, S. 69 für den Vereinsausschluß. 71

So § 101 lit. b GdED für den Ausschluß; § 3 V 5 IGM; § 8 II DAG.

Straftaten gegen den Staat, derentwegen nach §§ 101, 108c, 109i StGB das Wahlrecht entzogen wird, genügen regelmäßig nicht. Der Vergleich Föhrs, S. 166, mit § 10 Abs. 1 S. 4 PartG, wonach Bewerber, die das Wahlrecht verloren haben, nicht aufgenommen werden dürfen, überzeugt nicht. Parteien haben keine Aufnahmepflicht und streben vorrangig die Teilnahme an Wahlen an (§ 2 Abs. 1 PartG), während der gewerkschaftliche Aufnahmeanspruch im Interesse des Bewerbers besteht und sein Wahlrecht nicht berührt. Allerdings können Bewerbern, die weiterhin staatsfeindliche Ziele verfolgen und die Existenz der Koalition in Frage stellen, selbstverständlich aus diesen Gründen abgelehnt werden. 6 Schmiegel

62

§ 4 Beitritt

Weil allerdings ein einfaches Mitglied das Ansehen einer großen Koalition kaum beeinträchtigt 72 und erst das Verhalten eines Amtsträger dem Verein zugerechnet wird, darf nicht jeder mißliebige Bewerber mit dieser Begründung abgelehnt werden. Überhöhte Anforderungen, mit denen die bisherigen Mitglieder ihre Konkurrenten fernhalten wollen, sind unzulässig. Das Ansehen eines Arbeitgeberverbands in der Öffentlichkeit wird davon beeinflußt, daß die Mitglieder ihr Unternehmen reell führen. Für den Beitritt kann deshalb relevant sein, ob der Bewerber seine öffentlich- und privatrechtlichen Pflichten erfüllt 7 3 , wobei aber nur offensichtlich »schwarze Schafe« abgelehnt werden dürfen. Systematisch gesetzwidriges Geschäftsgebaren der Mitglieder kann das Ansehen des Vereins in der Öffentlichkeit grob schädigen. Bewerber, die ihren Betrieb nicht bei der zuständigen Behörde angemeldet oder hohe Beitragsrückstände gegenüber dem Finanzamt, den Sozialversicherungsträgern oder der Berufsgenossenschaft haben, können abgelehnt werden. Da deren Beitreibung allerdings Sache der jeweiligen Behörden ist, darf der Verband nicht ohne jeden Verdacht eine Unbedenklichkeitsbescheinigung verlangen 74 .

2. Schriftliche Festlegung der Ablehnungsgründe

An die Erörterung der inhaltlichen Voraussetzungen einer Ablehnung schließt sich die Frage nach den formellen Erfordernissen an: Können die Ablehnungsgründe vom Verband ohne weiteres geltend gemacht werden oder müssen sie - immer oder nur in bestimmten Fällen - in der Satzung oder einer Vereinsordnung schriftlich niedergelegt sein? Vorweg ist festzuhalten, daß die Frage nicht den Streit im allgemeinen Vereinsrecht betrifft, welche Klauseln in der Satzung und welche in Nebenordnungen verankert werden dürfen oder müssen 75 . Es geht vielmehr darum, ob es den Vereinen im Bereich der Inhaltskontrolle - über das allgemeine 72

Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 111 f.

73

Nach § 3 IV lit. b der Satzung der Fachgemeinschaft Bau Berlin e. V. vom 4.6.1982 kann die Aufnahme abgelehnt werden, wenn der Antragsteller aus fachlichen, moralischen oder finanziellen Gründen für die Führung eines Betriebs der Bauwirtschaft nicht geeignet erscheint. 74

Anders aber § 3 II lit. c der Satzung des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin e. V. vom 13.12.1979. 75 Dazu BGH vom 6.3.1967, BGHZ 47, 172, 175; Palandt/Heinrichs, § 25, Rn. 2 einerseits; Reuter, ZHR 148 (1984), S. 523, 526 ff. andererseits. Nach MünchArbR/Ltfwsc/*, § 243, Rn. 17, 21 müssen Koalitionen insbesondere die Entscheidung zwischen Berufs- und Industrieverbandsprinzip, der Organisationsbereich, die Voraussetzungen der Mitgliedschaft sowie eine etwaige politische oder konfessionelle Ausrichtung in der Satzung festlegen.

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

63

Vereinsrecht hinaus - zum Schutz der Mitglieder- und Bewerberinteressen obliegt, die Ablehnungsgründe schriftlich zu fixieren. Die damit gewünschte Publizität kann sowohl durch die Vereinssatzung als auch durch Nebenordnungen erfüllt werden, zumal die Satzung in mitgliederstarken Vereinen oft sehr schwerfällig ist. Gegen ein Schriftformgebot spricht, daß es den Bewerbern inhaltlich keinen zusätzlichen Schutz verschafft: Im Bereich der Inhaltskontrolle kann nicht einmal eine Satzungsgrundlage die Vereinsbefugnisse derart erweitern, daß ein Bewerber aus unangemessenen Gründen abgelehnt werden kann. Weil die Bewerber wegen ihrer Angewiesenheit auf den Verein gar kfine Wahlfreiheit haben, erleichtert die Schriftform ihnen auch nicht die Beitrittsentscheidung. Da sogar die Kündigung aus wichtigem Grund allgemein ohne satzungsmäßige Regelung zulässig ist 7 6 , könnte die Ablehnung aus wichtigem Grund erst recht keiner Grundlage bedürfen. Die schriftliche Festlegung abstrakter Ablehnungsgründe erlaubt es jedoch zum einen den Bewerbern (und dem Gericht), grundsätzlich angemessene Ablehnungsgründe daraufhin zu überprüfen, ob sie realen Anliegen des konkreten Vereins entsprechen oder nur vorgeschoben werden. Ein Schriftformgebot dient den Bewerberinteressen insofern, als es die Kontrolle von Vereinsentscheidungen erleichtert oder erst ermöglicht. Zum anderen kann die Festlegung der Ablehnungsgründe dazu beitragen, die Machtverlagerung zugunsten der Leitungsorgane und die geringen Kontrollmöglichkeiten der Mitglieder, die ihrerseits eine unangemessene Benachteiligung der Mitglieder darstellen können 77 , zu kompensieren: Das elementare Selbstverständnis des Vereins, über das zu befinden Sache der Mitglieder ist und das der gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen ist 7 8 , spiegelt sich in den Ablehnungsgründen. Dennoch werden die Ablehnungsentscheidungen regelmäßig von zentralen Organen wie dem Vorstand getroffen 79 und können von den Mitgliedern nicht unmittelbar beeinflußt

76

Allgemein ErmanIHanau, § 626, Rn. 1; für Vereine BGH vom 10.7.1989, NJW 1990, 40, 41. Zum Verhältnis von Ablehnung und Ausschluß s. u. § 8 I 1 b. 77

Dazu ausführlich § 7 I 1.

78

S. o. § 3 I 1 a.

79

Bei den Gewerkschaften entscheidet zunächst regelmäßig der Ortsvorstand. In letzter Instanz ist zumeist der Vorstand auf Bundesebene zuständig, so § 5 V 2 IGBSE; § 6 II 2 IGBE; § 5 III 3 IGCPK; § 7 IV 3 GdED; § 3 III (0) 1 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; § 6 IV 2 HBV; § 5 V GHK; § 3 IV 3 GL; § 5 VI IG Medien; § 3 V 6 IGM; § 4 IV 3 NGG; § 4

64

§ 4 Beitritt

werden. Ein Schriftformgebot macht die Ablehnungsgründe für alle Mitglieder publik. Es kann die Vereine veranlassen, ihre Ziele und die Aufhahmepraxis zu reflektieren sowie die Ermessensausübung zu verstetigen 80 . Das Schriftformgebot kann die Mitglieder zur Mitarbeit anregen und helfen, ihre Kontrollmöglichkeiten zu verbessern. Insgesamt kann die schriftliche Festlegung der Ablehnungsgründe die Stellung der Mitglieder und Bewerber in manchen Bereichen verbessern, ohne die Vereine wesentlich zu belasten. Als Leitbild für aufhahmepflichtige Vereine ist daher zu fordern, daß diejenigen Ablehnungsgründe schriftlich niedergelegt werden müssen, die das Selbstverständnis des Vereins betreffen. Dies gilt auch fur nichtrechtsfähige Vereine, die nach allgemeinem Vereinsrecht keine schriftliche Satzung haben müssen. Aus dem Zweck der Schriftform, der Kontrolle und der Mitgliederbeteiligung zu dienen, folgt aber auch, daß solche Ablehnungsgründe nicht der Schriftform bedürfen, die für alle Vereine gelten und nicht das Selbstverständnis des Vereins betreffen. Folglich können Mitglieder, die einer Konkurrenzorganisation angehören oder von vornherein die Vereinsbeschlüsse nicht befolgen wollen, ohne weiteres abgelehnt werden. Weiterhin kann eine schriftliche Fixierung des Selbstverständnisses des Vereins oder einer ausführlichen Aufgabenbeschreibung dem Zweck der Schriftform ebensogut gerecht werden und damit eine Abweichung vom Leitbild rechtfertigen. Klauseln, in denen die Ablehnungsgründe einzeln aufgezählt werden, sind entbehrlich, wenn aus der übrigen Satzung auf die Ablehnungsgründe geschlossen werden kann. Insbesondere genügt die Auflistung von Widerrufs- oder Ausschlußgründen, da die Ablehnungsgründe diesen regelmäßig entsprechen 81. Etwa ist die Ablehnung mangels Zuständigkeit oder wegen Kritik am Koalitionszweck ohne besondere Grundlage zulässig, sofern sich der Organisationsbereich oder die Voraussetzungen der Koalitionstätigkeit anderweitig aus der Satzung ableiten lassen. Soweit eine Satzungsgrundlage erforderlich ist, genügt es allerdings nicht, daß eine Klausel überhaupt die Ablehnung von Bewerbern gestattet, ohne die Ablehnungsvoraussetzungen zu beschreiben 82. Eine solche Klausel regelt lediglich, daß es keinen allgemeinen Aufnahmeanspruch gibt, sondern der

V ÖTV; § 4 II 3 GdP; § 5 III 3 DPG; § 5 III 2 GTB; § 6 III KOMBA. Anders § 5 II GGLF (Landesbezirksvorstand) und § 9 II 3 DAG (Gewerkschaftsrat). 80

Bartodziej, ZGR 1991, S. 517, 538 f.

