Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Civilrechts: Band 14 Jahrgang 1907, Halbjahr 1. [Reprint 2020 ed.] 9783112365564, 9783112365557


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German Pages 482 [483] Year 1907

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Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Civilrechts: Band 14 Jahrgang 1907, Halbjahr 1. [Reprint 2020 ed.]
 9783112365564, 9783112365557

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Die Rechtsprechung her

Kbertandesgerichte auf dem Hebiete des Ainitrechts. Herausgegeben von

W- Wugdan,

und

A. Aalkmann, SenatSpräsident am Kammergericht.

Kammergerichtsrat,

Wievzehrrter Manö. (Jahrgang 1907, erstes Halbjahr.)

-Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1907

Anter Mitwirkung der Kerren Dr. Bauer, Geheimer Justizrat, Berlin Dr.

Berchelmann, OberlandeSgerichtsrat,

Prof. Mosse, Geheimer Justizrat, Königsberg

Mügge, OberlandesgerichtSrat, Stettin Nehse, Geheimer Justizrat, Berlin

Darmstadt

Neukamp, OberlandesgerichtSrat, Köln

Burlage, Reichsgerichtsrat

Chrestien, Oberlandesgerichtsrat, Rostock

Niesert, Oberlandesgerichtsrat, Hamm

Dr. Creizenach,

Niemöller, LandgerichtSdirektor, Oldenburg

OberlandeSgerichtsrat,

Ott, OberlandesgerichtSrat, München

Frankfurt a. M. Dompierre, Oberstlandesgerichtsrat,

Dr. Petzold, Kammergerichtsrat, Berlin

Dr. Naddatz, OberlandesgerichtSrat, Posen

München

Donle, Oberlandesgerichtsrat, Augsburg Ebert, Oberlandesgerichtsrat, Breslau

Dr. Riedel, Oberlandesgerichtsrat, Naum­ burg

Dr. Eller, Landgerichtsdirektor, Karlsruhe

Röser, KammergerichtSrat, Berlin

En gell, Oberlandesgerichtsrat, Posen

Rosen stock, OberlandesgerichtSrat, Breslau

Engelmann, Senatspräsident, BreSlau

Rukser, OberlandesgerichtSrat, Posen

Dr. v. Feilitzsch, OberlandesgerichtSrat,

Schäfer, OberlandesgerichtSrat, Bamberg

Dresden

Freud enthal, OberlandesgerichtSrat, Colmar

Schäffer, OberlandeSgerichtsrat, Breslau Schlockermann, Kammergerichtsrat, Berlin

Fuchs, OberlandesgerichtSrat, Kastel

Schmitt, OberlandesgerichtSrat, Zweibrücken

Grattenauer, OberlandeSgerichtsrat, Stettin

Schneider, OberlandeSgerichtsrat, Stettin

Groth, Landgerichtspräsident, Glatz

Schück, Kammergerichtsrat, Berlin

Haidlen, OberlandesgerichtSrat, Stuttgart

Schultze-Görlitz, Geheimer Justizrat,

Dr. Hangen, OberlandesgerichtSrat, Darm­

Berlin

stadt Happ ich, OberlandesgerichtSrat, Celle

Simon, OberlandeSgerichtsrat, Naumburg

Hertz, Kammergerichtsrat, Berlin

v. Spindler, OberlandeSgerichtsrat, Hamm

Heynacher, OberlandesgerichtSrat, Marien­

Thiele, OberlandeSgerichtsrat, Königsberg

Simonson, OberlandeSgerichtsrat, BreSlau

Dr. Borbrodt, Kammergerichtsrat, Berlin

werder

Kalb, OberlandesgerichtSrat, Augsburg

v. Wartenberg, Geheimer Justizrat, Berlin

Keiner, OberlandesgerichtSrat, Frankfurt

Wien stein, KammergerichtSrat, Berlin

Marezoll, OberlandesgerichtSrat, Dresden

Zehler, OberlandeSgerichtsrat, Nürnberg

Dr. Mittelstein,

OberlandesgerichtSrat,

Ziemssen, KammergerichtSrat, Berlin

Hamburg

und zahlreicher anderer Juristen.

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

Systematisches Inhaltsverzeichnis. (Verfaßt vom Staatsanwalt Dr. Rindfleisch in Göttingen.)

Die Zahlen bedeuten die Seiten.

L Zivilrecht. Erster Abschnitt.

Kechtsquellen.

a) Zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit der Gesetze.

1) Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines vor 1900 geborenen Kindes 245. — 2 Der Widerruf einer vor 1900 errichteten letziwilligen Verfügung ist, auch wenn er nach 1 Januar 1900 erfolgt, nach altem Rechte zu beurteilen 289. b) Stalulenkollision.

1) Beerbung von Ausländern im Inlands; Anwendung der Art. 25. 29. EG. z. BGB. 218. — 2) Anwendung deutschen Rechtes bei Zusammenstoß deutscher Schiffe in ausländischem Grwässer 391.

Hveiter Abschnitt.

Allgemeine Grundsätze von den Rechten und deren Verfolgung. Verjährung.

1) Unterbrechung durch Streitverkündung. § 209 Nr. 4 BGB. 16. — 2) Verjährung der Plichtteilsklage 309. — 3) Der Anspruch auf Sackmiete beim Verkauf von Getreide fällt unter §196 Nr. 1 BGB. 375.

Von den Personen.

Dritter Abschnitt.

Juristische Personen. 1) Haftung des Staates aus § 31. 89 BGB. 1. 2. 3. — 2) Begriff „wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" im § 21 BGB. 6. — 3) Haftung einer Gesellschaft m. b. H. nach § 31 BGB. 368.

Vierter Abschnitt.

Von den Sachen.

Zubehör: a) elektrische Anlage, Beleuchtungsapparate 8; b) Kohlen, fertige Ziegel auf Zegeleigrundstück 9.105.106; e) Baumaterialien auf Baugrundstück 12; d) Maschinen 108(n).

Fünfter Abschnitt.

Von den Handlungen.

a) Geschäftsfähigkeit. 1) Einwilligung Minderjähriger zu einer Operation; Einwilligung des gesetzlichen BerIrters 14. — 2) Gesindedienstvertrag für Minderjährigen durch die uneheliche Mutter ist un­ gütig 256 Anm.

b) Willenserklärung.

Stellvertretung.

1) Bote oder Beauftragter? 15. — 2) Löschungsbewilligung des Borerben zugleich als gesetzlichen Vertreters des Nacherben nach § 181 BGB. unzulässig 132. c) Nichtigkeit.

Anfechtbarkeit.

1) Form des § 313 BGB. nicht nötig für Mäklervertrag betr. Grundstück 28(0). — 2) Wirksamkeit von Handlungen des Gemeinschuldners 72.

Sechster Abschnitt.

Recht der SchuIdverhSIIniste.

a) Inhalt der Schuldverhältnisse. 1) Auslegung dauernder Verpflichtungen 17. — 2) Vertragsmäßige Abrechnungs­ pflicht 18. — 3) Haftung für fremdes Verschulden nach § 278 BGB. 25.

b) Schuldverhältnisse aus Verträgen.

Vorbehalt der Vertragsstrafe bei Annahme 19. c) Erlöschen der Schuldverhältnisse.

1) Aufrechnung mit.Schadensersatzansprüchen oder Minderung? 19. — 2) Aufrechnung mit Hypothek nach deren Pfändung 175. — 3) Hinterlegungspflicht des Schuldners bei Zahlungs­ verbot durch einstweilige Verfügung 20. — 4) Schuldbefreiung durch Hinterlegung 184. 210. d) Übertragung der Forderung. Einwendungen aus der Person des Abtretenden.

Aufrechnung 19.

e) Schuldübernahme.

1) Kein neuer Erfüllungsort bei Schuldübernahme 21. — 2) Form der kumulativen Schuldübernahme 21.

f) Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern. 1) Ausgleichungspflicht, wenn der zahlende Gesamtschuldner einem zahlungsunfähigen Mitschuldner Erlaß gewährt 22. — 2) Ausgleichungspslicht mehrerer Aussteller eines eigenen Wechsels. Abreden darüber 415. g) Einzelne Schuldverhältnisse.

1. Kauf.

Tausch.

Überlassung eines Ersatzstückes während der Reparatur einer unter Garantie verkauften Sache 23.

2. Miete.

Pacht.

1) Streu- und Beleuchtungspflicht des Vermieters 24. — 2) Erfüllungsgehilfen in der Obhntspflicht; Haftung des Mieters für deren Verschulden. Auslegung des 8 558 BGB. 25. — 3) Klausel der Nichtgültigkeil mündlicher Abreden 26. — 4) Derjenige, dem ein Nießbrauchs­ recht an der Mietsache eingeränmt wird, genießt den Schutz des § 573 BGB. wie der Er­ werber 131. 3. Dienstvertrag. Aufnahme eines Krankenkassenmitgliedes in ein staatliches Krankenhaus. zwischen Kasse und Krankenhaus 26.

Dienstvertrag

4. Werkvertrag. Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen oder Minderung? 19.

5. Mäklervertrag. 1) Berechnung des Lohnes für Vermittlung eines Kommanditgesellschaftsvertrages 28(«).— 2) Mäklervertrag bedarf nicht der Form des § 313 BGB. 28(0). — 3) Wirkung des Eintrittes der auflösenden Bedingung 28 (f). — 4) Einfluß des Abbruches und der Wiederaufnahme der

v

Systematisches Inhaltsverzeichnis.

Bertragsverhandlungen auf Maklerlohn 29(5). — 5) Ersatz für Aufwendungen bei Nichtzustande­ kommen des Vertrages 29 (e). 6. Auftrag. 1) Auftrag zum Spiel. Ersatz von Auslagen 30. — 2) Haftung des Auftraggebers für Zufall 58. 7. Geschäftsführung ohne Auftrag.

