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German Pages 284 [285] Year 2017
Die Reform der Bankenrestrukturierung Nachgelagerte und präventive Maßnahmen und ihre Wirksamkeit
Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Herausgeber: Prof. Dr. Hans-Peter Burghof
Band 54
Frederic Dachs
Die Reform der Bankenrestrukturierung Nachgelagerte und präventive Maßnahmen und ihre Wirksamkeit
Verlag Wissenschaft & Praxis
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D100 ISBN 978-3-89673-733-5 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2017 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 7045 930093 Fax +49 7045 930094 [email protected] www.verlagwp.de
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VORWORT DES HERAUSGEBERS
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Vorwort des Herausgebers Mit der Studienreihe möchte die Stiftung Kreditwirtschaft Arbeiten, die an der Universität Hohenheim zu bank- und finanzwirtschaftlichen Themen entstanden sind, einem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Die Veröffentlichungen sollen Erkenntnisse und Gedankenaustausch in Wissenschaft und Praxis fördern. Die jüngste Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass es mit den bis dato bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht möglich war, Banken in Krisenzeiten effektiv zu stützen und so vor einer Insolvenz zu bewahren. Die durch die Immobilienblase in den USA ausgelösten Eigenkapital- und Liquiditätsprobleme der Banken in Deutschland konnten zunächst nicht wirksam gelöst werden. Dies hat den Gesetzgeber sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene zu einer Vielzahl von Reformen veranlasst, die auf eine nachgelagerte Beseitigung der bereits vorhandenen Probleme gerichtet waren. Neben den regulatorischen Vorgaben für Banken wurde eine Reihe von gesellschaftsrechtlichen Eingriffsnormen geschaffen, mit denen eine schnelle Rekapitalisierung von Banken gewährleistet werden sollte: Alles wurde darauf ausgerichtet, die Banken mit staatlicher Hilfe rasch zu sanieren - zur Not auch gegen den Willen der Anteilseigner. Neben diesen gesellschaftsrechtlichen Instrumenten zur Sanierung von Finanzinstituten hat der Staat mit der Institutsvergütungsverordnung auch ein Korrektiv im Bereich der Vorstandsvergütung eingeführt. Kernelement war die Begrenzung der Boni für Leitungsorgane von Banken, dem sich diese Arbeit im letzten Teil widmet. Der Verfasser analysiert die verfassungs- und europarechtlichen Probleme und zeigt auf, worauf bei künftigen Gesetzgebungsvorhaben in Bezug auf nachgelagerte Maßnahmen zu achten ist, um die Konformität mit Verfassungs- und Europarecht zu gewährleisten. Ferner zeigt die Arbeit die Probleme im Bereich der Vorstandsvergütung auf. Er arbeitet die einschlägigen Theorien auf und zeigt Anhand aktueller Zahlen systemrelevanter deutscher Banken, wie sich die Bonistrukturen durch die Deckelung nach der Einführung der Institutsvergütungsverordnung verändert haben. Er entwickelt Ansätze zur Verbesserung der Anreize für Vorstände: Risikoaverserses Verhalten soll präventiv künftige Krisen dieses Ausmaßes vermeiden.
6
VORWORT DES HERAUSGEBERS
Ich wünsche diesem Band der Studienreihe Stiftung Kreditwirtschaft reges Interesse und eine fruchtbare Wirkung. Stuttgart, im März 2017 Prof. Dr. Hans-Peter Burghof
VORWORT DES VERFASSERS
7
Vorwort des Verfassers Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Agrarrecht an der Universität Hohenheim sowie meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in der Kanzlei KLEINER Rechtsanwälte in Stuttgart. Die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hohenheim hat die im Januar 2016 eingereichte Arbeit unter dem gleichen Titel als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften (Dr. oec.) angenommen. Mein besonderer Dank gebührt Frau Prof. Dr. Christina Escher-Weingart für ihre Gesprächsbereitschaft, die wertvollen Anregungen und die großartige Unterstützung im Rahmen der Betreuung dieser Arbeit. Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Burghof danke ich für die Anregungen für den ökonomischen Teil dieser Arbeit, die Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die Aufnahme der Arbeit in die Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft. Danken möchte ich ferner meinen Freunden und Kollegen für ihr Verständnis, den Austausch und die offenen Ohren, auch wenn es mal nicht so rund lief. Jürgen Schwab danke ich für seinen sehr kompetenten Beitrag bei der Überarbeitung des Manuskripts. Ganz besonders danke ich meiner Mutter, Ursula Dachs, die durch ihre einzigartige Unterstützung meine Promotion erst ermöglicht hat. Ihr widme ich diese Arbeit. Stuttgart, 06.03.2017 Dr. Frederic Dachs
INHALTSVERZEICHNIS
9
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ................................................................................................... 9 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 15 1
Einleitung ........................................................................................................ 17
2
Die Finanzkrise und ihre Entwicklung ........................................................ 19 2.1
Auslöser der Finanzmarktkrise in den USA ............................................. 19
2.1.1
Darstellung der Niedrigzinspolitik der US Notenbank .................. 19
2.1.2
Praxis der Kreditvergabe ................................................................ 20
2.1.3
Verbriefung und Handel mit Hypothekenkrediten ......................... 21
2.1.4
Liquiditätskrise der Banken ............................................................ 23
2.1.5
Illustration der Vertrauenskrise ...................................................... 24
2.1.6
Zusammenfassung .......................................................................... 27
2.2
Zauberwort „Systemrelevanz“ .................................................................. 29
2.3
Reaktionen des deutschen Gesetzgebers ................................................... 31
2.3.1
Entstehung ...................................................................................... 31
2.3.2
Finanzmarktstabilisierungsgesetz ................................................... 32
2.3.2.1
Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz ...................................... 32
2.3.2.2
Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz .................... 33
2.3.3
Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz ................................ 34
2.3.4
Restrukturierungsgesetz ................................................................. 35
2.3.4.1
Kreditinstitutereorganisationsgesetz .......................................... 35
2.3.4.2
Änderungen des Kreditwesengesetzes ....................................... 36
2.3.4.3
Restrukturierungsfondsgesetz .................................................... 37
2.3.5 3
Trennbankengesetz ......................................................................... 37
Gesellschaftsrechtliche Instrumente im Vergleich .................................... 39 3.1
Kapitalmaßnahmen ................................................................................... 39
10
INHALTSVERZEICHNIS
3.1.1 3.1.1.1
Nach §§ 182 ff. AktG ................................................................. 40
3.1.1.2
Vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung ................................ 44
3.1.2
Wandelschuldverschreibung....................................................... 50
3.1.2.2
Bewertung der Reform ............................................................... 52 Genehmigtes Kapital ...................................................................... 54
3.1.3.1
Genehmigtes Kapital nach §§ 202 ff. AktG ............................... 54
3.1.3.2
Gesetzlich genehmigtes Kapital nach § 3 FMStBG ................... 55
3.1.3.3
Vereinfachtes genehmigtes Kapital nach § 7 b FMStBG .......... 61
3.1.4
Kapitalschnitt .................................................................................. 62
3.1.4.1
Kapitalschnitt nach AktG ........................................................... 62
3.1.4.2
Vereinfachter Kapitalschnitt nach § 7 Abs. 6 FMStBG ............. 63
3.1.5
Zwischenergebnis ........................................................................... 63
Recht- und Zweckmäßigkeit der Sonderregelungen ................................ 64
3.2.1
Verstoß gegen Europarecht?........................................................... 64
3.2.1.1
Vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung ................................ 65
3.2.1.2
Sanierungs-Rechtsprechung des EuGH im Überblick ............... 68
3.2.1.3
Die Schadensersatzpflicht der Aktionäre ................................... 74
3.2.1.4
Kapitalmarktrechtliche Maßnahmen nach § 11 f. FMStBG ...... 75
3.2.2
3.3
Wandelschuldverschreibung und Bedingtes Kapital...................... 50
3.1.2.1 3.1.3
3.2
Ordentliche Kapitalerhöhung ......................................................... 40
Verstoß gegen Verfassungsrecht? .................................................. 76
3.2.2.1
Vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung ................................ 77
3.2.2.2
Gesetzlich genehmigtes Kapital ................................................. 81
3.2.2.3
Schadensersatzpflicht der Aktionäre…………………………..85
3.2.2.4
Herabsetzung der Squeeze-out Schwelle auf 90 % .................... 86
Gesellschaftssanierung .............................................................................. 93
3.3.1
Das Insolvenzplanverfahren ........................................................... 93
INHALTSVERZEICHNIS
11
3.3.1.1
Insolvenzgründe ......................................................................... 93
3.3.1.2
Aufbau des Insolvenzplans ......................................................... 94
3.3.1.3
Möglichkeiten des Planverfahrens ............................................. 94
3.3.1.4
Zwischenergebnis ....................................................................... 96
3.3.2
Neuerungen durch das Kreditinstitutereorganisationsgesetz ......... 96
3.3.2.1
Anwendungsbereich und Definitionen ....................................... 97
3.3.2.2
Das Sanierungsverfahren (§§ 2 - 6) ............................................ 97
3.3.2.3
Das Reorganisationsverfahren (§§ 7 - 23) .................................. 99
3.3.2.4
Probleme innerhalb des Sanierungsverfahrens ........................ 104
3.3.2.5
Probleme innerhalb des Reorganisationsverfahrens ................ 106
3.3.2.6
Rechtsschutz ............................................................................. 119
3.3.2.7
Bewertung der Verfahren ......................................................... 119
3.3.3
Exkurs: Der Restrukturierungsfonds ............................................ 122
3.3.3.1
Zweck und rechtliche Verhältnisse .......................................... 123
3.3.3.2
Aufgaben und Kompetenzen .................................................... 123
3.3.3.3
Maßnahmenkatalog .................................................................. 123
3.3.4
Die Übertragungsanordnung des § 48 a KWG............................. 126
3.3.4.1
Voraussetzungen für den Erlass der Übertragungsanordnung . 127
3.3.4.2
Ablauf des Verfahrens .............................................................. 129
3.3.4.3
Rechtsfolgen ............................................................................. 155
3.3.4.4
Partielle Rückübertragung und Folgeanordnung...................... 169
3.3.4.5
Durchführung der Ausgliederung ............................................. 171
3.3.4.6
Vorgehen nach Erlass der Übertragungsanordnung ................. 174
3.3.4.7
Rechtsschutz ............................................................................. 185
3.3.4.8
Verfassungsmäßigkeit der Übertragungsanordnung ................ 191
3.3.4.9
Bewertung des Verfahrens und der Umsetzung ....................... 195
3.3.5
Sanierungs- und Abwicklungspläne für Banken .......................... 197
12
4
INHALTSVERZEICHNIS
3.3.5.1
Anwendungsbereich und Zuständigkeit ................................... 197
3.3.5.2
Ausgestaltung der Sanierungspläne.......................................... 199
3.3.5.3
Anordnungen bei Mängeln des Sanierungsplans ..................... 200
3.3.5.4
Bewertung der Abwicklungsfähigkeit ...................................... 204
3.3.5.5
Hindernisse im Rahmen der Abwicklungsfähigkeit................. 204
3.3.5.6
Gruppenabwicklungspläne ....................................................... 210
3.3.5.7
Vertraulichkeit des Verfahrens ................................................. 211
3.3.5.8
Rechtsschutz ............................................................................. 212
3.3.5.9
Bewertung der Sanierungs- und Abwicklungspläne ................ 213
3.3.5.10
Zwischenergebnis ..................................................................... 214
Ökonomische Aspekte der Vorstandsvergütung ..................................... 215 4.1
Die Beschlussgegenstände des DJT 2014 ............................................... 217
4.2
Anreize für Vorstände - theoretische Ansätze ........................................ 218
4.2.1
Prinzipal-Agent-Theorie ............................................................... 218
4.2.1.1
Probleme ................................................................................... 219
4.2.1.2
Theoretischer Lösungsansatz ................................................... 221
4.2.2
Shareholder-Value vS. Stakeholder-Value................................... 222
4.2.3
Probleme der praktischen Umsetzung .......................................... 228
4.3
Konventionelle Vergütungsmodelle ....................................................... 230
4.3.1
Marktindexbasierte Modelle ......................................................... 230
4.3.2
Nicht marktindexbasierte Modelle ............................................... 231
4.3.3
Anforderungen an Vorstandsvergütungen de lege lata ................ 233
4.4
4.3.3.1
Aktienrecht ............................................................................... 234
4.3.3.2
§ 25a KWG und Institutsvergütungsverordnung ..................... 235
Die Entwicklung der Vorstandsvergütungen bei Banken ...................... 237
4.4.1
Studien des DSW zur Vorstandsvergütung .................................. 237
4.4.2
Trend bei anderen DAX-30 Konzernen ....................................... 238
INHALTSVERZEICHNIS
4.4.3
Vergleich zu M-DAX Unternehmen ............................................ 239
4.4.4
Erläuterung der Entwicklung ........................................................ 241
4.4.4.1
Vergütungsmodelle der Commerzbank AG ............................. 241
4.4.4.2
Vergütungsmodelle der Deutsche Bank AG ............................ 244
4.4.4.3
Vereinbarkeit mit der Intention des Gesetzgebers ................... 248
4.4.5
Einfluss des „Say-on-Pay“ auf die Vorstandsvergütung .............. 249
4.4.6
Zwischenergebnis ......................................................................... 250
4.5
5
13
Neue Vergütungsformen de lege ferenda................................................ 251
4.5.1
Problem der zu hohen Grundvergütungen.................................... 251
4.5.2
Modell zur Anpassung bestehender Vergütungsmodelle ............. 252
4.5.2.1
Wandlungs- und Auszahlungsbedingungen ............................. 254
4.5.2.2
Fallbeispiel................................................................................ 255
4.5.3
Vorzüge der umgekehrte Wandelschuldverschreibung................ 257
4.5.4
Zusammenfassung ........................................................................ 259
4.5.5
Ergebnis ........................................................................................ 260
Schlussbetrachtung ...................................................................................... 261
Anhang ................................................................................................................. 279
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
15
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Vorstandsvergütung bei Banken..................................................... 238 Abbildung 2: Vergütung im DAX (ohne Banken) - Tab. 2 .................................. 238 Abbildung 3: Vorstandsvergütung im DAX (ohne Banken) ................................ 239 Abbildung 4: Vergütung im M-DAX - Tab. 3 ...................................................... 239 Abbildung 5: Zusammensetzung der Vorstandsvergütung im M-DAX............... 240 Abbildung 6: Verhältnis fixe/variable Vergütungsbestandteile - Tab. 4 .............. 240 Abbildung 7: Verhältnis fixe/variable Vergütungsbestandteile ........................... 241 Abbildung 8:Tranchierung der umgekehrten Wandelschuldverschreibung ......... 256
EINLEITUNG
17
1 Einleitung Die Folgen und Auswirkungen der Bankenkrise von 2008 werfen immer noch Ihre Schatten auf die Realwirtschaft und haben somit weiterhin spürbaren Einfluss auf jeden Einzelnen weltweit. In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob die nachgelagerten staatlichen Maßnahmen wirksam und ausreichend, und ob sie der "Staatsraison" dienlich waren: Die Intention war eine Stabilisierung der Banken, die Aufrechterhaltung der Kreditvergabe für die Realwirtschaft, die Absicherung der Anleger, die Wiederherstellung von Vertrauen - und die Vermeidung einer Wiederholung. Hypothese dieser Überlegungen ist, dass die getroffenen Maßnahmen zu kurz gegriffen haben und im Interesse Einzelner ausgehebelt werden können. Es bedarf also eines schärferen - und trotzdem attraktiven - Instruments, das der Intention des Gesetzgebers entspricht. Ein solches Instrument soll in dieser Arbeit dargestellt werden unter den Kriterien: konkret, nachhaltig, kontrollierbar, wirksam und mit langfristigen Anreizen für die Akteure. Der Arbeit liegt folgender Aufbau zugrunde: Zunächst werden in der Historie der Finanz- und Bankenkrise Entwicklungsphasen, zeitliche Beschleunigung und ihre Folgen dargestellt. Im zweiten Kapitel werden die Notfall- und Kriseninterventionen, die getroffen wurden, aufgezeigt. Art und Umfang der nachgelagerten Maßnahmen werden beschrieben und ihre Recht- und Zweckmäßigkeit untersucht. Unterschiedliche Instrumente werden dargestellt, verglichen und die zugrundeliegenden Motive erörtert. Im dritten Kapitel wird die Vollständigkeit der Maßnahmen hinterfragt und die Reichweite und Wirksamkeit der bisherigen präventiven Ansätze untersucht. Anhand eines konkreten Fallbeispiels wird eine Ergänzungsmöglichkeit aufgezeigt, die einerseits das System stützt, andererseits die Akteure persönlich und finanziell stärker in die Verantwortung nimmt. Es soll sowohl ein Anreiz aufgezeigt werden, als auch ein wirksames Kontrollinstrument implementiert werden, um dem Anspruch an "anständiges Wirtschaften", sprich: verantwortlichem und nachhaltigem Agieren zu genügen.
DIE FINANZKRISE UND IHRE ENTWICKLUNG
19
2 Die Finanzkrise und ihre Entwicklung Zunächst soll ein grober Überblick über die Anbahnung und Entwicklung der Finanzmarktkrise gegeben werden, der die Auslöser der Krise jedoch lediglich skizzieren und nur auf die zum Verständnis notwendigen Belange eingehen kann1.
2.1 Auslöser der Finanzmarktkrise in den USA Um die Ursachen der Krise in den USA zu verstehen, bedarf es zunächst eines Einblicks in die Zeit vor der Krise, insbesondere einer Darstellung des Platzens der „dotcom-Blase“2 und die darauf folgende Niedrigzinspolitik der USAmerikanischen Notenbank (1.), der Federal Reserve Bank (Fed). Die hierauf folgende Ausgabe von Hypothekenkrediten, insbesondere auch an Bürger mit niedrigen Einkommen (sog. Subprime-Kredite) und die damit verbundene Kreditpraxis werden etwas ausführlicher unter (2.) behandelt. Im Anschluss hieran soll die Verbriefung der Hypothekenkredite, sowie der Handel mit diesen dargestellt werden (3.). Abschließend wird die auf dem Vertrauensverlust des Interbankenmarktes basierende Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers (4.) erörtert. 2.1.1 Darstellung der Niedrigzinspolitik der US Notenbank Mit dem Satz „nach der Krise ist vor der Krise“, lässt sich das Dilemma immer wiederkehrender „Blasen“ wohl am besten beschreiben und somit gleichzeitig der erste Auslöser für die Finanzmarktkrise ab 2007 ausmachen. Nachdem im März 2000 die Internetblase geplatzt war und viele Anleger ihr Geld dem Aktienmarkt entzogen, führte dies zu einem Preisverfall der Wertpapiere. Vor allem Kleinanleger wollten ihre Aktien loswerden und verkauften diese Großteils weit unter Wert. Dies hatte verheerende Folgen für die Realwirtschaft der USA, woraufhin die US Notenbank „Fed“ im Jahr 2001 anfing, den Leitzins drastisch zu senken, um die Konjunktur zu stimulieren3. Am 25.06.2003 erreichte das Zinsniveau mit 1 % seinen niedrigsten Stand4. Dieses von der Fed ins Leben gerufene „Konjunkturprogramm“ ermöglichte es den amerikanischen Banken, sich sehr günstig mit Liqui1 2 3 4
Vgl. zu historischen Bankenkrisen, den Konsequenzen und Reaktionen: Binder, S. 51 ff. Von anderen auch als „Internetblase“ (Rudolph, ZGR 2010, 1, 47), „New Economy Blase“ (Rudolph, ZGR 2010, 1, 6) oder „Hightech-Blase“ (Möschel, WuW 2008, 1283, 1286) bezeichnet. Zur Rolle der Zentralbanken im Rahmen von finanzkrisen: Goodhart/Tsomocos, S. 7 ff; Giavazzi/Giovannini, in: Handbook of Central Banking, financial Regulation and Supervision, S. 3 ff. Zum Vergleich der Leitzinsen der USA, Japan, UK und den Euroländern zwischen 1998 und 2010: Michler/Smeets, Die aktuelle finanzkrise - Bestandsaufnahme und Lehren für die Zukunft, S. 7, Abb. 2.
20
DIE FINANZKRISE UND IHRE ENTWICKLUNG
dität zu versorgen und dementsprechend selbst wieder Kredite zu vergeben5. Auf diesem Weg wurde die Realwirtschaft wieder angekurbelt, da sich auch Unternehmen in Folge dieser niedrigen Zinsen durch Aufnahme von Krediten erneut Geld beschaffen konnten. Zudem wurde durch die niedrigen Zinsen für die Banken ein Anreiz geschaffen, ihre Eigenkapitalrendite durch Aufnahme von Fremdkapital zu erhöhen (sog. „leverage“). Zu Spitzenzeiten kamen bei den US Investmentbanken auf einen Dollar Eigenkapital bis zu 32 Dollar Fremdkapital6. 2.1.2 Praxis der Kreditvergabe Diese Niedrigzinspolitik der Fed hatte jedoch nicht ausschließlich positive Folgen. Da sich die Banken nun quasi unbegrenzt und sehr billig Geld beschaffen konnten, wurde nach Möglichkeiten gesucht, dieses Geld rentabel anzulegen. Hierzu eignete sich der amerikanische Immobilienmarkt, da in den USA die Bedeutung des Eigenheims, vor allem zur sozialen Absicherung, sehr groß ist. Nahezu 70 % der US Haushalte sind in einem Eigenheim untergebracht7, in Deutschland hingegen nur 41 %8. Die US Regierung fördert den Erwerb von Immobilien speziell für Bürger mit geringem Einkommen, wobei dafür ein Mindesteinkommen erforderlich ist. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Immobilien und damit einhergehend auch nach günstigen Krediten, ließen die Banken ihre Kredite über Makler vermitteln, die für jeden Vertragsabschluss eine Prämie erhielten. Diese Praxis der „Abschlussvergütung“ führte dazu, dass die Bonitätsanforderungen an die Kreditschuldner drastisch sanken9. So war, entgegen früherer Praxis, keineswegs mehr eine Eigenkapitalquote von mindestens 20 % zur Finanzierung erforderlich; oft wurde sogar gänzlich auf Eigenkapital verzichtet10. Somit konnten auch Bürger mit sehr geringen Einkommen und sogar solche, die unterhalb der Grenze zur staatlichen Förderung lagen, Kredite für eine Immobilienfinanzierung aufnehmen (sog. „subprime loans“) 11. 5
6 7 8
9 10 11
Eine ähnliche Entwicklung gab es jüngst im Rahmen der Eurokrise, wobei die Europäische Zentralbank (EZB) 489 Mrd. € zu einem Zinssatz von 1% an Banken verlieh, vgl. Artikel des Handelsblatts vom 21.12.2011, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/euro-krise-der-listige-plan-derezb/5983214.html. Im Jahr 2009 wurden bereits 442 Mrd. € zu niedrigsten Zinsen verliehen. Sehr aufschlussreich hierzu: Brinkbäumer/Goos/Hornig/Ludwig/Pauly, Der Spiegel, Heft 11/2009, 39 (44). Michler/Smeets, Die aktuelle finanzkrise - Bestandsaufnahme und Lehren für die Zukunft, S. 6. Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 2/2008, S. 119, abrufbar unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Quersc hnittsveroeffentlichungen/WirtschaftStatistik/BauenWohnen/WohnsituationDeutschland,property=file.pdf. Rudolph, ZGR 2010, 1 (6). Rudolph, ZGR 2010, 1 (6). Teilweise auch als „ninja loans“ (no income, no job, no assets) bezeichnet.
DIE FINANZKRISE UND IHRE ENTWICKLUNG
21
Diese Hypothekenkredite wurden häufig mit einem variablen Zinssatz vergeben („adjustable rate mortages“). Hierbei war der Anfangszins sehr niedrig bemessen („teaser rates“), der dann jedoch im weiteren Verlauf halbjährlich durch die Bank angepasst werden konnte. Diese Praxis ging so lange gut, wie die Immobilienpreise stabil waren bzw. weiter stiegen. Einige US-Bürger haben auf diese Weise auch Gewinne erwirtschaftet, indem sie früh eine Immobilie erwarben und diese wieder veräußerten, nachdem der Preis deutlich gestiegen war, den Kredit dann tilgten und den Überschuss wieder reinvestierten. So kam es, dass überdurchschnittlich viele US-Bürger zwischen 2003 und 200512 Immobilien erwarben, wodurch die Immobilienpreise stetig stiegen13. Der Erwerb von Immobilien ist in den USA für die Bürger noch aus einem anderen Grund sehr reizvoll: Der Kreditnehmer haftet dort, im Gegensatz zur Regelung in Deutschland, lediglich mit dem Wert seines Hauses und nicht mit seinem ganzen Vermögen. Ein Zugriff etwa auf das Gehalt ist in den meisten USBundesstaaten ausgeschlossen14. 2.1.3 Verbriefung und Handel mit Hypothekenkrediten Die Banken hatten nun das Problem, dass sie eigentlich keine neuen Kredite mehr vergeben konnten. Denn jeder Kredit muss seitens der Bank mit einem bestimmten Anteil Eigenkapital hinterlegt werden. Daher war das klassische „buy-andhold“-Modell, bei dem die Banken die Kreditforderungen nach der Vergabe auch behielten, unattraktiv geworden. Damit auch die Banken von dieser regen Nachfrage weiter profitieren konnten, mussten die vergebenen Kredite also handelbar gemacht werden („originate-anddistribute“-Modell). Zu diesem Zweck wurden von den Banken Zweckgesellschaften, (sog. special purpose vehicle - „SPV”) gegründet. An diese wurden dann die Hypothekenkredite verkauft und abgetreten und damit auch die bestehenden Risiken übertragen15. Dies hatte unter anderem den Vorteil, dass die Kredite nicht mehr in der Bilanz der veräußernden Bank, dem „originator“, erschienen. Zur Refinanzierung dieser Forderungskäufe wurden die Kredite in den Zweckgesellschaften dann zu „mortage backed securities“ („MBS“16) verbrieft17 und am Kapital12 13 14 15 16
17
Diese Zeit wird auch als „Immobilienboom“ bezeichnet. Zum Einfluss der Immobilienpreise und der Hypothekenvergabe auf die finanzmärkte auch: Barth/Lin/Wihlborg, S. 152 ff. Michler/Smeets, Die aktuelle finanzkrise - Bestandsaufnahme und Lehren für die Zukunft, S. 6. Früh, in: festschrift Hopt 2010, 1823 (1826). Hierzu gibt es noch zwei Unterarten, die Commercial- und die Residential Mortage backed SecuritieS. Die CMBS enthielten lediglich forderungen aus gewerblich genutzten Immobilienkrediten, die RMBS aus privaten Immobilien. Möschel, WuW 2008, 1283 (1285).
22
DIE FINANZKRISE UND IHRE ENTWICKLUNG
markt angeboten. Diese Papiere wurden durch die Zahlungen der Kreditnehmer der abgetretenen Forderungen bedient18. MBS sind durch Hypotheken (mortages) gesicherte (backed) Wertpapiere (securities) und daher nur eine Unterart der „asset backed securities“ („ABS“), den forderungsbesicherten Wertpapieren. Um die emittierten Wertpapiere auch verkaufen zu können, musste die Zweckgesellschaft auf Ratingagenturen zugehen, die die MBS bewerten sollten. Hierzu wurden einzelne Tranchen gebildet, wobei die oberste („senior tranche“) stets ein AAARating hatte19. Die unterste Tranche erhält in der Regel kein Rating und verbleibt beim Originator, um den Investoren zu zeigen, dass die Bank keine Risikoposten abstoßen möchte20. Da jedoch keiner Tranche eine bestimmte Forderung zugewiesen wurde, war eine solche Tranchierung nur fiktiv; es wurde lediglich das Verlust- und Ausfallrisiko des Forderungspools aufgeteilt21. Gemäß dem Wasserfalloder Kaskadenprinzip22 werden mit den eingenommenen Geldern zuerst die AAATranchen bedient und erst danach alle anderen Tranchen entsprechend ihrem Rating. Somit haben die AAA-Investoren erst Ausfälle zu beklagen, wenn die unteren Tranchen schon deutliche Verluste hinnehmen mussten23. In einem weiteren Schritt wurden diese MBS-Tranchen erneut in Zweckgesellschaften („special investment vehicle“ - „SIV“) eingebracht und nach demselben Prinzip erneut verbrieft (Verbriefung zweiter Stufe). Im Rahmen dieser Verbriefung wurden jedoch nicht nur einige der oben genannten MBS-Tranchen, sondern auch sonstige Kreditforderungen, etwa aus Autofinanzierungen, Studentenkrediten oder Leasingverträgen aufgenommen24. So entstanden die „collaterized debt obligations“ („CDOs“). Die Struktur von Krediten war infolge dessen nicht mehr so überschaubar, da keine klassische Zweierkonstellation nur zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber bestand, sondern darüber hinaus weite Verflechtungen auf dem Finanzmarkt entstanden25. Entscheidend bei der Verbriefung zweiter Stufe war, dass im Rahmen der Neuverbriefung der MBS lediglich Tranchen mit mittelmäßigem bis schlechtem Rating (meist BBB) aufgenommen wurden. Nun fand erneut eine Tranchierung der CDOs statt, wobei auch diese lediglich fiktiv war. Es wurde erneut nur das Verlust- und Ausfallrisiko des (neuen) Forderungspools aufgeteilt. Somit konnte auch im Rahmen der neu entstandenen CDO 18 19 20 21 22 23 24 25
Früh, in: festschrift Hopt 2010, 1823 (1826). Michler/Smeets, Die aktuelle finanzkrise - Bestandsaufnahme und Lehren für die Zukunft, fn. 3. Sachverständigenrat 2007, S.113. abrufbar unter: http://www.sachverstaendigenratwirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/gutachten/jg07_iii.pdf Sachverständigenrat 2007, S.112. Grafische Darstellung des Wasserfallprinzips im Rahmen eines CDO unter: http://www.portfolio.com/interactive-features/2007/12/cdo. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre (5.Auflage), S. 209. Sachverständigenrat 2007, S.112. Das Problem der Anonymität der finanzmärkte andeutend Luttermann, ZRP 2010, 3.
DIE FINANZKRISE UND IHRE ENTWICKLUNG
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die Bestnote AAA vergeben werden, obwohl in diesem Wertpapier schon ein BBB Ausfallrisiko enthalten war26. An dieser Stelle wird nun auch die Rolle der Ratingagenturen deutlich27. Betrachtet man die gegensätzlichen Interessen auf dem Kapitalmarkt, so scheint es zunächst verwunderlich, dass die Ratingagenturen weiterhin Bestnoten verteilten, obwohl das Ausfallrisiko keinesfalls mehr minimal war. Sind Investoren oft an einem weniger guten Rating mit der Hoffnung auf besserer Rendite interessiert, wollen die Banken hingegen ein möglichst gutes Rating, um entsprechend wenig Zinsen entrichten zu müssen. Hier wird klar ersichtlich, dass die Ratingagenturen nach dem Prinzip „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“ ausschließlich im Interesse ihrer Auftraggeber Bestnoten für allenfalls drittklassige Kredite vergeben haben. Obwohl die Ratingagenturen aufgrund der dargestellten Interessenlage eigentlich zu einem Höchstmaß an Neutralität verpflichtet sind, wurden sie doch stets von den Banken bezahlt und haben sich dementsprechend verhalten. Im Rahmen der weiteren Verbriefung war zudem problematisch, dass die „special investment vehicle“ ihrerseits Aktiva in Form von langfristig laufenden Wertpapieren hielten. Zur Refinanzierung wurden jedoch „asset backed commercial paper“ („ABCP“) mit einer kurzen Laufzeit von maximal 364 Tagen ausgegeben; üblich war sogar eine Laufzeit von nur 30 - 90 Tagen. So wurden die Risiken aus den jeweiligen Bilanzen des originators ausgelagert und folglich auch die Vorschriften für die notwendige Eigenkapitaldeckung unterlaufen. Im Rahmen der Zweckgesellschaften wird daher häufig auch von „Schattenbanken“ gesprochen. 2.1.4 Liquiditätskrise der Banken Am 30.06.2004 erhöhte die Fed erstmals seit über einem Jahr den Leitzins von 1,00 % auf 1,25 %, womit das Ende der Niedrigzinspolitik der Fed eingeläutet war. Die Erhöhungen setzten sich in der Folgezeit stetig fort und erreichten nahezu auf den Tag genau zwei Jahre später, am 29.06.2006 ihren Höchststand bei 5,25 %. Im Zuge dieser Zinserhöhungen fingen auch die Banken an, die Zinsen der Hypothekendarlehen, die mit variablem Zinssatz28 ausgestattet waren, zu erhöhen. Kreditnehmer, die solche Hypothekenkredite aufgenommen hatten, sahen sich nun
26 27 28
Zu den Ausfallrisiken auch: Sachverständigenrat 2007, S.115 ff. Vgl. zur Haftung der Ratingagenturen: forschner, JSE 2012, S. 5 ff. Sog. Adjustable Rate Mortages.
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einem Anstieg der Tilgungsraten um durchschnittlich 26 % gegenüber29. Da gerade einkommensschwache Bürger diese Art der Finanzierung gewählt haben, kam es in der Folge zu zahlreichen Zahlungsausfällen, speziell bei den subprime Krediten30. Durch die Zinsanpassungen wurden selbst Bürger mit gutem Einkommen so stark belastet, dass auch sie ihre Raten ebenfalls nicht mehr bedienen konnten. Durch die Häufung der Ausfälle und der damit verbundenen Verwertung der Sicherheiten in Form von Zwangsversteigerungen unterlagen diese einem noch nie da gewesenen Preisverfall - die Immobilienpreise brachen vielerorts um über 15 % ein31. Somit waren auch die Wertpapiere nur noch einen Bruchteil dessen Wert, was einst für sie bezahlt wurde. Der hierdurch bedingte Vertrauensverlust in die Werthaltigkeit der Kredite stellte die SPV vor gewaltige Refinanzierungsprobleme. Die Zweckgesellschaften konnten sich weder neue Finanzierungen beschaffen, da niemand mehr bereit war, die kurz laufenden Schuldverschreibungen in Form der „commercial paper“ zu kaufen, noch konnten sie die Forderungen verkaufen, da diese auf dem Markt nicht (mehr) gefragt waren. Überdies hatten die Banken ihren jeweiligen Zweckgesellschaften gewaltige Kreditrahmen eingeräumt, die nun in Anspruch genommen werden mussten, damit die SPV wieder liquide waren. In der Folge flossen die - eigentlich von den Banken selbst benötigten - liquiden Mittel dorthin. So wurden die Banken schließlich selbst in den „Strudel“ hineingezogen. Da keine Bank wusste, welche andere Bank wie viele dieser nun „faulen“ Wertpapiere32 in ihren Büchern stehen hatte, schwand das gegenseitige Vertrauen: Sie waren nicht mehr bereit, sich gegenseitig kurzfristige, ungesicherte Kredite zu gewähren, die es den Banken bislang ermöglichten, sich über Nacht mit Liquidität zu versorgen33. 2.1.5 Illustration der Vertrauenskrise An dieser Stelle bedarf es zur Illustration der Auswirkungen zumindest einer kurzen Erwähnung der allseits bekannten Investmentbank Lehman Brothers, die weltweit als Synonym für die Finanzmarktkrise steht.
29 30 31 32 33
Michler/Smeets, Die aktuelle finanzkrise, S. 11. Zu den Ausfallraten für Subprime Hypotheken nach Ausgabejahrgängen vgl. Sachverständigenrat 2007, Schaubild 39 (S.119). Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/2009, Schaubild 43 (S. 124), abrufbar unter: www.sachverstaendigenratwirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/gutachten/ga08_iii.pdf Auch als „toxic assets“ (giftige Wertpapiere) bezeichnet. Michler/Smeets, Die aktuelle finanzkrise, S. 12.
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Lehman Brothers war bis 2008 die viertgrößte Investmentbank der USA, ehe sie als erste Großbank am 15. September 2008 Insolvenzantrag stellen musste. Dem waren zunächst Pleiten und Übernahmen anderer Kreditinstitute vorausgegangen. So wurde am 14. März 2008 bekannt, dass Bear Stearns, seinerzeit die fünftgrößte Investmentbanken der USA, unter akuten Liquiditätsengpässen litt. Bear Stearns konnte sich am Kapitalmarkt aufgrund des Vertrauensverlustes nicht mehr refinanzieren und musste daher die Hilfe der Zentralbank in Anspruch nehmen34. Bereits am 16. März gab JPMorgan Chase & Co ein Übernahmeangebot für das Konkurrenzunternehmen ab35. Diese Übernahme wurde von der Federal Reserve unterstützt, woraufhin sie am 30. Mai vollzogen wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war allen Beteiligten klar, dass auch Großbanken nicht vor Komplettausfällen gefeit waren. Demzufolge konnten sich Banken weiterhin nur schleppend über den Kapitalmarkt refinanzieren und mussten dafür stets Sicherheiten bieten. Das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der (Groß-)Banken schwand mehr und mehr. Als die US Regierung am 13. Juli 2008 ankündigte, die beiden Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac mit Krediten und Aktienkäufen zu stützen36, wurde deutlich, dass der Immobilienmarkt noch schwächer war, als seinerzeit angenommen. Am 7. September 2008 wurden Fannie Mae und Freddy Mac komplett unter staatliche Aufsicht gestellt und durch die Federal Housing Finance Agency (FHFA) übernommen37. Der damalige US Finanzminister Henry Paulson sah die Rettung dieser beiden Banken als unerlässlich an, da diese „so groß und so mit dem Finanzsystem verwoben [seien], dass das Scheitern einer der beiden große Unruhe auf unserem Finanzmarkt hier und in der ganzen Welt auslösen würde“ 38. Aufgrund dieser früheren Entwicklung ging man zunächst davon aus, dass auch die bereits länger angeschlagene Investmentbank Lehman Brothers Staatshilfen in Anspruch nehmen könne39. Jeder verließ sich darauf, dass der ungeschriebene 34 35 36 37
38 39
Rudolph, ZGR 2009, 1 (22). Neue Züricher Zeitung vom 17.03.2008, Onlineausgabe abrufbar unter: http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/jp_morgan_chase_bear_stearns_1.690523.html Pressemitteilung der federal Reserve Bank vom 13. Juli 2008, abrufbar unter: http://www.federalreserve.gov/newsevents/press/other/20080713a.htm. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 08. September 2008, abrufbar unter: http://www.faz.net/artikel/S30770/finanzkrise-amerika-verstaatlicht-freddie-und-fannie30062138.html; siehe auch: Rudolph, ZGR 2009, 1 (22). Spiegel Online vom 07. September 2008, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,576837,00.html Lehman Brothers veröffentlichte im Juni 2008 für das zweite Quartal Verluste in Höhe von 2,8 Mrd. $ - die ersten seit 15 Jahren.
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Grundsatz „too big to fail“40 weiterhin seine Gültigkeit besäße und große Banken daher stets mit Staatshilfen rechnen könnten. Die US Regierung war jedoch entgegen ihrer früheren Praxis nun nicht mehr bereit, weiteren Banken zu helfen. Allen voran der damalige US Finanzminister Henry Paulson wollte ein Zeichen gegen den „moral hazard“ setzen41: Könnten Banken stets damit rechnen, gerettet zu werden, so würde dies die jeweiligen Verantwortlichen dazu ermuntern, risikoreiche Geschäfte zu tätigen, da ein Scheitern in Form einer Insolvenz ohnehin ausgeschlossen wäre. Dieses Motiv scheint zunächst nachvollziehbar, um dem Treiben an den Märkten Einhalt zu gebieten. Jedoch hat das Wissen um die „too big to fail“-Doktrin stets das Vertrauen der Banken untereinander gestützt, worauf letztlich das gesamte Bankensystem beruht42. Nach mehreren Treffen mit Vertretern nahezu aller weltweit agierenden Großbanken wurde deutlich, dass die US Regierung Lehman Brothers nicht retten43 würde. Paulson ging sogar so weit, Lehman Brothers als „nicht systemrelevant“ zu bezeichnen 4445. An dieser Stelle wird zur Vereinfachung auf die Definition der BaFin46 zurückgegriffen, wonach eine Bank systemrelevant ist, wenn deren Bestandsgefährdung aufgrund ihrer Größe, der Intensität ihrer Interbankenbeziehungen und ihren engen Verflechtungen mit dem Ausland erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Kreditinstituten auslösen und zu einer Instabilität des Finanzsystems führen könnte. Rückblickend lässt sich daher sagen, dass Paulsons Einschätzung kaum weiter von der Wahrheit hätte entfernt sein können, hielt Lehman Brothers doch etwa 930.000 Derivateverträge47, die weltweit in allen Banken verteilt waren. Somit lassen sich mit der o.g. Definition insbesondere eine hohe Intensität der Interbankenbeziehung sowie eine enge Verflechtung mit anderen Banken im Ausland aufzeigen. 40 41 42 43 44 45 46
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Vgl. hierzu: Kenadjian, Too Big To fail - Brauchen wir ein Sonderinsolvenzrecht für Banken?. Zur Beziehung zwischen unternehmerischen Risiken und Systemregulierung: Mülbert/Citlau, The European financial Market in Transition, S. 275 ff. Rudolph, ZGR 2009, 1 (23). Die Rettung einer Bank wird auch als „bail-out“ bezeichnet. Zum Begriff der Systemrelevanz siehe unter 2. Der Spiegel, Heft 11/2009, 39, 49. Siehe Art. 6 III der Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie AufsichtsRL) vom 21.02.2008. Bericht von freshflieds Bruckhaus Deringer, Dezember 2008, S. 1, abrufbar unter: http://www.freshfields.com/publications/pdfs/2008/dec08/24712.pdf Siehe auch Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (822).
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Der mit der Insolvenz von Lehman Brothers verbundene enorme globale Vertrauensverlust auf dem Interbankenmarkt die logische Folge. 2.1.6 Zusammenfassung Die Entwicklung der Finanzmarktkrise kann chronologisch wie folgt zusammengefasst werden: 1. Die Niedrigzinspolitik der Fed schuf Anreize für die Banken, die Eigenkapitalrendite mit viel Fremdkapital zu steigern („leverage“). 2. Da das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital begrenzt ist, wurden die Kredite verbrieft und an Investoren weitergegeben (originate-and-distributeModell), so dass neue Kredite vergeben werden konnten. Ohne die Verbriefung wäre man mittels des gängigen „buy-and-hold-Modells“ mangels Eigenkapital schnell an die Grenzen der Kreditvergabe gestoßen. Zudem hätte man immer noch den Anreiz gehabt, die Bonität der Kreditnehmer besser zu prüfen und daher niemals eine so große Anzahl an (subprime) Krediten vergeben. 3. Durch die Verbriefung der Kreditforderungen zu MBS, der Tranchierung der Forderungspools und die anschließende erneute Verbriefung war es möglich, von den Ratingagenturen stets die Bestnote AAA für Kredite minderer Qualität und Sicherheit zu erhalten, weshalb diese auf dem Kapitalmarkt gefragt waren. Die Ratingagenturen hatten hierbei nur die Interessen der Banken im Blick, da sie von diesen auch bezahlt wurden. 4. Als die Leitzinsen von der Fed innerhalb von zwei Jahren von 1 % auf 5,25 % angehoben wurden, leiteten auch die Banken Zinsanpassungen ein, was eine enorme Steigerung der Raten für die in großer Zahl vergebenen „adjustable rate mortages“ zur Folge hatte. Daraufhin konnten viele Bürger, insbesondere die mit niedrigem Einkommen, ihre Raten nicht mehr bedienen, weshalb es zu zahlreichen Ausfällen und in der Folge zu Zwangsversteigerungen der Immobilien kam. 5. Daraufhin brachen die Immobilienpreise ein, womit die Sicherheiten ebenfalls drastisch an Wert verloren. Das wiederum zog einen enormen Preisverfall der Wertpapiere nach sich, die die Kreditforderungen absichern sollten. 6. Die „special investment vehicle“ mussten daraufhin die ihnen von „ihrer“ Bank eingeräumten Kreditlinien in Anspruch nehmen, um sich mit Liquidität zu versorgen, um die Refinanzierung zu sichern. Diese Liquidität fehlte nun den Banken. 7. Da die Banken nicht wussten, welche andere Bank wie viele der „toxic assets“ hielt, waren diese auch nicht mehr bereit, sich gegenseitig kurzfristig ungesichert Geld zu leihen. Der Interbankenmarkt kam somit fast
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vollständig zum Erliegen und Geld wurde fast ausschließlich über die Zentralbanken beschafft. Die Krise hatte also nicht einen bestimmten Auslöser. Vielmehr wurde sie durch das Zusammenspiel vieler zumindest fragwürdiger Geschäftspraktiken im Rahmen von Zinspolitik, Kreditvergabe, -bewertung und -erwerb verursacht. Auch die oft aufgestellte pauschale Behauptung, die Verbriefung der Hypothekenkredite habe die Krise ausgelöst, ist zumindest so nicht zutreffend. Für Banken ist es überlebenswichtig und gehört zu ihrem täglichen Geschäft, Kreditrisiken zu übernehmen. Die Veräußerung und Verbriefung von Kreditforderungen ist keineswegs neu, sondern wurde auch in der früheren Bankenpraxis durchgeführt. Problematisch war im Rahmen der Finanzmarktkrise die Tatsache, dass im Gegensatz zu früher nicht andere Banken die Forderungen gekauft haben, sondern eigene Zweckgesellschaften der veräußernden Bank. Kauft eine Drittbank Forderungen an, so geht auch das Kreditrisiko auf diese über. Der veräußernden Bank wird dadurch neues Eigenkapital zugeführt, womit diese dann neue Kredite vergeben kann. Die Veräußerung an die Zweckgesellschaften war hingegen nur ein Bilanztrick und die anschließende Verbriefung und Tranchierung eine Möglichkeit, die in den Krediten enthaltenen Risiken zu verschleiern, um diese dann am Kapitalmarkt zu platzieren. Das Hauptproblem war also die bewusste Verschleierung der Risiken48, die nur im Zusammenspiel von originator, Zweckgesellschaft und Ratingagenturen möglich war.
48
Zutreffend insoweit früh, in: festschrift Hopt 2010, 1823 (1824), der die fehlende Kenntnis der mangelhaften Güte der forderungen als Hauptproblem sieht.
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2.2 Zauberwort „Systemrelevanz“ Es ist schon fast verwunderlich, dass alle Hilfsmaßnahmen für die angeschlagenen Banken am Kriterium der „Systemrelevanz“ festgemacht wurden, wenn man bedenkt, dass die BaFin für das Jahr 2010 im Rahmen ihrer Risikoklassifizierung davon ausging, dass lediglich 2,1 % der Kreditinstitute hohe Systemrelevanz besitzen. 9,6 % wurden mittel- und 88,3 % als niedrig systemrelevant eingestuft49. Damit erhöhte sich die Zahl der hoch systemrelevanten Banken um 0,3 - und die mittel systemrelevanten um 0,2 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr50. Das vom deutschen Gesetzgeber verabschiedete Rettungsgesetz51 enthält in § 1 Abs. 4 Nr. 2a RettG mit Tatbestandsmerkmalen und anschließendem Begriff in Klammern zwar die üblichen Merkmale einer Legaldefinition, diese ist in diesem Fall jedoch bestenfalls „zirkelschlüssig“ 52. So soll ein Kreditinstitut systemrelevant sein, wenn „die Sicherung der Finanzmarktstabilität eine Stabilisierung des Kreditinstituts erfordert“. Ebenso offen und somit nichtssagend ist das Kriterium in § 4 Abs. 1 FMStFG53, wonach „unter Berücksichtigung der Bedeutung des jeweils von der Stabilisierungsmaßnahme erfassten Unternehmens des Finanzsektors für die Finanzmarktstabilität“ über Rettungsmaßnahmen entschieden wird54. Greifbarer werden diese Begriffe erst, wenn man die Zusicherungen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der staatlichen Beihilferegelung hinzuzieht. Dort hatten deutsche Behörden zugesichert, „dass die Bedeutung der Unternehmen des Finanzsektors für die Finanzmarktstabilität im Geltungsbereich des Gesetzes sich insbesondere nach der Bilanzsumme, der Einlagenintensität, der Funktion des Unternehmens für den gesamtwirtschaftlichen Zahlungsverkehr und der allgemeinen Bedeutung für das Vertrauen in die Stabilität des Finanzmarktes bemisst“ 55. Hieran kann man sehen, dass es keine trennscharfen Kriterien gibt, anhand derer man sagen kann, ab wann eine Bank (hoch) systemrelevant ist und wann noch nicht. Es lassen sich jedoch einige Kriterien erkennen, nach denen man sich richten kann und die der deutsche Gesetzgeber neuerdings in sein Bankenaufsichts49 50 51 52 53
54 55
BaFin, Jahresbericht 2010, Tabelle 17, S. 161. Vgl. den BaFin, Jahresbericht 2009, Tabelle 14, S. 141. Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisierung des finanzmarktes (Rettungsübernahmegesetz - RettungsG) vom 07. April 2009, BGBl. S. 725, 729. Ebenso Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 46. Gesetz zur Errichtung eines finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz - fMStFG), Gesetz vom 17. Oktober 2008, BGBl. S. 1982, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1900), dazu auch unter III. 3. b). Mann, DZWiR 2008, 496 (467). Staatliche Beihilferegelung Nr. N 512/2008 - Deutschland Rettungspaket für Kreditinstitute in Deutschland, S. 2; abrufbar unter http://ec.europa.eu/eu_law/state_aids/comp-2008/n512-08.pdf.
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recht integriert hat. So wurde in § 48b Abs. 2 KWG56 zwar nicht die Systemrelevanz, jedoch die Systemgefährdung definiert: Diese soll vorliegen, wenn zu befürchten ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Kreditinstituts in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderen Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt57. Dass man hierfür keine griffigen Kriterien hat, zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber die nachfolgenden Kriterien nur „insbesondere“ berücksichtigt wissen will, es also explizit keine abschließende Aufzählung ist. So sollen Art und Umfang der Verbindlichkeiten des Kreditinstituts gegenüber anderen Instituten und sonstigen Unternehmen des Finanzsektors, der Umfang der von dem Institut aufgenommenen Einlagen, die Art, der Umfang und die Zusammensetzung der von dem Institut eingegangenen Risiken sowie die Verhältnisse auf den Märkten, auf denen entsprechende Positionen gehandelt werden, die Vernetzung mit anderen Finanzmarktteilnehmern und die Verhältnisse auf den Finanzmärkten, insbesondere die von den Marktteilnehmern erwarteten Folgen eines Zusammenbruchs des Instituts auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf den Finanzmarkt und das Vertrauen der Einleger und Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes bei der Einschätzung der Systemgefährdung besonders berücksichtigt werden.
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57
Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) in der fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1126). § 48b Abs. 2 S. 1 KWG.
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2.3 Reaktionen des deutschen Gesetzgebers Um die Finanzmärkte wieder zu stabilisieren, mussten nach dem Aufkommen der Vertrauenskrise auf dem Interbankenmarkt zwingend die jeweiligen Staaten eingreifen, noch bevor etwas auf EU Ebene geschehen konnte. Es musste sichergestellt werden, dass keine weiteren systemrelevanten Banken Insolvenz beantragen und dass das Treiben auf den Märkten in der bisherigen Form zukünftig unterbunden wird. Die Finanzkrise deckte eklatante Schwächen in den jeweiligen Bankenaufsichten auf, die dann ebenfalls reformiert und mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden mussten. Hier wird zunächst ein Überblick über die vom deutschen Gesetzgeber eingeleiteten Maßnahmen gegeben. 2.3.1 Entstehung Die Subprime-Krise hatte Mitte 2007 auch den deutschen Finanzsektor erreicht. Zunächst gerieten die IKB, die SachsenLB, die WestLB sowie die BayernLB aufgrund ihrer Investitionen in faule Immobilienkredite in Refinanzierungsschwierigkeiten58, woraufhin die KfW (als Großaktionärin) der IKB Garantien in Milliardenhöhe gewährte, um eine Insolvenz zu verhindern59. Die SachsenLB wurde in diesem Zug an die LBBW veräußert. Die Schwierigkeiten griffen rasch auch auf den privaten Bankensektor über. So musste die Deutsche Bank im ersten Quartal 2008 2,5 Milliarden Euro an Wertpapieren abschreiben60. Im September drohte schließlich der Hypo Real Estate, die mit einem Immobilienfinanzierungsvolumen von 124 Milliarden Euro eine der größten gewerblichen Immobilienfinanzierer Deutschlands war61, die Zahlungsunfähigkeit. In der Folge brachte die Regierungskoalition am 14. Oktober 2008 einen ersten Gesetzentwurf für das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)62 in den Bundestag ein. Das Gesetz trat mit Zustimmung des Bundesrates63 am 18. Oktober in Kraft.
58 59 60
61 62 63
Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, Einleitung, Rn 3. Jaletzke, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, Einführung, Rn 1. Meldung des Handelsblatts vom 01.04.2008, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/finanzkrise-trifft-deutsche-bankhaerter/2940864.html. Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, Einleitung, Rn 3. Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz - fMStG) vom 17. Oktober 2008, BGBl. S. 1982. BR-DrS. 750/08 (B); Pressemitteilung des Bundesrates vom 17.10.2008, abrufbar unter: http://www.bundesrat.de/cln_171/nn_6906/DE/presse/pm/2008/150-2008.html?__nnn=true.
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2.3.2 Finanzmarktstabilisierungsgesetz Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde ein Artikelgesetz verabschiedet, das nach Auffassung des Gesetzgebers „durch ein Maßnahmenpaket ein tragfähiges Instrumentarium [...] schaffen sollte, um die bestehenden Liquiditätsengpässe zeitnah zu überwinden und die Stabilität des deutschen Finanzmarktes zu stärken“ 64 . 2.3.2.1 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz65 Zu diesem Zweck sah Artikel 1 unter dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG)66 die Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS)67 vor, der als Sondervermögen des Bundes ausgestaltet war68, und Garantieübernahmen von bis zu 300 Milliarden Euro69, sowie Rekapitalisierungsmaßnahmen von bis zu 80 Milliarden Euro70 vorsah. Durch diesen Fonds sollten Liquiditätsengpässe vermieden und Rahmenbedingungen für die Stärkung der Eigenkapitalbasis für „Unternehmen des Finanzsektors“71 geschaffen werden. Die Verwaltung des Fonds unterlag der Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA), die als rechtlich unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts bei der Bundesbank errichtet, von dieser organisatorisch jedoch getrennt war72. Das FMStFG sah drei verschiedene Stabilisierungsmaßnahmen vor: 1. Eine Ermächtigung des Finanzministeriums, für begebene Schuldtitel oder andere Verbindlichkeiten von Unternehmen des Finanzsektors bis zum 31. Dezember 2010 Garantien bis zu einer Höhe von 300 Milliarden Euro zu übernehmen73. 64 65 66
67 68 69 70 71
72 73
BT-DrS. 16/10600, S. 1. Aufgrund der vielen nachträglichen Änderungen werden zur Verbesserung der Übersichtlichkeit die einzelnen Gesetze stets in ihrer letzten gültigen fassung behandelt. Gesetz zur Errichtung eines finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz - fMStFG), Gesetz vom 17. Oktober 2008, BGBl. S. 1982, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1900). In der Öffentlichkeit eher bekannt als SoFFin (Sonderfonds finanzmarktstabilisierung). § 5 fMStFG. § 6 Abs. 1 fMStFG. § 9 Abs. 1, 4 fMStFG. Dies sind nach § 2 Abs. 1 „Institute i.S.v. § 1 Abs. 1b KWG, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des Investmentgesetzes sowie der Betreiber von Wertpapier und Terminbörsen und deren jeweiligen Mutterunternehmen, soweit diese finanzholding-Gesellschaften, gemischte finanzholding-Gesellschaften oder beaufsichtigte finanzkonglomeratsunternehmen sind und die vorgenannten Unternehmen ihren Sitz im Inland haben“. § 3a Abs. 1 fMStFG. § 6 Abs. 1 fMStFG.
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2. Darüber hinaus bestand für den Fonds nach § 7 FMStFG die Möglichkeit, sich durch den Erwerb von Anteilen oder stillen Beteiligungen an der Rekapitalisierung einer Bank zu beteiligen. 3. Des Weiteren konnte der Fonds von den betroffenen Instituten Risikopositionen, die vor dem 13. Oktober 2008 erworben wurden, mit den dazugehörigen Sicherheiten ankaufen oder diese auf andere Weise absichern74. Vorgesehen war, den Fonds nach dem 31. Dezember 2010 abzuwickeln und aufzulösen. Der Bund konnte sich jedoch auch über diesen Zeitpunkt hinaus an Unternehmen des Finanzsektors beteiligen, wenn bereits eine Beteiligung nach § 7 FMStFG bestand und eine weitere Beteiligung zur Stabilisierung erforderlich war75. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Übernahme von Garantien, sowie der Erwerb von Risikopositionen auch weiterhin möglich76. Sämtliche Stabilisierungsmaßnahmen konnten ab dem 20. Oktober 2008 durch den Erlass der Finanzmarktstabilisierungsfondsverordnung (FMStFV)77 konkretisiert werden. Hier wurden insbesondere Regelungen aufgenommen, die die jeweiligen Unternehmen zu nachhaltiger Geschäftspolitik verpflichten, die Vergütung von Organmitgliedern auf 500.000 Euro pro Jahr begrenzt und eine Ausschüttung von Dividenden für die Dauer der Stabilisierungsmaßnahme, mit Ausnahme des Fonds, ausschlossen78. 2.3.2.2 Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz Durch das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG)79 wurde ein gesellschaftsrechtlicher Rahmen geschaffen, der es dem SoFFin ermöglichen sollte, rasch Anteile an angeschlagenen Banken zu erwerben. Hierzu wurde in ein gesetzlich genehmigtes Kapital geschaffen, das den Vorstand dazu ermächtigte, das Grundkapital um 50 % gegen Einlagen des SoFFin zu erhöhen. Hierzu ist lediglich die Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich. Das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre wurde ausgeschlossen80. Der Vorstand konnte über die Ausge74 75 76 77
78 79
80
§ 8 Abs. 1 fMStFG. § 13 Abs.1, 1a fMStFG. § 13 Abs. 1b fMStFG. Verordnung zur Durchführung des finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung - fMStFV) vom 20.10.2008, eBAnz. 2008, AT123 V1, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. februar 2011 (BGBl. I S. 221). Siehe exemplarisch § 5 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4b, 5 fMStFV. Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des finanzsektors durch den fonds "Finanzmarktstabilisierungsfonds - fMS" (Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz - fMStBG) vom 17.10.2008, BGBl. I S. 1982, 1986, zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 5. April 2011 (BGBl. I S. 538). § 3 Abs. 1, 3 fMStBG.
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staltung der Aktien entscheiden und er konnte Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, bei denen der Vorzug nicht nachzahlbar ist, ausgeben81. Von diesem gesetzlich genehmigten Kapital wurde kein Gebrauch gemacht. Die Ursache ist wohl darin zu sehen, dass bei dieser Regelung erhebliche Bedenken bezüglich ihrer Konformität mit Europarecht bestanden. Eine Ausnutzung des gesetzlich genehmigten Kapitals wäre daher riskant gewesen. Für die (ordentliche) Kapitalerhöhung gegen Einlagen und die Kapitalherabsetzung wurde die Frist zur Einberufung der Hauptversammlung auf 21 Tage verkürzt, sowie die Mehrheitsverhältnisse teilweise auf einfache, teilweise auf 2/3 Mehrheit reduziert82. Außerdem wurde eine Schadensersatzpflicht für Aktionäre eingeführt, die durch ihre Stimmrechtsausübung oder durch das Einlegen unbegründeter Rechtsmittel eine Sanierungsmaßnahme verzögern, um sich selbst dadurch ungerechtfertigt zu bereichern83. Der Gesetzgeber hat also versucht, Kapitalmaßnahmen schnell und möglichst ohne Beteiligung der Aktionäre durchführen zu können. Wo die Aktionäre mitwirken, werden sie durch eine mögliche Schadensersatzpflicht dazu angehalten, ihr Stimmrecht in bestimmter Weise, nämlich für die Sanierungsmaßnahme oder eben gar nicht auszuüben. Der Gesetzgeber sieht hierin eine „Konkretisierung der Treupflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft“, die sich „zur Pflicht verdichten kann, das Stimmrecht in der Hauptversammlung so auszuüben, dass eine für den Fortbestand der Gesellschaft notwendige Kapitalmaßnahme nicht vereitelt wird“84. 2.3.3 Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Der Gesetzgeber musste aufgrund der weiter anhaltenden Krise am 07. April 2009 das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG)85 verabschieden. Dieses Gesetz war überwiegend ein Änderungsgesetz und sah vor allem Modifikationen und Erweiterungen vor86. Darüber hinaus wurde in Artikel 3 mit dem Rettungsübernahmegesetz (RettungsG)87 die Möglichkeit für eine Verstaatlichung einer Bank in Form der Enteignung geschaffen. Der Gesetzgeber hielt es für möglich, dass die bisher zur Ver81 82 83 84 85 86 87
§ 5 Abs. 1 fMStBG. § 7 Abs. 1 –3 fMStBG § 7 Abs. 7 fMStBG. BT-DrS. 16/12100, S. 12. Gesetz zur weiteren Stabilisierung des finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz fMStErgG) vom 07. April 2009, BGBl. S. 725. Diese Änderungen wurden im Rahmen der Erörterung des fMStFG und des fMStBG bereits zugrunde gelegt. Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisierung des finanzmarktes (Rettungsübernahmegesetz - RettungsG) vom 07. April 2009, BGBl. S. 725, 729.
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fügung gestellten Instrumente in bestimmten Konstellationen nicht greifen könnten und hielt daher das Rettungsgesetz als ultima ratio für erforderlich88. Das Gesetz sah vor, Anteilseigner bis zum 30 Juni 2009 zum „Zweck der Sicherung der Finanzmarktstabilität“89 enteignen zu können. 2.3.4 Restrukturierungsgesetz Die umfangreichsten Neuerungen, die sich an den Vorgaben des Financial Stability Boards (FSB) orientierten, wurden am 09. Dezember 2010 im Rahmen des Restrukturierungsgesetzes (RStruktG)90 eingeführt. Seine Regelungen traten überwiegend zum 01. Januar 2011 in Kraft. Kernstücke hiervon sind das durch Artikel 1 geschaffene Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG)91, einschneidende Änderungen im Kreditwesengesetz (KWG)92, sowie das Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG)93. 2.3.4.1 Kreditinstitutereorganisationsgesetz Im Rahmen des KredReorgG wurde ein Sanierungs- und ein Reorganisationsverfahren für Kreditinstitute geschaffen, deren Durchführung allerdings voraussetzt, dass die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist. (§ 1 Abs. 1 KredReorgG). Das Sanierungsverfahren wird durch die Anzeige der Sanierungsbedürftigkeit bei der BaFin und der Einreichung eines Sanierungsplans (mit Vorschlag für einen Sanierungsberater), eingeleitet94 und kann von allen Kreditinstituten genutzt werden. Hält die BaFin das Verfahren für zweckmäßig und den Sanierungsberater für geeignet, wird ein Antrag auf Durchführung des Verfahrens beim OLG Frankfurt95 gestellt.
88 89 90
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93
94 95
BT-DrS. 16/12100, S. 10. § 1 Abs. 1 RettungsG. Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 09. Dezember 2010, BGBl. S. 1900. Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (Kreditinstitute- Reorganisationsgesetz KredReorgG), vom 9. Dezember 2010, BGBl. I S. 1900. Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) in der fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1126). Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz - RStruktFG) vom 09. Dezember 2010, BGBl. S. 1921, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1126). § 2 Abs. 1 - 3 KredReorgG. Das OLG frankfurt ist nach § 2 Abs. 3 S. 2 KredReorgG i. V. m. § 1 Abs. 3 finDAG sachlich und örtlich zuständig.
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Dieses bestellt bei Eignung den vorgeschlagenen Sanierungsberater96. Dieser hat überwiegend nur beratende Funktion. Er verhandelt insbesondere mit den Gläubigern über den jeweiligen Sanierungsbeitrag. Beendet wird das Verfahren durch Anzeige gegenüber dem OLG Frankfurt a. M.97 Scheitert das Sanierungsverfahren, so wird das Reorganisationsverfahren eingeleitet. Dieses steht jedoch nur dann zur Verfügung, wenn „eine Bestandsgefährdung des Kreditinstituts vorliegt, die zu einer Systemgefährdung führt“ 98. Das Reorganisationsverfahren steht also nur „systemrelevanten“ Banken zur Verfügung. Im Rahmen dieses Verfahrens muss ein Reorganisationsplan aufgestellt werden, wobei hier - im Gegensatz zum Sanierungsverfahren - auch in Rechte der Gläubiger und Anteilseigner eingegriffen werden kann. Zu diesem Zweck wurde unter anderem der „debt to equity swap“ eingeführt99: Verbindlichkeiten können hier in Anteile am Unternehmen gewandelt werden100. Im Reorganisationsplan kann zudem vorgesehen werden, dass das Vermögen als Ganzes oder Teile davon auf einen bestehenden oder einen neuen Rechtsträger ausgegliedert werden101. Beide Sanierungsverfahren können nur durch Anzeige der sanierungsbedürftigen Bank eingeleitet werden. 2.3.4.2 Änderungen des Kreditwesengesetzes Durch die Änderungen des KWG wurde versucht, die Schwächen des Sanierungsund des Reorganisationsverfahrens auszugleichen. Diese liegen vor allem darin, dass diese Verfahren nur dann eingeleitet werden können, wenn ein Kreditinstitut von sich aus seine Sanierungs- oder Reorganisationsbedürftigkeit bei der BaFin anzeigt. Um rechtzeitig eingreifen zu können, wurden die Aufsichtsrechte der BaFin gestärkt und die Möglichkeit einer Übertragungsanordnung geschaffen. Diese erlaubt es der BaFin, auch gegen den Willen des Kreditinstituts, das Vermögen als Ganzes oder Teile davon auf eine Brückenbank auszugliedern. Die auf die Brückenbank übertragenen Teile können, gegebenenfalls auch durch finanzielle Hilfen des Staates (siehe c.)), saniert werden. Die bei der ursprünglichen Bank verbliebenen, nicht systemrelevanten Teile können erforderlichenfalls in einem Insolvenzverfahren geordnet abgewickelt werden102.
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§ 3 Abs. 1 KredReorgG. § 6 Abs. 3 KredReorgG. § 7 Abs. 2 KredReorgG. Siehe § 19 KredReorgG. Ausführlich zum „debt to equity swap“ unter 3.2.4 § 11 Abs. 1 S. 1 KredReorgG. Stengel, DB 2011, Beilage 4, 11 (15).
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2.3.4.3 Restrukturierungsfondsgesetz Zudem wurde ein Restrukturierungsfonds errichtet, der durch das Restrukturierungsfondsgesetz reguliert wird. In diesen Fonds müssen alle Kreditinstitute einen Beitrag leisten. Der Fonds dient „der Überwindung von Bestands- und Systemgefährdungen“ 103. Umso erstaunlicher ist es, dass nicht nur „systemrelevante“ Banken in den Fonds einzahlen müssen, sondern auch solche, die zweifelsfrei nicht systemrelevant sind104. Die Mittel aus dem Fonds können nach dem Erlass einer Übertragungsanordnung (siehe b.)) für verschiedene Maßnahmen verwendet werden105. Der Fonds kann selbst Brückeninstitut gründen oder Anteile an diesem erwerben, Garantien für das Brückeninstitut übernehmen oder sich an der Rekapitalisierung beteiligen, indem er stille Beteiligungen erwirbt oder sonstige Bestandteile der Eigenmittel übernimmt. 2.3.5 Trennbankengesetz Zwischenzeitlich hat der Bundestag das Trennbankengesetz106 beschlossen. Darin werden weitere Änderungen des KWG beschlossen, die die Aufstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen für Kreditinstitute zwingend vorschreibt. Hiermit hat der deutsche Gesetzgeber, nachdem er mit der Übertragungsanordnung zunächst die Eingriffsmaßnahmen erweitert hatte, nun auch die präventiven Maßnahmen erweitert. Diese Reihenfolge ist schlüssig, da bei Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes die Ergreifung akuter Maßnahmen deutlich wahrscheinlicher war. Mit der Implementierung der lange geforderten Bankentestamente wurde gewartet, bis eine europäische Vorlage vorhanden war. Zwischenergebnis Sämtliche Maßnahmen innerhalb dieser "Krisengesetzgebung" waren nachgelagert. Die Dringlichkeit des Agierens ließ wenig Spielraum für präventive Ansätze. Die Intention für zukünftige Szenarien war sicherlich vorhanden, aber Komplexität und Kompliziertheit der aktuellen Situation verengten den Blick auf die jetzt nötige und mögliche Form des Eingreifens.
103 104 105 106
§§ 2, 3 Abs. 1 RStruktFG. Zur Beitragspflicht zum Restrukturierungsfonds feyerabend/Behnes/Helios, DB 2011, Beilage 4, S. 30 ff. Siehe hierzu § 3 Abs. 2 Nr. 1 - 4 RStruktG. Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und finanzgruppen, Gesetz vom 07.08.2013, BGBl. S. 3090.
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3 Gesellschaftsrechtliche Instrumente im Vergleich In der Folge werden die gesellschaftsrechtlichen Instrumente des konventionellen Gesellschaftsrechts mit den abweichenden Regelungen für Kreditinstitute verglichen, die seit Inkrafttreten der Finanzmarktstabilisierungsgesetze gelten.
3.1 Kapitalmaßnahmen Im Mittelpunkt der Stabilisierungsgesetze stand das Bemühen des Staates „ein tragfähiges Instrumentarium zu schaffen, um die bestehenden Liquiditätsengpässe zeitnah zu überwinden und die Stabilität des deutschen Finanzmarktes zu stärken“107. Hierzu musste der Staat vor allen Dingen die Rekapitalisierung systemrelevanter Banken sicherstellen. Mit Erlass des FMStErgG wurde erstmals von einer Erleichterung von „Übernahmen zum Zweck der Stabilisierung“108 gesprochen. Fraglich ist, ob hierzu überhaupt neue rechtliche Instrumente geschaffen werden mussten oder ob die Kapitalmaßnahmen des Aktiengesetzes für eine entsprechende Rekapitalisierung nicht ausgereicht hätten. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff. AktG) ist in der Krise kein taugliches Mittel zur Unternehmenssanierung: Hier wird der Gesellschaft kein neues Kapital zugeführt109, es ändert sich lediglich die Bilanzposition von gezeichnetem Kapital und Rücklagen110. Auch die bedingte Kapitalerhöhung eignet sich zur Beschaffung neuen Kapitals in der Krise nicht, da diese nur an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen zur Vorbereitung einer Unternehmensverschmelzung oder zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer oder Vorstandsmitglieder erfolgen soll111. Diese beiden Kapitalmaßnahmen werden im Folgenden daher nur am Rande behandelt.
107 108 109 110 111
BT-DrS. 16/10600, S. 1. BT-DrS. 16/12100, S. 2. Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 298. Zutreffend Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 165. Zutreffend Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 165.
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Nachfolgend werden die einzelnen Kapitalmaßnahmen einander gegenübergestellt. 3.1.1 Ordentliche Kapitalerhöhung 3.1.1.1 Nach §§ 182 ff. AktG Die Rekapitalisierung einer AG kann zunächst über eine ordentliche Kapitalerhöhung im Rahmen einer Hauptversammlung beschlossen und durchgeführt werden. Hierbei werden gegen Einlagen neue Aktien ausgegeben. Jeder Aktionär kann im Rahmen seines Bezugsrechts verlangen, dass an ihn ein Kapitalanteil der neuen Aktien ausgegeben wird, der seinem bisherigen Anteil entspricht. Für eine ordentliche Kapitalerhöhung ist eine Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals erforderlich. Die Frist für die Einberufung einer Hauptversammlung beträgt 30 Tage; diese darf auch in Krisenzeiten nicht verkürzt werden112. Es bedarf also einer verhältnismäßig langen Vorlaufzeit für eine ordentliche Kapitalerhöhung113. Auch das bereits angesprochene Bezugsrecht der Altaktionäre ist in diesem Zusammenhang problematisch. Der Staat hatte nicht lediglich die Zuführung von Kapital, sondern auch einen Zugewinn an Mitspracherechten und als ultima ratio sogar eine Übernahme von Banken im Sinn114. Werden aber die Altaktionäre bei der Ausgabe neuer Aktien mit berücksichtigt, so kann der Staat nur geringe Anteile der Stimmrechte erwerben. Folglich müsste das Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen werden, wofür erneut eine Dreiviertelmehrheit des bei der Abstimmung vertretenen Kapitals erforderlich wäre. Darüber hinaus ist nach h.M. für jeden Bezugsrechtsausschluss ein sachlicher Grund erforderlich115. Ein solcher ist regelmäßig gegeben, wenn das Unternehmen saniert werden soll und ein Investor seine Hilfe von einer Mehrheitsbeteiligung abhängig macht116. Dies ist mit Sicherheit der Fall, wenn Banken staatliche Hilfe gewährt wird. Insoweit bestehen also keine Bedenken gegen einen BezugsrechtsausschlusS. Da die Stimmrechte der Aktaktionäre dadurch aber verwässert würden, ist eine so hohe Beteiligung kaum zu erwarten. Es besteht 112 113 114 115
116
Kubis, in: MüKo-AktG, § 123, Rn. 6; Drinhausen, in: Hölters, Aktiengesetz, §123, Rn. 17; Werner, in: Großkomm-AktG, § 123, Rn. 15. Zur frist bei satzungsmäßigem Anmeldeerfordernis: Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 123, Rn. 4. BT-DrS. 16/12100, S. 1. Grundlegend hierzu: BGH, Urteil vom 13.03.1978 - II ZR 142/76 (Kali & Salz), NJW 1978, 1316 ff.; BGH, Urteil vom 07.03.1994 - II ZR 52/93 (Deutsche Bank), NJW 1994, 1410 ff.; BGH, Urteil vom 23.06.1997 - II ZR 132/93 (Siemens/Nold), NJW 1997, 2815 ff.; Hüffer, AktG, § 186, Rn 25; a.A. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1924 ff.; Dreier, Der Bezugsrechtsausschluss im Aktienrecht, S. 55 ff. Hüffer, AktG, § 186, Rn. 31; Peifer, in: MüKo-AktG, § 186, Rn. 95; BGH, Urteil vom 19.04.1982 II ZR 55/81, NJW 1982, 2444 (2446); LG Heidelberg, Urteil vom 16.03.1988 II O 6/88 KfH, AG 1989, 447 f. .
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das Risiko, dass sich Altaktionäre ihre Zustimmung zu entsprechenden Beschlüssen teuer abkaufen lassen117. Eine Zustimmungspflicht der Altaktionäre könnte sich allenfalls aus gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten ergeben, die der BGH in der Girmes-Entscheidung krisenspezifisch (weiter-)entwickelt hat118. Die mitgliedschaftliche Treuepflicht gebietet im Grundsatz, auf die Interessen der Gesellschaft und die gesellschaftsbezogenen Belange der Mitaktionäre Rücksicht zu nehmen119. Aktionäre sind weder verpflichtet, sich an einer Kapitalerhöhung zu beteiligen120 noch können sie genötigt werden, den hierauf abzielenden Beschluss nicht zu blockieren121. Auch bei einer Kapitalerhöhung zur Unternehmenssanierung kann der Gesellschafter grundsätzlich nicht zur Mitwirkung an der Sanierung gezwungen werden122. Allerdings hat der BGH im Rahmen der Girmes-Entscheidung darauf hingewiesen, dass Aktionäre eine Sanierung der Gesellschaft nicht aus eigennützigen Gründen verhindern dürfen, wenn 1. bei Scheitern der Sanierungsmaßnahme der Zusammenbruch der Gesellschaft unvermeidlich 2. im Falle des Zusammenbruchs die Stellung des einzelnen Gesellschafters ungünstiger als bei einem Austritt aus der fortbestehenden Gesellschaft ist 3. die Durchführung der Sanierungsmaßnahme die Verfolgung des Gesellschaftszwecks nach objektiver Einschätzung nachhaltig sicherstellt 4. keine schonendere Sanierung möglich ist123. Darüber hinaus wird teilweise gefordert, dass die Aktionäre zuvor richtig, vollständig, klar und objektiv über die Krisensituation selbst, sowie das Sanierungskonzept informiert werden müssen124. Nach zutreffender Auffassung in der Literatur kann für den Fall, dass sich der Staat zum Schutz der Volkswirtschaft zur Rettung einer systemrelevanten Bank 117 118
119
120 121 122 123 124
Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 68ff.; Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (823); Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 196. Vgl. zu Treuepflichten der Aktionäre: BGH, Urteil vom 20.03.1995 - II ZR 205/94 (Girmes), BGHZ 129, 136 ff.; ferner auch BGHZ 103, 184 (195) (Linotype); Altmeppen, DB 1998, 49 ff; Joussen, BB 1992, 1075 ff. . Solveen, in: Hölters-AktG, § 53a, Rn. 17; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221; Bungeroth, in: MüKoAktG, Vor § 53a - § 75, Rn. 25. Wiedemann, in: Großkomm-AktG, § 182, Rn. 38 Schmidt, ZGR 1982, 519 (524 f.) Peifer, in: MüKo-AktG, § 182, Rn. 5, Priester, ZGR 1977, 445, (465). Peifer, in: MüKo-AktG, § 182, Rn. 5. BGH, Urteil vom 20.03.1995 - II ZR 205/94 (Girmes), BGHZ 129, 136 (152 f.); Schmidt, ZIP 1980, 328 (336); Timm, WM 1991, 481 (484 f.). Häsemeyer, ZHR 153 (1996), 109 (115); Henze/Notz, in: Großkomm-AktG, Anh. zu § 53a, Rn. 355.
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entschließt, regelmäßig vom Vorliegen der o.g. Voraussetzungen ausgegangen werden125. Der Staat wird wohl der einzige „Anleger“ sein, der das entsprechende Kapital zur Rettung einer systemrelevanten Bank aufbringen kann; er wird erst eingreifen, wenn Hilfe in einer Größenordnung benötigt wird, dass kein anderer Geldgeber zur Rettung in der Lage ist126. Für die staatliche Sanierung einer Bank geht man von folgenden Prämissen aus: die Stellung eines Aktionärs wäre niemals schlechter als beim Fortbestand der (maroden) Gesellschaft er bekommt zumindest noch eine, wenn auch geringe, Abfindung für den Fall eines sich meist anschließenden Squeeze-out127 die staatliche Rettung ist die einzige Maßnahme, die objektiv die Verfolgung des Gesellschaftszwecks nachhaltig sicherstellen kann nur durch staatliche Hilfen ist eine dauerhaft günstige Refinanzierung gesichert128. Folgt man der h. M., so sind treuwidrig abgegebene Stimmen nichtig129. Dann müsste ein Versammlungsleiter den Stimmen, die den Sanierungsbeschluss für eine systemrelevante Bank blockieren, die Gültigkeit versagen und diese bei der Zählung unberücksichtigt lassen. Zwar ist es richtig, dass ein Versammlungsleiter die Beweggründe der opponierenden Aktionäre nicht erfassen kann130, hier liegt jedoch ein Extremfall vor, in dem der Versammlungsleiter aufgrund der Alternativlosigkeit von einer Treuwidrigkeit ausgehen kann und muss131. Dies heißt nicht, dass es keiner Einzelfallbetrachtung mehr bedarf. Jedoch muss, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Sanierung auf andere Weise ermöglichen, von einer Nichtigkeit der Stimmen ausgegangen werden. Die Altaktionäre können weiterhin schützenswerte Gründe für die Versagung ihrer Zustimmung anführen. Dies kann jedoch nur ein Einwand sein, dass eine schonendere Sanierung möglich ist, die im Ergebnis genauso aussichtsreich ist132, was 125 126 127 128 129 130 131 132
Vgl. nur Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (824); a.A. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 84. Insoweit zutreffend Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 86, siehe auch: Hopt/Fleckner/ Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (825). Vgl. zum Squeeze-out bei der Hypo Real Estate: OLG München, Urteil vom 28.09.2011 7 U 711/11 (LG München I), NZG 2011, 1227 f. Wardenbach, GWR 2011, 496 (Anmerkung zu OLG München, NZG 2011, 1227 f.). Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a, Rn. 56; Hüffer, AktG, § 53a, Rn. 22; Bungeroth, in: MüKo-AktG, Vor § 53a, Rn. 42 m.w.N.. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 84; Schuster, ZGR 2010, 325 (334). Wann Götz einen solchen „eindeutigen Extremfall“ annehmen möchte, bleibt offen. Timm, WM 1991, 481 (485).
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im Fall von systemrelevanten Banken eher unwahrscheinlich sein wird. Ob man darauf vertrauen kann, dass die Versammlungsleiter entsprechend agieren und die treuwidrig abgegebenen Stimmen aufgrund ihrer Nichtigkeit die Geltung versagen, ist hingegen eine andere Frage. Hier wird zu Recht eingewandt, dass ein solches Vertrauen mit Blick auf die vom Sanierungserfolg abhängigen Interessen des Staates fahrlässig wäre133. Zudem könnte die bloße Nichtigkeit nicht mit hinreichender Sicherheit einen Kapitalerhöhungsbeschluss bewirken. Denn es müssen gem. § 182 Abs. 1 AktG 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals einer Kapitalerhöhung zustimmen. Nichtige stimmen werden als nicht abgegeben gewertet und somit nicht in die Zählung mit einbezogen. Sind also z. B. 100 von 100 Aktionären vertreten, müssten 75 dem Beschluss zustimmen. Würden also 26 treuwidrig mit nein Stimmen, wären dennoch nur 74 ja-Stimmen zu zählen. Der Beschluss wäre somit gescheitert. Zudem könnte die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister durch Anfechtungsklagen der opponierenden Aktionäre nach § 255 Abs. 1 AktG i. V. m. § 243 AktG verzögert werden134. Man kann einwenden, dass die Neuerungen durch das ARUG135 im Bereich des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG dem effektiven Einhalt gebieten. Danach kann, im Rahmen eines Eilverfahrens136, auf Antrag der Gesellschaft durch Beschluss festgestellt werden, dass die Anfechtungsklage einer Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses ins Handelsregister nicht entgegensteht. Ein solcher Beschluss kann schon dann ergehen, wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragssteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen. Ausnahme: es liegt ein besonders schwerer Rechtsverstoß vor. Im Rahmen eines Sanierungsbeschlusses wird das Interesse der schnellen Eintragung stets das der Aktionäre überwiegen. An dieser Stelle kommt erneut die Besonderheit einer systemrelevanten Bank zur Geltung: Bei der Sanierung eines realwirtschaftlichen Unternehmens würde der Eilrechtsschutz wohl meist rechtzeitig den Erfolg der Sanierung sicherstellen, da eine Insolvenz „über Nacht“ hier nur unter besonderen Umständen denkbar ist. Anders bei Großbanken: Hier muss damit gerechnet werden, dass es bei Bekanntwerden etwaiger Schwierigkeiten zu einem „run“ auf die Bank kommt und die Anleger dem Kreditinstitut massiv Kapital entziehen - so in Griechenland 2015. Auf diese Weise kann aus einer Krisensituation innerhalb weniger Stunden sogar eine Insolvenz resultieren. 133 134 135 136
Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 84, Schuster, ZGR 2010, 325 (334). Hierzu grundlegend: Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff; Goll/Schwörer, ZRP 2008, 77 ff; Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, § 245, Rn. 54 ff.; Hüffer, in: MüKo-AktG, § 245, Rn. 52 ff., m.w.N. Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie vom 30. Juli 2009, BGBl. S. 2479 ff. Teilweise auch als „Eilverfahren eigener Art“ bezeichnet, vgl. Hüffer, AktG, § 246a, Rn. 24.