81

Zum Verhältnis von Ablehnung und Ausschluß s. u. § 81 1 b. So aber § 5 III 2 IGCPK; § 5 I 2 GGLF; § 5 III 2 DPG; § 5 III 1 GTB.

82

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

65

Verein sich eine gewisse Auswahl der Bewerber vorbehält. Auch die Ablehnung aus wichtigem Grund 8 3 oder wegen entgegenstehender Vereinsinteressen 84 enthält keine inhaltliche Konkretisierung, sondern gibt nur ohnehin Erforderliches wieder. Das Schriftformgebot wird nur erfüllt, wenn sich aus der übrigen Satzung oder aus Vereinsordnungen ergibt, wie derartige Klauseln inhaltlich zu füllen sind. Umgekehrt sind einzeln aufgezählte Ablehnungsgründe nicht abschließend zu verstehen. Die nicht formbedürftigen Gründe können stets zusätzlich vorgebracht werden. Insbesondere bleibt eine Generalklausel zwar für unvorhergesehene Fälle unerläßlich, muß aber, soweit prinzipiell eine Grundlage erforderlich ist, durch Regelbeispiele konkretisiert werden.

3. Interne Kontrolle von Ablehnungsentscheidungen

Die gerichtliche Kontrolle steht als Instrument des Bewerberschutzes in Ungleichgewichtslagen nicht zur Disposition der Parteien. Vertraglich vorgesehene interne Kontrollmöglichkeiten können diese Kontrolle selbst dann nicht ausschließen, wenn sie abschließend gemeint sind 8 5 . Allerdings kann der staatsgerichtlichen Kontrolle ein vereinsinternes Rechtsbehelfsverfahren vorgeschaltet werden 86 . Die zivilgerichtliche Klage ist dann vor Abschluß dieses Verfahrens regelmäßig mangels Rechtsschutz-

83

§ 4 II 2 GdP; § 9 II 1 DAG; § 3 IV 2 BDA-Vorschlag.

84

§ 5 III GHK; § 3 IV 2 GL; § 5 VIII 1 IG Medien.

Föhr, S. 169, hält ein entgegenstehendes gewerkschaftliches Interesse allein nicht für ausreichend, sondern verlangt die Gefahr der Schädigung eines solchen Interesses. Dieser Gedanke wird bei der Inhaltskontrolle dadurch berücksichtigt, daß in der Abwägung die Vereins- und Bewerberinteressen bewertet und ausgeglichen werden. 85 BGH vom 25.2.1982, BGHZ 83, 122, 134 für Aktiengesellschaften. Anders aber § 16 S. 1 der Satzung des Bauindustrieverbands Pfalz e. V. vom 17.4.1956. 86

So für die Ablehnung von Bewerbern § 5 V IGBSE; § 6 II IGBE; § 5 III 3 IGCPK; § 7 IV 3 GdED; § 3 III (0) 1 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; § 5 II GGLF; § 6 IV 2 HBV; § 5 IV, V GHK; § 3 IV 3 GL; § 5 VI 2 IG Medien; § 3 V 6 IGM; § 4 IV 3 NGG; § 4 V ÖTV; § 4 II 3 GdP; § 5 III 3 DPG; § 5 III 2 GTB; § 9 II 3 DAG; § 6 III 1 KOMBA; § 3 V BDAVorschlag; § 2IV 2 der Satzung des Arbeitgeberverbandes Lüdenscheid und Umgebung e. V. vom 6.5.1983; § 4 II 3 der Satzung des Arbeitgeberverbands der Chemischen Industrie Bezirk Köln e. V. vom 21.5.1985. Gleiches gilt für den Ausschluß nach § 11 IV IGBSE; § 9 X 47 IGBE; § 7 VIII 1 IGCPK; § 10 IV, V GdED; § 9 IV 2 GEW; § 13 V GGLF; § 12 III, IV HBV; § 10 IV 1 GHK; § 5 IV lit. f GL; § 11 II 1 IG Medien; § 11 XIV 1, 4 IGM; § 10 XII 1 NGG; § 6 V, VI 1 ÖTV; § 5 VI 1 GdP; § 12 VIII DPG; § 9 III GTB; § 12 III 4 DAG; § 7 IV 1 KOMBA.

66

§ 4 Beitritt

bedürfnis unzulässig 87 . Dadurch wird der Bewerber gehindert, sofort staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Kommt es in dem internen Verfahren nicht zur Einigung, verzögert sich die Rechtsdurchsetzung. Dies ist jedoch selbst bei der Inhaltskontrolle zulässig, da der vereinsinterne »Instanzenzug« dem Bewerber auch Vorteile bietet: Es besteht die Möglichkeit, daß die negative Entscheidung außergerichtlich und aus bloßen Zweckmäßigkeitsgründen zu seinen Gunsten geändert wird. Zudem muß das Verfahren nicht lange dauern und ist ein Interesse des Vereins an interner Kontrolle anzuerkennen. Eine Ausschlußfrist ist bei Ablehnungsentscheidungen88 unbedenklich, da jederzeit ein neuer Beitrittsantrag gestellt werden kann 8 9 : Der Bewerber kann Klage erheben, nachdem er das gesamte Verfahren erneut durchgeführt hat. Umgekehrt ist ein mehrstufiges Verfahren aus Gründen des Bewerberschutzes auch bei Vereinen mit Aufhahmezwang nicht geboten, da die Aufhahmeentscheidung inhaltlich gebunden ist und die Mitgliederinteressen durch die staatlichen Gerichte hinreichend geschützt werden können 90 . Zwar kann der Verein eine für den Bewerber oder das Mitglied günstigere Entscheidung fällen als das Gericht, jedoch ist er dazu selbst aufgrund der Inhaltskontrolle nicht verpflichtet. Alles, worauf der Bewerber einen Anspruch hat, kann ihm auch ein staatliches Gericht gewähren 91 . Daher darf die Koalition intern sogar hohe Anforderungen an die Aufnahme stellen und etwa die Zustimmung aller (Vorstands-) Mitglieder 92 oder die Beteiligung mehrerer Organe 93 vorsehen.

87

BGH vom 6.3.1967, BGHZ 47, 172, 174; Schlosser, S. 126 ff.; Soergel /Hadding,

Rn. 54; Reichert/Dannecker,

Rn. 1704. Zu Ausnahmen Reichert/Dannecker,

Gegenansicht des KG vom 1.10.1986, WuW/E 1987, 1021, 1022 = OLG 4003, 4004 verkennt, daß zwar der materielle Aufhahmeanspruch unabhängig vom vereinsinternen Verfahren ist, nicht aber das prozessuale Rechtsschutzbedürfnis. Zur Ausschlußfrist bei der Kontrolle von Vereinsstrafen oder Ausschlüssen s. u. § 5 IV 2 b. 89

§ 25,

Rn. 1705. Die

OLG Frankfurt vom 23.11.1983, ZIP 1984, 61, 62.

90

S. o. § 3 III. Α. A. Föhr, S. 170, wonach der Bewerber sogar vor einem unabhängigen Gremium Einspruch einlegen können müsse. 91

Nach BGH vom 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 157 f. wird im Prozeß nicht die Entscheidung der Gewerkschaft kontrolliert, sondern der materiellrechtliche Aufhahmeanspruch geprüft. Andernfalls könnte das Gericht den Verein nicht zur Aufnahme, sondern nur zur erneuten Bescheidung des Aufnahmegesuchs verurteilen, so die Vorinstanz OLG Karlsruhe vom 1.12.1983 - Az. 4 U 212/81, S. 14. 92

Nach § 4 II der Satzung des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes vom 9.6.1983 erfordert der Aufnahmebeschluß die Einstimmigkeit aller Vorstandsmitglieder. Nach § 7 S. 1 der Satzung des Allgemeinen Arbeitgeberverbands von Bremen (ohne Datum) setzt die

II. Aufnahmeverpflichtung der Koalitionen

67

4. Wiederaufnahme nach Austritt oder Ausschluß

Für die Wiederaufnahme von Mitgliedern, die aus dem Verein ausgetreten sind, gelten die allgemeinen Regeln. Es ist zulässig, aber nicht geboten, wenn ihnen unter bestimmten Umständen die frühere Mitgliedszeit angerechnet wird94. Bei ausgeschlossenen Mitgliedern stellt sich hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen aus dem Aufnahmeanspruch ein Wiederaufhahmeanspruch folgt 9 5 . Zweifellos brauchen ausgeschlossene Mitglieder nicht aufgenommen zu werden, wenn einer der allgemeinen Ablehnungsgründe weiterhin vorliegt. Der Ausschluß - auch aus einer anderen Koalition - kann zudem Anlaß sein für eine verschärfte Überprüfung des Aufnahmegesuchs, insbesondere durch ein höherrangiges Vereinsorgan 96 . Eine zeitlich unbegrenzte pauschale Ablehnung allein wegen des früheren Ausschlusses ist jedoch unzulässig 97 , da eine erneute Mitgliedschaft die Vereinstätigkeit nicht notwendig beeinträchtigt. Problematisch ist deshalb eine Sperrfrist, während deren ausgeschlossene Mitglieder ohne weitere Begründung abgelehnt werden können 98 . Die Sperrfrist ist nicht als zusätzliche Strafe zulässig, da es für eine Disziplinierung über den Ausschluß hinaus kein vorrangiges Vereinsinteresse gibt.