Ersatzansprüche der Armenverbände gegen die Unterhaltspflichtigen 32. 8. Gesellschaft. 1) Grundbuchversügungen der früheren Gesellschafter einer ausgelösten Gesellschaft 132. — 2) Rechte des Gläubigers eines Gesellschafters nach Pfändung des Anteils dieses Gesellschafters 185. — 3) Abschluß eines Gesellschaftsvertrages durch Testamentsvollstrecker nicht möglich 322.

9. Spiel. Auftrag zum Spiel.

Wette.

Ersatz von Auslagen 30. 10. Bürgschaft.

Stillschweigender Verzicht auf Borausklage 32.

11. Schuldversprechen.

Schuldanerkenntnis.

Kumulative Schuldübernahme ist Schuldversprechen und bedarf der Form desselben 21.

12. Ungerechtfertigte Bereicherung. 1) Kondizierung des Besitzes 32. — 2) Ersatzansprüche der Armen verbände gegen die Unterhaltspflichtigen des Unterstützten 32. — 3) Kondiktion deS von der Versteigerung aus­ genommenen Zubehörs, das dem letztausgefallenen Hypothekar überwiesen wurde 33.

13. Unerlaubte Handlungen.

Anfechtung außerhalb des Konkurses.

Unlauterer Wettbewerb.

1) Haftung des Staates (Reiches) für Verschulden: a) eines Grundbuchbeamten 1; b) eines Postillons 2; c) eines Zwangslotsen 8. — 2) Operation Minderjähriger ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters als Körperverletzung 14. — 3) Aktivlegitimation des Kindes, ver­ treten durch seinen Baler, zur Einklagung einer Schadensersatzforderung für einen erlittenen

Unfall 42. — 4) Voraussehbarkeit des tödlichen Erfolges 54. — 5) Ansprüche der Kinder im Falle des § 1763 StrGB. 55. — 6) Einfluß krankhafter Veranlagung des Verletzten auf die Höhe des Schadensersatzes 57. — 7) Haftung des Hauseigentümers für Unfälle; Pflicht zum Streuen und Beleuchten 24. — 8) Anbringung von Schutzgeländern 36. — 9) Gefährliche Beschaffenheit eines Grundstückes 43. — 10) Haftung des Grundstücksbesitzers für Ablösung von Gebäudeteilen. § 836 BGB. 52. — 11) Schadensersatzpflicht eines Schullehrers 38. — 12) Wirtschaftserschwernisse durch Umwandlung einer Neben- in eine Bollbahn 37. — 13) Erwerb eines dinglichen Rechtes gegen § 826 BGB. Schadensersatzanspruch gegen den Erwerber 58. — 14) Haftung für die ohne Obligo abgegebene Versicherung der Kreditwürdigkeit eines Dritten 36. — 15) Schadensersatzpflicht des Ehebrechers gegenüber dem betrogenen Ehegatten für eine durch die seelische Aufregung über den Ehebruch hervorgerufene Krankheit 39. — 16) Verhängung der Sperre über Gastwirtschaften 40. —-17) Fahrlässig falsche Anzeige 41. — 18) Haftung des Tierhalters: a) Begriff des Tierhalters 44(a). 50(8; b) willkürliches Handeln des Tieres als Voraussetzung für die Haftung des Tierhalters 45(0). 51 (A). 52 (7); c) Verteilung auf mehrere Tierhalter, wenn mehrere Tiere zusammen Schaden gestiftet haben 45(0); d) kon­

kurrierendes Verschulden des Verletzten 48 (7); e) Bertragsverhältnis zwischen Tierhalter und Geschädigtem 49(5. s); f) Schmerzensgeld 50 (t). — 19) Beglaubigung einer gefälschten Unter­ schrift als echt durch Polizei beamte 53. — 20) Schadensersatzanspruch des Dritten aus dem zu seinen Gunsten abgeschlossenen Vertrage 56. — 21) Anfechtung einer Hypothek durch Nach­ hypothekare 128. — 22) Anfechtung von Rechtsgeschäften des in fortgesetzter Gütergemeinschaft lebenden Abkömmlings über Bermögensstücke des Samtgutes durch seinen persönlichen Gläubiger 232. — 23) Unlauterer Wettbewerb einer Zeitung durch unbefugten Nachdruck von Familien­ anzeigen aus anderen Zeitungen 418. — 24) Innung als Klägerin zum Schutze gegen un­

lauteren Wettbewerb.

Begriff der Töpferei

418.

—- 25) Staatsmedaillen für gewerbliche

Leistungen. Verwendung für einzelne Fabrikate 419. — 26) Begriff der tatsächlichen Bebauptung im 8 6 UWG. 420(a). 421(0). 422 (7). — 27) Zum Begriff des Verbreitens im 8 6 ist Öffentlichkeit nicht erforderlich 421(0). — 28) Begehungsort im Falle des § 6 UWG. 422. —

29) Besondere Bezeichnung eines Buches.

§ 8 UWG.

Siebenter Abschnitt.

Salatküche 423.

Sachenrecht.

a) Besitz.

1) Kondizierung des Besitzes 32. — 2) Besitz des Werstinhabers am Schiff, auf dem der Eigner wohnen bleibt 60. — 3) Erwerb durch Gründung einer Gesellschaft 208 (t). b) Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

1) Die Wirksamkeit der Auflassung ist durch das ihr zugrunde liegende Erfüllungs­ geschäft nicht bedingt 61. — 2) Auslassung: a) wenn ein Kommnnalgrundstück auf einen anderen Verband übergeht 62; b) nach bergrechtlicher Enteignung 66. — 3) Bei Eintragung der Verpfändung einer Hypothek ist Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung nach § 874 BGB. zulässig 64. — 4) Aufhebung einer nicht eingetragenen Grundgerechtigkeit 68. — 5) Rechtliche Natur der Vormerkung 69. — 6) Zulässiger Inhalt einer Vormerkung 70(0). — 7) Vormerkung für Wiederkaufsrecht 70. — 8) Ein nach preußischem Recht als Zubehör zu­ geschriebenes Grundstück gilt jetzt als ein dem Hauptgrundstück zugeschriebener Bestandteil 71. — 9) Wirkung der Eintragung des Konkursvermerkes in das Grundbuch 72. — 10) Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung des Eigentümers 76.

c) Eigentum.

1) Die Wirksamkeit der Auslassung ist durch das ihr zugrunde liegende Erfüllungsgeschäst nicht bedingt 61. — 2) Auflassung, wenn ein Kommunalgrundpück auf einen anderen Verband übergeht 62. — 3) Zum Eigentumserwerb auf Grund bergrechtlichen Enteignungsbeschlusses bedarf es keiner Auflassung 66. — 4) Antrag auf Eigentumseintragung „zum künftigen ehe­ lichen Gesamtgut". § 9252 BGB. 79. — 5) Eigentumserwerb einer mit einem Grundstück nur zu vorübergehendem Zwecke verbundenen Sache nach § 929* BGB. 80. — 6) Übergang

des Eigentums durch Werkvertrag zwischen dem Erwerber und demjenigen, welcher die Sache bisher für den Veräußerer in Gewahrsam hatte 80. — 7) Dem öffentlichen Verkehr dienende Anstalt; Begriff im § 978 BGB. Wann sind Sachen „verloren"? 81. — 8) Klage auf Fest­ stellung des Eigentums. § 985 BGB. 84. — 9) Übertragung des Miteigentums an Mit­

eigentümer 85. d) Erbbaurecht. Erbbaurecht zur Anlegung einer Bahn auf einzelnen Parzellen und mit dem Vorrang

vor den Hypotheken 85. e) Dienstbarkeiten. Unzulässigkeit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für eine bestimmte Person und zugleich für deren Rechtsnachfolger 88.

f) Rentenschuld. Rentengutsbildung durch Konsolidation. trotz Bewilligung des Eigentümers 89.

Keine Eintragung einer Berfügnngsbeschränkung

g) Hypothek. 1) Hypothek mit dem Vorbehalt des Eigentümers, im Falle der Löschung voreingetragener Hypotheken andere an deren Stelle eintragen zu lassen 90. — 2) Zulässigkeit der Klausel, daß bei Nichtzahlung des Kapitals der Gläubiger seine Befriedigung zunächst aus dem belasteten

Grundstück zu suchen habe 94. — 3) Anfangszeitpunkt der Verzinsung 95. — 4) Begriff der Nebenleistungen des § 1115 BGB. 96. — 5) Darlehnshypothek, wenn das Geld erst nach ihrer Verwertung auszuzahlen ist 99. — 6) Haftung des Grundstücks für Verzugszinsen 100. — 7) Auf Steine, die auf Grund eines dinglichen Rechtes geworben sind, erstreckt sich die Hypothek und die Beschlagnahme des Grundstückes nicht 104. — 8) Haftung der auf dem Pfandgrund-

stück hergestellten und dort noch lagernden Ziegel 105. 106. — 9) Haftung fremden Zubehörs, insbesondere Maschinenanlagen des Mieters 108. — 10) Haftung der Versicherungssumme 110. — 11) Gefährdung im Sinne des § 1134 BGB. 112. — 12) Beschlagnahme einer Miet­ forderung im Sinne des § 1124 BGB. 109. — 13) Nießbrauchsbestellung als Verfügung über

Mietzinsen im Sinne des tz 1124 BGB. 129. — 14) Vereinbarung des Veräußerers und Er­ werbers, daß der Brief über eine zu bestellende Hypothek dem Gläubiger zugesandt werde. Widerruf. Zurückbehaltungsrecht 101. — 15) Abtretung der Forderung; Übergabe des Hypo­ thekenbriefes 115. — 16) Je nachdem der Eigentümer eine auf ihn übergegangene Post als Hypothek oder Grundschuld abtreten will, muß er nachweisen, daß er sie als Eigentümerhypothek­ oder Grundschuld erworben hat 113. — 17) Amortisationshypothek. Teilweise Tilgung der