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Der Eilrechtsschutz im Rahmen des Freigabeverfahrens kann die Risiken von Anfechtungsklagen somit nicht wirksam kompensieren137. Man kann also festhalten: Eine ordentliche Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss ist kein geeignetes Instrument zur schnellen und vor allem zuverlässigen Zuführung neuen Kapitals in der Krise ist. 3.1.1.2 Vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung Die Finanzmarktstabilisierungsgesetze sahen diverse neue Instrumente zur Regulierung des Finanzmarktes und zur Rekapitalisierung von Banken vor. Es wurden weitere Instrumente eingeführt, um das angeschlagene Vertrauen in den Finanzund Interbankenmarkt wieder zu stärken138. Es wurde ein rechtlicher Rahmen zur Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen geschaffen139. Im Folgenden soll nur auf die hier relevanten Rekapitalisierungsmaßnahmen und den Anteilserwerb eingegangen werden. Voraussetzungen Rekapitalisierungsmaßnahmen nach dem FMStBG konnten nur von "Unternehmen des Finanzsektors" in Anspruch genommen werden. Dies sind Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b KWG, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds Kapitalanlagengesellschaften gemischte Finanzholding-Gesellschaften oder beaufsichtigte Finanzkonglomeratsunternehmen (alle mit Sitz im Inland)140. Der Gesetzgeber hat es jedoch versäumt, den Begriff "Sitz" ebenfalls mit einer Legaldefinition zu versehen. Aufgrund der seit langem geführten Diskussion, was im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts unter dem Begriff „Sitz“ zu verstehen ist, hätte man Unklarheiten ausräumen können. Da im Rahmen der Definition der Unternehmen des Finanzsektors jedoch auf das KWG, das VAG und das InvG Bezug genommen wird, ist aus systematischen Gesichtspunkten auch in Bezug auf den Sitz der Gesellschaft auf diese Gesetze abzustellen, womit der Verwaltungssitz maßgeblich ist141. 137 138 139 140 141
Im Ergebnis ebenso: Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 86; a.A. wohl Hauser, fast-TrackKapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 203. BT-DrS. 16/10600, S. 9. Siehe dazu bereits unter 3.2.1. § 2 Abs. 1 fMStFG. Jaletzke/Magnusen, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 2 fMStFG, Rn. 12; Spindler, DStR 2008, 2268; Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl. 2008, § 24
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Über die Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen "entscheidet das Bundesministerium der Finanzen auf Antrag des Unternehmens des Finanzsektors nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Bedeutung des jeweils von der Stabilisierungsmaßnahme erfassten Unternehmens des Finanzsektors für die Finanzmarktstabilität, der Dringlichkeit und des Grundsatzes des möglichst effektiven und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des Fonds". Die Entscheidung über Maßnahmen nach dem FMStFG sowie die Verwaltung des Fonds wurden der Finanzmarktstabilisierungsanstalt übertragen. Stabilisierungsmaßnahmen in Form von Rekapitalisierung und Anteilserwerb sind subsidiär142. Der SoFFin soll eine Rekapitalisierung des gefährdeten Kreditinstituts oder einen Anteilserwerb nur dann durchführen, "wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und der vom Bund angestrebte Zweck sich nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt". Der Bund wurde ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, durch die Einzelheiten der Rekapitalisierung konkretisiert werden. Daraufhin wurde am 20.10.2008 die Finanzmarktstabilisierungsfondsverordnung (FMStFV) erlassen, die Rekapitalisierungsmaßnahmen konkretisiert und Stabilisierungsmaßnahmen unter Bedingungen stellen kann. Benötigte ein Institut Unterstützung, so musste zunächst ein Antrag auf Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen gestellt werden. Über diesen entscheidet der Lenkungsausschuss je nach Bedeutung des Unternehmens für die Finanzmarktstabilität, der Dringlichkeit und des Grundsatzes des möglichst effektiven und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des SoFFin . Dieses Antragserfordernis barg jedoch auch Konfliktpotenzial, da kein Vorstand eines Kreditinstituts durch eventuell voreilige Antragsstellung sein Gesicht verlieren wollte. Josef Ackermann, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, äußerte dazu: "Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden"143. So wurden staatliche Hilfsmaßnahmen zunächst nur von den Landesbanken, im weiteren Verlauf auch von der Hypo Real Estate und Anfang November 2008 auch von der der Commerzbank in Anspruch genommen144. Da das Grundkapital einer Aktiengesellschaft durch Ausnutzung des ebenfalls neu geschaffenen gesetzlich genehmigten Kapitals145 maximal um 50 % des vorhande-
142 143 144 145
Rn. 76; fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl. 2008, § 33 Rn. 24; Bähr, in: fahr/Kaulbach, VAG, 4. Aufl. 2007, § 7 Rn. 8 ff. Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 fMStFV. Der Spiegel, Bericht vom 18.10.2008, Deutsch Bank rückt von Renditeziel ab, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,584925,00.html. Vgl. zur Inanspruchnahme der Hilfsmaßnahmen: Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 209 f. Siehe hierzu unter Ziff. 2.
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nen Grundkapitals erhöht werden kann, hat der Gesetzgeber vereinfachte Bedingungen für eine ordentliche Kapitalerhöhung geschaffen. Einige Instrumente, die im Rahmen des gesetzlich genehmigten Kapitals Anwendung finden, wurden auch auf die vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung übertragen. Der Fonds wurde durch eine Vorauszahlung der Einlage von seiner Einlagepflicht befreit. Ein wesentliches Instrument wurde nicht übernommen: Die vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung darf erst dann erfolgen, wenn alle noch ausstehenden Einlagen auf das bisherige Grundkapital erlangt wurden146. Für eine Analogie fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens stetig nachgebessert und bewusst keine entsprechende Regelung aufgenommen hat147. Einberufung der Hauptversammlung Der Gesetzgeber hat in diesem Zuge auch die Einberufungsfrist der Hauptversammlung neu geregelt. Die Frist zur Einberufung einer Hauptversammlung muss 21 Tage (anstatt der in § 16 Abs. 4 WpÜG geregelten 14 Tage) betragen. Hiermit setzte der Gesetzgeber die Aktionärsrechterichtlinie148 um149, und hielt so noch die am 3. August 2009 ausgelaufene Umsetzungsfrist ein. Die satzungsmäßige Anmeldefrist wurde auf vier Tage reduziert und wird zur Einberufungsfrist von 21 Tagen dazugerechnet, so dass sich faktisch eine Frist von 25 Tagen ergibt150. Das Übernahmerecht sieht zudem weitere Erleichterungen für die Organisation der Hauptversammlung vor151. So ist die Gesellschaft bei der Wahl des Versammlungsortes frei152; die Mitteilungen an die Aktionäre, der Bericht des Vorstands und fristgerecht eingereichte Anträge von Aktionären sind allen Aktionären zugänglich und müssen nur in Kurzfassung bekannt gemacht werden153. Diese Erleichterungen gelten auch dann, wenn die Kapitalerhöhung nicht nur vom Fonds, sondern 146 147
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149 150 151 152
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Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 111. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 233 (Fn. 1099); vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des fMStErgG: Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 7 BeschlG, Rn. 2, die eine Analogiefähigkeit annehmen. Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, Abl. EU Nr. L 184, S. 17 ff. vom 14.07.2007. BT-DrS. 16/12100, S. 11. Ziemons, NZG 2009, 369 f.; Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2252); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 110; a.A. Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1. Siehe hierzu: Geibel, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 16, Rn. 88 ff.; Wackerbarth, in: MüKo-AktG, § 16 WpÜG, Rn. 47 ff. Nach Ziemons, NZG 2009, 369 bildet „die Zumutbarkeit der Aktionäre“ eine Grenze für die Ortswahl; ebenso für § 16 WpÜG: Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2005, § 16 Rn. 62; Geibel, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 16, Rn. 87; anders wohl noch Ziemons, BB 2008, 2635 (2639). Siehe § 16 Abs. 4 Satz 3, 6.
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auch oder ausschließlich von den Aktionären selbst oder Dritten gezeichnet werden kann oder wenn die Tagesordnung der Hauptversammlung zusätzlich zum Kapitalerhöhungsbeschluss noch andere Gegenstände enthält154. Jedoch muss die Regelung restriktiv dahingehend ausgelegt werden, dass davon nur solche Gegenstände erfasst sind, die zur Rettung des Instituts erforderlich sind und mit der Rekapitalisierungsmaßnahme in Zusammenhang stehen155. Bei zu weiter Auslegung der Norm würde sonst eine vereinfachte Kapitalerhöhung mit der damit verbundenen Absenkung des Aktionärsschutzes ausgeweitet156. Änderung der Mehrheitserfordernisse Als weitere sondergesellschaftsrechtliche Regelung hat der Gesetzgeber für Rekapitalisierungsmaßnahmen das Mehrheitserfordernis für einen Kapitalerhöhungsbeschluss auf die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen reduziert und somit auf ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG verzichtet. Er hat auch das Mehrheitserfordernis für den Bezugsrechtsausschluss auf zwei Drittel der abgegebenen Stimmen abgesenkt, also auf das nach Europarecht gerade noch zulässige Maß157. Es ist sogar eine einfache Mehrheit ausreichend, wenn bei der Beschlussfassung die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist (§ 7 Abs. 3 Satz 2 FMStBG)158. Etwaige entgegenstehende Satzungsregelungen müssen nicht beachtet werden. Darüber hinaus bedarf der Ausschluss des Bezugsrechts zur Zulassung des Fonds zur Übernahme der Aktien keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung, wie dies der BGH sonst in der Kali und Salz-Entscheidung159 gefordert hat. Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn das Bezugsrecht nicht ausschließlich zu Gunsten des SoFFin, sondern auch zu Gunsten Dritter ausgeschlossen wird. Nach § 7 Abs. 1 Satz 5 FMStBG gelten die "vorstehenden" Regelungen entsprechend, womit nach dem Wortlaut der Norm Abs. 3 nicht erfasst wäre. Der Gesetzesbegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass die Neufassung von Abs. 1 der Klarstel154
155
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157 158 159
Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des fMStErgG: Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 7 fMS, Rn. 14; Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (4); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2248 (2252); Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 7 BeschlG, Rn. 4; Ziemons, DB 2008, 2635 (2638). Brück/Schalast/Schanz, BB 2009, 1306 (1311); Ziemons, NZG 2009, 369; Hauser, fast-TrackKapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 235; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 110. Brück/Schalast/Schanz, BB 2009, 1306 (1311); nach Hauser würde die Norm ihren „Charakter als Sonderaktienrecht der Krise“ verlieren, vgl. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 235. BT-DrS. 16/12100, S. 11. Den Wortlaut als „ungenau“ bezeichnend: Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 236 (Fn 1112). BGH, Urteil vom 13.3.1978 - II ZR 142/76 (Kali und Salz), NJW 1978, 1316 (1317).
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lung darüber dient, "dass die in § 7 statuierten Erleichterungen nicht nur für Rekapitalisierungen unter ausschließlicher Beteiligung des Fonds gelten, sondern auch bzw. erst recht, wenn Aktionäre oder dritte die Möglichkeit erhalten, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen"160. Folglich kann das Bezugsrecht auch zu Gunsten Dritter bei Kapitalerhöhungen unter Beteiligung des SoFFin ausgeschlossen werden161. Aktienausgabe Es ist der Gesellschaft auch im Rahmen der vereinfachten ordentlichen Kapitalerhöhung möglich, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht auszugeben, bei denen der Vorzug nicht nachzahlbar ist. Dadurch zählen die Aktien zum Kernkapital. In § 7 Abs. 5 wird nicht auf § 5 Abs. 3 Satz 2 FMStBG verwiesen. Dieser erlaubt es dem Vorstand, einen Ausgabepreis unterhalb des Börsenkurses festzulegen. Man könnte somit im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 3 Satz 2 FMStBG ableiten, dass es dem Vorstand im Rahmen der vereinfachten ordentlichen Kapitalerhöhung nicht gestattet ist, die Aktien unterhalb des Börsenkurses auszugeben162. Dagegen spricht jedoch, dass im Rahmen der vereinfachten ordentlichen Kapitalerhöhung die Hauptversammlung selbst über den Bezugsrechtsausschluss und die Höhe des Ausgabebetrags entscheidet. Somit besteht eine wesentlich geringere Gefahr eines unangemessen niedrigen Ausgabepreises, als etwa im Rahmen des gesetzlich genehmigten Kapitals163. Richtigerweise wird man die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2 FMStBG lediglich als Hinweis lesen müssen, dass ausnahmsweise auch ein unter dem Börsenkurs liegender Ausgabebetrag rechtmäßig sein kann164. Falls der Ausgabepreis der Aktien unterhalb des Börsenkurses liegt, muss er sich daran messen lassen, ob sowohl die Interessen/Eigentumspositionen der Altaktionäre, als auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens angemessen berücksichtigt wurden, und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde165. Handelsregisterverfahren Wird eine vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung von der Gesellschaft durchgeführt, so wird der entsprechende Hauptversammlungsbeschlusses im vereinfachten Verfahren unverzüglich und ohne Prüfung des Registergerichts im Handelsregister 160 161 162 163 164 165
BT-DrS. 16/12100, S. 11. Im Ergebnis ebenso: Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 236. Ziemons, NZG 2009, 269 (371). Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 237. Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 5 BeschlG, Rn. 40; Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 236. BT-DrS. 16/10600, S. 11; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 5 fMS, Rn. 10.
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eingetragen. Das Registergericht kann die Eintragung nur dann verweigern, wenn der Hauptversammlungsbeschluss offensichtlich nichtig ist. Bezüglich der Nichtigkeitsgründe kann auf § 241 AktG zurückgegriffen werden166, zur Beurteilung der offensichtlichen Nichtigkeit auf die Rechtsprechung zu § 246a Abs. 2 AktG167. Das Registergericht muss somit prüfen, ob es bei umfassender rechtlicher Würdigung des Sachverhaltes eine andere Beurteilung für nicht oder kaum vertretbar hält168. Auch stehen der Eintragung von Beschlüssen der Hauptversammlung weder Klagen noch Anträge auf Erlass von Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren entgegen. Mit dieser Vorschrift wird den Aktionären jede Möglichkeit genommen, die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zu verhindern. Sie werden vielmehr vollständig auf einen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen. Ein einmal eingetragener Hauptversammlungsbeschlusses kann dabei auch durch eine auf Naturalrestitution gerichtete Klage nicht mehr beseitigt werden169. § 7c FMStBG ist durch seinen Wortlaut auf den Erhöhungsbeschluss beschränkt, womit die Durchführung der Kapitalerhöhung, die nach § 188 Abs. 1 AktG ebenfalls zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist, nicht erfasst ist. Würde dem Registergericht jedoch erlaubt, diesbezüglich eine vollständige rechtliche Prüfung durchzuführen, so wäre das Ziel des Gesetzgebers, einem Kreditinstitut möglichst schnell neues Kapital zuzuführen, verfehlt170. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen dafür, diese erweitert dahingehend auszulegen, dass dem Registergericht auch in Bezug auf die Durchführung der Kapitalerhöhung sowie die erforderlichen Satzungsänderungen keinerlei Prüfungskompetenz zusteht171.
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167 168 169 170
171
Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (5); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2253); ebenso Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 7 fMS, Rn. 20 zum wortgleichen § 7 Abs. 3 FMStBG a.F. Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 7 fMS, Rn. 20; Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2253). OLG frankfurt, ZIP 2008, 1966; OLG Düsseldorf, ZIP 2007, 380; OLG München, ZIP 2008, 2117; OLG Hamburg, ZIP 2004, 2288. Vgl. hierzu: Hüffer, in: MüKo-AktG, § 246a, Rn. 38; Hüffer, AktG, § 246a, Rn. 27; Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, § 246a, Rn. 41; Englisch, in: Hölters-AktG, § 246a, Rn. 55. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 238; ähnlich auch zum wortgleichen § 7 Abs. 3 fMStBG a.F., jedoch teilweise ohne Begründung: Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 7 fMS, Rn. 19; Ziemons, DB 2008, 2635 (2640); insoweit von einem Redaktionsversehen ausgehend: Jaletzke/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 7 BeschlG, Rn. 24. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 238; im Ergebnis ebenso zum wortgleichen § 7 Abs. 3 fMStBG a.F.: Jaletzke/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 7 BeschlG, Rn. 24; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 7 fMS, Rn. 19; Ziemons, DB 2008, 2635 (2640).
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3.1.2 Wandelschuldverschreibung und Bedingtes Kapital Das bedingte Kapital dient der bedarfsabhängigen Kapitalbeschaffung, allerdings nur zu bestimmten Zwecken auch und in umrissenen Grenzen172. Es dient der effektiven Absicherung eines Umtausch- oder Bezugsrechts auf junge Aktien, das die Gesellschaft Dritten einräumt173. 3.1.2.1 Wandelschuldverschreibung Wandelschuldverschreibungen sind Schuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird. Es handelt sich dabei also um eine Schuldverschreibung i. S. d. § 793 f. BGB kombiniert mit einem Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien der Gesellschaft, das jedoch rein schuldrechtlicher Natur ist174. Die Kombination aus Anleihe und dem Recht auf künftigen Aktienerwerb ist für den Gläubiger reizvoll, da er für den Fall, dass die Aktie im Wert steigt, von seinem Umtauschrecht Gebrauch machen und somit einen Gewinn verbuchen kann. Verliert die Aktie an Wert, wird der rationale Anleger die Rückzahlung seiner Einlage verlangen, um Verluste zu vermeiden175. Bisherige Regelungen Bislang kann bei Wandelschuldverschreibungen nach dem Wortlaut des § 221 Abs. 1 AktG nur der Gläubiger einen Umtausch in Aktien der Gesellschaft fordern (call-option). Jedoch wurden bereits in der Vergangenheit auch vertragliche Konstruktionen gewählt, wonach am Ende der Laufzeit der Wandelanleihe zwangsweise Anteile an der Gesellschaft ausgegeben werden - anstatt einer Rückzahlung des Betrags (mandatory convertible bonds) oder dass die Gesellschaft ein Wahlrecht hatte (put-option): Auszahlung oder Anteile (soft convertible bonds)176. Diese vertraglichen Konstruktionen sind nahezu allgemein als zulässig anerkannt177.
172 173 174 175
176 177
v. Dryander/Niggemann, in: Hölters-Aktiengesetz, § 192, Rn. 1. Fuchs, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 192, Rn. 1. Haberstock/Greitemann, in: Hölters, Aktiengesetz, § 221, Rn. 7; Hüffer, AktG, § 221, Rn. 5. Habersack, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 221, Rn. 10; Haberstock/Greitemann, in: Hölters, Aktiengesetz, § 221, Rn. 1, 7; Seiler, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, § 221, Rn. 5, m. w. N. Müller-Eising, GWR 2012, 77 (III. 1.). Vgl. hierzu sogleich.
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Da Kreditinstitute gerade in Krisenzeiten ein großes Interesse daran haben, zusätzliches Kernkapital zu schaffen, sind bedingt wandelbare Anleihen, sog. CoCos (condingent convertible bonds)178 ein interessantes Kapitalinstrument. Diese waren jedoch bislang nicht vom Wortlaut des § 221 AktG erfasst und wurden daher im Rahmen der „Aktienrechtsnovelle 2014“179 in den Gesetzesentwurf mit aufgenommen. Reform durch die Aktienrechtsnovelle 2014 Bislang war allgemein anerkannt, dass ein Wandlungsrecht auch der Gesellschaft zustehen kann180, was jedoch aufgrund mangelnder Kodifikation nur zurückhaltend genutzt wurde. Dies soll nun durch die Aktienrechtsnovelle nachgeholt werden181. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass nun auch eine bedingte Kapitalerhöhung für die Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten „aufgrund von“ Wandelschuldverschreibungen zulässig ist: Wandelanleihen, die der Gesellschaft ein Wandlungsrecht geben (reverse convertible bonds), fallen zukünftig also auch unter die Definition von Wandelschuldverschreibungen. Es wird ferner klargestellt, dass der Umtausch von Wandelschuldverschreibungen gegen Bezugsaktien keine Sacheinlage darstellt. Für das bedingte Kapital gilt eine Höchstgrenze, wonach dieses 50 % des Grundkapitals, das zur Zeit der Beschlussfassung vorhanden ist, nicht übersteigen darf. Sieht die Wandelschuldverschreibung ein Wandlungsrecht der Gesellschaft für den Fall vor, dass Zahlungsunfähigkeit droht, kann das bedingte Kapital die 50 %Schwelle jedoch überschreiten. Darüber hinaus gilt diese Schwelle nicht, wenn die Gesellschaft ein Kredit-institut ist und eine bedingte Kapitalerhöhung zu dem Zweck beschlossen wird, der Gesellschaft die Erfüllung eines Umtauschs zu ermöglichen, zu dem sie für den Fall einer Belastungssituation oder für den Fall berechtigt ist, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sie zur Ausübung anweist.
178 179
180 181
Vgl. hierzu die Arbeit von Heldt, Bedingtes Kapital und Anreizwirkungen bei Banken. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014), BT-DrS. 18/4349, vormals Aktienrechtsnovelle 2012 (BT-DrS. 17/8989) und Aktienrechtsnovelle 2011 (BT-DrS. 852/11). Dies ist bereits der dritte Versuch einer grundsätzlichen Novellierung des deutschen Aktienrechts, weshalb in der Literatur auch die Begriffe „Aktienrechtsnovelle 2012“ und „Aktienrechtsnovelle 2011“ verwendet werden. Müller-Eising, GWR 2010, 591, 593; BT-DrS. 18/4349, S. 27 („[…] Nunmehr wird gesetzlich klargestellt, […]“); BT-DrS. 17/8989, S. 17 („[…] Dass dies möglich ist, wird nun klargestellt“.). BT-DrS. 17/8989, S. 8.
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Motive für die Reform Durch die umgekehrte Wandelschuldverschreibung wird die Möglichkeit eines debt-equity-swap „auf Vorrat“ geschaffen, der die Umwandlung von Forderung in Eigenkapital problemlos ermöglicht182. Diese umgekehrte Wandelschuldverschreibung bietet sich insbesondere für Kreditinstitute an, da eine Insolvenz leichter abgewendet werden kann und weniger Druck auf den Staat entsteht, die Bank aus Steuermitteln zu rekapitalisieren183. Der Vorteil der Wandelschuldverschreibung mit einem Wandlungsrecht der Gesellschaft liegt in der flexiblen vertraglichen Ausgestaltung184. Eine Bank könnte die Unterschreitung zwingender Eigenkapitalvorgaben als Ereignis definieren, das zur Wandlung berechtigt. Dann könnte die Unterschreitung der entsprechenden Kennziffern quasi sofort wieder ausgeglichen werden. Außerdem denkbar wäre eine Pflichtwandlung oder die Wandlung auf Anordnung der BaFin185. 3.1.2.2 Bewertung der Reform Die Klarstellung hinsichtlich der umgekehrten Wandelschuldverschreibung ist schon lange überfällig. Sie stellt ein variables Kapitalinstrument dar, das die flexible Finanzierung der Gesellschaft sicherstellt. Eine Finanzierung mittels einer Wandelschuldverschreibung wird immer auch günstiger sein, als die Kapitalbeschaffung durch Aktien am Kapitalmarkt. Das macht dieses Instrument zusätzlich attraktiv. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft bestimmte „Wandlungsereignisse“ in die Schuldverschreibungen aufnehmen kann. So ist denkbar, dass Schuldverschreibungen ausgegeben werden, die ein Wandlungsrecht der Gesellschaft nur für den äußersten „Härtefall“, also einer drohenden Insolvenz vorsehen. Diese wird von der Zinslast am geringsten ausfallen. Darüber hinaus kann die Gesellschaft jedoch auch Schuldverschreibungen ausgeben, die ein Wandlungsrecht bereits beim Unterschreiten bestimmter Kapitalgrößen erlaubt. Dieses höhere Wandlungsrisiko seitens der Gesellschaft bekommt der Anleger mit höheren Zinsen vergütet. Die umgekehrte Wandelschuldverschreibung ist also zur flexiblen Finanzierung ein sehr attraktives Instrument. Probleme ergeben sich bezüglich der Ausnahme zur 50 %-Schwelle im Rahmen des genehmigten KapitalS. Der Referentenentwurf sah noch vor, dass diese generell „für Schuldverschreibungen nach Abs. 2 Nr. 1 mit Umtauschrecht der Gesell-
182 183 184 185
BT-DrS. 852/11, S. 19. BT-DrS. 852/11, S. 19. BT-DrS. 852/11, S. 19. BT-DrS. 852/11, S. 20.
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schaft“186nicht gilt. Dies wurde zu Recht kritisiert, da die Aushebelung der 50 %Schwelle, kombiniert mit einem uneingeschränkten Wandlungsrecht, der Gesellschaft einen weitreichenden Einfluss auf die Aktionärsstruktur und hoher Verwässerungsgefahr ermöglicht hätte187. Der Gesetzgeber hat angesichts dessen die Ausnahme für die Aufhebung der 50 %-Schwelle deutlich eingeengt und ist dabei übers Ziel hinaus geschossen188. Denn für Kreditinstitute kann nach § 10 Abs. 4 Satz 9 KWG bei der Begebung von sonstigem Kapital, das als Kernkapital angerechnet werden soll, vereinbart werden, dass es in einer Belastungssituation des Instituts oder auf Initiative der Bundesanstalt unter Berücksichtigung der Finanz- oder Solvabilitätslage innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen gewandelt wird (sog. „härteres Kernkapital“)189. Der Umfang des Kernkapitals hängt hier also maßgeblich vom Umfang des wandelbaren Hybridkapitals ab. Der Bundesrat wendet ein, dass auch im Vorfeld einer Krisensituation gewährleistet sein muss, dass das Kreditinstitut entsprechend reagieren kann: Um der Veränderungsgeschwindigkeit auf dem Finanzmarkt Paroli bieten zu können, muss das Institut berechtigt sein, im Vorfeld einer Krise die Eigen- und Kernkapitalreserven aufzustocken. Nur so kann es das Vertrauen der Finanzmärkte nachhaltig sichern. Kreditinstituten sollte also nicht nur eine entsprechend frühe Wandlung möglich sein. Es sollte auch die 50 %-Schwelle im Rahmen des bedingten Kapitals aufgehoben werden. Nicht gelöst wird auf diese Weise das Liquiditätsproblem des KreditinstitutS. Bei der umgekehrten Wandelschuldverschreibung handelt es sich um einen „Bilanztrick“. Dem Institut stehen keine neuen Finanzmittel zur Verfügung. Eine weitere Kreditvergabe wird also nur dadurch gewährleistet, dass die erforderliche Hinterlegung mit Eigenkapital sichergestellt wird. Steht kein Kapital zur Darlehensgewährung zur Verfügung, kann auch eine umgekehrte Wandelschuldverschreibung daran nichts ändern. Vereinfachtes bedingtes Kapital nach § 7 a FMStBG Eine bedingte Kapitalerhöhung kann im Rahmen einer Rekapitalisierung auch zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an den SoFFin als stiller Gesellschafter beschlossen werden. Dieses bedingte Kapital kann den Umfang von 50 % 186
187 188 189
RefE Aktienrechtsnovelle 2011 vom 02.11.2010, S. 4, abrufbar unter: http://www2.nwb.de/portal/content/ir/downloads/217907/RefE_Aktienrechtsnovelle_2011.pdf?refer rer=www.google.de. Müller-Eising, GWR 2010, 591 (III. 4.; IV.); ders., GWR 2012, 77 (III. 3.); kritisch ebenso Diekmann/Nolting, NZG 2011, 6 (8); Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2011, 217 (219). A. A. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2012, 380 (382). Müller-Eising, GWR 2010, 591 (III. 2.).
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des Grundkapitals auch überschreiten. Es ist keine Dreiviertelmehrheit, sondern nur noch die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Der Tausch von Schuldverschreibungen gegen Bezugsaktien sowie die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen gegen Einbringung von Vermögenseinlagen aus stillen Beteiligungen gelten nicht als Sacheinlage. Es ist ausreichend, wenn der Ermächtigungsbeschluss den Mindestausgabebetrag oder die Grundlagen für die Festlegung des Ausgabebetrags oder des Mindestausgabebetrages bestimmt. Es wird klargestellt, dass auch beim vereinfachten bedingten Kapital die Aktien in jedem Fall entsprechend dem Börsenkurs ausgegeben werden. Der Vorstand setzt sich damit keinem Haftungsrisiko aus. 3.1.3 Genehmigtes Kapital 3.1.3.1 Genehmigtes Kapital nach §§ 202 ff. AktG Ein weiteres Instrument zur Kapitalerhöhung bietet das genehmigte Kapital. Voraussetzung ist ein Genehmigtes Kapital oder im optimalen Fall sogar mehrere Kapitale. Die meisten börsennotierten Aktiengesellschaften verfügen über mehrere genehmigte Kapitale190. Um über diese Maßnahme der Bank einen möglichst großen Anteilserwerb zu gewährleisten, müsste auch hier das Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss bedarf nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur einer positiven sachlichen Rechtfertigung191. Er ist gem. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlage erfolgt, 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Dem Wortlaut der Norm, wonach der Bezugsrechtsausschluss „insbesondere" unter benannten Voraussetzungen zulässig sein soll, lässt sich entnehmen, dass dieser auch unter anderen Voraussetzungen zulässig sein kann. In diesen Fällen muss der Bezugsrechtsausschluss jedoch anhand der Kriterien der Eignung, der Erforderlichkeit, und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn beurteilt werden192. Der Bezugsrechtsausschluss kann entweder durch Beschluss der Hauptversammlung gesche-
190 191
192
Ziemons, DB 2008, 2635 (2636). Peifer, in: MüKo-AktG, § 186, Rn. 71; Hüffer, AktG, § 186, Rn. 25; Wiedemann, in: GroßkommAktG, § 186, Rn. 137; Grundlegend hierzu: BGH, Urteil vom 13.03.1978 - II ZR 142/76 (Kali & Salz), NJW 1978, 1316 ff.; BGH, Urteil vom 07.03.1994 - II ZR 52/93 (Deutsche Bank), NJW 1994, 1410 ff.; BGH, Urteil vom 23.06.1997 - II ZR 132/93 (Siemens/Nold), NJW 1997, 2815 ff.; a.A. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917 (1924 ff.); Dreier, Der Bezugsrechtsausschluss im Aktienrecht, S. 55 ff. Peifer, in: MüKo-AktG, § 186, Rn. 83; Wiedemann, in: Großkomm-AktG, § 186, Rn. 149.
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hen193 oder durch eine Ausschlussermächtigung194. Durch diese wird der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates ermächtigt, im Falle der Nutzung des genehmigten Kapitals das Bezugsrecht auszuschließen195. Problematisch ist in diesem Rahmen, dass der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen darf. Diese Kapitalmaßnahme eignet sich also zur schnellen Zuführung von Kapital nur in begrenzter Höhe. Auf diesem Weg kann maximal die Hälfte des Grundkapitals als neues Eigenkapital zugeführt werden. Die maximale Beteiligung an dem gefährdeten Kreditinstitut kann somit höchstens ein Drittel erreichen196. Das Risiko von Rechtsmitteln gegen den Beschluss oder die Maßnahme des Vorstands bleibt weiterhin bestehen. Fazit: Rasche und vor allem sichere Kapitalerhöhungen großen Ausmaßes waren mit den bisherigen aktienrechtlichen Instrumenten nicht zu bewerkstelligen197. 3.1.3.2 Gesetzlich genehmigtes Kapital nach § 3 FMStBG Durch § 3 Abs. 1 FMStBG wurde der Vorstand einer Bank bis zum 31. Dezember 2010 ermächtigt, durch die Ausgabe neuer Aktien das vorhandene Grundkapital um bis zu 50 % erhöhen. Hierfür war lediglich die Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich. Die Bezeichnung als gesetzlich "genehmigtes" Kapital ist hier jedoch unglücklich. Die vorliegende Form der Kapitalerhöhung hat mit dem klassischen gesetzlich genehmigten Kapital nach § 202 ff. AktG nichts gemein, da hierbei der Vorstand gerade von der Hauptversammlung ermächtigt wird, das Grundkapital um einen bestimmten Betrag zu erhöhen. Im Rahmen dieser Kapitalmaßnahme wird der Hauptversammlung jedoch durch § 3 Abs. 2 Satz 1 FMStBG genau dieses Mitwirkungsrecht abgesprochen198. Der Gesetzgeber hat hier also vielmehr eine neue, selbstständige Kapitalmaßnahme geschaffen.
193 194 195 196
197 198
So etwa bei BGHZ 125, 239 (Deutsche Bank) und bei BGHZ 136, 133 (Siemens/Nold). So etwa bei BGHZ 83, 319 (Holzmann) und bei BGHZ 144, 290 (adidas). Bayer, in: MüKo-AktG, § 203, Rn. 84. Hat eine Aktiengesellschaft etwa ein Stammkapital von € 1,0 Mio, so kann das genehmigte Kapital maximal 500.000 € betragen. Die neue Stammkapitalziffer beträgt somit bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals € 1,5 Mio, wobei die Beteiligung des neuen Investors 500.000 € beträgt und somit einem Drittel entspricht. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 205. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 224 bezeichnet die Kapitalmaßnahme insofern zutreffend als eine solche „sui generis“; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn. 1 spricht von einer „Legalermächtigung, [...] die fMS als Aktionär zu beteiligen“; kritisch zum Begriff auch Waclawik, ZIP 2008, 2339, der von einem „gesetzlich gewillkürten Kapital“ spricht.
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Das Bezugsrecht der Altaktionäre ist hier gesetzlich ausgeschlossen. Der SoFFin kann sich also ohne Mitwirkung der Aktionäre zu einem Drittel am Institut beteiligen. Ausnutzung und Einlagenzuordnung Teilweise wird vertreten, dass das gesetzlich genehmigte Kapital auf einmal ausgenutzt werden muss199. Dafür spricht sowohl der Wortlaut der Norm als auch die Tatsache, dass die Hauptversammlung etwaige weitere Kapitalerhöhungen bzw. die hierauf abzielenden Ermächtigungen beschließen kann, da hier der Zeitdruck, der für die Schaffung des gesetzlich genehmigten Kapitals ursächlich war, grundsätzlich nicht mehr vorliegt200. Sinn und Zweck der Regelungen des FMStBG war es jedoch, die Rechte der Altaktionäre nicht über Gebühr zu verwässern201. Eine Auslegung dahingehend, dass das gesetzlich genehmigte Kapital nicht in Tranchen ausgenutzt werden kann, würde dazu führen, dass der Vorstand im Falle von Unwägbarkeiten eventuell eine größere Kapitalerhöhung vornehmen würde, als zur eigentlichen Abwendung der Krise erforderlich wäre. Damit würden die Aktionärsrechte stärker verwässert als erforderlich. Bei teleologischer Auslegung kommt man also zu dem Schluss, dass das gesetzlich genehmigte Kapital auch in Tranchen ausgenutzt werden kann202. Eine weitere gesellschaftsrechtliche Sonderregelung findet sich in § 3 Abs. 4 FMStBG203, der den SoFFin ermächtigt, seine Einlage vorab zu leisten, und diese im Nachhinein seiner Einlagepflicht zuzuordnen204. Um einer Ausuferung nachträglicher Leistungs- oder Tilgungsbestimmungen entgegenzuwirken, muss die Norm in Anlehnung an die vom BGH205 aufgestellten Grundsätze dahingehend einschränkend ausgelegt werden, dass die Kapitalerhö-
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So etwa Ziemons, BB 2008, 2635 f.; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 100 f.; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn. 26. Ziemons, DB 2008, 2635 f; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn. 26 . BT-DrS. 1610600, S. 11. Im Ergebnis ebenso Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn. 12; a.A. Ziemons, BB 2008, 2635 f.; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 100 f.; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn. 26. § 5 Abs. 4 fMStBG daher als überflüssig erachtend: Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 5 BeschlG, Rn. 44; Hauser, fast-TrackKapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 229 (Fn 1082); offen von einem Redaktionsversehen sprechend Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 5 fMS, Rn. 13; Brück/Schalast/Schanz, BB 2008, 2526 (2531). Grundlegend zur Vorausleistung auf Kapitalerhöhungen: Priester, DStR 2010, 494 ff. BGH, Urteil vom 26.06.2006 - II ZR 43/05, BGHZ 168, 201 (zur GmbH).
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hung, auf welche sich die Zahlungen beziehen soll, zeitnah zur Einzahlung durchgeführt sowie einen sachlichen Bezug zu Kapitalerhöhung haben muss206. Anrechnung auf bestehende Kapitale Macht ein Kreditinstitut vom gesetzlich genehmigten Kapital Gebrauch, wird von den bereits genehmigten Kapitalen der Nennbetrag abgezogen, um den das Grundkapital erhöht werden soll207. Das Gesetz bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, wie die Anrechnung im Fall von mehreren bereits bestehenden genehmigten Kapitalen erfolgen soll. Die Anrechnung könnte sowohl anteilig, als auch in der Reihenfolge ihrer Entstehung (Prioritätsprinzip), erfolgen. Nach zutreffender Ansicht ist eine Anrechnung pro rata vorzunehmen, da sich aus dem Wortlaut der Norm und auch dem Normzweck nichts anderes entnehmen lässt208. Unklar ist, ob dies auch gilt, wenn für einzelne genehmigte Kapitale kein Bezugsrechtsausschluss besteht und ob dann auf den Ermächtigungszweck abgestellt werden kann. Dagegen könnte die Gesetzesbegründung sprechen, die nicht auf den Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses abstellt209. Es wird ausgeführt, dass die Rechte der Altaktionäre nicht über Gebühr verwässert werden dürfen210. Dem Willen des Gesetzgebers kommt eine vorrangige Anrechnung auf Kapitale mit Bezugsrechtsausschluss somit am nächsten. Darüber hinaus ist schwer nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber in einer Krisensituation, in der gerade die Zuführung von Kapital benötigt wird, den Kreditinstituten eine bereits geschaffene Möglichkeit zu Kapitalaufbringung versagen sollte211. Es müssen somit diejenigen Kapitale, die den Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechts ermächtigen, vorrangig reduziert werden. Andere Kapitale sollen bei
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209 210 211
Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn. 22; Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 229. Kritisch hierzu: Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 4 fMS, Rn. 1: „rechtspolitisch äußerst fragwürdig“; Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (3): „sachlich nicht erklärbar“. Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 4 BeschlG, Rn. 3; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 4 fMS, Rn. 3; Ziemons, BB 2008, 2635; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 102 f. . So zumindest Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 4 BeschlG, Rn. 3. BT-DrS. 16/10600, S. 11. Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 4 fMS, Rn. 1; Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (3); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 103 .
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der Anrechnung nicht oder nur mit dem entsprechenden Restbetrag berücksichtigt werden212. Ausgestaltung der Aktien Über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Ausgabe entscheidet der Vorstand mit Zustimmung des AufsichtsrateS. Die neuen Aktien können auch mit einem Gewinnvorzug und, bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens, mit einem Vorrang ausgestattet werden. In Abweichung zu § 139 AktG213 kann die Gesellschaft Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgeben, bei denen der Vorzug auch nicht nachzahlbar ist. Ob diese Kombination von Stimmrechtslosigkeit und fehlender Nachzahlbarkeit zulässig ist, wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Es wird kritisiert, dass in diesem Fall § 3 Abs. 2 Nr. 1 FMStFV entgegenstünde, wonach der SoFFin eine marktgerechte Vergütung anstreben soll, die den Gewinnbeteiligungsrechten der übrigen Gesellschafter vorgeht214. Allerdings stehen die Aktionäre mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien den anderen Gesellschaftern im Rahmen der Gewinnverteilung immer noch besser gegenüber215. Ferner kann auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 FMStFV schon aufgrund seines Verordnungscharakters nicht zurückgegriffen werden, um die vorliegende Regelung zu modifizieren216. Auch der Einwand, dass der Gesetzgeber § 139 Abs. 1 AktG nicht modifizieren wollte, überzeugt nicht. Vielmehr war ihm bewusst, dass diese Vorschrift eine sondergesellschaftsrechtliche Ausnahme zu § 139 Abs. 1 AktG darstellt217. Sinn und Zweck der Regelung war es, das Kernkapital der Gesellschaft zu stärken218. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn der Gewinnvorzug nicht nachzahlbar ist, da Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, bei denen der Gewinnvorzug
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So Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 4 fMS, Rn. 3; ähnlich Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 103; Wieneke/Fett, NZG 2009, 8 (10); wohl auch Ziemons, BB 2008, 2635; a.A. Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 4 BeschlG, Rn. 3. Der Gesetzgeber hat im Rahmen eines Referentenentwurfs eine Aktienrechtsnovelle vorgesehen, in der auch § 139 AktG dahingehend geändert werden soll, dass auch im normalen Aktienrecht Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, deren Vorzug nicht nachzahlbar ist, geschaffen werden sollen (Vgl. RefE- Aktienrechtsnovelle 2011, Art. 1, Nr. 9). So insbesondere Ziemons, BB 2008, 2635 (2636). Zutreffend Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 5 fMS, Rn. 4; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 103. Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 5 fMS, Rn. 4. Im Ergebnis ebenso: Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 5 BeschlG, Rn. 14. BT-DrS. 16/10600, S. 11, Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2247).
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nachzahlbar ist in § 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 KWG explizit ausgenommen sind und somit kein Kernkapital darstellen219. Fazit: Bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien, deren Gewinnvorzug nicht nachzahlbar ist, handelt es sich um eine zulässige Form der Unternehmensbeteiligung. Problematisch ist hingegen, dass § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG vorsieht, dass im Falle des Vorliegens mehrerer Aktiengattungen jeder einzelne in der Satzung aufgeführt ist. Stimmrechtslose Vorzugsaktien, bei denen der Gewinnvorzug nicht nachzahlbar ist, stellen eine eigene Gattung i. S. v. § 11 Abs. 1 AktG dar. Enthält die entsprechende Satzung des jeweiligen Kreditinstituts nun keine derartige Regel, so ist zusätzlich noch eine Satzungsänderung erforderlich. Umstritten ist, wem die Kompetenz für diese Satzungsänderung zukommt. Teilweise wird vertreten, dass § 3 Abs. 6 FMStBG diese Kompetenz dem Aufsichtsrat zuweist220. Dies wird von der Gegenmeinung mit der Begründung abgelehnt, dass der Wortlaut der Norm insoweit eindeutig sei, als hier auf die „vorstehenden“ Absätze abgestellt werde; gemeint seien ausschließlich die Absätze 1-5221. Diese formale Darstellung überzeugt jedoch nicht. Vielmehr muss man die Norm dahingehend verstehen, dass mit den vorstehenden Absätzen nicht namentlich die Abs. 1-5, sondern das Instrument des gesetzlich genehmigten Kapitals an sich gemeint ist222. Nach Sinn und Zweck der Regelungen zum gesetzlich genehmigten Kapital kann man von einer Ermächtigung des Aufsichtsrats zur Verfassungsänderung ausgehen, da sonst die angestrebte Zeitersparnis nicht erreichbar wäre. Eine Kapitalerhöhung ohne Mitwirkung der Hauptversammlung wäre zudem unmöglich223. Rechtsschutzmöglichkeiten Im Rahmen des gesetzlich genehmigten Kapitals wird erheblich in die Rechte der Altaktionäre eingegriffen. Wie können diese nun gegen die Ausnutzung des gesetzlich genehmigten Kapitals gerichtlich vorgehen? Denkbar wäre eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nach §§ 245, 249 AktG. Diese Vorschriften stehen jedoch im ersten Abschnitt "Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen" und können somit aufgrund ihrer systematischen Stellung im Gesetz nicht herangezogen werden. 219 220
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Vielmehr stellen diese Aktien nur- Kapital nach § 10 Abs. 2b Satz 1 Nr. 2 KWG dar. Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 5 BeschlG, Rn. 5; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 104; Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 226 f. Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 5 fMS, Rn. 5; Ziemons, BB 2008, 2635 (2636). Zutreffend Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 104. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 226 f.
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Das Bundesverfassungsgericht verneint auch - zu Recht - eine analoge Anwendung, da „sie [...] dem System der Aufgabenverteilung in einer Aktiengesellschaft zuwider [liefe], wonach die Geschäftsführung allein dem Vorstand zugewiesen ist und dessen Kontrolle grundsätzlich dem Aufsichtsrat obliegt“224. Für einen früh greifenden Rechtsschutz gibt es die Möglichkeit, die Eintragung der Kapitalerhöhung durch eine (vorbeugende) Unterlassungsklage zu verhindern225. Im Rahmen dieser Klage könnte der Gesellschaft oder dem Vorstand untersagt werden, weiter in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre einzugreifen226, wobei dies, um effektiven Rechtsschutz zu erhalten, stets auch mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verbunden werden müsste227. Diesbezüglich könnte eine analoge Anwendung von § 7c Satz 3 FMStBG auf das gesetzlich genehmigte Kapital in Betracht kommen. Diese Vorschrift ordnet für die vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung, das genehmigte und das bedingte Kapital (§§ 7 - 7b) an, dass Klagen und Anträge auf Erlass von Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren weder der Eintragung von Beschlüssen der Hauptversammlung noch der Umsetzung von damit verbundenen Beschlüssen entgegenstehen. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist jedoch explizit auf die drei o.g. Kapitalmaßnahmen beschränkt, weshalb es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt228. Ist die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister bereits erfolgt, kommt als Rechtsbehelf lediglich die allgemeine Feststellungsklage in Betracht229. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist sie zulässig, wenn es um die Ausnutzung des von der Hauptversammlung zuvor genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss geht230. Die Feststellungsklage ist auch für den hier vorlie224
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BVerfG, Beschluss vom 26.3.2009 - 1 BvR 119/09 (SoFFin), NJW 2009, 1331 (1332); ebenso Haertlein, NZG 2009, 576 (577); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 107; dies jedoch zumindest in Betracht ziehend: Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (8 ). So auch ausdrücklich das BVerfG, Beschluss vom 26.3.2009 - 1 BvR 119/09 (SoFFin), NJW 2009, 1331 (1332). vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. 10. 2005 - II ZR 90/03 (Mangusta/Commerzbank II), NJW 2006, 374; Bayer, in: MüKo-AktG, § 203, Rn. 175; Hüffer, AktG, § 203, Rn. 38 f.; Wiesner, in: Münchner Hdb. Gesellschaftsrecht, Bd. IV, 3. Aufl., § 18, Rn. 8ff.; Schlitt/Seiler, ZHR (166) 2002, 544 (575 f.); Bayer, NJW 2000, 2609 (2610 f.). Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, § 203, Rn. 116; Waclawik, ZIP 2008, 2339; Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2250); dies für unpraktikabel erachtend: Veranneman, GWR 2009, 57. Die Analogie ebenfalls als „problematisch“ sehend Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 231. BVerfG, Beschluss vom 26.3.2009 - 1 BvR 119/09 (SoFFin), NJW 2009, 1331 (1333). Siehe hierzu: BGH, Urteil vom 10. 10. 2005 - II ZR 90/03 (Mangusta/Commerzbank II), NJW 2006, 374 f.; Urteil vom 23.06.1997 - II ZR 132/93 (Siemens/Nold), NJW 1997, 2815 (2816); Urteil vom 25.02.1982 - II ZR 174/80 (Holzmüller), NJW 1982, 1703 (1704); Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, § 203, Rn. 110; Hüffer, AktG, § 203, Rn. 39; kritisch Bungert, BB 2005, 2757.
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genden Fall eines gesetzlich genehmigten Kapitals statthafter Rechtsbehelf: Dies rechtfertigt sich daraus, dass diese Konstellation mit der des durch die Hauptversammlung genehmigten Kapitals vergleichbar ist. Die Kontrolle des Vorstands obliegt in erster Linie dem Aufsichtsrat; diese Kontrolle greift jedoch beim genehmigten Kapital nicht, da sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat bei der Beschlussfassung mitgewirkt haben. Im Rahmen des gesetzlich genehmigten Kapitals gilt nichts anderes, da auch hier die Kapitalerhöhung vom Vorstand beschlossen und mit Zustimmung des Aufsichtsrates durchgeführt wird231. 3.1.3.3 Vereinfachtes genehmigtes Kapital nach § 7 b FMStBG Die Möglichkeiten zur Kapitalerhöhung werden durch das vereinfachte genehmigte Kapital abgerundet. Der Vorstand kann von der Hauptversammlung ermächtigt werden, das Grundkapital im Zusammenhang mit einer Rekapitalisierung durch Ausgabe neuer Aktien bis zu einem bestimmten Nennbetrag - gegen Einlagen - zu erhöhen Dieser Beschluss braucht eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Parallel zum bedingten Kapital entfällt auch für das vereinfachte genehmigte Kapital die Höchstgrenze von der Hälfte des GrundkapitalS. Beim Ausschluss des Bezugsrechts wird klargestellt, dass beim vereinfachten genehmigten Kapital der Aktienpreis dem Börsenkurs entspricht. Der Vorstand setzt sich keinem Haftungsrisiko auS. Für diesen Fall benötigt der Beschluss der Hauptversammlung jedoch grundsätzlich eine Zweidrittel-mehrheit. Die einfache Mehrheit reicht nur, wenn die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist. Die Einberufung der Hauptversammlung kann ebenfalls unter vereinfachten Bedingungen erfolgen. Für den Rechtsschutz gelten oben angeführte Bedingungen entsprechend232.
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BVerfG, Beschluss vom 26.3.2009 - 1 BvR 119/09 (SoFFin), NJW 2009, 1331 (1333); im Ergebnis ebenfalls für eine Anwendung der allgemeinen feststellungsklage: Spindler, DStR 2008, 2268 (2274); Waclawik, ZIP 2008, 2339; Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 232; wohl auch Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 107. Vgl. Ziff. 2.4.
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3.1.4 Kapitalschnitt 3.1.4.1 Kapitalschnitt nach AktG Ein Kapitalschnitt ist die Durchführung einer vereinfachten Kapitalherabsetzung, verbunden mit einer sofortigen Kapitalerhöhung gegen Einlagen, die der Deckung einer Unterbilanz dient233. Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist nur beschränkt zulässig und wird praktisch nur zu Sanierungszwecken, sprich, zur Ausgleichung von Wertminderungen, verwendet. Sie ist nur dann zulässig, wenn alle Gewinnrücklagen aufgelöst sind und kein Gewinnvortrag vorhanden ist. Die Kapitalherabsetzung soll lediglich eine Anpassung des Grundkapitals an die tatsächliche Vermögenslage durch entsprechende Umbuchung (sog. Buchsanierung) bewirken, dient also nur der Deckung einer Unterbilanz234. Für die Beschlussfassung gilt ebenfalls eine Dreiviertelmehrheit, so dass man sich fragen muss, weshalb die Kapitalherabsetzung „vereinfacht“ sein soll. Maßgeblich für diese Bezeichnung ist, dass die Gläubigerschutzvorschrift des § 225 AktG keine Anwendung findet: Dies bedeutet, dass die Gläubiger zum einen darüber nicht unterrichten werden müssen und zum anderen keine Sicherheit geleistet werden musS. Sowohl Zahlungen an die Aktionäre aus den frei gewordenen Mitteln als auch ihre Befreiung von der Einlagepflicht sind untersagt. Zweck für den Beschluss der Herabsetzung muss entweder die Deckung von Verlusten oder das Einstellen in die gesetzliche- oder in die Kapitalrücklage sein. Um die Umgehung der Vorschrift zu vermeiden, wurde geregelt, dass auch in den beiden darauffolgenden Jahren lediglich eine Einstellung in die Kapitalrücklage erfolgen darf, nicht hingegen eine Auszahlung an die Aktionäre. Durch diesen Regelungskomplex wird klar, dass die vereinfachte Kapitalherabsetzung einzig und allein der Verlustdeckung und somit der Unternehmenssanierung dient. Sobald die Verluste durch die Kapitalherabsetzung getilgt sind, können neue Investoren ihre Anteile übernehmen, die dann dem tatsächlichen Wert ihrer finanziellen Beteiligung entsprechen, ohne an den vorausgegangenen Verlusten zu partizipieren.
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Haberstock/Greitemann, in: Hölters-Aktiengesetz, § 229, Rn. 5; Marsch-Barner, in: Spindler/StilzAktiengesetz, § 229, Rn. 2; Kreplin, in: Nerlich/Kreplin, Münchener Anwaltshandbuch, § 9, Rn. 15; Heidinger, in: Beck'scher Online-Kommentar GmbHG, § 1 EGGmbhG, Rn. 16. Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, AktG, § 229, Rn. 1; Hüffer, AktG, § 229, Rn. 2, m. w. N.
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3.1.4.2 Vereinfachter Kapitalschnitt nach § 7 Abs. 6 FMStBG Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit einer Kapitalherabsetzung unter vereinfachten Voraussetzungen geschaffen235. Dies wurde als notwendig erachtet, da im Rahmen einer Rekapitalisierungsmaßnahme auch eine Kapitalherabsetzung erforderlich sein könnte236. Dadurch wird eine übermäßige Belastung des Steuerzahlers verhindert und ein Anreiz für potentielle Investoren geschaffen. Es ist nicht einzusehen, weshalb sich der SoFFin ohne vorherigen Kapitalschnitt an einem gefährdeten Kreditinstitut beteiligen sollte: Er würde an Verlusten partizipieren, die vor seiner Beteiligung erwirtschaftet wurden. Der SoFFin kann durch diese Maßnahme mit seiner Einlage eine Beteiligung erhalten, die dem tatsächlichen Wert des Finanzunternehmens entspricht237. Die Kapitalherabsetzung ist hier mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen möglich, sofern es sich um eine Rekapitalisierungsmaßnahme handelt. 3.1.5 Zwischenergebnis Die genannten nachgelagerten Maßnahmen waren zu diesem Zeitpunkt notwendig, um die Krise einzudämmen. Die Intention war, Banken schnell, einfach und möglichst ohne Beteiligung der Anteilseigner wieder mit Kapital zu versorgen. Die Institute sollten stabilisiert, die Ausübung des Geschäfts gewährleistet, die Anleger geschützt und/oder beruhigt werden. Nervösem Verhalten der Anteilseigner sollte durch vertrauensbildende Maßnahmen des Staates als Souverän entgegengewirkt werden. Wichtig war auch die Eindämmung der Ansteckungsgefahr. Es galt, einen möglichen Run auf die Bank zu vermeiden.
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Diese Norm ist ein gutes Beispiel für die immer mehr zunehmende Unfähigkeit des Gesetzgebers, verständliche Normen zu formulieren. So finden sich in sieben Sätzen acht (!) Verweisungen auf insgesamt drei verschiedene Gesetze. BT-DrS. 16/12100, S. 12. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 113; zum Kapitalschnitt im Rahmen der Unternehmenssanierung: Oechsler, in: MüKo-AktG, § 229, Rn. 5 ff.; Hüffer, AktG, § 229, Rn. 1 f.; MarschBarner, in: Spindler/Stilz, AktG, § 229, Rn. 1 ff.
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3.2 Recht- und Zweckmäßigkeit der Sonderregelungen Die sondergesellschaftsrechtlichen Regelungen für Kreditinstitute weichen, wie eben dargestellt, teils drastisch von denen des konventionellen Gesellschaftsrechts ab. Es stellen sich vor allem Fragen hinsichtlich Verfassungs- und Europarechtskonformität. Im Anschluss werden die jeweiligen Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft, insbesondere ob sie ein für die Krise taugliches Sondergesellschaftsrecht darstellen. 3.2.1 Verstoß gegen Europarecht? Schon früh wurden Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des FMStBG mit dem Europarecht geäußert238. Es wurden sowohl Verstöße gegen die Kapitalrichtlinie 239 als auch gegen die Aktionärsrechterichtlinie240 gesehen. Die Kapitalrichtlinie ist sowohl für das europäische, als auch für das nationale Gesellschaftsrecht von großer Bedeutung. Durch sie wurden Standards für die Errichtung und die Transparenz von Aktiengesellschaften aufgestellt und ein strenger Rahmen für Kapitalmaßnahmen innerhalb einer Aktiengesellschaft geschaffen. Die Aktionäre sollten geschützt werden durch die Beteiligung der Hauptversammlung an Kapitalmaßnahmen durch die Einführung eines gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre und durch den Gleichbehandlungsgrundsatz der Aktionäre 241.
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Ziemons, Börsenzeitung vom 30.10.2008 (Nr. 210), S. 3; Hellwig, fAZ vom 4.11.2008, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/finanzmarktkrise-das-rettungspaketverstoesst-gegen-europarecht-1725389.html; Binder, WM 2008, 2340 (2347); Brück/Schalast/Schanz, BB 2008, 2526 (2531); Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (826); Roitzsch/Wächter, DZWIR 2008, 1 (2); Spindler, DStR 2008, 2268 (2273 f.); Waclawik, ZIP 2008, 2339; a.A. schon damals Gehling, Börsenzeitung vom 03.12.2008 (Nr. 234), S. 2, später auch Noack, AG 2009, 227 (230). Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten; ABl. L 26 vom 31.1.1977, S. 1 ff. (Kapitalrichtlinie). Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. L 184, S.17 ff. vom 14.07.2008 (Aktionärsrechterichtlinie). Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 6, Rn. 1 ff.; Weller, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 18, Rn. 46 ff.
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Die Aktionärsrechte-Richtlinie wurde im Jahr 2007 erlassen und erfasst insbesondere die Mitbestimmungsrechte der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung. Es soll gewährleistet werden, dass alle Hauptversammlungen rechtzeitig einberufen werden und alle relevanten Unterlagen bereitgestellt sind. Jegliche Form der Aktiensperrung vor der Hauptversammlung sowie alle rechtlichen Hindernisse für die Beteiligung an Hauptversammlungen auf elektronischem Wege sollen beseitigt werden: Auch Aktionären, die nicht im räumlichen Einzugsgebiet der Gesellschaft ansässig sind, sollen eine unkomplizierte Möglichkeit zur Ausübung ihres Stimmrechts haben, die nicht an die persönliche Anwesenheit bei der Hauptversammlung gebunden ist242. In der Literatur wurde nur vereinzelt darauf hingewiesen, dass die bisherige Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zur Aktiengesellschaft in der Krise nicht auf systemrelevante Kreditinstitute anzuwenden sei und die Regelungen daher europarechtskonform ausgelegt werden könnten243. Es gilt daher zu prüfen, ob die Maßnahmen aus dem FMStBG tatsächlich gegen die genannten Richtlinien verstoßen und welche Rechtsfolgen sich gegebenenfalls hieraus ergeben. Auch die Übertragbarkeit der bisherigen Krisen-Rechtsprechung des EuGH auf die Krise einer systemrelevanten Bank ist zu untersuchen. 3.2.1.1 Vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung Außerdem ist zu prüfen, ob die diversen Erleichterungen im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung europarechtlich zulässig sind. Vereinfachte Einberufung Nach der Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 FMStBG hat die Einberufung der Hauptversammlung spätestens am 21. Tag vor der Hauptversammlung zu erfolgen. Diese Neuregelung ist notwendig geworden, da die ursprüngliche Regelung, die eine Einberufungsfrist von nur einem Tag vorsah, die Zuständigkeit der Hauptversammlung für Kapitalerhöhungen praktisch überging und somit nicht mit Art. 25 der Kapitalrichtlinie vereinbar war244. Durch die Umsetzung der 21-Tages Frist durch das FMStBG bestehen keine Bedenken mehr gegen die Europarechtskonformität der Vorschrift245. 242 243 244
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Noack, NZG 2006, 321; vgl. auch Ratschow, DStR 2007, 1402; Zetzsche, NZG 2007, 686; Böttcher, NZG 2008, 481 ff. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 180. Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1251); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2251); Wieneke/Fett, NZG 2009, 8 (11); Noack, AG 2009, 227 (231); Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 273. Vgl. zum Verfahren der Hypo Real Estate die Vorlage des LG München I, Vorlagebeschluss vom 08.04.2010 - 5 HK O 12377/09 (HRE), ZIP 2010, 789 ff. sowie die Entscheidung des EuGH, Be-
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Mehrheitserfordernisse Bezüglich der Mehrheitserfordernisse im Rahmen einer ordentlichen Kapitalerhöhung macht die Kapitalrichtlinie dem nationalen Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben. Es spricht somit nichts gegen eine einfache Mehrheit im Rahmen des Kapitalerhöhungsbeschlusses nach § 7 Abs. 2 FMStBG246. Bezugsrechtsausschluss Der Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre bedarf gem. Art. 29 Abs. 4 Satz 4 i. V. m. Art. 40 Abs. 1 und 2 der Kapitalrichtlinie einer Zweidrittelmehrheit. Dem nationalen Gesetzgeber wird dabei explizit gestattet, festzulegen, dass die einfache Stimmenmehrheit ausreicht, falls mindestens die Hälfte des Grundkapitals bei der Abstimmung vertreten ist. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 und § 7b Abs. 2 FMStBG Gebrauch gemacht, so dass insoweit keine Bedenken bestehen247. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass sich der Bezugsrechtsausschluss in Form einer Inhaltskontrolle am Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes messen lassen muss248. In der Kapitalrichtlinie wird definiert, dass vom nationalen Gesetzgeber sichergestellt werden muss, dass bei „Anwendung dieser Richtlinie [...] die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten die Gleichbehandlung der Aktionäre sicherstellen, die sich in denselben Verhältnissen befinden“. Der europäische Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass Art. 29 Abs. 4 der Kapitalrichtlinie vorsehe, dass der Ausgabekurs der neuen Aktien durch den Bericht des Vorstandes gerechtfertigt sein musS. Er darf gegebenenfalls auch unter dem Marktwert der Aktien liegen, da sonst ein unter diesem Wert liegender Ausgabepreis der Aktien von der Hauptversammlung nicht festgelegt werden könnte: Damit würde die Beschlusskompetenz der Hauptversammlung verkürzt249. Nach der
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schluss vom 24.03.2011, C-194/10, NZG 2011, 622 (624), wonach die Regelung ohne weiteres europarechtskonform sei. In dem zu entscheidenden fall kam es darauf jedoch nicht an, da die Einberufungsfrist mit 29 Tagen in jedem fall gewahrt war. Von der Vorwirkung der Richtlinie ausgehend: Ziemons, DB 2008, 2635 (2639); Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1250); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (93); allgemein hierzu: Langenbucher, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, § 1, Rn. 100 ff. Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1250); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (94 f.); Drinkuth, die Kapitalrichtlinie - Mindest-oder höchsten Norm?, S. 224; Grundmann, europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 353; Habersack, europäisches Gesellschaftsrecht, § 6, Rn. 61. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 189. Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1251 f.); Baldamus, Reform der Kapitalrichtlinie, S. 214; Grundmann, europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 360; Verse, der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 107 f., S. 457 ff.; Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 275. EuGH, Urteil vom 18.12.2008 - RS. C-338/06, NZG 2009, 187 (189) (Kommission/Spanien).
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in der Literatur vertretenen Ansicht ergibt sich aus der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf den Bezugsrechtsausschluss jedoch keine Einschränkung der Beschlusskompetenz der Hauptversammlung, da der Beschluss lediglich daraufhin zu überprüfen sei, ob die Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Aktionäre hinsichtlich des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt ist250. Dies ist auch richtig, da ein unter dem Marktwert liegender Ausgabepreis der Aktien durchaus auch im Interesse der Gesellschaft liegen kann. Es darf dabei jedoch nicht vom Gleichbehandlungsgebot abgewichen werden. Im Ergebnis findet somit keine Inhaltskontrolle des Beschlusses zum Ausschluss des Bezugsrechts hinsichtlich einer sachlichen Rechtfertigung statt. Vielmehr ist § 7 Abs. 3 Satz 4 FMStBG dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass die Überprüfung der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes der Aktionäre weiterhin stattzufinden hat251. Das gesetzlich genehmigte Kapital nach § 3 FMStBG Besonders kritisiert wurde anfänglich das gesetzlich genehmigte Kapital. Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie sieht vor, dass jede Kapitalerhöhung von der Hauptversammlung beschlossen werden musS. Somit ist nach dem Wortlaut der Norm davon auszugehen, dass tatsächlich alle Formen der Kapitalerhöhung eines Hauptversammlungsbeschlusses bedürfen, auch wenn die Kapitalrichtlinie für das gesetzlich genehmigte Kapital keinerlei weiteren Regelungen enthält252. Von diesem Grundsatz weicht das FMStBG ab: Die Kompetenz zur Ausnutzung des gesetzlich genehmigten Kapitals wird dem Vorstand übertragen, ein Mitwirkungsrecht der Hauptversammlung ist ausgeschlossen. Im Rahmen des gesetzlich genehmigten Kapitals kann auch nicht auf Art. 25 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie zurückgegriffen werden, wonach der Vorstand zur Entscheidung über eine Kapitalerhöhung durch die Satzung, den Errichtungsakt oder die Hauptversammlung bis zu einem Höchstbetrag ermächtigt werden kann. In diesem Rahmen ist eine Ermächtigung durch die Hauptversammlung, und keinesfalls seitens des Gesetzgebers vorgesehen253.
250 251 252 253
Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1252); Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 275. Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1252); Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 276; im Ergebnis ebenso Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 191. Ebenso Mock, EuR 2009, 693 (697), der zudem auf die englische und die französische Sprachfassung der Kapitalschutzrichtlinie abstellt (Fn 19). Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 11; Mock, EuR 2009, 693 (697); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 170; a.A. Ziemons, Börsenzeitung vom 30.10.2008 (Nr. 210), S. 3; Wieneke/Fett, NZG 2009, 8 (11);.
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3.2.1.2 Sanierungs-Rechtsprechung des EuGH im Überblick Der europäische Gerichtshof hat sich bereits in diversen Entscheidungen mit Verstößen gegen die Kapitalrichtlinie im Rahmen der Sanierung existenzbedrohter Aktiengesellschaften auseinandergesetzt254. Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auch auf systemrelevante Banken übertragbar ist, die im Zuge der Finanzmarktkrise in Not geraten sind. Karella und Karellas Zunächst hatte der europäische Gerichtshof im Jahr 1991 im Karella und Karellas-Urteil über die Frage zu befinden, ob die Kapitalrichtlinie verletzt wird, wenn der Vorstand einer Aktiengesellschaft gesetzlich zu einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss der Hauptversammlung ermächtigt wird. Dem Vorstand eines staatlich kontrollierten Unternehmens wurde die Befugnis erteilt, die Geschäftsführung von in Not geratenen anderen realwirtschaftlichen Unternehmen zu übernehmen. Das Gericht weist darauf hin, dass auch in diesem Fall nicht vom Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit der Hauptversammlung abgewichen werden darf, da die Richtlinie gerade sicherstellen soll, dass insbesondere bei Vorgängen wie „der Erhöhung und der Herabsetzung [des] Kapitals [der Gesellschaft] die Rechte der Gesellschafter und Dritter gewahrt werden“255. Der EuGH führt weiter aus, dass die Kapitalrichtlinie gemäß Artikel 54 Abs. 3 g EWG-Vertrag (inzwischen Art. 50 Abs. 2 g AEUV) in allen Mitgliedstaaten ein Mindestmaß des Schutzes für Aktionäre bezweckt256. Eben jenes Ziel ist nach der Rechtsprechung des EuGH gefährdet, wenn die einzelnen Mitgliedstaaten hiervon abweichende Regelungen erlassen könnten; im Einzelnen hat das Gericht ausgeführt: „Insoweit ist festzustellen, dass weder im EWG-Vertrag noch in der Zweiten Richtlinie selbst Abweichungsbestimmungen vorgesehen sind, die es den Mitgliedstaaten erlauben, in Krisensituationen von Artikel 25 Absatz 1 dieser Richtlinie abzuweichen. Im Gegenteil sieht Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie ausdrücklich vor, dass bei schweren Verlusten des gezeichneten 254
255 256
EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691 (Karella und Karellas); hierzu Klinke, ZGR 1993, 1 (22); EuGH, Urteil vom 24.3.1992 - Rs C-381/89, Slg. 1992 I-2111 (Evangelikis Ekklisias); EuGH, Urteil vom 12. 11. 1992 - RS. C-134/91 und C-135/91, Slg 1992 I5699 (Kerafina); EuGH, Urteil vom 12.5.1998 - RS. C- 367/96, Slg. 1998, I-2843 (Kefalas). EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 30 (Karella und Karellas). EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 25 ff. (Karella und Karellas).
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Kapitals die Hauptversammlung innerhalb einer durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmenden Frist einberufen werden muss, um zu prüfen, ob die Gesellschaft aufzulösen ist oder andere Maßnahmen zu ergreifen sind. Diese Bestimmung bestätigt somit den in Artikel 25 Absatz 1 aufgestellten Grundsatz und findet auch auf den Fall Anwendung, dass sich die betreffende Gesellschaft in ernstlichen finanziellen Schwierigkeiten befindet.“257 Der EuGH hat somit im Grundsatz entschieden, dass die einzelnen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht berechtigt sind, von der Kapitalrichtlinie abweichende Gesetze zu erlassen. Evangelikis Ekklisias Die ebenfalls aus dem Jahr 1992 stammende Rechtssache Evangelikis Ekklisias258 wies ähnliche Vorlagefragen auf wie Karella und KarellaS. So bekam der EuGH schnell die Möglichkeit, seine Rechtsprechung zu bestätigen259 und diese dahingehend zu ergänzen, dass aufgrund der klaren, genauen und unbedingten Formulierung des Artikels 29 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie diese Regelung ebenfalls direkt angewendet wird260. Pafitis Nur vier Jahre später hatte der EuGH im Rahmen der Rechtssache Pafitis erneut über die Vereinbarkeit von nationalen Vorschriften mit der Kapitalrichtlinie zu entscheiden. Im Unterschied zu den bislang entschiedenen Rechtssachen war diese Regelung auf Kreditinstitute, nicht auch Unternehmen der Realwirtschaft zugeschnitten. Das Gericht entschied, dass auch für Banken nichts anderes gelte. Einer Regelung, die den Vorstand dazu ermächtigt, das Grundkapital einer als Aktiengesellschaft ausgestalteten Bank, die sich aufgrund hoher Verschuldung in akuter Insolvenzgefahr befindet, ohne Mitwirkung der Hauptversammlung zu erhöhen, steht Art. 25 der Kapitalrichtlinie entgegen261. Der EuGH festigte zudem seine Rechtsprechung, indem er wie in den Rechtssachen Karella und Karellas sowie Evangelikis Ekklisias erneut darauf verwies, dass die Kapitalrichtlinie „in allen Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Schutz für die Aktionäre gewährleisten [soll]“ und „dieses Ziel [...] ernstlich in Frage gestellt [wäre], wenn die Mitgliedstaaten von den Bestim257 258 259 260 261
EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 28 (Karella und Karellas). EuGH, Urteil vom 24.3.1992 - RS. C-381/89, Slg. 1992 I-2111 (Evangelikis Ekklisias). EuGH, Urteil vom 24.3.1992 - RS. C-381/89, Slg. 1992 I-2111, Rn 38 (Evangelikis Ekklisias). EuGH, Urteil vom 24.3.1992 - RS. C-381/89, Slg. 1992 I-2111, Rn 39 ff. (Evangelikis Ekklisias). EuGH, Urteil vom 12.03.1996 - RS. C- 441/93, Slg 1996, I-1347, Rn 18 ff. (Pafitis).
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mungen der Richtlinie abweichen könnten, indem sie Regelungen - auch wenn sie als Sonder- oder Ausnahmeregelungen bezeichnet werden - beibehalten, die es erlauben, ohne irgendeinen Beschluss der Hauptversammlung der Aktionäre durch eine Verwaltungsmaßnahme eine Erhöhung des Grundkapitals zu beschließen“262. Kefalas Auch in der im Jahr 1998 vom EuGH verhandelten Rechtssache Kefalas263 festigte der Gerichtshof seine Rechtsprechung dahingehend, dass er erneut feststellte, dass “die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung nach Artikel 25 Abs. 1 auch für den Fall, dass sich die betreffende Gesellschaft in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befindet“ bestehe264. In dieser Rechtssache galt es zudem zu klären, in wieweit eine vom Aktionär erhobene Klage unter Berufung auf Art. 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie rechtsmissbräuchlich sein kann. Die aktionärsfreundliche Rechtsprechung wurde diesbezüglich noch dahingehend ausgeweitet, dass festgestellt wurde, dass eine Klage nicht schon dann missbräuchlich ist, wenn eine Kapitalerhöhung den Finanzbedarf der Gesellschaft decken und damit auch dem Kläger selbst wirtschaftliche Vorteile bringen würde265. Übertragbarkeit auf das gesetzlich genehmigte Kapital Fraglich ist nun, inwieweit sich diese vom EuGH entwickelte Rechtsprechung auf das gesetzlich genehmigte Kapital anwenden lässt. Dafür spricht, dass der deutsche Gesetzgeber entsprechend der griechischen Legislative ebenfalls Regelungen für sanierungsbedürftige Gesellschaften erlassen hat, die im vorliegenden Fall allerdings ausschließlich auf Kreditinstitute Anwendung finden. Die Interessenlagen der Gesetzgeber waren in beiden Fällen vergleichbar, auch wenn die Finanzmarktkrise seit 2008 größere Ausmaße erreicht hat als zunächst angenommen. Entsprechend den Rechtssachen Karella und Karellas sowie Pafitis sehen die Stabilisierungsregelungen lediglich eine vorübergehende Verkürzung der Rechte der Aktionäre vor, da Ziel nicht die Liquidation der Gesellschaft, sondern deren Sanierung ist266: Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass das betreffende Unternehmen 262
263 264 265 266
EuGH, Urteil vom 12.03.1996 - RS. C- 441/93, Slg 1996, I-1347, Rn 38 f. (Pafitis); ebenso EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 26 (Karella und Karellas) und EuGH, Urteil vom 24.3.1992 - RS. C-381/89, Slg. 1992 I-2111, Rn 33 (Evangelikis Ekklisias). EuGH, Urteil vom 12.5.1998, RS. C- 367/96, Slg 1998, I-2862 ff. (Kefalas). EuGH, Urteil vom 12.5.1998, RS. C- 367/96, Slg 1998, I-2862, Rn 24 (Kefalas). EuGH, Urteil vom 12.5.1998, RS. C- 367/96, Slg 1998, I-2862, Rn 23 (Kefalas). Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 280.
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selbst im Falle der Verstaatlichung - sobald es nachhaltig stabilisiert ist, wieder privatisiert wird und dabei den betroffenen Anteilsinhabern, über eine bereits geleistete Entschädigung hinaus, ein Recht auf bevorzugten Erwerb eingeräumt werden muss267. Rechtstechnisch handelt es sich hier um ein Bezugsrecht für bereits ausgeschiedene Aktionäre. Um die Rechtsprechung des EuGH jedoch auf das gesetzlich genehmigte Kapital übertragen zu können, müsste zunächst der Anwendungsbereich der Kapitalrichtlinie eröffnet sein. Teilweise wird vertreten, dass die Finanzkrise, mit Blick auf die Refinanzierungsschwierigkeiten selbst systemrelevanter Banken, ein so großes Ausmaß habe, dass hier ausnahmsweise die Kapitalrichtlinie keine Anwendung finden dürfe268. Eine Ausklammerung systemrelevanter Banken aus dem Anwendungsbereich liefe methodisch auf eine teleologische Reduktion des § 1 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie hinaus, wonach alle Aktiengesellschaften erfasst sind. Hier muss berücksichtigt werden, dass die Insolvenz eines systemrelevanten Kreditinstituts "das gesamteuropäische und möglicherweise auch weltweite Finanzsystem erschüttern könnte"269. Wird ein Kreditinstitut mit staatlichen Mitteln unterstützt, so geschieht dies nicht aus eigenwirtschaftlichen Interessen des Staates, sondern aufgrund der enormen volkswirtschaftlichen Bedeutung, die Banken in unserem Wirtschaftssystem zukommt. Geht es Banken schlecht, werden keine Kredite mehr vergeben, was naturgemäß gravierende negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Diese Erkenntnis ist nicht neu: So hat der EuGH in der Rechtssache Pafitis entschieden, dass die Kapitalrichtlinie auch auf Unternehmen, "die für die Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats von besonderer Bedeutung sind"270 Anwendung findet und für Kreditinstitute keine Ausnahmen vorgesehen sind271. Der europäische Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass zur Wahrung der volkswirtschaftlichen Interessen auch mildere Mittel wie ein Einlagensicherungsfonds zur Verfügung stünden. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, ein nationaler Siche267 268
269 270 271
BT-DrS. 16/12100, S. 2. Krämer/Kiefner, AG 2008, R507 (R 508); Noack, AG 2009, 227 (231); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2249); Kaserer/Köndgen/Möllers, ZBB 2009, 144 (147); Wieneke/Fett, NZG 2009, 8 (13); sehr ausführlich hierzu: Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 173 ff; diesen Gedanken zumindest andenkend auch Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009,821 (826); a.A. Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn 10; Becker/Mock Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 13; Ziemons, DB 2008, 2635 (2637); Waclawik, ZIP 2008, 2339; Spindler, DStR 2008, 2268 (2273); Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1251); Mock, EuR 2009, 693 (697); ders., EWir 2009, 383 (384); Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1, 2; mit methodisch guter Begründung vor allem Langenbucher, ZGR 2010, 75 (84 f.). Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009,821 (826). EuGH, Urteil vom 12.03.1996 - RS. C- 441/93, Slg 1996, I-1347, Rn 40 (Pafitis). EuGH, Urteil vom 12.03.1996 - RS. C- 441/93, Slg 1996, I-1347, Rn 21 (Pafitis).
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rungsfonds wäre jedoch sicherlich nicht ausreichend272. Wie im Rahmen der aktuellen Griechenland-Krise sowie bei zahlreichen weiteren angeschlagenen Staaten ersichtlich, ist selbst ein supranationaler Sicherungsfonds zur Bewältigung großer Krisen nicht ausreichend. Der Wortlaut der Kapitalrichtlinie ist insoweit eindeutig, so dass eine Abweichung nicht geboten erscheint. Auch systematisch lässt sich ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen, da Art. 1 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie ausdrücklich Ausnahmen für Investmentgesellschaften mit variablem Kapital und Genossenschaften vorsieht. Banken jeder Art werden dabei nicht erwähnt. Diese werden erst in Art. 20 Abs. 1 c), Art. 23 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie mit Sonderregelungen bedacht. Dies spricht dafür, dass der europäische Gesetzgeber die Richtlinie explizit auch auf (systemrelevante) Banken anwenden wollte273. Außerdem steht das gesetzlich genehmigte Kapital gerade auch nicht systemrelevanten Kreditinstituten zur Verfügung. Eine Übertragung der Rechtsprechung des EuGH lediglich auf systemrelevante Banken würde geradezu eine Bevormundung des deutschen Gesetzgebers darstellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes war bereits klar, dass es sich um eine Krise handelt, die insbesondere systemrelevante Kreditinstitute betrifft. Hätte der Gesetzgeber die Rettungsmaßnahmen also ausschließlich auf diese Institute beschränken wollen, hätte er den Anwendungsbereich des gesetzlich genehmigten Kapitals und der anderen Rettungsmaßnahmen auch entsprechend beschränken können. Die Aufgabe des EuGH besteht eben nicht darin, Versäumnisse nationaler Gesetzgeber zu beseitigen oder Gesetze zu "retten", indem eine Form der geltungserhaltenden Reduktion dahingehend praktiziert wird, die erlassenen Gesetze auf das gerade noch zulässige Maß zu reduzieren. Im Übrigen wird oft verkannt, dass im Finanzmarktstabilisierungsgesetz der Begriff der Systemrelevanz nirgends legal definiert wird274. Stellt aber das Gesetz selbst nicht auf den Begriff der Systemrelevanz ab, können Eingriffe auch nicht mit dem Hinweis auf die Systemrelevanz eines Kreditinstituts gerechtfertigt werden275. Die Schlagworte Finanzkrise und Systemrelevanz halten inzwischen als juristisches Allheilmittel für die Begründung der Zulässigkeit nahezu aller neuen Gesetze her. Es wird dabei verkannt wird, dass gerade in Krisenzeiten die Rechtssicherheit eines der höchsten Güter ist. 272 273 274 275
Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 283. So auch Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 282. Vgl. bereits oben unter 1.2. Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 283.
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Investoren sind stets daran interessiert zu wissen, was mit ihrer Kapitalanlage (auch langfristig) geschieht. Die erforderliche Rechtssicherheit kann die Legislative dadurch fördern, dass sie Gesetze und deren Anwendungsbereich klar formuliert. Dies gilt umso mehr für Notstandsgesetze, deren Anwendungsbereich nicht nur zeitlich, sondern, wie auch durch das FMStFG geschehen, sachlich begrenzt sein sollte. Eine teleologische Reduktion des Art. 1 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie lässt sich somit nicht rechtfertigen, womit im Einklang mit der bislang ganz h. M. die bisherige Rechtsprechung des EuGH ebenso auf das gesetzlich genehmigte Kapital aus § 3 FMStBG, auch bei der Ausnutzung durch eine systemrelevante Bank, anwendbar ist276. Der gesetzliche Bezugsrechtsausschluss Auch der im FMStBG geregelte gesetzliche Bezugsrechtsausschluss für Altaktionäre verstößt dem Wortlaut nach gegen die Kapitalrichtlinie, in der es explizit heißt, dass die Hauptversammlung selbst über einen Bezugsrechtsausschluss im Rahmen einer Kapitalerhöhung beschließen musS. Darüber hinaus hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft der Hauptversammlung den Bezugsrechtsausschluss sowie den Ausgabekurs der neuen Aktien zu begründen. Auch diesbezüglich hat der EuGH entschieden, dass Ausnahmen grundsätzlich nicht vorgesehen sind, es sei denn, in der Kapitalrichtlinie selbst ist etwas anderes geregelt277. Der europäische Gerichtshof hat bereits in der Rechtssache Karella und Karellas entschieden, dass eine nationale Regelung europarechtswidrig ist, sofern sie „vorsieht, dass durch eine Handlung der Geschäftsführung die Erhöhung des Grundkapitals der Unternehmen beschlossen werden kann, dabei jedoch das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre bei der Ausgabe der neuen Aktien unberührt lässt“278.