Aufnahme einen mit Dreiviertelmehrheit gefaßten Beschluß des Hauptausschusses voraus. Nach § 7 S. 1 der Satzung des Arbeitgeberverbandes der Metallindustrie im Unterwesergebiet e. V. vom 6.12.1978 erfolgt die Aufnahme durch die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder oder durch einen mit Dreiviertelmehrheit gefaßten Beschluß der Mitgliederversammlung. 93

Nach § 4 II 2 der Satzung des Arbeitgeberverbands der Hessischen Metallindustrie e. V. vom 24.4.1986 erfolgt die Aufnahme durch den Vorstand nach Anhörung der Bezirksgruppe. 94 So § 12 III IGBSE; § 6 V IGBE; § 5 VII 1 IGCPK; § 11 IV GdED; § 11 III GGLF;§ 6 VII HBV; § 6 IV 1 GHK; § 12 III 3 IG Medien; §§ 6 I, 10 XIII 4 NGG; § 6 II DPG; § 12 IV 1, V DAG. 95

Zum Wiederaufnahmeanspruch beim Verdachtsausschluß s. u. § 8 I 1 b.

%

Nach § 12 I 2 IGBSE; § 7 IGBE; § 8 I 2 IGCPK; § 11 II GdED; § 3 II (1) 3 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; §§ 6 V 2, 13 II HBV; § 6 II 1 GL; § 12 II IG Medien; § 3 VI 1 IGM; § 10 XIII 3 NGG; § 7 I ÖTV; § 5 V 1 DPG; § 10 S. 1 GTB ist für die Wiederaufnahme ein höherrangiges Vereinsorgan zuständig als für die einfache Aufnahme. Nach § 10 VII 1 GHK kann ein ausgeschlossenes Mitglied nur mit Zustimmung des Hauptvorstandes wieder aufgenommen werden. Nach § 3 VI 1 IGM gilt dies auch für Mitglieder, die in Verbindung mit einen Untersuchungsverfahren ausgetreten sind. 97

So aber § 3 II (1) 2 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW.

98

§ 7 IGBE und § 5 V 1 DPG sehen eine Sperrfrist von 2 Jahren vor.

68

§ 4 Beitritt

Sie läßt sich jedoch damit begründen, daß die Umstände, die zum Ausschluß geführt haben, in der Regel einige Zeit lang fortbestehen und der Verein jiicht gezwungen sein soll, sich permanent mit ihnen zu befassen. Die Sperrfrist stellt eine unwiderlegliche Vermutung dafür dar, daß die Ausschluß· und Ablehnungsgründe weiterhin vorliegen. Dies ist angemessen, solange die Vermutung den gewöhnlichen Umständen entspricht. Das Mitglied hat Anspruch auf eine erneute Prüfung seines Aufnahmebegehrens, wenn eine Änderung der Umstände im Regelfall möglich erscheint. Dies ist spätestens nach zwei Jahren anzunehmen". Eine Sperrfrist kann auch für solche Mitglieder vorgesehen werden, die dem Ausschluß durch ihren Austritt zuvorgekommen s i n d 1 0 0 und damit die Prüfung der Ausschlußvoraussetzungen verhindert haben. Nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist müssen aber auch diese Mitglieder einen neuen Aufnahmeantrag stellen können.

I I I . Bedingungen des Vertragsschlusses Für den Beitritt als Vertragsschluß zwischen Verein und Bewerber gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre 101.

1. Obliegenheit des Bewerbers zur Auskunftserteilung

Die Ablehnungsgründe betreffen zumeist Sachverhalte, die aus der Sphäre des Bewerbers kommen und von denen der Verein keine Kenntnis hat. Daher kann es dem Bewerber bei berechtigtem Vereinsinteresse obliegen, dem Verein Auskunft zu geben. Ein berechtigtes Vereinsinteresse ist für solche Tatsachen anzuerkennen, von deren Vorliegen der Verein die Aufhahmeentscheidung abhängig machen darf. So darf der Verein nach der Mitgliedschaft in einer konkurrierenden oder verfassungsfeindlichen Organisation ebenso fragen wie nach Tatsachen, die seine Zuständigkeit für den Bewerber begründen. Der Bewerber muß diese Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Wenn er arglistig täuscht, braucht der Verein ihn nicht aufzunehmen und kann den Beitritt nach § 123 Abs. 1 BGB anfechten 102 . Auch die Frage nach dem Ausschluß aus einer

99

LöwischJRieble, TVG, § 3, Rn. 31. 100

So § 5 V 2 DPG. 101

BGH vom 29.6.1987, BGHZ 110, 193, 196.

III. Bedingungen des Vertragsschlusses

69

anderen Gewerkschaft ist zulässig, da sie zu einem verschärften Aufnahmeverfahren führen kann. Die Auskunftsobliegenheit ist wegen des Kontrahierungszwangs auf diejenigen Sachverhalte beschränkt, die für die Ablehnung eine Rolle spielen können. Im übrigen hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), das auch auf privatrechtliche Ungleichgewichtslagen einwirkt, Vorrang. Fragen, die die Ablehnungsentscheidung nicht beeinflussen dürfen, sind unzulässig und brauchen nicht beantwortet zu werden 1 0 3 .

2. Annahmeerklärung des Vereins

a) Erforderlichkeit

der Annahmeerklärung

Das Mitgliedschaftsverhältnis beginnt trotz des Aufhahmezwangs nicht mit Entstehen des Aufnahmeanspruchs oder der einseitigen Beitrittserklärung des Bewerbers, sondern erst mit Abschluß des Beitrittsvertrags 104 . Entstünde das Schuldverhältnis bei Vorliegen der Beitrittsvoraussetzungen allein durch die einseitige Willenserklärung der Bewerbers 105 , müßten Bewerber und Verein nämlich einander möglicherweise schon Leistungen erbringen, wenn noch Ungewißheit über die Rechtmäßigkeit einer Ablehnung besteht. Wegen der Abwicklungsschwierigkeiten, die bei Dauerschuldverhältnissen durch eine nachträgliche Leistungserbringung entstehen, ist ein Prozeß über den Aufhahmeanspruch nicht auf die rückwirkende Klarstellung der Rechtslage, sondern auf die in der Zukunft wirkende Abgabe der Annahmeerklärung gerichtet. Allerdings kann im Vertrag festgelegt werden, daß das Mitgliedschaftsverhältnis nicht mit dem Vertragsschluß, sondern zur Verwaltungsvereinfachung etwa mit dem letzten oder nächsten Monatsersten beginnt 1 0 6 .

102

Dazu s. u. III 5 c.

103

Vgl. die parallele Lage im Arbeitsrecht, wo Fragen nach normativ unbeachtlichen Tatsachen unzulässig sind, dazu Schaub, S. 119. 104

105

So für den Kontrahierungszwang allgemein Bydlinski, Dies befürwortet Soergel /Wolf,

AcP 180 (1980), S. 1, 23.

vor § 145, Rn. 103.

106

Nach §§ 4 III NGG, 10 11 DAG beginnt die Mitgliedschaft (frühestens) mit dem Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt wird; nach § 5 IV 1 DPG mit dem darauf folgenden Monat. § 3 IV der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW stellt auf den Ersten des auf die Annahme folgenden Monats ab. Nach § 6 I 3 IGBE fängt die Mitgliedschaft mit dem Monats-

70

§ 4 Beitritt

Der Bewerber kann nach § 151 S. 1 BGB auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichten. Will der Verein seine Annahmeerklärung von sich aus nicht zugehen lassen, kann der Bewerber seinen Verzicht konkludent erklären. Da der Bewerber mit dem Beitritt sein Einverständnis mit der Satzung erklärt, ist ein konkludenter Verzicht insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die Entbehrlichkeit des Zugangs aus der Satzung ergibt. Da die Annahme bei Vereinen mit Aufhahmezwang in den meisten Fällen zu erwarten ist, ist es nicht unangemessen, wenn der Verein den Bewerber auf diese Weise zum Verzicht veranlaßt 107 . Lehnt der Verein die Aufnahme in einem solchen Fall ab, ist er aber verpflichtet, dem Bewerber seine Entscheidung innerhalb der Annahmefrist mitzuteilen und ihm Klarheit über die Rechtslage zu verschaffen 108 .

b) Annahmefrist Der Antrag des Bewerbers muß vom Verein grundsätzlich sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 BGB) oder - unter Abwesenden - solange der Bewerber unter regelmäßigen Umständen die Antwort erwarten kann (§ 147 Abs. 2 BGB). Der Bewerber kann aber auch eine andere Annahmefrist bestimmen (§ 148 BGB) oder sich mit einer vom Verein vorgeschlagenen Frist einverstanden erklären. Weil der auf einen Verein angewiesene Bewerber ebenso wie der Vertragspartner eines Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Einfluß auf die Fristbestimmung hat, ist der Gedanke des § 10 Nr. 1 AGBG, wonach sich der Verwender von AGB keine unangemessen lange Frist vorbehalten darf 1 0 9 , auf Vereine, deren Satzungen der Inhaltskontrolle unterliegen, zu übertragen. Eine Annahmefrist, die der Verein setzt, darf also nicht unangemessen lang sein. Der Bearbeitungs- und Überlegungszeitraum für eine Entscheidung des Vereins ist prinzipiell genauso zu beurteilen wie bei anderen Schuldverhältnissen. Bei diesen werden, wenn sie keine besonderen Probleme bieten, etwa

ersten, den das Mitglied bestimmt hat, an; nach § 7 IV 5 GdED und § 3 IV 3 IGM mit dem Ersten des Monats, für den der erste Beitrag geleistet wird. 107

So § 5 III 1 GTB. 108 Die Pflicht folgt aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Bewerber und Verein, s. dazu c. 109

Dies gilt auch für die Annahmefrist, die nicht selbst Vertragsbedingung im Sinne des § 1 AGBG ist, Wo#7Horn/Lindacher, § 10 Nr. 1, Rn. 6.