Amortisationsrate. Abtretung der Rechte daraus 116. — 18) Wirksamkeit einer gemäß tz 1N9 BGB. eingetragenen Vormerkung 118. — 19) Zulässigkeit einer Vormerkung in Ansehung einer zukünftigen Eigentümerhypothek 120. — 20) Löschung der Gesamthypothek auf den mit­ haftenden Grundstücken nach § 11812 BGB. 124. — 21) Löschung der Gesamthypothek aus einem Grundstücke zufolge Verzichts des Gläubigers zugunsten dieses Grundstückes 131. — 22) Keine Löschungsbewilligung des Vorerben zugleich als gesetzlichen Vertreters des Nacherben 132. — 23) Grundbuchverfügungen der früheren Gesellschafter einer aufgelösten Gesellschaft 132. — 24) Anfechtung einer Hypothek durch zwei Nachhypothekare 128. — 25) Hypothek zur Sicherung eines künftigen Erbrechts 97. — 26) Einheitliche Höchstbetragshypothek für Naturalund Geldleistungen. Pfändung der letzteren 93. — 27) Angabe des Cchuldgrundes bei Höchst­ betragshypothek 126. — 28) Höchstbetragshypothek zur Sicherung fremder Verbindlichkeiten 126 u. Anm. — 29) Abtretung der Höchstbetragshypothek gegen Bezahlung des den Höchst­ betrag nicht erreichenden Saldos 128. — 30) Höchstbetragshypothek. Vormerkung des Anspruchs auf Eintragung der Unterwerfung unter sofortige Zwangsvollstreckung, sowie des Anspruchs auf Umwandlung in Hypothek zu bestimmtem Betrage 135. — 31) Einfluß der Pfändung einer Hypothek auf das Recht des Schuldners zur Kündigung und Aufrechnung 175. h) Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

1) Bestellung eines Pfandrechtes an den im Besitz eines Dritten befindlichen Sachen durch Abtretung des Herausgabeanspruches 172. — 2) Wirkung der Pfändung des Guthabens

eines Genossen 177. — 3) Wirkung der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Dritt­ schuldner ohne Wegnahme des Hypothekenbriefes 178. — 4) Verpfändung einer Hypothek 64. 93.

Achter Abschnitt.

Familienrecht.

a) Verlöbnis.

1) Begriff der Unbescholtenheit.

Schadensersatz aus § 1300 BGB. 214. — 2) Umfang

des Schadensersatzes wegen Rücktritts vom Verlöbnis 243. b) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe.

1) Keine Nichtigkeitsklage, wenn die nach § 1326 nichtige Ehe gültig wiederholt wurde 215. — 2) Anfechtung der Ehe wegen Irrtums: a) über Unbescholtenheit der Frau 216; b) über Disposition zur Geisteskrankheit 217(0). — 3) Bestätigung der anfechtbaren Ehe 216.

c) Wirkungen der Ehe im allgemeinen. 1) Schlüsselgewalt der getrennt lebenden Fran. Form der Ausschließung; Eintragung in das Güterrechtsregister 218. — 2) Kostenvorschubpflicht des Mannes im Eheprozeß 222.— 3) Art. 200 EG. enthält eine Ausnahme von Art. 15 EG. 242. — 4) Vergleich über Unter­ haltsgelder 244. — 5) Bestimmung der Beerdigung und Grabinschrift einer Ehefrau 247. d) Gesetzliches Güterrecht. 1) Verpfändung

des zukünftigen Anspruches der Ehefrau auf Rückgabe ihres Ein­

gebrachten vor Beendigung des ehemännlichen Nießbrauches 172. — 2) Eigentum an Hochzeits­ geschenken 224. — 3) Klage des Mannes gegen die Frau auf Herausgabe eigenmächtig fort­ geschaffter Jllaten 224. — 4) 9ted)te des Mannes am eingebrachten und Borbehaltsgut, wenn

er beide zum Erwerbe von Grundstücken verwandte 225. — 5) Haftung des Mannes aus

Schulden der Frau 226. — 6) § 1411 BGB. findet nicht Anwendung bei vertragsmäßiger Hingabe des eingebrachten Gutes an den Mann 227. — 7) Gütertrennung.

Rückforderung

der mit Mitteln der Frau angeschafften Mobilien 226.

e) Vertragsmäßiges Güterrecht.

AGG.: 1) Mitbelangung der gütergemeinschaftlichen Frau 228. — 2) Berichtigung von Schulden der Frau an das Gesamtgut.

§ 1467 BGB. 228. — 3) Kann die gütergmsch. Frau

bei fraudulösen Machenschaften ihre- Mannes

gegen Dritte vorgehen? 229. —

selbständig

4) Auseinandersetzung über das Gesamtgut 230. — 5) Auslegung des § 1480 BGB. 230. — FortgesGG.:

6) Das Anteilsrecht des Abkömmlings am Gesamtgut der fortgesGG. und die

Gläubigeranfechtung 232. — 7) Auseinandersetzung zwischen überlebenden Ehegatten und den Kindern nach Pommerscher Bauernordnung 232 Anm. — 8) Erbeinsetzung der Ehefrau bei fortgesGG. 234. — 9) Verfügung der Witwe über Hypotheken bei fortgesGG. nach Stettiner

Stadtrecht 234. — 10) Inhalt des Zeugnisses über fortgesGG. (§ 1507 BGB.), wenn nicht

gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden sind

235. —

11) Erbschein

oder Zeugnis

über

fortgesGG. nach dem Ges. vom 16. April 1860 über westfälisches Güterrecht 237. f) Scheidung der Ehe. 1) Scheidungsgründe aus § 1568 BGB.: a) Geschlechtskrankheit 239(a); b) Trunksucht

240(0); c) Beschimpfung und Bedrohung 240(y). — 2) Die Klage auf Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft ersetzt nicht die Aufforderung

aus § 1571 Abs. 2 BGB. 240. —

3) Keine Scheidung der Ehe russischer in Deutschland wohnhafter Juden 241.

g) Verwandtschaft. 1) Während

der Frist des § 1594 BGB. kann das Kind nicht auf Feststellung der

Ehelichkeit klagen 245. — 2) Anfechtungsfrist gegenüber Kindern, die vor 1900 geboren sind

245. — 3) Kosten des Einjährigen-Dienstes des Sohnes 246.



4) Form der Unterhalts­

gewährung § 1612 BGB. 247. — 5) Streit zwischen Mutter und Vormund über Erziehung

deS Mündels und Höhe der Aufwendungen dafür entscheidet nach § 1629 BGB. das Vor­ mundschaftsgericht 248. — 6) Sorge für die Kinder während des Scheidungsprozesses 250. —

7) Regelung deS Verkehrs mit den Kindern nach § 1636 BGB. 251. — 8) Kostenvorschuß­

pflicht des Balers im Prozeß deS Kindes 253. — 9) Voraussetzungen für Maßregeln aus § 1666 BGB. 254 u. Anm. das. — 10) Unterhaltspflicht deS unehelichen Balers nach ALR.

255. — 11) Berichtigung der in besonderer Urkunde vor dem Standesbeamten abgegebenen Anerkennung der Vaterschaft 256. — 12) Begriff der Beiwohnung 257 Anm.

h) Vormundschaft.

Pflegschaft.

1) Vormundschaft über Ausländer 257. — 2) Anwendung deS Art. 23 EG. auf An­

gehörige eines anderen deutschen Bundesstaats.

Fürsorgeerziehung über Richtpreisen 261. —

3) 8 1779 Abs. 2 Satz 3 gibt den Verwandten und Verschwägerten kein unbedingtes Recht auf

Bestellung als Vormund 262. — 4) Genehmigung zur Herabsetzung des Zinsfußes für eine

zum Mündelvermögen

gehörige Hypothekenforderung 262. —

5) Befreiungsbefugnis

des

Vaters 265. — 6) Entlassung des Vormundes; Beschwerde 266. — 7) Vorläufige Vormund­ schaft.

ZwangSmaßregeln zur Unterbringung des zu Entmündigenden 272. — 8) Voraus­

setzungen für Anordnung einer Pflegschaft 273.

9) Vergütung



für den Nachlaßpfleger

264. — 10) Erzwingbarkeit und Beschaffenheit der Schlußrechnung 266.

Neunter Abschnitt.

Erbrecht.

a) Erbfolge. 1) Beerbung eines Ausländers; Art. 25. 29 EG. z. BGB. 288.

märkischen Ehegatten gegenüber einem Testament 324.