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Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn 10; Becker/Mock Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 13; Ziemons, DB 2008, 2635 (2637); Waclawik, ZIP 2008, 2339; Spindler, DStR 2008, 2268 (2273); Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1251); Mock, EuR 2009, 693 (697); ders., EWir 2009, 383 (384); Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1, 2; Langenbucher, ZGR 2010, 75 (84 f.); Binder, ZVglRWiss 112 (2013), 23 (25) m. w. N.; wohl auch Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 283, die eine Ausklammerung von systemrelevanten Banken aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie zumindest als „problematisch“ ansieht. EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 27 (Karella und Karellas); EuGH, Urteil vom 24.3.1992 - RS. C-381/89, Slg. 1992 I-2111, Rn 32 (Evangelikis Ekklisias); EuGH, Urteil vom 12.03.1996 - RS. C- 441/93, Slg 1996, I-1347, Rn 40 (Pafitis). EuGH, Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 36 (Karella und Karellas).
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Setzt man diesen Gedankengang logisch fort, so verstößt eine nationale Regelung erst Recht gegen die Kapitalrichtlinie, wenn das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre ausgeschlossen wird279. Auch für systemrelevante Banken kann es keine Rechtfertigung für diesen Verstoß geben. Es bleibt also dabei, dass auch der gesetzliche Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre gegen Europarecht verstößt280. 3.2.1.3 Die Schadensersatzpflicht der Aktionäre Durch das FMStErgG (nach § 7 Abs. 7 FMStBG) führte der Gesetzgeber eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht für opponierende Aktionäre ein. Es sieht vor, dass „Aktionäre, die eine für den Fortbestand der Gesellschaft erforderliche Kapitalmaßnahme, insbesondere durch ihre Stimmrechtsausübung oder die Einlegung unbegründeter Rechtsmittel, verzögern oder vereiteln, [...] der Gesellschaft gesamtschuldnerisch zum Schadenersatz verpflichtet [sind]“. Zwar blieb die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung bestehen, diese hatte aufgrund des enormen Abschreckungseffekts jedoch nur noch formale Bedeutung, da wahrscheinlich viele Aktionäre durch die latente Haftungsgefahr beeinflusst werden und nicht mehr nach ihrer Überzeugung handeln, sondern ihr Stimmrecht so ausüben, dass eine Haftung nicht in Betracht kommt281. Der BGH hat im Rahmen der Girmes-Entscheidung bereits berücksichtigt, dass nur die vorsätzliche Verhinderung einer Sanierungsmaßnahme als haftungsauslösendes Ereignis in Betracht kommt282. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber aufgegriffen und ergänzt, dass die Verhinderung der Sanierungsmaßnahme oder die Einlegung unbegründeter Rechtsmittel nur dann zu einer Schadensersatzpflicht des Aktionärs führt, wenn dieser dadurch ungerechtfertigte Vorteile erlangen möchte. Nach der Änderung durch das Restrukturierungsgesetz ist diese Regelung somit europarechtskonform.
279 280 281
282
Ebenso Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 284. Ziemons, DB 2008, 2635 (2637); Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009,821 (826); a.A. Noack, AG 2009, 227 (230). Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 192 f.; a.A. Langenbucher, ZGR 2010, 75 (98 f.); offen gelassen von Kaserer/Köndgen/Möllers, ZBB 2009, 144 (147); kritisch auch die Stellungnahme des Bundesrates zum fMStErgG (BR-DrS. 160/09 vom 06.03.2009, S. 4 f.); den Anwendungsbereich im Wege der teleologischen Reduktion schon damals auf Vorsatz und grobe fahrlässigkeit einschränkend Bachmann, ZIP 2008, 1249 (1253); ihm folgend Hauser, fast-Track-Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 276. BGH, Urteil vom 20.03.1995 - II ZR 205/94 (Girmes), BGHZ 129, 136 (163).
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3.2.1.4 Kapitalmarktrechtliche Maßnahmen nach § 11 f. FMStBG Durch § 11 f. FMStBG modifizierte der Gesetzgeber auch kapitalmarktrechtliche Vorschriften. Deshalb sind auch diese Sonderregelungen auf ihre Europarechtskonformität zu prüfen. Hier handelt es sich um Verstöße gegen die Transparenzrichtlinie283 sowie die Übernahmerichtlinie284. Transparenzrichtlinie Die Regelung des § 11 FMStBG könnte gegen die Vorgaben aus Art. 9 und 10 der Transparenzrichtlinie verstoßen, in denen die Mitteilungspflichten eines Aktienerwerbers im Falle des Erreichens bestimmter Schwellenwerte geregelt sind. Die Vorschrift weicht von diesen Vorgaben ab, indem sie im WpHG kodifizierten Vorgaben für den Fall des Aktienerwerbs durch den SoFFin für nicht anwendbar erklärt. Grundsätzlich sind Ausnahmen für die Meldepflicht in Art. 11 der Transparenzrichtlinie abschließend geregelt. Danach werden lediglich Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken von den entsprechenden Mitteilungspflichten befreit, was bei Maßnahmen im Rahmen des FMStBG nicht der Fall ist285. Zu Recht wird eingewandt, dass § 27a WpHG lediglich einen deutschen Sonderweg darstellt und in seinem Regelungsbereich weit über die Anforderungen der Transparenzrichtlinie hinausgeht286. Die Mindestvorgaben wurden hingegen bereits durch §§ 21 ff. WpHG umgesetzt287 und diese werden durch § 11 FMStBG nicht eingeschränkt. Es liegt somit kein Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben vor. Übernahmerichtlinie Teilweise wurde in der Literatur auch ein Verstoß gegen die Übernahmerichtlinie angenommen, da der SoFFin nicht nur von den Mitteilungspflichten, sondern auch von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots nach § 35 WpÜG befreit wurde. Ein Verstoß liegt nahe, da die Übernahmerichtlinie regelt, dass alle Mit-
283
284 285 286
287
Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. L 290/38 v. 31.12.2004. Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. L 142/12 v. 30.04.2004. Spindler, DStR 2008, 2269 (2274 f.); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (100 f.); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 200. Veranneman/Tal, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 11 BeschlG, Rn 5; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 11 fMS, Rn 2; Wienecke/Fett, NZG 2009, 8 (14); vgl. auch BT-DrS. 16/7438, S. 12 ff. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 200.
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gliedstaaten vorsehen, dass der Erwerber einer Kontrollmehrheit ein Pflichtangebot zum Schutz der Minderheitsaktionäre abgibt. Die Befürworter der Europarechtskonformität der Vorschrift stützen ihre Argumentation auf Art. 4 Abs. 5 ii) der Übernahmerichtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten von den richtigen Erfordernissen abweichen, um „besondere Fälle“ zu berücksichtigen288. Ergänzt wird, dass dies durch die Erwägungsgründe der Richtlinie gestützt werde, die auch die bedrohte Finanzmarktstabilität erfasst289. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Diese Vorschrift der Kapitalrichtlinie würde ihren Charakter als Ausnahmevorschrift verlieren, wenn man eine pauschale Regelung wie § 12 Abs. 1 FMStBG hierauf stützen könnte. Es muss auf den Einzelfall abgestellt werden, der jedoch in § 12 Abs. 1 im FMStBG nicht ausreichend berücksichtigt wird290. Da die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau formuliert ist, kann sich der einzelne Aktionär nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darauf berufen. Die BaFin kann somit von § 12 Abs. 1 FMStBG keinen Gebrauch machen. Sie kann den SoFFin nur von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots befreien, wenn dies den Anforderungen von § 37 WpÜG in richtlinienkonformer Auslegung entspricht291. 3.2.2 Verstoß gegen Verfassungsrecht? Indem der Gesetzgeber, getrieben vom Beschleunigungsgedanken, die Kapitalzufuhr für Kreditinstitute erheblich erleichterte, wurden an vielen Stellen auch die Rechte der Altaktionäre verkürzt. Betroffen ist hierbei insbesondere die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht geht seit der Feldmühle-Entscheidung aus dem Jahr 1962 in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass das Eigentum an einer Aktie dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt292. Dabei sind sowohl die vermögensrechtlichen als auch die herrschaftsrechtlichen Elemente des Aktieneigentums erfasst293. Als staatlicher Eingriff in diesen Schutzbereich kommt 288 289 290
291 292
293
Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (828); Wienecke/Fett, NZG 2009, 8 (14). Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 199. Spindler, DStR 2008, 2267 (2274); Binder, WM 2008, 2340 (2347); Mock, EuR 697 (699); Becker/Mock, DB 2009, 1055 (1057); Veranneman/Tal, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 12 BeschlG, Rn 6; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 12 fMS, Rn 3; Langenbucher, ZGR 2010, 75 (101). Mock, EuR 697 (699); Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 12 fMS, Rn 3. BVerfG, Urteil vom 7.8.1962 - 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667 (Feldmühle); BVerfG, Beschluss vom 7.5.1969 - 2BvL 15/67, BVerfGE 25, 371 (407) (lex Rheinstahl); BVerfG, Beschluss vom18.12.1985 - 1 BvR 143/83, BVerfGE 50, 290 (339) (Mitbestimmung); BVerfG, Beschluss vom 27.4.1999 - 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (301 f.) (DAT/Altana). BVerfG, Beschluss vom 27.4.1999 - 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (301 f.) (DAT/Altana); BVerfG, Beschluss vom 23.8.2000 - 1 BvR 68/95,147/97, ZIP 2000, 1670 (Moto-Meter).
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zum einen die Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sowie die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG in Betracht, die in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stehen. Während eine Inhalts- und Schrankenbestimmung generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum zu verstehen sind, vorsieht294, ist eine Enteignung dagegen auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet295. Da es sich bei den Regelungen des FMStBG um abstrakt-generelle Normen handelt, müssen diese als Inhalts-und Schrankenbestimmungen qualifiziert werden296. Solche Eingriffe müssen stets am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen werden, also geeignet, erforderlich und angemessen sein297. 3.2.2.1 Vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung Auch die Vereinfachungen mit Blick auf die ordentliche Kapitalerhöhung, verkürzen die Rechte der Altaktionäre. Verkürzung der Einberufungsfrist Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz sah zunächst die Verkürzung der Einberufungsfrist für eine Hauptversammlung auf einen Tag vor298. Durch das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz wurde diese Frist auf 21 Tage erhöht, um den Vorgaben der Aktionärsrechterichtlinie gerecht zu werden. Damit unterschreitet die Einberufungsfrist die reguläre Frist, die 30 Tagen vorsieht, lediglich um neun Tage. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 läge dann vor, wenn die Frist derart kurz bemessen wäre, dass die Teilnahmemöglichkeit an der Hauptversammlung wesentlich erschwert oder gar verhindert würde. Dies ist bei einer Frist von drei Wochen nicht der Fall. Die Verkürzung der Einberufungsfrist ist somit verfassungskonform.
294 295 296
297 298
BVerfG, Beschluss vom 27.4.1999 - 1 BvL 81/79 (Flughafen Salzburg), BVerfGE 72, 66, 76. BVerfG, Beschluss vom 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 (Nassauskiesung), BVerfGE 58, 300. LG München I, Urteil vom 20.01.2011, 5 HK O 18800/09 (HRE), NZG 2011, 390; LG München I, Urteil vom 23.02.2012 - 5 HK O 12377/09 (HRE), ZIP 2012, 674 (675); siehe bereits Binder, WM 2008, 2340 (2345); Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (2); Droege, DVBl 2009, 1414 (1421); Gurlit, NZG 2009, 601 (603); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (105); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 133; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 253; a.A. Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (829). Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn 378h f.; Schmidt, in: Erfurter Kommentar, Art. 14 GG, Rn 11. § 7 Abs. 1 Satz 2 fMStBG a.F.
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Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse bei der Kapitalerhöhung Um eine Kapitalerhöhung weiter zu vereinfachen, hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 Satz 1 FMStBG festgelegt, dass die einfache Mehrheit ausreicht. Die im Aktiengesetz festgeschriebene Dreiviertelmehrheit diente dem Schutz der Minderheitsaktionäre299, der nun im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes deutlich verringert wurde. Die Altaktionäre sind jedoch durch das bestehende Bezugsrecht ausreichend vor einer Verwässerung ihrer Anteile geschützt. Die Absenkung des Mehrheitserfordernisses auf ein europarechtlich gerade noch zulässiges Niveau stellt somit noch keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG dar300. Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse beim Bezugsrechtsausschluss Eingriff in den Schutzbereich Das der Anteilsverwässerung entgegenwirkende Korrektiv des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre wurde im FMStBG jedoch ebenfalls aufgeweicht, da hier anstatt einer Dreiviertel- eine Zweidrittelmehrheit ausreichend ist. Wenn mehr als die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist, ist sogar eine einfache Mehrheit ausreichend301. Auch hier kann jedoch in der bloßen Absenkung der Mehrheitserfordernisse kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG gesehen werden. Der Eingriff ergibt sich vielmehr erst im Zusammenspiel mit dem gesetzlichen Ausschluss der Inhaltskontrolle des Beschlusses nach § 7 Abs. 3 Satz 4 FMStBG302. Danach findet eine Überprüfung nach der Kali und Salz-Formel des Bundesgerichtshofs303 nicht mehr statt304.
299 300
301 302
303
304
Peifer, in: MüKo-AktG-AktG, § 182, Rn 16; Wiedemann/Frey, Gesellschaftsrecht, Bd. I § 8 I. 4. b) aa). Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1250); Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 250; a.A. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 133, der den Eingriff jedoch als verhältnismäßig einstuft. § 7 Abs. 3 Satz 2 fMStBG. Ebenfalls von einer kumulativen Betrachtungsweise ausgehend Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 812 (828); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (104); Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 250 f; a.A. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 132 f. BGH, Urteil vom 13.3.1978 - II ZR 142/76 (Kali und Salz), NJW 1978, 1316 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 19.4.1982 - II ZR 55/81(Holzmann), NJW 1982, 2444 ff.; BGH, Urteil vom 07-03-1994 - II ZR 52/93(Deutsche Bank), NJW 1994, 1410 ff; BGH, Urteil vom 23.06.1997 - II ZR 132/93 (Siemens/Nold), NJW 1997, 2815 ff. Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 7 BeschlG, Rn 12 sprechen von einer Vorwegnahme der Beschlusskontrolle von Gesetzes wegen.
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Verfassungsmäßige Rechtfertigung Der Eingriff ist dann verhältnismäßig, wenn er geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist.
Geeignetheit
Zweck der Regelung ist es, eine nachhaltige Stabilisierung des Finanzmarktes zu gewährleisten und eine Zuspitzung der Krise zu verhindern305. Dazu ist der Eingriff auch geeignet306. Die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre soll zunächst dazu dienen, einen Squeeze-out zu Gunsten des SoFFin durchzuführen, um dadurch die Refinanzierungskosten zu senken307.
Erforderlichkeit
Erforderlich ist der Eingriff, wenn kein milderes gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Da der Kapitalbedarf eines systemrelevanten Kreditinstituts enorm ist und von den Altaktionären in aller Regel nicht bewältigt werden kann, ist ein milderes Mittel im vorliegenden Fall nicht ersichtlich308. Diese Regelung stellt schon ein milderes Mittel zu einem etwaigen gesetzlichen Bezugsrechtsausschlusses dar309. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Die Maßnahme müsste auch angemessen und verhältnismäßig sein. Bei der Frage der Angemessenheit muss die Eigenart des Unternehmens berücksichtigt werden310. Hier handelt es sich um ein systemrelevantes Kreditinstitut, dessen Insolvenz weitreichende Folgen auf dem globalen Finanzmarkt hätte. Eine Insolvenz würde zudem zu einem vollständigen Wertverlust der Aktien führen, was ein deutlich stärkerer Eingriff in die Rechte der Altaktionäre darstellt. Teilweise wird vertreten, dass die Maßnahme angemessen und verhältnismäßig sei311. Für die Angemessenheit spricht, dass ein Beschluss der Hauptversammlung
305 306 307 308 309 310 311
BT-DrS. 16/12100, S. 10. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 134; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 253; LG München I, Vorlagebeschluss vom 8.4.2010 - 5 HK O 12377/09, ZIP 2010, 779 (782 f.). München I, Vorlagebeschluss vom 8.4.2010 - 5 HK O 12377/09, ZIP 2010, 779 (783); LG München I, Urteil vom 23.02.2012 - 5 HK O 12377/09 (HRE), ZIP 2012, 674 (676). Ebenso Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 135. BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 - 1 BvR 532/77 (Mitbestimmung), BVerfGE 50, 290, 347. LG München I, Vorlagebeschluss vom 8.4.2010 - 5 HK O 12377/09, ZIP 2010, 779 (782).
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über den Bezugsrechtsausschluss auch zu Gunsten von Altaktionären erfolgen könnte. Sie könnten damit einer Anteilsverwässerung entgegenwirken312. Zwar werden die Erleichterungen im Rahmen der Kapitalmaßnahmen auch auf Dritte erweitert, selbst wenn der SoFFin an der Rekapitalisierung direkt nicht beteiligt ist, sondern nur eine Stabilisierungsmaßnahme vorliegt. Jedoch ist - gerade wenn der SoFFin an der Rekapitalisierung selbst nicht beteiligt ist - keineswegs sichergestellt, dass das vorrangige Ziel des Aktienerwerbs (mit der einhergehenden Verwässerung der Rechte der Altaktionäre) die Stabilisierung des Finanzmarktes bedeutet. Vielmehr könnten die neuen Aktien aus spekulativen Erwägungen erworben werden. Daher wird teilweise vertreten, dass § 7 Abs. 1 Satz 5 und § 7b FMStBG verfassungskonform dahingehend auszulegen seien, dass bei einer Beteiligung von Altaktionären oder dritten stets eine Inhaltskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses erfolgen müsse313. Dies stößt methodisch gesehen auf größte Bedenken: Eine verfassungskonforme Auslegung ist lediglich ein bestimmtes Auslegungsprinzip. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass eine Norm mehrere Auslegungen zulässt314. Ist dies der Fall, und ist eine (oder mehrere) davon verfassungswidrig, eine andere hingegen verfassungskonform, so muss eine verfassungskonforme Auslegungsvariante gewählt werden315. Vorliegend ist der Wortlaut jedoch eindeutig. Die Regel gilt dann, wenn „[...] die neuen Aktien auch oder ausschließlich durch Dritte gezeichnet werden“. Hieraus ergibt sich zweifelsfrei und eindeutig, dass auch bei der Zeichnung der Aktien durch Dritte oder Altaktionäre keine Beschlusskontrolle stattfindet. Ein anderes Ergebnis lässt sich im Wege der Auslegung nicht ermitteln. Folglich ist für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, dass bei der Beteiligung von Altaktionären oder Dritten eine Inhaltskontrolle zu erfolgen hat, kein Raum316.
312 313 314 315
316
So zumindest Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 135. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 136; ähnlich Bachmann, ZIP 2009, 1248 (1252); wohl auch Langenbucher, ZGR 2010, 75, 111 f. Graßhof, NJW 1995, 3085 (3086). BVerfG, Beschluss vom 28. 4. 1965 - 1 BvR 346/61, NJW 1965, 1427; BVerfG, Beschluss vom 26. 1. 1971 - 2 BvL 2/68, NJW 1971, 932 (935); BVerfG, Beschluss vom 15.06.1983 - 1 BvR 1025/79, NJW 1983, 2811 (2812). a.A. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 136; wohl auch Langenbucher, ZGR 2010, 75, 111 f.
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Fazit: Der Gesetzgeber hat durch die Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse in Kombination mit der Abschaffung der Inhaltskontrolle nach der Kali und SalzFormel des Bundesgerichtshofs unangemessen in die Rechte der Anteilseigner eingegriffen. Die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 4 FMStBG ist somit verfassungswidrig317. Zusammenfassung Sowohl die Verkürzung der Einberufungsfrist als auch die Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse für eine Kapitalerhöhung verstoßen nicht gegen Art. 14 GG. Die Kombination der Absenkung der Mehrheitserfordernisse für den Bezugsrechtsausschluss mit dem Ausschluss der Beschlusskontrolle stellt hingegen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Anteilsrechte der Altaktionäre dar und verstößt somit gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. 3.2.2.2 Gesetzlich genehmigtes Kapital Das gesetzlich genehmigte Kapital aus § 3 FMStBG sieht für eine Kapitalerhöhung sowohl eine Verlagerung der Beschlusskompetenz von der Hauptversammlung auf den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats vor, als auch einen gesetzlichen Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre - und damit eine Rechtsschutzverkürzung. Diese Maßnahmen muss mit Blick auf ihren Eingriffscharakter geprüft werden. Eingriff Jede Kapitalerhöhung stellt für eine Aktiengesellschaft und deren Aktionäre eine Gesellschaftsangelegenheit von hoher wirtschaftlicher Bedeutung dar. Darüber befindet ausschließlich die Hauptversammlung318. Der Gedanke, dass die Hauptversammlung über alle strukturell bedeutenden Maßnahmen entscheidet, ergibt sich schon aus dem übrigen Gefüge des Aktiengesetzes, dieser Grundgedanke ist dort tief verwurzelt. Der BGH weist in seiner Rechtsprechung sogar dann der Hauptversammlung die Beschlusskompetenz zu, wenn diese nicht explizit im Gesetz vorgesehen ist, so etwa bei Strukturmaßnahmen, die eigentlich der Geschäftsführung unterliegen, 317
318
Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 255; im Ergebnis ebenso Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 812 (828 f.) wohl auch Spindler, DStR 2008, 2268 (2274); a.A. LG München I, Urteil vom 23.02.2012 - 5 HK O 12377/09 (HRE), ZIP 2012, 674 ff.; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 136; Veranneman/Hofmeister, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 7 BeschlG, Rn 13; wohl auch Langenbucher, ZGR 2010, 75, (111 f.). Peifer, in: MüKo-AktG-AktG, § 182, Rn 1; Wiedemann, in: Großkomm-AktG, § 182, Rn 9; Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, § 182, Rn 1; Bähr, AG 1995, 92 (93).
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jedoch so bedeutend sind, dass der Vorstand diese Entscheidung eigentlich nicht ohne Mitwirkung der Hauptversammlung treffen darf319. Von diesem Kompetenzgefüge, das explizit vom Aktiengesetz vorgesehenen wird, sollte auch in der Krise der Gesellschaft nicht abgewichen werden. Hier sollte die Hauptversammlung erst Recht an der Beschlussfassung beteiligt werden320. Der Eigentumsschutz der Aktionäre umfasst neben den vermögensrechtlichen Ansprüchen auch die Leitungsbefugnisse der Gesellschaft, d.h., die Beschlusskompetenz der Hauptversammlung hat auch eigentumsschützende Wirkung321. Die vollständige Übertragung der Beschlusskompetenz auf den Vorstand stellt folglich einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG dar322. Das FMStBG sieht außerdem einen Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre vor. Hierdurch werden die Rechte der Anteilseigner im Falle der Ausnutzung des gesetzlich genehmigten Kapitals zwangsweise verwässert, ohne dass die Vorstandsentscheidung durch die Hauptversammlung kontrolliert werden kann. Somit liegt auch hier ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor. Hinzu kommt, dass keinerlei Prüfung des Registergerichts stattfindet und der Beschluss unverzüglich in das Handelsregister eingetragen wird323. Ein bereits eingetragener Kapitalerhöhungsbeschluss kann nicht im Wege der Naturalrestitution rückgängig gemacht werden324. Die Aktionäre werden nicht nur ihrer Mitwirkungsrechte und ihres gesetzlichen Bezugsrechts beraubt; es steht ihnen faktisch keinerlei Rechtsschutz mehr zur Verfügung325. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass für den Fall des Eingriffs in Rechte der Anteilseigner effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein muss326. 319
320 321
322
323 324 325 326
BGH, Urteil vom 25.2.1982 - II ZR 174/80 (Holzmüller), BGHZ 83, 122 (130 ff.); BGH, Urteil vom 26.4.2004 - II ZR 155/02 (Gelatine I), BGHZ 159, 30 (36 ff.); BGH, Urteil vom 26.4.2004 - II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (1002 f.); vgl. hierzu auch Kubis, in: MüKo-AktG-AktG, § 119, Rn 41; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119, Rn 25 m.w.N. Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn 11, Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 262. BVerfG, Urteil vom 7.8.1962 - 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667 (Feldmühle); BVerfG, Beschluss vom 27.4.1999 - 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (301 f.) (DAT/Altana); Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn 195 f. m.w.N.. Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn 11; Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 6 f.; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 262; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 127; Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (2); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2248); Waclawik, ZIP 2008, 2339. Vgl. § 3 Abs. 5 Satz 3 fMStBG. Gem. § 246a Abs. 4 Satz 2 AktG ist ein Schadensersatz auf Naturalrestitution ausgeschlossen. Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2248). BVerfG, Urteil vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04, ZIP 2007, 1261 (1262).
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Da dies hier offensichtlich nicht gegeben ist, liegt ebenfalls ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor327 .
Rechtfertigung
Fraglich ist, ob diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können: Sie müssten geeignet, erforderlich und angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne sein.
Geeignetheit
Durch das gesetzlich genehmigte Kapital wollte der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Beteiligung über ein etwaiges bereits bestehendes genehmigtes Kapital hinaus schaffen328, um akut gefährdete Kreditinstitute schnell und nachhaltig mit neuem Kapital versorgen zu können. Da bei systemrelevanten Kreditinstituten eine Sanierung sehr schnell erfolgen muss, sind die vorliegenden Instrumente - also Verlagerung des gesetzlichen Bezugsrechtsausschlusses und Rechtsschutzverkürzung - geeignet329. Erforderlichkeit Es steht kein anderes gleich wirksames - und milderes - Mittel zur Verfügung, das weniger stark in die Rechte der Anteilseigner eingreift330. Eine drastische Verkürzung der Frist zur Ausübung des Bezugsrechts scheidet aus, da die nötige Frist nach Art. 29 Abs. 3 Satz 4 der Kapitalrichtlinie mindestens zwei Wochen betragen muss331. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Der Eingriff müsste verhältnismäßig im engeren Sinne sein, wobei das Interesse des Staates an einer zügigen Kapitalzufuhr gegen die Rechte der Anteilseigner abzuwägen ist.
327
328 329 330 331
Ebenfalls von einem Eingriff in Art. 14 ausgehend: Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 7; Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn 18; Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (2); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2248); Waclawik, ZIP 2008, 2339; Spindler, DStR 2008, 2268 (2274); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 126; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhung in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 261, 264, 266. BT-DrS. 16/10600, S. 11. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 128; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhung in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 265. Vgl. hierzu ausführlich Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 128 ff. A.A. Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn 18.
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Für die Angemessenheit der Regelung spricht, dass die Anteile an einem sanierungsbedürftigen Kreditinstitut bei Ausnutzung des gesetzlich genehmigten Kapitals bereits extrem an Wert verloren haben. Der Staat als Investor bewahrt die jeweilige Bank vor der Insolvenz und schützt somit mittelbar auch das Eigentum der Aktionäre332. Darüber hinaus wird vertreten, dass sich die Verhältnismäßigkeit daraus ergibt, dass eine Verwässerung der Rechte der Altaktionäre nur partiell erfolgt: Das Gesetz sieht bewusst nur eine Kapitalerhöhung von maximal 50 % des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des FMStBG vorhandenen Grundkapitals vor. Die höchstmögliche Beteiligungsquote beträgt 33,3 %333. Eine Beteiligungsquote von einem Drittel ist jedoch keineswegs eine geringfügige Maßnahme, sie würde die Aktionärsrechte vielmehr spürbar beeinträchtigen334. Es wird auch zu Recht kritisiert, dass die Dringlichkeit, die bei Inkrafttreten des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes vorherrschte, inzwischen nicht mehr besteht, man also auf die vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung zurückgreifen kann335. Auch der erneute Verweis auf die systemische Relevanz der Kreditinstitute überzeugt nicht mehr, da der Adressatenkreis des gesetzlich genehmigten Kapitals gerade nicht ausschließlich auf die systemisch hoch relevanten Kreditinstitute begrenzt ist, sondern vielmehr alle deutschen Kreditinstitute und deren Aktionäre betrifft336. Eine verfassungskonforme Auslegung, dass nur hochgradig systemrelevante Banken erfasst werden sollen, kommt also auch hier nicht in Betracht337. Der Anwendungsbereich der Stabilisierungsmaßnahmen (also auch des gesetzlich genehmigten Kapitals) wurde vom Gesetzgeber bewusst auf alle Kreditinstitute erstreckt.
332 333 334 335 336 337
Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 8; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 131; wohl auch Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2248). So Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 131. Böckenförde sieht insbesondere einen Verstoß gegen das ultima ratio Gebot: Böckenförde, NJW 2009, 2484 (2490). Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 267; Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1250); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (109, 112). Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 267. A.A. Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 267.
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Das gesetzlich genehmigte Kapital aus § 3 FMStBG ist nicht mit Art. 14 GG vereinbar und somit verfassungswidrig338. 3.2.2.3 Schadensersatzpflicht der Aktionäre nach § 7 Abs. 7 FMStBG Durch das FMStErgG wurde ein Haftungstatbestand für opponierende Aktionäre eingeführt. Der ursprüngliche Wortlaut der Norm lieferte keinen Anhaltspunkt über einen Verschuldensmaßstab. Es wird daher teilweise vertreten, dass bereits leichte Fahrlässigkeit zur Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestands ausreichend sei339. Diese Kritik hat der Gesetzgeber aufgegriffen und im Rahmen des Restrukturierungsgesetzes die Haftungsvoraussetzungen an § 826 BGB angeglichen. Der Aktionär muss durch die Blockierung der Sanierungsmaßnahme oder die Einlegung unbegründeter Rechtsmittel also eine ungerechtfertigte Bereicherung anstreben und einen Vorsatz zur Schädigung der Gesellschaft haben. Dies stellt letztendlich eine Kodifizierung der ständigen Rechtsprechung des BGH zur Haftung opponierender Aktionäre dar. Seit der Girmes-Entscheidung wird eine Schädigungsabsicht seitens der Aktionäre gefordert340. Zu beachten ist, dass die Sicherstellung der privaten Verwendung des Eigentums und die ausdrücklich normierte Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen vom Gesetzgeber stets in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen341. Da Eigentum nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten schafft, dürfen Eigentümer gerade im Bereich der Aktiengesellschaft nicht nur die eigenen Interessen verfolgen, sondern müssen vorrangig die Interessen der Gesellschaft und somit auch die der anderen Miteigentümer beachten. Der reformierte Haftungstatbestand des § 7 Abs. 7 FMStBG greift diesen verfassungsimmanenten Gedanken auf und ist somit verfassungskonform. 338
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341
Veranneman/Gärtner, in: Jaletzke/Veranneman, Kommentar zum fMStG, § 3 BeschlG, Rn. 18; Böckenförde, NJW 2009, 2484 (2490); wohl auch Spindler, DStR 2008, 2268 (2274); Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (2); Seiler/Wittgens, ZIP 2008, 2245 (2254 f.); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (112); a.A. Becker/Mock, Kommentar zum fMStG, § 3 fMS, Rn 8; Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 132; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 268 f. Ziemons, NZG 2009, 369 (374); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 144; a.A. Langenbucher, ZGR 2010, 75 (97 f.); Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 258 f. BGH, Urteil vom 20.03.1995 - II ZR 205/94 (Girmes), BGHZ 129, 136 ff.; zu Treuepflichten der Aktionäre auch: BGHZ 103, 184 (195) (Linotype); Altmeppen, DB 1998, 49 ff; Joussen, BB 1992, 1075 ff. Axer, in: Beck'scher Online-Kommentar GG, Art. 14, Rn 14; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG, Rn 306.
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3.2.2.4 Herabsetzung der Squeeze-out Schwelle auf 90 % Auch die Absenkung der Squeeze-out-Schwelle auf 90 % durch § 12 Abs. 4 FMStBG ist am Maßstab des Art. 14 GG zu messen. Eingriff Indem der Gesetzgeber die Schwelle für einen Squeeze-out auf 90 % herabsetzte, ist es deutlich einfacher, Gesellschafter hinauszudrängen. Das stellt einen Eingriff in den Schutzbereich dar. Es wurde diskutiert, ob es sich um eine Enteignung oder um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt. Der aktienrechtliche Squeeze-out stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar342. Beim Squeeze-out nach § 12 Abs. 4 FMStBG wird hingegen vertreten, dass es sich hierbei um eine Enteignung handele, da die Sonderregelung nicht den Ausgleich privater Interessen, sondern vielmehr das öffentliche Interesse der Stabilisierung des Finanzmarktes verfolge und der vereinfachte Squeeze-out lediglich den SoFFin berechtigt. Damit stelle diese Norm ein staatliches Sonderrecht öffentlichrechtlicher Natur dar343. Dem kann man entgegnen, dass diese Norm weder eine Legalenteignung darstellt, da sie weder unmittelbar Eigentumspositionen entzieht, noch eine staatliche Stelle zum Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts ermächtigt (Administrativenteignung). Es fehlt also bei diesem Eingriff an der erforderlichen Finalität344. Der Staat muss außerdem zunächst eine Beteiligungsquote von 90 % erreichen, die im Normalfall sowieso nicht von vornherein besteht345. Die Absenkung der Squeeze-out Grenze durch § 12 Abs. 4 FMStBG stellt somit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar346.
342 343 344
345 346
BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NZG 2007, 587 (588). Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (829); Böckenförde, NJW 2009, 2484 (2488); Gurlit, NZG 2009, 601 (603). LG München I, Urteil vom 20.01.2011 - 5 HK O 18800/09 (HRE), NZG 2011, 390 (391); Götz, NZG 2010, 412 (413); ders., Die Verstaatlichung von Banken, S. 147; Langenbucher, ZGR 2010, 75 (105 f.). Götz, NZG 2010, 412 (413); Gurlit, NZG 2009, 601 (604). LG München I, Urteil vom 20.01.2011, 5 HK O 18800/09 (HRE), NZG 2011, 390 (391).; siehe bereits Binder, WM 2008, 2340 (2345); Roitzsch/Wächter, DZWiR 2009, 1 (2); Droege, DVBl 2009, 1414 (1421); Langenbucher, ZGR 2010, 75 (105); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 133; Hauser, fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, S. 253; a.A. Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (829).
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Rechtfertigung Ob dieser Eingriff gerechtfertigt ist, muss an den Grundsätzen gemessen werden, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Squeeze-out-Entscheidung aufgestellt hat. Danach muss der Gesetzgeber 1. sicherstellen, dass durch den Ausschluss der Altaktionäre ein legitimer Zweck verfolgt wird, 2. gewährleisten, dass die hinausgedrängten Gesellschafter für ihre Gesellschaftsanteile vollen Wertersatz erhalten und 3. sicherstellen, dass ein effektiver Rechtsschutz der Altgesellschafter gewährleistet ist347. Da die Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft ausgestaltet ist, stellen Aktien für die Großzahl der Aktionäre eine Kapitalanlage dar, in deren Rahmen sie sich gerade nicht unternehmerisch beteiligen möchten348. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kann der Gesetzgeber daher das Mitgliedschaftsinteresse der Aktionäre umso niedriger bewerten, je geringer deren Anteil an der Gesellschaft ausfällt349. Für einen Squeeze-out braucht es im Einzelfall auch keinen konkreten unternehmerischen Grund, die Anknüpfung an ein quantitatives Kriterium ist ausreichend350. Die Maßnahme muss an den Grundsätzen gemessen werden, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat: Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung ist nur dann rechtmäßig, wenn die Regelung einen Zweck des Gemeinwohls verfolgt und als solche verhältnismäßig ist351. Dabei steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, sowohl bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels, als auch bei der Einschätzung und Prognose des Erfolgs352. Dieser kann von Gerichten nur in begrenztem Raum überprüft werden. Legitimer Zweck Durch die Herabsetzung der Squeeze-out-Grenze verfolgte der Gesetzgeber einen legitimen Zweck: Das gesamte Normgefüge des FMStBG zielt darauf ab, die Sta-
347 348 349 350 351 352
BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NZG 2007, 587 (589). BVerfG, Urteil vom 07.08.1962 - 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667 (1668). BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NZG 2007, 587, (589). BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NZG 2007, 587, (589). LG München I, Urteil vom 20.01.2011, 5 HK O 18800/09 (HRE), Rn 142. LG München I, Urteil vom 20.01.2011, 5 HK O 18800/09 (HRE), Rn 142; BVerfGE 53, 257 (293); 77, 170 (215); Papier in: Maunz-Dürig, Art. 14, Rn 321 ff.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn 38.
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bilität des Finanzmarktes zu gewährleisten und/oder wiederherzustellen, sowie eine Ausweitung der Finanzkrise zu verhindern353. Wertersatz der hinausgedrängten Gesellschafter Für den Fall eines Squeeze-out steht dem Altgesellschafter gemäß § 12 Abs. 4 FMStBG i. V. m. § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG eine Barabfindung zu. Damit wird dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterium des vollen Wertersatzes augenscheinlich bereits Genüge getan. In der Literatur wird jedoch teilweise kritisiert, dass eine derartige Berechnung des Wertersatzes nicht berücksichtigt, dass die Anteile vor dem Ausschluss des Gesellschafters infolge von Kapitalmaßnahmen verwässert sein könnten. Die Vorschrift müsste deshalb dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass auf den Wert der Aktien vor Durchführung der Kapitalmaßnahmen abzustellen ist354. Auf den ersten Blick scheint dieser Einwand zwar zutreffend, bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Ein Kreditinstitut, das vollständig verstaatlicht wird, befindet sich zwangsweise in einer so großen Insolvenzgefahr, dass der Unternehmenswert gegen Null geht. Deshalb stellt ein Wertersatz, der sich auf den Zeitpunkt der Hinausdrängung der Gesellschafter bezieht, eine angemessene Entschädigung der Aktionäre dar355. Rechtsschutzmöglichkeiten der hinausgedrängten Gesellschafter Der Gesetzgeber hat den Rechtsschutz im Rahmen des Squeeze-out nach § 12 Abs. 4 FMStBG durch eine skurrile Verweisungstechnik neu geregelt: § 12 Abs. 4 Satz 3 FMStBG erklärt die Vorschrift des § 327e Abs. 2 AktG für nicht anwendbar; diese verweist wiederum auf § 319 Abs. 5 und 6 AktG. Danach erfolgt eine Eintragung in das Handelsregister nicht, wenn der Vorstand keine Erklärung abgegeben hat, dass keine Rechtsmittel gegen den Beschluss mehr eingelegt werden können (faktische Registersperre). Stattdessen kommen § 7c Satz 2 bis 4 FMStBG zur Anwendung. Dadurch wird die faktische Registersperre ausgehebelt und die Eintragung wird unverzüglich vollzogen. Das wird in der Literatur teilweise als verfassungsrechtlich unzulässig erachtet356. Diese Argumentation überzeugt aus mehreren Gesichtspunkten nicht. Zunächst bleibt die Ausgestaltung eines effektiven Rechtsschutzes im Rahmen seiner Ein-
353 354 355 356
BT-DrS. 16/12100, S. 10. Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (829); Gurlit, NZG 2009, 601 (606). Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 154. Gurlit, NZG 2009, 691 (606).
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schätzungsprärogative im Wesentlichen dem Gesetzgeber überlassen357. Lediglich in Fällen, in denen eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen ist, darf der Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung nicht unzumutbar erschwert werden358. Darüber hinaus regelt das FMStBG, dass dem Aktionär die Aktien, die ihm entzogenen wurden, gegen Rückerstattung der erhaltenen Abfindung Zug um Zug wieder gewährt werden müssen, wenn dieser ein begründetes Rechtsmittel gegen den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss einlegt. Der Gesetzgeber geht sogar über die Anforderungen der Rechtsprechung hinaus: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Squeeze-out-Beschluss explizit festgestellt, dass einem "zu Unrecht" hinausgedrängten Gesellschafter laut Verfassung kein Anspruch auf Rückübertragung der entzogenen Aktien eingeräumt werden muss359. Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den vereinfachten Squeeze-out genügen somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen360.
Geeignetheit
Darüber hinaus muss die Absenkung der Squeeze-out-Schwelle zur Erreichung des oben genannten legitimen Zwecks auch geeignet sein. Götz stellt zu Recht fest, dass die Regelung nicht der direkten Kapitalzuführung insolvenzgefährdeter Finanzunternehmen dient. Jedoch könne durch § 12 Abs. 4 FMStBG eine erforderliche Verstaatlichung einer insolvenz-bedrohten systemrelevanten Bank im Einzelfall unter vereinfachten Bedingungen durchgeführt werden361. Die übrige Literatur äußert sich zur Geeignetheit der Absenkung der Squeeze-outSchwelle meist gar nicht362. Jedoch wird mit dem Hinweis auf die weite Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers allzu schnell über das Kriterium der Geeignetheit hinweggegangen, ohne sich gründlich damit auseinanderzusetzen. Das eingesetzte staatliche Mittel muss den Zweck nicht vollständig erreichen363, es genügt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht wird oder teilweise eintritt364. Gegen die Geeignetheit der vorliegenden Maßnahme spricht zunächst, dass es dem Bund bzw. dem SoFFin ab einer Beteiligung von 50 % plus einer Aktie durch eine 357 358 359 360 361 362 363 364
BVerfG, Beschluss vom 09.12.200 - 1 BvR 1542/06, NZG 2009, 902 (904). BVerfG, Beschluss vom 11.02.1987 - 1 BvR 475/85. BVerfGE 74, 228 (234); BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 370/84, BVerfGE 69, 381 (385) m.w.N. BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NZG 2007, 587, (590). Ebenso Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 154. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 151. Siehe etwa Böckenförde, NJW 2009, 2484 (2489), der den Prüfungspunkt der Geeignetheit für wenig relevant erachtet. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20, Rn 112. Vgl. beispielhaft BVerfGE 16, 147 (183); 30, 292 (316); 33, 171 (187); 67, 151 (173 ff.).
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vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss sowohl möglich ist, eine Beteiligung von 90 %, als auch von 95 % aufzubauen. Im letzten Fall könnte der SoFFin einen herkömmlichen Squeeze-out nach §§ 327 a ff. AktG durchführen. Es hätte der Herabsetzung der Squeeze-out-Schwelle also überhaupt nicht bedurft, da der Staat in jedem Fall in der Lage gewesen wäre, die übrigen Gesellschafter hinauszudrängen. Allerdings muss das Grundkapital bei einer Ausgangsbeteiligung von 50 % schon zum Aufbau einer Beteiligungsquote in Höhe von 90 % um Faktor vier erhöht werden365. Wollte man eine Beteiligung in Höhe von 95 % erreichen, müsste das Grundkapital um Faktor neun erhöht werden366. Primär wurde mit der Herabsetzung der Squeeze-out-Schwelle offensichtlich bezweckt, die ohnehin schon sehr hohen Kosten für die Verstaatlichung einer systemrelevanten Bank zu senken. Dies kann - zumindest mittelbar - die Stabilisierung des Finanzmarktes fördern, da dem Staat mehr Mittel verbleiben, um gegebenenfalls weitere systemrelevante Kreditinstitute zu verstaatlichen. Man kann also von der Geeignetheit der Maßnahme ausgehen. Erforderlichkeit Teilweise wird argumentiert, dass die Herabsetzung Schwelle nicht erforderlich gewesen wäre: Der Staat hätte einen Squeeze-out auch nach regulärem Aktienrecht durchführen können367. Da die Aktionäre jedoch auch im Fall eines regulären Squeeze-out eine Barabfindung erhalten, deren Höhe gerichtlich überprüfbar ist, würde die Beibehaltung der 95 %-Schwelle kein milderes Mittel darstellen368. Angemessenheit Zur bisherigen Squeeze-out-Schwelle von 95 % wird punktuell in der Literatur vertreten, dass dies der absolute Mindestwert sei, der verfassungsrechtlich gerade noch zulässig ist369. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Squeeze-out-
365 366 367 368 369
Rechenbeispiel: Grundkapital: € 1 Mio., Ausgangsbeteiligung € 500.000 - Erhöhung um € 4 Mio. Neues Grundkapital: € 5 Mio., neue Beteiligung € 4,5 Mio. (= 90%). Rechenbeispiel: Grundkapital: € 1 Mio., Ausgangsbeteiligung € 500.000 - Erhöhung um € 9 Mio. Neues Grundkapital: € 10 Mio., neue Beteiligung € 9,5 Mio. (= 95%). Vgl. nur Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 151. LG München I, Urteil vom 20.01.2011, 5 HK O 18800/09 (HRE), ZIP 2011, 276 (379); Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 151. Henze, in: fS Peltzer, S. 181 (189); Schön, in: fS Ulmer, S. 1359 (1389); Wiedemann, in: fS Schmidt, S. 1731 (1734 f.); Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369 (1375).
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Beschluss370 jedoch gerade nicht über die Mindestanforderungen der Squeeze-outSchwelle entschieden. Teile der Literatur meinen zudem, dass der „Moto-Meter“-Beschluss371 des Bundesverfassungsgerichts eine Indizwirkung dafür enthalte, dass ein Squeeze-out bereits ab einer Beteiligung von 75 % zulässig ist. Die Gesellschaft befreite sich im konkreten Fall, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, durch eine übertragende Sanierung von seinen Minderheitsaktionären, wobei es für die entsprechenden Hauptversammlungsbeschlüsse ebenfalls nur eine Beteiligung von 75 % bedurfte372. Dagegen spricht jedoch, dass in diesem Fall der Mehrheitsaktionär mit etwa 99 % an der Gesellschaft beteiligt war und sich eines Kleinaktionärs, der gerade mal über zwei Aktien verfügte, entledigte. Zudem erging diese Entscheidung noch bevor der Squeeze-out im Aktiengesetz kodifiziert wurde; sie kann somit lediglich als Vorgriff auf §§ 327a ff. AktG verstanden werden373. Für die Rechtfertigung der Herabsetzung der Squeeze-out Schwelle kann nicht erneut pauschal das Argument der Stabilisierung des Finanzmarktes vorgeschoben werden374, da man so ansonsten zunächst die vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss rechtfertigen könnte. Der Staat könnte durch diese vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss auch Beteiligungen von Aktionären, die ein unternehmerisches Interesse verfolgen, stark verwässern und diese anschließend aus dem Unternehmen drängen375. Er könnte faktisch schon mit einer Beteiligung von 50 % innerhalb kürzester Zeit einen Squeeze-out vorbereiten und durchführen376, was in klarem Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht. Im Rahmen der „Feldmühle“-Entscheidung hat es ein Grundsatzurteil gefällt: Eine erforderliche Mehrheit von mehr als 75 % zum nicht unternehmerisch veranlassten Hinausdrängen eines Gesellschafters sei "gerade noch innerhalb der Grenzen des Zulässigen"377.
370 371 372 373 374 375
376 377
BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NZG 2007, 587 ff. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2000 - 1 BvR 68/95 (Moto-Meter), NJW 2001, 279 ff. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 152. Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1255). A.A. Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 152 f. So geschehen bei der Verstaatlichung der HRE, wobei die Beteiligung der Gesellschaft flowers von etwa einem Drittel auf knapp 10% reduziert und anschließend ein Squeeze-out durchgeführt wurde. Siehe hierzu: Gurlit, NZG 2009, 601 (605); Kaserer/Köndgen/Möllers, ZBB 2009, 142 (152); Hopt/Fleckner/Kumpan/Steffek, WM 2009, 821 (829). Ähnlich: Götz, Die Verstaatlichung von Banken, S. 153. BVerfG, Urteil vom 7.8.1962 - 1 BvL 16/60 (Feldmühle), NJW 1962, 1667 (1668).
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Es überzeugt auch nicht, wenn man für die restlichen 10 % der Aktien darauf abgestellt, ob sich diese im Streubesitz befinden, oder ob auch unternehmerische Aktionäre vom Squeeze-out betroffen sind378. Mit einer Beteiligung von 10 % des Grundkapitals kann ein Aktionär keine unternehmerischen Entscheidungen treffen oder verhindern. Das einzige Rechtsmittel, das dem Minderheitsaktionär hier zusteht, ist die Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse. Diese darf jedoch nicht dazu führen, diese als Aktionäre mit unternehmerischem Interesse zu bezeichnen; dieses Rechtsmittel steht auch jedem anderen Aktionär zu. Geht man jedoch bereits bei einer Beteiligung von 10 % von einem unternehmerischen Interesse aus, müsste der Squeeze-out Beschluss einer Missbrauchskontrolle unterfallen, denn dann wäre der Hauptversammlungs-beschluss von Anfang an nichtig. Die Rechtsfolge wäre ein Anspruch der hinausgedrängten Gesellschafter auf Rückübertragung der Aktien aus § 12 Abs. 4 Satz 4 FMStBG ergeben. Entscheidend ist auch hier, dass die Kumulation mehrerer Instrumente des FMStBG einen unangemessenen Eingriff in die Rechte der Anteilseigner darstellt. Der Squeeze-out stellt sich genau dann als unverhältnismäßig dar, wenn dieser durch andere Stabilisierungsmaßnahmen erst ermöglicht wurde. Da jedoch bereits der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss Art. 14 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist, kommt eine Kombination dieser Instrumente nicht in Betracht. Die Herabsetzung der Schwelle auf 90 % ist für sich genommen kein Nachteil für die Aktionäre, da sie noch eine Abfindung für ihre Aktien erhalten, was für den Fall der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss nicht der Fall wäre. Der Eingriff durch § 12 Abs. 4 FMStBG ist somit angemessen. Ergebnis Aufgrund der Verfassungswidrigkeit von § 7 Abs. 3 FMStBG können die Anteile von Großaktionären nicht durch eine vereinfachte ordentliche Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss zunächst verwässert werden, um anschließend die Aktionäre aus dem Unternehmen zu drängen. Damit ist sichergesellt, dass unternehmerische Interessen von der Herabsetzung der Squeeze-out Schwelle auf 90 % nicht beeinträchtigt werden. Die vermögensrechtlichen Interessen bleiben gewahrt. Die Herabsetzung der Squeeze-out Schwelle auf 90 % ist also verfassungskonform.
378
So jedoch Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1256); Noack, Stellungnahme zum fMStErgG vom 12.03.2009, (III.).
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3.3 Gesellschaftssanierung Die Gesellschaftssanierung ist teilweise auch außerhalb von geregelten Verfahren möglich, etwa durch neue Kapitalbeschaffung, oft verbunden mit einem Kapitalschnitt der Gesellschaft. Scheitert hingegen eine privatrechtliche Sanierung, so müssen Verfahren zur Verfügung stehen, die eine Sanierung oder ggf. eine Abwicklung der Gesellschaft ermöglichen. Für realwirtschaftliche Unternehmen wurde ein solches Verfahren durch die Insolvenzordnung - insbesondere durch das Insolvenzplanverfahren - geschaffen379. Da häufig kritisiert wurde, dass dieses Verfahren für systemrelevante Banken untauglich sei, hat der Gesetzgeber hier ein eigenständiges Reorganisationsverfahren geschaffen. Hier soll gezeigt werden, dass das bisherige Insolvenzplanverfahren für Banken tatsächlich unzureichend ist, dass aber auch das neu geschaffene Reorganisationsverfahren noch konzeptionelle Schwächen aufweist. 3.3.1 Das Insolvenzplanverfahren 3.3.1.1 Insolvenzgründe Um über ein Kreditinstitut das Insolvenzverfahren eröffnen zu können, muss nach § 46 b Abs. 1 KWG ein Insolvenzgrund vorliegen. Dies sind Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung. Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 17 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, wobei Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen ist, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Nach § 18 InsO droht der Schuldner hingegen zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Überschuldung liegt nach § 19 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Der Vorstand der insolventen Bank hat der BaFin zunächst die Insolvenzreife anzuzeigen, die allein zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 46 b Abs. 1 Satz 4 KWG berechtigt ist. Nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist die Zustimmung des Kreditinstituts einzuholen. Der Insolvenzverwalter ist bei Fortführung der Geschäfte an die Wei379
Zu den Änderungen durch das ESUG vgl. Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren.
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GESELLSCHAFTSRECHTLICHE INSTRUMENTE IM VERGLEICH
sungen der BaFin gebunden. Jedoch „soll“ die Bankerlaubnis nach § 35 KWG Abs. 2a KWG n. F. entzogen werden. Es ist also davon auszugehen, dass die Insolvenzeröffnung regelmäßig ein Erlaubnisaufhebungsgrund ist und die Erlaubnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Regelfall von der Bundesanstalt aufgehoben wird380. 3.3.1.2 Aufbau des Insolvenzplans Der Insolvenzplan besteht gemäß § 219 InsO aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil. Im darstellenden Teil des Insolvenzplans wird zwingend beschrieben, welche Maßnahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergriffen wurden (oder noch werden), um die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. Darüber hinaus soll der darstellende Teil alle sonstigen Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind. Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll, enthält also alle materiellen Maßnahmen, die ergriffen werden sollen. 3.3.1.3 Möglichkeiten des Planverfahrens Der Insolvenzplan wurde durch das ESUG381 um die Möglichkeit erweitert, gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, insbesondere auch Kapitalmaßnahmen, in den Insolvenzplan aufzunehmen382. Es besteht insbesondere die Möglichkeit, Forderungen der Gläubiger in Anteile am insolventen Rechtsträger umzuwandeln (sog. „debt-equity-swap“)383. Dritte können sich nur eingeschränkt von Verträgen mit der insolventen Gesellschaft lösen.
380 381 382 383
BT-DrS. 17/3024, S. 59. Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 07. Dezember 2011, BGBl. I. S. 2582. Vgl. hierzu Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplanverfahren. Vgl. hierzu unter 2.4.1.
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Für die Abstimmung über den Insolvenzplan werden folgende Gruppen gebildet: 1. absonderungsberechtigte Gläubiger, soweit durch den Insolvenzplan in deren Rechte eingegriffen wird 2. nicht nachrangige Insolvenzgläubiger 3. nachrangige Insolvenzgläubiger entsprechend ihrer Rangfolge sowie 4. Anteilseigner der insolventen Gesellschaft. Wichtig ist diesbezüglich das in § 245 InsO verankerte Obstruktionsverbot: Damit wird das Blockadepotenzial insbesondere der Anteilseigner verringert. Die Zustimmung zum Insolvenzplan trotz tatsächlicher Ablehnung einer Gruppe gilt als erteilt wenn die Angehörigen dieser Gruppe durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als ohne wenn die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der den Beteiligten zufließen soll, und wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat. Eine angemessene Beteiligung liegt für die Anteilseigner dann vor, wenn kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen. Außerdem darf kein Anteilsinhaber, der ohne einen Plan den Anteilsinhabern der Gruppe gleichgestellt wäre, bessergestellt werden als diese. Um die Rechte des Anteilseigners zu stärken, kann dieser inzwischen gemäß § 251 InsO ebenfalls die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans beantragen. Er muss dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen haben, falls er befürchtet, durch den Plan schlechter gestellt zu werden, als ohne Plan. Dies muss spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft gemacht werden. Der Antrag wird abgewiesen, wenn im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. Gegen den Beschluss, der den Insolvenzplan bestätigt, haben die Anteilsinhaber nach der InsO nun auch das Recht der sofortigen Beschwerde. Sollten Forderungen im Rahmen eines debt-equity-swap eingebracht worden sein, können im Nachhinein keine Ansprüche aufgrund der Überbewertung der Forderung mehr geltend gemacht werden; die Differenzhaftung ist ausgeschlossen.
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3.3.1.4 Zwischenergebnis Das Insolvenzplanverfahren ist vorrangig auf den Gläubigerschutz ausgerichtet. Es teilt ihnen wesentliche Mitspracherechte zu und greift massiv in die Rechte der Anteilseigner ein. Diese werden im Gegenzug jedoch entschädigt und haben umfangreiche Rechtsschutzmöglichkeiten. Diese Maßnahmen sind sehr zu begrüßen, da hiermit das Erpressungspotenzial der Anteilseigner deutlich eingeschränkt wird. Problematisch an diesem Verfahren ist, dass es erst eingeleitet werden kann, wenn bereits Insolvenzgründe vorliegen. Dies macht das Verfahren zur Sanierung systemrelevanter Banken ungeeignet: Zur Abwendung von Gefahren für die Finanzmarktstabilität müsste bereits im Stadium vor der Insolvenz eingegriffen werden, um Ansteckungseffekte zu vermeiden. 3.3.2 Neuerungen durch das Kreditinstitutereorganisationsgesetz Im Rahmen der Finanzkrise hat der Gesetzgeber schnell erkannt, dass das bisherige Insolvenzrecht keine geeigneten Instrumente bietet, um eine Bank, die in Schwierigkeiten geraten ist, in einem geordneten Verfahren zu sanieren oder abzuwickeln384. Zwar ist es dem Staat möglich, diesen Banken zu helfen, damit eine Fortführung des Geschäftsbetriebs möglich ist. Er verliert jedoch seine Handlungsfähigkeit, wenn eine Restrukturierung oder geordnete Abwicklung von systemrelevanten Banken nicht möglich ist. Bislang sah eine Unterstützung systemrelevanter Banken so aus, dass massiv Kapital zugeführt wurde, das vom Steuerzahler aufgebracht werden musste. Dadurch wurde die unternehmerische Verantwortung der beteiligten Parteien geschwächt: Gläubiger, Bankmanagement und Eigentümer werden immer wieder dazu verleitet, Risiken einzugehen, die sie irgendwann nicht mehr beherrschen385. Ziel des Staates war es daher, die Schieflage systemrelevanter Banken ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems zu bewältigen. Eigen- und Fremdkapitalgeber sollten die Kosten der Insolvenzbewältigung weitestgehend selbst tragen386. Im Folgenden wird das Sanierungs- sowie das Reorganisationsverfahren dargestellt, das durch das Restrukturierungsgesetz eingeführt wurde, und mögliche Probleme erörtert.
384 385 386
BT-DrS. 17/3024, S. 1. BT-DrS. 17/3024, S. 40. BT-DrS. 17/3024, S. 40.
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3.3.2.1 Anwendungsbereich und Definitionen Im Rahmen des KredReorgG ist stets von „Kreditinstituten“ die Rede. Dieser Begriff wird als „Kreditinstitut mit Sitz im Inland“ legal definiert. Sowohl für das Sanierungs- als auch für das Reorganisationsverfahren gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend, wobei gerichtliche Entscheidungen nicht anfechtbar sind (vgl. § 1 Abs. 2 und 3). Zunächst wird der Ablauf der beiden Verfahren erläutert, um dann gezielt auf die jeweiligen Probleme einzugehen. 3.3.2.2 Das Sanierungsverfahren (§§ 2 - 6) Sowohl des Sanierungs- als auch des Reorganisationsverfahrens werden aufgrund der Initiative des Kreditinstituts selbst eingeleitet: Es zeigt durch Anzeige seine Sanierungsbedürftigkeit bei der Bundesanstalt (BaFin) an. Diese entscheidet nach § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 KWG über die Sanierungs-bedürftigkeit. Bereits mit der Anzeige muss das Institut einen Sanierungsplan vorlegen sowie einen geeigneten Sanierungsberater vorschlagen. Entscheidend ist, dass dieser Plan bereits alle Maßnahmen enthalten kann, die geeignet sind, um eine Sanierung des Kreditinstituts zu erreichen. Ein Eingriff in Rechte Dritter ist ausdrücklich nicht gestattet387 (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2). Im Sanierungsplan kann insbesondere vorgesehen werden, dass das Kreditinstitut zu Sanierungszwecken neue Darlehen aufnimmt, die im Falle einer Insolvenz vorrangig zu befriedigen sind. Der Kreditrahmen darf 10 % der Eigenmittel des Kreditinstituts nicht übersteigen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verweisung auf § 264 Abs. 3 InsO und somit auch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, aus dem Regierungsentwurf gerade nicht übernommen wurde. Es wurde jedoch versäumt, dies aus der Begründung zu streichen388. Da im Regierungsentwurf die Verweisung noch enthalten war, in der Endfassung hingegen nicht mehr, kann die Gesetzesbegründung nicht dafür herangezogen werden, die Vorschrift des § 264 Abs. 3 InsO zur Anwendung zu bringen389; Ge-
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Dieses Verfahren daher als „zahnlos“ beschreibend: Lorenz, NZG 2010, 1046 (1048). Vgl. BT-DrS. 17/3024, S. 45. Obermüller, NZI 2011, 81 (84); Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 (70).
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sellschafterdarlehen sind daher im Falle einer Insolvenz nicht nachrangig zu behandeln390. Die BaFin prüft den Antrag auf Durchführung des Sanierungsverfahrens auf seine Zweckmäßigkeit. Hat sie diese festgestellt, stellt sie unverzüglich einen Antrag auf Durchführung des SanierungsverfahrenS. Ausschließlich zuständig ist hier das OLG Frankfurt a. M.391. Bei der Prüfung hat die BaFin zu entscheiden, ob der vorgeschlagene Sanierungsberater für diese Position geeignet ist. Es kann auch ein Mitglied eines Organs des Kreditinstituts zum Sanierungsberater bestellt werden. Einen anderen Sanierungsberater kann die BaFin nur vorschlagen, wenn sie den vom Kreditinstitut vorgeschlagenen Berater für ungeeignet hält, womit dem Vorschlagsrecht des Kreditinstituts eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt392. Sofern der Antrag zulässig und der zu Grunde liegende Sanierungsplan nicht offensichtlich ungeeignet ist, ordnet das Oberlandesgericht die Durchführung des Sanierungsverfahrens durch Beschluss an. Dieser Beschluss muss nicht zwingend veröffentlicht werden, was auch im Interesse der sanierungsbedürftigen Bank liegen dürfte. Der Sanierungsberater ähnelt einem vorläufigen Insolvenzverwalter, ist jedoch mit deutlich weitreichenderen Rechten ausgestattet. So ist der Sanierungsberater beispielsweise berechtigt, an sämtlichen Sitzungen und Versammlungen der Organe und sonstigen Gremien des Kreditinstituts in beratender Funktion teilzunehmen. Auch kann er Anweisungen an die Geschäftsführung erteilen. Der Sanierungsberater ist für die Umsetzung des Sanierungsplans zuständig und steht unter der Aufsicht des Oberlandesgerichts. Das Oberlandesgericht kann auf Vorschlag der BaFin auch weitere Maßnahmen anordnen, die massiv in die Rechte der Unternehmensführung eingreifen. So kann den Mitgliedern der Geschäftsleitung beispielsweise untersagt werden, weiterhin für das Kreditinstitut tätig zu werden. Das Oberlandesgericht kann anordnen, dass der Sanierungsberater selbst Mitglied der Geschäftsleitung wird. Des Weiteren kann die Entnahme von Gewinnen beschränkt oder gänzlich untersagt werden. Auch das Vergütungssystem der Ge-
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A.A. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 ff., fn 24, die explizit auf die Gesetzesbegründung abstellen. Über den Antrag entscheidet nach § 2 Abs. 3 Satz 2 das Gericht, das für Klagen gegen die BaFin zuständig ist. Nach § 1 Abs. 3 finDAG hat die BaFin ihren Sitz für Klagen in frankfurt a. M. womit das OLG frankfurt a. M. ausschließlich zuständig ist. Ähnlich Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (222), die auf die Bestellung durch das OLG abstellen.
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schäftsleitung kann überprüft und ggf. vom Gericht angepasst werden. Das Gericht kann außerdem die Zustimmung des Aufsichtsorgans ersetzen. Nach erfolgreicher Durchführung des Sanierungsverfahrens unterrichtet der Sanierungsberater die BaFin und stellt einen Antrag auf Aufhebung. Das Verfahren wird dann per Beschluss aufgehoben. Sofern das Sanierungsverfahren keinen Erfolg hatte, soll ein Reorganisationsverfahren eingeleitet werden. Das Oberlandesgericht verbindet in diesem Fall die Aufhebung des Sanierungsverfahrens mit der Entscheidung über die Durchführung des Reorganisationsverfahrens. 3.3.2.3 Das Reorganisationsverfahren (§§ 7 - 23) Einleitung des Verfahrens Wenn das Kreditinstitut selbst eine Sanierung für aussichtslos hält, kann es durch Anzeige bei der BaFin gleich das Reorganisationsverfahren einleiten393, ohne ein Sanierungsverfahren vorzuschalten. Dieser Anzeige muss ein Reorganisationsplan beigefügt werden. An die Sanierungsbedürftigkeit des Kreditinstituts sind keine hohen Anforderungen zu stellen, da ausdrücklich das Institut selbst entscheidet, ob und ggf. wann das Verfahren eingeleitet wird394. Ein Reorganisationsverfahren kann nur dann durchgeführt werden, wenn eine Bestandsgefährdung des Kreditinstituts nach § 48 b Abs. 1 KWG vorliegt, die ihrerseits zu einer Systemgefährdung nach § 48 b Abs. 2 KWG führen könnte. Eine Bestandsgefährdung liegt vor, wenn ein insolvenzbedingter Zusammenbruch des Kreditinstituts droht, falls nicht umgehend korrigierenden Maßnahmen eingeleitet werden. Eine solche Gefahr wird vermutet, wenn 1. das verfügbare Kernkapital das erforderliche Kernkapital zu weniger als 90 % deckt oder 2. das modifizierte verfügbare Eigenkapital die erforderlichen Eigenmittel zu weniger als 90 % deckt oder 3. die Zahlungsmittel, die dem Institut in einem durch die Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KWG definierten Laufzeitband zur Verfügung ste-
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Innerhalb der BaFin ist die Abwicklungseinheit für die Durchführung des Reorganisationsverfahrens zuständig, siehe den durch das Trennbankengesetz neu eingeführten § 47c Abs. I KWG; hierzu ausführlich auf S. 280 ff.. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 7 KredReorgG, Rn. 2.
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hen, die in demselben Laufzeitband abrufbaren Zahlungsverpflichtungen zu weniger als 90 % decken oder 4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Unterdeckung nach Ziffer 1, 2 oder 3 eintreten wird, wenn keine korrigierenden Maßnahmen ergriffen werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nach der Ertragslage des Instituts mit einem Verlust zu rechnen ist, in dessen Folge Umstände aus Ziffer 1, 2 oder 3 eintreten würden. Die darauf beruhende Systemgefährdung liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Kreditinstituts in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderen Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt. Bei der Beurteilung, ob eine solche Systemgefährdung vorliegt, ist der BaFin ein weites Ermessen eingeräumt395. Berücksichtigt werden müssen: Art und Umfang der Verbindlichkeiten des Kreditinstituts gegenüber anderen Instituten und sonstigen Unternehmen des Finanzsektors Umfang der vom Institut aufgenommenen Einlagen Art, Umfang und Zusammensetzung der Risiken, die das Institut eingegangen ist Risiken sowie die Verhältnisse auf den Märkten, auf denen entsprechende Positionen gehandelt werden die Vernetzung mit anderen Finanzmarktteilnehmern sowie die Verhältnisse auf den Finanzmärkten, insbesondere die von den Marktteilnehmern erwarteten Folgen eines Zusammenbruchs 1.) auf andere Unternehmen des Finanzsektors, 2.) auf den Finanzmarkt insgesamt und 3.) auf das Vertrauen der Einleger und Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des FinanzmarkteS.
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BT-DrS. 17/3024, S. 49.
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Im Rahmen des Trennbankengesetzes (August 2013)396 wurden außerdem folgende Kriterien aufgenommen: die Größe des Kreditinstituts die Ersetzbarkeit seiner Dienstleistungen die Komplexität der Geschäfte, die mit anderen Marktteilnehmern abgeschlossenen wurden sowie Art, Umfang und Komplexität der grenzüberschreitend abgeschlossenen Geschäfte und die Ersetzbarkeit der grenzüberschreitend angebotenen Dienstleistungen mit aufgenommen worden. Dadurch sollte den allgemeinen Kriterien, insbesondere auch denen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, Rechnung getragen werden397: Es muss die Gefahr bestehen, „dass das Finanzsystem von der Krise des Instituts angesteckt wird“398. Das Oberlandesgericht hört nach Antragstellung durch die Bundesanstalt zunächst die Bundesbank, die BaFin sowie das Kreditinstitut an und entscheidet danach, ob die Voraussetzungen zur Durchführung eines Reorganisationsverfahrens vorliegen. Dieser Beschluss wird mit dem Beschluss zur Durchführung des Reorganisationsverfahrens verbunden. Der Reorganisationsplan Der Reorganisationsplan besteht wie der Insolvenzplan aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil: Im Rahmen des darstellenden Teils werden geplante Regelungen beschrieben, die die Grundlagen für die Gestaltung der Rechte der Betroffenen schaffen. Im gestaltenden Teil wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2) durch den Reorganisationsplan geändert werden soll; auch eine Liquidation des Kreditinstituts kann dabei vorgesehen werden (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 3).
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Siehe hierzu ausführlich unter Ziff. 5. BT-DrS. 17/12601, S. 40. BT-DrS. 17/3024, S. 63.
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Hieraus ergibt sich, dass im Rahmen des Reorganisationsverfahrens auch in Rechte Dritter eingegriffen werden kann. Gestattet sind hierbei insbesondere: der „debt-equity-swap nach § 9 (hierzu unter Ziff. 3) sonstige gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, insbesondere Satzungsänderungen nach § 10 (hierzu unter Ziff. 3 ) Ausgliederung von Vermögensteilen auf eine Brückenbank nach § 11 (hierzu unter Ziff. 3) Gruppenbildung und Abstimmung Das weitere Verfahren hinsichtlich Gruppenbildung und Abstimmung über den Sanierungsplan gleicht dem Insolvenzplanverfahren. Die Gläubiger bilden eine Gruppe (§§ 8 Abs. 2, 17 Abs. 1), die Anteilseigner hingegen nur, wenn im Rahmen des Reorganisationsplans Maßnahmen vorgesehen werden, die einen Beschluss der Hauptversammlung erfordern (§§ 8 Abs. 2 Satz 4, 18). Die Gläubiger können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, falls sich ihre wirtschaftlichen Interessen unterscheiden (z. B. gesicherte und ungesicherte Gläubiger)399. Für eine Annahme des Reorganisationsplans bedarf es der Zustimmung aller Gruppen. Es muss also auch die Gruppe der Anteilseigner zustimmen. Diese stimmen in einer Hauptversammlung ab, die mit einer Frist von 21 Tagen einzuberufen ist. Im Rahmen dieser Hauptversammlung werden alle Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst. Ausnahme: Beschlüsse, die eine Kapitalherabsetzung oder einen Bezugsrechtsausschluss zum Gegenstand haben; diese benötigen eine Zweidrittelmehrheit. Falls die Anteilseigner ihre Zustimmung verweigern, gilt diese nach § 19 Abs. 4400 trotzdem als erteilt, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Reorganisationsplan mit den jeweils erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat und die vorgesehenen Maßnahmen nach den §§ 9 bis 11 dazu dienen, erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Banken und eine Instabilität des Finanzsystems zu verhindern. Diese Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Darüber hinaus müssen auch die Gläubigergruppen zustimmen. Innerhalb jeder Gläubigergruppe muss sowohl die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger als auch
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Obermüller, NZI 2011, 81 (90). Diese Vorschrift ist durch das ESUG nun auch im Insolvenzplanverfahren vorhanden, vgl. § 245 InsO.
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die Summe ihrer Ansprüche mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger betragen (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3). Abschluss des Verfahrens Wurde der Reorganisationsplan angenommen oder die Annahme fingiert, bestätigt das Oberlandesgericht dies durch BeschlusS. Die Wirkungen des gestaltenden Teils nach § 21 Abs. 1 KredReorgG tritt unmittelbar ein. Teilweise wird vertreten, dass die gesellschaftsrechtlichen Folgen erst mit Eintragung ins Handelsregister eintreten401. Dafür wird auf die Gesetzesbegründung verwiesen, in der es zu § 18 heißt: „Um jedoch den zügigen Fortgang des Verfahrens zu gewährleisten und die Reorganisation nicht zu gefährden, muss das Blockadepotenzial von einzelnen Betroffenen eingeschränkt werden. Daher findet das aktienrechtliche Freigabeverfahren nach § 246a AktG entsprechende Anwendung. Der erforderliche Antrag, der nach der aktienrechtlichen Regelung durch die Gesellschaft zu stellen ist, muss hier durch den Reorganisationsberater gestellt werden.“ Ferner wird zu § 21 ausgeführt: „Um einen raschen Vollzug der im Reorganisationsplan enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen im Handelsregister zu erzielen, verzichtet Absatz 3 auf die sonst im Registerrecht regelmäßig vorgesehene Einleitung des Registerverfahrens durch Anmeldung. Eine Anmeldung müsste nach § 12 Absatz 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) elektronisch in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden. Trotz der durch die elektronische Anmeldung gegebenen Beschleunigung des Verfahrens würde die Zwischenschaltung des Notars den Vollzug der im Reorganisationsplan vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen verzögern.“ Es mag sein, dass der Gesetzgeber sowohl durch den Verweis auf das Freigabeverfahren als auch durch die wiederholte Erwähnung der Beschleunigung des Verfahrens davon ausging, dass ein Handelsregistereintrag konstitutiv und nicht lediglich deklaratorisch sein sollte. Dem kann man entgegen halten, dass der Wortlaut der Norm eine derartige Auslegung nicht hergibt: Hier ist eindeutig geregelt, dass die Wirkungen des Reorganisationsplans mit Bestätigung durch das Gericht eintreten; 401
Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (230); widersprüchlich fridgen, der einmal auf die Planbestätigung und einmal auf die Eintragung im Handelsregister abzustellen scheint, vgl. fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 5 einerseits und zu § 21 KredReorgG, Rn. 1 andererseits.
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dazu zählen eben auch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen; deren Wirksamkeit kann somit nicht mehr von einer Handelsregistereintragung abhängig sein. Darüber hinaus sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift deutlich für eine sofortige Wirksamkeit der Regelungen ohne Eintragung. Die Sanierung einer systemrelevanten Bank kann nur innerhalb kurzer Zeit sichergestellt werden, ohne erhebliche Werteinbußen und weitere Unsicherheiten auf den Finanzmärkten hinnehmen zu müssen. Dies wäre offensichtlich nicht gewährleistet, wenn man eine Eintragung fordern würde. Ein Freigabeverfahren nach § 246 a AktG kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Es ist also davon auszugehen, dass, entsprechend des Wortlauts der Vorschrift, die Rechtsänderungen mit Bestätigung des Plans eintreten402. Etwaige Willenserklärungen, die für die Rechtswirkungen erforderliche sind, werden nach § 21 Abs. 1 Satz 2 KredReorgG fingiert. Rechtsschutz Dem Reorganisationsplan kann entweder von Amts wegen oder auf Antrag eines Gläubigers die Bestätigung versagt werden. Der Antrag des Gläubigers ist jedoch nur zulässig, wenn dieser glaubhaft machen kann, dass er durch den Reorganisationsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde, er außerdem schon im Abstimmungsverfahren schriftlich widersprochen hat und wenn der Reorganisationsberater keine Sicherheit leistet. Es liegt somit letztlich an der Person des Reorganisationsberaters, ob er durch Sicherheitsleistung die Bestätigung des Planes herbeiführt oder nicht403. Die Vorschrift ist § 251 InsO nachempfunden, die entsprechendes für das Insolvenzverfahren regelt. 3.3.2.4 Probleme innerhalb des Sanierungsverfahrens Nachdem ein grober Überblick über den Ablauf der verschiedenen Verfahren gegeben wurde (Ziff. 2), werden nun die Feinheiten des Verfahrens sowie die Einzelprobleme dargestellt und erläutert. Aufgrund der sehr knappen Regelungen hinsichtlich des Sanierungsverfahrens und der nur eingeschränkten Tragweite des Verfahrens, ist dieses auch wesentlich weniger problemanfällig als das Reorganisationsverfahren. Dennoch sind auch hier zwei Punkte erwähnenswert. 402 403
Lorenz, NZG 2010, 1046 (1050); Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, DB 2011, 66 (72); Wimmer, jurisPR-InsR 17/2010 Anm. 1, Ziff. II. 2. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (230).
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Zunächst erscheint es problematisch, dass das Sanierungsverfahren allein aufgrund freiwilliger Bestrebungen der Geschäftsleitung des Kreditinstituts eingeleitet werden kann. Die Beurteilung, ob ein Kreditinstitut tatsächlich sanierungsbedürftig ist, wäre damit denjenigen vorbehalten, die tag täglich die Geschäfte des Kreditinstituts leiten. Wird ein Antrag auf Durchführung eines Sanierungsverfahrens gestellt, so ist dies nicht weniger als das Eingeständnis, als Geschäftsleitung versagt zu haben, dass man sich also nicht mehr in der Lage sieht, aus eigener Kraft aus der Krise heraus zu kommen. Vor diesem Hintergrund besteht sicherlich kein großer Anreiz für die Geschäftsleitung, ein solches Verfahren tatsächlich anzustreben. Da in einem solchen Verfahren Eingriffe in Drittrechte nicht möglich sind, sind privilegierte Sanierungskredite das einzige effektive Mittel, das in der Krise zur Verfügung steht. Jedoch ist mit der Einleitung des Verfahrens, zumindest potenziell, auch ein Kompetenzverlust der Geschäftsleitung verbunden, was es für die anzeigeberechtigte Geschäftsführung ebenfalls nicht attraktiver macht. Allerdings kommen die Mitglieder der Geschäftsleitung durch die Anzeige der Sanierungsbedürftigkeit ihrer Insolvenzantragspflicht nach § 46 b Abs. 1 KWG nach, was für die Organmitglieder aus haftungsrechtlicher Sicht ein Vorteil ist. Nachteilig ist, dass die Insolvenzgründe womöglich nicht mehr mit letzter Akribie geprüft werden, wenn das Sanierungsverfahren deutlich vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eingeleitet und ein Organmitglied zum Sanierungsberater bestellt wird404. Gläubiger, die nach Einleitung des Sanierungsverfahrens aber vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung Verträge mit der Bank eingehen, könnten so geschädigt werden, ohne durch ein Haftungsregime geschützt zu sein. Problematisch ist auch, dass ein Sanierungsverfahren wohl nicht geheim gehalten werden kann, selbst wenn der Eröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts nicht veröffentlicht werden musS. Zumindest bei börsennotierten Aktiengesellschaften, stellt die Eröffnung des Sanierungsverfahrens eine publikationspflichtige Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 WpHG dar. Eine Befreiung nach Abs. 3 kommt nur für die Zeit zwischen der Anzeige der Sanierungsbedürftigkeit und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses in Betracht405. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit zwar gesehen, dies jedoch nicht klargestellt406. Diese Publizität wird Vorstände möglicherweise davon abhalten, ein solches Verfahren einzuleiten, da die möglichen Maßnahmen äußerst beschränkt sind. Damit wird das Vertrauen in die Geschäftsleitung weiter schwinden407. Dies kann im schlimmsten Fall 404 405 406 407
So auch Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (223). Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (223); Binder, ZBB 2012, 417 (423) fn. 57. Vgl. BT-DrS. 17/3024, S. 46. A.A. Wimmer, jurisPR-InsR 17/2010 Anm. 1, Ziff. II. 1.
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dazu führen, dass Anleger ihr Geld innerhalb kurzer Zeit abziehen (sog. „Bankrun“). Damit hätte das Sanierungsverfahren in keinem Fall mehr Aussicht auf Erfolg408. 3.3.2.5 Probleme innerhalb des Reorganisationsverfahrens Das Reorganisationsverfahren bietet aufgrund seiner vielschichtigen Gestaltungsmöglichkeiten reichlich Konfliktpotenzial. Die Umwandlung von Forderungen in Unternehmensanteile ist ein nach wie vor heiß diskutiertes Thema. Besondere Brisanz bekommt dieses Instrument dadurch, dass die Zustimmung der Anteilsinhaber nicht zwingend vorliegen muss, sondern diese auch fingiert werden kann. Auch die Ausgliederung von Vermögenswerten, der Eingriff in Gläubigerrechte sowie die Beendigung von Verträgen können im darstellenden Teil des Reorganisationsplans Probleme hervorrufen. Als eines der wichtigsten Sanierungsinstrumente409 gilt der debt-equity-swap, also die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital410. Nachfolgendend wird zunächst der debt-equity-swap außerhalb eines Planverfahrens dargestellt, dann mit der Durchführung innerhalb eines Planverfahrens verglichen. Anschließend werden die Probleme, die sich im Reorganisationsverfahren ergeben, geprüft, insbesondere der Verstoß gegen Verfassungs- und Europarecht. Der debt-equity-swap außerhalb eines Planverfahrens Zur erfolgreichen Durchführung eines debt-equity-swap außerhalb eines Planverfahrens wird das Stammkapital zunächst herabgesetzt und sodann gleich wieder erhöht (Kapitalschnitt), damit den Forderungsgläubigern im Verhältnis zu den Altgesellschaftern keine verwässerten Anteile zukommen. Denn die Anteile der Altgesellschafter sind in der Krise ihrem Wert bereits deutlich reduziert. Würde kein Kapitalschnitt durchgeführt, würden die neuen Gesellschafter „zu viel bezahlen“. Im Rahmen dieser Kapitalerhöhung wird die Forderung der Gläubiger als Sacheinlage eingebracht und das Bezugsrecht der bisherigen Anteilseigner ausgeschlossen. Die Einbringung erfolgt entweder durch Abtretung der Forderung an die Gesellschaft, wobei diese durch Konfusion erlischt, oder im Rahmen eines Erlassvertrags zwischen dem bisherigen Gläubiger und der Gesellschaft411. Für die Gläubiger ist problematisch, dass sie, sollte nur ein Teil der Forderung eingebracht werden, nun eine Doppelstellung einnehmen. Auf der einen Seite sind 408 409 410 411
Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (223); generell kritisch zum KredReorgG ebenfalls: Binder, ZBB 2012, S. 417 ff.; ders., Managing Rik in the financial System, S. 241 f.. BT-DrS. 17/3024, S. 50. Zum debt-equity-swap im Rahmen des neuen Insolvenzplanverfahrens nach dem ESUG siehe Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan, D. III. Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan, A. I. 2.
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sie Gläubiger, andererseits nun auch Gesellschafter. Dies führt nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO grundsätzlich dazu, dass die restlichen Forderungen im Rahmen eines etwaigen Insolvenzverfahrens erst nachrangig befriedigt werden. Ein weiteres Problem stellt der Wert der einzubringenden Forderung dar. Da die Gesellschaft sanierungsbedürftig ist, wird auch die Forderung nicht mehr vollwertig sein. Bei Kreditinstituten, die in die Krise geratenen sind, wird es zu einem erheblichen Abschlag kommen. Dies bringt für die Gläubiger einen Interessenkonflikt mit sich. Einerseits möchten sie für ihre Forderung so viele Geschäftsanteile wie möglich erhalten. Auf der anderen Seite besteht das Risiko der Unterbilanzhaftung, nämlich dann, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die Forderung doch weniger Wert war als ihr Nennwert. In diesem Fall müsste der Gläubiger, der inzwischen Gesellschafter ist, einen Nachschuss leisten und würde im Endeffekt sogar noch etwas drauflegen. Es wurde also versucht, diese spezifischen Probleme im Reorganisationsverfahren im Ansatz zu vermeiden. Der debt-equity-swap im Rahmen des Reorganisationsverfahrens Im Rahmen eines Reorganisationsverfahrens kann im gestaltenden Teil des Reorganisationsplans vorgesehen werden, dass Forderungen von Gläubigern in Anteile am Kreditinstitut umgewandelt werden. Ein debt-equity-swap kann nach § 9 Abs. 1 Satz 2 nicht gegen den Willen der Gläubiger durchgeführt werden. Auch wenn dies im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens teilweise anders gesehen wurde412, entspricht die neue Regelung den jeweiligen Interessen. Warum sollte einem Gläubiger die Stellung eines Gesellschafters mit sämtlichen dazugehörigen gesellschaftsrechtlichen Pflichten aufgezwungen werden? Die Entscheidung, ob man durch einen debt-equity-swap versucht, seine im Wert deutlich geschmälerte Forderung „zu retten“ oder ob man diese lieber gleich abschreibt, liegt einzig und allein beim Forderungsinhaber. Es ist daher konsequent, dass die Zustimmung der Gläubiger nicht ersetzt werden kann. Wird ein debt-equity-swap in den Reorganisationsplan mit aufgenommen, so kann darin auch eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen oder der Ausschluss des Bezugsrechts vorgesehen werden413. Es kann also ein kompletter debt-equity-swap innerhalb des Planverfahrens durchgeführt werden. Damit die Gläubiger ihre Forderungen auch zu Teilen einbringen können, ohne dass die verbliebenen Forderungen im Falle einer Insolvenz nachrangig behandelt
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Schuster, Börsen-Zeitung vom 01.09.2010, S. 2. § 9 Abs. 1 Satz 3 KredReorgG.