III. Bedingungen des Vertragsschlusses

71

1 0 - 1 4 Tage als angemessen angesehen 110 . Annahmefristen von vier oder sechs Wochen, wie sie in § 6 IV 1 HBV und § 5 I I I GTB vorgesehen sind, sind jedenfalls unangemessen lang und deshalb unwirksam. Statt dessen gilt § 147 BGB, maximal aber eine angemessene Frist. Wird eine ablehnende Entscheidung gegenüber dem Bewerber nicht sofort bekannt gegeben, sondern zunächst intern überprüft ni, benötigt der Verein länger als bei der Entscheidung durch ein einziges Organ. Da die interne Kontrolle aber an sich sachgerecht ist und die Aufnahmechancen des Bewerbers steigert, kann sie eine Verlängerung der Annahmefrist rechtfertigen. Allerdings muß dem Bewerber der Sachstand mitgeteilt werden, damit er die Frist stillschweigend verlängern kann 1 1 2 . Mit der Ablehnung des Beitrittsgesuchs erlischt der Antrag des Bewerbers (§ 146, 1. Alt. BGB). Jedoch ist es bei gegliedert aufgebauten Vereinen üblich, daß gegen eine Ablehnung Einspruch eingelegt und so die Entscheidung eines höheren Vereinsorgans herbeigeführt werden kann 1 1 3 . In dem Einspruch ist dann ein zweiter Antrag zu sehen, für den eine neue Annahmefrist zu laufen beginnt 1 1 4 .

c) Verzugsfolgen

bei Verzögerung der Annahmeerklärung

Zwischen einem Bewerber und einem Verein, der grundsätzlich zur Aufnahme verpflichtet ist, entsteht mit dem Antrag des Bewerbers ein gesetzliches Schuldverhältnis. Wenn die Aufhahmevoraussetzungen erfüllt sind, enthält dieses primär den Beitrittsanspruch des Bewerbers gegen den Verein. Kommt der Verein seiner Kontrahierungspflicht schuldhaft nicht nach, kann er in Verzug geraten und einen etwaigen Verzögerungsschaden nach § 286 Abs. 1 BGB ersetzen müssen.

110

^o{/7Horn/Lindacher, § 10 Nr. 1, Rn. 15. 111 Dazu s. ο. II 3. 112

Vgl. MünchKomm/Ära/wer, § 148, Rn. 6.

113

Die Einspruchsmöglichkeit gegen die erste Ablehnungsentscheidung ist vorgesehen in § 5 V 2 IGBSE; § 5 III 3 IGCPK; § 7 IV 3 GdED; § 3 III (0) 1 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; § 5 II GGLF; § 6 IV 2 HBV; § 3 IV 3 GL; § 3 V 6 IGM; § 4 IV 3 NGG; § 4 V ÖTV; § 4 II 3 GdP; § 5 III 3 DPG; § 5 III 2 GTB; § 9 II 3 DAG; § 6 III 1 KOMBA. Nach §§ 6 II IGBE, 5 IV, V GHK kann sowohl gegen die erste als auch gegen die zweite Ablehnungsentscheidung Einspruch eingelegt werden. 114

Reichert/Dannecker,

Rn. 636.

72

§ 4 Beitritt

Der Schaden kann bei Bewerbern zu Gewerkschaften insbesondere in untertariflicher Lohnzahlung sowie dem Vorenthalten von Streikgeld oder Rechtsschutz liegen. Allerdings darf sich der Verein bei der Berechnung der Mitgliedschaftszeiten als Leistungsvoraussetzung 115 ohnehin nicht zu Lasten des Mitglieds auf die Verzögerung berufen. In die Schadensberechnung sind nach der Differenzhypothese nicht nur die Leistungen einzubeziehen, auf die das Mitglied einen Rechtsanspruch hat, sondern alle, die hypothetisch faktisch erbracht worden wären. Die Beiträge, die das Mitglied wegen der Verzögerung nicht erbringen mußte, sind als ersparte Aufwendungen schadensmindernd anzurechnen.

3. Beitrittsvoraussetzungen auf seiten des Bewerbers

Trotz des Aufnahmezwangs kann der Verein den Beitritt bei einer entsprechenden Satzungsgrundlage von Bedingungen abhängig machen 1 1 6 , die der Bewerber allerdings ohne unverhältnismäßige Opfer erfüllen können m u ß 1 1 7 . Insbesondere kann er vor dem Beitritt verlangen, daß der Bewerber die Satzung und die rechtmäßigen Vereinsbeschlüsse anerkennt 118 .

a) Schriftform

der Beitrittserklärung

Grundsätzlich kann der Verein in einer Satzungsklausel festlegen, daß der Vereinsbeitritt in einer bestimmten Form erklärt werden m u ß 1 1 9 . Weil dem Beitritt keine vertragliche Formvereinbarung vorausgeht, ist ein solches

115

Dazu § 6 II 1 a.

116 PalandtJHeinrichs, 117

§ 25, Rn. 10.

BGH vom 2.12.1974, BGHZ 63, 282, 285; Nicklisch, JZ 1976, S. 105, 111.

1,8

So § 5 III IGBSE; § 5 IV IGCPK; § 7 III 3 GdED; § 6 III 3 HBV; § 4 V GHK; § 3 V 1 GL; § 5 V 2 IG Medien; § 3 IV 2 IGM; § 4 I 3 NGG; § 4 VI ÖTV; § 5 II 2 GTB; § 9 I 2 DAG; § 3 IV 1 BDA-Vorschlag; § 4 II 1 der Satzung des Arbeitgeberverbands der Hessischen Metallindustrie e. V. vom 24.4.1986. Andere Koalitionen sehen eine entsprechende Mitgliederpflicht vor, § 11 III IGBE; § 7 I GGLF; § 7 II 1 IG Medien; § 9 I KOMBA. 119

SoergeVHackling,

§ 38, Rn. 7a.

Einen schriftlichen Antrag verlangen ausdrücklich § 5 II IGBSE; § 6 I 1 IGBE; § 5 III 1 IGCPK; § 7 IV 1 GdED; § 3 I 1 der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; § 5 III GGLF; § 6 III HBV; § 4 IV GHK; § 3 III GL; § 5 V 1 IG Medien; § 3 IV 2 IGM; § 4 II 1 NGG; § 4 IV 1 ÖTV; § 4 II 1 GdP; § 5 III 1 DPG; § 61 1 KOMBA; § 9 I DAG; § 3 IV 1 BDA-Vorschlag; § 3 III der Satzung des Landesverbands des Bayerischen Einzelhandels e. V. vom 18.6.1985.

III. Bedingungen des Vertragsschlusses

73

Formerfordernis als Beschränkung der Vertretungsmacht des zuständigen Vereinsorgans zu verstehen 120 . Die Schriftform des Beitritts ist dadurch sachlich gerechtfertigt, daß sie die Vereinsverwaltung erleichtert. Die Alternative zur konstitutiven Schriftform ist eine Verpflichtung der Mitglieder, unverzüglich nach dem Beitritt ihre Personalien schriftlich, eventuell auf einem Formular, anzugeben. Dies läßt sich jedoch schwieriger durchsetzen. Die Schriftform ist allgemein üblich 1 2 1 , belastet die Mitglieder kaum und ist deshalb auch in Ungleichgewichtslagen nicht unangemessen, solange sie nicht zur Verzögerung des Beitritts fuhrt.

b) Erste Beitragszahlung und Aufnahmegebühr § 4 I I I GdP sieht vor, daß die Aufnahme »durch Bestätigung der Mitgliedschaft und Zahlung des ersten Mitgliedsbeitrages vollzogen« wird. Während die Bestätigung als Annahmeerklärung des Vereins auszulegen ist, darf die Beitragszahlung nicht aufschiebende Bedingung des Vertragsschlusses (§ 158 Abs. 1 BGB), sondern nur Erfüllung einer Mitgliederpflicht nach Vollzug der Aufnahme sein: Der Anspruch auf den ersten Mitgliedsbeitrag ist gerichtlich durchsetzbar und hat im Verhältnis zu den künftigen Zahlungen eine geringe Bedeutung. Ist der Bewerber grundsätzlich zahlungswillig - und nur dann besteht ein Aufnahmeanspruch - wird gerade der erste Beitrag in der Regel ohne weiteres geleistet. Der Verein hat mangels eigener Vorleistungen weder ein besonderes Sicherungsbedürfhis noch hängt der Aufnahmeanspruch von der aktuellen Zahlungsfähigkeit des Bewerbers ab. Eine aufschiebende Bedingung der Aufnahme, die den Bewerber stärker belastet als eine Mitgliederpflicht, ist daher durch Vereinsinteressen nicht zu rechtfertigen. Entsprechendes gilt für eine über den Beitrag hinausgehende zusätzliche Aufnahmegebühr 122: Eine Aufnahmegebühr ist grundsätzlich unter densel-

120

Löwisch/Rieble, TVG, § 3, Rn. 21. 121

Stöber, Rn. 57; Sauter/Schweyer, Rn. 73 empfehlen Vereinen die Schriftform ausdrücklich. 122

Eine Aufnahmegebühr wird erhoben nach § 4 II 5 der Satzung des Arbeitgeberverbands der Chemischen Industrie Bezirk Köln e. V. vom 21.5.1985; § 4 II der Satzung des Arbeitgeberverbands des Handels in Wuppertal und Umgebung e. V. vom 3.5.1982; § 3 I lit. c der Satzung des Arbeitgeberverbands der Cigarettenindustrie vom 26.4.1985; § 5 des Bauindustrieverbands Schleswig-Holstein e. V. vom 9.6.1980; § 4 II der Satzung des Arbeitgeberverbands der Kalk- und Dolomitindustrie Wuppertal e. V. vom 28.5.1976.