2) Erbrecht des

Systematisches Inhaltsverzeichnis.

ix

b) Rechtliche Stellung des Erben. 1) Enthält die Annahme der Erbschaft aus einem späteren Testamente, wenn sich dieses später als ungültig ergibt, Ausschlagung der Erbschaft aus einem früheren Testamente? 280. — 2) Erbausschlagung; Fristbeginn für nascituri. Rechtsirrtum über den Beginn der Frist 318. — 3) Herausgabe des Nachlasses an den Gläubiger gemäß § 1990 BGB. 282. —

4) Die Verpflichtung zur Vorlegung eines Bermögensverzeichnisses ist keine erbrechtliche 284. — 5) Anwendung des § 2015 BGB. 284. — 6) Vorkaufsrecht des Miterben 285. — 7) Stellung des Verwahrer- nach § 2039 BGB. 287. — 8) Kosten der Trauerkleidung als Kosten der Beerdigung 290. — 9) Bloße Säumnis des Erben in der Bezahlung der Schulden ist noch keine Gefährdung im Sinne des § 1981 Abs. 2 BGB. 290. — 10) Befugnis eines einzelnen Miterben znm Anträge auf Jnventuraufnahme nach § 2003 BGB. 293. — 11) Müssen Miterben eine gemeinschaftliche Verfügung über Nachlaßgegenstände einheitlich in derselben

Verhandlung treffen? 319.

c) Testament. 1) Keine Nacherbschast in der Anordnung, daß der Erbe den Nachlaß für sich und seine Kinder zinstragend sicher anlege 292. — 2) Zustimmung des Nacherben zu Verfügungen des befreiten Vorerben über Nachlaßhypotheken 297. 300. — 3) Zustimmung des Nacherben zur Löschung der vom Borerben bezahlten, auf dem Nachlaßgrundstück eingetragenen Hypothek 298. — 4) Auslegung von Nacherbeneinsetzung 299. — 5) Legitimation des Borerben 300. — 6) Zulässigkeit der Ernennung eines Testamentsvollstreckers, wenn in einem vor 1900 er­ richteten Testamente die Anordnung einer Kuratel bestimmt ist 300. — 7) Rechtliche Stellung eines letztwillig dem Testamentsvollstrecker zugeordneten Rechtsbeistandes. Testamentarisch bestimmtes Honorar desselben kein Vermächtnis 301. — 8) Kein Aufsichtsrecht des Gerichts über den Testamentsvollstrecker 302. — 9) Der Testamentsvollstrecker kann als solcher keinen Gesellschaftsvertrag abschließen 322. — 10) Auslegung eines Testamentes 314. — 11) Ge­ nügt die Stellung des Namens zwischen Zeit- und Ortsangabe dem § 2231 Nr. 2 BGB.? 289. — 12) Doppeltes Datum eines eigenhändigen Testamentes, von denen jedes für sich unvollständig ist 302. — 13) Wortlaut der im § 2242 Abs. 2 BGB. vorgeschriebenen Er­ klärung des Erblassers, daß er nicht schreiben könne 305. — 14) Die Unterschriften der mit­ wirkenden Personen müssen nicht notwendig unter der des Erblassers stehen § 2242 Abs. 3 BGB. 305 Anm. — 15) Widerruf eines vor 1900 errichteten gemeinschaftlichen Testaments 289. — 16) Testamentsverwahrung nach beendeter Nachlaßsache 306. — 17) Gemeinschaft­ liches Testament; mangelnde Unterschrift eines Ehegatten kann nach dem Tode des anderen nicht nachgeholt werden 307. d) Pflichtteil. 1) Anspruch des Pflichtteilsberechtigten aus Zuziehung zur Aufnahme des Verzeichnisses der Nachlaßgegenstände. Inhalt des Verzeichnisses 283. 293. — 2) Berechnung des Pflicht­ teils unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht 307. — 3) Keine Kürzung des Ver­ mächtnisses wegen Verletzung des Erben im Pflichtteil 308. — 4) Verjährung der Pflichtteils­ klage 309.

e) Erbunwürdigkeit.

Feststellung der Erbunwürdigkeit 310. f) Erbverzicht.

Wirksamkeit für Abkömmlinge bei testamentarischem Erbrecht 311.

g) Erbschein. 1) Der Nacherbe hat keine Versicherung zur Erteilung des Erbscheins abzugeben 300 Anm. — 2) Auslegung des Testamentes vor Erteilung des Erbscheines 314. — 3) Angabe der Ernennung eines Testamentsvollstreckers im Erbschein trotz Ausschlagung des ernannten

Vollstreckers 315. — 4) Zeugnis über die Annahme des Bollstreckeramtes 316. b) Erbschaftskauf.

Erbschaftskauf aus nichtigem Testamente 317.

Zehnter Abschnitt.

Handelsrecht.

a) Der Kaufmann. Minderkaufleute können keine Firma führen und keine offene Handelsgesellschaft zum Betriebe eines Kleingewerbes gründen. Maßgebend für die Eintragbarkeit der Umfang des Geschäfts zur Zeit der Anmeldung 330.

b) Handelsregister. 1) Begriff der Zweigniederlassung im § 13 HGB. 332. — 2) Eintragung aus Prozeß­ vergleichen 335. c) Handelsfirma.

1) „Cafe Bauer" als Ortsbezeichnung und zulässiger Zusatz zur Namensfirma 338. — 2) Bedeutung der Firmenbezeichnung „Bank" 339. — 3) Recht einer geschiedenen Ehefrau, unter dem Familiennamen ihres bisherigen Mannes ihr Geschäft zum Register anzumelden 341. — 4) Unterscheidbarkeit der Firmen; Zusätze „u. Comp." und „in Liqu." 342. d) Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

1) Verschiedenheit der Kündigungsfrist für Prinzipal und Angestellte ist ungültig 343. — 2) Gehaltspfändung als Entlassungsgrund 344. — 3) Keine Anwendung der vom § 67 zu­ gunsten des Prinzipals abweichenden Bestimmungen ausländischen Rechts 345. — 4) Unter­ schied des Handlungsgehilfen vom Handlungsagenten 346. e) Handlungsagent.

Begriff und Befugnisse deS Vermittelungs- und des Abschlußagenten. geschäfte fallen nicht unter § 85 HGB. 347.

Abwicklungs­

f) Handelsmakler. Haftung nach § 98 HGB. 348. g) Offene Handelsgesellschaft.

1) Fortbestehen der Gesellschaft nach Auflösung ohne Liquidation. § 158 HGB. 166. — 2) Pfändung eines Gesellschaftsanteils. Rechte daraus 185. — 3) Keine o. H. zum Betriebe eines Kleingewerbes 330. — 4) Haftung bei Vorstellung als neuer Sozius 349. — 5) Wirkt ein der Gesellschaft erklärter Verzicht für ausgeschiedene Gesellschafter? 350. h) Aktiengesellschaft.

1) Keine Nachprüfung der Errichtung oder Abänderung einer Aktiengesellschaft durch den Richter der Zweigniederlassung nach Eintragung in das Hauptregister 332. — 2) Auskunft, Haftung des Vorstandes und Aufsichtsrates 351. — 3) Ein ohne vorherige Ankündigung ge­ faßter Generalversammlungsbeschluß ist nicht schlechthin ungültig, sondern nur anfechtbar 352. — 4) Herabsetzung des Grundkapitals durch Einziehung geschenkter Aktien 355. — 5) Übergang einer inländischen AGes. an eine ausländische. Keine Gesamtrechtsnachfolge trotz Eintragung der Fusion ins Handelsregister 357. i) Stille Gesellschaft. Büchereinsicht nach Auflösung der Gesellschaft durch den stillen Gesellschafter 359. k) Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften.

1) Die Statuten dürfen nicht bestimmen, daß der Genossenschaft das Geschäftsguthaben verstorbener Mitglieder verbleibt 360. — 2) Anfechtung eines Genossenschastsbeschlusses 361. 1) Gesellschaft m. b. H.

1) Handeln für die künftige Gesellschaft m. 6. H. 362. — 2) Abtretung eines Teils des Geschäftsanteils 363. — 3) Stammeinlagen eines Gesellschafters dürfen nicht im Konto­ kurrent verrechnet werden 364. — 4) Haftung des Gesellschafters für Fehlbeträge einer 2. Emission, an der er keinen Anteil nahm 365. — 5) Bestellung eines Geschäftsführers aus § 29 BGB. Beschwerde hierüber 366. — 6) Haftung der Ges. m. b. G. nach § 31 BGB. 368. — 7) Anspruch eines Gesellschafters auf Abschriften 369. — 8) Zulässigkeit der Fest-

stellungsktage, dasz Kläger nicht mehr Liquidator sei. Beendigung der Liquidation 369. — 9) Berkaus einer Ges. m. b. H. mit Geschäft und Firma 370.

m) Von den Handelsgeschäften. 1. Allgemeine Bestimmungen. 1) Stillschweigende Unterwerfung unter die „Allgemeinen Vertragsbedingungen" eines Betriebsunternehmers 371. — 2) Wirkung der Abrechnung beim eigentlichen und uneigent­ lichen Kontokurrent. Anfechtung des Anerkenntnisses; gelafsener Posten 374. 2. Handelskauf.

Beweislast wegen irrtümlich weg-

1) Sackmiete. Einfluß längerer Nichtforderung 375. — 2) Anwendung des § 377 HGB. Prüsuug von Schmiedekohlen 377. — 3) Keine Anwendung des § 377 HGB. gegenüber

einem. Landwirt als Lieferanten 377 M. — 4) Rüge von Quantitätsmängeln 378. — 5) Gilt Emballage als mitvcrkauft? 381. — 6) Anwendung des § 381 Abs. 2 HGB. auf Werklieferungsvertrag 382. 3. Kommissionsgeschäft. Keine Rechenschaft des Kommissionärs nach vollständiger Abrechnung und Abwicklung des Geschäfts 382.

Speditionsgeschäft.

4.

Pfandrecht des Spediteurs und befugniS der Einlagerers.

Lagerhalters.

Guter Glaube über die Berfügungs-

Verwirklichung des Pfandrechts 383. 5. Frachtgeschäft.