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werden, hat der Gesetzgeber Anreize geschaffen, um so viel Kapital wie möglich zu bündeln. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 KredReorgG i. V. m. § 39 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 InsO gilt für die neuen Gesellschafter nun das Sanierungs- und Kleinbeteiligtenprivileg. Risiken sollen für die Gläubiger kalkulierbar gemacht werden414. Ausweislich dieses gesetzgeberischen Motivs muss die Regelung auch dahingehend verstanden werden, dass die Privilegierung auch ohne die zusätzlichen Voraussetzungen des § 39 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 InsO eintritt415. Auch die Nachschusspflicht für die Gläubiger, die einen debt-equity-swap durchführen, wurde ausgeschlossen. Das macht dieses Sanierungsinstrument äußerst attraktiv, da nicht befürchtet werden muss, dass nach Einbringung zu einem ohnehin sicher deutlich unter dem Nennwert liegenden Betrag weitere Einlagen geleistet werden müssen. Probleme können sich hingegen im Rahmen der fingierten Zustimmung der Anteilseigner nach § 19 Abs. 4 KredReorgG ergeben416. Im Rahmen eines debtequity-swap findet sowohl eine Kapitalherabsetzung als auch eine Kapitalerhöhung statt. Darüber müssen die Anteilseigner im Rahmen einer Hauptversammlung abstimmen. Sollten die Anteilseigner ihre Zustimmung verweigern, könnte diese ersetzt werden: Die Zustimmung der Anteilseigner zum Reorganisationsplan gilt trotz tatsächlicher Ablehnung als erteilt, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Reorganisationsplan mit den jeweils erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat und wenn die im Reorganisationsplan vorgesehenen Maßnahmen, die in Gesellschafterrechte eingreifen, dazu dienen, erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Unternehmen des Finanzsektors infolge der Bestandsgefährdung des Kreditinstituts und eine Instabilität des Finanzsystems zu verhindern. Diese Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Es ist unklar, wer feststellt, ob diese Voraussetzungen vorliegen417. Der Reorganisationsberater ist als Einzelperson dafür nicht geeignet. Deshalb kann, in entsprechender Anwendung von § 48 b Abs. 3 KWG, die BaFin in Abstimmung mit der Bundesbank diese Voraussetzungen feststellen418. Wird die Zustimmung der Anteilseigner aufgrund des Obstruktionsverbots ersetzt, werden Kapitalmaßnahmen auch gegen den Willen der Eigentümer durchgeführt. Das ist sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich problematisch. 414 415 416 417 418
BT-DrS. 17/3024, S. 51. Ebenso fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 9 KredReorgG, fn 9. Siehe oben unter 2.1.2. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (229). Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (229).
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Verstoß gegen Verfassungsrecht Auch wenn die Anteile der Gesellschafter im Rahmen der Krise deutlich an Wert verloren haben oder gar tatsächlich wirtschaftlich wertlos geworden sind, kann eine solche Unternehmensbeteiligung nicht mit Null bewertet werden. Es ist allgemein anerkannt, dass der Schutz der Aktionäre sich nicht auf die vermögensrechtliche Position beschränkt, sondern auch die mitgliedschaftliche Stellung als solche dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterliegt419. Der Entzug der Gesellschafterstellung durch den Reorganisationsplan stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Dies gilt auch für den Ausschluss von Aktionären in Form eines Squeeze-out. Dieser wird nur für zulässig gehalten, wenn ein legitimer Zweck verfolgt wird und wenn sichergestellt ist, dass die Anteilseigner vollen Wertersatz für den Verlust der Aktien erhalten. Ein effektiver Rechtsschutz gegen den Ausschluss muss gewährleistet sein420. Die Interessenlage ist vorliegend vergleichbar, weshalb diese Grundsätze entsprechend anzuwenden sind421. Legitimer Zweck Ziel des KredReorgG im Ganzen ist es, zu verhindern, dass die wirtschaftliche Schieflage eines systemrelevanten Kreditinstituts sich zu einer nationalen oder gar globalen Krise ausweitet422. In § 19 Abs. 4 Nr. 2 KredReorgG ist vorgesehen, dass die Maßnahmen nach §§ 9 - 11 KredReorgG dazu dienen müssen, erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Unternehmen des Finanzsektors infolge der Bestandsgefährdung des Kreditinstituts und eine Instabilität des Finanzsystems zu verhindern. Dies ist zweifelsfrei ein legitimer Zweck. Voller Wertersatz Darüber hinaus ist im KredReorgG auch ein Wertersatz vorgesehen. Ob dies jedoch einen „vollen Wertersatz“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darstellt, ist fraglich. Denn die Vorschrift sieht lediglich eine „angemessene Entschädigung“ vor. Diese wird durch einen oder mehrere sachver419
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Grundlegend hierzu BVerfG, Beschluss vom 30. 5. 2007 - 1 BvR 390/04 (Squeeze-out), NJW 2007, 3268 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig GG, Art. 14 Rn 195; BVerfGE vom 07. 08. 1962 - 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667; Büchele, S. 112; Spetzler, S. 46 (m.w.N.). Nach anderer Ansicht soll die Mitgliedschaft lediglich über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sein, so Mülbert/Leuschner, ZHR 2006, 615 (668 ff.). BVerfG, NJW 2007, 3268 (3270). Ebenso für das Insolvenzplanverfahren: für das Obstruktionsverbot im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens (§245 InsO): Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan, B) II. 2.; Spetzler, Eingriffe in die Rechte von Anteilseignern im Insolvenzverfahren, S. 66; Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541 (546); Sassenrath, ZIP 2003, 1517 (1523). BT-DrS. 17/3024, S. 40.
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ständige Prüfer, die vom Oberlandesgericht ausgewählt und bestellt werden, festgestellt. In der Rechtsprechung wurden zur Bestimmung des „vollen Wertersatzes“ verschiedene Kriterien aufgestellt. Danach bestimmt sich ein voller Wertersatz nach dem Wert des „arbeitenden Unternehmens“423, wobei er „nicht unter dem Verkehrswert liegen“424 darf und „den wirklichen oder wahren Wert des Anteilseigentums widerspiegeln [muss]“425. Ein etwaiger Börsenkurs muss mitberücksichtigt werden426. Der Anteilsinhaber muss zudem mindestens das erhalten, was er im Rahmen einer freien Deinvestitionsmaßnahme zum Zeitpunkt der unternehmensrechtlichen Maßnahme (vorliegend dem Beschluss des Reorganisationsplans) erhalten hätte427. Problematisch daran ist, dass diesen Kriterien für den Fall konzipiert wurden, dass Aktionäre aus einem voll funktionsfähigen und florierenden Wirtschaftsunternehmen herausgedrängt werden. Im Rahmen dieser Fallkonstellation wäre es sicher angemessen, den Anteilseigner am Wert eines derzeit noch „arbeitenden Unternehmens“ zu beteiligen und ihm das zukommen zu lassen, was er auch erhalten hätte, wenn er freiwillig aus der Gesellschaft ausgeschieden wäre. In der vorliegenden Konstellation ist es jedoch so, dass das Kreditinstitut ohne die Durchführung der Sanierungsmaßnahme akut insolvenzgefährdet ist. Sollte es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommen, so besteht kein „arbeitendes Unternehmen“ mehr, der Aktienkurs wird einbrechen und die Anteilsinhaber können über ihre Deinvestition gar nicht mehr frei entscheiden. Dann wäre nur noch der Liquidationswert als volle Entschädigung zu leisten428. Der „volle Wertersatz“ wird sich bemessen müssen zwischen dem Wertersatz eines Squeeze-out und dem bei einer bereits bestehenden Insolvenz. Es muss berücksichtigt werden, dass das Unternehmen im Rahmen einer Fortführung wieder Gewinne verzeichnen kann. Daran müssen die Anteilsinhaber partizipieren. Das Risiko einer Insolvenz ist allerdings nicht völlig abgewendet, deshalb müssen entsprechende Risikoabschläge erhoben werden. Durch das Tatbestandsmerkmal der „Angemessenheit“ sowie über die Wertermittlung durch Sachverständige, gewährleistet die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1, 423 424 425 426 427 428
BVerfG vom 27. 04. 1999 - 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 (3770); BVerfGE vom 07. 08. 1962 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667 (1669). BVerfG vom 27. 04. 1999 - 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 (3771). BVerfG vom 30. 05. 2007 - 1 BvR 1267/06, NJW 2007, 3266 (3267). BVerfG vom 27. 04. 1999 - 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 (3771). BVerfGE vom 30. 05. 2007 - 1 BvR 1267/06, NJW 2007, 3266 (3267); BVerfGE vom 27. 04. 1999 - 1 BvR 1613–94, NJW 1999, 3769 (3770). Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan, B) II. 2. a) bb).
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dass alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden und damit ein vollwertiger vermögensrechtlicher Ausgleich geschaffen wird. Rechtsschutz Es müsste zudem ein effektiver Rechtsschutz zugunsten der Anteilseigner etabliert werden. Diese können nach § 20 Abs. 5 KredReorgG im Rahmen der gerichtlichen Bestätigung des Reorganisationsplans eine Stellungnahme abgeben. Sie müssen ihre Ablehnung allerdings schriftlich in der Hauptversammlung festhalten lassen. Anteilseignern, die ihre Ablehnung bereits zum Ausdruck gebracht haben, wird so ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt. Das bloße Recht zur Stellungnahme ist jedoch kein effektiver Rechtsschutz im Sinne der verfassungsgerichtlichen Vorgaben429. Dazu hätten Anteilsinhaber zumindest die Möglichkeit bekommen müssen, die Entschädigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens überprüfen zu lassen, verbunden mit der Option, Rechtsmittel gegen den Reorganisationsplan einzulegen, ohne dass diesem zwingend ein Suspensiveffekt eingeräumt werden muss. Zwischenergebnis Aufgrund mangelnder Rechtsschutzmöglichkeiten der Anteilseigner ist das Obstruktionsverbot des § 19 Abs. 4 für den debt-equity-swap verfassungswidrig. Es verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Verstoß gegen Europarecht Über die Ersetzung der Zustimmung der Anteilseigner zu einem Kapitalschnitt, der für einen debt-equity-swap erforderlichen ist, bestehen erhebliche europarechtliche Bedenken. Dies hat der Gesetzgeber erkannt430. Ausgangspunkt dieser Problematik ist die Kapitalrichtlinie 77/91/EWG431, die in den Artikeln 25 Abs. 1, 29 Abs. 4, 30 vorschreibt, dass sowohl eine Kapitalerhöhung, als auch der Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre und eine Kapitalherabsetzung die Zustimmung der Hauptversammlung benötigen. Alle drei Maßnahmen müssen für einen debt-equity-swap durchgeführt werden.
429 430 431
A.A. fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 19 KredReorgG, Rn 7. BT-DrS. 17/3024, S. 55 f. Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten; ABl. L 26 vom 31.1.1977, S. 1 ff. (Kapitalrichtlinie).
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Kapitalerhöhung Gemäß Artikel 25 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie muss jede Kapitalerhöhung von der Hauptversammlung beschlossen werden, wobei eine Ausnahme entsprechend Artikel 30 gerade nicht vorgesehen ist. Die Rechtsprechung des EuGH für die Umgehung dieses Hauptversammlungserfordernisses ist sowohl für Unternehmen der Realwirtschaft als auch für Kreditinstitute, die in die Krise geraten sind, eindeutig: Ausnahmen vom Hauptversammlungserfordernis sind nicht vorgesehen432. Der Gesetzgeber hat dies zwar erkannt, sieht aber dennoch einige Ansatzpunkte, die für die Wirksamkeit der Regelung sprechen. So wird in der Gesetzesbegründung zunächst ausgeführt, dass „die Richtlinie nicht der Einführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen entgegen [steht], die zum Erlöschen der Gesellschaft führen, und insbesondere auch nicht der Einführung von Abwicklungsregelungen, die die Gesellschaft zum Schutz der Rechte ihrer Gläubiger einer Zwangsverwaltungsregelung unterstellen.“ Daraus darf nach Ansicht des Gesetzgebers hingegen nicht geschlossen werden, dass eine Zustimmung der Hauptversammlung lediglich bei reinen Liquidationsverfahren (wozu die Sanierung über einen Reorganisationsplan gerade nicht zählt) entbehrlich sei. Eine solche Auslegung sieht der Gesetzgeber als fragwürdig an, da in einem reinen Abwicklungsverfahren kein Interesse daran bestehen kann, eine Kapitalerhöhung gegen den Willen der Aktionäre durchzuführen433. Daher sei ein Hauptversammlungsbeschluss nur im Falle einer einfachen Sanierungsregelung, die den Fortbestand der Gesellschaft sicherstellen soll, zwingend erforderlich. Hierbei übersieht der Gesetzgeber jedoch, dass auch ein Insolvenzverfahren nicht zwingend auf die Liquidation einer Gesellschaft zielt. Der Gesetzgeber bezieht sich zudem auf die Argumentation des EuGH: Danach findet die Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie nur solange Anwendung, wie die Aktionäre und die satzungsmäßigen Organe der Gesellschaft nicht ihrer Rechte enthoben werden434. Da der Reorganisationsberater die bestellten Organe weitgehend aus ihren Funktionen verdränge, folgert der Gesetzgeber, dass diese vom EuGH geforderte Voraussetzung vorliege. Zudem könne der Reorganisationsplan auch die Liquidation des Kreditinstituts vorsehen und sei nicht zwingend auf eine Sanierung des Kreditinstituts ausgelegt. Auch deshalb sei die Zustimmung der Hauptversammlung entbehrlich435. 432 433 434 435
Vgl. hierzu bereits ausführlich unter 2.2. BT-DrS. 17/3024, S. 56. EuGH Urteil vom 30.5.1991 - RS. C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991 I-2691, Rn 30 (Karella und Karellas). BT-DrS. 17/3024, S. 56.
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Dieser Argumentation kann jedoch aus verschiedenen Gründen nicht gefolgt werden: Die Einleitung eines Reorganisationsverfahren wird vom Kreditinstitut selbst initiiert; außerdem schlägt es auch den Reorganisationsberater vor. Das unterscheidet ihn grundlegend von einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter. Wie der Gesetzgeber selbst ausführt, findet nur eine „teilweise“ Verdrängung der Organe aus ihren Positionen statt. Sie ist noch nicht einmal zwingend vorgesehen. Die bestellten Organe bleiben im Amt. Ihnen kann nur vom Oberlandesgericht auf begründeten Vorschlag der BaFin - die Ausführung ihrer Tätigkeit untersagt werden436. Man kann das Verfahren also insgesamt nicht als „Zwangsverwaltungsverfahren“ klassifizieren. Dies wäre nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch erforderlich. Der Gesetzgeber führt aus, dass die Vorgaben der Richtlinie gewahrt seien, selbst wenn man von deren Anwendbarkeit ausgeht, „da die Hauptversammlung als Organ in den Abstimmungsprozess eingebunden werde“ und „lediglich die Stimmen einzelner Anteilseigner nach engen Voraussetzungen ersetzt werden [können]“. Das überzeugt nicht, denn dieses rein formale Argument kaschiert die Tatsache, dass die Anteilseigner an der Abstimmung inhaltlich gar nicht beteiligt sind. Eine rein formale Beteiligung kann jedoch keinesfalls ausreichen; Sinn und Zweck der Richtlinie würden komplett verfehlt. Vielmehr wird im Rahmen der Kapitalrichtlinie davon ausgegangen, dass es einzig und allein die Anteilseigner selbst in der Hand haben, was mit ihren Anteilen geschieht und ob sie ggf. neue Mitgesellschafter aufnehmen möchten. Dies kann jedoch nur über eine aktive (inhaltliche) Beteiligung an den erforderlichen Abstimmungen gewährleistet werden437. Der Gesetzgeber meint sogar, dass die Situation bei der Krise eines Kreditinstituts, dessen Bestandsgefährdung möglicherweise sogar die Stabilität des Finanzsystems gefährde, besonders berücksichtigt werden müsse. Es wird ausgeführt: „Wie die jüngsten Erfahrungen gezeigt haben, geht es in diesem Falle nicht nur darum, ein volkswirtschaftlich bedeutsames Unternehmen im Vorfeld einer Insolvenz zu sanieren, vielmehr steht bei einem solchen Institut die globale Finanzmarktstabilität auf dem Spiel. Insofern wird der Gerichtshof abzuwägen haben, ob dem gemeinschaftsweit einheitlichen Mindestschutz der Aktionäre, also dem Recht der Anteilsinhaber, in einer Unternehmenskrise wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu verhindern, auch um den Preis weltweiter wirtschaftlicher Verwerfungen der Vorrang gebührt, ob436 437
Vgl. §§ 7 Abs. 5 Satz 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 KredReorgG. A.A. für das Obstruktionsverbot im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens (§245 InsO): Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan, B) II. 1. a) bb).
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wohl die finanziellen Interessen der Anteilsinhaber vollständig gewahrt werden.“ Inhaltlich mag das richtig sein, rechtlich überzeugt es nicht. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH kann man festhalten, dass volkswirtschaftliche Schäden geradezu in Kauf genommen wurden438. Auch wenn dies teilweise kritisiert wird, sollte zumindest auch die Kehrseite der Medaille betrachtet werden. Durch diese eindeutige und gefestigte Rechtsprechung wird im gesamten europäischen Raum ein hohes Maß an Rechtssicherheit geschaffen. Es ist unter anderem diese Rechtssicherheit, die Europa als Wirtschaftsstandort attraktiv macht und einen enormen Vorteil vor dem asiatischen oder gar dem angelsächsischen Raum verschafft. Gerade in Zeiten, in denen Entwicklungen - insbesondere auch auf dem Finanzmarkt - kaum vorhersehbar sind, sollte auf die Gewährleistung hoher Vorhersehbarkeit im rechtlichen Bereich geachtet werden. Kapitalherabsetzung Auch eine Kapitalherabsetzung, wie sie für einen Kapitalschnitt erforderlich ist, könnte europarechtlich bedenklich sein, da diese nach Artikel 30 der Richtlinie grundsätzlich ebenfalls von der Hauptversammlung beschlossen werden muss. In der vorliegenden Konstellation verstößt die Kapitalherabsetzung ohne Beteiligung der Anteilseigner hingegen nicht gegen europarechtliche Vorgaben, da der Reorganisationsplan gemäß § 20 Abs. 1 KredReorgG vom Gericht durch Beschluss bestätigt wird und die Kapitalherabsetzung somit „durch eine gerichtliche Entscheidung angeordnet“ wird. Das ist durch Artikel 30 der Kapitalrichtlinie ausdrücklich als Ausnahme vorgesehen. Bezugsrechtsausschluss Betrachtet man den Bezugsrechtsausschlusses, dann verstößt die Ersetzung der Zustimmung der Anteilseigner ebenfalls nicht gegen die Kapitalrichtlinie. Nur bei einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen bedarf es nach Artikel 29 Abs. 1 der Zustimmung der Hauptversammlung. Hier werden die Forderungen jedoch als Sacheinlage eingebracht439.
438 439
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 19 KredReorgG, Rn 8. Ebenso für das Obstruktionsverbot im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens (§245 InsO): Segmiller, Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan, B) II. 1. b).
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Zwischenergebnis Die Kapitalerhöhung im Rahmen des Obstruktionsverbots nach § 19 Abs. 4 KredReorgG ist also nicht mit den Vorgaben der Kapitalrichtlinie zu vereinbaren und somit europarechtswidrig440. Die Ausgliederung Im gestaltenden Teil des Reorganisationsplans kann eine vollständige oder teilweise Ausgliederung von Unternehmensteilen auf einen anderen Rechtsträger festgelegt werden. Dafür erhält das Kreditinstitut im Gegenzug Anteile am übernehmenden Rechtsträger. Diese Ausgliederung sieht der Gesetzgeber als wesentliches Sanierungsinstrument für Kreditinstitute441. Durch die Ausgliederung werden Vermögenswerte des Kreditinstituts im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge auf einen Rechtsträger übertragen; damit wird eine Aufteilung des Geschäfts in schlechte und gesunde Teile oder auch nach Geschäftsbereichen ermöglicht442. Die Ausgliederung nach dieser Vorschrift ist eine eigenständige. Sie unterfällt somit nicht den Vorschriften des UmwandlungsgesetzeS. Wenn Fridgen meint, dass § 11 Abs. 1 auf § 123 UmwG (allerdings nur auf dessen Abs. 3) Bezug nehme, ohne dessen Geltung vorauszusetzen443, bleibt unklar, was hiermit gemeint ist. Denn in dieser Vorschrift wird § 123 UmwG nicht erwähnt. Teilweise wird gefragt, wann die Ausgliederung wirksam wird, da unklar sei, wann die Wirkungen des Reorganisationsplans eintreten444. Es fehlt ein Verweis auf § 48 g KWG, wonach die Ausgliederung mit Bekanntgabe der Übertragungsanordnung wirksam wird. Das Äquivalent hierzu ist die gerichtliche Feststellung des ReorganisationsplanS. Danach treten alle Rechtswirkungen mit gerichtlicher Bestätigung ein. Inhalt des Reorganisationsplans Der Reorganisationsplan hat in Bezug auf die Ausgliederung mindestens die Angaben zu enthalten, die gemäß § 48 e Abs. 1 Nr. 1 - 4 KWG auch eine Übertragungsanordnung enthalten musS. Dies sind:
440
441 442 443 444
Daran würde sich auch für den fall nichts ändern, dass die Kapitalrichtlinie entsprechend des Vorschlags für eine Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie geändert wird, da das Reorganisationsverfahren keine „Sanierungsmaßnahme“ im Sinne des Richtlinienvorschlags ist. BT-DrS. 17/3024, S. 51. BT-DrS. 17/3024, S. 51. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 2. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 5.
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1. Name und Sitz der des übernehmenden Rechtsträgers 2. die Angabe, dass das gesamte Vermögens des Kreditinstituts einschließlich aller Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht 3. der Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (Ausgliederungsstichtag), 4. Angaben über Gegenleistung oder Ausgleichsverbindlichkeit. Adaptiert auf den Reorganisationsplan müssen Angaben zur Gegenleistung, sofern eine solche in Anteilen am übernehmenden Rechtsträger besteht, mindestens folgendes umfassen: Ausstattung und Anzahl dieser Anteile den Wert, der der Gesamtheit der ausgegliederten Gegenstände zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausgliederung beigemessen wird, insbesondere die Bestimmung von Ausstattung und Anzahl der Anteile, die dem Kreditinstitut als Gegenleistung gewährt wurden die Methoden und Annahmen, die zur Bestimmung des Wertes nach Nummer 2 angewandt wurden Der Reorganisationsplan kann zudem vorsehen, dass einzelne Ausgliederungsgegenstände wieder zurück übertragen werden. Hierdurch soll Gläubigern der Anreiz genommen werden, von eventuellen Kündigungsrechten (für den Fall, dass das Kreditinstitut in die Krise gerät), Gebrauch zu machen445. Teilweise wird vertreten, dass analog § 48 i KWG insbesondere solche Ausgliederungsgegenstände bezeichnet werden könnten, die ausländischem Recht unterliegen. Eine solche „vorbehaltliche“ Ausgliederung würde sich anbieten, wenn es aus Zeitgründe günstiger wäre, erst einmal das gesamte Vermögen auszugliedern. Eine Trennung der erhaltenswerten systemrelevanten Teile könnte in der Kürze der Zeit unmöglich sein. Fraglich ist, ob die Gegenstände, die rückübertragbar sind, nicht bereits im Reorganisationsplan bestimmt oder jedenfalls bestimmbar bezeichnet werden müssten446. Bereits der Wortlaut spricht davon, dass „einzelne“ Gegenstände zurück übertragen werden können. Das legt eine zumindest bestimmbare Bezeichnung nahe. Eine Analogie zum Ausgliederungsplan nach § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG kann hingegen nicht herangezogen werden, da die Ausgliederung nach § 11 KredReorgG
445 446
BT-DrS. 17/3024, S. 51. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (228).
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deutlich von den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes abweicht447. Bereits die komplexe Verweisungstechnik innerhalb der Ausgliederung auf die Vorschriften der Übertragungsanordnung macht deutlich, dass es sich gerade nicht um eine Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz handelt, sondern um eine Art freiwillige Übertragungsanordnung, die das Kreditinstitut selbst initiiert und ggf. auch durchführt. Dies hat den Vorteil, dass das Kreditinstitut an der Ausgestaltung der Ausgliederung selbst mitwirken kann und diese auch beeinflussen wird. Aus diesem Grund muss auch im Rahmen einer teilweisen Ausgliederung auf die Vorschriften des § 48 k KWG zurückgegriffen werden448. Sofern der übernehmende Rechtsträger neu gegründet wird, darf das Oberlandesgericht den Reorganisationsplan nur bestätigen, wenn die Zustimmungserklärung des Übernehmers vorher in notariell beurkundeter Form vorliegt. Damit soll sichergestellt werden, dass es keine aufgedrängte Ausgliederung geben wird. Es ist ratsam, auch die Zustimmung des übernehmenden Rechtsträgers in den Reorganisationsplan mit aufzunehmen. Geld als Gegenleistung Die Ausgliederung nach § 11 KredReorgG sieht explizit eine Gewährung von Anteilen vor; die Ausgliederung nach KWG kennt auch eine Gegenleistung in finanzieller Form449. Teilweise wird vertreten, dass eine finanzielle Gegenleistung aufgrund der mangelnden Bezugnahme auf das KWG nicht in Betracht komme450. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine explizite Verweisung in § 11 Abs. 1 KredReorgG unterlassen hat. Jedoch muss der Reorganisationsplan die Angaben nach § 48 e Abs. 1 Nr. 1 - 4 KWG enthalten. Es wird darauf verwiesen, dass der Umfang einer eventuellen Ausgleichsverbindlichkeit benannt werden musS. Diese Verweisung wirkt wohl eher zufällig451. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Parteien, die einen Reorganisationsplan aushandeln, statt der Gewährung von Anteilen nicht die Möglichkeiten haben sollten, Gegenleistung in Geld festzulegen. Es kann sinnvoll sein, Geld statt Anteilen festzulegen: z. B., wenn das Kreditinstitut anderenfalls einen herrschenden Einfluss auf den übernehmenden Rechtsträger bekäme oder wenn es als Mutterunternehmen in den bankaufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis nach § 10 a KWG einbezogen werden müsste. Das würde auch den Zweck einer Übertragungsanordnung gefähr-
447 448 449 450 451
Im Ergebnis wohl ebenso Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (228). A. A. fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn. 9. Vgl. § 48 d Abs. 1 Satz 2 KWG. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 11. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 11.
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den452. Analog dazu würde es auch eine Sanierungsmaßnahme außerhalb einer Übertragungsanordnung gefährden. Das alles spricht dafür, den Parteien die Freiheit zu lassen, auch finanzielle Gegenleistungen festsetzen zu können. Wert der Ausgliederungsgegenstände Im Reorganisationsplan muss aufgrund der Verweisung in § 11 Abs. 1 KredReorgG der Wert der Ausgliederungsgegenstände angegeben werden. Es ist allerdings unklar, auf welchen Zeitpunkt sich diese Wertangabe beziehen musS. In § 48 e Abs. 2 Nr. 2 KWG, heißt es, dass der Wert der Ausgliederungsgegenstände zum „Zeitpunkt des Erlasses der Übertragungsanordnung“ anzugeben ist. Diese Anordnung ist bereits mit ihrem Erlass wirksam; das entspricht beim Reorganisationsplan dem gerichtlichen Beschluss des Plans nach § 21 Abs. 1Satz 1 KredReorgG. Haftung Für alle erfassten Verbindlichkeiten, die vor der Ausgliederung begründet wurden, haften das Kreditinstitut sowie der übernehmende Rechtsträger gemäß § 11 Abs. 4 KredReorgG gesamtschuldnerisch453. Die Ausgliederung ist insolvenzfest und kann weder durch Vorschriften der Insolvenzordnung noch nach denen des Anfechtungsgesetzes angefochten werden. Dies ist konsequent, da die schlechten Vermögenswerte meist im Kreditinstitut verbleiben werden, so dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zumindest nicht unwahrscheinlich ist454. Höher merkt diesbezüglich zu Recht an, dass das KredReorgG dadurch offenbart, dass es neben den Anteilseignern und den Hauptgläubigern noch eine weitere Gruppe von Gläubigern gibt: Diese werden am Verfahren nicht beteiligt, in ihre Rechte wird auch formell nicht eingegriffen. Aber sie haben auch keinerlei Chance auf eine Teilhabe am Sanierungserfolg455. Andererseits hat die Vorschrift gläubigerschützende Wirkung. Das Kreditinstitut wird dem Gläubiger als Haftungsgegner nicht entzogen456. Der Gläubiger kann sich an beide Institute wenden und muss sich, entgegen der Ausgliederung im Rahmen einer Übertragungsanordnung, nicht erst an den übernehmenden Rechtsträger wenden.
452 453 454 455 456
BT-DrS. 17/3024, S. 65. Bei Obermüller, NZI 2011, 81 (89), der mehrfach auf § 10 Abs. 4 KredReorgG verweist, ist von einem Redaktionsversehen auszugehen. Obermüller, NZI 2011, 81 (89). Höher, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, D., Rn. 108. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 25.
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Nach dem Wortlaut der Vorschrift tritt die Haftung für alle Verbindlichkeiten ein, die vor Wirksamwerden der Ausgliederung „begründet“ wurden. Der Begriff der Begründung einer Verbindlichkeit wird sowohl im Umwandlungs-, als auch im Handels- und Insolvenzrecht gebraucht457: Die Forderung ist begründet, sobald der Rechtsgrund der Entstehung der Forderung gelegt ist. Es kommt dabei nicht auf die Entstehung des Anspruchs oder die Fälligkeit der Forderung an458. Darüber hinaus haftet der übernehmende Rechtsträger jedoch nur in Höhe des Betrags, den der Gläubiger ohne die Ausgliederung erhalten hätte. Damit soll erreicht werden, dass die Gläubiger durch eine Ausgliederung nicht besser gestellt werden, als ohne diese. Die Gläubiger werden allein schon durch ihre Teilnahme am Reorganisationsverfahren besser gestellt, als andere Gläubiger, die ggf. auf die Insolvenzquote verwiesen werden459. 3.3.2.6 Rechtsschutz Die Anteilseigner können im Rahmen des KredReorgG lediglich einen Widerspruch zur Niederschrift gegen den Reorganisationsplan erklären und danach eine Stellungnahme abgeben. Sofern der Beschluss der Anteilsinhaberversammlung gefasst wurde, kann dieser mit der aktienrechtlichen Anfechtungsklage nach § 246 AktG angegriffen werden. In diesem Fall hat der Reorganisationsberater die Möglichkeit, das Freigabeverfahren nach § 246 a AktG zu betreiben. Dies wird zwar im Regelfall aller Wahrscheinlichkeit nach geschehen Es ist jedoch aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Reorganisationsplanes mit dessen Erlass nicht zwingend notwendig. Hierdurch ergibt sich allerdings eine absonderliche Situation: Sollte die Zustimmung der Anteilseigner über das Obstruktionsverbot ersetzt werden, kann dieser Beschluss zügig umgesetzt werden. Ein Beschluss, der durch die Anteilseigner gefasst wurde, kann das gesamte Verfahren verzögern460. 3.3.2.7 Bewertung der Verfahren Mit dem Sanierungs- und dem Reorganisationsverfahren hat der Gesetzgeber erstmals ein Regime geschaffen, das speziell auf Kreditinstitute zugeschnitten ist. Im Rahmen beider Verfahren geht man davon aus, dass die Bankvorstände diese
457 458
459 460
Vgl. beispielhaft § 133 UmwG, § 25 HGB und § 38 InsO. Ehricke, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 38, Rn. 16; Thiessen, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 25, Rn. 69; Maier-Reimer/Seulen, in: Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, § 133, Rn. 12. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 11 KredReorgG, Rn 28 f. Höher, Handbuch Banken-Restrukturierung, D., Rn. 59; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221 (229).
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Verfahren von sich aus einleiten, wenn sie bemerken, dass Schwierigkeiten auftreten. Zumindest für das Sanierungsverfahren ist diese Erwartung unrealistisch. Würde ein Vorstand ein Sanierungsverfahren einleiten, wäre damit indirekt die eigene Geschäftspolitik in Frage gestellt. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass das Sanierungsverfahren nicht notwendig war, wäre der jeweilige Vorstand dem Vorwurf ausgesetzt, nicht die nötige „Härte“ und die Nerven zu haben, um solch ein Unternehmen zu führen. Es besteht bislang kein Anreiz für die Unternehmensführung, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten. Im Gegenteil: Müssen doch gerade Vorstände befürchten, dass ihre Gehälter massiv gekürzt werden. Haftungsansprüche gegen Vorstände sind hingegen in der Vergangenheit eher zurückhaltend behandelt worden. Meist steht eine D&O-Versicherung hinter den Organen und somit droht, abgesehen von einer etwaigen Selbstbeteiligung, kein persönlicher wirtschaftlicher Schaden. Dies könnte allenfalls durch eine Pflicht zur Einleitung eines Sanierungs- oder Reorganisationsverfahrens geschehen, ähnlich dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung. Die Einführung eines Verschleppungstatbestands ist für das Reorganisationsverfahren jedoch bisher nicht vorgesehen und bislang auch nicht möglich. Es fehlen hieb- und stichfeste Kriterien, die den Vorstand zwingen, ab einem gewissen Zeitpunkt ein Reorganisationsverfahren einleiten zu müssen: Neben der Bestandsgefährdung des Kreditinstituts muss auch eine hierauf beruhende Gefährdung des Finanzsystems drohen. Diese Tatbestände wurden vom Gesetzgeber bewusst offen gestaltet, um möglichst alle Sachverhalte zu erfassen, ohne den Beurteilungsspielraum der BaFin zu beeinträchtigen461. Vor dem Hintergrund, dass heute noch nicht abgesehen werden kann, was die nächste Finanzkrise auslöst und wie diese ablaufen wird, ist diese Offenheit dringend erforderlich. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass allein die BaFin - im Benehmen mit der Bundesbank - feststellen kann, ob die Voraussetzungen für ein Reorganisationsverfahren vorliegen, nicht hingegen der Vorstand einer Bank. Fraglich ist auch, welchen Sinn ein gerichtliches Sanierungsverfahren überhaupt hat: Auch bislang schon konnten die Vorstände frühzeitige Sanierungsmaßnahmen einleiten, daran hat sich durch die Einführung des Sanierungs- und Reorganisationsverfahrens nichts geändert462. Sollte sich der Vorstand einer Bank zur Einleitung eines Reorganisationsverfahrens entschließen, stellt sich im Rahmen des Reorganisationsplans vor allem die 461 462
Bauer, Handbuch Banken-Restrukturierung, E., Rn. 8. Binder, ZBB 2012, 417 (422).
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Frage nach der Zulässigkeit der Maßnahmen, die in die Rechte der Anteilseigner eingreifen, wie beispielsweise die Kapitalerhöhung ohne Beteiligung der Anteilseigner. Es ist richtig, dass der Gesetzgeber diejenigen maßgeblich an den Kosten einer Sanierung beteiligen will, die das wirtschaftliche Risiko eingehen. Jedoch hat es der Gesetzgeber versäumt, für eine verfassungs- und europarechtskonforme Regelung zu sorgen. Es wird selbst in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass bei bestehender Unsicherheit über die Zulässigkeit solcher Maßnahmen, insbesondere bei entsprechenden Äußerungen der Kommission oder des Generalanwalts, „die Bundesanstalt und der Reorganisationsberater davon Abstand nehmen [sollten], eine Kapitalerhöhung ohne zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss durchzuführen“463. Eine einschlägige Rechtsprechung des EuGH zu diesem Themenkomplex besteht bereits, die diese Unsicherheit noch schürt. Für die Sanierung systemrelevanter Banken ist jedoch nichts schädlicher als Ungewissheit in Bezug auf ergriffene Sanierungsmaßnahmen. Um den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zu genügen, müsste eine Änderung aufgenommen werden, dass der Sanierungsberater die Vorstände vollständig ihrer Aufgaben enthebt und das Kreditinstitut somit einer Zwangsverwaltung unterstellt wird. Um wieder weitgehende Sicherheit in Bezug auf die Zulässigkeit zu gewährleisten, müsste die Einleitung von „Abwicklungsmaßnahmen“ (das zweite Kriterium) erfüllt werden. Es bietet sich an, in jeden Reorganisationsplan eine - zumindest teilweise Abwicklung mit aufzunehmen. Der EuGH hat nicht ausgeführt, dass eine vollständige Liquidation der Gesellschaft stattfinden musS. Vielmehr wird ausgeführt, dass „die Richtlinie nicht der Einführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen entgegen [steht], die zum Erlöschen der Gesellschaft führen, und insbesondere auch nicht der Einführung von Abwicklungsregelungen, die die Gesellschaft zum Schutz der Rechte ihrer Gläubiger einer Zwangsverwaltungsregelung unterstellen.“ Dies ergibt nur Sinn, wenn sowohl die Liquidation als auch die Einführung von Abwicklungsregelungen von der Richtlinie erfasst werden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bleibt das Obstruktionsverbot des § 19 Abs. 4 KredReorgG qualitativ hinter dem des Insolvenzplanverfahrens aus der InsO zurück. Es wurde versäumt, einen hinreichend effektiven Rechtsschutz zu gewähren.
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Positiv ist die Anwendung des Freigabeverfahrens auf den Reorganisationsplan nach § 246 a AktG, da damit das Blockadepotenzial der Anteilseigner weiter reduziert wird. Sollte der Gesetzgeber die Kapitalerhöhung im Rahmen einer Gesetzesänderung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG anpassen, müsste, mit Blick auf die Vollziehbarkeit des Reorganisationsplans, auch noch der Wertungswiderspruch beseitigt werden. Es ist unangemessen, dass ein vorliegender Beschluss der Anteilseigner mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden kann und somit aller Wahrscheinlichkeit nach eine Verzögerung eintritt, wohingegen im Rahmen des Obstruktionsverbots die Wirkungen des Plans sofort greifen. Es wäre angemessen, etwa die Klagebefugnis an eine bestimmte Beteiligungshöhe zu knüpfen und die Anteilseigner im Übrigen auf Entschädigungsansprüche zu verweisen. Dieses Vorgehen entspräche Sinn und Zweck der Sanierungsregelung am ehesten. Denn sofern noch Anfechtungsklagen gegen den Beschluss der Anteilsinhaber anhängig sind und die Wirkungen des Reorganisationsplans nicht eintreten können, besteht Unsicherheit in Bezug auf den Sanierungserfolg. Dies könnte einen „bank-run“ auslösen. Um diese Gefahr zu vermeiden, ist es nötig, den Zugang zu den Gerichten zu beschränken und betroffene Aktionäre ggf. finanziell abzufinden. Im Rahmen der Ausgliederung ist außerdem die Klarstellung wünschenswert, ob die Gegenleistung auch in Geld erfolgen kann. Es sollte eine Harmonisierung zur aufsichtsrechtlichen Übertragungsanordnung erfolgen, um einen vergleichbaren Ablauf beider Verfahren zu gewährleisten. Erhebliche Schwierigkeiten (und Unterschiedlichkeiten) beider Verfahren wird es in zeitlicher Hinsicht geben: Muss im Rahmen einer Bankensanierung doch jede Maßnahme so schnell wie möglich umgesetzt werden. Es ist zweifelhaft, ob diese engen zeitlichen Vorgaben im Rahmen eines Sanierungs- oder Reorganisationsverfahrens eingehalten werden können464. 3.3.3 Exkurs: Der Restrukturierungsfonds Der Gesetzgeber hat mit der Verabschiedung des Restrukturierungsgesetzes einen entsprechenden Fonds ins Leben gerufen, der durch das Restrukturierungsfondsgesetz465 reguliert wird.
464 465
Binder, ZBB 2012, 417 (423). Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz - RStruktFG) vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1900, 1921), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1126).
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3.3.3.1 Zweck und rechtliche Verhältnisse Der Restrukturierungsfonds wurde bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) errichtet. Zur Finanzierung wird für alle Kreditinstitute eine „Bankenabgabe“ erhoben466. Der Fonds dient der Stabilisierung des Finanzmarktes durch Überwindung von Bestands- und Systemgefährdungen. Er ist im Wesentlichen dem Finanzmarktstabilisierungsfonds nachgebildet, also auch als Sondervermögen des Bundes ausgestaltet. Er ist vom übrigen Vermögen des Bundes getrennt und haftet nicht für dessen sonstige Verbindlichkeiten, wohingegen der Bund für Verbindlichkeiten des Fonds unmittelbar haftet. 3.3.3.2 Aufgaben und Kompetenzen Der Fonds darf Maßnahmen nach den §§ 5 - 8 RStruktFG einleiten, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Übertragungsanordnung vorliegen, durch die Bestandsgefährdung eines Kreditinstituts also eine Systemgefährdung droht. Darüber, ob entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, entscheidet die FMSA nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Bedeutung des Kreditinstituts für die Finanzmarktstabilität. Es gilt der Grundsatz des möglichst effektiven und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel. Über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung entscheidet nach dem RStruktFG der Lenkungsausschuss. Sofern Maßnahmen zur Abwendung einer Systemgefährdung ergriffen werden, können Bedingungen und Auflagen durch Vertrag, Selbstverpflichtung oder Verwaltungsakt festgelegt werden (§ 4 Abs. 2 RStruktFG). Die Vergütungs- und Abfindungsmodalitäten der entsprechenden Leistungsempfänger werden eingeschränkt. 3.3.3.3 Maßnahmenkatalog Bislang konnte der Staat auch einem gefährdeten Kreditinstitut selbst Unterstützungsmaßnahmen zukommen lassen. Dieser Maßnahmenkatalog ist nun auf Kreditinstitute beschränkt, die systemrelevante Teile eines anderen Kreditinstituts übernehmen (übernehmender Rechtsträger i. S. v. § 48 a Abs. 1 KWG). Die Anteilseigner eines gefährdeten Kreditinstituts sollen nun nicht mehr wie in der Vergangenheit von staatlichen Hilfen profitieren. Hier ist es zu einem echten „Paradigmenwechsel“ innerhalb der Gesetzgebung gekommen467. Die Umsetzung wird teilweise als „allzu rigoros“ angesehen, da dies 466 467
Eingehend hierzu Martini, NJW 2010, 2019 ff.; Ammelung/Frank, in: Handbuch BankenRestrukturierung, f., Rn. 1 ff. Bauer, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, E., Rn. 1.
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eine Bankensanierung auch behindern könne468 etwa, wenn ein systemrelevantes Kreditinstitut so kurzfristig gestützt werden muss, dass keine Zeit mehr bleibt, um eine Übertragungsanordnung zu erlassen. Auch dem in Schieflage geratenen Kreditinstitut soll Hilfe aus dem Fonds zukommen können. Dabei könnten die Verluste der Anteilseigner „flexibel austariert“ werden469. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass eine Übertragungsanordnung in Form einer kompletten Ausgliederung aller Aktiva und Passiva auf ein Brückeninstitut sicherlich schneller von statten geht, als eine Beteiligung der Anteilseigner an den Verlusten, die erst noch auszuhandeln wäre. Gründung von Brückeninstituten Die wichtigste Maßnahme, die der Fonds ergreifen kann, besteht in der Gründung eines Kreditinstituts, das systemrelevante Teile einer anderen Bank übernehmen soll (sog. Brückeninstitut). Die Gründung ist nur zulässig, um die Durchführung einer Übertragungsanordnung zu ermöglichen470. Sie wird auch zur Übernahme umwandlungsrechtlicher oder privatrechtlicher Vereinbarungen gestattet. Der Fonds kann dies auch tun, bevor ein konkreter Anlass gegeben ist. Er wird somit zur Gründung von Vorratsgesellschaften ermächtigt - solch eine Gründung nimmt stets Zeit in Anspruch, die im Falle einer bevorstehenden Übertragungsanordnung nicht zur Verfügung steht. Hiervon wurde bereits Gebrauch gemacht: Im Februar 2011 wurden drei Vorratsbanken gegründet, die unter „Brückeninstitut EINS AG“, „Brückeninstitut ZWEI AG“ und „Brückeninstitut DREI AG“ firmieren471. Darüber hinaus kann der Fonds auch Anteile an anderen Kreditinstituten, die als übernehmender Rechtsträger fungieren, erwerben. Dies soll jedoch nur geschehen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und dieser Zweck sich nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Der Vorstand des Brückeninstituts kann von der Hauptversammlung dazu ermächtigt werden, das Grundkapital um mehr als die Hälfte des bisherigen zu erhöhen § 202 Abs. 3 Satz 1 AktG ist auf Brückeninstitute nicht anwendbar472. Zeitlich ist das genehmigte Kapital weiterhin auf fünf Jahre beschränkt.
468 469 470 471
472
Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (287). Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (287). BT-DrS. 17/3024, S. 73. Bauer, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, E., Rn. 10; siehe auch das Interview mit dem Sprecher des Leitungsausschusses der Bundesanstalt für finanzmarktstabilisierung Dr. Christopher Pleister, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/geld/deutschlands-oberster-bankenretter-imgespraech-wir-sehen-das-geld-nicht-vollstaendig-wieder-1.1117492. Vgl. § 5 Abs. 3 RStruktFG.
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Dies wird teilweise mit dem Argument kritisiert, dass die Zeitspanne zwischen Eintragung der Gesellschaft und der Notwendigkeit der Kapitalerhöhung fünf Jahre ohne weiteres Überschreiten kann473. Genehmigtes Kapital kann jedoch stets erneut beschlossen werden und hat dann wieder eine Laufzeit von fünf Jahren. Eine Hauptversammlung kann, sofern der Fonds Alleingesellschafter ist und auf die Ladungsformalitäten verzichtet, sehr schnell einberufen und durchgeführt werden kann. Garantien für übernehmende Rechtsträger Der Restrukturierungsfonds wird des Weiteren ermächtigt, zugunsten eines übernehmenden Rechtsträgers Garantien zu übernehmen. Diese Maßnahme ist erforderlich, damit die eigenständige Refinanzierung der Bank sichergestellt wird474, da durch die Übernahme der systemrelevanten Anteile des gefährdeten Kreditinstituts eine „neue Einheit“ am Markt entsteht. Diese muss zunächst unter Risikogesichtspunkten bewertet werden. Ohne die Garantien des Restrukturierungsfonds wäre es wohl kaum möglich, eine Refinanzierung zu marktüblichen Konditionen zu bekommen. Die entsprechenden Garantien dürfen eine Laufzeit von 60 Monaten nicht überschreiten und sind auf das 20 fache der angesammelten Mittel des Restrukturierungsfonds, maximal 100 Milliarden Euro, begrenzt. Darüber hinaus wird dem Restrukturierungsfonds gestattet - unabhängig von einem Multiplikator der Mittel, die dem Fonds zur Verfügung stehen - Garantien in Höhe von 100 Milliarden Euro zu gewähren. Diese Ermächtigung besteht nur in dem Umfang, in dem die Garantieermächtigung nach § 6 FMStFG am 31.12.2010 nicht in Anspruch genommen wurde. Damit wird die Garantieermächtigung des SoFFin auf den Restrukturierungsfonds übertragen475. Rekapitalisierung übernehmender Rechtsträger Die Begründung des Gesetzgebers für die Ermächtigung zur Rekapitalisierung eines übernehmenden Rechtsträgers fällt knapp auS. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass es bei einer Übertragung systemrelevanter Vermögensbestandteile auf ein Brückeninstitut regelmäßig erforderlich sei, dieses Institut mit neuem Kapital auszustatten476. Dieses Kapital soll durch die Leistung einer Einlage und den Erwerb entsprechender Anteile oder durch stille Beteiligungen sowie durch den Erwerb sonstiger Bestandteile der Eigenmittel erfolgen. Da der Gesetzeswortlaut
473 474 475 476
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 5 RStruktFG, Rn 12. Bauer, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, E., Rn. 12 BT-DrS. 17/3024, S. 73. BT-DrS. 17/3024, S. 73.
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explizit auf „Eigenmittel“ abstellt, können Liquiditätshilfen wie Darlehen nicht darunter subsumiert werden477. Die Abgrenzung zum Anteilserwerb nach § 5 RStruktFG muss hingegen auf teleologischer Ebene vorgenommen werden. Zwar ist im Rahmen beider Normen der Erwerb von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger möglich, § 5 RStruktFG zielt jedoch auf eine Erhöhung der Einflussnahme durch den FondS. Durch § 7 RStruktFG sollen (lediglich) die Eigenmittel gestärkt werden. Daher ist es sachgerecht, den Erwerb bereits bestehender Anteile unter unterschiedliche Vorschriften zu fassen478. Sonstige Maßnahmen Die Vorschrift des § 8 RStruktFG ist als Auffangtatbestand ausgestaltet. Sie soll es dem Fonds ermöglichen, sämtliche Ansprüche zu befriedigen, die im Zusammenhang mit einer Maßnahme, insbesondere mit einer Übertragungsanordnung, entstehen können. Hier werden vor allem Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen nach § 48 d Abs. 4 KWG genannt479. 3.3.4 Die Übertragungsanordnung des § 48 a KWG Der Gesetzgeber hat die Schwächen der bisherigen Stabilisierungs- und Reorganisationsmaßnahmen bereits frühzeitig erkannt. Bei den bisherigen Stabilisierungsmaßnahmen bestand das Problem, dass die Anteilsinhaber den erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, z. B. Kapitalerhöhungen, explizit zustimmen mussten. Dies hatte immer wieder zur Folge, dass sich die Anteilseigner ihre Zustimmung „abkaufen“ ließen und so ihre wirtschaftliche Situation, entgegen der eigentlichen Lage, nicht nur gleich blieb, sondern sich sogar verbesserte480. Der Staat konnte bei systemrelevanten Banken jedoch nicht abwarten, bis sich ein Privatinvestor dazu entschließt, Kapital zu Verfügung zu stellen, da auch das Allgemeinwohl von der Funktionsfähigkeit des Bankensektors abhängt. Deshalb hat der Gesetzgeber diese „Trittbrettfahrer“481 aus dem Sanierungsprozess ausgeschlossen und die Möglichkeit geschaffen, systemrelevante Aktiva und Passiva auf einen anderen Rechtsträger mittels Hoheitsakt auszugliedern. Die Übertragungsanordnung muss zunächst vom öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 54 VwVfG abgegrenzt werden; dieser kommt durch zwei korrespondieren-
477 478 479 480 481
A.A. fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 7 RStruktFG, Rn 3 Bauer, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, E., Rn. 16. BT-DrS. 17/3024, S. 73. BT-DrS. 17/3024, S. 61. BT-DrS. 17/3024, S. 62.
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de Willenserklärungen zustande482. Der Verwaltungsakt hingegen ist einseitig ausgestaltet, auch wenn es sich um einen sog. Mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt handelt, der materiell rechtlich eine Mitwirkungshandlung (Einvernehmen, Zustimmung, Antrag) des Betroffenen voraussetzt483. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Entscheidend ist, ob den Erklärungen des Betroffenen ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille zugrunde lag, der auf die gemeinsame Herbeiführung eines Erfolgs gerichtet ist oder ob die Behörde kraft ihrer Hoheitsmacht eine bindende einseitige Rechtsfolgenanordnung trifft, der von Seiten des Betroffenen nur zugestimmt wird483. Es kommt also maßgeblich auf den Einfluss an, den der Betroffene auf den Inhalt der Regelung hat484. Beschränken sich die Mitwirkungsmöglichkeiten hingegen darauf, einer Regelung zuzustimmen oder diese abzulehnen, und verbleibt damit die gesamte Entscheidungsgewalt de facto bei der Behörde, so liegt lediglich ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt vor485. Die BaFin leitet dem übernehmenden Rechtsträger einen Entwurf der Übertragungsanordnung zu, dem zugestimmt werden kann oder zu dem die Zustimmung versagt werden kann. Auch wenn im Vorfeld Verhandlungen zwischen der BaFin und dem übernehmenden Rechtsträger stattfinden und auch dieser bei der Gestaltung Anregungen äußern und Vorschläge einbringen kann: Die Entscheidungsgewalt verbleibt ausschließlich bei der BaFin. Die Übertragungsanordnung ist also ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt. 3.3.4.1 Voraussetzungen für den Erlass der Übertragungsanordnung Eine Übertragungsanordnung kann die BaFin erlassen, wenn das Kreditinstitut in seinem Bestand gefährdet ist und es hierdurch die Stabilität des Finanzsystems gefährdet und wenn sich diese Systemgefährdung nicht auf anderem Wege in gleich sicherer Weise beseitigen lässt.
482 483 484 485
Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, § 54, Rn. 31 ff.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, § 54, Rn. 18. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, § 54, Rn. 21. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, § 35, Rn. 181; Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar zum VwVfG, § 35, Rn. 73.1. BVerwGE 60, 208 (210); OVG Lüneburg, NJW 1978, 2260.
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Bestands- und Systemgefährdung Zunächst sind die Voraussetzungen gleich wie für die Einleitung eines ReorganisationsverfahrenS. Nach dem Wortlaut der Norm („hierdurch“), genügt bereits eine Mitverursachung der Systemgefährdung durch die Bestandsgefährdung des KreditinstitutS. Dies ist auch aus teleologischen Gründen zwingend notwendig, da es in der Praxis sehr schwer wäre, einen solchen Nachweis zu führen. Darüber hinaus wäre die BaFin, wenn man zunächst davon ausgeht, dass ein Kreditinstitut der Alleinverursacher ist, handlungsunfähig, sobald eine Bestandsgefährdung bei mehreren Kreditinstituten eintritt486. Verhältnismäßigkeit Aus verfassungsrechtlicher Sicht muss immer eine besondere Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden: Die Systemgefährdung darf nicht auf andere Weise gleich sicher abwendbar sein. Die Übertragungsanordnung ist somit als Ultima Ratio ausgestaltet487 und muss daher zunächst einen legitimen Zweck verfolgen (z. B. Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems). Hierzu muss die Übertragungsanordnung erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Dies muss in jedem Einzelfall unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beurteil werden. Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn sie zur Erreichung des Zwecks geeignet ist und kein anderes, weniger belastendes, ebenso sicheres Mittel zur Verfügung steht. Bereits der Gesetzeswortlaut misst der Zweckerreichung „auf gleich sichere Weise“ die größere Bedeutung zu und unterstellt bereits die Geeignetheit der Übertragungsanordnung zur Beseitigung der Systemgefährdung488. Problematisch bei der Beurteilung etwaiger anderer Maßnahmen ist, dass deren Eignung im Bereich systemrelevanter Banken nur schwer vorhersagbar ist, zumal das bisherige Verhalten der Akteure auf den Finanzmärkten keinesfalls rational und prognostizierbar war. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es andere Maßnahmen gibt, die erfolgversprechend sein könnten und nennt im Rahmen der Gesetzesbegründung zum RStruktFG die Ausgliederung oder Abspaltung auf umwandlungsrechtlicher Grundlage oder durch Vertrag489. Die Zuführung staatlicher Mittel wurde dabei
486 487 488 489
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 a, Rn 6. BT-DrS. 17/3024, S. 72; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 a, Rn 9. BT-DrS. 17/3024, S. 72.
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explizit ausgeschlossen490. Teilweise wird auch ein Sanierungs- oder Reorganisationsverfahren als anderes Mittel in Betracht gezogen491. 3.3.4.2 Ablauf des Verfahrens Wird eine Bestands- und eine darauf beruhende Systemgefährdung vermutet, muss die BaFin zunächst investigativ tätig werden, um in der Folge das entsprechende Verfahren einzuleiten, dessen Ablauf im Folgenden beschrieben wird. Feststellung der Voraussetzungen Ist die BaFin der Auffassung, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Übertragungsanordnung gegeben sind, muss sie die Deutsche Bundesbank nach § 48 b Abs. 3 KWG anhören. Im Rahmen dieser Anhörung soll nach dem Gesetzeswortlaut eine „gemeinsame Einschätzung“ vorgenommen werden, woraus geschlossen werden könnte, dass beide gemeinsam über die Voraussetzungen entscheiden sollen492. Anhand des Wortlauts ist jedoch ebenfalls eine Auslegung denkbar, wonach die BaFin die Entscheidung alleine trifft und sich hierbei von der Bundesbank lediglich eine zweite Meinung einholt. Dafür spricht die Formulierung, dass (nur) „die Bundesanstalt beurteilt […], ob […] vorliegt“493. Es scheint plausibler, die Entscheidungskompetenz ausschließlich der BaFin zuzuschreiben, da auch für den Fall, dass BaFin und Bundesbank über das Vorliegen der Voraussetzungen uneins sind, keine Regelung aufgenommen wurde. Könnte eine Entscheidung tatsächlich nur gemeinsam getroffen werden, so müsste geregelt sein, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist. Auch systematisch gesehen ist es konsequent, die Beurteilung über das Vorliegen der Voraussetzungen der gleichen Stelle zu überlassen, die letztendlich auch die Anordnung erlässt. Dieser Streit dürfte keinerlei praktische Bedeutung haben: BaFin und Bundesbank werden sich in solch entscheidenden Fragen ohne Zweifel auf eine gemeinsame Linie verständigen, schon um die Verunsicherung der Finanzmärkte nicht noch anzuheizen. Erarbeitung eines Entwurfs Wurden die Voraussetzungen für den Erlass einer Übertragungsanordnung positiv festgestellt, muss die BaFin zunächst einen Entwurf für eine Übertragungsanordnung fertigen.
490 491 492 493
BT-DrS. 17/3024, S. 63. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 a, Rn 9. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 b, Rn 14. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 50.
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Dieser Zwischenschritt ist nicht nur von der zeitlichen Abfolge her logisch, sondern zwingend notwendig, da dieser Entwurf dem übernehmenden Rechtsträger vorgelegt werden musS. Auf dessen Grundlage werden alle notwendigen Folgeentscheidungen getroffen (§ 48 c Abs. 3 Satz 2 KWG). Fristsetzung Zeitgleich494 muss die BaFin, sofern es die Gefahrenlage erlaubt, dem Kreditinstitut eine Frist setzen, binnen derer es einen tragfähigen Plan vorlegen muss, aus dem hervorgeht, auf welche Weise die Bestandsgefährdung abgewendet werden kann (Wiederherstellungsplan). Sofern es die Gefahrenlage nicht zulässt, wird von einer Fristsetzung abgesehen. Teilweise wird vertreten, dass die BaFin selbst einige Zeit benötigt, um die Übertragungsanordnung zu erlassen, so dass eine Frist bis zu deren Fertigstellung in jedem Fall angemessen sei495. Jedoch muss die BaFin, sofern sie dem Kreditinstitut eine Frist setzt und dieses einen Wiederherstellungsplan einreicht, diesen ebenfalls prüfen, was erneut Zeit in Anspruch nehmen würde. Es sind also Fälle denkbar, in denen eine Fristsetzung entbehrlich ist, vor allem dann, wenn das Kreditinstitut als Publikumsgesellschaft verfasst ist und nicht damit gerechnet werden kann, dass die erforderlichen Beschlüsse der Hauptversammlung rechtzeitig gefasst werden496. Anforderungen an den Wiederherstellungsplan Sofern eine Frist gesetzt wurde, muss das Kreditinstitut einen Plan vorlegen, in dem die Maßnahmen benannt sind, die die Bestandgefährdung innerhalb der sechswöchigen Umsetzungsfrist abwenden und die Angemessenheit der Eigenmittel und die ausreichende Liquidität langfristig sicherstellen. Ist die Zuführung neuer Eigenmittel vorgesehen, muss das Kreditinstitut glaubhaft machen, dass eine begründete Aussicht auf Erfolg der Durchführung dieser Maßnahmen besteht. Sofern der Wiederherstellungsplan unzureichend ist, kann dem Kreditinstitut zur Nachbesserung497 eine Nachfrist498 gesetzt werden. Hier tritt erneut das Zeitproblem auf, da die BaFin diesen nachgebesserten Plan wiederum auf seine Geeignetheit hin überprüfen muss Als Wiederherstellungsplan gilt auch ein Reorganisationsplan nach den Vorschriften des KredReorgG.
494 495 496 497 498
Dies wohl auch annehmend fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 1 f. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 2. BT-DrS. 17/3024, S. 64. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 56; Lorenz, NZG 2010, 1046 (1051), die von einer „letzten Gnadenfrist“ sprechen. Unzutreffend insoweit fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 3, der von einer „Nachfrage“ ausgeht. Diese ist nach § 10 VwVfG immer möglich.
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Unter Berücksichtigung der zeitlichen Vorgaben darf kein Zweifel daran bestehen, dass der übermittelte Plan 1. geeignet ist, die Bestandsgefährdung rechtzeitig abzuwenden und 2. dass der übermittelte Plan rechtzeitig angenommen, bestätigt und umgesetzt werden wird. Es ist eher unrealistisch, diese Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, zur Überzeugung der BaFin so darzulegen, dass tatsächlich sämtliche Zweifel ausgeräumt sind. Es ist noch unklar, was der Gesetzgeber mit seiner Ausführung meint, dass sich das Kreditinstitut, um die Begründetheit der Aussicht auf neue Finanzmittel glaubhaft zu machen, einer „verbindlichen und verlässlichen Zusage eines zur Zuführung der Mittel bereiten Dritten“ bedienen kann499. Zur Glaubhaftmachung kann man sich auch im Verwaltungsverfahren nach § 294 ZPO aller Beweismittel bedienen und auch zu Versicherung an Eides statt zugelassen werden500. Es wäre daher denkbar, dass eine solche „verlässliche Zusage“ in Form einer eidesstattlichen Versicherung beigebracht wird, verbunden mit einem Nachweis, dass der Dritte über finanzielle Mittel in entsprechender Höhe verfügt. Problematisch ist, dass eine eidesstattliche Versicherung personengebunden ist. Sollte also der Vorstand einer als Aktiengesellschaft organisierten Bank eine solche eidesstattliche Versicherung abgeben und in der Folge sein Amt niederlegen, wäre die Gesellschaft hierdurch nicht gebunden; sie geht durch diese eidesstattliche Versicherung keinerlei Verpflichtungen ein. Bloße Absichtserklärungen (sog. „weiche Patronatserklärung“) reichen nicht aus501. Teilweise wird vertreten, dass diese ausreichend sein sollen, wenn am zugrundeliegenden Umsetzungswillen „kein Zweifel besteht“502. Jedoch wird hierbei nicht konkretisiert, wann auch der letzte Zweifel ausgeräumt ist, was zu einer intolerablen Rechtsunsicherheit führt. Darüber hinaus sind Absichtserklärungen für den potenziellen Geldgeber meist unverbindlich503, so dass aus dieser Erklärung auch nicht auf die Zeichnung neuer Aktien geklagt werden könnte. Vorzugswürdig ist daher eine Glaubhaftmachung in Form einer bedingten Erklärung des Geldgebers, dass dieser sich zur Zeichnung neuer Aktien für den Fall verpflichtet, dass die Hauptversammlung einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der 499 500 501 502 503
BT-DrS. 17/3024, S. 64. Michler, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar zum VwVfG, § 27, Rn 28. A.A. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 90 Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 90. Kösters, NZG 1999, 623.
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bisherigen Anteilseigner zustimmt. So wird sichergestellt, dass sich der Geldgeber tatsächlich zur Hauptleistung verpflichtet und das Kreditinstitut nicht lediglich auf Schadensersatzansprüche verwiesen wird, deren Bezifferung immer schwierig sein wird. Umgekehrt erhöht diese vertragliche Verpflichtung des Geldgebers den Druck, das Geld auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Für den Fall, dass der Geldgeber die finanziellen Mittel nicht wie vereinbart zur Verfügung stellen sollte, hilft in einer solch prekären Situation der Anspruch aus dem Vertrag auch nicht weiter. Das Kreditinstitut ist schnell auf die Zuführung neuer Eigenmittel angewiesen. In diesem Szenario würde das Kreditinstitut wieder wertvolle Zeit verlieren. Das zeigt einmal mehr, dass es kaum möglich sein wird, die Systemgefährdung „auf gleich sicherem Weg“ wie durch die Übertragungsanordnung zu beseitigen. Letzteres ist jedoch entscheidend, damit die BaFin vom Erlass einer Übertragungsanordnung überhaupt absehen kann504. Als Ergebnis kann man festhalten, dass sowohl der Wiederherstellungs- als auch der Reorganisationsplan in der Praxis nicht umsetzbar sind, da diese Verfahren mehr Zeit in Anspruch nehmen würden und die Anteilseigner in den Sanierungsprozess mit eingebunden sind505. Selbst wenn deren Zustimmung ersetzt werden würde, wird das Vertrauen der Finanzmärkte in das Kreditinstitut durch diesen langwierigen Prozess doch weiter gemindert. Außerdem sollte man im Blick behalten: Auch die Gläubiger sind an einem Reorganisationsverfahren beteiligt und auch unter ihnen kommt es regelmäßig zu Unstimmigkeiten. Unrealistisch ist auch die vom Gesetzgeber in Betracht gezogene (vollständige) privatrechtliche Ausgliederung. Die BaFin müsste auch diese Maßnahmen im Voraus auf ihre Geeignetheit überprüfen. Es ist nahezu unmöglich, die Erfolgsaussichten solcher Verfahren vorherzusagen, da das Verhalten und die Reaktionen der Gläubiger und der Anteilseigner - wie die Vergangenheit anschaulich gezeigt hat schlichtweg nicht prognostizierbar sind506. Die BaFin kann deshalb wohl auf die Übertragungsanordnung zurückgreifen. Es ist trotzdem notwendig, die oben genannten Alternativen aufzuführen, und im Einzelnen zu begründen, warum diese weniger (oder gar nicht) erfolgversprechend sind. 504 505 506
Dies übersieht Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 91, wenn er lediglich auf die Beseitigung der Gefahr abstellen möchte. Ähnlich Schuster/Westpfahl, BB 2011, 282 (282 f.). Schuster/Westpfahl, BB 2011, 282 (283).
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Inanspruchnahme des Restrukturierungsfonds Da die zur Ausgliederung vorgesehenen Aktiva und Passiva systemrelevant sind, ist damit zu rechnen, dass zur erfolgreichen Sanierung dieser Werte zusätzliche Finanzmittel aufgewendet werden müssen. Sofern ein privater Geldgeber nicht in Betracht kommt, was aufgrund der hohen finanziellen Belastungen die Regel sein wird, kann nur noch der Staat potenzieller Geldgeber sein. Dieser kann inzwischen jedoch nur noch den übernehmenden Rechtsträger, nicht mehr die in die Krise geratene Bank unterstützen. Nach § 48 a Abs. 3 Satz 1 KWG muss für diesen Fall die Entscheidung, ob eine Übertragungsanordnung ergeht, im Einvernehmen mit dem Lenkungsausschuss nach § 4 FMStFG gefällt werden. Auswahl der zu übertragenden Gegenstände Der Grundfall der Übertragungsanordnung ist die vollständige Ausgliederung aller systemrelevanten Aktiva und Passiva eines Kreditinstituts nach § 48 e Abs. 1 Nr. 2 KWG; das lässt sich sowohl dem Wortlaut der Norm, als auch der Gesetzesbegründung entnehmen507. Zudem spricht die Gesetzessystematik für diese Annahme, da § 48 k Abs. 1 Satz 1 KWG ausdrücklich davon spricht, dass „abweichend von § 48 e Abs. 1“ eine partielle Übertragung stattfinden kann. Dies ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geschuldet, da eine Teilausgliederung das mildere Mittel darstellt. Kann also die Systemgefährdung dadurch ebenso sicher beseitigt werden, wie durch eine vollständige Ausgliederung, ist letztere nicht mehr erforderlich. Die BaFin wäre in einem solchen Fall auf die Teilausgliederung verwiesen508. (1) Beseitigung der Systemgefährdung Die BaFin muss sich bei der Auswahl der Gegenstände, die übertragen werden sollen, auf die systemrelevanten Teile der Bank beschränken. Dies ergibt sich aus § 48 k Abs. 2 Satz 4 KWG, der bezüglich der Auswahl auf § 48 j Abs. 3 Satz 3 - 5 verweist509. Berücksichtigt werden muss, dass eine teilweise Ausgliederung mehr Zeit in Anspruch nimmt, da zunächst geprüft werden muss, welche Teile tatsächlich systemrelevant sind. Ob eine partielle Ausgliederung als geeignetes Mittel in Betracht kommt, muss anhand der allgemeinen Zielrichtungen des Restrukturierungsgesetzes510, insbe507 508 509
510
BT-DrS. 17/3024, S. 65. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 k, Rn. 2. Dem Gesetz ist zwar nur ein Verweis auf die Sätze 4 - 6 zu entnehmen. Da die Auswahl jedoch in § 48 j Abs. 3 Satz 3 - 5 geregelt ist und ein Satz 6 nicht existiert, ist von einem Redaktionsversehen auszugehen. Ebenso Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 60 (Fn 90). Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 61.
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sondere der Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems, entschieden werden. Teilweise wird vertreten, dass die Auswahl unter den Aspekten Überlebensfähigkeit, Sanierungsfähigkeit und Systemrelevanz getroffen werden musS. Eine Übertragung von Teilen des Vermögens soll angestrebt werden für
per se überlebensfähige Teile für potenziell überlebensfähige Teile für erhaltenswerte/durch Stützungsmaßnahmen erhaltensfähige Teile für systemrelevante Teile des Kreditinstituts511.
Woher die BaFin die Ermächtigung nehmen soll, auch nicht systemrelevante Vermögensgegenstände auf Dauer auf ein Brückeninstitut zu übertragen (allein aufgrund ihrer Sanierungsfähigkeit) bleibt unklar. Der Gesetzgeber möchte mit Hilfe der Übertragungsanordnung einzig und allein die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten512, weshalb auch nur systemrelevante Teile ausgegliedert werden dürfen513. Die BaFin erhält in diesem Zug die Befugnis, speziell diese Teile auszugliedern; die übrigen Vermögensgegenstände können ggf. im Rahmen eines Insolvenzverfahrens abgewickelt werden514. Es wäre verfehlt, auch nicht systemrelevante Teile auszugliedern. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die o. g. Auswahlkriterien „nicht gleichberechtigt nebeneinander [stehen]“ und der Aspekt der Systemrelevanz lediglich im Vordergrund steht515. Dies würde bedeuten, dass neben der Systemrelevanz noch andere Auswahlkriterien bestünden. Dies ist nicht der Fall: Bereits der Gesetzeswortlaut des § 48 j Abs. 3 Satz 3 KWG stellt eindeutig auf die Bedeutung für eine effektive und kosteneffiziente Abwehr der von dem Kreditinstitut ausgehenden Systemgefährdung ab516. Dies wird durch die Überlegung gestützt, dass die Gläubiger der gefährdeten Bank nicht übermäßig benachteiligt werden dürfen, indem alle (auch nicht systemrelevante) werthaltigen Gegenstände übertragen werden und lediglich der Rest in der „Bad Bank“ verbleibt. Hierdurch könnte eine „Zweiklassengesellschaft“ unter den Gläubigern entstehen: Gläubiger, deren Forderungen mit übertragen wurden, erhielten den systemrelevanten und somit solventen Teil als Schuldner. 511 512 513 514 515 516
Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 61. BT-DrS. 17/3024, S. 42: „Zur Abwehr einer Gefahr für die finanzmarktstabilität […]“; BT-DrS. 17/3024, S. 65. Wolfers/Voland, WM 2011, 1159 (1165). Obermüller, NZI 2011, 81 (87); Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, DB 2011, 66 (69); BTDrS. 17/3024, S. 3. So aber Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 63. Schelo, NJW 2011, 186 (190); wohl auch Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283).
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Die übrigen Gläubiger wären auf die nun entleerte „Bad Bank“ verwiesen, die ggf. im Rahmen eines Insolvenzverfahrens abgewickelt wird. Somit verbliebe ihnen nur noch eine Insolvenzquote517. Auf den ersten Blick könnte lediglich die Gesetzesbegründung für die Annahme weiterer Auswahlkriterien (neben der Systemrelevanz) sprechen. Hierzu wird ausgeführt, dass „sich die Bundesanstalt bei der Auswahl der zu übertragenden Gegenstände grundsätzlich auf die systemrelevanten und überlebensfähigen Teile des Unternehmens beschränkt. Ausgliederungsgegenstände sollen insbesondere dann unberücksichtigt bleiben, wenn deren Übertragung für das Ziel der Stabilisierung des Unternehmens nicht erforderlich ist“518. Betrachtet man den reinen Wortlaut der Gesetzesbegründung, könnte dieser so gelesen werden, dass die Bundesanstalt bei der Auswahl der zu übertragenden Gegenstände grundsätzlich sowohl systemrelevante als auch nicht systemrelevante (jedoch überlebensfähige) Teile des Unternehmens auswählen kann. Dies könnte durch den zweiten Satz, in dem als Ziel der Ausgliederung die Stabilisierung „des Unternehmens“ angegeben wird, gestützt werden. Bei diesem zweiten Satz kann ein Redaktionsversehen angenommen werden: Der Gesetzgeber wollte gerade nicht mehr die Banken stützen, sondern die systemrelevanten Geschäftsteile herauslösen, auf eine Brückenbank übertragen und die Stützmaßnahmen dann auf diese Institute beschränken. Hierzu wird ausgeführt, dass „Vorteil einer solchen Übertragung von systemrelevanten Geschäftsteilen auf einen anderen Rechtsträger (Brückenbank) ist, dass Stabilisierungsmaßnahmen sich in der Folge auf die neue Bank konzentrieren können, während die beim Altinstitut verbleibenden nicht systemrelevanten Teile gegebenenfalls im Rahmen eines herkömmlichen Insolvenzverfahrens abgewickelt werden können“519. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber einzig und allein die Stabilisierung des Finanzmarktes und gerade nicht die des Altinstituts im Sinn hatte. Vor diesem Hintergrund muss man auch den ersten Satz lesen, dass sich die BaFin auf systemrelevante Gegenstände, die überlebensfähig sind, beschränken soll, und dass die Voraussetzungen der Systemrelevanz sowie der Überlebensfähigkeit kumulativ vorliegen müssen. Dies macht Sinn, da nicht überlebensfähige Unternehmensteile in einem Insolvenzverfahren abgewickelt werden. Außerdem „ist das Verfahren auf die Ermöglichung der Fortführung und den dafür erforderlichen 517 518 519
Obermüller, NZI 2011, 81 (87 f.). BT-DrS. 17/3024, S. 68. BT-DrS. 17/3024, S. 3.
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Werterhalt ausgerichtet“520. Eine Fortführung ist jedoch nur bei überlebensfähigen Unternehmensteilen möglich. Man kann also zusammenfassen: Die BaFin darf ihre Auswahl der auszugliedernden Gegenstände ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Systemrelevanz sowie der Überlebensfähigkeit der Unternehmensteile treffen. (2) Insolvenzrechtlicher Rang Sofern die Verbindlichkeiten, die übertragen werden sollen, für die effektive und kosteneffiziente Abwehr der Systemgefährdung, die von diesem Kreditinstitut ausgeht, gleich bedeutsam sind, erfolgt die Auswahl gemäß § 48 j Abs. 3 Satz 4 KWG nach der Rangfolge, die in einem Insolvenzverfahren maßgeblich sind. Teilweise wird vertreten, dass diese Vorschrift nur Verbindlichkeiten betreffe, die zurückübertragen werden sollen521, ohne dass dafür eine Begründung angeführt wird. Auf den ersten Blick könnte die Gesetzesbegründung diese Annahme untermauern, wenn es dort heißt: „[…]. Im Übrigen richtet sich die Auswahl der zurückzuübertragenden Gegenstände am Ziel der effektiven und kosteneffizienten Abwehr der Gefahren für die Stabilität des FinanzsystemS. Soweit Verbindlichkeiten betroffen sind, kommt es bei gleicher Bedeutung für das Ziel der Abwehr der Gefahren für die Finanzmarktstabilität auf die Rangfolge an, die in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts zu beachten wäre. […].“522 In diesem Kontext könnte man tatsächlich davon ausgehen, dass die Rangfolge lediglich beachtlich sein soll, „soweit Verbindlichkeiten hiervon (der Rückübertragung) betroffen sind“. Dagegen spricht jedoch zum einen, dass es sich bei der Begründung um diejenige zu § 48 j KWG handelt, die gerade die partielle Rückübertragung regelt. Zum anderen wird in § 48 k Abs. 2 Satz 4 KWG, in der die partielle Übertragung geregelt ist, gerade auf den Insolvenzrang als Auswahlkriterium verwiesen. Der Insolvenzrang findet also im Rahmen einer partiellen Übertragung bereits bei der Auswahl der Verbindlichkeiten Beachtung523. (3) Einschränkung der Auswahl der Gegenstände Auch wenn der BaFin bei der Beurteilung der Systemrelevanz der auszugliedernden Gegenstände ein weites Ermessen zukommt, wird dies doch teilweise wieder eingeschränkt. Es dürfen gemäß § 48 j Abs. 3 Satz 1 und 2 keine Gegenstände, für 520 521 522 523
BT-DrS. 17/3024, S. 65. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 16. BT-DrS. 17/3024, S. 68. Im Ergebnis ebenso Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283).
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die Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 KWG bestellt sind und keine Gegenstände, die in ein Zentralbankensystem einbezogen sind, übertragen werden. Sofern in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass Geschäfte, die unter einem einheitlichen Rahmenvertrag mit einer nach § 206 Abs. 1 SolvV anerkennungsfähigen Aufrechnungsvereinbarung zusammengefasst sind (wie z.B. dem deutschen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte oder dem ISDA Master Agreement), nur einheitlich als Gesamtheit (zurück)übertragen werden können, um ein sog. Netting der unter diesen Geschäften entstehenden Forderungen weiterhin zu ermöglichen524, so ist von einem Redaktionsversehen auszugehen: § 48 j Abs. 3 Satz 2 regelt explizit, dass Aufrechnungsvereinbarungen, die unter § 206 Abs. 1 SolvV fallen, von der Übertragung ausgenommen sind525. Eine weitere Einschränkung gilt für die partielle Ausgliederung: Forderungen, die durch Finanzsicherheiten gesichert sind, und Ansprüche, die durch Finalitätsvorrechte gesichert sind, dürfen nur zusammen mit den für sie bestellten Sicherheiten übertragen werden; Nettingverbünde dürfen nicht getrennt werden526. Da gerade die Nettingverbünde hoch komplex und weit vernetzt sind, kommt diesen im Rahmen der Beurteilung der Systemrelevanz ein besonders hoher Stellenwert zu. Bei Banken mit komplexen Derivatebüchern dürfte es daher üblich sein, zunächst den kompletten Geschäftsbetrieb auszugliedern und erst dann eine partielle Rückübertragungsanordnung binnen der Viermonatsfrist des § 48 j Abs. 1 KWG zu erlassen527. (4) Vorgehen bei Bankentestamenten Das Ermessen der BaFin kann reduziert sein, wenn das gefährdete Institut seinerseits bereits einen Krisenplan vorbereitet hat (sog. Bankentestament oder „living will“528). In diesen Notfallplänen sollen die systemrelevanten Teile des Instituts bereits bezeichnet sein, damit eine schnelle Umsetzung der Ausgliederung gewährleistet werden kann. Es wird angemerkt, dass ein Bankentestament für den Fall der Übertragungsanordnung wohl nicht als Grundlage zur Auswahl der auszugliedernden Gegenstände herangezogen werden kann529.
524 525
526 527 528 529
BT-DrS. 17/3024, S. 67. Ebenso: fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 14; wohl auch von einem Redaktionsversehen ausgehend Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B. (Fn. 216). Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283). Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283). Siehe hierzu S. 28 ff.; vgl. auch Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597 ff. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 65.
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Sollte ein solcher Plan tatsächlich existieren, so hätte in dem Zeitraum, in dem die BaFin den Erlass einer Übertragungsanordnung prüft, längst gehandelt werden müssen, etwa durch Einleitung eines Sanierungs- oder Reorganisationsverfahren nach KredReorgG. Es wird ausgeführt, dass der „living will“ in diesem Fall wohl ungeeignet sei und es für seine Anwendung wohl schon zu spät wäre. Der Plan stelle auf einen „Rettungszeitpunkt“ ab, der weit vor einer Bestandsgefährdung liege. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Plan nicht rechtzeitig aktualisiert wurde, also nicht auf die jeweiligen Gegebenheiten (das geänderte Geschäftsmodell und/oder das aktuelle Portfolio) angepasst worden ist. Dies wäre für eine erfolgreiche Umsetzung jedoch notwendig gewesen530. Auch wenn diese Zweifel am Erfolg eines Rettungskonzepts, das vom Kreditinstitut selbst erarbeitet wurde, berechtigt sind, lässt sich daraus nicht folgern, dass Bankentestamente für die BaFin wertlos sind. Die BaFin kann die entsprechenden Pläne heranziehen, prüfen und sich ggf. schneller einen Überblick verschaffen. Sofern der Krisenplan regelmäßig, wenn auch nicht in letzter Zeit, überarbeitetet wurde, können wertvolle Rückschlüsse auf die entsprechenden Unternehmensteile gezogen werden. Die BaFin muss also immer im Einzelfall abwägen, ob der „living will“ in die Auswahl mit einbezogen wird. Eine pauschale und grundsätzliche Aussage, ob ein „living will“ für die Entscheidung der BaFin geeignet ist, ist nicht möglich. Gegenleistung Um die Folgen einer Übertragungsanordnung zu kompensieren, sieht das Gesetz eine Gegenleistung an das bestandsgefährdete Kreditinstitut vor, falls der Wert der zu übertragenden Gegenstände positiv ist (§ 48 d Abs. 1 Satz 1 KWG). Bei der Bewertung der Gegenleistung kann sich die BaFin aufgrund der meist knappen Zeit auch externer Unterstützung bedienen531. (1) Art der Gegenleistung Im Regelfall ist als Gegenleistung eine Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger vorgesehen, sofern dies nicht unzumutbar ist. Anderenfalls ist eine Gegenleistung in Geld vorgesehen (§ 48 d Abs. 1 Satz 2 und 3 KWG). Eine Unzumutbarkeit für den übernehmenden Rechtsträger liegt dann vor, wenn aufgrund von Volatilitäten und Bewertungsunsicherheiten keine hinreichende Si-
530 531
Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 65. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 112.