74

§ 4 Beitritt

ben Voraussetzungen wie Mitgliedsbeiträge zulässig 123 , um den Bewerber an den Verein zu binden und ein mißbräuchliches Ausnutzen der Mitgliedschaft zu verhindern. Sie darf aber nicht Aufnahmebedingung, sondern nur Mitgliederpflicht sein.

c) Aufriahme aller Betriebe eines Unternehmens Unternehmen, die mehrere Betriebe im Bereich eines Arbeitgeberverbands haben, können die Mitgliedschaft häufig nur für alle Betriebe gleichzeitig erwerben 124 . Diese Beschränkung ist zulässig, da die wirtschaftlichen und ideellen Entscheidungen, die im Arbeitgeberverband interessieren, auf der Unternehmensebene getroffen werden. Könnte ein Unternehmer etwa nur mit den Betrieben beitreten, in denen die Belegschaft in hohem Maße organisiert ist, würde er von der Mitgliedschaft einseitig profitieren: Er würde die ihn interessierende Leistung erhalten, ohne den vollen Beitrag zu zahlen und ohne den übrigen Verbandsmitgliedern zur vollen Solidarität verpflichtet zu sein.

4. Begründung der Ablehnungsentscheidung

Der Verein muß eine ablehnende Entscheidung begründen 125 , um deren Sachlichkeit nachzuweisen und dem Bewerber die effektive eigene und gerichtliche Kontrolle der Entscheidung zu ermöglichen 126 . Eine solche Pflicht, die hier aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis folgt, besteht auch bei anderen Entscheidungen, die in Ungleichgewichtslagen nur aus bestimmten sachlichen Gründen getroffen werden dürfen (vgl. §§ 564a Abs. 1 S. 2, 564b Abs. 3, 626 Abs. 2 S. 3 BGB).

123

Dazu s. u. §8 5 V I , 61. 124

8 3 III BDA-Vorschlag; 8 3 III der Satzung des Arbeitgeberverbands der Ernährungsindustrie Baden-Württemberg e. V. vom 17.3.1977; 8 3 I der Satzung der Vereinigten Arbeitgeberverbände Nahrung und Genuß Hessen, Rheinland-Pfalz e. V. vom 1.1.1972; 8 2 III der Satzung des Arbeitgeberverbandes Lüdenscheid und Umgebung e. V. vom 6.5.1983; 8 4 II der Satzung des Fachverbands Kies und Sand, Mörtel und Transportbeton Nordrhein-Westfalen e. V. vom 4.7. 1986. 125

MünchKomm/Reuter, Vor 8 21, Rn. 108. Dies ist ausdrücklich vorgesehen in 8 3 II (2) der Regelung für die Mitgliedschaft der GEW; 8 4 IV 2 NGG; 8 5 III 2 DPG. Nichtig sind 8 4 II 4 der Satzung des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes vom 9.6.1983; 8 2 I 4 der Satzung des Arbeitgeberverbands der Eisen- und Metallindustrie Mittel-Lenne e. V. vom 10.3.1972, wonach die Ablehnung keiner Begründung bedarf. 126

Föhr, S. 169.

III. Bedingungen des Vertragsschlusses

75

Kommt der Verein der Pflicht nicht nach, ist die Ablehnung dennoch wirksam; die Begründung kann im Prozeß nachgeholt werden 1 2 7 . Mit der Nichtigkeit der Ablehnung wäre dem Bewerber nicht geholfen, da diese nicht die positive Annahmeerklärung ersetzt. Jedoch können Schadensersatzansprüche des Bewerbers gegen den Verein entstehen (§ 280 Abs. 1 B G B ) 1 2 8 , insbesondere auf Ersatz der Kosten eines aussichtslosen Prozesses.

5. Rückwirkende Unwirksamkeit des Beitrittsvertrags

Der Aufnahmevertrag begründet das Mitgliedschaftsverhältnis grundsätzlich endgültig, die Parteien können sich durch Kündigung oder Ausschluß nur ex nunc voneinander lösen.

a) Widerrufsrecht

des Vereins

Einige der untersuchten Satzungen sehen jedoch vor, daß die Aufnahme binnen einer bestimmten Frist »rückgängig gemacht« werden k a n n 1 2 9 oder die Mitgliedschaft zunächst nur auf Probe besteht 130 . Nach § 5 V I I I 3 IG Medien soll dabei kein Anspruch auf Rückerstattung bereits geleisteter Beiträge bestehen. Ein solches einseitiges Widerrufsrecht ist unwirksam, weil es das Mitglied unangemessen benachteiligt: Das Widerrufsrecht hätte zur Folge, daß das Mitglied an den Vertrag gebunden ist, während für den Verein der Grundsatz »pacta sunt servanda« nicht gilt. Zwar ist ein Interesse des Vereins, das Mitglied in einer »Probezeit« näher kennenzulernen, anzuerkennen. Dem Verein bleiben jedoch das Ausschluß- und Kündigungsrecht, um sich von mißliebigen Mitgliedern wieder zu trennen. Diese Institute sind vorrangig, weil sie die Interessen beider Vertragspartner wahren und berücksichtigen, daß für das Mitglied durch die Aufnahme ein Statusrecht begründet wird. Beispielsweise genügt

127

BGH vom 1.10.1984, NJW 1985, 1214, 1216. 128

Vgl. zum Parallelfall der arbeitsrechtlichen Kündigung BAG vom 17.8.1972, AP Nr. 65 zu § 626 BGB unter II; ErmanIHcrnau, § 626, Rn. 23. 129

§ 6 I 4 IGBE (6 Monate); § 5 VIII 1 IG Medien (26 Wochen); § 3 V 4 IGM (3 Monate); § 3 IV 2 GL (ohne Frist). 130

§ 3 IV 2, 4 der Satzung des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin e. V. vom 13.12.1979.

76

§ 4 Beitritt

für den Ausschluß im Gegensatz zur Nichtaufnahme der Verdacht eines Verhaltens nicht, sondern ist dessen positive Feststellung erforderlich 131 . Diese Überlegungen werden dadurch bestätigt, daß sie § 10 Nr. 3 AGBG entsprechen: Der Verwender von AGB darf sich nicht ein einseitiges freies Lösungsrecht verschaffen. Dies gilt bei einer rückwirkenden Vertragsbeendigung auch für Dauerschuldverhältnisse 132. Selbst wenn der Widerruf auf den Fall beschränkt wird, daß die Ausschlußvoraussetzungen erfüllt sind, ist er wegen der Abwicklungsschwierigkeiten bei Dauerschuldverhältnissen abzulehnen 133 . Gerade weil hier ein Ausschluß möglich ist, bedarf es des Widerrufs nicht 1 3 4 . Die Regelung der IG Medien, die die Rückzahlung der Beiträge vermeidet, ist erst recht unangemessen, da der Bewerber einseitig Leistungen erbracht hat, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Nach § 13 I I I HBV soll der Hauptvorstand nachträglich nochmals über die Aufnahme entscheiden können, wenn der Bewerber verschwiegen hat, daß er aus einer anderen Gewerkschaft ausgeschlossen wurde; die Mitgliedschaft soll in der Zwischenzeit ruhen. Hierzu ist anzumerken, daß der frühere Ausschluß allein keine Ablehnung, wohl aber eine verschärfte Überprüfung rechtfertigen k a n n 1 3 5 . Allerdings täuscht der Bewerber den Verein nicht arglistig, wenn er nicht von sich aus auf den Ausschluß hinweist 1 3 6 . Da die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht möglich ist, kann die Mitgliedschaft auch nicht anderweitig unter den einfacheren Ablehnungsvoraussetzungen beendet werden. Der Verein hat nur die Möglichkeit, aus Anlaß des früheren Ausschlusses zu prüfen, ob das Mitglied wegen nunmehr aktueller Vorfälle ausgeschlossen werden kann. § 13 III HBV ist unwirksam.

131

132

133

S. u. § 8 I 1 b. ^o(/7Horn/Lindacher, § 10 Nr. 3, Rn. 11; Ulmer/£raw/m?r/Hensen, § 10 Nr. 3, Rn. 17. Anders Föhr, S. 170, der unter diesen Voraussetzungen den Widerruf für zulässig hält.

134

Vgl. § 9 II 2 DAG, wonach ein Mitglied bei nachträglichem Bekanntwerden eines wichtigen Ablehnungsgrundes ausgeschlossen werden kann. 135

136

s. ο. II 4. S.o. III 1.

III. Bedingungen des Vertragsschlusses

b) Exkurs: Widerrufsrecht

77

des Mitglieds

Die untersuchten Satzungen sehen kein Widerrufsrecht des Mitglieds vor. Ein solches könnte aber gegenüber aufnahmepflichtigen Koalitionen gesetzlich begründet sein. Ein solches Widerrufsrecht hat den Zweck, ein Ungleichgewicht wegen Überrumpelung ausgleichen. Die Ungleichgewichtslage wegen Angewiesenheit auf den Vertragsschluß genügt daher zu seiner Begründung nicht. Beim Beitritt zu einer Koalition könnten aber weitere Pariätsstörungen vorliegen, die durch ein gesetzliches Widerrufsrecht kompensiert werden: Das Widerrufsrecht nach § 1 Nr. 1 Haustür WG für Verträge, die am Arbeitsplatz abgeschlossen werden, gilt für den Gewerkschaftsbeitritt nicht, da der Vereinsbeitritt nicht auf eine entgeltliche Leistung gerichtet i s t 1 3 7 . In Betracht kommt aber die Widerrufsmöglichkeit für Versicherungsverträge nach § 8 Abs. 4 S. 1 VVG. Anknüpfungspunkt kann zum einen der Abschluß einer Gruppenversicher u n g 1 3 8 sein, der häufig mit dem Gewerkschaftsbeitritt verbunden wird. Zwar ist eine Gruppenversicherung zweifellos Versicherung im Sinne des VVG, sie hat aber für den Vereinsbeitritt nur geringe Bedeutung: Die Versicherung spielt weder in der gewerkschaftlichen Arbeit noch für die Beitrittsmotivation eine bedeutende Rolle. Eine solche Versicherung, die nur unwesentlicher Bestandteil eines anderen Geschäfts ist, genügt nicht, um eine Widerrufsmöglichkeit für den Gesamtvertrag zu begründen. Zum anderen könnten die Leistungen, die im Vordergrund der gewerkschaftlichen Arbeit stehen - Arbeitskampfbeihilfe und Rechtsschutz - Versicherungsleistungen im Sinne des VVG sein. Zwar ist es nicht völlig in das Belieben der Gewerkschaften gestellt, diese Leistungen zu erbringen; vielmehr haben die Mitglieder sogar einen Anspruch, der über den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinausgeht 139 . Dennoch ist das VVG auf den Gewerkschaftsbeitritt nicht anwendbar, obwohl noch weitere Indizien für eine Versicherungsleistung sprechen 140 :

137

Das Verhältnis von Beitragszahlungen zu Vereinsleistungen genügt dafür nicht; näher MünchArbR/LöwscÄ, § 244, Rn. 3. ΠΗ

Dazu § 6 I 1 b.