Verpflichtung führers 384.

des

daS Gut

von

einem anderen Frachtführer abnehmenden Fracht­

n) Seehandel und Binnenschiffahrt. 1) Haftung für Verschulden eines Zwangslotsen 3. — 2) Bedeutung der Klausel, es solle gelöscht werden „as fast as the custom of the port will admit“. Hamburger Lösch­ ordnung. 88 568. 595 HGB. 384. — 3) Unreinlichkeit des Schiffes als vom Verfrachter zu vertretender Mangel 385. — 4) Angebläutes Weißholz ist besondere Handelsware, nicht minderwertig gegenüber blanker Ware 385 Anm. — 5) Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verfrachter bei Vorhandensein mehrerer Orderkonnossementsexemplare 385 Anm. — 6) Auslieferungspflicht gegenüber dem Konnossementsinhaber. Teilweiser Verlust 386. — 7) Anspruch auf Distanzfracht 387. — 8) Seeversicherungsklausel „gegen Wurf und Spülen und frei von Partikularschäden gedeckt" 388. — 9) Zusammenstoß von Schiffen. § 901 Nr. 2 HGB. 389. — 10) Verlegung des Heimatsortes' eines Schiffes als Folge des Eigentums­ wechsels 389. — 11) Fälligkeit des Liegegeldes 390. — 12) Anwendung deutschen Rechtes bei Zusammenstoß deutscher Schiffer in ausländischem Gewäffer 391.

Elfter Abschnitt.

Wechsrlrechk.

1) Haftung aus einem für den Garantiefond eines Unternehmens gezeichneten Wechsel 407. — 2) Bezeichnung des Remittenten in Wechsel; Ausdrücke, wie „an eigene" genügen nicht 408. — 3) Domizilvermerk 409 u. Anm. das. — 4) Erfordernisse des Wechselprotestes 409. — 5) Legitimation des Wechselinhabers, wenn ein Indossament zufällig oder wider­ rechtlich ausgestrichen wurde 409. — 6) Kosten eines nach Konkurseröffnung erhobenen Wechselprotestes als Konkursforderung 411. — 7) Nachprüfung der Protestkosten durch den Indossanten 412. — 8) Auslegung des Wechsels; Unterzeichnung als Aval 413. — 9) Protest außerhalb der Proteststunden. Aufnahme der Zustimmungserklärung in den Protest 414. — 10) Unrichtige Wechselabschrift im Protest 415. — 11) Eigener Sichtwechsel mehrerer Aus­ steller. Abreden über deren Ausgleichspflicht 415.

Zwölfter Abschnitt.

Gewerberrchl.

Verschiedenheit der Kündigungsfristen ist nach § 133 a. a. Gew.O. nichtig 343.

Dreizehnter Abschnitt.

Industrierecht.

a) Urheberrecht (Schriftwerke, Kunstwerke). 1) Angabe des Verfassers oder Herausgebers. Schutzfähigkeit einer Zusammenstellung bekannter Dinge 424. — 2) Begriff der Nachbildung „in derselben Kunstform" 425.

b) Patentrecht. 1) Voraussetzungen der Klage auf Unterlassung einer Patentverletzung 426 (a). — 2) Patentverletzung durch Vertrieb eines nur zu einem patentierten Verfahren verwendbaren Apparates, wenn auch der Apparat selbst nicht geschützt ist 428.

e) Schutz der Warenbezeichnungen. 1) Klage auf Unterlassung des widerrechtlichen Gebrauchs eines Warenzeichens 427 M. 429. — 2) Warenzeichen und Firmenrecht 429. — 3) Rechtlicher Charakter und Voraus­

setzungen des Unierlassungsanspruches aus § 15 des Warenzeichenges. erlaubten Handlung 429.

Vierzehnter Abschnitt.

Gerichtsstand der un­

Verstcherungsrecht.

1) Verspätete Prämienzahlung. Unrichtige Auskunft des Generalagenten 391. — 2) Ver­ schweigen von Umständen, die der Versicherte für bedeutungslos hält 392. — 3) Erstreckt sich die Reisewaren-Verlustversicherung des Prinzipals auf Unterschlagungen seines Reisenden? 393. — 4) Was bedeutet „Ruhen der Versicherung"? Kein Gewohnheitsrecht, wonach die Haftpflichtversicherung bei. Veräußerung des versicherten Betriebes erlischt 394. — 5) Haftung aus den für den Garantiesond eines Versicherungsvereins gezeichneten Anteilscheinen und

Wechseln 407.

Fünfzehnter Abschnitt.

Arbeileroersicherung.

a) Krankenversicherung.

1) Rechtsverhältnisse bei Ausnahme eines Versicherten in ein Krankenhaus 26. — 2) Voraussetzungen für den Austritt aus der Ortskrankenkasse nach § 19 V. KrVG. 398. — 3) Privatklinik als Gewerbebetrieb. Begriff der Krankheit. Aufwendungen bei Nichtanmeldung 399. — 4) Ist nach § 581 KrVG. geklagt, so ist die Sache der Verwaltungsbehörde ganz, auch für die Vollstreckung entzogen 400. b) Unfallversicherung.

1) Übergang des Ersatzanspruches bei Gewerbeunfällen. Verrechnungsart bei mitwirkendem

eigenem Verschulden des Verletzten 401. — 2) Bedeutung der §§ 135. 136 GewUVG. 402. — 3) Verhältnis der Kranken- und Unfallversicherung zueinander 403. — 4) Abnützung von Garderobe als Kosten des Heilverfahrens 405. c) Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes infolge von Betriebsunfällen. 1) Zum Begriff des im Dienst erlittenen Betriebsunfalls 406. — 2) Rechtsweg für Ansprüche eines Kommunalbeamten auf Unfallrente 407.

II. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften.

1) Streit über örtliche Zuständigkeit 141. — 2) Einfluß der Gerichtsferien 143. — 3) Beschwerde wegen des Armenrechts 144. — 4) Bestimmte Entscheidung des Beschwerde­

gerichts 144. — 5) Mangelhafte Rechtskenntnis als Grund zur Wiedereinsetzung nach § 22 FrGG. 145. — 6) Einfluß von Schreibfehlern auf den Beginn der Beschwerdefrist 146. — 7) Rechtskraft einer Entscheidung in frwG. 146. — 8) Beschwerde zu richterlichem Protokoll wirksam, wenn ein Gerichtsschreiber zugezogen war 150. — 9) § 34 FrGG. findet auf die Verhandlungen über Ehelichkeitserklärung keine Anwendung 150. — 10) Berschwiegenheits-

Systematisches Inhaltsverzeichnis.

XIII

Pflicht des preußischen Notars 157. — 11) Beschwerde gegen Notar wegen Verweigerung der vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde 166. — 12) Nachweis der Vertretungs­

macht 275 (f). — 13) Rechtshilfe in Grundbuch- und Registersachen 328.

Zweiter Abschnitt.

Trundbuchrrcht.

a) Allgemeines.

1) Notwendigkeit der Auflassung: a) bei Grundstückerwerb infolge Neubildung eines Kommunalverbandes 62; b) bei bergrechllichem Enteignungsbeschluß 66. — 2) Inhalt des Eintragungsersuchens des Oberbergamis nach Verleihung von Bergwerkseigentum 66 Anm. — 3) Zuschreibung eines Grundstückes als Bestandteil zu einem andern 71. — 4) Berichtigung durch Eintragung des Eigentümers 76. — 5) Eintragung von Veränderungen bei Mit­ eigentum 85. — 6) Eintragung eines Erbbaurechts; vorherige Abschreibung der zu belastenden Grundstücksteile 85. — 7) Grundbuchverfügungen der früheren Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft 132. — 8) Form der Auflassung an einen Miterben 138. — 9) Keine Rechts­ hilfe zur Entgegennahme von Parteierklärungen 328. 329 Anm. — 10) Beschwerderecht des

Notars 136. — 11) Beschwerderecht in Grundbuchsachen 138.

b) Hypothek. 1) Form der Eintragung der Verpfändung einer Hypothek 64. 93. — 2) Hypothek mit dem Vorbehalt, daß der Eigentümer im Falle der Löschung voreingetragener Hypotheken andere an deren Stelle eintreten lassen kann 90. — 3) Eintragung der Klausel, daß der Gläubiger bei Nichtzahlung des Kapitals sich zunächst an das Grundstück zu halten habe 94. — 4) Eintragung des Anfangszeitpunktes der Verzinsung 95. — 5) Aushändigung des Briefes. Vertragliche Bestimmung darüber und Widerruf 101. — 6) Erteilung eines neuen Hypothekenbriefes 115. — 7) Eine Vormerkung gemäß § 1179 BGB. steht der Eintragung einer Verfügung über die Eigentümerhypothek nicht entgegen 118. — 8) Keine Löschungs­ bewilligung des Vorerben zugleich als gesetzlichen Vertreters des Nacherben 132. — 9) Zu­ stimmung des Nacherben zur Löschung der vom Borerben bezahlten auf dem Nachlaßgrundstück eingetragenen Hypothek 298.

Dritter Abschnitt.

Vormundschastssschen.

1) Örtliche Zuständigkeit bei Vormundschaft über Geschwister 151. — 2) Beschwerderecht des unehelichen Vaters 152. — 3) Beschwerderecht Dritter, wenn das Vormundschastsgericht die Genehntigung zu einem Rechtsgeschäfte des Vormundes mit dem Dritten versagt 152. — 4) Für die uneheliche Mutter besteht kein gesetzlicher Zwang, dem Vormundschaftsgericht den Vater des Kindes zu nennen 256 Anm. — ,5) Vormundschaft über Ausländer 257. — 6) An­ wendung des Art. 23 EG. auf Angehörige eines anderen deutschen Bundesstaates. Fürsorge­ erziehung eines Nichtpreußen 261. — 7) Voraussetzungen der vorläufigen Unterbringung nach § 5 des preußischen Fürsorgeerziehungsgesetzes 261 Anm. — 8) Prüfung eines Antrages aus Ent­ lassung aus der Staatsangehörigkeit durch das Vormundschastsgericht nach Art. 41, II EG. 261. — 9) Befugnis zur Beschwerde wegen Ablehnung einer Pflegschaft 273. — 10) Ansetzung der Gebühren für Pflegschaft; haftbare Personen 279. — 11) Rechtshilfe zur Vernehmung des Schwängerers darüber, ob er seine Entschädigungspflicht anerkenne 329 (7).

Vierter Abschnitt.