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cherheit darüber besteht, ob der Wert des Gegenstands den gesellschaftsrechtlich zwingenden Mindestausgabebetrag erreicht532. Die Gewährung von Anteilen muss auch dann unterbleiben, wenn der Zweck der Übertragungsanordnung dadurch vereitelt werden könnte. Diese Gefahr bestünde, wenn das Institut zum Mutterunternehmen des übernehmenden Rechtsträgers werden würde und daher in den bankaufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis nach § 10 a KWG einbezogen werden müsste533. Gleiches muss konsequenterweise auch gelten, wenn eine qualifizierte Minderheitsbeteiligung des bestandsgefährdeten Instituts zu einer Konsolidierungspflicht führt534. Ferner kann eine drohende Zweckvereitelung auch dann angenommen werden, wenn zur Gewährung der Anteile diese erst neu geschaffen werden, zur Realisierung also zunächst eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden müsste. In diesem Fall darf nach § 48 c Abs. 4 KWG die Übertragungsanordnung erst ergehen, nachdem diese Beschlüsse bestandskräftig geworden sind. Sollte im Einzelfall besondere Eile geboten sein, so kann sich bereits hieraus die drohende Zweckvereitelung ergeben535. Die BaFin muss also zunächst den Wert der zu übertragenden Gegenstände bemessen und dann eine Zumutbarkeits- und Zweckmäßigkeitsprüfung vornehmen. Dann kann festgelegt werden, welche Art des Ausgleichs gewährt wird536. (2) Angemessenheit Die Gegenleistung muss nach § 48 d Abs. 2 zum Zeitpunkt des Erlasses der Übertragungsanordnung in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Ausgliederungsgegenstände stehen. Unterstützungsleistungen des Restrukturierungsfonds, die zur Vermeidung oder Überwindung der Bestandsgefährdung erbracht oder in Aussicht gestellt wurden, sowie Zentralbankgeschäfte, die zu üblichen Bedingungen aufgenommen wurden, finden keine Berücksichtigung. Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Gegenleistung „angemessen“ sein musS. Das bedeutet, dass sie gerade nicht dem Wert der Ausgliederungsgegenstände entsprechen muss537. Dies ist konsequent, da der übernehmende Rechtsträger ja nicht nur die Ausgliederungsgegenstände, sondern auch die Verbindlichkeiten und die damit verbundenen Risiken übernimmt. Um den umwandlungsrechtlichen Prinzipien zu entsprechen, 532 533 534 535 536 537
BT-DrS. 17/3024, S. 65. BT-DrS. 17/3024, S. 65. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 77. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 3. Zur Ausgleichsverbindlichkeit unter Ziff. (7). Wolfers/Voland, WM 2011, 1159 (1166); Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283); fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 4.
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wie dies der Gesetzgeber explizit in der Begründung ausführt538, muss § 48 d Abs. 2 Satz 1 KWG dahingehend gelesen werden, dass ein angemessenes Verhältnis zum Wert der übertragenen Gegenstände und Verbindlichkeiten bestehen muss539. (3) Zeitpunkt Die Angemessenheit der Gegenleistung muss schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Übertragungsanordnung vorliegen. Was mit „Erlass“ gemeint ist, wird weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung näher ausgeführt. Daher müssen hier allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts herangezogen werden. Dort ist der Begriff des Erlasses eines Verwaltungsakts zwar ebenfalls nicht definiert, jedoch lässt sich § 9 VwVfG entnehmen, dass der Verwaltungsakt am Ende eines Verwaltungsverfahrens steht. Wann dieses Ende eintritt, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass das Verwaltungsverfahren mit Verlassen des Verwaltungsakts aus der Behörde anzunehmen sei540, und dass man sich auch im Rahmen der Übertragungsanordnung hierauf beziehen solle541. Die Gegenansicht stellt für die Beendigung des Verwaltungsverfahrens hingegen auf die Bekanntgabe des Verwaltungsakts ab542. Ein Verwaltungsakt gilt nach § 41 Abs. 2 VwVfG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post bzw. der elektronischen Übersendung als bekannt gegeben. Die Bekanntgabe ist die Eröffnung des Verwaltungsaktes543. Eröffnet ist der Verwaltungsakt, wenn es nur noch vom Willen des Empfängers abhängt, ob er von dem Verwaltungsakt Kenntnis nimmt. Auch wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht und auf die Kenntnisnahme verzichtet, ist der Verwaltungsakt, entsprechend dem Zugang einer Willenserklärung nach § 130 Abs. 1 BGB, bekannt gegeben. Bekanntgabe setzt also nicht die faktische Kenntnisnahme voraus, sondern nur die Möglichkeit zur Kenntnisnahme544. Ein Abstellen auf den Erlass des Verwaltungsakts ist entgegen Fridgen545 nicht angezeigt. Auch das Argument, dass die BaFin durch die Drei-Tages-Fiktion dazu genötigt werde, die Angemessenheit der Gegenleistung auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu bestimmen, greift nicht. Der Bewertung des bestandsge538 539 540 541 542
543 544 545
BT-DrS. 17/3024, S. 65. Ähnlich auch fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn 4. Ule/Laubinger § 53, Rn. 2. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 7. H.M., vgl. Maurer, § 9, Rn. 64; Ziekow, § 9, Rn. 16; Riedl, in: Obermayer/Fritz, Kommentar zum VwVfG, § 9, Rn. 36; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, § 9, Rn. 193 ff. BVerwGE 22, 14; 29, 329. Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar zum VwVfG, § 41, Rn. 3. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 7.
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fährdeten Instituts wird ein Stichtag zugrunde gelegt, der auch die Drei-TagesFrist mitberücksichtigen kann. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts kann auch per Telefax und somit noch am gleichen Tag erfolgen. Alternativ könnte ein Bote den Verwaltungsakt direkt zustellen. Zur Gewährleistung einer höchstmöglichen Rechtssicherheit des Zeitpunkts des Erlasses, kann man also die Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu Grunde legen. (4) Vorläufige und endgültige Bewertung Das Gesetz unterscheidet im Rahmen von § 48 d Abs. 4 KWG zwischen einer „vorläufigen“ und einer „abschließenden“ Bewertung der Gegenleistung. Danach ist mit der abschließenden Bewertung gemeint, dass die BaFin sie nur noch dann ändert, wenn eine Prüfung546 ergibt, dass die festgesetzte Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erlasses der Übertragungsanordnung nicht angemessen war. Fehlt bis zum Erlass der Übertragungsanordnung die Zeit für eine abschließende und verlässliche Bewertung der Gegenstände, die übertragen werden sollen, kann die BaFin diese Anordnung trotzdem erlassen. In diesem Rahmen wird dann allerdings eine vorläufige Gegenleistung bestimmt. So ist es von vornherein sehr wahrscheinlich, dass die Gegenleistung nach der Prüfung nochmals korrigiert werden wird. Eine Prüfung ist also erst dann erforderlich, wenn die BaFin eine “endgültige“ Gegenleistung festgesetzt hat. Innerhalb von vier Monaten nach Bekanntgabe der Übertragungsanordnung muss die endgültige Bewertung nachgeholt werden. Falls zunächst eine Vollübertragung vorgenommen wird, kann innerhalb von vier Monaten eine Rückübertragung nach § 48 j KWG angeordnet werden. Eine abschließende Bewertung muss dann innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der letzten Übertragungsanordnung vorgenommen werden. Die Frist zur abschließenden Bewertung ist also auf sechs Monate begrenzt. Im Anschluss folgt die Prüfung der festgesetzten Entschädigung. In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass die Angemessenheit erst nach mehr als 6 Monaten festgestellt wird547. Bei vorläufiger Bewertung, die als Gegenleistung die Gewährung von Anteilen vorsieht, muss der Beschluss der Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers vorsehen, dass eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden kann, die dem doppelten Volumen der vorläufigen Gegenleistung entspricht. (5) Prüfung und Festsetzung der Höhe Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Angemessenheit der Gegenleistung durch einen Sachverständigen zu prüfen. Um die Angemessenheit zu verifizieren, muss 546 547
Dazu unter Ziff. (5). Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 15.
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der Prüfer den Wert der ausgegliederten Gegenstände ebenso untersuchen, wie den Unternehmenswert des übernehmenden Rechtsträgers, sofern die Gegenleistung in Anteilen besteht. Bei dieser Bewertung bleiben staatliche Unterstützungsleistungen sowie solche durch den Restrukturierungsfonds, sofern diese zur Bekämpfung der Bestandsgefährdung in Aussicht gestellt oder gewährt wurden, außen vor. Sie sollen weder dem gefährdeten Kreditinstitut noch dessen Anteilseignern als Subvention zufließen, sondern lediglich die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten548. Zentralbankgeschäfte, die zu üblichen Konditionen aufgenommen wurden, stellen keine Unterstützungsleistung des Staates dar. Da die Formulierung jedoch explizit auf solche Zentralbankgeschäfte abstellt, die zu „üblichen“ Konditionen aufgenommen wurden, lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass solche, die unter besonders günstigen Bedingungen aufgenommen wurden, als staatliche Unterstützung angesehen werden. Das gleiche Ergebnis lässt sich auch durch eine teleologische Auslegung begründen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass Leistungen des Staates, die zur Stabilisierung des Finanzmarktes bewilligt wurden, der Bank oder deren Anteilseignern zu Gute kommen549. Dies wäre jedoch auch - zumindest mittelbar - bei Zentralbankgeschäften der Fall, die zu besonders günstigen Konditionen aufgenommenen wurden, da andere Banken, die nicht in ihrem Bestand gefährdet sind, keine so günstigen Kredite bei der Zentralbank aufnehmen können. Folgerichtig müssen diese Geschäfte ebenfalls bei einer Bewertung außen vor bleiben. Die Auswahl und die Bestellung des Sachverständigen Prüfers richtet sich nach umwandlungsrechtlichen Vorschriften (§ 48 d Abs. 3 Satz 2 KWG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 5 und § 11 UmwG). Der Antrag wird von der FMSA gestellt. Die Bestellung erfolgt durch das Landgericht, in dessen Bezirk das Kreditinstitut seinen Sitz hat und, soweit eine Kammer für Handelssachen gebildet wurde, durch deren Vorsitzenden550. Der Prüfer verfasst über seine Ergebnisse einen schriftlichen Bericht, der dem bedrohten Kreditinstitut, dem übernehmenden Rechtsträger, der BaFin und der FMSA übermittelt wird551. Dieser Bericht schließt mit der Erklärung, ob die in der Übertragungsanordnung festgesetzte Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erlasses angemessen war. Ist dieses Ergebnis positiv, holt die BaFin zunächst das Einvernehmen der FMSA ein, das sie im Anschluss bestätigt. 548 549 550 551
BT-DrS. 17/3024, S. 65; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (284) halten dies für verfassungsrechtlich bedenklich, vgl. hierzu unter Ziff. (4). BT-DrS. 17/3024, S. 65. § 48 d Abs. 3 Satz 2 KWG i. V. m. § 10 Abs. 2 UmwG. § 48 d Abs. 3 Satz 3 und 4 KWG.
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War die festgesetzte Gegenleistung hingegen nicht angemessen, so bestimmt die BaFin innerhalb von zwei Wochen - einvernehmlich mit der FMSA - eine neue Gegenleistung. Diese muss erneut geprüft werden. Der Prüfer der ersten Gegenleistung gilt auch für die zweite Prüfung als bestellt. Unklar ist, was geschieht, wenn auch die erneute Festsetzung nicht angemessen ist. Das Gesetz trifft hierzu keine Regelung. Da es auch Sinn und Zweck dieser erneuten Überprüfung ist, die fehlende Angemessenheit der Gegenleistung nun endlich herzustellen, muss man von einer planwidrigen Regelungslücke ausgehen. Die Interessenlage hat sich zwischen der ersten und der zweiten Überprüfung ja nicht geändert, so dass eine Analogie zu § 48 d Abs. 3 Satz 7 und 8 KWG eine sachgerechte Lösung bietet552. Es muss so oft eine erneute Überprüfung durchgeführt werden, bis die Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung als angemessen qualifiziert wird. Hat die BaFin zur Festsetzung der Gegenleistung externe Hilfe in Form eines Sachverständigen in Anspruch genommen, so wird teilweise vertreten, dass dieser auch als Prüfer vorgeschlagen werden kann553. Dafür spricht, dass eine Person, die bereits im Vorfeld mit der Angelegenheit befasst war, die abschließende Bewertung vermutlich deutlich schneller fertig stellen kann. Zweifelhaft ist, ob jemand, der schon einmal bei der Beurteilung mitgewirkt hat, im Nachhinein zu dem Ergebnis kommen wird, die Gegenleistung sei nun doch nicht angemessen. Sachverständige könnten um ihren guten Ruf fürchten, wenn sie innerhalb weniger Monate zwei konträre Stellungnahmen abgeben müssten. Dem kann man entgegenhalten, dass auch von Experten bei der Bewertung einer systemrelevanten Bank keine Wunder in Form einer präzisen und unfehlbaren Schnellbewertung erwartet werden können. Die Praxis zeigt jedoch (leider), dass überzogene Erwartungen in diesem Bereich nichts Ungewöhnliches sind. Und: Es gibt nur wenige, die diesem enormen Druck standhalten können. Es ist zielführender, sowohl die „Beratung“ im Vorfeld als auch die Prüfung im Nachgang von verschiedenen Personen bzw. Unternehmen durchführen zu lassen. (6) Sacheinlageprüfung Sofern die Gegenleistung in Anteilen besteht, muss der nach § 48 d Abs. 3 KWG bestellte Prüfer auch beurteilen, ob der Wert der übertragenen Gegenstände den geringsten Ausgabebetrag erreicht. Es muss eine Sacheinlageprüfung vorgenommen werden. Diese Regelung soll gewährleisten, dass die Aktien, die neu zu geschaffen werden, nicht unterhalb des Mindestbetrags ausgegeben werden (§ 9 AktG). Dies erkennt auch der Gesetzgeber, wenn er in der Begründung ausführt, 552 553
Ebenso fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 13. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 112.
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dass eine Sacheinlageprüfung stattfinden muss, „wenn der übernehmende Rechtsträger eine Kapitalerhöhung durchführen muss, um die Voraussetzungen für die Ausgabe der dem Institut als Gegenleistung gebührenden Anteile zu schaffen“554. Eine Sacheinlageprüfung muss folglich nicht mehr stattfinden, falls der übernehmende Rechtsträger bereits über eigene Aktien verfügt, die als Gegenleistung erbracht werden können555. (7) Ausgleichsverbindlichkeit Sofern der Wert der Ausgliederungsgegenstände negativ ist, soll die Übertragungsanordnung gemäß § 48 d Abs. 6 Satz 1 KWG vorsehen, dass das Kreditinstitut dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich in Geld bezahlt (Ausgleichsverbindlichkeit). Die Fälligkeit und der insolvenzrechtliche Rang der Ausgleichsverbindlichkeit richtet sich nach Fälligkeit und Rang der ausgegliederten Verbindlichkeiten. Im Rahmen unterschiedlicher Fälligkeiten oder Rangfolgen muss auf das Verhältnis untereinander abgestellt werden. Diese Akzessorietät soll sicherstellen, dass dem Kreditinstitut nicht zusätzlich Liquidität entzogen wird, ohne dabei jedoch den übernehmenden Rechtsträger zu benachteiligen: Sobald die Gläubiger sich nämlich an diesen wenden, könnte die ausgliedernde Bank in Anspruch genommen werden. Diese Konstruktion ist problematisch, da die Festlegung der Ausgleichsverbindlichkeit nicht in Bezug auf jede einzelne Verbindlichkeit, die ausgegliedert wird, erfolgt, sondern auf die Gesamtheit der Ausgliederungsgegenstände556. Der Wortlaut legt nahe, dass es sich um eine einzelne Verbindlichkeit handelt, die in mehreren Raten mit unterschiedlicher Fälligkeit ausbezahlt wird. Legt man diese Annahme zugrunde, empfiehlt es sich, Höhe und Fälligkeit der Raten explizit in die Übertragungsanordnung mitaufzunehmen557. Durch die Liquiditätsprobleme des gefährdete Kreditinstitut - und, da auch ein Insolvenzverfahren nicht ausgeschlossen ist - scheint es mehr als fraglich, ob die Ausgleichsverbindlichkeiten je beglichen werden (können)558. Zustimmung und Beschlüsse des übernehmenden Rechtsträgers Sobald die BaFin alle vorbereitenden Maßnahmen für den Erlass der Anordnung getroffen hat, muss sie einen Entwurf der Übertragungsanordnung fertigen und diesen dem übernehmenden Rechtsträger zuleiten. Dessen Zustimmung muss 554 555 556 557 558
BT-DrS. 17/3024, S. 65. Ebenso fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 18. Ähnlich fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 22. Ähnlich fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 22. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 79; Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/ Löw, BB 2011, 66 (68).
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gemäß § 48 c Abs. 3 Satz 2 KWG auf einem inhaltsgleichen Entwurf beruhen und bedarf einer notariellen Beurkundung. So wird sichergestellt, dass keinem übernehmenden Rechtsträger gegen seinen Willen eine Übertragungsanordnung aufgezwungen wird559. Anforderungen an den übernehmenden Rechtsträger Der übernehmende Rechtsträger muss nach § 48 c Abs. 5 KWG als juristische Person verfasst sein (Nr. 1) seine Hauptverwaltung im Inland haben (Nr. 2) mindestens zwei satzungsmäßige Geschäftsleiter haben, die zuverlässig sind und über die erforderliche fachliche Eignung für die Leitung des Instituts verfügen (Nr. 3 + 4) ausschließlich aus Gesellschaftern (bei juristischen Personen deren gesetzliche Vertreter) bestehen, die zuverlässig sind und den Anforderungen an eine umsichtige Geschäftsführung genügen (Nr. 5) über ein Kernkapital in Höhe von mindestens 5 Millionen Euro verfügen (Nr. 6) und nach seiner Satzung, seiner Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dazu berechtigt sein, das Unternehmen des Kreditinstituts fortzuführen (Nr. 7). Diese Anforderungen haben verschiedene Funktionen und sind nicht immer unproblematisch. Auch die Auswahl des übernehmenden Rechtsträgers ist nicht klar ausgestaltet; hier können also ebenfalls Probleme auftreten. (1) Banklizenz Durch den o.g. Anforderungskatalog soll zunächst sichergestellt werden, dass der übernehmende Rechtsträger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Banklizenz erfüllt, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass mit dem Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 5 diese Bedingungen bereits vorliegen560. Diese Begründung des Gesetzgebers erstaunt, da weder auf die §§ 32 und 33 KWG verwiesen wird, noch deren Voraussetzungen vollständig in die Vorschrift des § 48 c aufgenommen wurden. Fridgen561 nennt hier beispielsweise das Ausschlusskriterium aus § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG, wonach die Erlaubnis versagt werden muss, wenn das Institut nicht bereit oder in der Lage ist, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betreiben der Geschäfte zu schaffen, für die es die Erlaubnis beantragt. Es wird ferner zu Recht angemerkt, 559 560 561
Lorenz, NZG 2010, 1046 (1051); Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 11. BT-DrS. 17/3024, S. 64; S. 67. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 16.
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dass es nicht wünschenswert sein kann, dass der übernehmende Rechtsträger auf Dauer die zur Erteilung einer Banklizenz erforderlichen Anforderungen (tatsächlich!) nicht erfüllt. Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Banklizenz immer erfüllt sind, wenn die Voraussetzungen des § 48 c Abs. 5 KWG vorliegen562. Hier soll der übernehmende Rechtsträger die Geschäfte fortsetzen. Das in seinem Bestand gefährdete Kreditinstitut wird ggf. im Rahmen eines Insolvenzverfahrens abgewickelt. Es ist ratsam, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Banklizenz, falls diese beim Erlass der Übertragungsanordnung noch nicht vorliegen, bald möglichst zu schaffen. Die Übertragungsanordnung gilt zwar als Erlaubnis zur Fortführung der übertragenen Geschäfte, aber nur deshalb, weil ein extra Erlaubnisverfahren viel Zeit in Anspruch nimmt, die gerade in diesem Falle fehlt. Es wäre besser gewesen, diese Erlaubnis mit einer Befristung zu versehen, innerhalb derer der übernehmende Rechtsträger verpflichtet ist, die Anforderungen zu erfüllen563. Die Herstellung der Rahmenbedingungen, die zur Erteilung einer Erlaubnis erforderlichen sind, ist bereits unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr notwendig. Man kann keine systemrelevanten Aktiva und Passiva auf eine andere Bank ausgliedern, die ihrerseits nicht die Minimalanforderungen für das gewöhnliche Bankengeschäft erfüllt564. (2) Inländisches Kreditinstitut Das Erfordernis des Sitzes im Inland ist mehrfach auf Kritik gestoßen. Diese Regelung sei europarechtlich bedenklich565, sie verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und sei daher unzulässig. Der Deutsche Notarverein bezieht sich in seinem Positionspapier zum Restrukturierungsgesetz auf ein Urteil des EuGH, in dem es um die Beschwerde einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland geht: Ihr Antrag auf Eintragung der Verschmelzung mit einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft ins deutsche Handelsregister wurde per Beschluss des Amtsgerichts mit der Begründung zurückgewiesen, dass das deutsche Umwandlungsrecht nur die Verschmelzung von Gesellschaften mit Sitz in Deutschland vorsehe566. In besagtem Fall sah der Verschmelzungsvertrag vor, die Auflösung der in Luxemburg ansässigen Gesellschaft ohne Abwicklung
562 563 564 565
566
A. A. BT-DrS. 17/3024, S. 64; S. 67. A.A. wohl Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 46. Kritisch ebenso Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283). Positionspapier des Deutschen Notarvereins zum Restrukturierungsgesetz, S. 11, abrufbar unter: http://www.dnotv.de/_files/Dokumente/Stellungnahmen/RestrukturierungsGPositionspapierDNotV. pdf; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283). EuGH, Urteil vom 13.12.2005 - C 411/03 - SEVIC Systems, ZIP 2005, 2311 ff.
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durchzuführen und die Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf die deutsche Gesellschaft vorzunehmen. Die Begründung des Beschlusses stützt sich auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, wonach nur Gesellschaften mit Sitz im Inland unter dieses Gesetz fallen. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass diese Regelung europarechtswidrig ist, da diese differierende Behandlung geeignet sei, Gesellschaften davon abzuhalten, ihre Niederlassungsfreiheit zu nutzen, die im EG-Vertrag ausdrücklich verankert ist567. Diese Beschränkung sei nicht zulässig: Voraussetzung sei, dass mit der Regelung ein legitimes mit dem EG-Vertrag vereinbartes Ziel verfolgt wird und sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Beschränkung muss zur Erreichung des Ziels geeignet sein und darf nicht über das Erforderliche hinausgehen568. Der EuGH führt weiter aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass zwingende Gründe des Allgemeininteresses bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen Maßnahme rechtfertigen können, die die Niederlassungsfreiheit beschränken. Zu diesen „zwingenden Gründen“ gehören der Schutz der Interessen von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und Arbeitnehmern sowie die Wahrung der Wirksamkeit der Steueraufsicht und der Lauterkeit des Handelsverkehrs569. Folgt man dieser Argumentation, so war die Entscheidung des EuGH richtig, da durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG eine Verschmelzung auch dann verhindert wurde, wenn die o. g. Interessen nicht gefährdet sind. Im vorliegenden Fall verhält es sich hingegen anderS. Es handelt sich nicht um eine von beiden Parteien gewollte privatrechtliche Verschmelzung, die aufgrund der unternehmerischen Entfaltung herbeigeführt wird. Vielmehr werden durch einen hoheitlichen Akt Teile eines Unternehmens auf ein anderes ausgegliedert. Eine Ausgliederung ist aber nur möglich, wenn eine Bestands- sowie eine darauf beruhende Systemgefährdung vorliegen. Damit ist das vom Gerichtshof herangezogene Allgemeininteresse berührt. Die Übertragungsanordnung darf zudem erst ergehen, wenn die Gefahrenlage nicht auf andere Weise beseitigt werden kann. Der Einwand von Schuster und Westpfahl570, wonach die Rechtfertigung nicht darauf gestützt werden kann, dass
567 568 569 570
EuGH, Urteil vom 13.12.2005 - C 411/03 - SEVIC Systems (Rn. 22), ZIP 2005, 2311 (2312). EuGH, Urteil vom 13.12.2005 - C 411/03 - SEVIC Systems (Rn. 23), ZIP 2005, 2311 (2312). EuGH, Urteil vom 13.12.2005 - C 411/03 - SEVIC Systems (Rn. 28), ZIP 2005, 2311 (2313) Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283).
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die BaFin gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger mit Sitz im Ausland keine weiteren absichernden Maßnahmen erlassen kann, geht daher fehlt. Die Übertragungsanordnung ist ein Instrument zur Gefahrenabwehr, das durch weitere Maßnahmen nach § 48 m KWG flankiert wird. Beraubt man die BaFin dieser Möglichkeit, ist die Gefahrenabwehr nicht mehr sichergestellt. Auch das Argument, dass die Bankenaufsicht in anderen Mitgliedsstaaten „ähnlich effektiv“ sei, sticht nicht571. Der umfangreiche Maßnahmenkatalog des deutschen Aufsichtsrechts ist speziell auf die Übertragungsanordnung ausgelegt und gewährleistet ein höchstes Maß an Effektivität. Andere Rechtsordnungen kennen derartige Instrumente bislang nicht. Solange das Bankaufsichtsrecht nicht harmonisiert wurde, sollten ausschließlich deutsche Banken als übernehmenden Rechtsträger fungieren. (3) Auswahl des übernehmenden Rechtsträgers Im Gesetz ist nicht geregelt, nach welchen Kriterien die Auswahl des übernehmenden Rechtsträgers erfolgen soll. Da es sich in jedem Fall um einen Rechtsträger handeln muss, der im Inland ansässig ist, kommen lediglich bereits vorhandene Institute oder durch den Restrukturierungsfonds gegründete Brückenbanken in Betracht. Ein bereits am Markt tätiges Institut wird in aller Regel nicht die Möglichkeit haben, eine systemrelevante Bank durch Übernahme der gefährdeten Vermögensteile zu retten; im Rahmen einer solchen Übernahme bestünde die Gefahr, dass auch diese Bank in eine Bestandsgefährdung gerät572. Teilweise wird angedeutet, dass der Auswahlprozess im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach § 97 Abs. 1 GWB erfolgen müsse573. Die ist hier nicht der Fall. Für eine Ausschreibung öffentlicher Aufträge kommen allein Verträge in Betracht574 und nicht, wer Adressat eines Verwaltungsakts sein möchte. Hier soll auch keine Dienstleistung erbracht werden und - entgegen dem Vorgehen in einem Vergabeverfahren - auch keinerlei Rechtswirkungen durch einen Zuschlag eintreten575. Ein Vergabeverfahren muss also nicht durchgeführt werden. Solch ein Verfahren wäre in der vorliegenden Situation auch nicht praktikabel. Zum einen handelt es sich bei der Übertragungsanordnung um eine Gefahrenabwehrmaßnahme (und somit um Sonderpolizeirecht): Ein Zuwarten ist in dieser 571 572 573 574 575
So aber Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283). Ohler, WiVerw 2010, 47 (59). Positionspapier des Deutschen Notarvereins zum Restrukturierungsgesetz (Fn. 534), S. 11; fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 4. Wegener, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 99 GWB, Rn. 4. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, § 99, Rn. 4 f.
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Situation nicht möglich, wenn weiterer Schaden mit Sicherheit vermieden werden soll. Ein Vergabeverfahren ist aufgrund der erforderlichen Ausschreibung hingegen per se langwierig - auch bei Abkürzung der Fristen. Eine Ausschreibung könnte erst erfolgen, wenn die Unternehmensbewertung abgeschlossen ist. Zu diesem Zeitpunkt muss jedoch die Übertragungsanordnung bereits ergangen sein, um Veränderungen in der Bewertung zu vermeiden. Die öffentliche Ausschreibung würde die Märkte zusätzlich verunsichern und könnte einen bank-run auslösen. Zu beachten ist, dass im Rahmen eines Vergabeverfahrens auch Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen. Ein Rechtsmittel darf allerdings keine aufschiebende Wirkung entfalten und der Beschwerdeführer müsste auf den Sekundärrechtsschutz verwiesen werden. Nach Sinn und Zweck der Regelungen für eine Übertragungsanordnung hat die Auswahl danach zu erfolgen, welcher von den möglichen übernehmenden Rechtsträgers die Systemgefährdung am schnellsten und nachhaltigsten beseitigen kann576. Taktisch klug wäre es, das Verfahren nicht öffentlich auszugestalten, um eine weitere Verunsicherung der Märkte zu verhindern und dem Kreditinstitut nicht durch unbedachte Entnahmen der Anleger zusätzlich Liquidität zu entziehen. Um jedoch den „Anschein von Gemauschel“577 zu vermeiden und rechtsstaatliche Grundsätze zu wahren, ist es opportun, das gesamte Verfahren unmittelbar nach Erlass der Übertragungsanordnung offen zu legen578. Zustimmung des übernehmenden Rechtsträgers § 48 c Abs. 3 Satz 1 KWG sieht vor, dass der übernehmende Rechtsträger der Übertragungsanordnung vor Erlass zugestimmt haben muss. (1) Zuständigkeit Nach dem Wortlaut der Norm muss nur „der übernehmende Rechtsträger“ der Übertragungsanordnung zustimmen. Es wurde also keine Hauptversammlungskompetenz für die Zustimmung geschaffen. Es entscheidet also die Geschäftsleitung allein. Sie muss beachten, dass das Haftungsrisiko hierbei erheblich ist. Das Risiko bei der Übernahme systemrelevanter Teile einer anderen Bank ist immer größer als bei anderen Geschäften. Um den Anforderungen des § 93 AktG gerecht
576 577 578
Ähnlich fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 4. Positionspapier des Deutschen Notarvereins zum Restrukturierungsgesetz (Fn. 534), S. 11. Riethmüller, WM 2010, 2295 (2302); fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 4.
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zu werden, muss der Vorstand in diesem Fall eine besonders gründliche Prüfung des Unternehmens vornehmen579. Falls für die Entrichtung der Gegenleistung zur Durchführung der Übertragungsanordnung erst noch Anteile geschaffen werden müssen, wird die Haftungsproblematik entschärft. In diesem Fall beruht die Zustimmung zur Kapitalerhöhung auf dem Beschluss der Hauptversammlung, was einem Haftungsausschluss nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG gleichkommt. Danach tritt die Haftung des Vorstands der Gesellschaft gegenüber nicht ein, wenn das Handeln auf einem gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss beruht. Gesetzmäßig ist der Beschluss, wenn er weder nichtig noch anfechtbar ist580. Das Problem der Anfechtbarkeit stellt sich jedoch im Rahmen der Übertragungsanordnung nicht, da diese ohnehin erst erlassen werden darf, wenn der Hauptversammlungsbeschluss nicht mehr anfechtbar ist (§ 48 c Abs. 4 KWG). Auch die Beruhensfrage stellt sich vorliegend nicht, da das Handeln des Vorstands nur dann nicht auf einem Beschluss beruht, wenn dieser sein Handeln erst im Nachhinein genehmigen lassen möchte, es vorliegend jedoch zwingend eines Beschlusses bedarf, bevor gehandelt wird. Die Haftung des Vorstandes bei der Übernahme systemrelevanter Teile wird vor diesem Hintergrund, wie schon in der Vergangenheit, meist eine untergeordnete Rolle spielen. Die Tatsache, dass ein Beschluss der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers gerade nicht vorgesehen ist, hat zumindest Beachtung gefunden581, explizite Kritik wurde bislang nicht formuliert. Dass die Vorschriften der Übertragungsanordnung denen des UmwG nur „zum Teil“ nachgebildet sind582, zeigt, dass der Gesetzgeber diese Unterschiede vorgesehen hat. Hierzu gehört laut Gesetzesbegründung auch, dass die Hauptversammlung ausdrücklich nicht über die Ausgliederung befindet583. (2) Beschlussfassung Der Gesetzgeber hat in § 48 d Abs. 2 KWG bereits „zur Ermöglichung und Umsetzung“ der Übertragungsanordnung die Anwendbarkeit der Erleichterungen für Hauptversammlungsbeschlüsse nach dem FMStBG, namentlich der §§ 7 - 7 b, 7 d, 7 e, 8 - 11, 12 Abs. 1 - 3, 14, 15 und 17 - 19, angeordnet584. 579 580 581 582 583 584
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 12; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283). Hüffer, AktG, § 93, Rn. 25. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (283) BT-DrS. 17/3024, S. 65. BT-DrS. 17/3024, S. 66. Siehe hierzu bereits ausführlich unter Kapitel 2, Ziff. 2.1.1.2; 2.1.2.2; 2.3.3. und 2.4.2.
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Diese Erleichterungen gelten also bereits im Vorfeld der Übertragungsanordnung585. Die Einberufungsfrist kann verkürzt werden und die Beschlüsse unterliegen geringeren Mehrheitserfordernissen. Diese Erleichterungen gelten so lange, bis die BaFin die Erreichung des Sanierungsziels festgestellt hat. (3) Weiterleitung Wurde innerhalb des übernehmenden Rechtsträgers ein Konsens erzielt, wird diese Zustimmung der BaFin zugeleitet. Hierbei handelt es sich gemäß § 130 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 BGB um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss der BaFin also zugehen, damit sie wirksam werden kann586. Erst wenn die Zustimmung wirksam vorliegt, kann die BaFin die Übertragungsanordnung erlassen587. Erlass und Inhalt der Übertragungsanordnung Die Übertragungsanordnung muss nach § 48 e Abs. 1 KWG mindestens folgende Angaben enthalten: Firma und Sitz des übernehmenden Rechtsträgers die Angabe, dass die Gesamtheit des Vermögens des Kreditinstituts, einschließlich Verbindlichkeiten, auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht den Zeitpunkt, ab welchem die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (Ausgliederungsstichtag) Angaben über Gegenleistung oder Ausgleichsverbindlichkeiten den Vorbehalt, dass einzelne Vermögenswerte, Verbindlichkeiten oder Rechtsverhältnisse durch gesonderte Anordnung auf das ausgliedernde Kreditinstitut zurückübertragen werden können und die Angabe, dass der übernehmende Rechtsträger der Übertragung in der vorgeschriebenen Form zugestimmt hat. Über diese gesetzlich vorgeschriebenen Angaben hinaus muss die BaFin weitere Angaben in die Übertragungsanordnung aufnehmen, zum einen, um die gewollten Rechtswirkungen herbeizuführen, zum anderen, um den Verwaltungsakt möglichst sicher auszugestalten und damit eine Anfechtung zu vermeiden.
585 586 587
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 5. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 12. Zum Erlass der Übertragungsanordnung ohne die erforderliche Zustimmung unter 5.
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Bezeichnung der auszugliedernden Gegenstände (Nr. 2) Aufgrund des allgemeinen sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes ist es enorm wichtig, die auszugliedernden Gegenstände genau zu bezeichnen588. Entscheidend ist, dass ein sachkundiger Dritter die Vermögenszuordnung aufgrund der Beschreibung in der Übertragungsanordnung eindeutig vornehmen kann589. Es ist zweckmäßig und zulässig, dabei auf Bilanzen, Inventarlisten oder ähnliche Verzeichnisse Bezug zu nehmen. Dies ist auch im Rahmen von Raumsicherungsübereignungen absolut gängig; damit wird dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz Genüge getan590. Wird vom Regelfall der Übertragungsanordnung, der Vollübertragung, Gebrauch gemacht, entfällt die genaue Bezeichnung sämtlicher Gegenstände, wenn die BaFin an ihrer Stelle eine „all-Klausel“ verwendet591. Etwas anderes gilt für das Grundvermögen. Hier müssen die einzelnen Gegenstände immer genau bezeichnet werden, um den Anforderungen aus § 28 GBO gerecht zu werden und um das Grundbuchberichtigungsverfahren betreiben zu können592. Sofern die BaFin lediglich eine partielle Übertragung durchführt593, kann die Übertragungsanordnung entweder die Gegenstände bezeichnen, die auf den anderen Rechtsträger ausgegliedert werden oder aber diejenigen, die gerade nicht mit übertragen werden594. Entscheidend ist ausschließlich, dass nach dem Erlass der Übertragungsanordnung objektiv erkennbar ist, welches Vermögen, welche Verbindlichkeiten und welche Rechtsverhältnisse bei welchem Kreditinstitut angesiedelt sind. Eine sichere Übertragung der ausgewählten Gegenstände könnte dadurch erreicht werden, dass - für den Fall einer partiellen Übertragung - die BaFin selbst zunächst eine komplette Übertragungsanordnung erlässt und sofort im Anschluss eine partielle Rückübertragungsanordnung mit spezifischer Bezeichnung der Gegenstände erlässt, die zurück übertragen werden. Erster Schritt wäre also eine (verlässliche) Vollübertragung, im Anschluss daran käme die risikobehaftete Teilübertragungsanordnung: Sollten im Rahmen der zweiten Anordnung (etwa aufgrund
588 589 590 591 592 593 594
Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 67; 94; 98. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 5. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 5; a. A. wohl Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 67. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 6. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 8; Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 96. Vgl. hierzu unter 5. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 97.
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mangelnder Bestimmtheit) einige Gegenstände nicht genau genug bezeichnet sein, so verblieben diese lediglich beim übernehmenden Rechtsträger595. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben596. Zur effektiven Gefahrenabwehr ist es angemessen, etwaige Unsicherheiten an das gefährdete Kreditinstitut weiterzugeben und sie nicht der Allgemeinheit in Form einer weiteren Verschärfung der Systemgefahr zuzumuten. Angaben zur Gegenleistung (Nr. 4) Wenn die Gegenleistung des übernehmenden Rechtsträgers - wie im Regelfall - in der Gewährung von Anteilen liegt, dann muss ihre genaue Ausstattung und Anzahl angegeben werden. Darüber hinaus müssen auch Angaben zu dem Wert gemacht werden, der der Bestimmung der Gegenleistung zugrunde liegt: sowohl über die Gesamtheit der ausgegliederten Gegenstände als auch über Annahmen und Methoden, die der Bewertung zugrunde gelegt werden. Der Wortlaut des § 48 e Abs. 2 KWG spricht von der „Anzahl“ der zu leistenden Anteile. Man kann also davon ausgegangen, dass Stückaktien ausgegeben wurden. Aber auch die Ausgabe von Nennwertaktien ist nicht untersagt, auch diese können folglich als Gegenleistung erbracht werden. Hier wird man dann auch den Nennbetrag der Aktien in die Übertragungsanordnung mit aufnehmen müssen597. Wird hingegen eine Gegenleistung in Geld oder eine Ausgleichsverbindlichkeit auferlegt, so muss nach § 48 e Abs. 3 KWG der Umfang der zu gewährenden Geldleistung bzw. der Ausgleichsverbindlichkeit angegeben werden. Der Wortlaut ist hier nicht ganz eindeutig. Man könnte annehmen, dass das Wort „Umfang“ die Höhe der Ausgleichsverbindlichkeit bezeichnet. Das Wort „Höhe“ wird jedoch in anderen Vorschriften insbesondere im Bereich der Haftungsverhältnisse gebraucht, z. B. in §§ 48 h Abs. 1, 48 j Abs. 4, 48 k Abs. 3 KWG. Der Gesetzgeber hat wohl bewusst eine andere Formulierung gewählt, die mehr als nur die bloße Höhe der Beträge bezeichnet. In Bezug auf Forderungen können auch noch weitere Vereinbarungen getroffen werden wie z. B. Aufrechnungsverbote, der Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten oder Rangrücktritte598 sowie deren jeweilige Fälligkeit599. Richtigerweise müssen diese weitergehenden Vereinbarungen auch unter den Begriff
595 596 597 598 599
Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 67. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 98. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 14. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 16. Beachte hierzu jedoch §§ 48 d Abs. 6, 48 g Abs. 3 Satz 1 KWG.
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des Umfangs subsumiert und diese somit auch in der Übertragungsanordnung angegeben werden. Dass für den Fall der Anordnung einer Ausgleichsverbindlichkeit der Gesetzeswortlaut keine Beschreibung des Verfahrens für die Bestimmung der relevanten Werte vorsieht, wird teilweise als Redaktionsversehen gesehen (bzw. als unklare Verweisungstechnik bezeichnet)600. Begründet wird dies damit, dass die Wertermittlungsangaben gewissermaßen ein Ersatz für den nach dem UmwG vorgesehenen Ausgliederungsbericht seien601. Dies erscheint plausibel, da dies in der Gesetzesbegründung ähnlich dargestellt ist602. Sowohl das im Bestand gefährdete Institut als auch der übernehmende Rechtsträger haben ein berechtigtes Interesse, die Bewertungsgrundlagen zu kennen, um ggf. feststellen zu können, ob die Ausgleichsverbindlichkeit zu hoch oder zu niedrig bemessen wurde. Weitere Angaben Im Gesetzeswortlaut zwar nicht vorgeschrieben, aber trotzdem empfehlenswert, ist es, in der Übertragungsanordnung anzugeben, dass die erforderlichen Beschlüsse der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers vorliegen603. Damit wird die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns bereits im Verwaltungsakt dargestellt604. Gleiches gilt auch für das Einvernehmen, das bei Inanspruchnahme des Restrukturierungsfonds mit der FSMA und dem Lenkungsausschuss hergestellt werden muss. Um die Schaffung eines Vertrauenstatbestands zu vermeiden, ist auch anzuraten, den Vorbehalt nach Abs. 1 Nr. 5 mit aufzunehmen. Die BaFin kann alle Angaben, die zur Gefahrenabwehr notwendig oder geeignet sind, in die Übertragungsanordnung mit aufnehmen. Sie wird insbesondere solche anführen, die etwaige Rechtsunsicherheiten ausräumen oder die Übertragungsanordnung sinnvoll ergänzen (z. B. Abweichung von der Fiktionswirkung des § 21 Abs. 4 KredReorgG605).
600 601 602 603 604 605
Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 100. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 100. BT-DrS. 17/3024, S. 65. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 14. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 100. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 e, Rn. 19; Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 103.
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Erlass Die Übertragungsanordnung wird als Verwaltungsakt gemäß § 48 c Abs. 6 KWG mit Bekanntgabe (§ 41 VwVfG) wirksam. Die Bekanntgabe erfolgt gegenüber beiden Instituten und wird auch dem Betriebsrat des gefährdeten Instituts zugeleitet. Darüber hinaus erfolgt unverzüglich eine Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger mit Angaben über die Zustimmung des übernehmenden Rechtsträgers und ggf. die Beschlüsse, die von den Anteilseignern gefasst wurden. Darüber hinaus kann die BaFin die zuständigen Behörden anderer Staaten des europäischen Wirtschaftsraums unterrichten (§ 48 n KWG) sowie das zuständige Oberlandesgericht in Kenntnis setzen. 3.3.4.3 Rechtsfolgen Die Übertragungsanordnung wird gemäß § 48 g Abs. 1 KWG mit ihrer Bekanntgabe wirksam. Sie muss sowohl gegenüber dem gefährdeten Institut als auch gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger erfolgen; die Wirkung tritt erst mit der letzten Bekanntgabe ein. Die entsprechenden Handelsregistereintragungen sind hingegen nicht konstitutiv, sondern rein deklaratorischer Natur606. Die Übertragungsanordnung ist gemäß § 49 KWG sofort vollziehbar. Übergang der Ausgliederungsgegenstände Mit Bekanntgabe der Übertragungsanordnung gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach Maßgabe des § 48 g Abs. 2 Nr. 1 KWG sämtliche Ausgliederungsgegenstände auf den übernehmenden Rechtsträger über. Dies geschieht auch im Umwandlungsrecht nach § 131 UmwG607. Die Terminologie der Ausgliederungsgegenstände ist missverständlich, da ausweislich der Legaldefinition in § 48 g Abs. 2 Nr. 1 KWG hierunter alle Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse zu verstehen sind. Damit werden alle Rechte und Pflichten, gleich ob schuldrechtlicher oder dinglicher Art, erfasst. Sofern die Ausgliederungsgegenstände ausländischem Recht unterfallen, hat das bestandsgefährdete Institut die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Handlungen, die nach jeweiligem ausländischen Recht für den Rechtsübergang auf den übernehmenden Rechtsträger erforderlich sind, vorgenommen werden. Beide Par606 607
BT-DrS. 17/3024, S. 66. BT-DrS. 17/3024, S. 66; fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 5.
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teien werden so gestellt, als wäre die Ausgliederung mit Erlass der Übertragungsanordnung wirksam geworden. Die betroffenen Gegenstände werden für Rechnung und im Interesse des übernehmenden Rechtsträgers weiterhin vom bestandsgefährdeten Kreditinstitut verwaltet. Dies stellt eine gesetzliche Verwaltungstreuhand dar608. Der übernehmende Rechtsträger ist insoweit auch weisungsberechtigt609. Das bestandsgefährdete Kreditinstitut wird von allen Aufwendungen freigestellt, sämtliche Erträge hingegen stehen dem übernehmenden Rechtsträger zu. Falls beim bestandsgefährdeten Institut Verwaltungskosten anfallen, so muss diese der übernehmende Rechtsträger entrichten, da diese nicht angefallen wären, wenn die Ausgliederung sofort wirksam gewesen wäre. In Abs. 3 wird geregelt, dass die Vermögensgegenstände, deren Ausgliederung nach ausländischem Recht nicht anerkannt wird, in einem möglichen Insolvenzverfahren über das Vermögen des bestandsgefährdeten Instituts nicht zu dessen Insolvenzmasse gehören. Hiermit wird dem übernehmenden Rechtsträger ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO eingeräumt. Dieses betrifft jedoch, zumindest nach dem Wortlaut der Norm, nur „Vermögengegenstände“ und nicht wie in Abs. 1 und 2 die Ausgliederungsgegenstände, zu denen auch die jeweiligen Schuldverhältnisse gehören. Die Tatsache, dass in den oberen beiden Absätzen eine andere Terminologie gewählt wurde, lässt darauf schließen, dass dies auch gewollt war610. Man kann also davon ausgehen, dass die Schuldverhältnisse weiterhin in der Insolvenzmasse verbleiben. Anerkennung innerhalb der EU Fraglich ist im Hinblick auf die Anerkennung in anderen Rechtsordnungen der europäischen Union, welcher Richtlinie bzw. Verordnung die Übertragungsanordnung unterfällt und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben. In Betracht kommen die EG-Verordnung über Insolvenzverfahren611 sowie die Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten612. Die Verordnung für Insolvenzverfahren gilt jedoch gemäß Art. 1 Abs. 2 nicht für Insolvenzen von Kreditinstituten. Eine Liquidation richtet sich gemäß Art. 10 Abs. 1 der Sanierungsrichtlinie 608
609 610
611
612
BT-DrS. 17/3547, S. 8; Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 126; fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 i, Rn. 6; Müller-Eising/Brandi/ Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 (69). BT-DrS. 17/3024, S. 67. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 i, Rn. 12 weist darauf hin, dass die formulierung in Abs. 3 mit eben demselben Beschluss erfolgt sei, wie die Änderung des § 48 g Abs. 2 Nr. 1 KWG, siehe BT-DrS. 17/3547, S. 8. Verordnung (EG)1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. 160/1. Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. L 125/15.
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vielmehr nach Recht, gesetzlichen Vorschriften, Regelungen und Verfahren des Herkunftsmitgliedstaats.Dies wurde zwischenzeitlich in § 46 e in nationales Recht umgesetzt. Fraglich ist noch, wie die Übertragungsanordnung in anderen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt wird. Hierzu ist in Art. 3 Abs. 2 der Sanierungsrichtlinie geregelt: „Sie [die Sanierungsmaßnahmen] sind nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in der gesamten Gemeinschaft ohne weitere Formalität uneingeschränkt wirksam, und zwar auch gegenüber Dritten in anderen Mitgliedstaaten, selbst wenn nach den für diese geltenden Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats solche Maßnahmen nicht vorgesehen sind oder ihre Durchführung von Voraussetzungen abhängig gemacht wird, die nicht erfüllt sind. Die Sanierungsmaßnahmen sind in der gesamten Gemeinschaft wirksam, sobald sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie getroffen wurden, wirksam sind.“ Sanierungsmaßnahmen sind nach Art. 2 der Richtlinie „Maßnahmen, mit denen die finanzielle Lage eines Kreditinstituts gesichert oder wiederhergestellt werden soll und die die bestehenden Rechte Dritter beeinträchtigen könnten, einschließlich der Maßnahmen, die eine Aussetzung der Zahlungen, eine Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen oder eine Kürzung der Forderungen erlauben“. Teilweise werden Zweifel geäußert, ob es sich bei der Übertragungsanordnung um eine echte Sanierungsmaßnahme handelt: Es gehe dabei nicht um die Sanierung „des Kreditinstituts“, sondern - mit der Übertragung der systemisch relevanten Teile auf einen anderen Rechtsträger - um die Abwehr einer Systemgefährdung613. Der Wortlaut ist nicht auf die Sanierung „des Kreditinstituts“, sondern „eines Kreditinstituts“ ausgerichtet (Art. 2). Nach Sinn und Zweck der Sanierungsrichtlinie gibt es jedoch keinen Zweifel, die Übertragungsanordnung hierunter zu fassen. Ziel einer Sanierungsmaßnahme ist stets, das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen. Auch die Sanierung realwirtschaftlicher Unternehmen wird oft durch eine übertragende Sanierung erreicht. Es gibt keinen Grund, dies bei Banken - allein aufgrund der Tatsache, dass sich der Staat entschieden hat, marode Banken in Zukunft nicht mehr mit Milliardenbeträgen zu unterstützen - anders zu handhaben. Auch hier muss eine übertragende Sanierung, ggf. mit aufsichtsrechtlichen Mitteln, möglich sein.
613
Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285).
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Folglich entfaltet die Übertragungsanordnung mit ihrem Erlass auch in anderen Mitgliedsstaaten volle Wirkung, soweit nicht vom entsprechenden Mitgliedsstaat Sonderregelungen nach Art. 20 ff. der Richtlinie entgegenstehen614. Verweigerung der Anerkennung außerhalb der EU Sollten andere Rechtsordnungen die Übertragungsanordnung nicht anerkennen, kann dem vom deutschen Gesetzgeber nichts entgegen gesetzt werden. Dies ist bei vielen Anleihen, Derivate- oder Kreditverträgen, die ausländischem Recht unterliegen, zu erwarten615. Sollte der Vertragspartner von seinem Kündigungsrecht, das ihm nach ausländischem Recht zusteht, Gebrauch machen, muss die BaFin schnell reagieren und das davon betroffene Rechtsverhältnis auf das Kreditinstitut zurück übertragen. Dies muss gemäß § 48 j Abs. 5 Satz 1 KWG innerhalb von zehn Tagen nach Zugang der Erklärung geschehen. Mit diesem Instrument wird dem Vertragspartner der Anreiz zur Kündigung genommen: Er wäre auf eine Bank verwiesen, die potenziell in einem Insolvenzverfahren abgewickelt wird616. Beendigungssperre für Schuldverhältnisse (§ 48 g Abs. 7) Die Schuldverhältnisse, die durch die Übertragungsanordnung erfasst werden, können gemäß Abs. 7 nicht allein aufgrund der Übertragungsanordnung gekündigt werden. Weder durch die Anordnung, noch durch die folgende Ausgliederung werden diese Schuldverhältnisse beendet. Sollte dies vertraglich abweichend vereinbart sein, ist diese Klausel nichtig. Die Nichtigkeit tritt nach Abs. 7 Satz 3 hingegen nicht ein, wenn 1. sich die Kündigungs- oder Beendigungsgründe nicht darin erschöpfen, dass das Schuldverhältnis übertragen wurde oder dass die Voraussetzungen für seine Übertragung vorlagen 2. die Kündigungs- oder Beendigungsgründe in der Person des übernehmenden Rechtsträgers begründet sind oder 3. bei einer partiellen Übertragung die Anforderungen des § 48k Abs. 2 Satz 1 - 3 nicht eingehalten werden.
614 615 616
Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285). Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285). Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 24; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285).
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Nr. 1 Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass lediglich solche Beendigungen ausgeschlossen werden, die allein auf der Übertragungsanordnung beruhen. Auch der Gesetzgeber ging davon aus, dass andere Kündigungs- und Beendigungsrechte fortbestehen617. Auch wenn weitere Kündigungsgründe hinzukommen, wie etwa eine Vertragsverletzung seitens des übernehmenden Rechtsträgers, so berechtigt dies ohne weiteres zur Kündigung618. Dies ergibt sich auch aus Abs. 7 Satz 4 Nr. 1. Es gibt noch Verfahrensfragen, wenn Kündigungsrechte für den Fall vorgesehen werden, dass die Voraussetzungen für den Erlass eine Übertragungsanordnung vorliegen619. Dies könnte eine Umgehung der Vorschrift darstellen: Der Vertragspartner könnte - wenn es sich um eine entsprechend große Bank handelt - mit Bekanntwerden der Bestandsgefährdung bereits ohne Erlass einer Übertragungsanordnung die Kündigung aussprechen. Im vorliegenden Fall ist dieser „Umgehungsgedanke“ nicht nötig. Der Wortlaut des Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 stellt bereits auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übertragung des Schuldverhältnisses, also auf die Voraussetzungen der Übertragungs-anordnung ab. Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, die Beendigung von Schuldverhältnissen im Zusammenhang mit einer Übertragungsanordnung zu verhindern, spricht dafür, bereits auf das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen abzustellen620. Alle anderen Kündigungsgründe haben weiterhin Bestand. Die Beendigungssperre wurde entgegen § 13 KredReorgG nicht befristet621 . Nr. 2 Eine Beendigung ist nach Nr. 2 auch dann möglich, wenn Gründe in der Person des übernehmenden Rechtsträger liegen. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Fortführung der Verträge für den Vertragspartner nicht zumutbar ist, weil mit der Übertragung die Limite der Großkredite überschritten werden und der Vertragsgegner mit aufsichtsrechtlichen Sanktionen rechnen muss622. Dies wird aber wohl ein Sonderfall sein. Um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, wird man immer eine Einzelfallprüfung durchführen müssen. Die Gründe, die in der 617 618 619 620 621 622
BT-DrS. 17/3024, S. 67. BT-DrS. 17/3024, S. 67. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 11. Im Ergebnis ebenso: fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 11. Obermüller, NZI 2011, 81 (88). BT-DrS. 17/3024, S. 67.
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Person des übernehmenden Rechtsträgers liegen, müssen sehr eng ausgelegt werden, damit eine restriktive Handhabung in diesem Bereich sichergestellt wird623. Nr. 3 Schließlich greift die Beendigungssperre auch für den Fall nicht, dass die Voraussetzungen des § 48 k Abs. 2 Satz 1 - 3 KWG im Rahmen einer partiellen Übertragung nicht eingehalten sind, wenn also Ausgliederungsgegenstände, die eigentlich zusammen mit den für sie bestellten Sicherheiten hätten übertragen werden müssen, durch die Übertragung getrennt wurden. Die Beendigungssperre insgesamt stellt nach Ansicht des Gesetzgebers624 eine Eingriffsnorm i. S. d. Art. 9 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung625 dar. In dieser Vorschrift heißt es: „Eine Eingriffsnorm ist eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.“ Der Gesetzgeber hat in der Begründung zwar keine Argumente dafür angeführt, weshalb es sich vorliegend um eine Eingriffsnorm im Sinne der Richtlinie handeln soll. Jedoch erscheint dies bei näherer Betrachtung durchaus gerechtfertigt. Intention war, dass die Übertragungsanordnung als polizeirechtliche Gefahrenabwehrmaßnahme die wirtschaftliche Organisation sowohl des Staates, als auch der internationalen Finanzmärkte, sicherstellt. Das öffentliche Interesse daran ist deshalb besonders groß, weil ohne ein funktionierendes Bankensystem auch die Realwirtschaft mangels Kreditvergabe zum Erliegen kommen würde. Es ist daher gerechtfertigt, dass § 48 g Abs. 7 KWG auch Vorschriften anderer Mitgliedsstaaten als zwingendes Recht anerkennt626. Probleme sind vorprogrammiert, wenn Verträge mit nicht EU-Staaten geschlossen werden. Die Rahmenverträge, die im internationalen Rechtsverkehr üblich sind, sehen ein Lösungsrecht gerade für die Fälle vor, in denen es zu Beeinträchtigungen der Gläubiger kommt und in denen aufsichtsrechtliche Eingriffe vorgenom623 624 625 626
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 13. BT-DrS. 17/3024, S. 67. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. L 177/6 ff. Zweifelnd Müller, ZInsO 2011, 1 ( 16); Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285); wohl auch MüllerEising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 (69).
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men werden. Der Fortbestand der entsprechenden Derivateverträge wird in der Praxis wohl nicht gesichert sein627. Gegenleistung Der Anspruch auf Gegenleistung entsteht nach § 48 g Abs. 2 Nr. 2 KWG mit Wirksamwerden der Übertragungsanordnung. Sofern die Gegenleistung in Geld besteht, ist diese sofort fällig (Abs. 3 Satz 1). Auch der BaFin wurde für diesen Fall kein Ermessen eingeräumt. Auch in der Übertragungsanordnung kann also kein anderer Fälligkeitstermin vorgesehen werden628. Ein entsprechendes Ermessen der BaFin wäre mit Rücksicht auf die individuelle Liquiditätslage des übernehmenden Rechtsträgers jedoch wünschenswert gewesen. So muss die erforderliche Liquidität ggf. erst geschaffen werden, etwa in Form von Finanzierungen, die teuer sind und die Kapitalstruktur einer Bank in jedem Falle verschlechtern. Ist als Gegenleistung hingegen, wie im Regelfall, die Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger vorgesehen, so muss dieser nach Abs. 3 unverzüglich alle erforderlichen Handlungen vornehmen, die für die Eintragung der Kapitalerhöhung und ihre Durchführung nötig sind. Wird die Eintragung ins Handelsregister verzögert, kann die BaFin selbst die Anmeldung zum Handelsregister vornehmen. Das Recht des übernehmenden Rechtsträgers, mit anderen Forderungen aufzurechnen oder Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen, bleibt, mangels abweichender Regelungen, unberührt629. Praktisch könnte dies dann relevant werden, wenn sich das bestandsgefährdete Institut weigert, die Gegenstände, die ausländischem Recht unterfallen, auf den übernehmenden Rechtsträger zu übertragen. Denn dann kann auch der übernehmende Rechtsträger nicht zur Zahlung verpflichtet werden, wobei diesem dann nur ein bestandsgefährdetes Kreditinstitut als Schuldner bliebe. Haftungsverhältnisse Die Haftung des bestandsgefährdeten Kreditinstituts sowie des übernehmenden Rechtsträgers hat der Gesetzgeber bewusst abweichend zu § 133 Abs. 1 UmwG geregelt, wonach beide an einer Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner haften630.
627 628 629 630
Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 (69); Riethmüller, WM 2010, 2295 (2303 f.); zweifelnd auch Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 135. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 17. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 19. BT-DrS. 17/3024, S. 67.
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Bei vollständiger Ausgliederung Im Rahmen der Übertragungsanordnung haftet das bestandsgefährdete Kreditinstitut gemäß § 48 h Abs. 1 Satz 1 KWG für die von der Ausgliederung erfassten Verbindlichkeiten lediglich in Höhe des Betrags, den der Gläubiger im Rahmen einer Abwicklung des Instituts erlöst hätte, wenn die Ausgliederung unterblieben wäre. Diese Haftung besteht nach Satz 2 jedoch nur dann, wenn der Gläubiger vom übernehmenden Rechtsträger keine Befriedigung erlangen kann. Es wurde somit eine sekundäre Ausfallhaftung geschaffen, die nur dann greift, wenn vom übernehmenden Rechtsträger keine Befriedigung mehr zu erlangen ist631. Es liegt somit eine Beschränkung der Haftung des Kreditinstituts auf zwei Ebenen vor632. Problematisch ist vor allem das erste Kriterium: Danach muss auf den (erwarteten) Erlös im Rahmen einer fiktiven Abwicklung des bestands-gefährdeten Kreditinstituts abgestellt werden. Diese Regelung ist, wenn man die Intention des Gesetzgebers zum Restrukturierungsgesetze zugrunde legt, dass sowohl Anteilsinhaber als auch Gläubiger ihre Risiken selbst tragen, systemkonform. Den Gläubigern werden jedoch bei der Berechnung einer fiktiven Insolvenzquote Darlegungs- und Beweislasten auferlegt, der sie in der Praxis kaum gerecht werden können633. Dies ist nur mit umfangreichen Sachverständigengutachten machbar. Zweifelhaft bleibt, ob die rein hypothetische Entwicklung ohne Ausgliederung hinreichend sicher eingeschätzt werden kann. Problematisch stellt sich zudem der Innenausgleich zwischen bestandsgefährdetem und übernehmendem Rechtsträger dar634. Für den Fall, dass der übernehmende Rechtsträger, der ja nun primär in Anspruch genommen wird, nicht leisten kann, wird er auch den entsprechenden Regressanspruch des bestandsgefährdeten Kreditinstituts nicht bedienen können. Teilweise wird angenommen, dass die Verjährung des Anspruchs aus § 48 h Abs. 1 Satz 1 KWG nach § 206 BGB gehemmt sein könne. Im nächsten Satz wird darauf verwiesen, dass in diesem Fall der Gläubiger verjährungshemmende Maßnahmen einleiten müsse635.
631 632 633 634 635
BT-DrS. 17/3547, S. 8. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 h, Rn. 1. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 h, Rn. 1; ähnlich Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 132. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 h, Rn. 3. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 h, Rn. 2.
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Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass § 206 BGB gerade den Fall erfasst, dass der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Höhere Gewalt liegt vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die auch durch die äußerste, billigenswert zu erwartenden Sorgfalt nicht verhütet werden können. Schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus636. Weshalb der Gläubiger durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert sein soll, wird nicht weiter erläutert, genauso wenig wie die Behauptung, dass zur Hemmung nach § 206 BGB verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass die Verjährung nach Wirksamwerden der Übertragungsanordnung normal weiterläuft und der Anspruch nun eben gegen den übernehmenden Rechtsträger geltend gemacht werden musS. Ist der Anspruch hingegen schon rechtshängig, hat der Erlass der Übertragungsanordnung entsprechend § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO darauf keinen Einfluss637. Für alle auf den übernehmenden Rechtsträger ausgegliederten Verbindlichkeiten haftet dieser unbeschränkt. Bei partieller Ausgliederung Im Rahmen einer partiellen Ausgliederung haftet der übernehmende Rechtsträger nach § 48 k Abs. 3 KWG für jene Verbindlichkeiten, die beim bestandsgefährdeten Kreditinstitut verbleiben, nur in Höhe des Betrags, den der Gläubiger ohne die Ausgliederung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vom bestandsgefährdeten Kreditinstitut erlöst hätte. Entgegen der Haftung nach § 48 h KWG ist diese nicht subsidiär; der Gläubiger kann sich direkt an den übernehmenden Rechtsträger wenden638, ohne vorher einen Vollstreckungsversuch beim bestandsgefährdeten Institut unternehmen zu müssen. Dass der übernehmende Rechtsträger auch für solche Verbindlichkeiten (zeitlich unbeschränkt) auf erstes Anfordern haftet, die nicht von der Ausgliederung erfasst sind, macht es für bereits bestehende Banken unattraktiv, sich für eine Übertragungs-anordnung zur Verfügung zu stellen639.
636 637 638
639
Grothe, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 206, Rn. 3; Peters/Jacoby, in: Staudinger, § 206, Rn. 3 f.; Ellenberger, in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 206, Rn. 4, m. w. N. Becker/Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 265, Rn. 51 ff. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285); a. A. fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 k, Rn. 7, der insoweit auf seine Kommentierung zu § 48 j (dort Rn. 22) verweist, dabei jedoch übersieht, dass hier gerade keine doppelte Haftungsbeschränkung vorgesehen ist. Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282 (285).
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Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 RStruktFG kann der Restrukturierungsfonds für die entsprechenden Verbindlichkeiten Garantien übernehmen. Dies wird lediglich für Gläubiger, nicht für den übernehmenden Rechtsträger von Interesse sein. Bei partieller Rückübertragung Sofern die BaFin nicht alle übertragenen Gegenstände auf Dauer beim übernehmenden Rechtsträger belassen möchte, kann sie nach § 48 j Abs. 1 Satz 1 KWG eine Rückübertragung anordnen. Damit gelten die Ausgliederungsgegenstände, die von der Rückübertragungsanordnung erfassten werden, so, als wären sie von Anfang an im Vermögen des bestandsgefährdeten Kreditinstituts verblieben. Aus diesem Grund müsste eine Haftung des übernehmenden Kreditinstituts eigentlich ausscheiden. Jedoch ordnet Abs. 4 Satz 1 an, dass der übernehmende Rechtsträger für die von der Rückübertragung betroffenen Gegenstände in Höhe des Betrags haftet, den der Gläubiger ohne die Ausgliederung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wahrscheinlich erlöst hätte. Diese Haftung besteht gemäß Satz 2 nur dann, wenn der Gläubiger von dem bestandsgefährdeten Kreditinstitut keine Befriedigung erlangen kann. Somit erfolgt auch hier eine doppelte Haftungsbeschränkung640. Für die für Verbindlichkeiten, die beim übernehmenden Rechtsträger verbleibenden, gilt eine unbeschränkte Haftung. Insolvenzrechtliche Wirkungen Nach § 48 h Abs. 2 KWG hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keinerlei Einfluss auf die Ausgliederung. Die Anfechtung wird sowohl nach den §§ 129 ff. InsO als auch nach § 1 ff. AnfG ausgeschlossen; die Ausgliederung ist somit insolvenzfest641. Es kommt daher auch kein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach §§ 103 ff. InsO in Betracht. Nach § 48 i Abs. 3 Satz 3 KWG beeinträchtigt ein Insolvenzverfahren die Mitwirkungspflicht zur Übertragung der Gegenstände, die ausländischem Recht unterfallen, nicht. Da die Verfügungsbefugnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht, muss dieser dann die Mitwirkungspflichten erfüllen. Gläubiger und Anteilseigner des bestandsgefährdeten Kreditinstituts sollen jedoch die Möglichkeit haben, dieses im Rahmen eines Insolvenzverfahrens abzuwickeln642. Da die Liquidität des Instituts in einer solchen Situation knapp ist, könnte das Verfahren bereits mangels Masse abgelehnt werden. Um dem vorzubeugen, 640 641 642
Siehe unter 4.2.5. BT-DrS. 17/3024, S. 67. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 139; ähnlich BT-DrS. 17/3024, S. 69.
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verpflichtet der Gesetzgeber in § 48 l Abs. 4 KWG den übernehmenden Rechtsträger, einen entsprechenden Kostenvorschuss zu leisten. Für diesen kann der Restrukturierungsfonds gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RStruktFG eine Garantie übernehmen. Sonstige Rechtsfolgen Anteilsinhaberähnliche Rechte ohne Stimmrecht, die von der Ausgliederung erfasst wurden, werden gemäß § 48 g Abs. 4 KWG im Zweifel an die neu geschaffene Lage angepasst. Hierzu gehören insbesondere Genussrechte, stille Beteiligungen oder Wandelschuldverschreibungen643. Zu beachten sind etwaige abweichende vertragliche Gestaltungen dieser Rechte644. Hintergrund ist, dass die entsprechenden Rechte so spezifisch auf das bestandsgefährdete Kreditinstitut zugeschnitten sein könnten, dass sie nicht unverändert für den übernehmenden Rechtsträger übernommen werden können645. Es ist bislang unklar, ob die BaFin diese Änderungen einseitig bestimmen soll oder ob die Parteien diese einvernehmlich regeln646. Zwar ist richtig, dass § 48 e KWG, hierzu speziell keine Angaben enthält. In die Übertragungsanordnung sollen aber auch andere Angaben aufgenommen werden, ohne dass dies explizit im Gesetz niedergelegt wäre. Darüber hinaus steht auch für den Fall, dass sich die Parteien über die Anpassung nicht einig werden, eine bindende Regelung aus: Sollen die genannten Rechte dann doch mit dem ursprünglichen Inhalt fortbestehen, oder soll eine inhaltliche Korrektur durch ein Gericht erfolgen? Um im Rahmen der Übertragungsanordnung (Rechts-) Sicherheit zu schaffen, wäre es ratsam, der BaFin diese Kompetenz eindeutig zuzusprechen. Auch Arbeitnehmer werden durch die entsprechende Anwendung des § 613 a BGB nicht schlechter gestellt, als wenn das Unternehmen rechtsgeschäftlich ausgegliedert worden wäre. Sie werden über den Betriebsübergang informiert und haben ein Widerspruchsrecht647. Der übernehmende Rechtsträger erhält nach § 48 g Abs. 6 KWG mit der Übertragungsanordnung die für die Fortführung der übernommenen Geschäfte erforderliche Banklizenz.
643 644 645 646 647
BT-DrS. 17/3024, S. 66. BT-DrS. 17/3024, S. 66. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 21. So fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 21. Vgl. eingehend zur arbeitsrechtlichen Problematik des Restrukturierungsgesetze: Otto/Mückl, NZI 2011, 91 ff.
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Teilweise wird vertreten, dass sich der Wortlaut nur darauf beziehe, dem übernehmenden Rechtsträger eine Banklizenz in demselben Umfang einzuräumen, in dem diese bereits bei dem bestandsgefährdeten Kreditinstitut bestand648. Es erscheine somit möglich, dass der übernehmende Rechtsträger, sofern das Institut einzelne Geschäfte ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben hat, diese Geschäfte weiterhin ohne Erlaubnis betreiben werde. Zwar könnte der Wortlaut, wonach die Erlaubnis „in dem Umfang der dem Kreditinstitut erteilten Erlaubnis“ als erteilt gilt, tatsächlich so verstanden werden, dass die Reichweite der Erlaubnisse deckungsgleich sein soll. Dies überzeugt jedoch sowohl unter systematischen als auch unter teleologischen Gesichtspunkten nicht. Zum einen wird im ersten Halbsatz als Voraussetzung für die Rechtsfolge (Fiktion der Erlaubnis) genannt, dass der übernehmende Rechtsträger nicht über die „zur Fortführung der übertragenen Geschäfte erforderliche Erlaubnis“ verfügen darf. Zur Fortführung erforderlich ist jedoch gerade eine umfassende Bankerlaubnis, die den kompletten Geschäftsbereich abdeckt. Auch in der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass die Anordnung für die Ausgliederung alle erforderlichen Erlaubnisse beinhaltet, die für die Fortführung des Unternehmens nach § 32 Abs. 1 KWG nötig sind649. Im nächsten Satz wird dann missverständlich ausgeführt, dass damit gewährleistet sei, dass der übernehmende Rechtsträger über eine Erlaubnis im Umfang derjenigen Erlaubnis verfügt, die dem Institut zu diesem Zeitpunkt zustand650. Der Gesetzgeber hat dabei wohl nicht bedacht, dass eine Bank auch Geschäfte tätigen kann, die über ihre bestehende Erlaubnis hinausgehen. Dieses Erlaubnisverfahren wurde in das Verfahren zur Vorbereitung der Übertragungsanordnung integriert. Dies sei zur Vermeidung von Verzögerungen erforderlich, um eine Verunsicherung auf den Märkten zu der Frage zu verhindern, „ob […] der übernehmende Rechtsträger mit der für die Fortführung der Geschäfte erforderlichen Erlaubnis ausgestattet ist“651. Dies zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber den übernehmenden Rechtsträger von Beginn an mit einer Bankerlaubnis ausstatten möchte, die die Weiterführung sämtlicher übertragenen Geschäfte ermöglicht. Folgen fehlender Zustimmung nach § 48 c Abs. 3 KWG Probleme können im Rahmen der Übertragungsanordnung gerade dann auftreten, wenn die Behörde einen Verwaltungsakt erlässt, bei dem die Mitwirkungshand648 649 650 651
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 g, Rn. 24. BT-DrS. 17/3024, S. 66. BT-DrS. 17/3024, S. 66. BT-DrS. 17/3024, S. 66 f.
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lung nicht vorliegt oder der aus anderen Gründen unwirksam ist652. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage der Rechtsfolge, wenn die Mitwirkungshandlung fehlt. Teilweise wird vertreten, dass der ohne Mitwirkung des Betroffenen erlassene Verwaltungsakt nichtig sei653. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn auf die Mitwirkung des Betroffenen aus materiellen Gründen nicht verzichtet werden kann, weil durch den Verwaltungsakt der persönliche Status geändert wird (z. B. im Rahmen einer Einbürgerung oder der Ernennung oder Entlassung eines Beamten)654. Hierbei würde sich die Nichtigkeit aufgrund eines besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehlers aus § 44 Abs. 1 VwVfG ergeben. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, der auf einem solchen Fehler beruht, setzt voraus, dass dieser mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar scheint655. Dies ist gerade bei solchen Verwaltungsakten anzunehmen, die so massiv in die Rechte des Einzelnen eingreifen, dass sie den intimen Lebensbereich und die persönliche Entfaltung betreffen. Im Rahmen von Beamtenverhältnissen oder bei Fragen der Staats-angehörigkeit trifft dies zu. Hier liegt jedoch keine solche Beeinträchtigung vor. Der übernehmende Rechtsträger kann auch sein Altgeschäft weiterführen und wird in der Ausübung seiner Tätigkeit nicht eingeschränkt. Die Nichtigkeit der Übertragungsanordnung wäre damit nicht sachgerecht, da, je nachdem wie lange die Streitigkeiten über die Nichtigkeit andauern, vor Erlass der neuen Übertragungsanordnung eine weitere Prüfung durchgeführt werden müsste. Dies würde einen neuerlichen erheblichen Zeitverlust bedeuten, der mit dem Zweck der Regelungen als Sonderpolizeirecht, das die Gefahrenabwehr sicherstellen soll, nicht vereinbar ist. Andere vertreten hingegen die Auffassung, dass der Verwaltungsakt schwebend unwirksam sei656 und nachträglich genehmigt werden könne, wobei zumindest für diese Zeit ein nichtiger Verwaltungsakt vorliegen würde657. Dies überzeugt nicht. Allein aus Gründen der Rechtssicherheit ist absolute Klarheit über die aktuelle Rechtslage notwendig. Dies wäre nicht mehr gewährleistet, 652 653 654 655 656
657
Vgl. zur Rechtsnatur der Übertragungsanordnung als mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt oben unter Ziff. 4.4. V GH Kassel, DÖV 1968, 809; BSGE 52, 245 (246) = NVwZ 1983, 767; Ule/Laubinger, § 57, Rn. 13. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, § 35, Rn. 239. BVerwG, NVwZ 1998, 1061 (1062); NJW 1985, 2658 (2659); Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar zum VwVfG, § 44, Rn. 12. BVerwGE 20, 35 (36 f.); Ule/Laubinger, § 48, Rn. 21; offen gelassen von BVerwG, NJW 1982, 2273; a. A. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, § 43, Rn. 37; Kirchhoff, DVBl 1985, 659; nach dem einschlägigen fachrecht differenzierend Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, § 43, Rn. 184. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 12.
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wenn die Wirksamkeit des Verwaltungshandelns von der Genehmigung Dritter abhinge. Gerade in der vorliegenden Fallkonstellation ist ein Schwebezustand nicht interessengerecht. Würde die Übertragungsanordnung tatsächlich bis zur Genehmigung keinerlei Wirkungen entfalten, so verblieben zunächst alle auszugliedernden Gegenstände beim gefährdeten Institut. Würde dies bekannt werden, so könnte dies zu einer weiteren Verunsicherung der Märkte führen. Darüber hinaus muss gerade im Bereich der Gefahrenabwehr sichergestellt sein, dass der Staat sein Gewaltmonopol ohne Einflüsse Dritter ausüben kann. Dies wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die Wirksamkeit von außen bestimmt würde. Insofern widerspricht sich Fridgen, wenn er zunächst sagt, dass eine ohne die erforderliche Zustimmung erlassene Übertragungsanordnung „ins Leere geht“658 und später anmerkt, dass gegen eine solche Übertragungsanordnung „nur der Rechtsschutz nach den allgemeinen Vorschriften“659 möglich ist. Nach richtiger Auffassung ist daher davon auszugehen, dass der Verwaltungsakt bei fehlender Zustimmung lediglich rechtswidrig ist. Er entfaltet also seine volle Wirkung, da ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt und vom einzelnen Bürger nur auf dem Rechtsweg beseitigt werden kann660. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsverfahrens, wonach fehlerhafte Verwaltungsakte zunächst rechtliche Wirkung entfalten. Deren materielle Rechtswidrigkeit kann durch die Anfechtung des Verwaltungsakts gelöst werden kann661. Vorliegend könnte also der übernehmende Rechtsträger selbst entscheiden, ob dieser (rechtswidrige) Verwaltungsakt im Rahmen einer Anfechtungsklage angegriffen werden soll oder nicht. Im letztgenannten Fall tritt Bestandskraft ein. Darüber hinaus kommt entsprechend § 184 BGB eine nachträgliche Heilung In Betracht. Dabei besteht bis zur Erteilung der Genehmigung gerade kein Schwebezustand (S. o.). Lediglich die Rechtswidrigkeit wird durch die Genehmigung beseitigt662.
658 659 660 661 662
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 12. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, (Fn. 3). H.M., vgl. BVerwGE 19, 284 (287); 23, 237; NVwZ 1989, 969; 1998, 401; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, § 43, Rn. 37, m. w. N. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, § 35, Rn. 239. Anders fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 c, Rn. 12, der explizit davon ausgeht, dass der Verwaltungsakt bis zu Genehmigung keinerlei Wirkung entfaltet.
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3.3.4.4 Partielle Rückübertragung und Folgeanordnung Sollte die Situation auftreten, dass systemrelevante Teile aus einem bestandsgefährdeten Kreditinstitut mittels Übertragungsanordnung herausgelöst werden müssen, so geschieht dies, wie bereits beschrieben, unter erheblichem Zeitdruck. In dieser kurzen Zeit wird die BaFin in aller Regel nicht in der Lage sein, eine endgültige Bewertung der zu übertragenden Gegenstände vorzunehmen. Sollte zunächst nur eine Teilausgliederung ergangen sein, kann die BaFin weitere Übertragungsanordnungen (sog. Folgeanordnung) erlassen. Rückübertragungsanordnung Kommt die BaFin nach Erlass einer Übertragungsanordnung zu der Erkenntnis, dass nicht die Übertragung aller Ausgliederungsgegenstände, die in der Anordnung aufgeführt wurden, zur Beseitigung der Systemgefährdung erforderlich war663, kann sie nach § 48 j Abs. 1Satz 1 KWG eine Rückübertragungsanordnung erlassen. Dies ist innerhalb von vier Monaten nach Wirksamwerden und somit nach Bekanntgabe der ersten Übertragungsanordnung möglich. Sofern die BaFin innerhalb dieser vier Monate mehrfach davon Kenntnis erlangt, dass die Übertragung einzelner Ausgliederungsgegenstände zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich war, kann sie gemäß Satz 2 auch weitere Rückübertragungsanordnungen erlassen. Durch den Erlass einer Rückübertragungsanordnung wird die Viermonatsfrist nicht erneut ausgelöst664. Zeitpunkt Fraglich ist, welcher Zeitpunkt für die Entscheidung der BaFin ausschlaggebend ist: der Zeitpunkt des Erlasses der Übertragungsanordnung (damit dürften neue Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden), oder der Zeitpunkt des Erlasses der Rückübertragungsanordnung. Dies ist weder dem Wortlaut der Norm noch der Gesetzesbegründung eindeutig zu entnehmen. Teilweise wird vertreten, dass neue Erkenntnisse berücksichtigt werden müssten, weil der Gesetzgeber in seiner Begründung ausführt, dass die Rückübertragungsanordnung für Fälle gilt, in denen zur Bewältigung der Bestands- und Systemgefährdung nur die Übertragung bestimmter Unternehmensteile erforderlich ist665. Da die Übertragungsanordnung als ultima ratio ausgestaltet ist, spricht auch der Sinn und Zweck der Norm dafür, neue Umstände mit zu berücksichtigen. Dies entspräche auch dem besonders stark ausgestalteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Beurteilung der Erforderlichkeit sollte somit auf den späteren Zeitpunkt verschoben werden. Falls die BaFin feststellt, dass die ursprüngliche Übertra663 664 665
BT-DrS. 17/3024, S. 67. BT-DrS. 17/3024, S. 67. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 2.
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gungsanordnung zu weit geht, müsste ihr Ermessen auf null reduziert werden. Die BaFin hätte somit die Pflicht, eine entsprechende Rückübertragungsanordnung zu erlassen. Inhalt Die Rückübertragungsanordnung richtet sich inhaltlich gemäß § 48 e KWG nach den Vorgaben für eine Übertragungsanordnung. Da sich der Wert der Gegenleistung aufgrund der Rückübertragung nochmals ändern wird, muss sie neu festgesetzt werden. Es bleibt aber dabei, dass die Gegenleistung zum Zeitpunkt des Erlasses der Übertragungsanordnung angemessen sein musS. Deshalb muss die Anpassung auch auf diesen Zeitpunkt bestimmt werden666. Um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu entsprechen, müssen auch im Rahmen der Rückübertragung die Gegenstände exakt bezeichnet sein. Die zur Übertragungsanordnung gemachten Ausführungen gelten entsprechend667. Erlass und Rechtsfolgen Die Rückübertragungsanordnung wird gegenüber dem bestandsgefährdeten und dem übernehmenden Rechtsträger bekanntgegeben und mit Bekanntgabe sofort wirksam. Die erforderliche Handelsregistereintragung ist lediglich deklaratorisch668. Die Ausgliederungsgegenstände, die von der Rückübertragung erfasst werden, gelten gemäß § 48 j Abs. 2 Satz 3 KWG als von Anfang an im Vermögen des bestandsgefährdeten Kreditinstituts verblieben. Etwaige Eigentumsrechte des übernehmenden Rechtsträgers entfallen rückwirkend. So könnte für den Zeitraum zwischen Erlass der Übertragungsanordnung und der Rückübertragungsanordnung eine Vindikationslage bestehen669. Dies wird wohl anzunehmen sein, da die Übertragungsanordnung kein Recht zum Besitz mehr einräumen kann. Dies soll mit der Rückübertragungsanordnung ja gerade beseitigt bzw. korrigiert werden. Es sprechen gute Gründe dafür, eine Vindikationslage - mit dem daraus folgenden Ersatzanspruch des bestandsgefährdeten Kreditinstituts - nach § 993 BGB und einen Verwendungsersatzanspruch des übernehmenden Rechtsträgers nach §§ 994 f. BGB anzunehmen.
666 667 668 669
Wohl ebenso fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, fn. 4. Vgl. hierzu bereits unter 3.4. BT-DrS. 17/3024, S. 67. Sowohl fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 j, Rn. 7.