139

S. u. § 6 I 2 b. Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz genügt für die Anwendbarkeit des W G nicht, Prölls/Martin, § 1 W G Anm. 1 B; BVerwG vom 25.11.1986, VersR 1987, 297, 299 für das VAG. 7 Schmiegel

78

§ 4 Beitritt

Wie sich die Verfolgung des ideellen Vereinszwecks letztlich gegenüber Leistungsansprüchen durchsetzen k a n n 1 4 1 , bestimmt sie auch den Charakter des Beitrittsvertrags. Der Bewerber weiß, daß er mit dem Beitritt - zumindest auch - altruistische Ziele verfolgt. Er ist nicht in der typischen Situation des Verbrauchers, dessen Schutz das Widerrufsrecht bezweckt 142 .

c) Anfechtung Sowohl der Verein als auch das Mitglied können den Beitrittsvertrag nach §§ 119 ff. BGB anfechten. Wegen des Kontrahierungszwangs darf der Verein die Anfechtung allerdings nur auf Irrtümer über solche Tatsachen stützen, die er bei der Aufhahmeentscheidung berücksichtigen durfte. Im übrigen wäre der Beitritt auch »bei verständiger Würdigung des Falls« (§119 Abs. 1 BGB) erfolgt beziehungsweise fehlt die Kausalität der Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB). Aus der Aufnahmepflicht folgt ferner, daß die Anfechtungsgründe nach Treu und Glauben im Erklärungszeitpunkt für das Mitgliedschaftsverhältnis noch bedeutsam sein müssen 143 .

140 Dazu gehören Wartezeit (§§17 11,18 12 IGBSE; § 17 II 1 IGBE; §§ 27 II 1, 2, 29 II 1 IGCPK; § 16 I GGLF; §§ 17 II 2, 22 S. 2 HBV; § 14 II GHK; §§ 10 Β II, 12 II 2 GL; § 14 II IG Medien; AIV, D (3) II 1 Unterstützungsordnung der IG Medien; §§ 23 1,27 II 2 IGM; §§ 15 III 3, 16 II 1 NGG; § 3 I Rechtsschutzrichtlinien der ÖTV; §§ 15 I, 19 II 2 GTB; § 2 I 1 Unterstützungsordnung der DAG), Nichtgewährung bei Beitragsrückstand (§ 16 II IGBSE; § 26 S. 2 IGCPK; § 13 V 3 GdED; § 16 IV 1 HBV; § 14 II 1 GHK; § 9 III 2 GL; § 14 II IG Medien; D (3) I Unterstützungsordnung der IG Medien; § 9 III ÖTV), faktische regelmäßige Leistungserbringung über einen langen Zeitraum, lange persönliche Bindung der Mitglieder und fehlende individuelle Prüfung der Bedürftigkeit. Zur Abgrenzung des Unterstützungsvereins von der Versicherung Prölls, § 1 VAG, Rn. 22. 141

142s. u. § 6 I 2 b. Bundestags-Drucksache 11, 8321, S. 12. 143 MünchKomm/^ra/wer, § 119, Rn. 129; für die vergleichbare Situation im Arbeitsrecht BAG vom 12.2.1970, BAGE 22, 278, 281 = AP Nr. 17 zu § 123 BGB unter 1 b.

§ 5 Pflichten der Mitglieder Obwohl alle Mitgliederpflichten auf dem Mitgliedschaftsverhältnis beruhen, ergibt sich ihr Inhalt teils aus der Satzung (spezifische Pflichten) und teils aus dem objektiven Recht (allgemeine Förderpflicht) 1. Während bei letzterer die Besonderheiten aufgrund der Paritätsstörung zwischen Verein und Mitglied von vornherein berücksichtigt werden, werden die spezifischen Pflichten privatautonom festgelegt und müssen deshalb in typischen Ungleichgewichtslagen der Inhaltskontrolle genügen. Die Mitgliederpflichten sind nur soweit zulässig, wie sie die Mitglieder nicht unangemessen belasten.

I. Generelle Zulässigkeit von Mitgliederpflichten Bei der Beurteilung der Angemessenheit der spezifischen Mitgliederpflichten ist die besondere Interessenlage zu beachten, die aus der Angewiesenheit der Mitglieder auf die Vereinszugehörigkeit folgt: Anders als im allgemeinen Vereinsrecht kann bei Mitgliedern, die dem Verein wegen ihrer Angewiesenheit auf die Vereinsleistung beigetreten sind, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sie sich aktiv für die Vereinsziele einsetzen wollen. Ihre Selbstverpflichtung gegenüber dem Verein beruht weniger auf der privatautonomen Entscheidung, den Vereinszweck zu fördern, als auf fehlenden Alternativen zur Mitgliedschaft. Insbesondere können sich die Mitglieder den Pflichten nicht durch Austritt entziehen. Die Zulässigkeit von Mitgliederpflichten muß zudem in Zusammenhang mit dem Aufnahmeanspruch gesehen werden: Ein Pflichtverstoß kann Sanktionen bis zum Vereinsausschluß nach sich ziehen2. Der Verein darf den Aufhahmezwang indes nicht dadurch umgehen, daß er unangemessene Pflichten einfordert und deren Verletzung mit dem Ausschluß sanktioniert. Umgekehrt kann der Verein allerdings auch in Ungleichgewichtslagen nicht auf die Verpflichtung seiner Mitglieder verzichten, um seine Ziele zu 1 2

Schlegelberger/A:. Schmidt, § 105, Rn. 161 für die Treuepflicht bei der oHG. S. u. IV 2 a.

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§ 5 Pflichten der Mitglieder

verfolgen und insbesondere den Mitgliedern die erwünschten Leistungen zu erbringen. Im folgenden wird erörtert, welche Kriterien für die Zulässigkeit von Mitgliederpflichten relevant sind.

1. Nähe zum Vereinszweck

Eine Mitgliederpflicht ist um so eher zulässig, je größer ihr Bezug zu dem Vereinszweck ist, der die Angewiesenheit der Mitglieder begründet. Die Inhaltskontrolle hindert die Vereine nicht, mehrere Vereinszwecke zu verfolgen und sich mehrere Aufgaben zu stellen: Das Recht, den Vereinszweck und konkrete Vereinsaufgaben in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB frei zu bestimmen, ist wesentlicher Inhalt der Vereinsautonomie 3 und kann durch die Inhaltskontrolle nur in Extremfällen beschränkt werden 4. Gerade große Verbände verfolgen regelmäßig vielfaltige Ziele, um eine große Zielgruppe anzusprechen und gesellschaftlich mächtig zu werden 5. Die Beschäftigung eines Vereins mit mehreren Aufgaben, insbesondere mit allgemeinpolitischen Fragen, ist eine Form, den eigentlichen Vereinszweck besonders effektiv zu verfolgen. Zudem werden die Vereinsziele nicht willkürlich, sondern nach dem Willen der aktuellen Mitgliedermehrheit festgelegt. Zwar muß sich das einzelne Mitglied der Mehrheitsmeinung unterwerfen, es kann aber auf diese grundsätzlich Einfluß nehmen. Der Minderheitenschutz darf nicht derart über den Mehrheitswillen dominieren, daß die Vereinstätigkeit blockiert wird. Aus dieser Zielsetzungsfreiheit folgt aber nicht, daß der Verein seine Mitglieder verpflichten kann, aktiv zur Erreichung aller Ziele beizutragen. Solange der Verein ein bestimmtes Ziel überhaupt verfolgen kann, müssen ihm dazu nicht jegliche Mittel zur Verfügung stehen. Vielmehr spielt es für die Zulässigkeit von Mitgliederpflichten eine Rolle, welches Ziel mit einer Pflicht realisiert werden soll. Der Mitgliederschutz wird dabei um so bedeutsamer, je weniger von einem Mitglied erwartet werden kann, daß es sich mit einem Vereinsziel identifi?

Reichert/Dannecker,

Rn. 403; für Art. 9 Abs. 3 GG MünchArbR/Löwisch, § 239, Rn. 16.

4

S. o. § 3 I 1 a; für den Gesellschaftszweck mit anderer Begründung Fastrich, S. 257. 5

Teubner, S. 58, Bartodziej, ZGR 1991, S. 517, 526. Die Stellungnahme großer Organisationen zu allgemeinpolitischen Themen als Sprachrohr ihrer Mitglieder oder einer gesellschaftlichen Gruppe ist zudem staatspolitisch erwünscht, um das Integrationvermögen und die Legitimation des Verbands zu nutzen, Biedenkopf, FS Ballerstedt, S. 13, 25.

I. Generelle Zulässigkeit von Mitgliederpflichten

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ziert. Während alle Mitglieder den Vereinszweck im engeren Sinne unterstützen müssen, kann der Verein zur Erfüllung weiterer Aufgaben, die sich die Mitgliedermehrheit gestellt hat, von den Mitgliedern kein großes Engagement verlangen. Die Differenzierung der Mitgliederpflichten nach der Bedeutung für den Vereinszweck wird durch das Gruppenversicherungsurteil des BGH 6 bestätigt: Danach ist im Kernbereich der Vereinstätigkeit das Prinzip der Mehrheitsentscheidung vorrangig, während im übrigen den Einzelinteressen der Mitglieder verstärkt Rechnung zu tragen ist.