Nachlaß- und Trilungssachen.

1) Regelung des Nachlasses eines Ausländers 153. — 2) Der Erbe, der seinen Erb­ anteil veräußerte, gehört nicht zu den Erbauseinandersetzungsbeteiligten 154. — 3) Beschwerde

der Nachlaßgläubiger gegen Festsetzung einer Vergütung für den Nachlaßpfleger 264. — 4) Der Testamentsvollstrecker untersteht nicht der Aufsicht des Gerichts 302. — 5) Testamentsver­ wahrung nach beendeter Nachlaßsache 306.

Fünfter Abschnitt.

Negistersachen.

a) Personenstand.

Keine Berichtigung der in besonderer Urkunde vor dem Standesamt abgegebenen An­ erkennung der Vaterschaft 256.

b) Bereinssachen. Einfluß der Gerichtsferien auf Bereinsregistersachen 143. c) Handelssachen.

1) Beschwerde nach Festsetzung einer Ordnungsstrafe 154. — 2) Löschung einer Ein­ tragung von Amts wegen 158. — 3) Rechtshilfe zur Entgegennahme eines Löschungs­

antrages 328.

Gerichtliche und notarielle Urkunden.

Sechster Abschnitt.

Entwürfe nebst Unterschristsbeglaubigung durch den Richter.

Siebenter Abschnitt.

Form von Protokollen 155.

Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

1) Anfertigung von Vertragsentwürfen durch den Richter ist gebührenfrei 155. — 2) Ge­ bührenberechnung, wenn im Erbschein die Fortsetzung der Gütergemeinschaft bescheinigt wird 237. — 3) Ansetzung von Gebühren für Pflegschaft. Haftbare Personen 279.

m. ZivUprozeß. Erster Abschnitt.

Rechtsweg.

Zulässigkeit des Rechtsweges für Ansprüche eines Kommunalbeamten auf Unfallrente 407.

Zweiter Abschnitt.

Die Gerichte.

a) Gerichtsverfassung. 1) Rechtshilfeersuchen einer Disziplinarbehörde 325. — 2) Weigerung des ersuchten Gerichts, den Gerichtsschreiber zur vollstreckbaren Ausfertigung des von ihm aufgenommenen Unterhaltsversprechens des Schwängerns anzuweisen 326. — 3) Erstattung von Kosten bei Rechtshilfe. Beschwerde deswegen 330.

b) Wert des Streitgegenstandes.

Streitwert: a) bei Klage auf Herausgabe des Hypothekenbriefes nach Abtretung der Forderung 115; b) eines Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung 160 Anm. c) Gerichtsstand. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung: a) bei Verstoß gegen § 6 des Gesetzes betr. un­ lauteren Wettbewerb 422; b) bei Verstoß gegen § 15 des Warenzeichengesetzes 429.

Dritter Abschnitt. 'Die Parteien. a) Streitgenossenschaft.

Streitverkündung.

Zulässigkeit der Streitverkündung nach § 72 ZPO. 16.

b) Prozeßkosten im allgemeinen. 1) Sofortiges Anerkenntnis bei Widerspruchsklage nach § 771 ZPO. 163(0). — 2) Um­ fang der Vollstreckungskosten. Hebungsgebühr des Anwalts gehört nicht dazu 163. — 3) Kosten für Löschung einer Vormerkung im Grundbuche zufolge Urteils 164(0). — 4) Kosten der Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit fallen auch bei sofortigem Anerkenntnis dem Beklagten zur Last 310. c) Anwaltsgebühren.

1) Hebungsgebühr des Anwalts gehört nicht zu den Bollstreckungskosten 163. — 2) Ge­ bühren für mehrere Anträge aus § 890 ZPO. bei einheitlicher Verhandlung 189.

Vierter Abschnitt.

Verfahren erster Instan; vor den Landgerichten. a) Klage.

Klagänderung.

1) Zulässigkeit eventueller Klaganträge 805. — 2) Wenn aus Kontokurrent geklagt ist, so stellt sich das Zurückkommen auf einzelne darin aufgenommene Forderungen als Klag­

änderung dar 364.

Systematisches Inhaltsverzeichnis.

XV

b) Feststellungsklage. 1) Klage auf Feststellung des Eigentums 84. — 2) Zulässigkeit der Klage auf Fest­ stellung, daß Kläger nicht mehr Liquidator einer Gesellschaft m. b. H. sei 369.

Fünfter Abschnitt.

Zwangsvollstreckung.

a) Allgemeine Bestimmungen. 1) Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem im Wechselprozeß ergangenen Vorbehaltsurteil 160. — 2) Konkursverwalter als Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners 161. — 3) Geltendmachung der Ausrechnung im Wege des § 767 ZPO. 161. — 4) Einstellung der Vollstreckung nach § 769 ZPO. dauert nur bis zum Erlaß des Urteils 1. Instanz 162. — 5) Bollstreckungskosten: a) Hebungsgebühr des Anwalts gehört nicht dazu 163; b) Kosten der Löschung einer Bornierkung auf Grund eines Urteils 164(0). — 6) Vergleich im Sinne des § 794 Nr. 1 ZPO. 165. — 7) Vollstreckbare Ausfertigung gegen eine ohne Liquidation aufgelöste offene Handelsgesellschaft 166. — 8) Beschwerde gegen den Notar wegen Verweigerung der

Herausgabe einer vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde 166. — 9) Erteilung vollstreckbarer Ausfertigung eines vom ersuchten Gerichte aufgenommenen Unterhallsversprechens des Schwängerers. Rechtsmittel bei Weigerung 326.

b) Einspruch Dritter.

1) Zustellung der Widerspruchsklage 162 («). — 2) Sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO. bei Widerspruchsklage 163 (0).

c) Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. 1) Erstreckung der Beschlagnahme eines Grundstückes: a) auf Steine, die auf Grund dinglichen Rechtes von einem Dritten geworben sind 104; b) auf Ziegel, die auf dem Grund­ stück gebrannt sind 9. 105. 106; c) auf fremdes Zubehör 108. — 2) Begriff des Gesinde- im § 10 Nr. 2 ZwVGes. 202. — 3) Keine Anwendung des § 17 ZwBG. auf die fortgesetzte Gütergemeinschaft 202. — 4) Beschwerde des Erstehers: a) gegen die Art und Weise des Aus­

gebotes 202; b) gegen den Zuschlag wegen Irrtums 203. — 5) Auslegung be8 § 114 ZwBG. Widerspruch wegen mangelnder Legitimation des vorgehenden Gläubigers 204. — 6) Irrtum über den tatsächlichen Zustand eines Grundstückes; Wirkung des Zuschlages 205. — 7) Keine Anwendung des § 726 ZPO. auf den Fall des § 132 ZwBG. 206. — 8) Zwangsverwaltung des vom Nießbraucher besessenen Grundstückes 207. — 9) Verteilung einer Zwangshypothek auf mehrere Grundstücke 212. d) Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen, Forderungen und Rechte.

1) Vollstreckung in Fahrnisse der Frau, die sich in der gemeinsamen Wohnung der Ehe­ gatten befinden, bei Gütertrennung 171. — 2) Pfändung von Sachen im Gewahrsam Dritter 208. — 3) Unpfändbare Sachen: a) Fuhrwerk eines Viehhändlers 174(a); b) Fuhrwerk eines Fuhrunternehmers 175(0); c) Schreibtisch eines Agenten 209. — 4) Verzicht auf Unpfändbar­ keit 174. — 5) Bezeichnung der zu pfändenden Forderung 179. — 6) Pfändung des Gut­ habens eines Genossen 177. — 7) Pfändung des Berichtigungsanspruches 185. — 8) Pfändung

von Gesellschaftsrechten. Kein Anspruch aus Büchereinsicht u. dgl. 185. — 9) Pfändung einer Buchhypothek 211. — 10) Pfändung einer Höchstbetragshypothek, durch welche ein Anspruch auf fortlaufende Beträge gesichert ist 93. — 11) Pfändung von Gehalt erstreckt sich von selbst auf die künftig fälligen Raten 344. —• 12) Einfluß der Pfändung einer Hypothek auf das Recht des Schuldners zur Kündigung und Aufrechnung 175. — 13) Anspruch auf Rechnungslegung nach Pfändung einer Provisionsforderung 179. — 14) Wirkung der Zustellung des Pfändungs­ beschlusses an den Drittschuldner ohne Wegnahme des Hypothekenbriefes 178. — 15) Verzicht auf die aus der Forderungspfändung entstandenen Rechte 180. — 16) Berechnung der Frist des 8 845 Abs. 2 ZPO. 181. — 17) § 845 Abs. 2 ZPO. erfordert eine dem Gesetze entsprechende Pfändung 211. — 18) Unpfändbare Rechte: a) Altenteil und an Stelle desselben getretene Geldrente 181; b) Geldrente wegen Berletznng ärztlicher Pflicht 183; c) Anspruch aus DarlehnSversprechen 184. — 19) Zusammentreffen mehrerer unpfändbarer Forderungen 183. —

20) Pfändbarkeit des zukünftigen Anspruches der Ehefrau auf Rückgabe ihres Eingebrachten vor Beendigung der ehemännlichen Rechte 172. — 21) Schuldbefreiung durch Hinterlegung nach § 853 ZPO. 184. — 22) Berechtigung zur Hinterlegung auf Grund einer Borpsändung aus § 845 ZPO. 210. e) Berteilungsverfahren. Auslegung -es § 878 ZPO. 186.

f) Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen. 1) Herausgabe von Sachen an einen Dritten 187. — 2) Vollstreckung eines Urteils auf Abnahme einer gekauften beweglichen Sache 187. — 3) Erstattung der durch Vornahme der Handlung seitens des Gläubigers entstandenen Kosten 188. — 4) Inhalt der Strafandrohung nach § 890 ZPO. 188. — 5) Gebühren für mehrere Anträge aus § 890 ZPO. bei einheit­ licher Verhandlung 189. — 6) Wortlaut des Urteils auf Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit 190. g) Offenbarungseid. 1) Offenbarungseid trotz Forderungspfändung 169. — 2) Erneute Leistung des Offen­ barungseides auf Ladung des Gläubigers, wenn der Schuldner nach erlassenem Haftbefehl den Eid einseitig leistete 190. — 3) Nochmalige Eidesleistung bei Unvollständigkeit des Verzeich­ nisses 194. — 4) Anstellung mit Gehalt macht neuen Bermögenserwerb nicht glaubhaft, falls das Gehalt zum Unterhalt nötig ist 194. — 5) Widerspruch wegen psychischer Aufregung 195. — 6) Arrestbefehl als Grundlage für die Ladung zum Offenbarungseid 195. — 7) Kein Haftbefehl aus § 901 ZPO., wenn der Schuldner durch Krankheit am Erscheinen verhindert war. Beschwerde gegen den Haftbefehl 213.