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Folgeanordnung Kommt die BaFin nach Erlass einer Übertragungsanordnung hingegen zu der Erkenntnis, dass die Übertragung der bereits ausgegliederten Gegenstände noch nicht ausreicht und weitere Ausgliederungen erforderlich sind, so kann sie gemäß § 48 k Abs. 5 KWG innerhalb von vier Monaten nach Erlass der Übertragungsanordnung weitere Anordnungen (sog. Folgeanordnung) erlassen. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass als Folgeanordnung auch eine Vollübertragung aller Ausgliederungsgegenstände, die sich noch beim bestandsgefährdeten Institut befinden, angeordnet werden kann670. Sofern mehrere Folgeanordnungen erlassen werden, müssen diese alle innerhalb der Viermonatsfrist erlassen werden. Die Frist beginnt damit nicht neu zu laufen671. Die Folgeanordnung muss inhaltlich wie eine Übertragungsanordnung nach § 48 a KWG ausgestaltet sein, hat aber den Vorteil, dass das Vorverfahren nicht durchlaufen werden muss und sie somit deutlich schneller erlassen werden kann672. Die Frist von vier Monaten soll sicherstellen, dass ohne eingehende Prüfung nicht beliebig viele Übertragungsanordnungen erlassen werden. Das bestandsgefährdete Kreditinstitut soll zunächst die Möglichkeit haben, die Situation selbst in den Griff zu bekommen. Sofern im Zusammenhang mit der Folgeanordnung Mittel des Restrukturierungsfonds erforderlich sind (oder werden könnten), muss die Anordnung nach § 48 k Abs. 5 i. V. m. § 48 a Abs. 3 KWG im Einvernehmen mit dem Lenkungsausschuss (§ 4 FMStFG) erfolgen. 3.3.4.5 Durchführung der Ausgliederung Die Durchführung der Ausgliederung erfolgt gemäß § 48 f Abs. 1 KWG zur Aufnahme auf Grundlage der Übertragungsanordnung und der Zustimmungserklärung des übernehmenden RechtsträgerS. Ein Ausgliederungsvertrag, Ausgliederungsbericht oder Ausgliederungsbeschluss der Anteilsinhaber des bestandsgefährdeten Kreditinstituts oder des übernehmenden Rechtsträgers ist nicht nötig. Hierin liegt der wesentliche Unterschied der Ausgliederung im Rahmen einer Übertragungsanordnung zur Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz673. Die Vorschriften zur Ausgliederung wurden denen des Umwandlungsgesetzes allerdings nachempfunden674. 670 671 672 673 674
BT-DrS. 17/3024, S. 68. BT-DrS. 17/3024, S. 68. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 k, Rn. 12, a. A. wohl Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 150. Vgl. insbesondere § 125 i. V. m. § 13 UmwG; §§ 126 f. UmwG. BT-DrS. 17/3024, S. 65.
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Teilweise wird vertreten, dass die Zustimmung des übernehmenden Rechtsträgers als korrespondierende Willenserklärung ebenfalls Voraussetzung für die Ausgliederung sei675. Dem kann man entgegen halten, dass diese Zustimmung lediglich die Voraussetzung für den Erlass einer rechtmäßigen Übertragungsanordnung ist, jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung676; sie ist somit keine Grundlage für die Ausgliederung677. Als Schlussbilanz wird der Ausgliederung gemäß Abs. 2 die Jahresbilanz aus dem letzten geprüften Jahresabschluss des Kreditinstituts zugrunde gelegt; liegt eine auf einen späteren Stichtag bezogene geprüfte Bilanz vor, so ist diese maßgebend. Im Gegensatz zu § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG darf die Stichtagsbilanz auch älter als acht Monate sein678 Anmeldung zum Handelsregister Das Kreditinstitut und der übernehmende Rechtsträger müssen die Ausgliederung gemäß Abs. 3 unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zur Eintragung in das Register ihres jeweiligen Sitzes anmelden. Wird dies von einer der Parteien verzögert, so kann die FSMA die Anmeldung für die erforderlichen Eintragungen vornehmen. Dann ist eine Rücknahme dieses Antrags nur mit Zustimmung der FSMA möglich. Auch beim Registergericht muss die Eintragung unverzüglich erfolgen. Etwaige Kapitalerhöhungen oder eingelegte Rechtsmittel stehen der Eintragung nicht entgegen. Die materielle Wirkung der Übertragungsanordnung tritt bereits mit der Bekanntgabe ein; die Eintragung im Handelsregister soll lediglich die Publizität der entsprechenden Rechtsfolgen sicherstellen. Es besteht lediglich eine Ausnahme: sofern gegen die Übertragungsanordnung Anfechtungsklage eingereicht wurde, verbunden mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, und wenn dieser Antrag im Rahmen einer einstweiligen Anordnung positiv beschieden wurde. In diesem Fall hat die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung; die Rechtsfolgen der Übertragungsanordnung entfallen. Damit wäre die Eintragung ins Handelsregister (vorerst) verhindert679. Haftung bei Durchführung der Übertragungsanordnung Außerdem werden Vorstand und Aufsichtsrat des Kreditinstituts (zumindest teilweise) von ihrer Verantwortung befreit, ihre Haftung wird gelockert. 675 676 677 678 679
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 f, Rn. 1. Zur Rechtsfolge einer fehlenden Zustimmung nach § 48 c Abs. 3 KWG siehe Ziff. IV 3. g). Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 152. BT-DrS. 17/3024, S. 66. BT-DrS. 17/3024, S. 66.
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Die Mitglieder der Leitungs- und Aufsichtsorgane können bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausgliederung mitwirken. Dies stellt gemäß Abs. 6 keine Pflichtwidrigkeit gegenüber dem Kreditinstitut und seinen Anteilsinhabern dar. Die Organe des Kreditinstituts müssen also nicht befürchten, für Schäden, die daraus resultieren könnten, in Haftung genommen zu werden. Dieser Haftungsausschluss muss auch gegenüber Dritten gelten, da durch die Mitwirkung an der Umsetzung der Übertragungsanordnung das Allgemeininteresse an der Sicherung der Finanzmarktstabilität gesichert wird. Die Mitwirkung stellt also keine Pflichtverletzung i. S. d. §§ 93 und 116 AktG dar680. Die Haftungsbeschränkung des Vorstands ist ausdrücklich auf die Mitwirkung bei der Durchführung der Übertragungsanordnung begrenzt; gegen eine rechtswidrige Übertragungsanordnung muss er mit allen Rechtsmitteln, die ihm zur Verfügung stehen, vorgehen - soweit dies im Interesse der Gesellschaft ist. Vor der Einlegung von Rechtsmitteln, muss er die Folgen abschätzen, die diese Verzögerung bei gleichzeitigem Bekanntwerden der Bestandsgefährdung hätte. Der Gesetzgeber weist ausdrücklich auf den möglichen Schwebezustand hin, der durch die Einlegung eines Rechtsmittels entstehen könnte. Auch besteht das Risiko, dass sich die Übertragungsanordnung durch ein unbegründetes Rechtsmittel verzögert und dass sich zwischenzeitlich der Wert der zu übertragenden Gegenstände verringern könnte. Die BaFin kann dann diesen geringeren Wert zugrunde legen681. Unklar bleibt, wie der Erlass einer Übertragungsanordnung verzögert oder gar verhindert werden könnte. Dies könnte allenfalls durch einen sog. vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz in Form einer vorbeugenden Unterlassungsklage nach § 123 VwGO geschehen. Diesen könnte der Gesetzgeber im Blick gehabt haben, wenn „von Rechtmitteln, die auf die Verhinderung des Erlasses […] der Übertragungsanordnung gerichtet sind“ die Rede ist682. Diese Art des Rechtsschutzes ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch, da hierdurch gegen das Prinzip der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG verstoßen wird683. Der vorbeugende Rechtsschutz ist inzwischen jedoch allgemein anerkannt684. Prozessrechtlich ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse notwendig, das darauf gerichtet ist, vorbeugenden vorläufigen Rechts-
680 681 682 683 684
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 f, Rn. 9. BT-DrS. 17/3024, S. 66. § 48 f Abs. 6 Satz 3 KWG; vgl. hierzu: BT-DrS. 17/3024, S. 66. VGH München, NVwZ-RR 1993, 54 (55). BVerwGE 14, 323 (328); 71, 183 (188); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19, Rn 278.
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schutz in Anspruch zu nehmen685. Dieses Interesse liegt vor, wenn beim Zuwarten auf die behördliche Maßnahme die Gefahr besteht, dass irreversible Fakten geschaffen werden und dadurch nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen oder entstehen können686. Um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des Allgemeinwohls rechtzeitig in die Wege leiten zu können, ist es ausnahmsweise gerechtfertigt, auch den Rechtsschutzanspruch eines Grundrechtsträgers erst einmal zurückzustellen, selbst dann, wenn durch den Erlass oder die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts Grundrechte in schwerwiegender Weise betroffen werden687. So wird es sich vorliegend beim bevorstehenden Erlass einer Übertragungsanordnung verhalten. Hierbei handelt es sich um eine Gefahrenabwehrmaßnahme, die einzig und allein das Interesse der Allgemeinheit an der Stabilität der Finanzmärkte verfolgt. Zudem ist gegen die Übertragungsanordnung, auch nach deren Erlass, sowohl das Hauptsacheverfahren eröffnet als auch der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gewahrt. Folglich kann keine Maßnahme zur Verzögerung oder Verhinderung des Erlasses der Übertragungsanordnung ergriffen werden. Es können lediglich, zumindest vorübergehend, die Rechtsfolgen der Übertragungsanordnung durch einen Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO außer Kraft gesetzt werden. Sollte das Gericht tatsächlich die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anordnen, wäre dies der einzig denkbare Fall, in dem sich die Höhe der Gegenleistung nachträglich verändern könnte. In diesem Fall wird der Vorstand tatsächlich genau abwägen müssen, wie hoch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind. Bei einem Unterliegen droht dem Kreditinstitut ein eventuell weit größerer Schaden in Form einer deutlich geringeren Gegenleistung. 3.3.4.6 Vorgehen nach Erlass der Übertragungsanordnung Nach Erlass der Übertragungsanordnung kann die BaFin sowohl beim Kreditinstitut als auch beim übernehmenden Rechtsträger Folgemaßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass das Kreditinstitut die Sanierung nicht behindern kann688.
685
686 687 688
OVG Bremen, NVwZ 1995, 793; VGH Hessen, NJW 1989, 470 (472); Puttler, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, § 123, Rn. 71; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Kommentar zur VwGO, § 123, Rn. 45. Puttler, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, § 123, Rn. 71; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Kommentar zur VwGO, § 123, Rn. 45. BVerfG, NJW 1991, 1531; NJW 1977, 892; NJW 1974, 227 (228); Kopp, in: Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, § 80, Rn. 2. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 l, Rn. 1.
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Beim Kreditinstitut Unter bestimmten Voraussetzungen kann die BaFin dem Kreditinstitut Weisungen erteilen und die Verfügung über Unternehmensanteile am übernehmenden Rechtsträger untersagen. Voraussetzungen Die Weisungsrechte der BaFin bestehen solange, wie die Unternehmensteile, die übertragen wurden, in ihrem Bestand gefährdet sind und bis die Erreichung des Sanierungsziels festgestellt wurde. Das Sanierungsziel ist erreicht, wenn eine Vermögens-, Finanz- und Ertragslage hergestellt wurde, die die Wettbewerbsfähigkeit des übertragenen Unternehmens nachhaltig gewährleistet (§ 48 m Abs. 1 Satz 2 KWG). Dieses Sanierungsziel schließt auch die Fähigkeit ein, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen dauerhaft und nachhaltig zu erfüllen689. Eine Ausnahmekonstellation beschreibt Fridgen für den Fall, dass eine partielle Ausgliederung oder eine Rückübertragung stattfindet690. Voraussetzung für den Erlass einer Übertragungsanordnung ist, dass ein Kreditinstitut in seinem Bestand gefährdet ist. Diese Bestandsgefährdung muss sich gemäß § 48 b Abs. 1 KWG auf das gesamte Kreditinstitut beziehen. Im Rahmen der partiellen Ausgliederung und der Rückübertragung müssen die Teile, die übertragen werden sollen, bzw. diejenigen, die bei der Rückübertragung beim übernehmenden Rechtsträger verbleiben, gerade nicht in ihrem Bestand gefährdet sein. Diese Vermutung liegt nahe, wenn im Rahmen der partiellen Ausgliederung gesunde systemrelevante Teile ausgegliedert werden sollen, um sie „in Sicherheit zu bringen“. In diesem Fall ist die BaFin (was die Ausübung der Stimmrechte beim übernehmenden Rechtsträger angeht) tatsächlich nicht weisungsbefugt, da diese gesunden Teile eben gerade nicht in ihrem Bestand gefährdet sind. Diese Lösung ist im Sinne des Weisungsrechts angemessen. Durch das Weisungsrecht soll verhindert werden, „dass das Institut oder seine Anteilseigner kraft der Beteiligung des Instituts am übernehmenden Rechtsträger die Durchführung der für die Stabilisierung des Instituts erforderlichen Maßnahmen vereitelt oder verzögert.“691 Gemeint ist damit wohl die Stabilisierung der ausgegliederten Unternehmensteile und nicht „des Instituts“, da die Maßnahmen - im Gegensatz zu den bisherigen Finanzmarktstabilisierungsgesetzen - in diesem Falle ja gerade auf den übernehmenden Rechtsträger und nicht auf das bestandsgefährdete Kreditinstitut abzielen. 689 690 691
BT-DrS. 17/3024, S. 69. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 l, (Fn. 5). BT-DrS. 17/3024, S. 68.
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In dieser Konstellation ist das Kriterium der Bestandsgefährdung der übertragenen Unternehmensteile tatsächlich notwendig, da das Sanierungsziel bei der Übertragung gesunder Unternehmensteile zwar möglicherweise bereits vor der Ausgliederung erreicht ist, dies jedoch noch nicht von der BaFin „festgestellt“ wurde, was nach § 48 l Abs. 2 KWG jedoch Voraussetzung für das Erlöschen des Weisungsrechts ist. Wie die Feststellung des Sanierungsziels erfolgen muss, ist im Gesetz nicht näher geregelt. Teilweise wird daher bezweifelt, ob dies den beteiligten Instituten gegenüber bekannt gegeben werden muss692. Es liegt der Schluss nahe, dass dies mittels eines feststellenden Verwaltungsakts geschehen musS. Er stellt die materielle Rechtslage in Bezug auf einen Einzelfall verbindlich fest, ohne dass ihre Änderung beabsichtigt ist693. Die Beurteilung, ob das Sanierungsziel erreicht ist, obliegt allein der BaFin, sobald die Voraussetzungen unzweifelhaft vorliegen. Sollte die BaFin dem nicht nachkommen, stellt sich die Frage nach einem geeigneten Rechtsmittel. Möglich wäre, dass das Kreditinstitut oder der übernehmende Rechtsträger Verpflichtungsklage auf Erlass dieses feststellenden Verwaltungsakts erheben könnten, da hiermit der BaFin die Grundlage für den Eingriff in ihre Rechte entzogen würde694. Auch eine direkte Feststellungsklage käme in Betracht, da diese Feststellung durch das Gericht einen effektiveren Rechtsschutz darstellen würde695. Man könnte jedoch für beide Klagearten das Rechtsschutzbedürfnis auch verneinen, weil die Kreditinstitute die Möglichkeit haben, sich im Rahmen einer Anfechtungsklage nach § 48 r Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 gegen eine Weisung der BaFin zur Wehr zu setzen. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Kreditinstitute, solange die Erreichung des Sanierungsziels noch nicht festgestellt wurde, immer befürchten müssen, durch Weisungen der BaFin im Rahmen der Anteilsinhaber-versammlung des übernehmenden Rechtsträgers beeinflusst zu werden. Zudem gelten in dieser Zeit noch die Erleichterungen des FMStBG, was die Investition von Eigenkapital für Dritte unattraktiv macht. Im Wortlaut der Norm wird explizit zum Ausdruck gebracht, dass „die Bundesanstalt“ das Erreichen des Sanierungsziels feststellen musS. Deshalb ist die Verpflichtungsklage das statthafte Rechtsmittel gegen eine unterlassene Feststellung. 692 693
694 695
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 l, Rn. 8. BVerwGE 67, 165; 72, 232; NJW 1986, 1120; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, § 35, Rn. 219; Wolff/Brink, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar zum VwVfG, § 35, Rn. 138 f. Schenke, in: Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, § 42, Rn. 14 Sodan, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, § 43, Rn. 132 ff.
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Weisungsrechte der BaFin Da die Gegenleistung im Rahmen der Übertragungsanordnung im Regelfall in der Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger besteht, kann das Kreditinstitut gemäß § 48 l Abs. 2 KWG angewiesen werden, seine Stimmrechte in der Anteilsinhaberversammlung in bestimmter Weise auszuüben. Die Weisung erfolgt durch Verwaltungsakt und ist sofort vollziehbar696. Sie ist auch dem übernehmenden Rechtsträger gemäß § 48 l Abs. 2 Satz 1 KWG bekanntzugeben. Von dem Weisungsrecht werden folgende Zustimmungen nicht erfasst: 1. Zustimmung zu einer Kapitalherabsetzung des übernehmenden Rechtsträgers, die nicht der Deckung von Verlusten dient 2. Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung, bei welcher der Ausgabebetrag oder der Mindestbetrag der Anteile unangemessen niedrig ist 3. Zustimmung zu einer Verschmelzung, Spaltung, Ausgliederung oder Vermögensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz, bei der die Gegenleistung oder Abfindung unangemessen niedrig ist, und 4. Zustimmung zu einem Ausschluss des Kreditinstituts aus dem Kreis der Anteilsinhaber. Sollte allerdings ein extremer Verlust eingetreten sein, kann auch eine Weisung zur Kapitalherabsetzung auf null ergehen697. Die Befolgung einer entsprechenden Weisung stellt keine Pflichtverletzung des Vorstands gegenüber dem Kreditinstitut oder seinen Anteilsinhabern dar. Jedoch müssen auch hier die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen eine rechtswidrige Weisung geprüft und ggf. ergriffen werden698. Zustimmungsvorbehalte der BaFin Außer den bestehenden Weisungsrechten stehen auch Verfügungen über die Anteile am übernehmenden Rechtsträgers gemäß § 48 l Abs. 3 KWG unter dem Zustimmungsvorbehalt der BaFin. So soll sichergestellt werden, dass diese Anteile, deren Stimmrechtsausübung die BaFin beeinflussen kann, beim Kreditinstitut verbleiben. Könnten diese ohne Zustimmung der BaFin veräußert werden, würde das Weisungsrecht entfallen; das könnte die nachhaltige Sanierung gefährden. Durch diesen Vorbehalt soll also verhindert werden, dass die Anteile an die Anteilsinhaber des Kreditinstituts ausgekehrt und damit die intendierte Wirkung der Ausgliederung aufgehoben wird699. 696 697 698 699
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 l, Rn. 7. BT-DrS. 17/3024, S. 69. Vgl. hierzu unter 4.7. BT-DrS. 17/3024, S. 69.
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Es handelt sich hier um ein absolutes Verfügungsverbot, das nicht unter § 135 BGB, sondern als Verbotsgesetzt unter § 134 BGB fällt: Hiermit soll die Finanzmarktstabilität und damit ein Interesse der Allgemeinheit geschützt werden700. Eine Veräußerung, die ohne Zustimmung der BaFin vorgenommen wird, ist somit gemäß § 134 BGB nichtig. Damit wird sowohl das Verfügungs- als auch das hierauf gerichtete Verpflichtungsgeschäft unwirksam701. Dieses Verfügungsverbot ist zeitlich ebenfalls beschränkt. Solange die ausgegliederten Unternehmensteile in ihrem Bestand gefährdet sind und diese Gefahr nicht nachhaltig abgewendet ist, darf eine Veräußerung nicht vorgenommen werden. Es kann jedoch Fälle geben, in denen zwar eine konkrete Bestandsgefährdung derzeit nicht ersichtlich ist, jedoch eine nachhaltige Beseitigung noch nicht vorliegt. In diesem Fall soll die BaFin weiterhin Einfluss auf die Stimmrechtsausübung in der Anteilsinhaberversammlung des übernehmenden Rechtsträgers haben, um eben diese Nachhaltigkeit sicherzustellen702. Sonderprüfer Die BaFin soll zudem einen Sonderprüfer nach § 45 c KWG bestellen, der das Bestehen von Schadensersatzansprüchen des Kreditinstituts gegenüber gegenwärtigen und früheren Organmitgliedern wegen Pflichtverletzungen prüft. Eine entsprechende Bestellung kommt dann in Betracht, wenn das Kreditinstitut nicht bereits selbst einen Prüfer einsetzt. Eine Einsetzung wird überflüssig, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, da dann der Insolvenzverwalter diese Ansprüche zu prüfen hat703. Der Wortlaut, wonach der Sonderprüfer eingesetzt werden „soll“, legt nahe, dass dies trotz des eröffneten Ermessens die Regel darstellen soll704. Rechte und Verantwortlichkeit des Sonderprüfers richten sich nach §§ 144, 145 AktG. Die Kosten für den Sonderprüfer gehen entsprechend § 45 c Abs. 6 KWG zu Lasten des KreditinstitutS. Aufhebung der Banklizenz Die BaFin kann schließlich auch die Banklizenz des Kreditinstituts aufheben, sofern dieses den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Fortführung der bei ihm verbliebenen Geschäfte nicht entsprechen kann705. Für den Entzug der Erlaubnis 700 701 702 703 704 705
Ellenberger, in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 135/136, Rn. 2; Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 135, Rn. 1. Ellenberger, in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 134, Rn. 2; Armbrüster, in: Münchener Komentar zum BGB, § 134, Rn. 9 f. Im Ergebnis ebenso: fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 l, Rn. 14. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 l, Rn. 21. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 160. BT-DrS. 17/3024, S. 68.
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kann die BaFin zwar immer noch aufgrund von § 35 KWG vorgehen, jedoch müssen diese Voraussetzungen gerade nicht vorliegen, um die Banklizenz entziehen zu können706. Die Folgen der Aufhebung der Banklizenz richten sich nach den allgemeinen Vorschriften, so dass die BaFin gemäß § 38 KWG auch eine Abwicklungsanordnung erlassen kann707. Beim übernehmenden Rechtsträger Darüber hinaus wurde die BaFin durch § 48 m KWG auch in Bezug auf den übernehmenden Rechtsträger mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Die Vorschrift ist in zwei Teile untergliedert. Die Absätze 2 - 5 dienen der Erleichterung der Durchführung erforderlicher Kapitalmaßnahmen, die Absätze 6 - 9 erlauben es der BaFin, den Sanierungsprozess zu überwachen und auf diesen im Notfall Einfluss zu nehmen708. In Abs. 1 ist das allgemeine und weitreichende Auskunftsrecht verankert. Gesellschaftsrechtliche Erleichterungen Gemäß § 48 l Abs. 2 KWG gelten für Beschlussfassungen der Hauptversammlung des übernehmenden Rechtsträgers über Kapitalmaßnahmen die §§ 7 - 7b, 7d, 7e, 8 - 11, 12 Absatz 1 - 3, §§ 14, 15 und 17 - 19 des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes entsprechend709. Hierdurch werden insbesondere die Einberufungsfristen für Hauptversammlungen verkürzt und die Mehrheitserfordernisse für Kapitalmaßnahmen deutlich herabgesetzt. Dies gilt solange, wie die BaFin das Erreichen des Sanierungsziels noch nicht festgestellt hat, auch wenn private oder öffentliche Stellen Beiträge zur Erreichung des Sanierungsziels oder zur Überwindung der Bestandsgefährdung leisten. Hierzu zählen durch die Verweisung in Abs. 2 Satz 3 auf § 48 d Abs. 2 Satz 3 KWG jedoch nicht Zentralbankgeschäfte, die zu üblichen Konditionen aufgenommen wurden. In Abs. 3 werden zudem deutliche Erleichterungen und Verkürzungen des Handelsregisterverfahrens eingeführt. Danach müssen Beschlüsse, die unter den Erleichterungen des Abs. 2 gefasst wurden, unverzüglich zum Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers angemeldet und eingetragen werden. Klagen und Anträge auf Erlass von Entscheidungen gegen den Beschluss oder seine Eintragung stehen der Eintragung nicht entgegen, wobei § 246 a Abs. 4 AktG entsprechend gilt. Danach ist die Gesellschaft verpflichtet, dem Antragsgegner Scha706 707 708 709
BT-DrS. 17/3024, S. 68. Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 161. BT-DrS. 17/3024, S. 69. Ausführlich hierzu bereits in Kapital 1.; eine grafische Übersicht bietet Brogl, in: Handbuch Banken-Restrukturierung, B., Rn. 164 (Abb. 12).
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densersatz zu leisten. Mängel des Beschlusses lassen seine Durchführung nach der Eintragung unberührt. Die Beseitigung dieser Wirkung der Eintragung als Naturalrestitution kann nicht als Schadensersatz verlangt werden. Entsprechendes gilt für die Ausnutzung eines unter den Voraussetzungen des Abs. 2 geschaffenen genehmigten KapitalS. Diese Erleichterungen gelten gemäß Abs. 5 auch für Beschlussfassungen über Satzungsänderungen, den Abschluss oder die Beendigung von Unternehmensverträgen oder Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz. Anfechtung der Beschlüsse Wird das Kreditinstitut nach § 48l Abs. 2 KWG angewiesen, für eine Maßnahme nach Abs. 2 zu stimmen, ist es berechtigt, gegen den Beschluss Anfechtungsklage nach § 246 AktG einzureichen. Das Gleiche gilt für den Fall, dass für eine Maßnahme nach dem Umwandlungsgesetz gestimmt wurde. Die Klage kann in diesem Fall auch darauf gestützt werden, dass die Gegenleistung oder Abfindung, die dem Kreditinstitut gewährt wurde, nicht angemessen war. Die Klage kann im Falle einer Kapitalerhöhung nach Abs. 4 Satz 2 auch darauf gestützt werden, dass der Ausgabebetrag unangemessen niedrig war. Dies gilt nicht nur für den Fall des Bezugsrechtsausschlusses, sondern generell710. Sofern es um einen Beschluss geht, mit dem das Kapital herabgesetzt wurde, kann eine Klage gemäß Abs. 4 Satz 3 auch darauf gestützt werden, dass die Herabsetzung in dem beschlossenen Umfang nicht der Deckung von Verlusten dient. Ist der Beschluss zwischenzeitlich bereits unter den Voraussetzungen des Abs. 3 in das Handelsregister eingetragen, kann entsprechend § 246 a Abs. 4 AktG Schadensersatz verlangt werden. Für den Fall, dass der Schaden in der Verwässerung der Anteile besteht, soll der Anspruch durch die Ausgabe neuer Aktien erfüllt werden. Dies kann problematisch sein, da der übernehmende Rechtsträger über die entsprechenden Anteile selbst verfügen muss oder zumindest die Möglichkeit haben muss, diese selbst zu schaffen711. Sofern diese Anteile erst geschaffen werden müssen, stellt sich die Frage, aus welchen Mitteln die Einlage für die Anteile kommen soll oder ob diese bereits mit der Übertragungsanordnung als geleistet gelten712. Da es sich um eine Sollvorschrift handelt, kann man davon ausgehen, dass dem übernehmenden Rechtsträger ein Wahlrecht zusteht: Verfügt er über die entsprechenden Anteile, kann er diese an das Kreditinstitut ausgeben. Tut er das nicht, kann der Schadensersatz auch in Geld geleistet werden.
710 711 712
BT-DrS. 17/3024, S. 69. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 9. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 9.
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Auszahlungssperre Sofern der Staat dem übernehmenden Rechtsträger Unterstützungsmaßnahmen gewährt, um die Bestandsgefährdung zu überwinden oder das Sanierungsziel zu erreichen, kann die BaFin gemäß § 48 m Abs. 6 KWG bis zur Erreichung des Sanierungsziels Auszahlungen an die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers untersagen Auszahlungen an die Inhaber anderer Eigenmittelbestandteile, die nach den vertraglichen Bestimmungen an die Erreichung festgelegter Kenngrößen geknüpft sind, untersagen, sofern die einschlägigen Kenngrößen ohne die Unterstützungsleistung nicht erreicht worden wären, oder Auszahlungen an Gläubiger untersagen, solange deren Ansprüche aufgrund einer Nachrangabrede nach einer hypothetischen Rückführung der Unterstützungsleistung nicht zu bedienen wären. Damit wird sichergestellt, dass die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen einzig und allein dem übernehmenden Rechtsträger zu Gute kommen und nicht als Subventionierung der Inhaber von Eigenkapitaltiteln oder eigenkapital-ähnlichen Positionen verwendet werden713. Wird eine Auszahlung nach Nr. 2 untersagt, gilt die einschlägige Kenngröße nicht als erreicht, so dass auch eine Nachzahlung in späteren Perioden ausscheidet714. Von den o. g. Auszahlungsverboten ausgenommen sind 1. Ausschüttungen für Anteile des Restrukturierungs- und Finanzmarktstabilisierungsfonds, die diesen im Zusammenhang mit einer Unterstützungsleistung gewährt wurden und 2. Ausschüttungen für Zahlungen auf Forderungen des Restrukturierungsfonds, die im Zusammenhang mit der staatlichen Unterstützungsleistung entstanden sind. Auch hier gelten Zentralbankgeschäfte, die zu üblichen Konditionen abgeschlossen wurden, nicht als Unterstützungsleistung (Verweisung in Abs. 5 auf § 48 d Abs. 3 Satz 2 KWG).
713 714
BT-DrS. 17/3024, S. 69. BT-DrS. 17/3024, S. 70.
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Liquidationsplan Ist das Sanierungsziel entweder nicht oder nur zu unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Bedingungen zu erreichen und besteht darüber hinaus die Möglichkeit, das Unternehmen ohne Risiken für die Stabilität des Finanzsystem abzuwickeln, kann die BaFin in Abstimmung mit der FSMA gemäß Abs. 7 von dem übernehmenden Rechtsträger die Erstellung eines Liquidationsplans verlangen. In diesem Plan muss die Realisierbarkeit sowie die konkrete Durchführung einer geordneten Abwicklung dargestellt werden. (1) „Unverhältnismäßige wirtschaftliche Bedingungen“ Das Tatbestandsmerkmal der „unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Bedingungen“ in Abs. 7 ist dabei nicht näher erläutert. Auch die Gesetzesbegründung enthält dazu keinerlei Angaben, so dass sich die Frage stellt, ab wann das Sanierungsziel nur noch unter diesen unverhältnismäßigen Voraussetzungen zu erreichen ist. Teilweise wird vertreten, dass dies aus der Perspektive desjenigen zu betrachten ist, der die Lasten der Sanierung trägt, und davon abhängt, welcher Mehraufwand für die Erreichung des Sanierungsziels im Vergleich zur Liquidation anfällt. Dem müssten dann die zu erwartenden Erlöse und der bei Erreichung des Sanierungsziels geschaffene Unternehmenswert gegenübergestellt werden715. Da das Gesetz keinerlei Vorgaben macht, welche Umstände in die Abwägung mit einzubeziehen sind, werden sich diese an den jeweiligen Umständen des Einzelfalls orientieren. Die Definition von Fridgen, wonach der für die Erreichung des Sanierungsziels entstehende Mehraufwand in das Verhältnis zum Verwertungserlös bzw. zum geschaffenen Unternehmenswert zu setzen ist, erscheint logisch und praktikabel. Es können jedoch, neben den von Fridgen aufgestellten Kriterien, noch weitere Merkmale als Orientierungshilfe herangezogen werden, anhand derer sich die Verhältnismäßigkeit messen lassen kann. Eine Fragestellung könnte sein, ob die Bestandsgefährdung der ausgegliederten Unternehmensteile in einem absehbaren Zeitraum beseitigt werden kann. Wie lang dieser ist, muss sich an der wirtschaftlichen Größe des übernehmenden Rechtsträgers und dessen Geschäftsstrategie ausrichten. Je langfristiger die strategische Ausrichtung und je stabiler und nachhaltiger die Kapitalstruktur des übernehmenden Rechtsträgers ist, desto länger kann der Zeitraum bemessen werden.
715
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 18.
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Eine weitere Fragestellung könnte sein, ob sich die Investition in den bestandsgefährdeten Unternehmensteil überhaupt amortisieren kann und wenn ja, in welchem Zeitraum. Sofern der übernehmende Rechtsträger die Fortführung der ausgegliederten Unternehmensteile beabsichtigt, kann mit dieser Herangehensweise verhindert werden, dass - durch das Abstellen auf den derzeitigen Unternehmenswert - eine Unangemessenheit festgestellt wird, die sich innerhalb weniger Jahre in einen Gewinn wandeln könnte. Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten, dass sich der Wert eines Unternehmensteils, der im Rahmen einer Bewertung negativ ausfällt, innerhalb weniger Jahre positiv verändert und realistische Gewinnaussichten entwickelt. Die Reduktion auf einen Stichtag für die Bewertung wäre allzu verkürzt. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, welche Finanzierungsmittel dem übernehmenden Rechtsträger zur Verfügung stehen. Wenn man auf die Sicht desjenigen abstellt, der die Sanierungslast trägt, sollte man eruieren, ob sich neben dem übernehmenden Rechtsträger noch weitere Investoren an der Sanierung beteiligen (können und wollen). Dies würde die Belastung deutlich senken und den Aufwand in ein anderes Verhältnis setzen. Egal, welche Maßstäbe man der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Grunde legt, es handelt sich immer um eine Prognoseentscheidung, deren Ergebnis eben nur im Wahrscheinlichkeitsbereich vorhergesagt werden kann. Umso wichtiger ist es, dass keine fixen Kriterien für eine Bewertung herangezogen werden, sondern dass jeder Einzelfall genau untersucht wird und möglichst viele Szenarien durchgespielt werden. (2) Risikolose Abwicklung Darüber hinaus muss die zwangsweise Abwicklung ohne jegliches Risiko für die Stabilität des Finanzsystems möglich sein. Diese Einschätzung ex ante vorzunehmen, stellt eine zusätzliche Prognoseentscheidung der BaFin dar, der viele unbekannte Variablen zugrunde liegen. Die Art der Liquidation spielt dabei eine entscheidende Rolle716, wobei diese erst im Liquidationsplan festgelegt wird. Sollte es nach Ansicht der BaFin jedoch mindestens eine erfolgversprechende Liquidationsvariante ohne negative Folgen auf die Finanzmarktstabilität geben, so kann die Aufstellung eines Liquidationsplans verlangt werden717. Diesbezüglich muss auch das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ noch genauer untersucht werden. Der Wortlaut lässt darauf schließen, dass hiermit das kom716 717
Hierzu sogleich unter Ziff. (3). Ähnlich fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 18.
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plette Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers gemeint ist. Das Unternehmen bezieht sich hier jedoch gerade auf das „bestandsgefährdete“ - und somit auf das ausgegliederte - Unternehmen. Auch Sinn und Zweck der Norm, nämlich die Sanierung (evtl. Abwicklung,) des bestandsgefährdeten Unternehmens, spricht für diese Auslegung. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, über den Sinn und Zweck der gesamten Vorschriften zur Übertragungsanordnung. Das gesamte System der Bankenrestrukturierung ist spezifisch darauf ausgelegt, Gefahren vom Finanzsystem fern zu halten bzw. diese zu minimieren und eine Ansteckung der einzelnen Banken untereinander zu verhindern. Würde die Übertragungsanordnung dazu führen, dass das gesamte Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers abgewickelt würde, hätte die Übertragungsanordnung ihren Zweck verfehlt. Es würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Bank finden, die zur Aufnahme bereit wäre, wenn sie befürchten müsste, unter Umständen ihr gesamtes Unternehmen zu verlieren. Der Liquidationsplan bezieht sich somit ausschließlich auf den übernommenen Unternehmensteil718. (3) Inhalt des Liquidationsplans Aus dem Liquidationsplan muss hervorgehen, dass und auf welche Weise das vom übernehmenden Rechtsträger fortgeführte Unternehmen geordnet abgewickelt wird. Die Art und Weise der Liquidation kann insbesondere durch die Planung der zeitlichen Abfolge der geplanten Verwertung (unverzüglich oder zeitlich gestaffelt) geregelt werden719. Darüber hinaus können sämtliche Regelungen getroffen werden, die auch im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens vorgesehen sind, insbesondere der Verzicht von Gläubigern auf Teile oder die Gesamtheit ihrer Forderungen720. Dabei muss berücksichtigt werden, dass dazu die Zustimmung der Gläubiger erforderlich ist. Wohl kaum ein Gläubiger wird jedoch freiwillig auf seine komplette Forderung verzichten, wenn zumindest die Chance besteht, einen - wenn auch geringen - Teil zu erlösen721. (4) Erstellung und Umsetzung des Liquidationsplans Sofern die BaFin der Überzeugung ist, dass das Sanierungsziel nur unter unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Umständen zu erreichen ist und eine Liquidation ohne Risiken für die Finanzmarktstabilität erfolgen kann, so stimmt sie sich zu718 719 720 721
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 19. Eidenmüller, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 217, Rn. 167; fridgen, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 20. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 20. Lutter, BB 1980, 737 (740).
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nächst mit der FSMA ab. Teilt diese die Einschätzung der BaFin, kann ein Bescheid erlassen werden, der den übernehmenden Rechtsträger zur Aufstellung des Liquidationsplans verpflichtet. Der Gesetzgeber führt in seiner Begründung aus, dass die BaFin in Abstimmung mit der Bundesanstalt nicht nur die Vorlage eines Liquidationsplans verlangen kann, sondern darüber hinaus diesen auch ändern, selbst erstellen oder erstellen lassen kann, sofern sich eine geordnete Liquidation zu wirtschaftlich günstigeren Konditionen bewerkstelligen lässt als eine Sanierung und sofern sich eine Liquidation voraussichtlich nicht destabilisierend auf das Finanzsystem auswirken wird722. Diese Annahme geht jedoch weit über den Gesetzeswortlaut hinaus und kann auch nicht im Wege der Auslegung hergeleitet werden723. Richtig ist vielmehr, dass die BaFin, sollte das Unternehmen der Aufforderung zur Erstellung eines Liquidationsplans nicht nachkommen, diesen im Wege der Ersatzvornahme nach § 10 VwVG selber erstellen oder aber erstellen lassen kann724. Wurde der Liquidationsplan erstellt, kann die BaFin diesen gemäß Abs. 8 für verbindlich erklären. Sofern der Liquidationsplan in der Folge immer noch nicht umgesetzt wird, kann die BaFin nach Abs. 9 alle zur Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen ergreifen, insbesondere Weisungen erteilen. Sofern die Geschäftsleitung keine Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung des Plans bietet, kann sie einen Sonderbeauftragten nach § 45 c KWG einsetzen. 3.3.4.7 Rechtsschutz Indem der Gesetzgeber in § 48 r KWG einen separaten Rechtsschutz gegen die Übertragungsanordnung und die mit ihr verbundenen Maßnahmen geschaffen hat, wollte er der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nachkommen725. Hierfür wurden sowohl das Haupt- als auch das Eilverfahren als Rechtsschutzmöglichkeit konzipiert. Zuständigkeit und Verfahren In erster und letzter Instanz ist das Oberverwaltungsgericht am Sitz der BaFin in Frankfurt am Main (§ 1 Abs. 3 FinDAG) zuständig, also der Hessische Verwaltungsgerichtshof726. Ein Vorverfahren wird nicht durchgeführt.
722 723 724 725 726
BT-DrS. 17/3024, S. 70. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 21. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 21. BT-DrS. 17/3024, S. 70. Obermüller, NZI 2011, 81 (88).
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Die Klage muss abweichend von § 74 Abs. 1 VwGO innerhalb von vier Wochen erhoben werden. Diese Frist beginnt mit Bekanntgabe der Übertragungsanordnung gegenüber dem Kreditinstitut und dem übernehmenden Rechtsträger. Übertragungsanordnung Gegen eine Übertragungsanordnung kann gemäß § 48 r Abs. 1 KWG lediglich das Kreditinstitut vorgehen, nicht hingegen der übernehmende Rechtsträger. Dies begründet jedoch lediglich die Klagebefugnis, nicht die Zulässigkeit der Klage insgesamt727. Der übernehmende Rechtsträger kann hingegen nicht gegen eine Übertragungsanordnung vorgehen. Dies ist systemkonform, da vor Erlass der Übertragungsanordnung dessen Zustimmung bereits vorliegen muss und er somit nicht beschwert ist728. Sofern die Übertragungsanordnung ohne die erforderliche Zustimmung erlassen wird, besteht Rechtsschutz im Rahmen einer Anfechtungsklage nach den allgemeinen Vorschriften729. Eine Klagebefugnis kommt dem übernehmenden Rechtsträger nach § 48 r Abs. 2 Satz 3 KWG dann zu, wenn eine vorläufig festgesetzte Gegenleistung zu Ungunsten des übernehmenden Rechtsträgers korrigiert wird. Dass dem übernehmenden Rechtsträger nach Abs. 1 generell keine Klagebefugnis eingeräumt wird, kann in den Fällen problematisch sein, in denen eine Rückübertragungsanordnung erlassen wird. Hier ist auch eine Beschwer des übernehmenden Rechtsträgers denkbar. Deshalb wird teilweise vertreten, dass in diesen Fällen Rechtsschutz nach den allgemeinen Vorschriften gewährt werden muss, da nicht ersichtlich sei, dass der übernehmende Rechtsträger rechtlos gestellt werden sollte730. Würde man dem übernehmenden Rechtsträger in diesen Fällen jedoch Rechtsschutz zugestehen, könnte dieser die Rückübertragungsanordnung als solche angreifen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben hier zwar aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 49 KWG9) keine aufschiebende Wirkung. Es besteht jedoch kein legitimes Interesse daran, dem übernehmenden Rechtsträger eine Möglichkeit einzuräumen, die Rückübertragungsanordnung insgesamt zu Fall zu bringen. Diese Anordnung wird von der BaFin insbesondere dann erlassen, wenn sie der Meinung ist, dass die Übertragung der ausgegliederten Gegenstände zur Stabilisie727 728 729 730
So aber fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 2. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 2. Siehe hierzu bereits unter 4.3.7. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 2.
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rung des Finanzsystems nicht erforderlich ist. Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden, muss die BaFin diese Rückübertragungsanordnung sogar erlassen. Der übernehmende Rechtsträger kann nur ein Interesse an einer angemessenen Gegenleistung geltend machen. Dies ist im Rahmen seiner Klagebefugnis nach § 48 r Abs. 2 Satz 3 KWG auch gewährleistet. Ein Rechtsschutz darüber hinaus muss nicht gewährt werden731. Wird eine Übertragungsanordnung von dem bestandsgefährdeten Kreditinstitut erfolgreich angefochten, so besteht diese dennoch fort. Einzig die Bewertung der Gegenleistung erfolgt erneut durch das Gericht.732 Sofern die Gegenleistung in Geld erbracht wurde, kann das Gericht ohne weiteres einen anderen Betrag festsetzen. Dies ist im Rahmen der Gewährung von Anteilen deutlich schwieriger. Der übernehmende Rechtsträger muss in diesem Fall die hierzu erforderlichen Beschlüsse entweder bereits gefasst haben oder er muss selbst über entsprechend viele Anteile verfügen, damit diese an das Kreditinstitut ausgegeben werden können733. Das Gericht wird daher in aller Regel die ursprüngliche Gegenleistung um einen Geldbetrag erhöhen, um den übernehmenden Rechtsträger nicht zu etwas Unmöglichem zu verpflichten734. Es wird jedoch kritisch angemerkt, dass dies den übernehmenden Rechtsträger belaste und unklar sei, weshalb er an die Entscheidung des Gerichts gebunden sein solle, da die Zustimmung nach § 48 c Abs. 3 KWG lediglich die geringere Gegenleistung umfasst habe735. Dem kann entgegen gehalten werden, dass dem übernehmenden Rechtsträger die Rechtschutzmöglichkeiten des Kreditinstituts im Voraus bekannt waren und insofern mit einer Anpassung der Gegenleitung nach § 48 r Abs. 2 KWG gerechnet werden musste. Der übernehmenden Rechtsträger hat ja nicht nur der Übertragungsanordnung in ihrer Entwurfsfassung zugestimmt. Mit dieser Zustimmung wird vielmehr auch zum Ausdruck gebracht, dass man die von der BaFin angesetzte Gegenleistung als angemessen ansieht, wohl wissend, dass dies von einem Gericht anders gesehen werden könnte. Möchte ein Rechtsträger dieses Risiko nicht eingehen, darf er sich nicht zur Verfügung stellen. Gemäß § 48 r Abs. 2 Satz 4 KWG kann der übernehmende Rechtsträger auch Rechtsmittel gegen Urteile einlegen, die die Gegenleistung zu seinen Ungunsten abändern. Dies steht in Widerspruch zu Abs. 1, wonach der Hessische Verwaltungsgerichtshof die erste und zugleich letzte Instanz darstellt. Teilweise wird da731 732 733 734 735
A. A. fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 2. BT-DrS. 17/3024, S. 70. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 8. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 8. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, (Fn. 6).
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her vertreten, dass sich dieses „Rechtsmittel“ lediglich auf die Anhörungsrüge nach § 152 a VwGO beziehe736. Die Anhörungsrüge setzt jedoch voraus, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat737. Impliziert man also, dass das landeshöchste Verwaltungsgericht diesem Prozessgrundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs regelmäßig nachkommt, wovon bereits aufgrund der notwendigen Beiladung des übernehmenden Rechtsträgers nach § 65 Abs. 2 VwGO auszugehen ist, so liefe die Vorschrift leer. Man muss daher von einer Ausnahme zu Abs. 1 ausgehen. In diesem speziellen Fall sollte eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen werden. Weisungen Auch Weisungen der BaFin in Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts nach § 48 l Abs. 2 KWG können entsprechend Abs. 1 vor dem Hessischen VGH sowohl im einstweiligen- als auch im Hauptsacheverfahren angegriffen werden. Eine Aufhebung der Weisung wegen eines Verstoßes gegen die Grenzen des § 48 l Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 - 3 KWG kann jedoch nur erfolgen, wenn der Verstoß offensichtlich ist. Würden auch nicht-offensichtliche Verstöße eine Aufhebung der Weisung ermöglichen, entstünde Unsicherheit in der Frage, ob Maßnahmen, die für die Stabilisierung und Sanierung des Unternehmens erforderlich sind, überhaupt von Bestand sind. Die zugrunde liegenden Bewertungsfragen lassen sich oftmals nur im Rahmen eines langwierigen Prozesses nach einer Beweisaufnahme klären738. Sofern der Verstoß nicht offensichtlich ist, wird das Kreditinstitut auf Ersatzansprüche gegen den übernehmenden Rechtsträger nach § 48 m Abs. 4 und 5 KWG verwiesen. Liquidationsplan Darüber hinaus können auch die Erklärungen zur Verbindlichkeit eines Liquidationsplans nach § 48 m Abs. 8 KWG sowie Maßnahmen zur Durchsetzung eines für verbindlich erklärten Liquidationsplans nach Abs. 1 angefochten werden. Teilweise wird vertreten, dass Weisungen der BaFin, die der Durchsetzung eines Liquidationsplans dienen, nach § 48 m Abs. 9 Satz 2 KWG nur nach den allgemeinen Vorschriften angegriffen werden können739. 736 737 738 739
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 9. Schenke, in: Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, § 152 a, Rn. 1; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, § 152 a, Rn. 17. BT-DrS. 17/3024, S. 70. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 r, Rn. 12.
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Dem kann man entgegnen, dass der Rechtsschutz nach Abs. 4 gerade auf die „Maßnahmen zur Durchsetzung eines für verbindlich erklärten Liquidationsplans“ abzielt, wozu nach § 48 m Abs. 9 Satz 2 KWG auch Weisungen der BaFin zählen. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass auch solche Weisungen unter den speziellen Rechtsschutz des § 48 r KWG fallen und nicht unter die allgemeinen Regeln. Die allgemeinen Regeln greifen hingegen nur für die Aufforderung der BaFin gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger, einen Liquidationsplan zu erstellen, da hierfür tatsächlich kein Rechtsschutz nach § 48 r KWG vorgesehen ist740. Vollzugsfolgenbeseitigung und Entschädigung Soweit eine Übertragungsanordnung durch den Hessischen VGH aufgehoben wird, bleibt deren Wirksamkeit hiervon unberührt, wenn sie bereits im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Im Gesetz wird zwar anstatt auf § 48 c auf § 48 d verwiesen. Hierbei muss es sich jedoch um ein Redaktionsversehen handeln, da die Eintragung im Bundesanzeiger in § 48 c Abs. 6 Satz 2 KWG geregelt ist741. Die Beseitigung der Vollzugsfolgen kann insoweit ebenfalls nicht verlangt werden. Die Vollzugsfolgenbeseitigung kann hingegen verlangt werden, wenn die Folgenbeseitigung kumulativ 1. nicht droht, zu einer Systemgefährdung zu führen 2. keine schutzwürdigen Interessen Dritter bedroht 3. nicht unmöglich ist. Mit diesem partiellen Ausschluss der Folgenbeseitigung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Übertragungsanordnung und deren flankierenden Maßnahmen um Gefahrenabwehrmaßnahmen handelt. Es ist ein Verfahren erforderlich, das schnell zu Rechtssicherheit führt742: Ein verwaltungsgerichtliches Verfahren zur Klärung, ob die Übertragungsanordnung rechtmäßig war, würde voraussichtlich Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch nehmen, das Vertrauen der Finanzmärkte in die Stabilisierungsmaßnahme selbst wäre erschüttert. Da vor Erlass der Übertragungsanordnung die Schieflage des Kreditinstituts nicht zwingend öffentlich bekannt ist, könnte eine drohende Rückabwicklung dazu führen, gerade die „Gefahr herauf zu beschwören, deren Abwendung die Ermächti740 741 742
Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 m, Rn. 23. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 s, (Fn. 2). BT-DrS. 17/3024, S. 71.
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gung zum Erlass der Anordnung bezweckt“743. Ohne die Einschränkung der Vollzugsfolgenbeseitigung wäre die Übertragungsanordnung möglicherweise mehr „Brandbeschleuniger als Löschwasser“. Die Ermöglichung der Vollzugsfolgenbeseitigung nach dem o. g. Katalog war zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich und auch geboten. Allerdings wird es in der Praxis schwer sein, diese Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, darzulegen und ggf. zu beweisen. Zu berücksichtigen ist, dass eine Gefährdung der Systemstabilität nicht eintreten, sondern lediglich „drohen“ musS. Wenn die oberste Finanzbehörde des Landes der Ansicht ist, dass bei einer Vollzugsfolgenbeseitigung eine Systemgefährdung droht, wird sich wohl kein Richter dazu hinreißen lassen, anders zu entscheiden744. Darüber hinaus dürfen auch keine schutzwürdigen Interessen Dritter, insbesondere der durch die Ausgliederung betroffenen Kontrahenten745, bedroht sein. Es wird jedoch nicht erläutert, welche Interessen das sein könnten. Dies wurde wohl bewusst offen gelassen, um dem Gericht viel Freiraum bei der Beurteilung der Interessen zuzugestehen. Einzig das Tatbestandsmerkmal der „Schutzwürdigkeit“ setzt dem Gericht Grenzen: Es muss sich um Interessen handeln, die aufgrund eines Vertrauenstatbestands oder ähnlichem entstanden sind. Hierzu zählen insbesondere Verfügungen im Vertrauen auf die Übertragungsanordnung746. Für die letzte Fallgruppe, bei der eine Vollzugsfolgenbeseitigung nicht möglich ist, nennt der Gesetzgeber beispielhaft die Rückgängigmachung etwa getroffener gesellschaftsrechtlicher Kapital- und Strukturmaßnahmen747. In Betracht kommt diese Unmöglichkeit natürlich auch, wenn dem Kreditinstitut zwischenzeitlich die Banklizenz entzogen wurde oder die ausgegliederten Unternehmensteile bereits abgewickelt wurden. Ist die Vollzugsfolgenbeseitigung nach o. g. Grundsätzen ausgeschlossen, hat das Kreditinstitut einen Anspruch auf Ausgleich der Nachteile, die durch den Erlass der Übertragungsanordnung entstandenen sind. Dies gilt auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für den Erlass nicht von vornherein vorlagen, obwohl die BaFin, die FSMA und ggf. der Lenkungsausschuss bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände dies annehmen durften. In diesem Fall gilt zwar die Rechtmäßigkeitsfiktion des § 48 a Abs. 2 Satz 2 KWG. 743 744 745 746 747
BT-DrS. 17/3024, S. 71. Zweifelnd wohl ebenfalls fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 s, Rn. 4. BT-DrS. 17/3024, S. 71. Fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 s, Rn. 4. BT-DrS. 17/3024, S. 71.
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Diese darf das Kreditinstitut jedoch nicht rechtlos stellen. Durch den Ersatzanspruch wird zumindest das wirtschaftliche Interesse des Kreditinstituts und der Anteilseigner ausgeglichen; er setzt im Gegensatz zum Amtshaftungsanspruch kein Verschulden voraus748. Für diesen Ersatzanspruch kann der Restrukturierungsfonds eine Garantie übernehmen. 3.3.4.8 Verfassungsmäßigkeit der Übertragungsanordnung Bereits der Gesetzgeber hat die Probleme in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Vorschriften der Übertragungsanordnung gesehen. Er erläutert in diesem Zusammenhang ausführlich die Grenzen, die dem Staat bei Eingriffen in das Eigentum gesetzt sind749. In Betracht kommt ein Verstoß gegen Art. 14 GG, da dem Kreditinstitut wesentliche Werte entzogen und die Anteile der Aktionäre im Wert gemindert werden könnten. Eingriff Dass die Ausgliederung von Unternehmensteilen einen Eingriff in die Rechte der Anteilsinhaber darstellt, ist offensichtlich. Fraglich ist hingegen, um welche Art des Eingriffs es sich handelt. In Betracht kommt sowohl eine Enteignung als auch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung. Die Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet750. Die öffentliche Gewalt geht aus eigenem Interesse aktiv und offensiv gegen den Privateigentümer vor, weil sie sein Eigentum für einen öffentlichen Zweck „braucht”, d.h. es in irgendeiner Weise nutzen möchte751. Wenn der Staat dem Eigentümer den betreffenden Gegenstand wegen seiner Beschaffenheit entzieht, ohne hierbei ein Interesse am Eigentum selbst oder an dessen wirtschaftlicher Nutzung zu haben, handelt es sich hingegen nicht um eine Enteignung. In diesen Fällen handelt der Staat defensiv, um die Allgemeinheit vor Gefahren, die von diesem Eigentum ausgehen, zu schützen. Ein vollständiger Eigentumsverlust ist eine zwar unerwünschte, aber notwendige Nebenfolge zur Gefahrenabwehr. Der Staat tut lediglich das, was der gewissenhafte Eigentümer selbst tun müsste, um Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden752. Der Gesetzgeber führt zu den Vorschriften der Übertragungsanordnung aus, dass diese nicht der Güterbeschaffung zugunsten des Staates oder eines Dritten dienen, 748 749 750 751 752
BT-DrS. 17/3024, S. 71. BT-DrS. 17/3024, S. 62. St. Rspr.: BVerfG, NVwZ 2001, 1023; NVwZ 1986, 113; NJW 1975, 37 (38) m. w. N. BVerfG, NJW 1967, 548 (550). BVerfG, NJW 1967, 548 (550).
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sondern vielmehr dazu, die Anteilseigner des Kreditinstituts von jedem bestimmenden Einfluss auf das Unternehmen auszuschließen753. Die Maßnahme bezwecke weder, dem übernehmenden Rechtsträger dieses Unternehmen zur wirtschaftlichen Nutzung zu verschaffen, noch dessen Vermögen oder das des Staates zu mehren. Durch die Ausgliederung zur Abwendung einer Gefahr, deren Bewältigung den Anteilseignern nicht mehr zuzutrauen ist, wird seinen Eigentümern nur die Bestimmungsgewalt entzogen. Es handele sich deshalb nicht um eine Enteignung754. Diese Ausführungen des Gesetzgebers sind inhaltlich nachvollziehbar. Durch die Übertragungsanordnung ist ein Sonderpolizeirecht geschaffen worden, das einzig und allein der Abwehr von Gefahren dient, die vor allem einer Ausweitung der Krise einer systemrelevanten Bank entgegen steuert. Es soll weder dem Staat noch einem Dritten ermöglicht werden, die ausgegliederten Unternehmensteile dauerhaft für eigenes wirtschaftliches Fortkommen zu nutzen755. Solche polizeirechtlichen Normen gehören zu den eigentumsbegrenzenden Normen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Eigentumseingriffe der öffentlichen Gewalt, die der Abwehr einer Gefahr dienen, die unmittelbar von diesem Eigentum ausgehenden, halten sich grundsätzlich im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums756. Eine Übertragungsanordnung kann nach den Voraussetzungen des § 48 a KWG nur dann ergehen, wenn durch die Bestandsgefährdung eines Kreditinstituts eine Systemgefährdung verursacht wird und wenn sich diese nicht auf anderem Weg in gleich sicherer Weise beseitigen lässt. Der Gesetzgeber hat diese Maßnahme also einzig und allein zur Gefahrenabwehr konzipiert. Es liegt somit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vor757.
753 754 755 756 757
BT-DrS. 17/3024, S. 62. BT-DrS. 17/3024, S. 62. BT-DrS. 17/3024, S. 62. Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 14, Rn. 509 f. Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 (68); fridgen, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn. 26; wohl ebenso Schuster, ZGR 2010, 325 (354).
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Rechtfertigung Diese Inhalts- und Schrankenbestimmung ist nur dann zulässig, wenn damit ein legitimer Allgemeinwohlzweck verfolgt wird und der Eingriff verhältnismäßig ist. In diesem Fall muss der Gesetzgeber jedoch besondere verfassungsrechtliche Anforderungen erfüllen758.
Geeignetheit
Zweck der vorliegenden Regelung ist es, Ansteckungseffekte zwischen Kreditinstituten weitestgehend zu reduzieren und die Schieflage einer system-relevanten Bank ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems zu bewältigen. Eigen- und Fremdkapitalgeber sollen die Kosten der Insolvenzbewältigung so weit wie möglich selbst tragen759. Ob dieser Effekt mit vorliegendem Gesetz erreicht werden kann, ist nicht mit Sicherheit vorherzusagen. Jedoch sollte die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers weiter beachtet werden. In der Mitbestimmungsentscheidung760 hat das Bundesverfassungsgericht dazu ausgeführt: „Das Mitbestimmungsgesetz bewirkt wesentliche Veränderungen auf dem Gebiet der Wirtschaftsordnung. Es unterscheidet sich von wirtschaftslenkenden Gesetzen anderer Art durch seinen weitreichenden Inhalt, teilt mit diesen aber die Bezogenheit auf Tatbestände, die rascheren Wandlungen unterliegen als andere, denen eine relativ größere Konstanz eignet. Das Gesetz regelt einen Ausschnitt komplexer, schwer übersehbarer Zusammenhänge; diese hängen ihrerseits von Faktoren einer nicht auf die Bundesrepublik beschränkten Entwicklung ab, die sich zuverlässiger Einschätzung entziehen. Bei dieser Sachlage kann jedenfalls nicht gefordert werden, dass die Auswirkungen des Gesetzes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit oder gar Sicherheit übersehbar sein müssten, zumal Rechtsgüter wie das des Lebens oder der Freiheit der Person nicht auf dem Spiele stehen.“761 Mit den Normen der Übertragungsanordnung werden weitreichende Neuerungen im Bereich der Wirtschaftsordnung geschaffen. Diese Vorschriften regeln komplexe und schwer übersehbare Zusammenhänge, die ihrerseits von Faktoren abhängen, die sich nicht auf Deutschland beschränken.
758 759 760 761
BVerfG, NJW 2000, 2573 (2574); BT-DrS. 17/3024, S. 1. BVerfG, NJW 1979, 699 ff. BVerfG, NJW 1979, 699 (701).
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Wie bereits die Lehman-Pleite gezeigt hat, sind diese Faktoren schlicht nicht prognostizierbar. Es kann somit auch im vorliegenden Fall nicht gefordert werden, dass der Gesetzgeber mit absoluter Sicherheit die Wirksamkeit der erlassenen Regelungen vorhersagen kann. Ob die Einschätzung des Gesetzgebers nachvollziehbar ist, hängt davon ab, ob sich dieser „an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert hat. Er muß die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können und einen Verstoß gegen Verfassungsrecht zu vermeiden“762. Im Vorfeld hat der Gesetzgeber geprüft, ob es Alternativen zum vorliegenden Handeln gibt. Er kam zu dem Ergebnis, dass solche nicht vorhanden sind763. Die Maßnahme ist somit aufgrund der weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers geeignet. Erforderlichkeit Die Maßnahme wäre erforderlich, wenn kein milderes, gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Zwecks zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber kam zu dem Ergebnis, dass der beschrittene Weg alternativlos ist. Das einzige Mittel, das unter Umständen gleich effektiv wäre, ist eine Enteignung, die jedoch kein milderes Mittel darstellt. Die Maßnahme ist somit erforderlich. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Darüber hinaus soll die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Die Grenze der Zumutbarkeit muss im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der Gründe, die ihn rechtfertigen, gewahrt sein764. Im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung muss der Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowohl der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums als auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) Rechnung tragen. Das Wohl der Allgemeinheit, an dem sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu orientieren hat, ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die Beschränkung des Eigentümers765. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist umso größer, je stärker der soziale
762 763 764 765
BVerfG, NJW 1979, 699 (701). BT-DrS. 17/3024, S. 5. BVerfG, NJW 1985, 121 (122); 1971, 1255 (1256). BVerfG, NJW 2000, 2573 (2574); 1999, 2877 (2878); 1979, 699 (703).
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Bezug des Eigentumsobjekts ist, wobei dessen Eigenart und Funktion ausschlaggebend sind766. Vorliegend ist das Eigentum mit einem enorm hohen sozialen Bezug versehen. Ohne die Kreditwirtschaft hat auch die Realwirtschaft keine Überlebenschance, da ohne entsprechende Kreditvergabe auch keine neuen Investitionen möglich sind. Wie die vergangenen Jahre eindrucksvoll gezeigt haben, ist dies vor allem zur Schaffung von Arbeitsplätzen dringend nötig. Zudem hat der Gesetzgeber mit dem Sanierungs- und Reorganisationsverfahren zwei vorgelagerte Instrumente zur Vermeidung einer Bestandsgefährdung geschaffen. Die Inanspruchnahme liegt im Ermessen der Geschäftsleitung der Kreditinstitute. Hieraus, wie auch aus der Ausgestaltung der Übertragungsanordnung, ergibt sich, dass diese nur als ultima ratio gedacht ist: wenn Geschäftsleitung und Anteilseigner vollends versagt haben und eine Gefährdung das gesamte Finanzsystem bedroht. Ferner hat der Gesetzgeber für die Ausgliederung auch eine Gegenleistung vorgesehen, die den wirtschaftlichen Verlust der Anteilseigner ausgleichen bzw. minimieren soll. Nur die Einflussnahme auf die bestandsgefährdeten Unternehmensteile wird entzogen, was jedoch mit Blick auf möglicherweise drohende Gefahren für die Allgemeinheit angemessen ist. Die Verweisung des Eigentümers in polizeirechtliche Schranken wäre auch ohne Entschädigungsleistung zulässig767, was der Gesetzgeber jedoch vermieden hat. Der Eingriff ist daher auch verhältnismäßig im engeren Sinne und somit angemessen768. Die Übertragungsanordnung ist somit verfassungskonform. 3.3.4.9 Bewertung des Verfahrens und der Umsetzung Der Erlass einer Übertragungsanordnung greift weit in die Rechte des betroffenen Kreditinstituts und in die der Anteilseigner ein. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber sehr hohe Eingriffshürden geschaffen. Wie bei der Einleitung eines Reorganisationsverfahrens, muss auch hier eine Systemgefährdung vorliegen, die auf der Bestandsgefährdung des Instituts beruht. Eine weitere Bedingung ist, dass keine Alternative gesehen wird, die Gefahr für das Finanzsystem auf andere Weise 766 767 768
BVerfG, NJW 2000, 2573 (2574); 1999, 2877 (2878); 1980, 692 (693); 1967, 619 (620); 1974, 1499 ff. Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 14, Rn. 509; BVerwG, NJW 1971, 1475 (1477), m. w. N. Ebenso: Schuster, ZGR 2010, 325 (354 f.); Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 (68); fridgen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kommentar zum KWG, § 48 d, Rn 26.
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und gleich sicher abzuwenden. Der Gesetzgeber entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit also hinreichend. Nicht geklärt ist, was als „milderes Mittel“ und „auf gleich sichere Weise“ denselben Erfolg haben könnte. Die Zuführung von staatlichen Geldern kommt nicht in Betracht. Der Paradigmenwechsel war lange überfällig: Bisher überwog eine Sozialisierung der Verluste: Der Wandel sieht vor, dass diejenigen Akteure, die die wirtschaftlichen Risiken eingehen, auch die Verantwortung haben, Rechenschaft ablegen und die Folgen tragen. Um dem Staat dennoch ein milderes Mittel an die Hand zu geben, wäre es ratsam, dass die BaFin zukünftig das Reorganisationsverfahren einleiten kann. Sowohl Anteilseigner als auch Gläubiger würden an der Sanierung beteiligt. Alleine dieses Mitspracherecht würde den Eingriff erheblich entschärfen. Die Übertragungsanordnung ist in zwei Bereichen sehr ausführlich: 1. hinsichtlich der Auswahl der Gegenstände, die übertragen werden sollen 2. bei der Berechnung der Gegenleistung bzw. Ausgleichsverbindlichkeit. Diese Komplexität ist erforderlich, um den Gegebenheiten auf den internationalen Finanzmärkten effizient zu begegnen. Ein Problem ist weiterhin, ob die Wirksamkeit der Übertragungsanordnung in anderen Rechtsordnungen anerkannt wird. Unter den G-20 Staaten sollte schnell eine einheitliche Lösung gefunden werden. Auch wenn die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen die Feinheiten sicher immer selbst regeln wollen (und müssen), kann man zumindest einen gemeinsamen Rahmen anstreben, der die Grundinstrumente anerkennt. Sehr positiv ist die gelungene Umsetzung der Übertragungsanordnung als erforderliche und verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Der Gesetzgeber hat neben einer angemessenen Entschädigungsregulierung auch effektive Rechtsschutzmöglichkeiten geschaffen, die den Eingriff verfassungsrechtlich legitimieren. Inhaltlich sind jedoch einige Ergänzungen erforderlich, wie beispielsweise die Ermächtigung der BaFin, neben Vermögenswerten auch Anteile des Kreditinstituts auf eine Brückenbank übertragen zu können769.
769
Hierzu bereits Binder, ZBB 2012, 417 (425).
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3.3.5 Sanierungs- und Abwicklungspläne für Banken Durch das am 13.08.2013 in Kraft getretene Trennbankengesetz770 hat der Gesetzgeber nun auch im Bereich der Präventionsmaßnahmen nachgelegt. In Art. 1 des Gesetzes sind weitere Änderungen des KWG vorgesehen. Beispielsweise, dass Banken in Zukunft sowohl Sanierungs- als auch Abwicklungspläne vorlegen müssen: Sowohl Banken als auch Behörden sollen sich frühzeitig mit einem möglichen Krisenfall beschäftigen771. Das Kreditinstitut soll im Rahmen des Sanierungsplans eruieren, welche Handlungsoptionen aus organisatorischer und geschäftspolitischer Sicht zur Verfügung stehen, um eine Krise möglichst schnell, effektiv und aus eigener Kraft zu überwinden und dabei eine Abwicklung zu vermeiden772. Auch Abwicklungspläne sind Teil der Krisenprävention. Diese werden jedoch von der Bundesanstalt erstellt und sollen primär eine Systemgefährdung verhindern bzw. deren Beseitigung erleichtern - möglichst ohne dabei auf öffentliche Mittel zurück zu greifen773. Zu diesem Zweck sehen §§ 47 ff. KWG eine umfassende und detaillierte Planung für die Bewältigung von Krisenszenarien vor, die im Folgenden dargestellt und kritisch auf die Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht geprüft wird. 3.3.5.1 Anwendungsbereich und Zuständigkeit Sanierungspläne müssen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 KWG von Instituten aufgestellt werden, die die Bundesanstalt als potenziell systemgefährdend einstuft. Diese Einschätzung trifft die Bundesanstalt im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank anhand einer qualitativen und quantitativen Analyse. Dabei werden „insbesondere“ die Größe des Instituts, seine nationale und grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit, die Vernetztheit sowie seine Ersetzbarkeit am Markt als Beurteilungskriterien berücksichtigt. Die Behörden können auch zusätzliche Faktoren in ihre Abwägung mit einbeziehen. In einem Sanierungsplan soll festgelegt werden, welche Maßnahmen ergriffen werden, falls sich die finanzielle Situation des Instituts wesentlich verschlechtert. Die wesentliche Verschlechterung der finanziellen Situation dient als Legaldefinition für den „Krisenfall“.
770 771 772 773
Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und finanzgruppen, Gesetz vom 07.08.2013, BGBl. S. 3090. BT-DrS. 17/12601, S. 1. BT-DrS. 17/12601, S. 27. BT-DrS. 17/12601, S. 27.
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Durch das Kriterium der Wesentlichkeit wird ein erheblicher Ermessensspielraum eröffnet. Dies wird teilweise kritisch gesehen, da die Einstufung als „potenziell systemgefährdend“ mit weitreichenden Folgen für das Institut verbunden ist774. Sofern das Institut einer Finanzgruppe775 angehört und diese selbst potenziell systemgefährdend ist, muss das übergeordnete Unternehmen einen Sanierungsplan erstellen, der sich auf die gesamte Gruppe bezieht. Ein Einzelinstitut ist potentiell systemgefährdend, wenn seine Bestandsgefährdung im Sinne des § 48a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 48b Abs. 2 eine Systemgefährdung auslösen kann. Eine Finanzgruppe hingegen ist potentiell systemgefährdend, wenn die Bestandsgefährdung von mindestens einer Gesellschaft der Gruppe in der Lage ist, diese Gefährdung auszulösen. Hierdurch wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber die Sanierungs- und Abwicklungspläne nur für Banken eingeführt hat, die - zumindest potenziell schädigenden Einfluss auf das gesamte Finanzsystem haben könnten, nicht hingegen für Institute, die systemisch unbedeutend sind. Der Begründung lässt sich entnehmen, dass von systemgefährdenden Instituten die größten Gefahren ausgehen und deshalb auch die größten Fortschritte zur Festlegung einheitlicher Anforderungen auf internationaler Ebene erzielt wurden776. Für die Abwicklungsplanung ist die Bundesanstalt zuständig. Dies umfasst die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit, die Beseitigung von Hindernissen der Abwicklungsfähigkeit, die Erstellung der Abwicklungspläne sowie die Vorbereitung des Erlasses einer Übertragungsanordnung. Innerhalb der Bundesanstalt wird eine gesonderte organisatorische Einheit geschaffen, die zwingend von der Aufsichtseinheit getrennt sein muss. Diese sog. Abwicklungseinheit ist ebenfalls zuständig für das Reorganisationsverfahren nach dem KredReorgG sowie die Vorbereitung und den Erlass der Übertragungsanordnung.
774 775 776
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 4. Eine finanzgruppe i. S. d. Unterabschnitts 4a des KWG sind Institutsgruppen oder finanz-holdingGruppen, siehe § 47 Abs. 1 Satz 3 KWG. BT-DrS. 17/12601, S. 34.
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3.3.5.2 Ausgestaltung der Sanierungspläne Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, einen festen Rahmen für die Aufstellung von Sanierungsplänen festzulegen und stattdessen erneut auf „weiche“ Kriterien wie die Größe, die Komplexität und die Vernetztheit des Instituts und des damit einhergehenden Risikos abgestellt777. Allerdings wurden Bestandteile für einen Sanierungsplan konzipiert, die in jedem Plan enthalten sein müssen. Nachdem eine Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte gegeben wurde, muss zunächst eine Analyse der Unternehmensstruktur und des Geschäftsmodells sowie der wesentlichen und kritischen Geschäftsaktivitäten aufgestellt werden. In § 47a Abs. 6 KWG werden solche Geschäftsaktivitäten als wesentliche definiert, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Kreditinstituts oder der Finanzgruppe in erheblicher Weise beeinflussen können. Dazu zählen insbesondere Geschäftsaktivitäten, die aus Sicht des Kreditinstituts oder der Finanzgruppe im Falle einer Störung zu einem erheblichen Ausfall von Einnahmen oder Gewinnen, zu erheblichen Verlusten oder zu einem erheblichen Verlust des Beteiligungswertes führen könnten. Kritische Geschäftsaktivitäten im Sinne des Unterabschnitts 4a sind hingegen Geschäftstätigkeiten, deren Abbruch oder ungeordnete Abwicklung sich in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderer Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirken könnte. Auch in diesem Zusammenhang wird kritisiert, dass viele unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, die zu Rechtsunsicherheit führen778. Dem ist zuzugeben, dass eine Vorhersehbarkeit der Entscheidung der Bundesanstalt auf der Grundlage von Begriffen wie „wesentlich“779, „erheblich“780 oder „schwerwiegend“781 nicht gegeben ist. Andererseits kann man die Bewertung eines Instituts nicht in ein zu starres Korsett zwängen, da viel vom Einzelfall und der aktuellen Marktsituation abhängt. Es ist also angemessen, dass der Gesetzgeber keine zu starren Grenzwerte festlegt, um der Bundesanstalt die nötige Flexibilität zu geben. Außerdem ist es nicht nachvollziehbar, weshalb das Kriterium der Wesentlichkeit für die Bundesanstalt
777 778 779 780 781
Im Rahmen der Gesetzesbegründung auch als „Proportionalitätsprinzip“ bezeichnet, siehe BT-DrS. 17/12601, S 35. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 4 f. Siehe §§ 47 Abs. 1 Satz 1; 47b Abs. 4 KWG. Siehe § 47a Abs. 6 KWG. Siehe §47a Abs. 2 Nr. 6 KWG.
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gestrichen, im Rahmen der Aufstellung der Sanierungspläne für die Institute selbst hingegen eingeführt werden sollte782. Im Rahmen des Sanierungsplans für den Krisenfall müssen außerdem Handlungsoptionen benannt und deren Umsetzung dargestellt werden. Hindernisse müssen aufgezeigt und eine Strategie zu ihrer Überwindung dargelegt werden. Darüber hinaus muss sich das Institut mit möglichen Krisenszenarien und deren Auswirkungen auf das Institut, ggf. die Gruppe, und den Finanzmarkt beschäftigen. Des Weiteren müssen sowohl quantitative als auch qualitative Indikatoren für die rechtzeitige Umsetzung des Sanierungsplans festgelegt werden783. Unterstützungsmaßnahmen - auch aus öffentlichen Quellen und Sicherungseinrichtungen, sofern solche Einrichtungen bestehen - dürfen angenommen werden, wenn dies in vergleichbaren Fällen dem üblichen Vorgehen entspricht. Die Handlungsoptionen müssen im Krisenfall gemäß § 47a Abs. 3 Nr. 1 und 2 KWG wirksam umgesetzt werden können. Die Umsetzung aller Handlungsoptionen, die im Sanierungsplan vorgesehen sind, muss geeignet sein, die Existenzfähigkeit des Instituts nachhaltig wiederherzustellen. Die Sanierungspläne werden mit einer Frist von sechs Monaten beim Institut angefordert und müssen mindestens jährlich erneuert werden. Eine Aktualisierung ist auch erforderlich, wenn sich die Organisationsstruktur des Unternehmens, dessen Geschäftstätigkeit oder das Risikoprofil ändert. 3.3.5.3 Anordnungen bei Mängeln des Sanierungsplans Maßnahmen Sofern die Bundesanstalt im Einvernehmen mit der Bundesbank zu der Einschätzung kommt, dass ein Sanierungsplan nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, kann sie das Institut mit einer Frist von drei Monaten zur Nachbesserung auffordern. Bedenkt man, dass das Institut bereits sechs Monate zur Erstellung des ersten Plans hatte, so erscheint eine Verlängerung um drei Monaten lang bemessen784. Eine Frist von einem Monat sollte ausreichen, zumal die Bundesanstalt dem Institut spezifisch mitteilen wird, welche Teile des Plans den Anforderungen nicht genügen, so dass punktuell nachgebessert werden kann. 782 783 784
So aber Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 4 (Ziff. 1. lit. f); S. 8 (Ziff. 2. lit. d). BT-DrS. 17/12601, S. 35. A.A. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 6, wobei hier sowohl die sechsmonats frist, als auch die nochmalige dreimonats frist jeweils für zu kurz erachtet werden und stattdessen eine solche von einem Jahr mit einer Möglichkeit zur fristverlängerung gefordert wird. für die Nachbesserung wird eine einzelfallbezogene frist ebenfalls mit der Möglichkeit zur fristverlängerung gefordert.
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Sofern das Institut keinen Plan einreicht oder dieser erneut den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, kann die Bundesanstalt das Institut anweisen, innerhalb einer genannten Frist alle nach ihrer Auffassung notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um einen tauglichen Sanierungsplan aufzustellen. Der Begriff der „notwendigen Maßnahmen“ in § 47b Abs. 3 KWG ist hier unglücklich gewählt, da dies den Eindruck erweckt, als könne die Bundesanstalt bereits in diesem Stadium substanziell in die Unternehmensführung eingreifen, was zu diesem Zeitpunkt nicht der Fall ist. Es geht lediglich darum, einen Sanierungsplan vorzulegen, der den gesetzlichen Bedingungen entspricht. Unter teleologischen Gesichtspunkten spricht das dafür, den Begriff eng auszulegen, damit sich die Maßnahmen, die ergriffen werden können, hierauf beschränken. Darüber hinaus hilft eine europarechtskonforme Auslegung weiter: Im Rahmen von Art. 6 Abs. 3 der Abwicklungsrichtlinie heißt es, dass die zuständige Behörde das Institut anweisen kann, „bestimmte Änderungen an dem Plan vorzunehmen“, was ebenfalls dafür spricht, dass die Bundesanstalt lediglich den vorgelegten Plan abändern oder dessen Abänderung verlangen kann. Sie kann hingegen keine darüber hinausgehenden Maßnahmen anordnen. Eine solche Auslegung wird auch durch die Gesetzesbegründung gestützt, in der es zu Maßnahmen nach § 47b Abs. 4 KWG heißt, dass diese Beispielmaßnahmen „über eine Nachbesserung des Plans hinaus[gehen]“, was nahe legt, dass die Maßnahmen nach Abs. 3 sich auf diese Nachbesserung beschränken. Sofern die festgestellten Mängel auf Fakten hindeuten, die eine Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren, liegt ein Sanierungshindernis vor785. In diesem Fall kann die Bundesanstalt Maßnahmen anordnen, um das Risikoprofil des Instituts zu minimieren, um die rechtzeitige Rekapitalisierung zu ermöglichen, um Korrekturen an der Refinanzierungsstrategie zu ermöglichen oder um die Prozesse der Unternehmensführung so abzuändern, dass Handlungsoptionen des Sanierungsplan rechtzeitig umgesetzt werden können. Die Bundesanstalt kann darüber hinausgehend auch weitere Maßnahmen treffen. Vor Erlass einer Maßnahme muss die Bundesanstalt prüfen, ob sie erforderlich ist, und ob die damit verbundenen Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zur Systemgefährdung stehen. Das Institut muss zunächst selbst Gelegenheit erhalten, Abhilfe zu schaffen. Der Gesetzgeber hat selbst erkannt, dass die Anordnung der Maßnahmen, die in § 47b Abs. 4 KWG genannt werden, ein Problem bezüglich der Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht darstellen könnte786 und stellt zu Recht auf eine mögliche Beein785 786
Siehe Legaldefinition in §47b Abs. 4 Satz 1 KWG. BT-DrS. 17/12601, S. 36.
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trächtigung von 14 Abs. 1 GG ab. Auch die deutsche Kreditwirtschaft hat verfassungsrechtliche Bedenken geäußert787. Verstoß gegen Verfassungsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) Eingriff Durch eine Maßnahme nach § 47b Abs. 4 KWG, die die Verringerung des Risikoprofils, Korrekturen hinsichtlich der Refinanzierungsstrategie oder Änderungen der Governance-Struktur vorsieht, oder durch die eine rechtzeitige Rekapitalisierung sicherstellt werden soll, könnte - je nach Ausgestaltung der Maßnahme - in Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen werden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um die Nachbesserung eines Sanierungsplans, sondern um Maßnahmen, die grundsätzliche und schwerwiegende Sanierungshindernisse788 beseitigen sollen. Als Maßnahmen könnten hier etwa die Veräußerung von Risikopositionen oder die Schaffung genehmigter Kapitale (ggf. unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Anteilseigner) angeordnet werden. Dies würde sowohl in das Eigentumsrecht des Instituts als auch der Anteilseigner eingreifen. Es handelt sich hier um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; eine abstrakt-generelle Regelung, die Rechte und Pflichten am Eigentum festlegt. Rechtfertigung Die Maßnahmen, die von der Bundesanstalt angeordnet werden können, dienen mehreren legitimen Zwecken: Zum einen soll die Bewältigung eines Krisenfalls erleichtert werden und dazu beitragen, die Abwicklung des Instituts zu verhindern789. Zum anderen soll gewährleistet werden, dass Institute nicht in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, um in der Folge eine eventuelle Krise auf dem nationalen oder gar internationalen Finanzmarkt zu vermeiden790. Sofern die Bundesanstalt Maßnahmen zur Überwindung von Sanierungshindernissen anordnet, kann man von der Geeignetheit der Maßnahme ausgehen.
787 788
789 790
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 6 f. Ein Sanierungshindernis liegt vor, wenn die festgestellten Mängel des Sanierungsplans auf Hindernisse hindeuten, die eine Sanierung in einem Krisenfall unmöglich machen oder wesentlich erschweren (§ 47b Abs. 4 Satz 1 KWG). BT-DrS. 17/12601, S. 36. BT-DrS. 17/12601, S. 36.