2. Intensität der Mitgliederpflicht

Je stärker eine Pflicht die Mitglieder belastet, desto eher kann sie unangemessen sein. Zweifellos zulässig sind daher Geldzahlungspflichten, die die Vereinsarbeit erst ermöglichen: Sie setzen keine persönliche Identifikation der Mitglieder mit der konkreten Tätigkeit voraus und greifen nur wenig in deren Privatsphäre ein. Allerdings dürfen keine hohe Geldbeiträge zur Realisierung der »weiteren« Vereinsaufgaben verlangt werden, da andernfalls die Angewiesenheit der Mitglieder in bezug auf ein Vereinsziel für die Verfolgung anderer Ziele mißbraucht würde. Auch die Pflicht, die Vereinstätigkeit zu dulden, belastet die Mitglieder nur gering. Die Mitglieder müssen etwa hinnehmen, daß der Verein gegen ihren individuellen Willen auch in ihrem Namen Stellungnahmen abgibt und damit ihre negative Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. GG) berührt. Dieser Eingriff wiegt nicht schwer, weil die Öffentlichkeit gerade bei großen Vereinen den Mitgliedern die Vereinsmeinung nicht als eigene zurechnet. Außerhalb des Kernbereichs können ferner insbesondere solche Mitgliederpflichten vereinbart werden, die die Mitglieder redlicherweise ohnehin erfüllen müssen. So kann ein Arbeitgeberverband, der zulässigerweise zugleich Wirtschafts- und Fachverband ist 7 , an die Mitglieder auch Anforderungen in ihrer Funktion als Unternehmer stellen. Etwa können die Mitglie-

6

Vom 25.1.1990, BGHZ 110, 156, 168 f.

7

Etwa § 2 I 1 der Satzung des Badischen Zimmerer- und Holzbauverbands e. V. vom 23.4. 1983; § 2 I 1 der Satzung des Verbands der Bauwirtschaft Südbaden e. V. vom 7.5.1982; § 2 I der Satzung des Verbands der Säge- und Holzindustrie Baden-Württemberg vom 16.2.1991.

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§ 5 Pflichten der Mitglieder

der verpflichtet werden, die guten kaufmännischen Sitten zu wahren und lauteren Wettbewerb zu betreiben 8.

3. Ergebnis

Generell sind Mitgliederpflichten desto eher zulässig, je geringer sie die Mitglieder belasten und je mehr ihre Erfüllung Voraussetzung für diejenigen Vereinsleistungen ist, die die Angewiesenheit begründen. So dürfen die Gewerkschaften zweifellos Beiträge erheben, um Streikgeld auszahlen zu können. Hingegen dürften sie von den Mitgliedern keinen persönlichen Einsatz für Umweltschutz, Abrüstung oder Bekämpfung des Rechtsradikalismus verlangen 9. Weil die Mitglieder diese Ziele eventuell gar nicht oder nicht im Verein anstreben, ist ihr Interesse, von Pflichten freigehalten zu werden, in diesen Fällen vorragig. Während die Geldzahlungs- und Duldungspflichten auch im Bereich der »weiteren« Vereinsziele zulässig sind, dürfen die Mitglieder nur zur Verfolgung des eigentlichen Vereinszwecks zu umfangreichen aktiven Handlungen verpflichtet werden. Ein Verein, dessen Satzung der Inhaltskontrolle unterliegt, darf von seinen Mitgliedern nicht verlangen, ihm »jede mögliche Unterstützung bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu geben« 10 .

II. Allgemeine Förderpflicht Die allgemeine Förderpflicht wird durch das objektive Recht ausgestaltet 1 1 . Sie unterliegt deshalb nicht unmittelbar der Inhaltskontrolle, die sich mit privatautonomen Regelungen befaßt. Dennoch beeinflußt eine Paritäts8

§ 6 der Satzung des Landesverbands des Bayerischen Einzelhandels e. V. vom 18.6.1985; § 3 II lit. d der Satzung des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin e. V. vom 13.12. 1979; § 6 I 1 der Satzung des Bauindustrieverbands Hamburg e. V. vom 28.2.1978; § 5 Nr. 4 der Satzung des Fachverbands Bau Württemberg e. V. vom 25.4.1975. Einige Satzungen begründen die Pflicht, sich an der Heranbildung geeigneten Berufsnachwuchses zu beteiligen, so § 5 I 3 Nr. 3 der Satzung des Verbands der Bauwirtschaft Südbaden e. V. vom 7.5.1982. 9 Dies sind Vereinsziele nach § 3 II lit. ο GdED; § 3 II lit. h GHK; § 4 II 3 IG Medien; § 2 S. 3 IGM; § 3 S. 2 Nr. 3 NGG; § 9 II lit. b DPG. 10 So aber § 6 S. 2 der Satzung des Arbeitgeberverbands Emscher-Lippe e. V. vom 29.4. 1980; § 3 IV der Satzung des Arbeitgeberverbands des Handels in Wuppertal und Umgebung e. V. vom 3.5. 1982; § 3 IV 1 der Satzung des Arbeitgeberverbands der Kalk- und Dolomitindustrie Wuppertal e. V. vom 28.5.1976. 11 S. o. vor I.

II. Allgemeine Förderpflicht

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Störung den Inhalt der Förderpflicht, da die Grundrechte auf das Privatrecht einwirken und den Schutz des schwächeren Vertragspartners gebieten. Aus der allgemeinen Förderpflicht kann ein Mitglied höchstens so stark in Anspruch genommen werden wie aus einer vergleichbaren satzungsmäßigen Pflicht. Im Bereich der Inhaltskontrolle kann also keine allgemeine Förderpflicht bestehen, die die Mitglieder unangemessen benachteiligt. Für den Inhalt der Förderpflicht, den Verband bei der Erfüllung seiner gesetzlichen und satzungsgemäßen Aufgaben zu unterstützen, gelten beispielsweise dieselben Erwägungen wie für die Beurteilung einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung 12 . Umfang und Inhalt der allgemeinen Förderpflicht werden vornehmlich vom Ziel und der Realstruktur des Vereins bestimmt 13 . Bei Vereinen, die dem Aufnahmezwang unterliegen, bestehen geringe persönliche Bindungen, so daß die Förderpflicht keine hohen Anforderungen an die Mitglieder stellen darf. Auch die mangelnde Austrittsfreiheit vermindert in typischen Ungleichgewichtslagen die Loyalitätspflichten der Vereinsmitglieder 14 . Im Bereich der Inhaltskontrolle wird die allgemeine Förderpflicht unter anderem wie folgt konkretisiert: Die allgemeine Förderpflicht schränkt als passive Loyalitätspflicht die Meinungsfreiheit der Mitglieder ein. Der Loyalitätsanspruch des Vereins und die Meinungsfreiheit der Mitglieder sind einander so zuzuordnen, daß beide realisiert werden können. Die Mitglieder müssen daher Stellungnahmen des Vereins in ihrem Namen dulden. Sie dürfen nicht unbegrenzt Kritik üben, sondern müssen dabei insbesondere eine angemessene Form einhalten 15 . Es macht einen Unterschied, ob die Kritik zeitlich vor oder nach einem bindenden Vereinsbeschluß geäußert wird und ob sie sich an andere Mitglieder oder an die Öffentlichkeit richtet 16 . Im letzten Fall muß das Mitglied die offizielle Vereinsauffassung darstellen 17 und Abweichungen als persönliche Meinung kennzeichnen 18 .

Nach § 5 II lit. b GdED; § 7 II 1 GGLF; § 9 IV HBV; § 7 III 1 IG Medien; § 4 IV GdP; § 7 VI GTB; 9 I KOMBA; § 4 III lit. a BDA-Vorschlag sind die Mitglieder verpflichtet, an der Ausbreitung oder Stärkung ihrer Koalition mitzuwirken. 13

Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 105 f.

N

Vgl. BGH vom 4.7.1977, AP Nr. 25 zu Art. 9 GG mit Anm. Grunsky, wo eine Beziehung zwischen der Austrittsfreiheit und der Loyalitätspflicht hergestellt wird. 15

MünchArbR/Löwisch, § 244, Rn. 34; U. Schmidt, S. 209.

16

U. Schmidt, S. 208 ff.

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§ 5 Pflichten der Mitglieder

Die Loyalitätspflicht führt nicht dazu, daß der Verein oppositionelle Handlungen verbieten und mittelbar mit Sanktionen bedrohen könnte. Es ist nämlich gerade Ziel der Inhaltskontrolle, die Mitglieder an der Vereinswillensbildung zu beteiligen und oppositionellen Ideen eine Chance zu geben. Jedoch ist es den Mitgliedern auch in Ungleichgewichtslagen untersagt, für eine von ihnen neu zu gründende Konkurrenzorganisation zu werben 19 oder den Verein final zu schädigen. Während die Mitglieder regelmäßig nur rechtmäßige Beschlüsse befolgen müssen, kann die allgemeine Förderpflicht in Ausnahmesituationen gebieten, auch möglicherweise rechtswidrige Beschlüsse in gewisser Weise zu beachten. Der Interessenausgleich verschiebt sich zugunsten des Vereins, wenn es in besonderem Maße auf die Geschlossenheit des Vereins ankommt. So dürfen die Mitglieder auch im rechtswidrigen Arbeitskampf keine Streikbrecherarbeit leisten, sofern die Rechtswidrigkeit nicht evident ist 2 0 . Dies gilt insbesondere für bloß satzungswidrige Streiks 21 . Allerdings darf ein Verstoß gegen das Streikbruchverbot nicht so hart geahndet werden wie im rechtmäßigen Streik 22 .

I I I . Schriftformgebot? Nach allgemeinem Vereinsrecht müssen nur die spezifischen Mitgliederpflichten in der Satzung verankert und damit - bei rechtsfähigen Vereinen schriftlich niedergelegt werden (§§ 58 Nr. 2, 59 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Konkretisierungen der allgemeinen Förderpflicht bedürfen ebensowenig einer schriftlichen Grundlage wie die Pflichten in nichtrechtsfähigen Vereinen 23 .