Sechster Abschnitt.

Arrest und einstweilige Verfügung.

1) Ist im Arrestverfahren Offenbarungseid zulässig? 195. — 2) Widerspruch gegen eine zeitlich begrenzte arrestatorische Maßregel 214.

IV. Konkurs. 1) Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners. § 6 KO. 72. — 2) Ab­ schreibungen auf Girokonto des Gemeinschuldners auf Grund eines vor der Konkurseröffnung von ihm ausgestellten Schecks. Wechselprotestkosten als Konkursforderung 411.

V. Ltaatsrecht. a) Rechtsverhältnisse der Beamten. 1) Verschwiegenheitspflicht des preußischen Notars 157. — 2) Verfahren in Disziplinar­ sachen. Rechtshilfe 325. — 3) Im Dienst erlittener Betriebsunfall 406. — 4) Rechtsweg für Ansprüche eines Kommunalbeautten auf Unfallrente 407.

b) Stempelsteuer. Kein Stempel für Auflaffung eines Grundstückes, das bei Neubildung eines Kommunal­ verbandes aus dem Eigentum des alten in das deS neuen Verbandes übergeht 62. c) Sonstige öffentlich-rechtliche Verhältnisse. 1) Haftung des Staates für Verschulden von Beamten 1. 2. 3. — 2) Ersatzansprüche der Armenverbände 32. — 3) Ansprüche bei Umwandlung einer Neben- in eine Vollbahn 37. — 4) Haftung für Schaden infolge unrichtiger Beglaubigung einer gefälschten Unterschrift durch Polizeibeamte 53. — 5) Umfang der dem Freigesprochenen zu ersetzenden Vermögens­ schäden 59. Wortregister ......................................................433 Nachträge . ................................................................................................................. 445 Berichtigungen 445

a)

1 Haftung des Staats (Reichs) aus BGB. §§ 31,83. a) OLG. Dresden, II. ZS.

Urteil v. 30. November 1906.

Nach sächsischem Gewohnheitsrecht haftet der Staat für den Schaden,

den seine Beamten durch Verschulden in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt, besonders durch Mißbrauch ihrer Amtsgewalt verursachen. Ein solcher Mißbrauch (Betrug) lag hier vor.

Der Wechsel des Eigentümers am aufgelaffenen Grundstücke wird nicht eher im Grundbuche eingetragen, als

bis der Kostenvorschuß bezahlt ist.

Wollte der Kläger auf Grund der Auf­

lassung den von ihm beantragten Eintrag als Eigentümer erwirken, so uiußte

er vorher den Vorschuß entrichten.

Brauchte er eine Auskunft über diese

Zahlung, wollte er missen, in welcher Höhe, wann und wo der Vorschuß zu

erlegen sei, so durfte er, sich an den mit der Sache befaßten Grundbuch­ führer G. wenden und von ihm die nötige Auskunft erwarten. Die Amts­ pflicht eines Gerichtsbeamten braucht im einzelnen nicht immer ausdrücklich vorgeschrieben zu sein, sie kann sich auch aus der Sache selbst, aus den

sonstigen dienstlichen Obliegenheiten des Beamten ergeben. Vorliegend, wo die Einzahlung des Vorschusses unmittelbar mit den von G. zu erledigenden Grundbuchgeschäften zusammenhing und ihrerseits wieder die Voraussetzung für den grundbücherlichen Eintrag bildete, gehörte es zu den aus der Natur

der Sache und der Art und dem Zwecke seines Amts sich ergebenden Amtspflichten des G-, dem Kläger über die Zahlstelle, wo der Vorschuß zu entrichten war, auf Befragen Auskunft zu erteilen, sie auch wahrheits­ gemäß zu erteilen; er war dem Kläger kraft seines Amtes zu gewiffenhafter und wahrhaftiger Auskunft verbunden. Diese Pflicht war in Fällen solcher Art ein Teil der ihm dem Publikum gegenüber obliegenden Amtspflichten. Durch deren Verletzung, indem er den von ihm getäuschten Kläger durch seine

falsche Auskunft bestimmte, an ihn, anstatt an die Gerichtskaffe zu zahlen,

und indem er den erlangten Betrag widerrechtlich für sich verwendete, hat er den eingetretenen Schaden verursacht, denn der Kläger würde bei richtiger Auskunft an die richtige Stelle gezahlt haben. Selbst wenn dem Kläger im allgemeinen bekannt war, daß Zahlungen an eine Behörde bei der Kaffe der

Behörde zu leisten sind, trifft ihn unter den obwaltenden Umständen kein Verschulden, wenn er der falschen Auskunft des G. Glauben schenkte. Mit Rücksicht auf den erwähnten engen Zusammenhang zwischen Vorschußleistung

und Eintragung konnte aus Gründen der Zweckmäßigkeit die Anordnung be­

stehen, daß die Vorschüsse an den Grundbuchführer zu zahlen seien.

Für den

Kläger lag es um so näher, Has anzunehmen, als er über seine Zahlung von OLGRsp. XIV.

1

G. eine amtlich gestempelte Quittung erhielt.

Daß er in grundbuchamtlichen

Angelegenheiten besonders bewandert gewesen sei, ist nicht behauptet und es fehlt dafür an jedem Anhalt.

Dr. v. F.

ß) OLG. Celle, II. ZS. Urteil v. 8. Januar 1906. Ein Postillon sdurch dessen Verschulden der Kläger verunglücktes ist kein „verfassungsmäßig berufener Vertreter" des beklagten Reichspostfiskus.

Zwar ist die „Berufung durch die die Verwaltungsorganisation des Fiskus

regelnden Bestimmungen" ein wesentliches Merkmal für den „Vertreter" des § 31; indessen ist sie nicht das einzige, da sonst der Fiskus für alle, auch die niedrigsten Bediensteten, sofern sie nur durch Reglements zu ihrer Stellung

berufen sind, haften müßte; dies entspricht nicht der Absicht des Gesetzes. — Der § 31 erfordert auch, daß dem Angestellten durch die organisatorischen Bestimmungen eine mehr oder weniger umfangreiche Tätigkeit auf einem

größeren sachlichen oder örtlichen Geschäftsgebiete übertragen, daß er durch

jene Bestimmungen zu einer selbständigen Vertretung des Fiskus innerhalb

eines größeren Geschäftskreises berufen ist (Entsch. des RG. 53 S. 279, 62 S. 35). Die Tätigkeit, zu der ein Postillon berufen ist, ist aber keine solche, die sich als eine „Vertretung" qualifizieren könnte; er ist ebensowenig ein

verfassungsmäßig berufener „Vertreter" wie ein Bahnmeister oder der Haus­ meister eines Postamtes (vgl. IW. 1904 S. 165). Auch aus dem § 831 ist die Klage nicht begründet. Die Postverwaltung hat durch Vertrag das ganze Postfuhrwesen einschließlich der Anstellung der erforderlichen Postillone auf eine Privatperson, den Posthalter H., übertragen. Nach den 88 31 ff. der Allg. Dienstanweisung für Post und Telegraphie ist dem Postillon eine Doppelstellung zuzuerkennen, indem er sowohl zum Posthalter im Verhältnis

eines Privatdieners zur Dienstherrschaft als auch zur Postverwaltung im Verhältnis eines Beamten steht (Entsch. des RG. 17 S. 65). Daraus er­ geben sich Zweifel, wer den Postillon zu der Verrichtung des Fahrens be­ stellt, der Posthalter oder die Postverwaltung. Man könnte vielleicht sagen, daß die Postverwaltung dadurch, daß sie den vom Posthalter angenommenen

Bewerber nach Prüfung, ob seiner Annahme Bedenken entgegenstehen, be­ eidigt und ihm das Dienstbuch und die Dienstanweisung aushändigt, ihrer­ seits den Postillon zu seinen dienstlichen Verrichtungen, besonders zu den

bestellt, zumal da sie durch diese Beförderungen ihre eigenen Verpflichtungen aus den mit den Reisenden oder den Absendem von

Postbeförderungen

Postsendungen abgeschlossenen Verträgen erfüllt, zumal sie ferner von den

Postillonen verlangt, daß sie sich bei den Postbeförderungen durch die Dienst­ kleidung als Postbeamte kennzeichnen, und da sie schließlich auf Grund ihres Rechts, die vom Posthalter vorgeschlagenen Bewerber

durch Verweigerung

der Beeidigung vom Postillondienste fernzuhalten, in der Lage ist, die An­

nahme der Bewerber von dem Nachweise ihrer Geschicklichkeit im Fahren abhängig zu machen.

Dem steht jedoch entgegen, daß die Postverwaltung

das gesamte Postfuhrwesen dem Posthalter, dem Dienstherrn des Postillons,

1. Juristische Personen.

3

BGB. § 89.