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Fraglich ist, ob die Maßnahme auch angemessen ist. Kritisiert wird, dass die Bundesanstalt massiv in die unternehmerische Freiheit eingreifen kann, ohne dass es einer konkreten Gefährdungssituation bedarf791. Dies wird durch die Gesetzesbegründung gestützt, wenn es heißt, dass die angeordneten Maßnahmen nicht in dem Sinne Aufschub dulden oder nachholbar sein dürfen, dass sich die Mängel zu einem späteren Zeitpunkt, etwa „wenn sich eine Krise konkret abzeichnet“, ohne wesentlich höheres Risiko für die Systemstabilität beseitigen lassen792. Zwar ist es richtig und erforderlich, der Aufsichtsbehörde in Krisenzeiten Eingriffsbefugnisse an die Hand zu geben. Der Maßnahmenkatalog erscheint jedoch unter mehreren Gesichtspunkten problematisch. Zum einen ist er nicht abschließend, da die genannten Maßnahmen lediglich „insbesondere“ angeordnet werden können793. Wird jedoch in das Eigentumsrecht eingegriffen, muss der Adressat der Maßnahmen wissen, welche Art von Eingriff ihn erwartet, um ggf. entsprechende Vorkehrungen treffen zu können. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Bundesanstalt diese Maßnahmen schon ergreifen kann, bevor sich eine Krise konkret abzeichnet. Andererseits verweist der Gesetzgeber auf die Erfahrung, dass Finanzkrisen „eine Eigendynamik entwickeln“ können, die „dem betroffenen Institut keine Zeit lässt, Maßnahmen rechtzeitig zu ergreifen“794. Wie an der Insolvenz von Lehman Brothers gesehen, kann eine Bank ohne jede Vorankündigung innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen. Betrachtet man die Konsequenzen, die der Zusammenbruch einer systemrelevanten Bank auf der ganzen Welt haben kann, ist eine frühzeitige Intervention seitens der Aufsichtsbehörde wünschenswert, selbst wenn dies einen Eingriff in Grundrechte bedeutet. Das Wohl der Volkswirtschaft überwiegt in diesen Fällen das Interesse des Einzelnen. Der Gesetzgeber stellt jedoch klar, dass zunächst überprüft werden muss, ob die Anordnung höherer Eigenmittelanforderungen nach § 10 Abs. 1b KWG ein milderes Mittel darstellt795. Außerdem muss dem Institut vorab Gelegenheit gegeben werden, die Unzulänglichkeiten der Planung selbst zu beseitigen.
791 792 793
794 795
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 6. BT-DrS. 17/12601, S. 37. Diese Öffnungsklausel durch die EU Richtlinie explizit zugelassen, wenn in Art. 6 Abs. 4 ausgeführt wird, dass die Mitgliedsstaaten die zuständige Behörden ermächtigen können, zusätzliche Maßnahmen nach nationalem Recht zu erlassen. BT-DrS. 17/12601, S. 37. BT-DrS. 17/12601, S. 37.
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3.3.5.4 Bewertung der Abwicklungsfähigkeit Die Bundesanstalt bewertet gemäß § 47d Abs. 1 KWG fortlaufend, ob ein Institut abwicklungsfähig ist. Dies ist der Fall, wenn sich nach Anhörung der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung herausstellt, dass 1. das Institut oder die Mitglieder der Finanzgruppe ein Insolvenzverfahren ohne Systemgefährdung durchlaufen können oder dass 2. durch Anwendung eines Abwicklungsinstruments796 so abgewickelt werden kann, dass die Ziele unter Beachtung der Grundsätze für Abwicklungspläne797 erreicht werden. Die Bundesanstalt bewertet dies jährlich anhand der in § 47d Abs. 2 KWG genannten Kriterien. Damit setzt der Gesetzgeber die EU-Vorgaben hinsichtlich der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit Großteils um798, auch wenn die Kriterien noch nicht vollständig den Anforderungen des Anhangs C der Richtlinie genügen. 3.3.5.5 Hindernisse im Rahmen der Abwicklungsfähigkeit Abgestuftes Verfahren bei Vorliegen von Abwicklungshindernissen Sofern die Bundesanstalt nach Anhörung der Bundesbank im Rahmen der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit eines potenziell systemgefährdenden Instituts feststellt, dass Abwicklungshindernisse vorliegen, teilt sie diese dem Institut mit. Gleichzeitig wird dem Institut eine „angemessene Frist“ eingeräumt, in der es entsprechende Maßnahme vorschlagen kann, um die Hindernisse selbst zu beseitigen. Nachdem das Institut seine Vorschläge unterbreitet hat, wird deren Effektivität von der Bundesanstalt bewertet: Sind die vorgeschlagenen Maßnahmen ihrer Ansicht nach nicht geeignet, kann sie selbst Maßnahmen nach § 47e Abs. 3 KWG anordnen, um die Abwicklungsfähigkeit wiederherzustellen. Die Bundesanstalt muss in jedem Fall prüfen, ob die Maßnahme im Einklang mit den Abwicklungszielen steht799. Sie prüft auch, ob die Maßnahme erforderlich ist, weil sich die Hindernisse im Falle konkreter Gefahr nicht mehr rechtzeitig beseitigen lassen und in Folge dessen eine Systemgefährdung nicht mehr verhindert werden kann. Außerdem behält sie im Blick, dass die Belastungen für das Institut in einem angemessenen Verhältnis zur drohenden Systemgefährdung und ihren Auswirkungen
796 797 798 799
Insbesondere der Erlass einer Übertragungsanordnung, vgl. § 47d Abs. 2 Satz 2 KWG. Vgl. hierzu unter Ziff. 6.1. Vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie. Vgl. hierzu unter Ziff. 6.1.
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stehen. Hier wird vom Gesetzgeber eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert. Maßnahmen bei Abwicklungshindernissen Liegt ein Abwicklungshindernis vor, das das Institut nicht selbst beseitigen kann, hat die Bundesanstalt die Möglichkeit, Maßnahmen nach § 47e Abs. 4 KWG anzuordnen. Sie kann beispielsweise der Abschluss neuer Dienstleistungsvereinbarungen, die Begrenzung der Risikopositionen, die Veräußerung von Vermögensgegenständen, die Einschränkung oder Einstellung von Geschäftsaktivitäten oder die Änderung rechtlicher oder operativer Strukturen verlangen. Diese Maßnahmen sind verpflichtend und damit besonders einschneidend. Sie sollen jedoch nur angeordnet werden, falls die Vorschläge des Instituts zur Beseitigung der Abwicklungshindernisse erneut ungeeignet waren. Auch hier bestehen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, da massiv in die Eigentumspositionen des Instituts eingegriffen wird800. Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift (Art. 14 Abs. 1 GG) Eingriff Soweit die angeordneten Maßnahmen Vermögenswerte und Rechtspositionen des Instituts betreffen, ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG betroffen; es handelt sich also um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung801. Rechtfertigung Zweck der Norm ist es, die festgestellten Abwicklungshindernisse zu beseitigen und dadurch eine mögliche Systemgefährdung zu vermeiden oder deren Beseitigung zu erleichtern802. Somit verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Zweck. Die Maßnahme ist erforderlich, da sie zur Erreichung des Zwecks geeignet ist und kein milderes Mittel zur Auswahl steht. Durch die weitreichenden Eingriffsbefugnisse wird sichergestellt, dass die Bundesanstalt in der Lage ist, Abwicklungshindernisse nachhaltig zu beseitigen. Hierfür sind sowohl die Veräußerung von Vermögensgegenständen, als auch der Eingriff in die Geschäfts- und Organisationsstruktur wirksame Eingriffsbefugnisse. Hinsichtlich der Auswahl des mildesten Mittels ist zu berücksichtigen, dass das Institut bereits im Vorfeld mehrfach die Gelegenheit hatte, Abwicklungshindernisse zu beseitigen ( s.o.). Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten muss dem 800 801 802
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 8. BT-DrS. 17/12601, S. 38. BT-DrS. 17/12601, S. 38; vgl. auch § 47 f Abs. 2 KWG, in dem das primäre Abwicklungsziel vorgegeben wird.
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Institut regelmäßig die Gelegenheit einer nochmaligen Stellungnahme gewährt werden. Damit wird das Ermessen der Bundesanstalt grundsätzlich auf null reduziert. Ausnahmen könnten vorliegen, wenn sich das Institut bereits im Vorfeld weigert, konstruktiv an der effektiven Gestaltung mitzuwirken oder wenn Maßnahmen, die die Bundesanstalt bereits früher vorgeschlagen hat, nicht umgesetzt wurden. Schafft es das Institut also nicht, trotz mehrmaliger Aufforderung ein effektives Sanierungskonzept zu präsentieren, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es hierzu zukünftig in der Lage sein wird. Ein milderes Mittel kommt somit nicht mehr in Betracht. Die Maßnahme ist vorliegend auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Dabei müssen die vermögensrechtlichen Nachteile des Instituts gegen die Gefahren und Folgen abgewogen werden, die eine Systemkrise mit sich bringen würde. Kritisch gesehen wird, dass bei Anordnung der entsprechenden Maßnahmen noch keine konkrete Systemgefahr vorliegen muss, sondern eine abstrakte Systemgefährdung ausreicht803. Diese Kritik scheint zunächst schlüssig, da Eingriffe in Eigentumspositionen nur dann rechtmäßig sind, wenn dies zur Erhaltung des Allgemeinwohls absolut notwendig ist. Betrachtet man die Situation unter dem Aspekt der Systemrelevanz, überzeugt dieser Ansatz hingegen nicht: Ist erst einmal eine konkrete Systemgefährdung eingetreten, lassen sich Abwicklungshindernisse oft nicht mehr rechtzeitig beseitigen804. Ein Zuwarten, bis eine Systemgefährdung eingetreten ist, kommt aufgrund der zu befürchtenden Schäden weder für den Bankensektor, noch für die Allgemeinheit in Betracht. Die Deutschen Kreditwirtschaft hat einen Vorstoß unternommen, wonach die Norm dahingehend ergänzt werden soll, dass konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen müssen, die mit „ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit“ eine Systemgefährdung erwarten lassen805. Diese Vorschlag überzeugt jedoch nicht: Aufgrund der Schnelllebigkeit der Finanzmärkte können im Vorfeld nur Prognosen erstellt werden. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Systemgefährdung tatsächlich ist, bleibt im Bereich der Spekulation. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein frühes und nachhaltiges Handeln zur Abwendung einer Systemkrise essentiell ist. Der Schutz der Allge-
803 804 805
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 8. Ähnlich BT-DrS. 17/12601, S. 38. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 8.
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meinheit vor einer erneuten Finanzkrise überwiegt das Interesse des Instituts an dessen Eigentumsschutz bei weitem806. Im Rahmen der Abwägung wird berücksichtigt, dass eine solche Maßnahme nur angeordnet werden kann, wenn die Abwicklungshindernisse durch Faktoren begründet sind, die in der Kontrolle des Adressaten liegen807. Dadurch wird sichergestellt, dass kein Institut für Fehler anderer Institute gerade stehen musS. Es wird also ein größtmögliches Maß an Rücksicht genommen, jedoch immer mit Blick auf das Primärziel: einen stabilen Finanzsektor. Zwischenergebnis Die Ermächtigungsgrundlage des § 47 e Abs. 4 KWG ist verfassungskonform. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung muss selbstverständlich jeder Einzelfall gesondert bewertet werden. Das jeweilige Interesse des Instituts wird gegen die drohenden Auswirkungen einer Systemkrise abgewogen. Erstellung des Abwicklungsplans Abwicklungsziele und -grundsätze Sofern ein Abwicklungshindernis vorliegt, muss dieses zunächst beseitigt werden, ehe ein Abwicklungsplan aufgestellt werden kann. Dieser wird von der Bundesanstalt mit dem primären Ziel erstellt, eine Systemgefährdung zu vermeiden oder deren Beseitigung zu erleichtern808. Sofern dieses Primärziel nicht gefährdet wird, sollen folgende Aspekte Berücksichtigung finden die Gewährleistung der Kontinuität kritischer Geschäftsaktivitäten die Vermeidung der Ansteckung anderer Finanzmarktteilnehmer die Minimierung der Kosten sowie der Schutz öffentlicher Gelder im Falle einer Abwicklung sowie der Schutz der Einleger und Anleger. Sofern ein Institut in seinem Bestand gefährdet ist und sich hieraus eine Systemgefahr entwickelt, die sich nicht auf anderem Weg und in gleich sicherer Weise beseitigen lässt wie durch den Erlass einer Übertragungsanordnung809, sieht der Abwicklungsplan die Anwendung von Abwicklungsinstrumenten vor. Man kann nur von einer finanziellen Unterstützung des Restruktierungsfonds ausgehen; andere öffentliche Mittel dürfen nicht berücksichtigt werden. 806
807 808 809
Im Rahmen der Gesetzesbegründung wird zu § 47f KWG ausgeführt, dass die Vermeidung einer Systemgefährdung stets den Eingriff in geschützte Rechtspositionen des Instituts und seiner Eigentümer und Gläubiger rechtfertigt, vgl. BT-DrS. 17/12601, S. 38. BT-DrS. 17/12601, S.38. § 47e Abs. 2 Satz 1 KWG. Vgl. § 48a Abs. 2 KWG, hierzu bereits unter 3.2.2.2.
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Dies ist stimmig, weil dieser Fonds von den Banken selbst und nicht vom Steuerzahler finanziert wird, womit erneut sichergestellt werden soll, dass in Zukunft der Finanzsektor selbst für etwaige Abwicklungsmaßnahmen aufkommt. Die Abwicklungspläne müssen nach den in § 47 f Abs. 4 KWG genannten Grundsätzen aufgestellt werden. Hier wurde eine Klarstellung aufgenommen, dass Verluste in Zukunft zunächst von den Anteilseignern und erst danach von den Gläubigern des Instituts getragen werden. Der deutsche Gesetzgeber will jedoch in diesem Zusammenhang eine „pauschale Insolvenzquote“ einführen, mit der die Gläubiger gegebenenfalls entschädigt werden. Es wird zu Recht angemerkt, dass für die Berechnung dieser Quote Methoden nötig sind, die konkret und präzise im Gesetz festgeschrieben sind810. Auch wird die europarechtliche Vorgabe nicht hinreichend umgesetzt: Im Rahmen der Richtlinie heißt es, dass kein Gläubiger größere Verluste zu tragen hat, als er im Falle einer Liquidation des Instituts oder im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens im Einklang mit den Schutzbestimmungen der Richtlinie zu tragen gehabt hätte. Nach dieser Schutzvorschriften für Gläubiger erfolgt eine gesonderte Bewertung dahingehend, was sie erhalten hätten, wäre das Institut zum Zeitpunkt der Einleitung der Abwicklungsmaßnahme im Rahmen eines ordentlichen Insolvenzverfahrens liquidiert worden. Sollte sich herausstellen, dass die Gläubiger im Rahmen der Abwicklung weniger erhalten haben, steht ihnen ein Auszahlungsanspruch gegen den Restrukturierungsfonds zu. Die Ausführungen der Gesetzesbegründung überzeugt nicht. Danach handelt es sich bei der Berechnung der pauschalen Insolvenzquote um einen hypothetischen Kausalverlauf, der im Detail nicht absehbar ist und aufgrund des damit verbundenen Ermessensspielraums eine Pauschalierung zulässt811. Gerade wenn der Behörde ein großer Beurteilungsspielraum eröffnet wird, ist es wichtiger, ihr möglichst viele Kriterien zur Berechnung der Entschädigungsquote an die Hand zu geben, um das Verfahren so rechtssicher und transparent wie möglich zu machen. Dies erfordert noch einer Angleichung der Vorschrift des § 47 f Abs. 4 Nr. 5 KWG an die europäischen Vorgaben.
810 811
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 8. BT-DrS. 17/12601, S. 39.
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Der Abwicklungsplan Ebenso wie die Sanierungspläne werden auch die Abwicklungspläne regelmäßig aktualisiert, um zu gewährleisten, dass die darin vorgesehenen Abwicklungsmaßnahmen effektiv sind und bleiben. Eine Aktualisierung muss mindestens jährlich erfolgen; aber auch dann, wenn sich die Rechts- oder Organisationsstruktur des Unternehmens, seiner Geschäftstätigkeit oder seiner Finanzlage wesentlich ändert. Inhaltlich muss der Plan gemäß § 47 f Abs. 5 KWG detaillierte Angaben zum Unternehmen, dessen Eigentümer- und Organisationsstruktur, seinen Verbindlichkeiten und Vertragspartnern, zur Wertermittlung der jeweiligen Geschäftsbereiche, zur Finanzierung der Abwicklung und der Abwicklungsstrategie sowie zur Vernetzung des Instituts enthalten. Die Bundesanstalt kann bei einzelnen Instituten von einem Abwicklungsplan absehen, sofern das Institut Teil einer potenziell systemgefährdenden Gruppe ist, deren Aufsicht auf konsolidierter Basis nach Maßgabe der Bankenrichtlinie wahrgenommen wird. Bedingung ist, dass deren Abwicklungsplan eine mögliche Bestandsgefährdung ausreichend abdeckt und dies von der Bundesanstalt auch ausreichend dokumentiert wird. Diese Ausnahme ist sinnvoll, da es anderenfalls für Institute, die mit mehreren Behörden an der Ausarbeitung von Abwicklungsplänen arbeiten müssten, zu Doppelbelastungen käme. Sofern eine Aufsichtsbehörde im Rahmen der Abwicklungsplanung europäische Standards ansetzt, kann man davon ausgehen, dass deren Pläne eine Bestandsgefährdung ebenso effizient abdecken, wie ein von der Bundesanstalt ausgearbeiteter Plan. Die Institute müssen der Bundesanstalt sämtliche Informationen zur Verfügung stellen, die diese zur Erstellung des Abwicklungsplans benötigt. Darüber hinaus können auch Analysen, Einschätzungen und Gutachten angefordert werden, sofern dies für die Abwicklungsplanung erforderlich ist. Die Kosten hierfür werden nicht erstattet; sie gehen zur Lasten der Institute. Diese umfassenden Befugnisse der Bundesanstalt werden teilweise kritisiert: Die Bereitstellung von Informationen durch die Institute sei mit großem Aufwand und hohen finanziellen Belastungen verbunden, eine „unverzügliche Zurverfügungstellung“ sei unverhältnismäßig812. Es sei auch nicht hinnehmbar, dass Gutachten und Analysen von den Instituten eingefordert werden, da die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit allein Aufgabe der Bundesanstalt ist813. Hier wird der Eindruck erweckt, die aktuelle Gesetzgebung sei reine Schikane für die Institute. Dabei wird offensichtlich Ursache und Wirkung verkannt: Ziel der aktuellen Gesetzgebung ist 812 813
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 9. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 9.
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die Vermeidung einer erneuten Finanzkrise. Die Menge an Gesetzen wäre nicht notwendig geworden, hätten sich die Banken in den letzten zehn Jahren nicht zu immer komplexeren und teilweise hoch spekulativen Unternehmen entwickelt, die ständig neue „Finanzinstrumente“ generieren, um einer Regulierung zu entgehen. Der finanzielle Beitrag, den die Institute durch ihre Mithilfe bei der Erstellung des Plans leisten müssen, ist verschwindend gering im Vergleich zu den Kosten, die für den Steuerzahler bereits angefallen sind. Wer eine potenzielle Gefahrenquelle unterhält, muss auch bei deren Sicherung mitwirken. Im Übrigen werden die Kosten - wie bei jedem anderen Unternehmen auch - im Endeffekt ohnehin auf die Kunden umgelegt, man kann also nicht von finanziellen Einbußen bei den Instituten ausgehen. Darüber hinaus wird den Instituten sicher genug Zeit eingeräumt, die entsprechenden Informationen und Gutachten zur Verfügung zu stellen; von einer „unverzüglichen“ Zurverfügungstellung im Sinne einer Frist von wenigen Tagen kann keine Rede sein. Gutachten und Analysen werden lediglich dann angefordert, wenn die Bundesanstalt dies für „erforderlich“ hält. Im Falle besonderer Eilbedürftigkeit wird dies sicherlich begründet werden. Von einer unverhältnismäßigen Belastung der Institute ist nicht auszugehen. 3.3.5.6 Gruppenabwicklungspläne Neben Abwicklungsplänen für Einzelinstitute sind gemäß § 47 g KWG auch solche für potenziell systemgefährdende Institutsgruppen vorgesehen, die nach Maßgabe der Bankenrichtlinie einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis durch die BaFin unterliegen. Diese hört vor Fertigstellung des Plans sowohl die Bundesbank als auch die Bundesanstalt für Finanzmarkt-stabilisierung an. Die Gruppenabwicklungspläne sehen die Anwendung von Abwicklungsinstrumenten für den Fall vor, dass die erforderlichen Eigenmittel zu weniger als 90 % gedeckt sind, oder wenn zu erwarten ist, dass eine solche Unterdeckung eintreten wird. Sofern Abwicklungshindernisse festgestellt werden, müssen diese erst beseitigt werden. Die Abwicklungspläne für Gruppeninstitute sind überwiegend analog der Vorschriften für Einzelinstitute zu gestalten. Ein Schwerpunkt soll hier jedoch auf der Darstellung der Zusammenarbeit und Koordination mit ausländischen Stellen sowie auf der internationalen Lastenverteilung liegen. Dies ist zweckmäßig, da Finanzgruppen meist international agieren. Es bedarf einer genauen Planung und Koordinierung der Aufgaben, die von den jeweiligen nationalen Abwicklungsbehörden wahrgenommen werden sollen.
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3.3.5.7 Vertraulichkeit des Verfahrens Eine Abwicklungsplanung ist für jede Bank ein sehr sensibles Thema. Deshalb sieht § 47 i KWG vor, dass die Bundesanstalt alle Informationen, einschließlich der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit, vertraulich behandelt. Der Gesetzgeber hat sogar vorgesehen, dass das Ergebnis der Abwicklungs-planung nicht bekannt gegeben werden muss: weder gegenüber dem betroffenen Institut noch der Institutsgruppe. Dies wird teilweise kritisiert, da dies „weder zweckmäßig noch sachgerecht“ sei814. Man könnte meinen, dass die betroffene Bank als erstes über das Ergebnis und eventuelle Maßnahmen informiert wird. Der Gesetzgeber hat jedoch bewusst diese Maßnahme getroffen und zutreffend begründet: Um ein strategisches Verhalten von Banken dahingehend zu verhindern, dass insbesondere Bereiche ausgebaut werden, die durch den Einsatz von Abwicklungsinstrumenten im Falle einer Krise gerettet werden sollen, kann es notwendig sein, den Banken die entsprechenden Informationen vorzuenthalten815. Die Aufsichtsbehörde könnte ein solches Verhalten dann wiederum zum Anlass nehmen, neue Sanierungsplanungen oder sonstige Anordnungen zu treffen816 - ein „Katz und Maus Spiel“ zwischen den Instituten und der Aufsichtsbehörde. Es bestünde die Gefahr, dass die Bundesanstalt immer ein Schritt hinterher wäre. Die Versicherung, dass Institute ein solches Verhalten nicht an den Tag legen würden, darf nach der Entwicklung der Finanzmärkte seit Beginn der Krise bezweifelt werden. Auch das Argument, dass mit der Weitergabe der Ergebnisse sichergestellt werden könne, dass die von den Instituten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht erstellten Gutachten und Analysen „sachgerecht und zielführend in den Sanierungsplan eingehen“817 überzeugt nicht. Es ist nicht Aufgabe der Institute, zu überprüfen, ob ein Abwicklungsplan, der von der Bundesanstalt erstellt wurde, „sachgerecht und zielführend“ ist. Diese Kompetenz liegt allein bei der Aufsichtsbehörde, gegebenenfalls noch bei der europäischen Bankenaufsicht, nicht hingegen bei denjenigen, die selbst von der Planung betroffen sind. Des Weiteren werden die Institute bei der Abwicklungsplanung von der Publizitätspflicht nach § 15 WpHG befreit. Etwaige spontane oder nervöse Reaktionen auf den Finanzmärkten könnten die Bemühungen zur geplanten Abwicklung unterlaufen und man müsste wieder von vorne beginnen.
814 815 816 817
Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 9. BT-DrS. 17/12601, S. 39. So aber Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 9 f. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 10, wobei vorliegend wohl der Abwicklungs- und nicht der Sanierungsplan gemeint sein dürfte.
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Allerdings wurde versäumt, diese Befreiung analog für Informationen über Sanierungspläne einzuführen. Auch im Rahmen von Sanierungsplänen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sensible Informationen herangezogen und ausgewertet, die gegebenenfalls zur Erstellung eines Abwicklungsplans genutzt werden können. Die Vorschrift sollte also auf das Sanierungsplanverfahren ausgeweitet werden818. Die Bundesanstalt wird ferner ermächtigt, Informationen, Einschätzungen und Analysen an andere Behörden und Ministerien weiterzugeben, so etwa an das Bundesfinanzministerium, die Bundesbank, an Mitglieder der Abwicklungskollegien und an Einleger- und Anlegersicherungseinrichtungen. Die Bundesanstalt kann zuständige Behörden im In- und Ausland beteiligen, wenn sie dies für erforderlich oder hilfreich hält - in diesem Fall ist es konsequent, auch relevante Informationen an diese Behörden weiterzuleiten. 3.3.5.8 Rechtsschutz Der Rechtsschutz bezüglich der Abwicklungsplanung ist im Wesentlichen dem im Rahmen der Übertragungsanordnung nachempfunden. So können Aufforderungen der Bundesanstalt innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof819 angefochten werden. Ein Widerspruchsverfahren wird nicht durchgeführt. Dies wird von Seiten der Banken kritisiert, da dies rechtsstaatlichen Grund-sätzen widerspräche und nicht sachgerecht sei820. Vor dem Hintergrund sich schnell ändernder Umstände auf den Finanzmärkten ist ein rasches Verfahren geboten. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber erkannt, dass es keinen Bedarf für die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gibt821. Ein enger Austausch zwischen Institut und Behörde muss zwingend bereits im Vorfeld der finalen Entscheidung der Bundesanstalt stattfinden. Darüber hinaus hat die Behörde den Standpunkt und die Rechtsauffassung des Instituts schon vorher durch einen regen Austausch verschiedener Vorschläge erfahren und diese mit Sicherheit in ihre Abwägungen mit einbezogen. Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens wäre also nicht mit einem Abhilfebescheid der Bundesanstalt zu rechnen, sondern das Verfahren würde lediglich unnötig in die Länge gezogen. Dies könnte das Risiko einer Systemkrise erneut beleben, da die Abwicklungsfähigkeit eines Instituts durch diese Unterbrechung eben nicht schnell und rechtssicher hergestellt 818 819 820 821
Ebenso: Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 10. Vgl. § 1 Abs. 3 finDAG. Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 10. BT-DrS. 17/12601, S. 40; a. A.: Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 10.
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werden könnte; Geschwindigkeit ist für die nachhaltige Bekämpfung einer solchen Krise allerdings essentiell. Die Beschleunigung des Verfahrens ist nicht nur sachgerecht, sondern zur möglichst sicheren Erreichung der Abwicklungsziele zwingend erforderlich. 3.3.5.9 Bewertung der Sanierungs- und Abwicklungspläne Die Aufstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen ist ein wichtiges Instrument, um Finanzkrisen frühzeitig zu bekämpfen, indem die immer komplexer werdenden Strukturen der Finanzbranche aufgedeckt und dokumentiert werden. Dadurch ist es bereits frühzeitig möglich, einen optionalen Notfallplan zu erstellen. Dieses Instrument sollte nicht nur von der Allgemeinheit, sondern insbesondere auch von den Instituten selbst und deren Anteilsinhabern begrüßt werden. Erklärtes Ziel ist es, drohende Milliardenverluste zu verhindern und darüber hinaus den Staat von deutlich gravierenderen Eingriffen, wie etwa dem Erlass einer Übertragungsanordnung, abzuhalten. Positiver Aspekt: Je früher der Staat agieren kann, desto geringer/milder sind die Eingriffe in die Rechte der Institute, der Anteilseigner und der Gläubiger. Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber mit der frühzeitigen Umsetzung von Vorgaben und Vorhaben, die in Zukunft europarechtliche Bedeutung haben werden, dem Bankenstandort Deutschland einen großen Dienst erwiesen - ganz entgegen der Auffassung der Spitzenverbände - 822: Hierdurch ist es möglich, innerhalb des nächsten Jahres Sanierungs- und Abwicklungspläne für deutsche Kreditinstitute zu erstellen. Andere Länder warten noch, bis entsprechende europarechtliche Vorgaben dies vorsehen. Doch selbst dann wird es noch einige Zeit dauert, bis diese in nationales Recht umgesetzt sind und entsprechende Pläne aufgestellt werden können. Somit haben deutsche Banken im Falle einer drohenden Krise einen zeitlichen Vorsprung gegenüber Instituten aus anderen Ländern. Und, wie man in der Vergangenheit gesehen hat, ist Zeit in der Krise bares Geld.
822
Vgl. nur Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft vom 17. April 2013, S. 2.
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3.3.5.10
Zwischenergebnis
Die Sanierung von maroden Banken wurde zweistufig gedacht. Zum einen sollte - nachgelagert - die Sanierung unter Aufsicht des Staates ermöglicht werden. Zum anderen ist, zumindest bei den Sanierungs- und Abwicklungsplänen, ein quasi-präventiver Charakter zu erkennen. Hierdurch wurden gewisse Vorsorgeszenarien für Banken geschaffen: Sie müssen sich dort schon frühzeitig mit den potenziellen Problemen einer Sanierung befassen. Ob diese präventiven Maßnahmen zu einem nachhaltigen Wirtschaften durch Vorstände führen, muss abgewartet werden. Zweifel daran sind berechtigt, weil diese Pläne nicht auf Vorstandsebene ausgearbeitet werden (können). Diese Vorarbeit findet einige Ebenen darunter statt. Vor allem aber ist die Frage, ob und wie durch diese Maßnahmen künftige Krisen verhindert werden können. Die reine Kontrolle und die Eingriffsmöglichkeit im Fall einer Krise sprechen dagegen, dass diese nachgelagerten Maßnahmen künftige Krisen verhindern können. Vielmehr sollten präventive Maßnahmen geschaffen werden, die nicht nur, wie bisher, auf Kontrolle setzen, sondern Anreize für die Verantwortlichen schaffen, nachhaltig zu wirtschaften und so das Risiko einer Krise zu minimieren.
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
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4 Ökonomische Aspekte der Vorstandsvergütung Bei der ökonomischen Analyse der Vorgänge stellt sich zwangsläufig irgendwann die Frage: Wer ist "die Bank"? Stark verkürzt ist sie eine "Juristische Person", deren Geschicke, Handeln, Ergebnisse von Menschen - vielen Individuen - gelenkt werden. Wenn Gesetze erlassen und neue Instrumente vom Gesetzgeber implementiert werden, muss sichergestellt sein, dass die Maßnahmen auch im intentionalen Ausmaß wirksam werden. Aus staatlicher Sicht "gut gedachte" Regelungen und Regulierungen bieten immer die Möglichkeit, dass Subsysteme ihre eigene Logik entwickeln und höchst kreative Alternativen und Optionen finden. Die bisherige Entwicklung bei systemrelevanten Kreditinstituten hat gezeigt, 1. dass die bisher ergriffenen Maßnahmen unzureichend sind und das Gesamtsystem nicht stimmig ist, 2. dass wirklich nachhaltiges Wirtschaften durch die Vorstände nicht ersichtlich ist. Anders in der Realwirtschaft: Dort wird - durch entsprechende Vergütungsmodelle - für eine hohe Identifikation des Vorstands mit dem Unternehmen gesorgt. Die Finanzkrise im Jahr 2008 war geprägt von massivem Gewinnstreben und überhöhten Renditeerwartungen, die, von Bankern propagiert, von den Anlegern allzu gerne angenommen wurde. Mit hohen Renditen gingen hohe Gewinne einher, was sowohl für die Anteilseigner als auch für die Vorstände der Banken mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden war. Die Vorstände bekommen hohe Boni, die Anteilseigner hohe Dividenden. Es ist daher grundsätzlich nachvollziehbar, dass Vorstände eine entsprechende Unternehmenspolitik umsetzen. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Schlüssel zur Verhinderung künftiger Krisen nicht nur in der Regulierung des Finanzmarktes und der Banken liegt. Vielmehr müssen die Leitungsorgane dieser Institute veranlasst werden, nicht ausschließlich gewinngetrieben, sondern moderat und nachhaltig zu wirtschaften. Immer wieder wurde kritisiert, dass die Vorstände ohne Rücksicht auf die Lage des Unternehmens hohe Boni beziehen, im Rahmen der Finanzkrise aber - anders als Gläubiger und Anteilseigner - nicht an der Sanierung des Instituts beteiligt wurden. Dies, obwohl sie (besonders in der öffentlichen Meinung) eine hohe Verantwortung für das Entste-
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ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
hen und für das Ausmaß der Krise tragen823. Die Ideen für eine entsprechende Regulierung reichten vom Streichen der Boni bis hin zu der Option, dass Vorstände ihre bereits erhaltenen Boni zurück bezahlen müssen824. Es stellt sich die Frage, wie man das Handeln der Vorstände dahingehend beeinflussen kann, keine unvertretbaren Risiken einzugehen und dabei das Unternehmen dennoch profitabel zu führen. Sowohl die gängigen Boni-Modelle als auch das aktienrechtliche Haftungsregime für Gesellschaftsorgane waren bislang offensichtlich unzureichend, um entsprechende Anreize zu setzen. Wohl auch vor diesem Hintergrund hat sich der Deutsche Juristentag 2014 umfassend mit der Organhaftung befasst, wobei unter anderem Beschlussgegenstände für regulierte Unternehmen auf der Tagesordnung standen. In diesem Kapitel wird eine Beteiligung der Vorstände einer Bank an den Verlusten im Rahmen der Grundvergütung und der Boni sowie die Beteiligung der Vorstände an einer Sanierung im Falle eines Bail-in und eines Bail-out unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert und mit den aktuellen Entwicklungen ihrer Gehälter abgeglichen. Zudem werden Alternativen aufgezeigt, mit denen es möglich ist, Anreize für eine nachhaltige Unternehmenspolitik zu setzen, ohne dass Vorstände bei normalem Geschäftsverlauf auf wesentliche Gehaltsbestandteile verzichten müssen.
823 824
Vgl. zur Kritik am hohen Gehaltsniveau von Vorständen beispielhaft Bund/Rudzio, DIE ZEIT, Ausgabe 21/2012 v. 21.05.2012; Knop/Theurer, fAZ v. 08.05.2012. So erstmals Bebchuk/Cohen/Spamann, The Wages of failure: Executive Compensation at Bear Sterns and Lehman 2000-2008, Harward Law School - finance Working Paper No. 287/2010, was zwar zweifelsohne wünschenswert, jedoch verfassungsrechtlich bedenklich wäre.
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
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4.1 Die Beschlussgegenstände des DJT 2014 Der 70. Deutsche Juristentag hat sich im Jahr 2014 unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob die Mitglieder des Leitungsorgans einer Bank im Falle eines Bailin oder eines Bail-out an der Sanierung der Bank beteiligt werden sollen und/oder können. Hierfür war als Beschlussgegenstand vorgesehen, dass die Vorstände in diesem Fall alle ausstehenden Forderungen aus dem Anstellungsverhältnis verlieren und zur Rückzahlung der in den vergangenen Jahren an sie gezahlten Boni verpflichtet werden, um einen Beitrag zur Sanierung der Bank zu leisten. Es wurde sowohl in Betracht gezogen, dies von einer Pflichtverletzung des Vorstands abhängig zu machen, als auch, diese Beteiligung an einer Sanierung unabhängig von einer Pflichtverletzung auszugestalten. Beide Beschlussgegenstände wurden mit 31:33:14 bzw. 5:75:6 abgelehnt825. Sofern der Vorstand tatsächlich eine Pflichtverletzung i. S. d. § 93 Abs. 2 AktG begangen hat und hieraus kausal ein Schaden entstanden ist, kann die Gesellschaft ohnehin Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend machen. Ob diese gegebenenfalls auch hätten realisiert werden können, darf aufgrund der Höhe der angerichteten Schäden freilich bezweifelt werden. Allein die Deutsche Bank hatte seit 2010 Strafzahlungen in Höhe von knapp € 6,0 Mrd. zu entrichten826. Zudem ist der Nachweis einer entsprechenden Pflichtverletzung in der Praxis nur schwer zu führen. Selbst wenn dieser gelingen sollte, besteht für den Vorstand noch die Möglichkeit, sich einer Einstandspflicht zu entziehen, wenn er seinerseits nachweisen kann, dass er bei seiner Entscheidung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat. Hierfür werden vor der Entscheidung diverse externe Gutachten eingeholt, die die Umsetzung als unbedenklich oder „noch im Rahmen“ ausweisen und auf die sich ein Vorstand in der Regel verlassen darf, sofern sie nicht evident falsch sind. Der Ansatz, eine Beteiligung des Vorstands an der Sanierung einer Bank nur für den Fall einer Pflichtverletzung vorzusehen, ist vor diesem Hintergrund ineffizient. Die generelle Beteiligung von Vorständen im Rahmen eines Bail-in oder Bail-out könnte zudem unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten sowohl eine unzulässige Pauschalierung von Schadensersatzforderungen als auch eine unzulässige Vertragsstraferegelung darstellen, sofern dem Vorstand nicht der Nachweis eines ge-
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Vgl. das Beschlussprotokoll des 70. DJT aus 11/2014, S. 20 f, abrufbar unter: http://www.djt.de/fileadmin/downloads/70/djt_70_Beschluesse_141202.pdf. Vgl. Gegenanträge der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2015_Gegenantraege_de_150507-1315.pdf. Hinzu kamen noch Zahlungen aus dem Vergleich mit den Kirch Erben i. H. v. € 925 Mio.
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ringeren Schadens vorbehalten wird bzw. keine Anrechnung auf den später tatsächlich ermittelten Gesamtschaden erfolgt. Unter ökonomischen Gesichtspunkten stellt sich vielmehr die Frage, wie man die Vorstände davon abhalten kann, zu hohe Risiken einzugehen, ohne dabei zu konservativ zu wirtschaften: Vorstände sollten ihre unternehmerischen Entscheidungen auf der Grundlage der Business Judgement Rule827 im Sinne der Anteilseigner ausüben und dabei den Interessen der Allgemeinheit an einem stabilen Bankensystem hinreichend nachkommen .
4.2 Anreize für Vorstände - theoretische Ansätze Unsicherheiten und Risiken haften jeder unternehmerischen Entscheidung an828. Es wäre daher verfehlt, jedes Verhalten eines Vorstands mit einer potenziellen Schadensersatzpflicht zu versehen, da dies auf eine Erfolgshaftung des Vorstands hinausliefe, die dem deutschen Recht fremd ist829 und auch im Sinne der Aktionäre unerwünscht ist. Denn dadurch würden Vorstände angehalten, konservativ zu wirtschaften und folglich nicht mehr alles tun, um das bestmögliche Ergebnis für sich selbst und insbesondere für die Anteilseigner zu erreichen, was grundsätzlich auch im allgemeinen Interesse ist. Nachfolgend werden anhand der „PrinzipalAgent-Theorie“ und der Gegenüberstellung von „Shareholder-Value-Theorie“ und „Stakeholder-Value-Theorie“ die Problemkreise und Spannungsfelder zwischen Aktionär und Vorstand aufgezeigt und die jeweiligen Lösungsansätze für eine optimale Ausgestaltung eines Vergütungssystems für Vorstände skizziert. Diese Lösungsansätze werden sodann kritisch auf ihre Vereinbarkeit mit den betroffenen Interessen der Allgemeinheit geprüft. 4.2.1 Prinzipal-Agent-Theorie Die in den 1930er Jahren in den USA entwickelte “Prinzipal-Agent-Theorie” geht auf die Beziehung zwischen dem Unternehmen als „Prinzipal“ und dem Vorstand oder Manager als „Agent“ ein830. Das Auseinanderfallen von Eigentum und Verwaltung ist in Kapitalgesellschaften möglich (sog. Fremdorganschaft) und in Akti827
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Vgl. hierzu Arbeitskreis "Externe und interne Überwachung der Unternehmung" der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2006, 2189 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, § 93, Rn 36 ff. Spindler, in: MüKo-AktG, § 93, Rn 41; Haas/Ziemons, in: Michalski GmbHG, § 43, 21. Bauer, NZG 2015, 549 (550); Meyer, CCZ 2011, 41 (43); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086); Buchta, DStR 2003, 694 (695). Vgl. hierzu die grundlegende Arbeit von Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932.
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engesellschaften der Regelfall. Bei den in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden systemrelevanten Banken ist in keinem Vorstand ein Großaktionär vertreten. Folglich liegt die unternehmerische Entscheidungsgewalt beim Vorstand, während das damit einhergehende unternehmerische Risiko weiterhin vom Aktionär getragen wird831. 4.2.1.1 Probleme Dem Agenten wird unterstellt, dass sein Handeln als wirtschaftender Mensch („homo oeconomicus“) der Maxime der eigenen Gewinnmaximierung folgt und von ihm stets die Handlungsalternative gewählt wird, die ihm den größten Nettovorteil verschafft832. Es wird angenommen, dass der Agent dabei einer beschränkten Rationalität unterliegt und er ein opportunistisches Verhalten an den Tag legen wird. Die beschränkte Rationalität bezeichnet einen unvollkommenen Wissensstand des Agenten, da dem Agenten entweder nur unvollständige Informationen zur Verfügung stehen oder er die Informationen, selbst wenn sie vorliegen, nicht schnell genug auswerten kann833. Das opportunistische Verhalten des Agenten wird sehr weit verstanden und erfasst auch die Täuschung eines anderen Marktteilnehmers oder des Prinzipals selbst und somit auch betrügerisches Verhalten834. Im Ergebnis wird davon ausgegangen, dass ein Agent sich aller Mittel bedienen wird, die ihm zur Verfügung stehen und die er als notwendig erachtet, um sein Ziel der eigenen Gewinnmaximierung zu erreichen. Aus dieser Prinzipal-Agenten Beziehung ergeben sich weitere grundsätzliche Probleme: Da die Vorstände die Geschäfte leiten, die Aktionäre hingegen stille Kapitalgeber im Hintergrund sind, ist klar, dass dem Vorstand Informationen zum laufenden Geschäftsbetrieb als erstes zur Verfügung stehen. Die Aktionäre hingegen werden auf der Jahreshauptversammlung vom Aufsichtsrat835 informiert und sind daher darauf angewiesen, dass der Vorstand seine Informationen im Rahmen der Berichterstattung an den Aufsichtsrat richtig, vollständig und pünktlich weiterleitet836. Dies zeigt deutlich, dass ein Informationsgefälle be831
832
833 834 835
836
Berle/Means, a. A. O., S. 66; fama/Jensen, Journal of Law and Economics (1983), Vol. 26, S. 307 ff. Blaschke, in: Der homo oeconomicus, S. 18; Qudrat-I Elahi, in: Homo Oeconomicus 2015 (32), S. 24 ff. Heyd/Beyer, Die Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 19. Heyd/Beyer, a. A. O. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG kann sich ein Aktionär „soweit [dies] zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“ auch direkt vom Vorstand unterrichten lassen, was jedoch in vielen fällen gem. § 131 Abs. 2 und 3 abgelehnt wird. Heyd/Beyer, Die Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 17.
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steht zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Anteilseignern („Informationsasymmetrie“)837. Dieser Informationsvorsprung eröffnet dem Agenten diskretionäre Handlungsspielräume, da es für einen Aktionär kaum möglich ist festzustellen, ob der Agent das Vermögen auch in seinem Interesse verwaltet. Dies kann der Prinzipal lediglich am Wert des Unternehmens ablesen, wobei es dabei wiederum schwer festzustellen ist, ob eine etwaige Steigerung des Unternehmenswerts auch auf die Handlungen des Agenten zurückzuführen ist838. Darüber hinaus bestehen oft nicht gleichlaufende Interessen zwischen den Aktionären und dem Vorstand: Während die Aktionäre auf eine möglichst hohe Steigerung des Unternehmenswertes bedacht sind, um ihre Dividende und ggf. den Verkaufswert ihrer Anteile zu steigern, können beim Vorstand andere Interessen im Vordergrund stehen. Es ist z. B. denkbar, dass die Durchsetzung eines Prestigeprojekts839 und die damit verbundene Aufwertung der eigenen Reputation eher im Interesse des Vorstands ist. Denkbar ist auch, dass der Abschluss wenig lukrativer Projekte zur Erreichung persönlicher Ziele im Rahmen einer bestehenden Bonusvereinbarung im Vordergrund steht, obwohl für die Gesellschaft noch lukrativere Projekte ausstehen, für deren Abschluss er jedoch keinen Bonus erhält. So entstehen regelmäßig Interessenkonflikte zwischen dem Prinzipal und dem Agenten. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die ungleiche Risikoverteilung zwischen Vorstand und Aktionären: Während Aktionäre durch eine hohe Diversifikation ihres Aktienportfolios ihr unsystematisches Risiko840 kostengünstig verringern können841, besteht diese Möglichkeit für den Vorstand nicht. Der Vorstand kann seine Arbeitskraft nicht auf mehrere Unternehmen aufteilen und trägt daher ein deutlich höheres Risiko842. Er hat ein hohes Interesse an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und seines Einkommens, weshalb er zu dessen Erhaltung tendenziell eine risikoaverse Unternehmenspolitik betreiben wird843. Solange der Agent seinen Informationsvorsprung im Sinne des Prinzipals nutzt, bleibt das beschriebene Problem ein rein theoretischeS. Nutzt der Agent hingegen seinen Informationsvorsprung zu seinen Gunsten aus, geht dies zu Lasten der Aktionäre. Da die Prinzipal-Agent-Theorie vom Leitbild des homo oeconomicus aus837 838 839 840
841 842 843
Zu den unterschiedlichen Informationsasymmetrien vor und nach Vertragsschluss zwischen Prinzipal und Agent: Mathissen, Die Prinzipal-Agent-Theorie (2009), S. 30 f. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 47. Heyd/Beyer, Die Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 20. Es verbleibt somit nur noch das systematische Risiko, also das Restrisiko, das auch nicht durch Diversifikation des Aktienportfolios eliminiert werden kann, vgl. Johnen, Ausgestaltungsparameter von Aktienoptionsprogrammen, S. 13. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 46. Schwetzler, DBW 1999, 332. Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 94; Baums, fS-Claussen, S. 7; Kühnberger/Keßler, AG 1999, 454.
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geht844, der sich so verhalten wird, dass am Ende sein eigener Gewinn maximal ist, wird der Agent den Informationsvorsprung zu seinen Gunsten nutzen. Darüber hinaus wird der Agent alles dafür tun, um die Informationsasymmetrie aufrecht zu erhalten, um auch weiterhin Vorteile daraus zu ziehen und seine diskretionären Handlungsspielräume zu erhalten. Konkret kann der Vorstand etwa Geschäftschancen der Gesellschaft früher absehen, als dies den Aktionären möglich ist. Diese Information könnte er dazu nutzen, die Geschäftschance selbst wahrzunehmen oder an einen Dritten weiterzuvermitteln, um hieraus selbst eine Provision zu erhalten („unfair self dealing in corporate opportunities“)845. Ein Vorstand könnte zudem dadurch Vorteile für sich herbeiführen, dass er Mittel der Gesellschaft zum eigenen Vorteil nutzt, etwa durch Spenden an einen großen Sportverein („pet charities“)846 zur Steigerung des eigenen Ansehens, durch die Anschaffung teurer Büroeinrichtungen, Autos oder sogar Privatjets, deren Kosten zumindest mittelbar die Anteilseigner tragen, deren Nutzen jedoch ausschließlich ihm zugutekommt („consumption on the job“)847. Als Konsequenz aus der mangelnden Nachvollziehbarkeit der Handlungen der Vorstände und der schwierigen Bewertung ihrer Leistung bzw. der Zuordnung eines Erfolgs zu einem bestimmten Vorstandsmitglied, könnte ein „moral hazard“ entstehen. Damit wird eine mangelnde moralische Haltung des Agenten gegenüber dem Prinzipal beschrieben, die den soeben beschriebenen Teufelskreis schließt. Die Vorstände wissen mehr und können nicht hinreichend kontrolliert werden. Sie machen sich ihren Wissensvorsprung zunutze, ohne dass dies sanktioniert wird. Solange dieses System funktioniert und der Agent wirtschaftliche Vorteile daraus ziehen kann, wird er dies weiter tun. 4.2.1.2 Theoretischer Lösungsansatz Solange die Interessen von Agent und Prinzipal nicht die gleichen sind, wird sich an der Verhaltensweise des Agenten nichts ändern. Daher unternimmt die Prinzipal-Agent-Theorie den Versuch, durch Angleichung der Interessen zwischen Aktionären und Vorständen das Verhalten des Agenten zu beeinflussen. Dem Vorstand muss ein Anreiz gegeben werden, im Sinne der Aktionäre zu handeln. Dieser Anreiz wird nach dem Leitbild des „homo oeconomicus“ dann gegeben sein, wenn der Vorstand sieht, dass ein Profit oder Nutzen für den Prinzipal gleichzeitig mit seinem eigenen Vorteil einhergeht. Typisch ist eine Beteiligung des Agenten 844 845
846 847
Vgl. hierzu unter Ziff. 4.2.1.1. Die ursprünglich aus dem US-Recht stammende Geschäftschancenlehre („corporate opportunity doctrine“) sanktioniert ein derartiges Verhalten mit Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied, die aus der Treuepflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft hergeleitet werden, vgl. hierzu fleischer, in: MüKo-AktG, § 93, Rn 136 ff. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn. 48. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 47; Baums, ZIP 1995, 11 (12); Eisenberg, Columbia Law Rev. 1989, Vol. 89, 1461 (1474).
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am Ergebnis des Unternehmens in Form von Boni oder die Aussicht auf eine Vertragsverlängerung. Besonders wichtig dabei ist, dass die Vergütung vom Erfolg des Unternehmens und nicht von der Leistung des einzelnen Vorstandsmitglieds abhängig gemacht wird. Denn für die Anteilseigner ist weder die Leistung des Managements insgesamt, noch die Leistung eines einzelnen Vorstands wirklich nachvollziehbar. Für den Prinzipal zählt vorrangig das Unternehmensergebnis848. Die Prinzipal-Agenten-Theorie verfolgt somit das Ziel, das Management über Anreizsysteme zu kontrollieren und das Verhalten entsprechend zu konditionieren. 4.2.2 Shareholder-Value vS. Stakeholder-Value Nach der „Shareholder-Value-Theorie“849 ist die Unternehmenspolitik allein auf die Interessen der Anteilseigner auszurichten. Der Vorstand hat also alles in seiner Macht stehende zu tun, um den Unternehmenswert zu steigern. Der ShareholderValue bezeichnet dabei den Ertragswert des Eigenkapitals eines Unternehmens für die Anteilseigner850. Dieser Ertragswert ergibt sich, wie auch im Rahmen von Unternehmensbewertungen üblich, aus den in Zukunft wahrscheinlich erzielten Überschüssen („cash flow“). Dabei werden die prognostizierten Erträge mit einem Kapitalkostensatz auf die Gegenwart abgezinst (diskontiert)851. Die Kosten für Eigenund Fremdkapital werden gesondert ermittelt. Der Wert der Investition bestimmt sich anschließend aus der Summe der abgezinsten prognostizierten Erträge und dem Restwert der Investition am Ende der Investitionsperiode („Residualwert“)852. Zieht man vom Wert der Investition den Anteil des investierten Fremdkapitals ab, gelangt man zum „Shareholder Value“853. Es wird davon ausgegangen, dass für den Anteilseigner einzig die Zahlungsflüsse zwischen ihm selbst und dem Unternehmen relevant sind: Kapitaleinzahlungen beim Aktienkauf, Gewinnausschüttungen in Form der Dividende, ggf. ein Aktienrückkauf sowie die Veräußerung der Aktie auf dem freien Markt („sekundärmarktinduzierter Zahlungsstrom“)854. Das Abstellen auf den Cash-Flow ist auch in diesem Bereich sinnvoll. Denn der Wert eines Gutes richtet sich stets nach der in Zukunft zu erwartenden Rendite, entweder in Form von Dividende oder eines VeräußerungsgewinnS. Findet der Anleger auf dem Kapitalmarkt eine Anlage zum glei848 849 850 851 852 853 854
Schwalbach/Graßhoff, ZfB 1997, Bd. 67, 205; Winter, Prinzipien der Gestaltung von Managementanreizsystemen, S. 4. Grundlegend hierzu Rappaport, Shareholder Value 1986, deutsche Übersetzung: Rappaport, Shareholder Value - Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung, 1995. Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (272). Rappaport, Shareholder-Value, S. 12. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 52. Rappaport, Shareholder Value, S. 54 Ballwieser, fS-Moxter, 1377 (1404); Young/Hegelich, ÖZP 32 (2003), 77 (85). Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (274).
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chen Anschaffungspreis mit höherer Rendite, wird er sein Geld in diese Anlage investieren855. Für den Wert der Anteile an einem börsennotierten Unternehmen bestimmt somit der Börsenkurs den Marktwert; der Börsenwert ist das „Spiegelbild des Barwertes der für die Zukunft erwarteten Ausschüttung“856. Um dem Gedanken des Shareholder-Value Rechnung zu tragen, hat das Management somit alles zu tun, um den Börsenkurs positiv zu beeinflussen857. Das gesamte Unternehmen samt all seiner Teilbereiche muss auf die Optimierung des Unternehmenswerts und auf eine Steigerung des Aktienkurses ausgelegt sein858. Dieser Ansatz ist nicht unumstritten, sind doch bei Unternehmen wesentlich mehr Beteiligte involviert als nur das Management und die Anteilseigner. Neben Arbeitnehmern, Lieferanten und Gläubigern sind auch die Kunden und nicht zuletzt der Staat sogenannte „Stakeholder“. Die Anhänger der Stakeholder-Value Theorie gehen davon aus, dass die Unternehmensführung bei ihren Entscheidungen die Interessen aller Beteiligten im Blick haben muss, um einen entsprechenden Interessenausgleich aller beteiligten Stakeholder herbeizuführen859. Der Ansatz ist also genau umgekehrt wie beim Shareholder-Value: Nach dem Shareholder-ValueModell soll sich das Management einzig auf die Mehrung des Wertes für den Aktionär konzentrieren, was - quasi automatisch - zum Nutzen aller übrigen Beteiligten führen werde860. Das Stakeholder-Value-Modell geht hingegen davon aus, dass die Berücksichtigung aller Interessen letztlich zu Entscheidungen führt, die dem Aktionär am meisten nützen861. Die monistische Konzeption des Shareholder-Value Ansatzes wird von den Gegnern als „Kapitalismus pur“862 kritisiert. Als Einwand gegen das Shareholder-Value-Modell wird angeführt, dass alle Stakeholder ihrerseits einen spezifischen Beitrag zur betrieblichen Leistung beisteuern und daher eine Ausrichtung an deren Interessen erfolgen müsse863. Dabei wird teilweise nicht berücksichtigt, dass die Risikopositionen der Stakeholder völlig andere sind als die der Anteilseigner. Denn letztere tragen ein deutlich höheres Risiko als Arbeitnehmer, Lieferanten oder Fremdkapitalgeber, was nach Ansicht einiger eine vorrangige Beachtung ihrer Interessen rechtfertigt864. 855 856 857 858 859 860 861 862 863 864
Young/Hegelich, ÖZP 32 (2003), 77 (85). Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (274), vgl. auch Kuhner, ZGR 2004, 244 (258). Lüke, Stock Options, S. 27; Bühner, DBW 1992, 418. Stelter/Rose, DStR 1999, 1122 (1123). Ballwieser, fS-Moxter, 1377 (1389); Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (272). Forstmoser, fS-Simon, 207 (211). Forstmoser, fS-Simon, 207 (211). Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (289); Schüller, Vorstandsvergütung, S. 50. Forstmoser, fS-Simon, 207 (216 f.). Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 33
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Richtig ist dabei, dass viele Stakeholder über gesetzliche Vorschriften geschützt sind, z. B. arbeits- und sozialrechtliche, gesellschafts- und insolvenzrechtliche Regelungen im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschriften und Umweltschutzgesetze865. Dem wird man allerdings entgegen halten müssen, dass es sich hierbei lediglich um das rechtliche Risiko der Anteilseigner handelt, welches eventuell höher sein kann. In tatsächlicher Hinsicht stellt sich die Situation hingegen ganz anders dar. Während ein Aktionär durch Diversifikation seines Aktienportfolios sein Verlustrisiko minimieren und damit mögliche Verluste ausgleichen kann, ist dies etwa einem Arbeitnehmer oder einem Lieferanten nicht möglich. Diese können im Gegensatz zu den Aktionären auch nicht kurzfristig ihr Engagement beenden866: Arbeits-, Lieferanten- oder Kreditverträge haben meist feste oder gar unbegrenzte Laufzeiten. Kündigungen von Arbeitnehmern sind mit hohen persönlichen Risiken verbunden. Ein Arbeitnehmer wird nicht kündigen, solange er keine neue Stelle hat, was sich, je nach Position, Alter und gesundheitlichen Faktoren, schwierig gestalten kann. Der Verkauf von Anteilen kann allenfalls beim Halten großer Aktienpakete schwierig sein, ist im Normalfall jedoch problemlos möglich. Dass lediglich das rechtliche, nicht hingegen das tatsächliche Risiko der Anteilseigner höher ist, zeigt sich besonders deutlich im Finanzsektor. Die Anteilseigner haben praktisch kein Ausfallrisiko, da sie wissen, dass der Staat die Bank - die „too big to fail“ ist - im Fall einer Krise unterstützen wird. Es besteht somit eine Art „Ausfallversicherung“, zumindest bis zu einem bestimmten Betrag. Die Anteile mögen im Falle eines Bail-in verwässern. Nachdem die Bank restrukturiert wurde, ist hingegen wieder mit der Ausschüttung von Dividenden zu rechnen867. Das tatsächliche Risiko des Aktionärs besteht somit zumindest bei systemrelevanten Banken eher auf dem Papier. Ein weiterer wesentlicher Einwand gegen eine Orientierung ausschließlich am Shareholder-Value ist, dass eine solche Ausrichtung langfristigen Investitionen abträglich sei und ein Wirtschaften mit dem Ziel kurzfristiger Unternehmenserfolge fördere868. Diese These verdient es, ernst genommen zu werden869, denn der Aktionär870 ist im Wesentlichen auf eines bedacht - Gewinn. Kann mittels einer 865 866 867
868 869 870
Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 33. Forstmoser, fS-Simon, 207 (210). Siehe das Beispiel der teilverstaatlichten Commerzbank, die im Jahr 2015 erstmals seit 2007 wieder eine Dividende ausschütten möchte, vgl. Handelsblatt v. 03.08.2015, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/milliardengewinn-im-erstenhalbjahr-commerzbank-aktionaere-haben-dividende-in-sicht/12137218.html. Blair, Ownership and Control, S. 122. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 32. Hierbei wird von einem Aktionär ausgegangen, der den Unternehmensanteil lediglich als Kapitalanlage sieht und keine langfristigen Unternehmensinteressen verfolgt.
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nur kurzfristig ausgelegten Unternehmenspolitik also ein Gewinn erwirtschaftet werden, so wird ein Aktionär versucht sein, diesen zu realisieren, anstatt einem unsicheren Gewinn in einigen Jahren den Vorzug zu geben871. Der längere Zeitraum ist gespickt mit nicht absehbaren Risiken: Schlüsselpersonal kann das Unternehmen verlassen und die geplante Entwicklung ins Stocken bringen oder aufhalten, kurzfristige Finanzierungsengpässe und ausgewachsene Finanzkrisen können die Gewinne zunichtemachen. Es ist somit aus Sicht des Aktionärs nachvollziehbar, dass kurzfristige Gewinne wünschenswert sind. Gegebenenfalls kann der Aktionär auch später noch zu einem immer noch günstigen Preis in ein Unternehmen investieren, das auf eine langfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, ohne die hiermit verbundenen Kosten der Vorjahre zu tragen. Zwischenzeitlich investiert er sein Kapital in Gesellschaften, die kurzfristig Gewinn abwerfen, wohingegen das Kapital anderer Aktionäre in einem Unternehmen gebunden ist, das sich langsamer, aber nachhaltig entwickelt. Teilweise wird diesbezüglich zwar eingewandt, dass sich auf effizienten Kapitalmärkten eine Strategie, die kurzfristig Verluste, aber langfristig hohe Gewinne verspricht, bereits im heutigen Aktienkurs niederschlage872. Diese Annahme ist jedoch nur unter der Prämisse zutreffend, dass es einen „optimalen Kapitalmarkt“ gibt. In der Praxis ist dies aber ebenso wenig gesichert wie die prognostizierten Gewinne selbst. Für Aktionäre besteht folglich immer die Versuchung, kurzfristige Gewinne einzustreichen. Insofern wird es auch immer Vorstände geben, die sich daran orientieren. Diesem Problem ist ohne weitere Regulierung (im Finanzsektor) nicht Herr zu werden. Umgekehrt wird auch das Stakeholder-Value Modell massiv kritisiert: Gegen eine Berücksichtigung aller denkbaren Interessen wird ins Feld geführt, dass das am Ende dazu führt, dass halbherzige Entscheidungen getroffen werden. Eine schlechte Performance könnte immer mit diesem Interessenpluralismus entschuldigt werden873. Fleischer bringt diesen Konflikt auf den Punkt, wenn er konzediert: „Ein Diener vieler Herren ist am Ende aller ledig und niemandem mehr verantwortlich.“874 Im Ergebnis fehlt also ein Kriterium für die Leistungsbewertung875, was gerade die Stärke des Shareholder-Value Ansatzes ist. Bei diesem kann man den Erfolg 871
872 873 874 875
Pointiert von forstmoser, fS-Simon, 207 (214): „Doch obschon der Geist willig ist, wird das fleisch oft schwach und kann es in der Realität den Versuchungen der Kurzfristigkeit erliegen: Aktionäre werden vielfach nicht bereit sein, die Taube der langfristigen Gewinnmaximierung dem Spatz in form kurzfristigen Gewinns vorzuziehen“. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 33; ders., ZGR 2008, 185 (214) m. w. N; einschränkend auch Forstmoser, fS-Simon, 207 (210). Forstmoser, fS-Simon, 207 (218). Fleischer, AG 2001, 171 (177). Forstmoser, fS-Simon, 207 (218): „Das Kriterium ist „fuzzy“ […]“.
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messbar in Zahlen ausdrücken876. Es lässt sich außerdem die Frage stellen, was einen Vorstand befähigen - geschweige denn legitimieren sollte, Gemeinwohlziele zu verfolgen877. Es wird angeführt, dass es sich hierbei um (quasi-)politische Abwägungsentscheidungen handele, die einzig durch die Politik und nicht durch die Unternehmensleitung gefällt werden sollen878 und somit dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen879. Das darf freilich nicht bedeuten, dass sich der Vorstand um Belange des Allgemeinwohls keine Gedanken zu machen hat. Vielmehr ist die Frage, ob der Vorstand bei jeder seiner Entscheidungen auf die Belange aller anderen Stakeholder Rücksicht zu nehmen hat, ohne dass ein entsprechendes gesetzliches Gebot dies vorsieht. In dieser Pauschalität wird man dies sicher verneinen müssen. Der Interessenausgleich aller Beteiligten Stakeholder ist in der Tat Aufgabe des Gesetzgebers, dem es vorbehalten ist, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen Unternehmen agieren dürfen und müssen. Klar ist jedoch auch, dass der Vorstand bei seinen Entscheidungen nicht die Schädigung anderer Stakeholder billigend in Kauf nehmen darf. Ein eben solches Handeln wurde jedoch von manchen Vorständen im Rahmen der Finanzmarktkrise an den Tag gelegt. Fleischer führt aus, dass die in dieser Zeit vorherrschenden asymmetrischen Entlohnungssysteme mit hohen Vergütungen in guten Jahren und sozialisierten Verlusten in schlechten nicht anreizkompatibel gewesen seien880. Diese These wäre zutreffend, wenn der Shareholder-Value Gedanke nicht explizit darauf abzielen würde, kurzfristige Gewinne zu realisieren, sondern eine nachhaltige Wertentwicklung anstreben würde, worin sicherlich der Knackpunkt der Diskussion liegt. Arbeitet man die Gemeinsamkeiten der sich gegenüberstehenden Ansätze von Shareholder Value und Stakeholder Value heraus, so fällt auf, dass diese mehr Gemeinsamkeiten aufweisen, als man vielleicht auf den ersten Blick zugeben möchte. Die Vertreter des Stakeholder Value Gedankens verhehlen nicht, dass nur ein profitables Unternehmen dauerhaft am Markt erfolgreich sein kann und dies auch im Interesse aller übrigen Stakeholder ist. Die Gewinnerzielung wird also genauso vorausgesetzt wie von den Anhängern der Shareholder Value Theorie. Umgekehrt ist für Vertreter der Shareholder Value Theorie klar, dass ein Unternehmen nur dann erfolgreich ist, wenn es ein attraktives Arbeitsumfeld für kompetente Arbeitnehmer bietet und gute Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Kredit876 877 878 879 880
Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 34; forstmoser, fS-Simon, 207 (213, 218); Ballwieser, FS-Moxter, 1377 (1390). Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 34. Rogers, Pepperdine Law Rev. 1994 (Vol. 21), 777 (805 f.); Birke, Das formalziel der Aktiengesellschaft, S. 128. Wöhe/Döring, Betriebswirtschaftslehre, S. 90 f.; fleischer, ZGR 2001, 1 (32). Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 35.
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gebern und ggf. zur Politik bestehen881. Es gilt einen Schritt zurück zu machen und sich anstatt der kurzfristigen Einzelinteressen der Betroffenen - gleich ob Aktionäre, Arbeitnehmer oder Staat - der langfristigen Interessen der beteiligten Stakeholdergruppen zuzuwenden882. Es bedarf also nicht eines Blickes auf die Interessen der derzeit im Unternehmen vertretenen Stakeholder selbst, sondern eines Vergleichs der langfristigen Interessen der Gruppen: Aktionäre, Arbeitnehmer, das wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Umfeld. Der Gruppe der Aktionäre ist mit einem langfristigen und nachhaltigen Wertzuwachs am besten gedient. Dadurch wird ein stetiges Einkommen in Form wiederkehrender Dividenden für einen langen Zeitraum gesichert. Zudem wird der Unternehmenswert und der eventuell erzielbare Veräußerungserlös gesteigert. Ebenso ist Arbeitnehmern mit einer nachhaltigen Wertentwicklung am besten gedient, denn nur ein solches Unternehmen kann Arbeitsplätze erhalten und schaffen. Auch die Interessen der Allgemeinheit sind damit grundsätzlich am besten abgedeckt, da ein langfristig erfolgreiches Unternehmen Arbeitsplätze schafft, kontinuierliche Steuereinnahmen sichert und somit eine verlässliche Größe im Gesamtgefüge der Wirtschaft darstellt. Dies wird auch als „Nutzenmaximierung der Aktionäre unter Nebenbedingungen“ bezeichnet883. Diese Nebenbedingungen können für die derzeit im Unternehmen präsenten Stakeholder teilweise einschneidende Folgen haben. So haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Erhalt der Arbeitsplätze884, wenn eine kurzfristige Streichung von Stellen ein nachhaltiges Wachstum (und somit die Schaffung zusätzlicher Stellen im Unternehmen) ermöglicht885. Die Aktionäre hingegen müssen auf kurzfristige Gewinne verzichten, wenn dadurch ein späterer, nachhaltiger Gewinn ermöglicht wird886. Die Forderung nach einer angemessenen Rendite für Aktionäre muss also stets eine wesentliche Rolle spielen, denn sie ist berechtigt887. Würden andere Interessengruppen in den Vordergrund rücken, dann würden Anleger ihr Kapital anderweitig investieren. Dies ist wiederum nicht im Interesse der
881 882 883 884 885
886 887
Forstmoser, fS-Simon, 207 (218 f.) Forstmoser, fS-Simon, 207 (218 f.) Ballwieder, fS-Moxter, 1377 (1390); Mülbert, ZGR 1997, 129 (139). Auf die dennoch bestehende soziale Verantwortung des Unternehmens hinweisend forstmoser, fSSimon, 207 (220), fn. 31. Ob die Ankündigung des Abbaus von insgesamt 6.400 Stellen bei der Deutschen Bank zur Steigerung der Rendite von 17 % auf 25 % im Rahmen der Jahreshauptversammlung 2005, bei der eine Gewinnsteigerung von 87 % und ein Gesamtgewinn nach Steuern von € 2,5 Mrd. bekannt gegeben wurde, langfristig gesehen sinnvoll war, soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben. Einige Aktionäre empfanden dies als „Skandal“ und einen „Beweis mangelnder Unternehmensethik“, vgl. die Gegenanträge zur Hauptversammlung v. 09.05.2005, abrufbar unter: https://www.deutsche-bank.de/ir/de/download/gegenantraege_2005_05_09_de.pdf. Forstmoser, fS-Simon, 207 (220). Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 35; Rudolph, ZGR 2010, 1 (46).
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übrigen Stakeholder. Unternehmen müssen weiterhin ein attraktives Anlagemodell bleiben, um den Kreislauf der Wirtschaft mit frischem Eigenkapital zu versorgen. Richtig verstanden ist also auch die Shareholder-Value Theorie auf eine nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens ausgerichtet. Die Interessen der übrigen Stakeholder werden dabei automatisch bestmöglich gewahrt. Das konzeptionelle Problem des faktisch bestehenden Anreizes für kurzfristiges Wirtschaften macht die Shareholder-Value Theorie nach Ansicht mancher zu einer „zweitbesten Lösung“888. Das Problem ist jedoch weniger die konzeptionelle Schwäche des Shareholder-Value-Modells selbst, sondern dessen Umsetzung in der PraxiS. Eine Optimallösung für alle Beteiligten gibt es jedoch bislang nicht889. 4.2.3 Probleme der praktischen Umsetzung Im Rahmen der Finanzkrise hat sich deutlich gezeigt, dass der Shareholder-Value Gedanken nicht im oben dargestelltem Sinn des Erfinders umgesetzt wurde und eine nachhaltige Wertschöpfung nicht die Zielsetzung der Beteiligten Akteure war. Es wurden vielmehr die kurzfristigen Gewinne der Aktionäre und durch die Implementierung der entsprechenden Vergütungsmodelle die (kurzfristige) Steigerung der Vergütung der Vorstände in den Mittelpunkt gestellt. Das starke öffentliche Interesse an einer risikoaversen Unternehmenspolitik bei Banken wurde vollständig aus den Augen verloren. Es wurden lediglich die Interessen des Vorstands denen der Aktionäre angeglichen. Im Gegensatz zu realwirtschaftlichen Unternehmen tragen das Ausfallrisiko bei Banken jedoch nicht alleine die Anteilseigner. Vielmehr ist entsprechend des „too big to fail“ Grundsatzes der Staat in der Verantwortung, im Falle einer Krise einzuspringen. Im Wissen, dass der Staat im Notfall die Verluste übernimmt oder Kapital zur Verfügung stellt, werden die Aktionäre ein noch größeres Interesse an einer stark risikoorientierten Unternehmensführung durch den Vorstand haben, was sich auch im Nachgang zur Finanzkrise gezeigt hat890. Der Staat fungiert wie eine Versicherung für die Rendite der Anteilseigner. Dass Vorstände in diesem Fall, wie in der Finanzkrise 2008 geschehen, noch hohe Boni kassieren, beunruhigt die Aktionäre hingegen nicht.
888 889 890
Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76, Rn 34; Tirole, S. 61. Vgl. auch Birke, Das formalziel der Aktiengesellschaft, S. 96; Ballwieder, fS-Moxter, 1377 (1404). Siehe hierzu unter 4.
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Der Gesetzgeber hat das Ziel eines „nachhaltigen“ Wirtschaftens durch den Vorstand und einer damit verbundenen „langfristigen Wertsteigerung“ des Unternehmens immer wieder betont, so beispielsweise in den Gesetzesbegründungen zum KontraG891, zum VorstAG892 und zum RStruktG893, aber auch im Gesetzeswortlaut selbst894. Auch im Deutschen Corporate Governance Codex wird dies wie folgt propagiert: „Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung im Unternehmensinteresse, also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung.“895 Sollten diese Formulierungen, die mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „unter Berücksichtigung der Belange […]“ und „nachhaltiger Wertschöpfung“ hinterlegt wurden, nicht ausreichen, um den Vorstand zu einem entsprechenden Verhalten zu bewegen, so bleibt als Handlungsalternative letztlich nur eine zusätzliche Regulierung durch den Gesetzgeber.
891 892 893
894 895
Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) BT-DrS. 13/9712, S. 23. Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) BT-DrS. 16/12278, S. 1 u. 5. Entwurf eines Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BT-DrS. 17/3024, S. 48 u. 81. Siehe § 87 Abs. 1 AktG. Dabei hat es der Gesetzgeber jedoch versäumt, konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme zu machen. Siehe in der aktuellsten fassung Ziff. 4.1.1 des Deutschen Corporate Governance Codex vom 05.05.2015.
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4.3 Konventionelle Vergütungsmodelle Entsprechend der Prinzipal-Agenten-Theorie wurden seit Einführung „moderner Vergütungsmodelle“ um die Jahrtausendwende in Europa896 die Interessen der Aktionäre an einem kurzfristigen Gewinn den Erwartungen der Vorstände nach hoher Vergütung durch kurzfristig ausgestaltete Bonimodelle angeglichen. Nachfolgend werden gängige Vergütungsmodelle dargestellt und die rechtlichen Anforderungen skizziert. Diese Modelle können vertraglich bis ins kleinste Detail individuell ausgestaltet werden, weshalb nachfolgend lediglich ein Überblick über die grundsätzliche Funktionsweise gegeben wird. Ferner werden die Vergütungsmodelle der beiden im DAX-30 gelisteten deutschen Banken, der Deutschen Bank und der Commerzbank, dargestellt und auf ihre Vereinbarkeit mit dem (nachhaltigen) Shareholder-Value Gedanken überprüft. 4.3.1 Marktindexbasierte Modelle Die wohl gängigste variable Vergütungsform sind Aktienoptionen („stock options“). Eine Option gewährt einer Partei, in diesem Fall dem Vorstand, das Recht, durch einseitige Willenserklärung einen Vertrag zustande zu bringen897. Damit wird die Gesellschaft verpflichtet, dem Vorstand Aktien zu einem zuvor festgelegten Preis (Basis- oder Ausübungspreis)898 zur Übernahme anzubieten. Das Ausübungsrecht selbst hingegen ist meist durch das Erreichen bestimmter Zielparameter bedingt899 und nur in einem begrenzten Zeitraum möglich900. Die Wartezeit für die erstmalige Ausübung muss gem. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG mindestens vier Jahre betragen. Diese Form der Vergütung hat für die Gesellschaft selbst den Vorteil, dass die Liquidität geschont wird. Denn anstatt Barmittel ausgeben zu müssen, werden neue Anteile geschaffen901 oder von der Gesellschaft gehaltene Eigenanteile an den Vorstand ausgegeben. Für die Aktionäre der Gesellschaft ist dies allerdings von Nachteil, denn deren Anteile verwässern durch die Ausgabe weiterer Aktien. Eben dieser Verwässerungseffekt tritt bei den „Restricted Shares“ nicht ein. Hierbei werden Vorstandsmitgliedern entweder bereits bestehende und von der Gesellschaft gehaltene Aktien ausgegeben902 oder der Erwerb von Aktien am Kapitalmarkt ermöglicht, ggf. durch Ausgabe eines günstigen Kredits durch die 896 897 898 899 900 901 902
Siehe hierzu grundlegend Schüller, Vorstandsvergütungen, S. 71 ff. Lüke, Stock Options, S. 21. Baums, fS-Claussen, S. 3: Dies ist regelmäßig der Kurs der Aktie bei Einräumung der Option. Vergleiche zu den einzelnen Zielparametern EBIT, EBITDA, ROA, ROE, ROCE und EVA: Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 94 ff.. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 62. Dies geschieht in der Regel durch ein vorher durch die Hauptversammlung genehmigtes Kapital. Koch, in: Hüffer-AktG, § 87, Rn. 20.
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Gesellschaft. Die so erworbenen Anteile unterliegen Mindesthaltefristen und dürfen erst nach deren Ablauf veräußert werden. Diese Verfügungsbeschränkungen („restrictions“) geben diesen Programmen ihren Namen903. Der Vorstand trägt somit im Gegensatz zu den Optionsprogrammen das Risiko einer Kursschwankung in gleichem Maße wie die anderen Aktionäre und nimmt daher auch an Verlusten der Gesellschaft teil. Im Rahmen des Optionsprogramms verfällt lediglich die Option904. Auch bei diesem Modell fließt keine Liquidität aus der Gesellschaft ab und für den Fall, dass ein Kredit gewährt und die Aktien am Markt erworben werden, geht damit auch kein Verwässerungseffekt für die Altaktionäre einher. Vorstände können zudem auch ohne die Ausgabe von Aktien oder entsprechenden Optionen an einem Kursgewinn beteiligt werden: Im Rahmen eines „Stock Appreciation Right Plans“ wird die Auszahlung eines Bonus an den Aktienkurs gekoppelt. Wird die vereinbarte Zielgröße erreicht, so wird dem Vorstand die Differenz zwischen Basispreis und Zielkurs ausbezahlt905. Das Vorstandsmitglied wird also schuldrechtlich so gestellt, als ob Aktien zum günstigen Basispreis bezogen und zum späteren Ausübungspreis verkauft worden wären. Zwar werden auch in diesem Fall die Anteile der Aktionäre nicht verwässert, jedoch droht der Gesellschaft in diesem Falle ein beträchtlicher LiquiditätsabflusS. Unter Liquiditätsgesichtspunkten ebenfalls kritisch sind „Phantom Stock Plans“ sowie „Phantom Stock Option Plans“: Im Rahmen eines Phantom Stock Plans werden dem Vorstandsmitglied virtuell Aktien als Verrechnungsposten zugeteilt, die nach einer bestimmten Zeit verkauft werden können. Sofern die Aktie im Wert gestiegen ist, wird ein Bonus in Höhe der Differenz zwischen Basispreis und aktuellem Aktienkurs beim virtuellen „Verkauf“ bezahlt906, wobei der Vorstand auch an einer negativen Kursentwicklung teilnimmt907. Im Rahmen des Phantom Stock Option Modells ist hingegen lediglich eine (virtuelle) Ausübung der Option möglich, in deren Rahmen dann ebenfalls die Differenz zwischen Basis- und Ausübungskurs bezahlt wird, ohne dass der Vorstand an einer negativen Kursentwicklung partizipiert. 4.3.2 Nicht marktindexbasierte Modelle Zu den nicht marktindexbasierten Modellen gehören unter anderem Strategische Meilensteine, „klassische“ Bonussysteme, „weiche“ Parameter und das Economic Value Added System. 903 904 905 906 907
Jacobs/Endres/Spengel, in: Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 1364 f. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 63. Binz/Sorg, BB 2002, 1273 (1275). Schüller, Vorstandsvergütung, S. 64. Spindler, in: MüKo-AktG, § 87, Rn. 112.
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Strategische Meilensteine sind aus Projekt- oder Unternehmungsplänen abgeleitete Erfolgsfaktoren908. Es gibt drei Kategorien von Meilensteinen: solche, die auf monetäre Zielkriterien abstellen („Meilensteine erster Art“), solche, die auf strategische Erfolgsfaktoren wie Marktanteile oder die Kostenquote des Unternehmens abstellen („Meilensteine zweiter Art“) und solche, die auf projektbezogene Ziele abstellen („Meilensteine dritter Art“)909. Es wird somit auf messbare Parameter abgestellt, die sich weder am Unternehmenswert noch am Aktienkurs orientieren. Weiche Parameter stehen nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit der Geschäftsentwicklung. Hierzu können Kriterien wie die Erhaltung oder der Ausbau von Arbeitsplätzen, die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit910 oder das soziale Engagement des Unternehmens („corporate social responsibility“)911 herangezogen werden. Es werden also Interessen der Stakeholder des Unternehmens herangezogen, nicht solche der Anteilseigner912. Teilweise lassen sich diese Parameter direkt, leicht und somit kostengünstig quantifizieren (z. B. Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen), teilweise muss diese Quantifizierung erst erfolgen, etwa durch Umfragen bei Mitarbeitern oder Kunden. So können auch „weiche“ Erfolge objektiv bestimmt und überprüft werden. Das Modell des „Economic Value Added“ (EVA) hingegen ist ausschließlich an den Interessen der Anteilseigner orientiert; es entstammt dem Shareholder Value Gedanken. Das EVA Modell geht davon aus, dass ein Wert erst dann geschaffen wird, wenn die Rendite des eingesetzten Kapitals die Kapitalkosten übersteigt913. Der EVA kann anhand folgender Formel berechnet werden: EVA = (ROCE - WACC) * NOA) Dabei gibt ROCE die Investitionsrendite („return on capital employed“), WAAC den gewichteten Mittelwert von Fremd- und Eigenkapitalkosten („weighted average cost of capital“) und NOA das investierte Kapital bzw. den Wert betriebsnotwendiger Gegenstände („net operating assets“) an. Darüber hinaus wird teilweise auch noch auf „klassische“ Bonussysteme zurückgegriffen. Hier werden Gratifikationen für die Erreichung persönlicher oder strategischer Ziele in Aussicht gestellt. Diese Ziele richten sich zumeist nach festen Kennzahlen. Ergebnisboni richten sich vornehmlich nach Gewinn oder Cash-Flow 908 909 910 911 912 913
Lattwein, Wertorientierte strategische Steuerung, S. 183. Schüller, Vorstandsvergütung, S. 68. Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 99. Dauner-Lieb/von Preen/Simon, DB 2010, 377 (378). Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 99. Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 97.
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des Unternehmens oder eine Kombination beider Kennzahlen914. Bei Banken können auch die Eigen- und/oder die Kernkapitalquote, oder die Kosten-ErtragRelation („cost income ratio“) als Kennzahlen herangezogen werden915. 4.3.3 Anforderungen an Vorstandsvergütungen de lege lata Bei der Ausgestaltung aller Vergütungsmodelle kommt es vor allem darauf an, möglichst objektive Parameter zu bestimmen, anhand derer die Boni berechnet werden können. Jedoch können auch objektive Parameter manipuliert werden oder für geschäftsschädigendes Verhalten und/oder zur Steigerung der Vorstandsvergütung missbraucht werden. Der Gesetzgeber hat den Handlungsbedarf bei der Ausgestaltung der Vorstandsbezüge erkannt und einen rechtlichen Rahmen für die Vertragsgestaltung geschaffen. Zur Begründung des Gesetzes zur angemessenen Vorstandsvergütung (VorstAG)916 führt der Gesetzgeber aus: „Die Finanzmarktkrise hat deutlich gemacht, dass von kurzfristig ausgerichteten Vergütungsinstrumenten fehlerhafte Verhaltensanreize ausgehen können. Wer in seinem Handeln auf die Erreichung solcher kurzfristigen Parameter ausgerichtet ist (Börsenkurs, Auftragsvolumen etc. zu einem bestimmten Stichtag), wird das nachhaltige Wachstum seines Unternehmens aus dem Blick verlieren. Wer stichtagsbezogen Boni erhält, ohne an einer nachfolgenden Verschlechterung der Parameter beteiligt zu werden, wird zum Eingehen unverantwortlicher Risiken verleitet.“917 Als Reaktion auf die angeprangerten Formen der Vorstandsvergütungen wurde zunächst das Aktiengesetz reformiert, so dass der Aufsichtsrat nun in der Lage ist, Vorstandsgehältern zu überprüfen und diese ggf. zu senken. Ferner wurde durch die inzwischen mehrfache Ergänzung und schließlich die Neufassung des § 25 a KWG918 das Verhältnis von variabler- und fixer Vergütung beschränkt und eine Ermächtigung für die BaFin aufgenommen, per Rechtsverordnung auf die Vergütungssysteme von Banken Einfluss nehmen zu können. Hiervon wurde durch Er-
914 915 916 917 918
Schüller, Vorstandsvergütung, S. 66. Vgl. hierzu beispielhaft den Vergütungsbericht der Deutschen Bank 2014, S. 2. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) (BGBl. I S. 2509). BT-DrS. 16/12278, S. 5. § 25a neu gefasst mit Wirkung vom 1. 1. 2014 und Abs. 6 gilt mWv 4. 9. 2013 durch Gesetz v. 28. 8. 2013, Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) (BGBl. I S. 3395).