17

U. Schmidt, S. 209.

18

MünchArbR/LöwscÄ, § 244, Rn. 34.

19

BGH vom 4.7.1977, AP Nr. 25 zu Art. 9 GG.

20

MilnchAibR/Löwisch, § 244, Rn. 29, 33. Hält das Mitglied eine Beschluß irrtümlich für rechtswidrig und befolgt ihn deshalb nicht, ist für die Sanktion relevant, ob der Irrtum verschuldet war und ob den Verein ein Mitverschulden trifft. 21 Die Satzungswidrigkeit läßt die Rechtmäßigkeit des Streiks nach außen unberührt, MünchArbR/Otto, § 278, Rn. 112. 22

Nach BGH vom 19.1.1978, NJW 1978, 990, 992, kann die Mißachtung eines satzungswidrig angeordneten Streiks den Ausschluß nicht rechtfertigen. MünchArbR/Otfo, § 278, 112 hält Sanktionen wegen Nichtteilnahme an einem rechtswidrigen Streik sogar generell für unzulässig.

III. Schriftformgebot?

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Im Rahmen der Inhaltskontrolle könnte jedoch zum Schutz der Mitglieder auch in diesen Bereichen ein Schriftformgebot bestehen. Wie bei der parallelen Frage für die Ablehnungsgründe 24 ändert die Schriftform nichts am zulässigen Inhalt der Pflichten, sondern dient der Klarheit und Vorhersehbarkeit. Die Schriftform erleichtert den Mitgliedern die Kenntnis und Kontrolle ihrer Pflichten. Sie kann die Mitglieder davor schützen, sich wegen Desinformation stärker als zulässig gebunden zu fühlen 2 5 . Zudem kann sie vereinsinterne Diskussionen über die Berechtigung und Zweckmäßigkeit der Pflichten auslösen. Diesen Vorteilen für die Mitglieder sind die Interessen des Vereins, die gegen die Schriftform sprechen, gegenüberzustellen: Mitgliederpflichten, die für den einzelnen Verein typisch sind und wiederholt eingefordert werden, können problemlos schriftlich fixiert werden. Anders ist es bei Pflichten, die sich un vorhersehbar ergeben. Etwa kann die Unterlassungspflicht, die Vereinsinteressen nicht treuwidrig zu verletzen, oder die aktive Pflicht, das Vereinsvermögen im akuten Notfall optimal zu schützen 26 , nur als Generalklausel gefaßt werden. Müßten entsprechende konkrete Pflichten einzeln aufgeführt werden, würde der Verein unflexibel und formalistisch, ohne daß damit bedeutenden Mitgliederinteressen gedient würde. Dies gilt insbesondere, wenn vergleichbare Pflichten auch in Austauschverträgen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ohne ausdrückliche Vereinbarung erfüllt werden müssen. Insoweit ist ein Mißbrauch des vereinsrechtlichen Mehrheitsprinzips ausgeschlossen. Es handelt sich dabei vornehmlich um Pflichten, die unabhängig vom konkreten Vereinszweck in allen Vereinen gelten. Dazu gehören namentlich Unterlassungspflichten, aber etwa auch die Handlungspflicht, der Verwaltung eine Adressenänderung mitzuteilen 27 . Im Ergebnis sind im Bereich der Inhaltskontrolle die spezifischen Mitgliederpflichten auch in nichtrechtsfähigen Vereine nur verbindlich, wenn sie

" Reichert/Dannecker, 24

S. o. § 4 II 2.

25

Gerhardt,

Rn. 608, 2475.

S. 267.

26

Wie die Beispiele zeigen, kommt es für das Schriftformgebot nicht darauf an, ob es sich um aktive und passive Pflichten handelt, so aber U. Schmidt, S. 205 f. für Verbände. 27 Diese Pflicht ist in § 7 IGBSE; § 11 V IGBE; § 5 V IGCPK; § 5 II lit. e GdED; § 8 GGLF; § 7 III GL; § 10 I 1 HBV; § 11 IV GHK; § 7 VII 1 IG Medien; § 7 S. 1 IGM; § 8 Nr. 1 NGG; § 9 II lit. e DPG; § 11 GTB ausdrücklich erwähnt.

86

§ 5 Pflichten der Mitglieder

schriftlich fixiert sind. Im übrigen ist es nicht unangemessen, wenn sich die Vereine auf Generalklauseln beschränken. Wichtiger als die Frage, welche Pflichten schriftlich niedergelegt werden müssen, ist das Verbot, unzulässige Pflichten in die Satzung oder eine Vereinsordnung aufzunehmen und dadurch die Mitglieder zu verunsichern. Es ist den Mitgliedern nicht zumutbar, erst anhand des Gesetzes zu prüfen, inwieweit die Satzung überhaupt wirksam ist 2 8 . Der Verein darf Leistungen, auf die er keinen Anspruch hat, nicht dadurch mittelbar durchsetzen, daß er Mitgliederpflichten vortäuscht und die Mitglieder in die Irre führt. Er muß vielmehr klare, in sich verständliche Regelungen schaffen 29 .

IV. Durchsetzung der Mitgliederpflichten 1. Klage des Vereins gegen das Mitglied

Der Verein kann die - zulässigen - Mitgliederpflichten einerseits gerichtlich geltend machen 30 . Er kann bei selbständigen Pflichten auf Erfüllung klagen 31 . Sowohl die spezifischen Pflichten als auch die allgemeine Förderpflicht können mit Handlungs- oder Unterlassungsklagen durchgesetzt werden 3 2 . Liegt bereits ein Pflichtverstoß vor, kann der Verein auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 286 I BGB oder positiver Forderungsverletzung klagen 33 .

28 OLG Stuttgart vom 5.8.1977, DB 1977, 1938, 1939 für Genossenschaften. Vgl. auch § 15 Abs. 1 Verordnung über das Genossenschaftsregister, wonach das Gericht vor Eintragung des Statuts prüfen muß, ob das Statut den Vorschriften des GenG genügt, um die Eintragung gesetzwidriger und daher verwirrender Bestimmungen zu verhindern. 29

Die Mitglieder haben einen gesetzlichen Anspruch gegen den Verein, daß er diese Verpflichtung befolgt, s. o. § 3 III 1 a. Zu ihren Durchsetzungsmöglichkeiten s. o. § 3 III 2 a. 30

Insbesondere sind die Gewerkschaften aktiv parteifähig, zuletzt BGH vom 6.10.1989, BGHZ 109, 15, 17 = NJW 1990, 186. 31

Da die Unterscheidung von Haupt- und Nebenpflichten im Vereinsrecht wenig ergiebig ist (s. o. § 3 I 1 b), kann die Selbständigkeit der Pflichten als ein einheitliches Kriterium herangezogen werden. Zur Klagbarkeit von Nebenrechten vgl. PalandtIHeinrichs, § 242, Rn. 25. 32

Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 117 f.; Soergel /Hadding, § 38, Rn. 24; Sauter/Schweyer, Rn. 348; offengelassen von BGH vom 4.7.1977, AP Nr. 25 zu Art. 9 GG unter I. 3. 33 Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 119.; MünchKomm/Ztewter, § 38, Rn. 26; Soergel /Hadding, § 38, Rn. 24; BGH vom 4.7.1977, AP Nr. 25 zu Art. 9 GG unter III.

IV. Durchsetzung der Mitgliederpflichten

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2. Vereinsstrafe

Der Verein kann andererseits die Pflichterfüllung mittelbar dadurch sichern, daß er die Verletzung von Mitgliederpflichten intern sanktioniert.

a) Zulässigkeitsvoraussetzungen Mögliche Sanktionen sind Rügen, Geldbußen, der Verlust von Vereinsämtern, das Ruhen der Mitgliedschaft oder der Ausschluß, aber auch die Versagung von Vorteilen oder Vereinsleistungen 34. Die Vereinsstrafen setzen materiell die schuldhafte 35 Verletzung einer Mitgliederpflicht und formell eine Grundlage in der Satzung sowie die Beachtung elementarer Verfahrensgrundsätze (Rückwirkungsverbot, rechtliches Gehör, Verbot der Doppelbestrafung, Begründung der Entscheidung) voraus 36 . Die Satzungsgrundlage muß schriftlich und so detailliert sein, daß Strafbarkeit und Strafhöhe vorhersehbar und kontrollierbar sind. In dieser Frage kann das Mitglied nämlich in besonderem Maße dem Übergewicht des Vereins ausgesetzt sein. Es bleibt dem Verein unbenommen, eine geringere als die zulässige Strafe zu verhängen. Er ist insoweit allerdings an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Aufgrund der Inhaltskontrolle darf weder die abstrakt festgelegte noch die konkret verhängte Strafe im Verhältnis zur Pflichtverletzung unangemessen hart sein. Wegen des Aufnahmezwangs ist der Ausschluß in weniger erheblichen Fällen unzulässig 37 . Der Verein darf die Mitglieder bei der Durchsetzung der Mitgliederpflichten nicht mehr als erforderlich belasten. Daher darf er zwischen Erfüllungsklage und Vereinsstrafe nicht frei wählen, wenn eine der beiden Vorgehensweisen das Mitglied erheblich stärker belastet als die andere: 34 Vieweg, JZ 1984, S. 167, 168, 172; Sotr&MHadding, § 25, Rn. 51. In diesen Fällen kann allerdings auch eine bloße Obliegenheit vorliegen, vgl. unten § 6 II 1 b.

Nach § 12 I lit. c der Satzung des Verbands Pfälzischer Brauereien e. V. vom 10.6.1969; § 14 I lit. b der Satzung des Bauindustrieverbands Pfalz e. V. vom 17.4.1956 kann als Ordnungsstrafe der Anspruch auf jedwede Leistung auf bestimmte Zeit entzogen werden. 35

Eine Ausnahme hiervon gilt für den Ausschluß, der ohnehin eine Sonderstellung einnimmt, Soergel///a