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ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
lass der Institutsvergütungsverordnung919 Gebrauch gemacht. In der Krise ist es nun grundsätzlich möglich, die Boni der Vorstände komplett zu streichen, ohne dass man auf ein freiwilliges Entgegenkommen angewiesen ist. Nachfolgend werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für „bedeutende Institute“920 im Überblick dargestellt, wobei die Darstellung auf die wesentlichen Vorschriften beschränkt wird921. 4.3.3.1 Aktienrecht Die Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft ergeben sich aus § 87 AktG. Die Vorschrift dient dem Schutz der Gläubiger, Aktionäre und der Gesellschaft vor sachlich ungerechtfertigten Bezügen des Vorstands922. Der Aufsichtsrat hat bei der Gestaltung der Vergütung ein weites Ermessen. Er muss dabei jedoch die Angemessenheit und die Üblichkeit der Vergütung sowie deren Ausrichtung auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung im Blick haben. Im Einzelnen muss die Vergütung (1.) „in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und (2.) darf sie „die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen“. Bei börsennotierten Gesellschaften muss die Vergütungsstruktur (3.) „auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung“ ausgerichtet sein. Um letzteres zu gewährleisten, sollen die variablen Vergütungsbestandteile „eine mehrjährige Bemessungsgrundlage“ aufweisen und „für außerordentliche Entwicklungen […] eine Begrenzungsmöglichkeit“ vorsehen923. Sofern in der variablen Vergütung auch Bezugsrechte auf Aktien enthalten sind, müssen diese gem. 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG mit einer Wartefrist für die erstmalige Ausübung von mindestens vier Jahren versehen werden. Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft so, dass die Weitergewährung der Bezüge unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat die Bezüge auf 919
920
921
922 923
Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung - InstitutsVergV) v. 16. Dezember 2013, BGBl. I S. 4270 (FNA 7610-2-43). Gem. § 17 Abs. 1 sind bedeutende Institute grundsätzlich solche, deren Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre 15 Milliarden Euro erreicht oder überschritten hat. Vgl. ausführlich hierzu: Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 47 ff; zur Institutsvergütungsverordnung Rubner, NZG 2010, 1288 ff.; Christoffer, BKR 2015, 14 ff.. LG Düsseldorf, Urteil v. 22.07.2004, NJW 2004, 3275 (3277); Spindler, in: MüKo-AktG, § 87, Rn. 2; fleischer, in: Spindler/Stilz, § 87, Rn. 1 Vergleiche zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen ausführlich Stenzel, Rechtliche und empirische Aspekte der Vorstandsvergütung, S. 50 ff.
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
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die angemessene Höhe herabsetzen. Der Gesetzgeber hat somit eine Ermächtigungsgrundlage für den Aufsichtsrat geschaffen, einen bestehenden Vertrag einseitig anzupassen. Die Eingriffsvoraussetzungen sind jedoch nach wie vor hoch. Der Aufsichtsrat kann also nicht bei jeder noch so kleinen Verschlechterung der Lage das Gehalt herabsetzen924. Zudem kann die Hauptversammlung nach § 120 Abs. 4 Aktiengesetz bei börsennotierten Gesellschaften über die Billigung eines Vergütungsmodells für den Vorstand entscheiden („Say on Pay“). Dieses Votum ist allerdings unverbindlich und begründet keinerlei Rechte oder Pflichten. 4.3.3.2 § 25a KWG und Institutsvergütungsverordnung Banken müssen gem. § 25a Abs. 1 Nr. 6 KWG „angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme für Geschäftsleiter“ implementieren. Dazu dürfen variable Gehaltsbestandteile nur noch maximal die Höhe des Fixgehalts erreichen, wobei die Hauptversammlung mit entsprechendem Quorum dieses Verhältnis auf 1:2 erhöhen kann. Die „Angemessenheit“ wurde durch die Institutsvergütungsverordnung näher konkretisiert. Sie soll dann gegeben sein, wenn keine Anreize für das Eingehen unverhältnismäßiger Risiken gesetzt werden. Unangemessen ist das Vergütungssystem in der Regel, wenn „trotz negativer Erfolgsbeiträge“ ein Anspruch auf den vollen Bonus besteht. Zudem wurde die Garantie eines Bonus reguliert und unter anderem von einer angemessenen Eigenmittelausstattung des Instituts abhängig gemacht. Ferner müssen wenigstens 60 % der variablen Vergütung auf einen Zweitraum von mindestens drei Jahren gestreckt werden. Diese Untergrenze wird sich bei Vorständen in der Regel auf fünf Jahre erhöhen925. In diesem Zurückbehaltungszeitraum darf ein Anspruch oder eine Anwartschaft auf die variable Vergütung maximal zeitanteilig entstehen. Die variable Vergütung muss zudem grundsätzlich „von einer nachhaltigen Wertentwicklung des Instituts abhängen“ und jeweils mit einer „angemessenen Frist versehen werden“, wann frühestens hierüber verfügt werden darf. Bei Aktiengesellschaften sollen die Vergütungsinstrumente, die sich an einer „nachhaltigen Wertentwicklung“ orientieren, in Form von aktienbasierten Vergütungsformen erfolgen926. Ferner ist darauf zu achten, dass die Haltefrist gem. § 192
924 925 926
Spindler, in: MüKo-AktG, § 87, Rn. 163 ff., m. w. N. § 20 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV. Auslegungshilfe der BaFin zur InstitutsVergV v. 01.01.2014 (§ 20), abrufbar unter: http://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/BA/ae_140101 _institutsvergv.html.
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Abs. 2 Nr. 4 AktG erst nach dem Zurückbehaltungszeitraum beginnen darf, da erst dann ein Anspruch auf die Ausübung der Option besteht927. Der vollständige Verlust einer variablen Vergütung tritt gem. § 20 Abs. 5 InstitutsVergV insbesondere dann ein, wenn der Vorstand (1.) an einem Verhalten, das für das Institut zu erheblichen Verlusten geführt hat, beteiligt war oder dafür verantwortlich war oder (2.) er externe oder interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten nicht erfüllt hat.
927
Auslegungshilfe der BaFin zur InstitutsVergV v. 01.01.2014 (§ 20).
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
237
4.4 Die Entwicklung der Vorstandsvergütungen bei Banken Die Banken mussten ihre Vergütungssysteme Aufgrund dieser Regulierungen anpassen. Um deren Wirksamkeit zu analysieren, werden nachfolgend die Vorstandsvergütungen der beiden größten deutschen Banken zwischen 2006 und 2014 dargestellt, die Entwicklungen aufgezeigt und mit den übrigen DAX-und M-DAXUnternehmen verglichen. Anschließend werden die Entwicklungen mit den Maßnahmen des Gesetzgebers abgeglichen und untersucht, ob die Banken selbst grundlegende Probleme angegangen sind. 4.4.1 Studien des DSW zur Vorstandsvergütung Der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. (DSW) hat die Vorstandsvergütungen der DAX-30 Konzerne und der M-DAX-Unternehmen im Zeitraum 2006 - 2014 analysiert. Nachfolgende Darstellung beruht auf den Zahlen der „DSW-Vorstandsvergütungsstudien“ aus dieser Zeit928. Der DSW hat dabei die Gehälter in die Klassen fixe- und variable Barvergütung sowie aktienbezogene Vergütung eingeteilt. Zur vereinfachten Darstellung wurden Sachleistungen und sonstige Bezüge in die fixe Barvergütung mit einbezogen. Zur besseren Vergleichbarkeit werden Gehälter der Vorstandsvorsitzenden mit einbezogen und nicht gesondert ausgewiesen929. Auffällig ist, dass die fixe Barvergütung von Vorständen stetig ansteigt. Bei der Commerzbank (CoBa) um 153 %, bei der Deutschen Bank (DeuBa) fällt die Bilanz noch extremer aus: Dort stieg sie im selben Zeitraum um etwa 310 %930. Auch die aktienbasierte Vergütung wurde deutlich verändert. Dieser Anteil stieg bei der CoBa bis 2014 um 573 %. Bei der DeuBa ist dieser Anteil hingegen mit - 31 % rückläufig. Insgesamt bewegen sich die Gehälter von Vorständen nicht mehr auf einem ganz so hohen Niveau wie 2006. Sowohl die Vorstände der CoBa (- 19 %) als auch die der DeuBa (- 25 %) mussten Einschnitte hinnehmen. (vgl. Abb. 1).
928 929 930
Für einen Überblick vgl. http://www.dsw-info.de/Pressekonferenzen.67.0.html. Die Tabellen und die einzelnen Schaubilder sind dieser Arbeit als Anhang beigefügt. Vgl. für alle Zahlen für Banken von 2006 - 2014 Tabelle 1a (im Anhang).
238
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
Abbildung 1: Vorstandsvergütung bei Banken 4.4.2 Trend bei anderen DAX-30 Konzernen Die Entwicklung in den übrigen 28 DAX-Konzernen im selben Zeitraum ist anders: Vergütungsart:
2006
2014
Differenz
fix
€ 0,73 Mio.
€ 0,96 Mio.
+ 131 %
variabel
€ 1,29 Mio.
€ 1,64 Mio.
+ 126 %
bar insgesamt
€ 2,03 Mio.
€ 2,60 Mio.
+ 128 %
aktienbasiert
€ 0,55 Mio.
€ 0,76 Mio.
+ 138 %
gesamt
€ 2,57 Mio.
€ 3,36 Mio.
+ 130 %
Abbildung 2: Vergütung im DAX (ohne Banken) - Tab. 2931 Die Veränderung bei aktienbasierten Vergütungsbestandteilen fällt somit anteilig etwas größer auS. Das Gehalt der Vorstände in den restlichen DAX-Unternehmen ist also in allen Bereichen ziemlich gleichmäßig und somit auch absolut gestiegen (vgl. Abb. 2). 931
Vgl. für alle Zahlen für den DAX von 2006 - 2014 Tabelle 2a (im Anhang).
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
239
Abbildung 3: Vorstandsvergütung im DAX (ohne Banken) 4.4.3 Vergleich zu M-DAX Unternehmen Die Gehaltsentwicklung der M-DAX Unternehmen orientiert sich eher an der der übrigen DAX-Konzerne, als an den Banken: Vergütungsart:
2006
2014
Differenz
fix
€ 0,493 Mio.
€ 0,687 Mio.
+ 139 %
variabel
€ 0,661 Mio.
€ 0,740 Mio.
+ 112 %
aktienbasiert
€ 0,218 Mio.
€ 0,416 Mio.
+ 189 %
gesamt
€1,372 Mio.
€ 1,839 Mio.
+ 134 %
Abbildung 4: Vergütung im M-DAX - Tab. 3932 Die Entwicklung der Gesamtvergütung ist fast identisch mit den Dax-Konzernen (vgl. Abb. 3).
932
Vgl. für alle Zahlen für den M-DAX von 2006 - 2014 Tabelle 3a (im Anhang).
240
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
Abbildung 5: Zusammensetzung der Vorstandsvergütung im M-DAX Daraus ergibt sich ein interessantes Bild für das relative Verhältnis von fixen zu variablen Vergütungsbestandteilen zwischen Banken, den übrigen DAX- und den M-DAX-Unternehmen: Unternehmen:
2006
2014
CoBa
1 : 3,11
1 : 1,18
DeuBa
1 : 6,14
1 : 0,73
DAX
1 : 2,51
1 : 2,49
M-DAX
1 : 1,78
1 : 1,68
Abbildung 6: Verhältnis fixe/variable Vergütungsbestandteile - Tab. 4 Bei DAX- und M-DAX-Unternehmen hat sich diese Zusammensetzung kaum verändert. Das Verhältnis von fixen und variablen Gehaltsbestandteilen liegt im DAX unverändert bei knapp 1 : 2,5. Drastisch fällt dieser Vergleich allerdings bei der DeuBa auS. (vgl. Abb. 4).
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
241
Abbildung 7: Verhältnis fixe/variable Vergütungsbestandteile 4.4.4 Erläuterung der Entwicklung Bei allen Vorstandsgehältern sind Schwankungen grundsätzlich nichts UngewöhnlicheS. Diese zeigen sich sowohl bei Banken als auch bei realwirtschaftlichen Unternehmen. Die teilweise drastischen Abweichungen bei Banken sind hingegen nicht auf normale Schwankungen im Rahmen des allgemeinen Geschäftsbetriebs zurück zu führen. Die Finanzkrise selbst und die nachgelagerte Regulierung der Gehälter hatten maßgeblichen Einfluss auf die Veränderungen. Nachfolgend wird untersucht, ob die aufgezeigten Schwankungen allein durch die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch die CoBa und die DeuBa erklärt werden können. Ferner werden die Vergütungsmodelle daraufhin überprüft, ob sie mit der Intention des Gesetzgebers, die Banken zu nachhaltigem Wirtschaften zu veranlassen, vereinbar sind. 4.4.4.1 Vergütungsmodelle der Commerzbank AG Der erste Gehaltsschnitt im Jahr 2008 bei der CoBa war eine Folge der Finanzkrise. Durch das schlechte Jahresergebnis 2008 ließ die Ertragslage keine Bonuszahlungen zu933. Zudem hat sich der SoFFin im Rahmen eines Rettungsprogramms mit 25 % an der CoBa beteiligt. Diese Beteiligung wurde unter der Auflage erworben, dass die Vergütung von Vorständen begrenzt wird934. In den Folgejahren 933 934
Geschäftsbericht der Commerzbank 2008, S. 33. Geschäftsbericht der Commerzbank 2008, S. 32.
242
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
wurden daher nur € 500.000,00 in bar sowie Zusatzleistungen wie Fahrer und Sicherheitsdienste gewährt. Mit Erlass der InstitutsVergV im Jahr 2010 wurde das bestehende Vergütungsmodell reformiert. Diese Veränderung schlug sich aufgrund der Beteiligung des Bundes und der damit verbundenen Kürzung des Gehalts jedoch erst 2012 bei den Auszahlungen nieder. Bislang sah das Modell bei einer Zielerreichung von 100 Prozent eine Gewichtung von 32 % Festvergütung, 60 % kurzfristig variable Vergütung und 8 % langfristig variable Vergütung vor. Zukünftig sollte die Verteilung im Verhältnis 43:14:43 erfolgen935. Konkret wurde die fixe Barvergütung auf € 750.000,00 festgelegt und ein ShortTermin-Incentive (STI) sowie ein Long-Term-Incentive Plan (LTI) implementiert. Der STI setzte sich aus zwei Komponenten zusammen, dem Economic-ValueAdded (EVA) und einer persönlichen Zielerreichung für das Ressort des jeweiligen VorstandS. Die Laufzeit betrug jeweils ein Jahr. Jede Komponente war bei 100 Prozent Zielerreichung mit € 125.000,00 dotiert. Die Zielgrößte des STI belief sich somit auf € 250.000,00 pro Jahr und war bei 200 Prozent - also bei € 500.000,00 - gedeckelt. Der vier Jahres-LTI sah einen Bonus von € 750.000,00 bei 100 Prozent Zielerreichung vor und setzte sich je zur Hälfte aus EVA und einer aktienbasierten Komponente zusammen. Bei letzterer wurden der Total-Shareholder-Return (TSR) der CoBa im Vergleich zu anderen Banken des Dow Jones EURO STOXX und die absolute Performance der CoBa-Aktie als Bemessungsgrundlage herangezogen936. Sowohl die Zielgrößen für STI als auch für LTI wurden vom Aufsichtsrat diskretionär bestimmt. Die maximale Zielerreichung lag auch hier bei 200 Prozent937. Für diesen Fall der 200-prozentigen Zielerreichung lag das o. g. Verhältnis von fixen, kurzfristigen und langfristigen Vergütungsbestandteilen bei 27:18:55938. Dieses Vergütungsprogramm sah allerdings keine Aktien als Vergütungsbestandteil vor. Es gab auch kein Aktienoptionsprogramm; es handelte sich hingegen um ein virtuelles Aktienprogramm, bei dem lediglich Barzahlungen aktienkursbasiert getätigt wurden. Für den Vorstand bestand eine Verpflichtung, 50 % der Nettoauszahlungen in Commerzbankaktien anzulegen. 935 936 937 938
Grundzüge des Vergütungssystems (CoBa), S. 1. Daraus ergibt sich ein „Relative Shareholder Return“ (RTS). Die Werte für STI und LTI wurden später erhöht auf maximal T€ 800 bzw. T€ 1.200 bei 200 % Zielerreichung. Geschäftsbericht der Commerzbank 2010, S. 52.
ÖKONOMISCHE ASPEKTE DER VORSTANDSVERGÜTUNG
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Dieses Konzept spiegelte sich auch in den später erhobenen Zahlen des DSW wieder. Der bislang kaum existente aktienbasierte (Bar-)Gehaltsbestandteil (STI und LTI) hat sich um mehr als das Fünffache erhöht. Wenn der LTI-Plan ausschließlich aktienbasiert gewährt worden wäre, hätte sich dieser Anteil verdoppelt. Auffällig ist auch, dass, seitdem in 2013 erstmals wieder EVA-basierte Boni ausbezahlt wurden, die Auszahlungen für persönlich erreichte Ziele die des EVA deutlich überwiegen. So machten die Zahlungen für persönliche Ziele des Vorstands 68 % der Bonuszahlungen aus939. Die Zielerreichung innerhalb der Ressorts übersteigt die des Gesamtunternehmens also bei weitem. Auch die Reform des KWG zum 01.01.2014 zur Begrenzung des Verhältnisses von fixer und variabler Vergütung wurde bei der CoBa umgesetzt. Die Hauptversammlung beschloss 2015, die variable Vergütung für Vorstände ab 01.01.2015 auf maximal 140 % des Grundgehalts zu begrenzen, um einer weiteren Erhöhung der Fixgehälter vorzubeugen940; denn wäre die Anhebung auf 140 % nicht erfolgt, so sah der Alternativvorschlag vor, das Grundgehalt zu erhöhen, damit die Vorstände keine Gehaltseinbußen verzeichnen müssten. Das o. g. Verhältnis von Fixund Barvergütung soll damit erhalten bleiben. Die gesetzlichen Vorgaben wurden also umgesetzt. Allerdings wurden STI und LTI gestrichen und durch einen einheitlichen Bonus ersetzt, der sich zu 70 % am EVA und zu 30 % an persönlichen Zielen orientiert. 20 % dieses Bonus werden im selben Jahr in bar ausbezahlt, weitere 20 % aktienbasiert in bar nach einer Wartezeit von 12 Monaten. Auf diese Weise wird die (kurzfristige) Entwicklung des Aktienkurses bei der Berechnung des Bonus mit einbezogen. Für die restlichen 60 % des Bonus wurde ein Zurückbehaltungszeitraum von fünf Jahren eingeführt. Danach wird die Hälfte in bar ausbezahlt, die andere Hälfte nach einem weiteren Jahr aktienkursbasiert ebenfalls in bar. Gemein ist beiden Konzepten, dass der Aufsichtsrat die jeweiligen Ziele für EVA, Aktienkurs und die Ressorts diskretionär bestimmt. Da die Ziele über mehrere Jahre definiert werden, wird der Bonus der Vorstände auch an langfristigen Unternehmenszielen ausgerichtet. Hierfür sind sowohl der EVA als auch der absolute Aktienkurs angemessene Zielgrößen, beide richten sich an der Wertsteigerung des Unternehmens und somit an den Interessen der Anteilseigner aus. Kritisch zu beurteilen ist hingegen die partiell relative Gewichtung des Aktienkurses am Kurs anderer Banken. Dadurch ist auch in schlechten Zeiten und bei einem negativen Jahresergebnis eine Boniauszahlung möglich, falls die Performance im 939 940
Geschäftsbericht der Commerzbank 2014, S. 42. Beschlussergebnisse der Hauptversammlung der CoBa v. 30.04.2015, abrufbar unter: https://www.commerzbank.de/media/aktionaere/haupt/2015_3/Abstimmungsergebnisse_2015_deuts ch.pdf.
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Vergleich zu anderen Banken gut ist. Damit wird „der Beste unter den Schlechten“ immer noch belohnt941, was nicht sachgerecht ist, weil durch diese Handhabe der Anreiz zur Risikomeidung gemindert wird: Vorstände könnten etwa darauf verzichten, den Anteil risikoreicher Papiere in ihren eigenen Portfolios zu reduzieren, wenn andere Banken dies ebenfalls unterlassen: Wenn sie im Vergleich besser abschneiden, würde der Bonus trotzdem bezahlt werden. Die Commerzbank hat sich unter staatlichem Einfluss neu aufgestellt. Positiv daran ist vor allem der Wegfall des kurzfristig ausgestalteten STI-Plans, der Anreize für ein kurzfristiges Wirtschaften des Vorstands gesetzt hat. Allerdings werden auch nach dem neuen Modell 20 % des variablen Gehalts im selben Jahr ausbezahlt. Auch die stärkere Orientierung am EVA anstatt an den Ressortzielen der einzelnen Vorstände ist positiv. Sie stellt sicher, dass der Vorstand selbst ein Interesse an einem langfristigen Erfolg des Gesamtkonzerns hat und dieses Interesse in den Mittelpunkt rückt. Es muss abgewartet werden, ob zukünftige Auszahlungen dies wiederspiegeln. Denn wenn nur die einzelnen Ressortziele erreicht werden, die EVA-Ziele hingegen nicht, wird im Verhältnis auch weiterhin der Bonus für persönliche Ziele überwiegen. Wünschenswert wäre eine stärker aktienbasierte Vergütung, auch in Form von langfristig ausgestalteten Aktienoptionsprogrammen. Dies könnte eine stärkere Identifikation der Vorstände mit dem Unternehmen fördern und den Liquiditätsabfluss begrenzen. Im Ergebnis sind die Veränderungen bei der Commerzbank hauptsächlich auf die Regulierung durch den Gesetzgeber nach der Finanzkrise zurück zu führen. Eine wirkliche „Eigeninitiative“ der Bank, dass sie mehr tut, als sie müsste, ist nicht erkennbar. 4.4.4.2 Vergütungsmodelle der Deutsche Bank AG Die Gehaltsschwankungen bei der DeuBa sind sowohl relativ als auch absolut gesehen noch drastischer ausgefallen als bei der CoBa. Das Vergütungssystem der DeuBa war und ist bis heute ungleich komplizierter, als das der CoBa, weshalb hier lediglich die wesentlichen Eckpunkte wiedergegeben werden942. Die erste Änderung stand auch bei der DeuBa nach Erlass der InstitutsVergV 2010 an. Das Grundgehalt wurde auf € 1.150 Mio.943 festgesetzt. Es wurden außerdem 941 942 943
Dilenge, Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 174 f. Vgl. für eine detaillierte Darstellung die Vergütungsberichte der Deutschen Bank, abrufbar unter: https://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de. Für den Vorstandsvorsitzenden € 1.65 Mio.
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ein Bonusprogramm und ein Long-Term-Performance Award (LTPA) implementiert. Der Bonus hatte eine Zielgrößte von € 1.150 Mio.944 und war bei 225 % gedeckelt. Als Bemessungsgrundlage wurde die Eigenkapitalrendite der Bank der letzten zwei Jahre herangezogen. Für den LTPA war als Zielgröße € 2.175 Mio.945 vorgesehen und bei 125 % gedeckelt. Anknüpfungspunkt war dabei die Performance der DeuBa-Aktie aus dem Verhältnis der Aktienrendite der DeuBa zum Durchschnittswert der Aktienrenditen anderer ausgewählter Banken946. Sofern die Zielgrößen unterschritten wurden, hat sich der Bonus überproportional verringert. Mit dieser überproportionalen Berücksichtigung einer negativen Entwicklung bei der Berechnung der Boni hat die DeuBa eine „asymmetrische Belohnungsfunktion“ eingeführt: Manager empfinden die Bestrafung für schlechte Leistung als ungleich härter, als die Belohnung für gute Leistung947. Der Bonus vermindert sich beim Unterschreiten des Zielwerts stärker als er bei Überschreitung steigt. Es wird also ein Negativanreiz gesetzt: Er verminderte sich bei Unterschreitung im Bereich von 99 % - 80 % für jeden Punkt um 2 Prozentpunkte und im Bereich von 79 % - 60 % um 3 Prozentpunkte. Unterhalb dieser Grenze wurde gar kein Bonus ausbezahlt. 60 % der variablen Vergütung wurden aufgeschoben über einen Zeitraum von insgesamt viereinhalb Jahren gewährt. In dieser Zeit konnte die Vergütung noch verfallen. Für den Teil, der in Aktien gewährt wurde948, schloss sich danach eine Haltefrist von 1 - 3 Jahren an. Die restlichen 40 % der (sofort unverfallbaren) variablen Vergütung wurden maximal zur Hälfte sofort in bar ausbezahlt und zur Hälfte in „Equity Upfront Awards“ (also Aktien) gewährt. Diese hatten wieder eine Haltefrist von drei Jahren. Die zweite große Reform ihres Vergütungssystems hat die DeuBa 2014 eingeführt949. Wesentlicher Baustein war die Anhebung des Grundgehalts auf € 2.4 Mio.950. Hinzu kam der Hauptversammlungsbeschluss, wonach das Verhält-
944 945 946 947 948 949 950
Für den Vorstandsvorsitzenden € 4.0 Mio. Für den Vorstandsvorsitzenden € 4.8 Mio. In diesem fall Banco Santander, BNP Paribas, Barclays, Credit Suisse, Goldman Sachs, J. P. Morgen Chase. Rappaport, Shareholder Value, S. 183; Schüller, Vorstandsvergütung, S. 53. Sog. „Restricted Equity Awards“. Die aufgeschobene Barvergütung wurde als “Restricted Incentive Award” bezeichnet. Auf die geringfügigen Änderungen in den Jahren 2012 und 2013 wird vorliegend nicht eingegangen. Für den Vorstandsvorsitzenden € 3.8 Mio.
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nis von fixer zu variabler Vergütung auf maximal 1 : 2 angehoben wurde951. Seit 2014 können Vorstände also bei einem Überschreiten der Zielwerte, die von der Bank ausgegeben wurden, maximal das Doppelte ihrer Festvergütung als Bonus erhalten - gesetzlich darf lediglich 100 % der Festvergütung als Bonus gewährt werden. Der LTPA wurde im Grundsatz beibehalten. Zusätzlich wurde ein Anual Performance Award (APA) eingeführt. Der APA setzt sich aus 60 % konzernübergreifenden Zielen und 40 % individuellen Zielen zusammen. Die konzernübergreifenden Ziele bestehen dabei zu je 15 % aus den Kategorien
Kapital (Kernkapital- und Verschuldensquote) Kosten (Kosten-Ertrag-Relation - „cost-income-ratio“ (CIR)) Kompetenz (Wertbeitrag) und Kultur/Kunden (Mitarbeiterzufriedenheit, Verhalten und Reputation).
Für die individuellen Ziele vereinbart der Aufsichtsrat mit jedem Vorstandsmitglied ein quantitatives Ziel aus den Kategorien Kapital/Kosten/Kompetenzen und ein qualitatives Ziel aus den Kategorien Kultur/Kunden (je 15 %). Die verbleibenden 10 % werden vom Aufsichtsrat nach freiem Ermessen gewährt. Der LTPA wurde ebenfalls umgestaltet. Dieser setzt sich nun sowohl aus der relativen Aktienrendite (RTSR) im Vergleich zu anderen Instituten952 (2/3) als auch einem „Culture & Client“-Faktor (1/3) zusammen. Die asymmetrische Belohnungsfunktion wurde beibehalten. Der „Culture & Client“-Faktor wird anhand von Umfragewerten bestimmt und ist somit ein „softes“ Ziel. Grundlegende Änderungen wurden auch in der Zusammensetzung der Gehaltskomponenten vorgenommen. Die APA wird nur noch in Form von aufgeschobener Barvergütung („Restricted Incentive Awards) gewährt. Eine sofortige Barauszahlung entfällt. Der LTPA wird ausschließlich aktienkursbasiert als „Restricted Equity Award“ gewährt, die erst nach viereinhalb Jahren fällig werden („Cliff Vesting“) und dann noch mit einer Haltefrist von 6 Monaten versehen sind. Der Vorstand ist zudem einmalig verpflichtet, das Doppelte eines Jahresgehalts953 in DeuBa-Aktien anzulegen und mindestens bis zu seinem Ausscheiden zu halten. 951 952
953
Der Beschluss wurde auf der Hauptversammlung 2014mit 90,84 % angenommen, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2014_Abstimmungsergebnisse_de.pdf. Zu den bereits benannten Banco Santander, BNP Paribas, Barclays, Credit Suisse, Goldman Sachs und J. P. Morgen Chase wurden noch die Bank of America und die Citigroup (bei aus den USA) aufgenommen. Die Vorstandsvorsitzenden müssen nur ein einfaches Jahresgehalt an Aktien vorhalten.
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Der Vorteil liegt darin, dass es bei sinkenden Aktienkursen zu einer tatsächlichen Vermögensminderung kommt und nicht nur ein Gehaltsbestandteil wegfällt954. Die DeuBa hat zudem den Anteil an langfristig auszuzahlenden Vergütungsbestandteilen erhöht. Das Verhältnis von Fixgehalt, kurzfristigen- und langfristigen Vergütungskomponenten beträgt für den Zielwert 41:18:41. Sofern die Zielgröße der Bank also erreicht wird, ist das Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung 1 : 0,69. Es ist somit nahezu identisch mit dem der CoBa. Durch Vergütungskomponenten, die aufgeschoben gewährt bzw. über mehrere Jahre gestreckt werden, soll eine weitere Verbundenheit mit der Wertentwicklung der Deutsche Bank Aktie - auch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand - garantiert werden955. Diese Intention ist grundsätzlich nachvollziehbar. In der Praxis zeigt sich jedoch ein anderes Bild. So lag das Verhältnis von fixen zu variablen Vergütungsbestandteilen 2014 bei 1 : 0,73 und somit deutlich unterhalb des von der Hauptversammlung genehmigten Maximalwertes von 1:2. Es drängt sich somit die Frage auf, ob die massive Anhebung der Fixgehälter tatsächlich notwendig war. Dies scheint anhand der vom DSW erhobenen Zahlen zweifelhaft. Es liegt nahe, dass die ausgegebenen Ziele nicht erreicht wurden956. Als Konsequenz hätte man eine Absenkung der Gehälter erwartet. Das ist jedoch nicht geschehen. Lediglich die aktienbasierte Vergütung hat sich beinahe halbiert. Das (erfolgsunabhängige) Grundgehalt hat sich dagegen fast verdoppelt. Offensichtlich war die Bank nicht bereit, eine Kürzung der Vorstandsgehälter in Kauf zu nehmen: Nach Ansicht der DeuBa hätte sich unter Beibehaltung des bis 2014 gebilligten Systems aus den gesetzlichen Vorgaben (gemeint ist die Beschränkung der Boni bei 100 % der Fixgehaltes) die Notwendigkeit ergeben, die festen Gehälter - sprich: die kurzfristig auszuzahlende Barkomponente - signifikant zu erhöhen957. Diese Erklärung ist nicht nachvollziehbar. Einer Anhebung des Maximalwertes von fixer zu variabler Vergütung für den Vorstand auf 1 : 2 war nicht notwendig. Denn selbst der gesetzliche Grenzwert von 1 : 1 wurde nicht erreicht. Hiermit sollte wohl nur der massive Anstieg der Fixgehälter um 80 % gerechtfertigt werden, 954 955
956 957
Kramarsch/Filbert, in: Handbuch DCGK, S. 513. Geschäftsbericht der Deutschen Bank 2014 - Grundsätze des Vergütungssystems, abrufbar unter: https://geschaeftsbericht.deutschebank.de/2014/gb/lagebericht/verguetungsbericht/vorstandsverguetung/grundsaetze.html. Vgl. Wirtschaftswoche vom 24.03.2015: „Diese zehn Dax-Chefs erfüllen ihre Ziele nicht“. Deutsche Bank zur Hauptversammlung 2014 - Vergütungssystem der Vorstandsmitglieder - Heraufsetzung der Grenze für variable Vergütungskomponenten, abrufbar unter: https://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de/2014/gb/lagebericht/verguetungsbericht.html .
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Einer Anhebung auf das Verhältnis von 1 : 2 hätte es nur dann bedurft, wenn das Fixgehalt weniger (oder gar nicht) erhöht worden wäre und im Gegenzug die Ziele für den Vorstand so vereinbart worden wären, dass sie einen höheren Bonus erreichen können. Dies ist jedoch nicht geschehen. Im Ergebnis hat die DeuBa ihr Vergütungssystem zwar Großteils neu gestaltet. Dies geschah jedoch nicht freiwillig, sondern ausschließlich aufgrund der Regulierung durch den Gesetzgeber. Inhaltlich fällt auf, dass der Spielraum, den der Gesetzgeber gewährt, maximal ausnutzt wird. Die Regulierung wird als Erklärung für eine massive Erhöhung der fixen Barvergütung vorgeschoben, ohne dass ein Zusammenhang schlüssig dargestellt wird. Inhaltlich besteht dieser gerade nicht - es soll lediglich das hohe Gehaltsniveau aufrechterhalten werden958. 4.4.4.3 Vereinbarkeit mit der Intention des Gesetzgebers Die Intention des Gesetzgebers wird in der Umsetzung der regulatorischen Vorgaben durch die Banken nicht komplett wiedergespiegelt. Eigentliches Ziel war es, durch die Begrenzung der Boni die Risikobereitschaft der Vorstände zu senken und ihr Handeln in Richtung nachhaltige Unternehmensführung zu beeinflussen. Die Beibehaltung des hohen Gehaltsniveaus war nicht Intention des Gesetzgebers und findet sich folgerichtig in der Gesetzesbegründung nicht wieder. Weder bei der Commerzbank noch bei der Deutschen Bank wurden die ausgegebenen Unternehmensziele in den letzten Jahren erreicht959. Dort wäre also eigentlich eine geringere Vergütung angemessen gewesen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Realiter wurden vor allem bei der Deutschen Bank das Fixgehalt und der Maximalwert von fixer zu variabler Vergütung auf 1:2 erhöht. Die angeführte Begründung, dass dies nur deshalb geschehen sei, um die Grundgehälter nicht noch weiter anheben zu müssen, ist nicht nachvollziehbar. Da die variable Vergütung die Fixvergütung jetzt sogar unterschreitet, hätte es keiner Anhebung auf das Verhältnis 1:2 bedurft. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) verknüpft in Ziff. 4.2.3 die fixen mit den variablen Vergütungsbestandteilen, d. h., auch die variable Vergütung ist Bestandteil der Gesamtvergütung und soll nicht als „Sahnehäubchen on top“ gewährt werden960.
958 959 960
Vgl. Beitrag vom 22.05.2014: „Deutsche Bank boxt Bonus durch“, abrufbar unter: http://www.n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-Bank-boxt-Bonus-durch-article12884806.html . Vgl. Wirtschaftswoche vom 24.03.2015: „Diese zehn Dax-Chefs erfüllen ihre Ziele nicht“. Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Ziff. 4, Rn. 725.
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Dem Vorstand soll durch die Fixvergütung als „Grundsicherung“ gestattet werden, seine Amtsführung - angemessen unabhängig von kurzfristigen Erfolgszielen - am Interesse der Gesellschaft und den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auszurichten961. Die derzeitige Entwicklung geht weg von dieser Grundsicherung hin zu einem Modell, bei dem der Vorstand bei minimalem eigenem Risiko das Gesamtrisiko der Bank erhöhen kann962. Der Bonus ist für ihn gerade noch die „Sahne auf dem Kuchen“. Weder an einem schlechten Jahresergebnis noch an Verlusten droht ihm eine Beteiligung - und dies ist ganz offensichtlich auch nicht gewollt. Zur Umsetzung der Intention des Gesetzgebers sind daher weitere regulatorische Eingriffe nötig: Die Banken haben die Chance nicht genutzt, diese innerhalb des vorgegebenen Rahmens umzusetzen. 4.4.5 Einfluss des „Say-on-Pay“ auf die Vorstandsvergütung An dieser Entwicklung konnte auch die Einführung des „Say-on-Pay“ Grundsatzes durch das VorstAG nichts ändern. Danach kann die Hauptversammlung über die Billigung eines Vergütungsmodells für den Vorstand entscheiden. Die Zahlen sind jedoch ernüchternd: Im Jahr 2010 haben noch 28 der DAX-30 Konzerne ihre Anteilseigner darüber abstimmen lassen, 2015 waren es nur noch sechs963. Im Rahmen der Hauptversammlung der Deutschen Bank 2014 wurde der Beschlussgegenstand „Abstimmung über das neue Vergütungsmodell für Vorstände und die Anhebung des Verhältnisses von fixer zu variabler Vergütung auf 1:2“ mit 88,71 % der Stimmen angenommen - wobei gerade einmal etwa jeder fünfte Aktionär seine Stimme abgab964. Diese Entwicklung ist wenig überraschend. Die meisten Aktien befinden sich im Streubesitz. Kleinaktionäre, die eher risikoavers sind, nehmen kaum an Hauptversammlungen teil. Institutionelle Anleger hingegen haben großes Interesse an hohen Risiken und den damit einhergehenden hohen Renditen. Der Interessenausgleich zwischen Anteilseignern und dem Vorstand gelingt nun auch anhand konventioneller Vergütungsmodelle: Der an sich risikoaverse Vorstand wird durch das hohe Grundgehalt und die Bonisysteme dazu angehalten, höhere Risiken einzugehen. Ihm selbst droht ja kein Verlust. Im Gegenteil: Durch die drastisch gestiegenen Fixvergütungen ist das Risiko der Vorstände sogar gesunken. 961 962 963 964
Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Ziff. 4, Rn. 725. Kramarsch/Filbert, in: Handbuch DCGK, S. 512. Vorstandsvergütungsstudie des DSW 2015, S. 63. Siehe TOP 9 der Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlung 2013 der Deutsche Bank AG, abrufbar unter: https://www.deutsche-bank.de/ir/de/download/HV2013_Abstimmungsergebnisse_de_2705.pdf.
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Die übrigen Stakeholder werden bei diesem Modell außen vor gelassen. Vor allem das öffentliche Interesse an einem stabilen Bankensystem findet weder in den Modellen vor der Krise, noch in den derzeitigen Vergütungsmodellen nachhaltig Berücksichtigung. Allenfalls die neue Institutsvergütungsverordnung nimmt dieses Interesse im Wortlaut auf, wonach Boni „langfristige Anreize“ setzen sollen und eine „nachhaltige Unternehmenspolitik“ gefördert werden soll - allerdings ohne hierzu hinreichend konkrete Vorgaben zu machen. Auch wenn es teilweise als „kluge Selbstbeschränkung des Reformgesetzgebers“965 bezeichnet wurde, keine zu strengen Vorgaben zu machen und die konkrete Ausgestaltung der Vergütungsmodelle den Banken zu überlassen, zeigt die Praxis, dass dies ineffektiv war. Anstatt die Vorstände mit in die Verantwortung zu nehmen, wurden deren Risiken durch hohe Fixgehälter sogar reduziert. Da die Vorgaben derzeit nicht ausreichen, um eine entsprechende Entwicklung zu bewirken, müssen andere Modelle entwickelt werden. 4.4.6 Zwischenergebnis Die Entwicklung zeigt deutlich, dass sich der Finanzsektor losgelöst von der Realwirtschaft entwickelt. Da diese Bereiche untrennbar miteinander verbunden sind, sollte die Entwicklung auf vergleichbarem Niveau angeglichen werden. Dafür sind weitere und weitreichendere Regulierungen erforderlich. Es zeigt sich, dass ein Vergütungssystem, das isoliert Boni reguliert, unvollständig ist: Auch das Festgehalt muss in diese Regulierung aufgenommen werden, um die Spielräume, die sich aus der Verknüpfung von fixer und variabler Vergütung ergeben, nachvollziehbar zu begrenzen.
965
Fleischer, NZG 2009, 801 (803).
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4.5 Neue Vergütungsformen de lege ferenda Die bisherigen regulatorischen Ansätze stecken einen Mindestrahmen ab, innerhalb dessen sich die Vergütungsmodelle von Banken bewegen müssen. Unmittelbar wurde lediglich die variable Vergütung reguliert. Das Fixgehalt wurde nur mittelbar beeinflusst: Die Boni dürfen nun nur noch doppelt so hoch sein wie die Grundvergütung. Im Rahmen der Privatautonomie bliebe es Banken jedoch unbenommen, dennoch strengere oder schlicht andere Vergütungsmodelle zu implementieren, die noch mehr auf eine nachhaltige Unternehmenspolitik des Vorstands abzielen. Hiervon wurde bislang kein Gebrauch gemacht und man kann auch nicht davon ausgehen, dass sich dies ohne strengere Vorgaben durch den Gesetzgeber ändern wird. Busse von Colbe sieht die Gefahr in einer falsch verstandenen, zu kurzfristig ausgerichteten Shareholder-Value Politik. Dies gelte besonders für eine Vergütung von Führungskräften, die sich an einer kurzfristig erhöhten Vermögenssteigerung des Unternehmens ausrichtete - was jedoch schwer zu lösen sei966. Eine mögliche Lösung könnten neue Vergütungsmodelle sein, die über eine weitere Regulierung gegebenenfalls zwangsweise eingeführt werden könnten. Nachfolgend wird die Möglichkeit eines alternativen Vergütungsmodells aufgezeigt, bei dem es möglich ist, Vorstände im Rahmen ihrer Bezüge an den Verlusten des laufenden Geschäftsbetriebs zu beteiligen und sie für den Fall eines Bail-in und Bail-out an einer Sanierung persönlich in die Verantwortung zu nehmen, ohne dabei grundsätzliche und signifikante Gehaltsschnitte einführen zu müssen. 4.5.1 Problem der zu hohen Grundvergütungen Zwar haben sich Vergütungsmodelle von Banken seit der Finanzmarktkrise verändert, es wurde dabei jedoch - auch von Seiten des Gesetzgebers - versäumt, ein wesentliches Grundproblem zu beseitigen: Bislang erhalten Vorstände ungeachtet des Unternehmensergebnisses sehr hohe Grundvergütungen, die überwiegend in bar ausbezahlt werden. Das bedeutet, dass Vorstände auch für den Fall, dass sie schlecht wirtschaften, aufwendig entlohnt werden. Dem ist der Gesetzgeber weder durch das VorstAG noch durch die Reformen des KWG oder der Institutsvergütungsverordnung entgegengetreten. Die Beschränkung der Boni hatte vielmehr einen gegenteiligen Effekt.
966
Busse von Colbe, ZGR 1997, 271 (290).
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Da Vorstände als variable Vergütung „nur noch“ maximal das Doppelte des Fixgehalts erhalten dürfen, hat dies zu einem teilweise massiven Anstieg ihrer fixen Barvergütung geführt967. Für den Fall von Unternehmensgewinnen wird Vorständen zuzüglich zu ihrem Grundgehalt ein hoher Bonus in Aussicht gestellt. Im Rahmen von Verlusten für das Unternehmen wird ihnen zwar kein Bonus ausgezahlt, sie müssen aber auch keinerlei Einbußen ihres Gehalts befürchten - bei sehr hohen Grundgehältern hat das also keinen derart großen Einfluss auf ihr Gesamtgehalt, als dass dies eine Abschreckungsfunktion hätte. Auch in Form eines Malus werden die Vorstände nicht an den Verlusten beteiligt. Sogar im „worst-case“ des Bail-in oder Bail-out müssen sie in der Regel nicht einmal um ihre Position fürchten, da sie diejenigen sind, die das Institut und die Situation am besten kennen und somit auch am ehesten in der Lage sind, das Unternehmen (ggf. unter Aufsicht durch die BaFin) wieder aus der Krise zu führen. Damit wird Vorständen mehr denn je der Anreiz genommen, sich risikoavers zu verhalten und nachhaltig zu wirtschaften. Vor dem Hintergrund sehr hoher Grundgehälter können Vorstände den Rufen einiger Aktionäre nach höheren Risiken bedenkenlos folgen, ohne schmerzliche Gehaltseinbußen befürchten zu müssen. 4.5.2 Modell zur Anpassung bestehender Vergütungsmodelle Das Problem der zu hohen fixen Barvergütung soll nachfolgend anhand eines Modells gelöst werden, das einen Teil der fixen Barvergütung durch umgekehrte Wandelschuldverschreibungen968 ersetzt. Hierbei handelt es sich um Schuldscheine, die mit einer Aktienbezugsoption gekoppelt sind. Das Wandlungsrecht steht ausschließlich dem Emittenten, also der Gesellschaft, zu. Der Gläubiger, in diesem Fall der Vorstand, hat hingegen kein Wandlungsrecht. Ziel dieses Modells ist es, dem Vorstand wieder Anreize für eine nachhaltige Unternehmenspolitik und eine langfristige Steigerung des Unternehmenswerts zu geben, anstatt, auf hohe Boni spekulierend, kurzfristig den Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Im Falle des Erfolgs in Form einer nachhaltigen und guten Unternehmensführung muss eine exzellente Entlohnung gewährleistet sein. Die nachfolgenden theoretischen Grundlagen werden anhand eines Fallbeispiels969 veranschaulicht.
967 968 969
Bei der Deutschen Bank etwa zu einem Anstieg von 79% in 2014, vgl. hierzu unter 4.1. Siehe hierzu bereits unter 2.1.2.1. Siehe hierzu unter 5.2.2.
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Man kann zunächst fragen, weshalb sich gerade jetzt etwas so grundsätzliches im Rahmen der Vergütungsmodelle von Vorständen ändern sollte. Es sprechen mehrere gute Gründe für eine Veränderung der bestehenden Modelle. Zum einen hat sich die Interessenlage seit der Finanzkrise verändert. Das bereits lange diskutierte „too big to fail“ wurde Realität. Um einen kompletten wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, wurden Finanzinstitute von Staaten gerettet. Im Vorfeld konnten die Verantwortlichen ohne jegliches persönliches Risiko hohe Risiken für die Banken eingehen und haben dies auch getan. Dem muss entgegengewirkt werden. Weiter stellt sich die Frage, weshalb bislang keine umgekehrten Wandelschuldverschreibungen als Gehaltsbestandteil eingesetzt wurden. Stichhaltige Argumente gegen umgekehrte Wandelschuldverschreibungen als Gehaltsbestandteil gib es nicht. Man könnte zwar einwenden, dass diese Form der Vergütung aufwendig ist, da auch die umgekehrten Wandelschuldverschreibungen mit genehmigten Kapitalen hinterlegt werden müssen und somit die Hauptversammlung mit eingebunden werden musS. Allerdings ist das bei den bisherigen Vergütungsformen nicht anders: Sobald Aktien- oder Aktienoptionen als Vergütungsbestandteil gewählt werden, muss in jedem Fall die Hauptversammlung beteiligt werden. Aus diesem Grund ist auch der eintretende Verwässerungseffekt der Altaktionäre kein Grund, diese neue Form der Vergütung nicht einzuführen. Zum einen wäre sie bei den entsprechenden Banken kaum spürbar. Zum anderen könnte die Verwässerung durch einen nachhaltigen Wertzuwachs der Aktien und ggf. mit höheren Dividenden kompensiert werden. Auch aus Sicht der Vorstände sprechen keine zwingenden Gründe dagegen. Zwar mögen die umgekehrten Wandelschuldverschreibungen zu temporären Liquiditätseinbußen der Vorstände führen. Diese kann man jedoch - wie noch zu zeigen sein wird - vernachlässigen. Teilweise wurde eingewandt, dass die Schaffung eines genehmigten Kapitals für umgekehrte Wandelschuldverschreibungen bislang gesetzlich nicht geregelt ist und daher Rechtsunsicherheit bestehe970. Allerdings ist die umgekehrte Wandelschuldverschreibung und deren Hinterlegung mit genehmigtem Kapital nahezu allgemein anerkannt971; auch der Gesetzgeber sprich in der Gesetzesbegründung zur Aktienrechtsnovelle von einer „Klarstellung“972. Es bedarf also einer stimmigen Implementierung der umgekehrten Wandelschuldverschreibungen in das bestehende Vergütungsgefüge. 970 971 972
Müller-Eising, GWR 2012, 77 (78). Habersack, in: MüKo-AktG, § 221, Rn. 5a, 52, 216; Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, 321 (324); Koch, in: Hüffer-AktG, § 192, Rn. 9, m. w. N. BT-DrS. 18/4349, S. 27; 17/8989, S. 17.
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4.5.2.1 Wandlungs- und Auszahlungsbedingungen Um eine langfristige und nachhaltige Unternehmensführung durch Anreize zu fördern, müssen Fixgehalt und Boni entsprechend aufeinander abgestimmt sein. Auch das Grundgehalt muss sich also am Erfolg orientieren und davon abhängig gemacht werden. Mit anderen Worten: Auch das Grundgehalt muss verdient sein. Gleichzeitig soll gewährleistet sein, dass die Berechnungsgrößen für Boni und Fixgehalt nicht auf denselben Stichtag fallen. Nur so kann verhindert werden, dass stichtagsbezogen gewirtschaftet und ggf. der Unternehmenswert auf diesen Stichtag hin manipuliert wird. Die jeweiligen Stichtage und Fälligkeitszeitpunkte müssen also aufeinander abgestimmt werden und sich über einen möglichst langen Zeitraum erstrecken. Um dies sicherzustellen, sollten die umgekehrten Wandelschuldverschreibungen eine Laufzeit von 1 - 5 Jahren haben (je 20 % des Nominalbetrags für jedes Jahr) und dürfen nur dann in bar ausbezahlt werden, wenn der Unternehmenswert nicht gefallen ist. Das Grundgehalt wäre somit eine Entlohnung für den Erhalt des Status quo. Sollte der Unternehmenswert gefallen sein, steht der Gesellschaft ein Wandlungsrecht zu, das durch den Aufsichtsrat ausgeübt werden kann. Wird das Wandlungsrecht ausgeübt und erhält der Vorstand demzufolge Anteile am Unternehmen, so sollten hierfür keine Mindesthaltefristen gelten. Ansonsten könnte eingewandt werden, dass dem Vorstand in unverhältnismäßig hohem Maße Liquidität vorenthalten wird, die er sich auch kurzfristig nicht anderweitig beschaffen kann. Diese Beschaffungsmöglichkeit wird durch den Verkauf der Anteile ermöglicht und ist außerdem leistungsgerecht, denn die Anteile sind in diesem Falle weniger wert als der Nominalbetrag der Schuldverschreibungen - die Option ist für den Vorstand „out of the money“. Verkauft der Vorstand seine Anteile unmittelbar am freien Markt, so erhält er einen entsprechend geringeren Betrag. Dies spiegelt faktisch die Kürzung seines Grundgehalts entsprechend der Verluste der Gesellschaft wieder. Der Vorstand wäre somit finanziell unmittelbar an den Verlusten der Gesellschaft beteiligt. Sowohl der Aufsichtsrat als auch die Jahreshauptversammlung werden jedoch nur zurückhaltend von einem entsprechenden Wandlungsrecht Gebrauch machen. Der Aufsichtsrat aufgrund der engen Beziehung zum Vorstand und der möglicherweise
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bestehenden „Seilschaften“ innerhalb des Finanzsektors973 und die Jahreshauptversammlung aufgrund des hohen Interesses der Anteilseigner an einer riskanten Geschäftspolitik. Es bedarf daher eines zusätzlichen regulatorischen Instruments: der Ausübung des Wandlungsrechts durch die BaFin. Dieses Ausübungsrecht müsste für den Fall von Verlusten der Bank im Ermessen der BaFin stehen; im Falle eines Bail-in oder Bail-out ist es jedoch auf null zu reduzieren. 4.5.2.2 Fallbeispiel Ein Vorstandsvorsitzender erhält bislang ein Grundgehalt von € 4,0 Mio. in bar zzgl. Boni, die sich am Aktienkurs974 orientieren. Das bedeutet, dass der Vorstand sein Grundgehalt in voller Höhe erhält, wenn der Aufsichtsrat die Vergütung nicht nach § 87 AktG herabsetzt - auch wenn der Wert des Unternehmens und damit der Aktienkurs fällt. Er partizipiert also grundsätzlich weder an den Verlusten, noch kann bereits bezahltes Gehalt zurück gefordert werden. Die Gesellschaft ist auf ein Entgegenkommen des Vorstands angewiesen und kann keine Beteiligung an der Sanierung erzwingen. Alternativ könnte man die jährliche fixe Barvergütung des Vorstands auf € 1,0 Mio. begrenzen und stattdessen umgekehrte Wandelschuldverschreibungen im Wert von nominal € 3,0 Mio. ausgeben. Diese werden in 5 Tranchen zu je € 600.000,00 mit einer Laufzeit von ein bis fünf Jahren geteilt. Es werden also innerhalb der nächsten 5 Jahre jeweils weitere € 600.000,00 fällig. Über die Jahre laufen somit mehrere Pakete von umgekehrten Wandelschuldverschreibungen auf. Nach dem ersten Jahr wird eine, nach dem zweiten Jahr zwei und nach dem fünften Jahr fünf Pakete umgekehrter Wandelschuldverschreibungen fällig, wobei der Vorstand auch über sein Ausscheiden aus dem Unternehmen hinaus seine „Grundvergütung“ aus den Vorjahren in Form von umgekehrten Wandelschuldverschreibungen bezieht (siehe Abb. 5).
973
974
Vergleiche das Beispiel der Wahl von Louise M. Parent zum Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank auf der Hauptversammlung 2015. Zu dieser Zeit war sie noch als Of Counsel im New Yorker Büro von Cleary Gottlieb tätig. Einzelne Aktionäre äußerten Bedenken aufgrund ihrer Verbindung zum Leiter der Rechtsabteilung der Deutschen Bank Christoph von Dyander, der bis zu seinem Eintritt bei der Deutschen Bank Senior Partner im frankfurter Büro derselben Kanzlei war. Siehe hierzu die Gegenanträge vom 07.05.2015, S. 4 abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2015_Gegenantraege_de_150507-1315.pdf. Üblich ist eine Orientierung am Economic Value Added (siehe hierzu unter 3.2.) an einer relativen Wertentwicklung der Aktie gegenüber ausgewählten Vergleichsinstituten (siehe hierzu unter 4.4.1.) oder durch Berücksichtigung nicht finanzieller Parameter. Zur vereinfachten Darstellung des Modells wird nachfolgend beispielhaft auf den Aktienkurs abgestellt.
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Wie die Vertragsbedingungen auszugestalten sind, um den „optimalen Anreiz“ zu setzen, soll hier nicht erläutert werden. Im Rahmen der Privatautonomie stünde es den Parteien jedoch frei, etwa das Wandlungsrecht nach Ausscheiden des Vorstands zu begrenzen oder bestimmte Ereignisse vom Wandlungsrecht auszunehmen.
Abbildung 8:Tranchierung der umgekehrten Wandelschuldverschreibung Ist der Wert der Aktie am Ausgabestichtag 100, so würde der Vorstand bei einer fingierten sofortigen Wandlung 6.000 Aktien im Wert von € 600.000,00 erhalten. Fällt der Wert der Aktie hingegen nach Ablauf der ersten Wandlungsfrist auf 90, so kann der Aufsichtsrat das Wandlungsrecht ausüben. Der Vorstand würde somit 6.000 Aktien im Wert von dann noch € 540.000,00 erhalten und in diesem Fall an den Verlusten der Gesellschaft partizipieren. Bleibt der Aktienkurs unverändert oder steigt er an, so kann die Gesellschaft ihr Wandlungsrecht nicht ausüben und der Vorstand erhält den Nominalbetrag in Höhe von € 600.000,00 ausbezahlt. Das gleiche Prinzip setzt sich die darauf folgenden Jahre fort. Steigt der Aktienkurs im Vergleich zum Ausgabestichtag, erhält der Vorstand seine Barvergütung wie gehabt. Solange es der Gesellschaft wirtschaftlich gut geht, ist auch der damit verbundene Liquiditätsabfluss hinnehmbar. Fällt der Kurs hingegen, kann die Gesellschaft die Schuldverschreibung in Aktien wandeln. Der Vorstand kann sich dennoch Liquidität beschaffen, indem er seine Aktien am freien Markt zum Verkauf anbietet. Er wird dann einen entsprechend niedrigeren Verkaufserlös erzielen. Setzt sich ein positiver Trend also während und nach seiner Amtszeit fort, so erhält der Vorstandsvorsitzende nach wie vor eine Barvergütung i. H. v. € 4,0 Mio. Entwickelt sich das Unternehmen schlecht, partizipiert der Vorstand auch direkt am Verlust.
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4.5.3 Vorzüge der umgekehrte Wandelschuldverschreibung Diese Lösung bietet im Vergleich zu einer fixen Barvergütung mehrere Vorteile. Zunächst besteht die Möglichkeit, auch Vorstände direkt an den Verlusten der Gesellschaft zu beteiligen. Sofern möglichen Verlusten nicht signifikant höhere potenzielle Gewinne gegenüberstehen, wird sich der Vorstand tendenziell risikoavers verhalten, um seine Grundvergütung nicht zu gefährden. Da Boni jedoch nach wie vor gewährt werden, inzwischen jedoch ebenfalls auf langfristiger Basis durch Ausübungs- und Haltefristen, besteht nach wie vor ein Anreiz, den Unternehmenswert zu steigern. Der Vorstand wird folglich nicht zu absoluter Risikovermeidung angehalten. Mit der Streckung der Boni über mehrere Jahre und auch über das Ausscheiden als Vorstandsmitglied hinaus, bestehen die Anreize gerade darin, den Unternehmenswert langfristig und nachhaltig zu steigern. Dieser Effekt wird durch das vorliegende Modell noch verstärkt. Indem sich die Vorstände ihre Boni verdienen, erhalten sie gleichzeitig auch ein entsprechend angemessenes „Grundgehalt“, das sie sich durch die nachhaltige Wertsteigerung ebenfalls verdient haben. So wird der dargestellte nachhaltige Shareholder Value Gedanke konkret, verantwortlich, messbar und nachvollziehbar in die Praxis umgesetzt. Auch die Problematik der steigenden Grundvergütungen975 würde damit der Vergangenheit angehören. Da sich das eigene Verlustrisiko der Vorstände erhöht, könnten sie den Forderungen von Aktionären, denen an kurzfristigen Gewinnen gelegen ist, nicht mehr so leicht nachkommen. Durch das Wandlungsrecht der Gesellschaft bestünde für den Vorstand ein hohes Risiko, nicht nur seine Boni zu verlieren, sondern sogar einen Teil seiner Grundvergütung. Damit wird auch den Interessen der anderen Stakeholder - des Staates und der Allgemeinheit - an einem stabilen Bankensektor Rechnung getragen. Die Interessen der Anteilseigner werden dabei nicht beschränkt. Der nachhaltige Shareholder Value Gedanke hat gerade nicht ausschließlich die Interessen der Aktionäre, die sich derzeit im Unternehmen befinden, im Blick, sondern die Interessen der Gruppe selbst. Deren Interesse an einem nachhaltigen Unternehmensgewinn deckt sich mit dem der übrigen Stakeholder. Für den Fall, dass das Management einer Bank erfolgreich arbeitet, ändert sich also an der Vergütung nichtS. Lediglich in schlechten Zeiten werden die Vorstände durch eine faktische Gehaltsanpassung mit in die Verantwortung genommen und an den Verlusten beteiligt. Darüber hinaus werden die Interessen der Anteilseigner auch an anderen Stellen berücksichtigt. Für den „worst-case“ des Bail-in oder Bail-out einer Bank war es 975
Siehe hierzu unter 5.1.
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bislang so, dass die Vorstände normal weiter bezahlt wurden und auch im Rahmen der Sanierung keinen eigenen finanziellen Beitrag leisten mussten, selbst wenn sie in den Vorjahren zweistellige Millionenbeträge eingestrichen hatten976 und maßgeblich für die Schieflage verantwortlich waren. Beteiligt wurden bislang nur Anteilseigner und Gläubiger. Es ist für Stakeholder und Shareholder gleichermaßen wünschenswert, auch die Vorstandsmitglieder zu Gläubigern der Gesellschaft zu machen, um einen Beitrag zur Sanierung einfordern zu können. Genau dies gelingt mit Hilfe der umgekehrten Wandelschuldverschreibung: Die hieraus resultierenden „Gehaltsforderungen“ der Vorstände sind zunächst unprivilegierte Forderungen, die in der Insolvenz nur quotal befriedigt werden. Um diese Forderungen in Eigenkapital zu wandeln, müsste man hier nicht einmal den Weg über einen Restrukturierungsplan gehen, da das Wandlungsrecht bereits vertraglich festgelegt ist. Genau diese Flexibilität macht dieses Instrument für Gesellschaft und Anteilseigner so reizvoll, denn mit der Wandlung muss gerade nicht zugewartet werden, bis eine Krise eingetreten ist. Durch die Wandlung im Falle von Verlusten wird sowohl die Eigenkapitalquote gestärkt als auch die Liquidität der Gesellschaft geschont - die sonst in bar auszuzahlenden Beträge fließen nicht ab. Sie stehen dafür dann ggf. später (zumindest teilweise) für eine Gewinnausschüttung zur Verfügung. Der einzige Wehrmutstropfen für die Aktionäre ist in diesem Fall, dass ihre Anteile durch die Wandlung leicht verwässert wurden und die Vorstände an der Ausschüttung zu einem späteren Zeitpunkt auch partizipieren. Mit Blick auf die Zukunft ist das akzeptabel, weil dafür ein langfristiger Wert geschaffen wurde, an dem die Aktionäre auch weiterhin partizipieren werden. Der Verdacht, dass der Vorstand sich durch kurzfristige Kursgewinne „die Taschen füllen“ könnte und an einem eventuellen späteren Verlust nicht mehr partizipiert, ist damit ausgeräumt. Letztlich kann sich dieses Vergütungsmodell auch für die Vorstände als vorteilhaft erweisen. Selbst wenn die Schuldverschreibungen in Anteile gewandelt werden, hält sie doch niemand davon ab, diese Anteile zu halten, bis sich der Kurs wieder erholt hat. Es besteht keine Pflicht, die Aktien unmittelbar zu veräußern. Steigt der Kurs wieder - in o. g. Fallbeispiel etwa auf 110 - , so hätte der Vorstand hierdurch einen zusätzlichen Bonus erwirtschaftet: Die 6.000 Aktien wären dann € 660.000,00 wert.
976
Vergleiche beispielhaft die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, der im Jahr 2007 Boni in Höhe von knapp € 14 Mio. verdiente und auch im Jahr 2008 lediglich freiwillig auf seine Boni verzichtete: Geschäftsbericht der Deutschen Bank 2008, abrufbar unter: https://geschaeftsbericht.deutschebank.de/2008/gb/lagebericht/verguetungsbericht/vorstand/verguetung.html.
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Das Halten der Aktien wäre zudem ein Zeichen an den Kapitalmarkt, dass das Management davon ausgeht, dass der Wert der Aktie wieder steigt. Dies könnte den Aktienkurs möglicherweise positiv beeinflussen. Der Vorstand könnte, für den Fall, dass er die Aktien hält, den Informationsvorsprung wieder zu seinen Gunsten nutzen, da er in der Regel am besten einschätzen kann, ob und wenn ja zu welchem Zeitpunkt sich der Unternehmenswert positiv entwickeln wird. Eine entsprechende Nutzung dieses Wissensvorsprungs käme wiederum den Aktionären insgesamt zugute. Fehlende Mindesthaltefristen für die durch Wandlung erhaltenen Aktien setzen keinen Anreiz für kurzfristiges Wirtschaften durch den Vorstand. Man könnte zwar vermuten, dass der Vorstand einen erlittenen Verlust durch möglichst kurzfristige Beeinflussung des Aktienkurses ausgleichen möchte. Die nächsten Tranchen der Grundvergütung in Form von umgekehrten Wandelschuldverschreibungen wären jedoch erst in Zukunft fällig977. Das heißt, dass dem Vorstand mit einem kurzfristigen Kursgewinn auch nur kurzfristig gedient ist, es für ihn langfristig jedoch schädlich wäre, da die Auszahlung der zukünftigen Tranchen gefährdet wäre. Auf lange Sicht wird also auch dem Vorstand an einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts gelegen sein. 4.5.4 Zusammenfassung Die umgekehrte Wandelschuldverschreibung als neues Vergütungsinstrument ermöglicht eine praktische Umsetzung des in der Theorie bereits überzeugenden nachhaltigen Shareholder Value GedankenS. Sie stellt einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den einzelnen Beteiligungsgruppen (Anteilseigner, Vorstand, Staat und Öffentlichkeit) her, ohne hierbei Interessen einzelner derzeit im Unternehmen präsente Interessenträger unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. Anteilseigner müssen Abstriche bei der Risikoaffinität ihrer Vorstände und somit bei der kurzfristigen (möglichst hohen) Dividende in Kauf nehmen. Dafür entwickelt sich andererseits ein Management, das nachhaltig wirtschaftet und damit sowohl eine kontinuierliche Rendite, als auch eine nachhaltige Werterhaltung und -steigerung der eigenen Unternehmensanteile sicherstellt. Das Management muss Abstriche im Bereich der eigenen kurzfristig zur Verfügung stehenden Liquidität akzeptieren, erhält aber - sofern gut gewirtschaftet wird genauso viel wie zuvor. Auf der anderen Seite ist selbst im Fall kurzfristiger Verluste noch nichts „endgültig verloren“. In diesem Fall können die Anteile am Unternehmen so lange gehalten werden, bis der Wert wieder gestiegen ist, wobei das Management als Leitungsorgan maßgeblichen Einfluss darauf hat. Aus Sicht des Staates wird das erreicht, was stets von allen Seiten gefordert wird: die Stärkung 977
Vgl. Abb. 5.
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von Anreizen für eine nachhaltige und risikoaverse Unternehmensführung zur Gewährleistung eines stabilen Bankensystems. 4.5.5 Ergebnis Es wurde gezeigt, wie Fixgehälter auf eine Art und Weise reguliert werden können, dass die Bankvorstände keine wirtschaftlichen Einbußen hinnehmen müssen. Die beschriebene Regulierung wäre eine sinnvolle und intentional zielführende Ergänzung zu § 87 AktG und § 20 InstitutsVergV: Das Aktienrecht stellt zu hohe Anforderungen an die Herabsetzung von Gehältern, die InstitutsVergV erfasst lediglich die Boni. Mit der umgekehrten Wandelschuldverschreibung können Vorstände sowohl langfristig (!) an den Gewinnen, als auch unmittelbar an laufenden Verlusten beteiligt werden - ihr Gehalt kann mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens "atmen".
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5 Schlussbetrachtung Die Untersuchung über die Wirksamkeit nachgelagerter und präventiver Maßnahmen hat gezeigt, dass weder die gesetzliche Implementierung des Sanierungsund Abwicklungsregimes noch die Übertragungsanordnung dazu geeignet sind, künftige Bankenkrisen zu verhindern. Auch das konventionelle Gesellschaftsrecht setzt weder positive noch negative Anreize für die Verantwortlichen, sich risikoaverser zu verhalten. Es fehlt somit an einer hinreichend präventiven Wirkung des geltenden Rechts. Anreize für risikoaverses Verhalten und nachhaltiges Wirtschaften können am besten über die Entlohnung gesteuert werden und hier über das neue Vergütungsmodell. 1.
Der Gesetzgeber hat in der Krise richtig reagiert. Die Instrumente zur Sanierung, Restrukturierung und Abwicklung von Kreditinstituten, die in die Krise geraten waren, haben schnelles Reagieren unter vereinfachten Bedingungen ermöglicht. Die intendierten Auswirkungen sind nur bedingt eingetreten, Stabilität und Sicherheit auf dem internationalen Finanzmarkt wurden jedoch erst einmal erreicht.
2.
Krisengesetzgebung ist nicht immer verfassungs- und europarechts-konform. Sie ist nicht initiativ, sondern lediglich reaktiv. Insbesondere das gesetzlich genehmigte Kapital sowie der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre im Rahmen des FMStBG waren unter verfassungs- und europarechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden: Der Gesetzgeber sah sich in der Pflicht, den Finanzsektor zu stabilisieren, um auch das Funktionieren der Realwirtschaft zu gewährleisten. In dieser Phase wurde unter enormem Zeitdruck also nur reagiert. Präventive Aspekte zur Verhinderung zukünftiger Krisen standen nicht im Fokus. Die Prävention rückte erst mit dem Restrukturierungsgesetz drei Jahre später in den Vordergrund. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Gesetzgeber die Zeit genommen, die Situation zu analysieren. Auf Grundlage der daraus resultierenden Erkenntnisse hat er einen umfangreichen Regelungskomplex geschaffen, der weitgehend verfassungs- und europarechtskonform ist.
3.
Das Kreditinstitutereorganisationsgesetz ist ein stumpfes Schwert und wird auf Sicht den europarechtlichen Vorgaben nicht standhalten.
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SCHLUSSBETRACHTUNG
Mit Erlass des KredReorgG wurde erstmals ein speziell auf Banken zugeschnittenes Sanierungsrecht geschaffen. Dies war aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Funktionsweisen von Bank- und Realwirtschaft auch spätestens seit 2008 notwendig. Mit dem Reorganisationsverfahren werden wesentliche Sanierungsinstrumente in ein Verfahren implementiert, das weitgehend dem Insolvenzplanverfahren nachgebildet ist. Der Gesetzgeber hat es jedoch versäumt, die strengen europarechtlichen Vorgaben umzusetzen, die das Blockadepotenzial der Anteilseigner wirksam verringern. Auch verfassungsrechtlich bestehen diesbezüglich Bedenken. Man ist auf die Mitwirkung der Anteilseigner angewiesen, was im Rahmen der Sanierung einer systemrelevanten Bank kontraproduktiv ist. Verschärfend kommt hinzu, dass die entsprechenden Verfahren lediglich auf Initiative des Instituts selbst eingeleitet werden können, ohne dass hierfür irgendwelche Anreize geschaffen wurden. Solch ein Sanierungs- und Reorganisationsverfahren ist weder in den Key Attributes des Financial Stability Boards noch auf EU Ebene vorgesehen, wird somit also längerfristig kaum Bestand haben. 4.
Mit der Übertragungsanordnung wurde für den Notfall ein geeignetes und verhältnismäßiges Eingriffsinstrument geschaffen, das Möglichkeiten aufzeigt, die Ausweitung einer Systemkrise zu verhindern. Dieses Instrument muss punktuell ergänzt werden. Die Regelungen zur Übertragungsanordnung sind sehr umfangreich und erfassen die meisten Sachverhalte, in denen ein Einschreiten des Staates zwingend notwendig ist. Der Gesetzgeber hat es geschafft, eine verhältnismäßige Regelung zur Ausgliederung systemrelevanter Unternehmensteile einzuführen, die bereits jetzt weitgehend den europarechtlichen Vorgaben entspricht. Bereits jetzt hat Deutschland als eines von wenigen Ländern ein umfangreiches und stimmiges Gesamtkonzept von präventiven und repressiven Maßnahmen erarbeitet, die nahtlos ineinander greifen. Ob die Übertragungsanordnung tatsächlich ein geeignetes Instrument ist, um die Ausweitung einer Systemkrise zu verhindern, bleibt abzuwarten.
5.
Das Konzept der Sanierungs- und Abwicklungspläne ist gelungen und ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Sicherung der Finanzmarktstabilität. Die frühzeitige Implementierung in nationales Recht war der richtige Schritt. Die Durchdringung der komplexen Strukturen von Finanzunternehmen ist der Schlüssel dazu, eine nachhaltige und vor allem schnelle Sanierung zu gewährleisten. Mit Hilfe der Sanierungs- und Abwicklungspläne kann die Abwicklungsbehörde rasch entscheiden, welche Teile des Unternehmens
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ausgegliedert werden müssen. Diese Zeitersparnis macht das Instrument wertvoll. Um effektiv zu funktionieren, müssen diese Pläne jedoch stetig aktualisiert werden, was mit enormen Kosten für die Banken verbunden ist. 6.
Der Gesetzgeber hat ein Sondergesellschaftsrecht für Kreditinstitute geschaffen, das es grundsätzlich ermöglicht, systemrelevante Kreditinstitute zu sanieren und im Bedarfsfall zu restrukturieren. Durch erleichterte Kapitalmaßnahmen, die Übertragungsanordnung und auch durch die Befugnis zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen hat es der Gesetzgeber ermöglicht, ein Kreditinstitut zu sanieren und in dessen Unternehmensstruktur einzugreifen, ohne dabei auf das reguläre Insolvenzund Gesellschaftsrecht zurückgreifen zu müssen. Im Rahmen der Umsetzung der Key Attributes ist Deutschland zwar Vorreiter in Europa, hält sich jedoch nicht eng genug an die Vorgaben des FSB. Die einzelnen Instrumente dieser Sonderregelungen müssen weiterentwickelt und insbesondere an die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben angeglichen werden.
7.
Tatsache ist, dass die Vorstände von Banken auch in Zukunft nicht mehr als bisher in die Verantwortung genommen werden. Die weichen Kriterien der Bestands- und Systemgefährdung machen die Einführung eines Verschleppungsstraftatbestands unmöglich, sind jedoch zur Aufrechterhaltung des Ermessensspielraums der BaFin zwingend notwendig, damit sie auf künftige Krisenereignisse angemessen, wirksam und zeitnah reagieren kann. Die Verlängerung der Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche gegen die Organe der Gesellschaft wird voraussichtlich keine Änderung bewirken: Diese sind zum einen über D&O-Versicherungen abgesichert und werden zudem in der Praxis gegen Bankvorstände ohnehin selten geltend gemacht.
8.
Die Entwicklung nach der Finanzkrise hat auch gezeigt, dass trotz aller gesetzlichen Regelungen, Vorgaben, Mühen und Versuche nicht wirklich "nachhaltig" gewirtschaftet wurde. Kurzfristiges Gewinnstreben stand auch in den letzten Jahren deutlich im Vordergrund. Die Möglichkeiten, Vergütungssysteme der handelnden Akteure auch in der Folgezeit so auszugestalten, dass höchstmöglichem Profit ein Minimum an persönlicher Haftung gegenüberstand, wurde "kreativ", drastisch und für die breite Öffentlichkeit weder verstehbar, noch gut nachvollziehbar, genutzt. Die Intention, mit den neuen Instrumenten für Nachhaltigkeit, Mäßigung und Entschleunigung zu sorgen, hat ihr Ziel verfehlt.
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Es wurde versäumt, die Wirkung der Maßnahmen zu evaluieren, zu würdigen und hinreichend konkret weiterzuentwickeln. Ob sich präventive Maßnahmen eignen, um Krisen tatsächlich zu verhindern, kann nicht hinreichend sicher beantwortet werden. Wenn für eine nachhaltige Wertentwicklung eines systemrelevanten Kreditinstituts auch richtige, sprich: nachhaltige Anreize gesetzt werden, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Krise, die durch menschliches Verhalten verursacht wird. Dies wurde bislang versäumt. Mit der dargestellten Regulierung der Fixgehälter, unter Beibehaltung der Boniregulierung, könnte es gelingen, einen entsprechenden Verhaltensanreiz zu setzen. (Die genaue Ausgestaltung für den "optimalen" Anreiz muss noch genauer untersucht werden, bevor dieses Modell in die Praxis umgesetzt werden kann; das ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.) Der Vorstand einer Bank würde dann langfristig und in gleichem Umfang Verantwortung für den Unternehmenswert wie für sein eigenes Einkommen übernehmen. Sein Gehalt wäre nicht durch optimale Vertragsbedingungen gesichert, sondern würde durch ihn selbst messbar und spürbar beeinflusst und gestaltet. Sowohl die Gesamtentwicklung, als auch die Liquidität eines systemrelevanten Kreditinstituts wäre damit transparent, kalkulierbar und auch für Aufsichtsbehörden, Gesetzgeber und (bedingt) die Öffentlichkeit kontrollierbar. Nicht zuletzt würden mittlerweile gängige wirtschaftsethische Bedingungen erfüllt: Anspruchsvolles und erfolgreiches Agieren am Finanzmarkt wird auch langfristig sehr gut entlohnt. Als Gegenleistung wird persönliche Verantwortung sowie nachhaltiges Entscheiden und Handeln gefordert.
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ANHANG
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Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Bände 1 - 11 sind nicht mehr lieferbar. Band 12: Axel Tibor Kümmel: Bewertung von Kreditinstituten nach dem Shareholder Value Ansatz, 1994; 2. Aufl.; 1995. Band 13: Petra Schmidt: Insider Trading. Maßnahmen zur Vermeidung bei US-Banken; 1995. Band 14: Alexander Grupp: Börseneintritt und Börsenaustritt. Individuelle und institutionelle Interessen; 1995. Band 15: Heinrich Kerstien: Budgetierung in Kreditinstituten. Operative Ergebnisplanung auf der Basis entscheidungsorientierter Kalkulationsverfahren; 1995. Band 16: Ulrich Gärtner: Die Kalkulation des Zinspositionserfolgs in Kreditinstituten; 1996. Band 17: Ute Münstermann: Märkte für Risikokapital im Spannungsfeld von Organisationsfreiheit und Staatsaufsicht; 1996. Band 18: Ulrike Müller: Going Public im Geschäftsfeld der Banken. Marktbetrachtungen, bankbezogene Anforderungen und Erfolgswirkungen; 1997. Band 19: Daniel Reith: Innergenossenschaftlicher Wettbewerb im Bankensektor; 1997. Band 20: Steffen Hörter: Shareholder Value-orientiertes Bank-Controlling; 1998. Band 21: Philip von Boehm-Bezing: Eigenkapital für nicht börsennotierte Unternehmen durch Finanzintermediäre. Wirtschaftliche Bedeutung und institutionelle Rahmenbedingungen; 1998. Band 22: Niko J. Kleinmann: Die Ausgestaltung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG. Notwendigkeit einer segmentspezifischen Deregulierung; 1998. Band 23: Elke Ebert: Startfinanzierung durch Kreditinstitute. Situationsanalyse und Lösungsansätze; 1998. Band 24: Heinz O. Steinhübel: Die private Computerbörse für mittelständische Unternehmen. Ökonomische Notwendigkeit und rechtliche Zulässigkeit; 1998. Band 25: Reiner Dietrich: Integrierte Kreditprüfung. Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung; 1998. Band 26: Stefan Topp: Die Pre-Fusionsphase von Kreditinstituten. Eine Untersuchung der Entscheidungsprozesse und ihrer Strukturen; 1999. Band 27: Bettina Korn: Vorstandsvergütung mit Aktienoptionen. Sicherung der Anreizkompatibilität als gesellschaftsrechtliche Gestaltungsaufgabe; 2000. Band 28: Armin Lindtner: Asset Backed Securities – Ein Cash flow-Modell; 2001. Band 29: Carsten Lausberg: Das Immobilienmarktrisiko deutscher Banken; 2001. Band 30: Patrik Pohl: Risikobasierte Kapitalanforderungen als Instrument einer marktorientierten Bankenaufsicht – unter besonderer Berücksichtigung der bankaufsichtlichen Behandlung des Kreditrisikos; 2001. Band 31: Joh. Heinr. von Stein/Friedrich Trautwein: Ausbildungscontrolling an Universitäten. Grundlagen, Implementierung und Perspektiven; 2002. Band 32: Gaby Kienzler, Christiane Winz: Ausbildungsqualität bei Bankkaufleuten – aus der Sicht von Auszubildenden und Ausbildern, 2002.
Band 33: Joh. Heinr. von Stein, Holger G. Köckritz, Friedrich Trautwein (Hrsg.): E-Banking im Privatkundengeschäft. Eine Analyse strategischer Handlungsfelder, 2002. Band 34: Antje Erndt, Steffen Metzner: Moderne Instrumente des Immobiliencontrollings. DCFBewertung und Kennzahlensysteme im Immobiliencontrolling, 2002. Band 35: Sven A. Röckle: Schadensdatenbanken als Instrument zur Quantifizierung von Operational Risk in Kreditinstituten, 2002. Band 36: Frank Kutschera: Kommunales Debt Management als Bankdienstleistung, 2003. Band 37: Niklas Lach: Marktinformation durch Bankrechnungslegung im Dienste der Bankenaufsicht, 2003. Band 38: Wigbert Böhm: Investor Relations der Emittenten von Unternehmensanleihen: Notwendigkeit, Nutzen und Konzeption einer gläubigerorientierten Informationspolitik, 2004. Band 39: Andreas Russ: Kapitalmarktorientiertes Kreditrisikomanagement in der prozessbezogenen Kreditorganisation, 2004. Band 40: Tim Arndt: Manager of Managers – Verträge. Outsourcing im Rahmen individueller Finanzportfolioverwaltung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, 2004 Band 41: Manuela A. E. Schäfer: Prozessgetriebene multiperspektivische Unternehmenssteuerung: Beispielhafte Betrachtung anhand der deutschen Bausparkassen, 2004. Band 42: Friedrich Trautwein: Berufliche Handlungskompetenz als Studienziel: Bedeutung, Einflussfaktoren und Förderungsmöglichkeiten beim betriebswirtschaftlichen Studium an Universitäten unter besonderer Berücksichtigung der Bankwirtschaft, 2004. Band 43: Ekkehardt Anton Bauer: Theorie der staatlichen Venture Capital-Politik. Begründungsansätze, Wirkungen und Effizienz der staatlichen Subventionierung von Venture Capital, 2006. Band 44: Ralf Kürten: Regionale Finanzplätze in Deutschland, 2006. Band 45: Tatiana Glaser: Privatimmobilienfinanzierung in Russland und Möglichkeiten der Übertragung des deutschen Bausparsystems auf die Russische Föderation anhand des Beispiels von Sankt Petersburg, 2006. Band 46: Elisabeth Doris Markel: Qualitative Bankenaufsicht. Auswirkungen auf die Bankunternehmungsführung, 2010. Band 47: Matthias Johannsen: Stock Price Reaction to Earnings Information, 2010. Band 48: Susanna Holzschneider: Valuation and Underpricing of Initial Public Offerings, 2011. Band 49: Arne Breuer: An Empirical Analysis of Order Dynamics in a High-Frequency Trading Environment, 2013. Band 50: Dirk Sturz: Stock Dividends in Germany. An Empirical Analysis, 2015. Band 51: Sebastian Schroff: Investor Behavior in the Market for Bank-issued Structured Products, 2015. Band 52: Jan Müller: Optimal Economic Capital Allocation in Banking on the Basis of Decision Rights, 2015. Band 53: Helena Kleinert: The International Diversification Puzzle: Home Bias in Countries’ Investment Portfolios, 2016. Band 54: Frederic Dachs: Die Reform der Bankenrestrukturierung. Nachgelagerte und präventive Maßnahmen und ihre Wirksamkeit, 2017.