übertragen hat, daß also der Posthalter durch den Postillon seine vertrags­ mäßige Verpflichtung der Beförderung der Posten erfüllt. Der Posthalter

ist demnach derjenige, dem diese Beförderung in erster Linie obliegt, und zu

dieser Verrichtung nimmt er die Postillone in Dienst und bestellt er im einzelnen Falle den Postillon. Die Postverwaltung überträgt dem Postillon nicht die Ausführung dieser Verrichtung, sondern bestimmt nur die Rechte und Pflichten des Postillons bei den ihm vom Posthalter übertragenen Ver­ richtungen. Über diese soll er durch die ihm eingehändigte Dienstanweisung

belehrt werden, und die Beeidigung bezweckt, ihn zur Erfüllung seiner Pflichten

anzuspornen und ihn für den Fall der Begehung strafbarer Handlungen den schärferen Strafen für Verbrechen und Vergehen im Amte zu unterwerfen.

Vor der Vereidigung hat nach der Dienstanweisung (§ 31) die Postbehörde nicht zu prüfen, ob der Bewerber das Fahren versteht; nur daß er sich vorwurfsfrei geführt hat, ist durch Zeugnisse der Ortsbehörde zu belegen, und nur diese Zeugnisse sind zu den Personalakten zu nehmen.

Daraus

erhellt, daß in der für die Rechtsstellung des Postillons maßgebenden Dienst­

anweisung die Prüfung der Geschicklichkeit im Fahren nicht als Sache der Postverwaltung, sondern des Posthalters als des Dienstherrn, der seine Ge­

spanne dem Postillon anvertraut, angesehen wird. Hiernach ist aber der Schluß gerechtfertigt, daß nicht die Postverwaltung, sondern nur der Post­ halter den Postillon zu der Verrichtung des Fahrens bestellt. Der Beklagte haftet daher auch nicht auf Grund des § 831 für den durch den Postillon

verursachten Schaden. Er würde auf Grund dieser Vorschrift jedoch dann haften können, wenn der Schaden durch den Posthalter, dem er das Post­

fuhrwesen übertragen hatte, oder durch den diesem vorgesetzten Postbeamten (Postverwalter) — z. B. durch Fahrlässigkeit bei der Auswahl des Postillons oder durch Belassung desselben im Dienste trotz nachgewiesener Unzuverlässig­ keit und Unfähigkeit desselben — verursacht worden wäre. In dieser Be­ ziehung muß aber der Entlastungsbeweis geführt werden. —"

H.ch.

/) Keine Haftung der Kommune für den durch Brrschulden eines von ihr augkstellten Zwangslotsen entstandenen Schadens. OLG. Rostock, II. ZS.

Urteil v. 16. Mai 1906.

Das dem Kläger gehörige Schiff ist, während es im Hafen zu Warne­

münde lag, von einem in den Hafen unter Führung eines Zwangslotsen ein­

laufenden Dampfer angerannt und beschädigt.

Nach dem Spruch des See­

amts trifft den Lotsen ein nicht unerhebliches Verschulden an der Kollision. Der Kläger fordert von der Stadt Rostock, von welcher der Lotse angestellt

ist, Ersatz des entstandenen Schadens.

Die Klage ist unbegründet.

Daß für das Versehen eines Lotsen, wenn er freiwilliger Lotse ist, der Reeder auf Gmnd des Lotsenvertrags hastet, ist nicht zweifelhaft und folgt insbesondere per argumentum e contrario aus dem § 738 HGB., der

die Haftung des Reeders aus Versehen des Zwangslotsen ausschließt. Der Lotse, welcher an Stelle des Schiffers die Führung des Schiffs über1*

nimmt, ist als Substitut des Schiffers Vertreter des Reeders in Führung

des Schiffs. Dies trifft auch dann zu, wenn die Lotsen vom Staate oder von einer Kommune angestellt sind. Auch in diesem Falle handeln sie zwar bei ihren Verrichtungen in Ausübung prioatrechtlicher Vertretungsmacht, aber

nicht für den Staat oder die Kommune, sondern für den Reeder.

Wenn nun, wie im vorliegenden Falle, das beschädigende Schiff von einem Zwangslotsen geführt wurde, der zugleich Beamter einer öffentlichen Korporation ist, so ist zwar der Reeder durch § 738 HGB. von jeder Haftungspflicht befreit; daraus folgt aber nichts für eine Haftung der Kor­

poration. Denn abgesehen von jener Befreiung ist das Verhältnis des Reeders zu dem Zwangslotsen dasselbe wie zu jedem andern Lotsen. Der Umstand, daß der Zwangslotse von dem Schiffer kraft gesetzlicher Bestimmung ange­

nommen werden muß, hat auf das zivilrechtliche Verhältnis keinen Einfluß. Es werden dadurch weder die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Lotsen als Vertreter und dem Reeder als Vertretenen alteriert noch wird der recht­

liche Charakter der von dem Vertreter ausgeführten Verrichtungen geändert (vgl. Schaps, Seerecht zu § 738 Anm. 4; Kühns in Goldschmidts Zeit­ schrift für HR. 12 S. 425 ff.).

Der Zwangslotse erscheint daher auch dritten Personen gegenüber an sich als Stellvertreter des Reeders und die Bestimmung des § 738 HGB., welche den durch ein Verschulden des Zwangslotsen Beschädigten den Ersatz­

anspruch gegen den Reeder versagt, ist eine finguläre Ausnahmebestimmung, aus der keine Folgerungen auf die Haftung anderer gezogen werden dürfen.

Daß der Staat oder die Kommune in diesem Fall für den durch ihre Be­ amten herbeigeführten Schaden eintreten, mag zwar der Billigkeit entsprechen, kann aber ohne besondere gesetzliche Bestimmung nicht als Rechtsgrundsatz

angenommen werden (vgl. Kühns a. O. S. 429).

Dementsprechend verneinen

auch sämtliche Bearbeiter des Seerechts die Haftung des Staats bzw. der Kommune für das Verschulden der Zwangslotsen (vgl. Wagner, Beiträge zum Seerecht ©. 99ff.; Lewis in Endemanns Handbuch des HR. IV S. 122;

Boyens, Seerecht I S. 315 Note 12; Schaps, Seerecht § 738 Anm. 13). Es ist anerkannten Rechtens, daß sich die im § 89 Abs. 1 BGB. statuierte Haftung des Fiskus und der öffentlichen Korporationen nur auf solche zum Schadensersätze verpflichtende Handlungen bezieht, welche von den Organen dieser öffentlich-rechtlichen juristischen Personen in Ausübung ihrer

privatrechtlichen Vertretungsmacht vorgenommen werden (vgl. Denk­ schrift zum Entwurf des BGB. S. 29). Es genügt also nicht, daß die Schadenszufügung

überhaupt in Ausübung privatrechtlicher Verrichtungen

seitens der Organe geschieht, sondern diese müssen ein privatrechtliches Ge­

schäft für die Korporation ausführen; denn nur insofern kann von einer privatrechtlichen Vertretung die Rede sein. Demnach würde eine Haftung der beklagten Kommune für die Versehen

der von ihr angestellten Lotsen aus den §§ 89 Abs. 1, 31 BGB. nur dann

1. Juristische Personen.

BGB. § 89.

5

hergeleitet werden können, wenn deren Verrichtungen in Ausführung eines

zur Privatrechtssphäre der Beklagten gehörigen Geschäfts vorgenommen wurden. Das ist aber nicht der Fall.

Es ist seltsam, wenn der Kläger meint, daß

die Stadt durch ihre Beamte selbst das Lotsengewerbe ausübe, und diese

Ansicht kann auch nicht darauf gestützt werden, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen die Lotsengebühren in die Stadtkafse fließen, während die Lotsen ein festes Gehalt beziehen.

Die Stadt hat im öffentlichen Interesse

die Bestellung der Lotsen als Beamte angeordnet, nicht aber zu dem Zwecke,

deren Tätigkeit zu einer Erwerbsquelle für sich zu gestalten.

Sie tritt daher

durch diese Tätigkeit in keine privatrechtliche Geschäftssphäre ein.

Die Sache

liegt in dieser Hinsicht jetzt nicht anders als in früherer Zeit, als die Lotsen

nicht von der Stadt angestellt sondern von ihr konzessioniert waren. Auch dadurch wird zwischen der Stadt und den von ihr angestellten Lotsen ein privatrechtliches Vertretungsverhältnis nicht begründet, daß die Lotsen nach

§ 1 der Rostocker Verordnung vom 10. August 1900 Zwangslotsen sind. Die Einführung des Lotsenzwanges ist ebenso wie die Anstellung der Lotsen eine lediglich zur Sicherheit der Schiffahrt und aus Gründen der Hafenpolizei

getroffene Veranstaltung.

Das Verhältnis der Stadt zu den Lotsen und ihren

Verrichtungen ist demnach ein öffentlich-rechtliches und die Lotsen handeln,

soweit sie bei ihren Verrichtungen als verfassungsmäßige Vertreter der Stadt erscheinen, in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt. Im übrigen aber üben sie ihre Tätigkeit nach dem oben Ausgeführten als Repräsentanten der Reeder aus. Ihre Verrichtungen bei der Führung eines Schiffes fallen

daher, soweit sie als auf privatrechtlichem Gebiete liegende Handlungen zu betrachten sind, in die Privatrechtssphäre des Reeders, nicht in die der Stadt.

Diese Begründung steht auch mit den vom Kläger angezogenen Urteilen des Reichsgerichts nicht in Widerspruch. Das Urteil vom 29. Juni 1903 (Bd. 55 S. 171 ff.) nimmt eine Haftung des Militärfiskus gemäß § 831 BGB. für Schadenszufügung durch unvorsichtige Handhabung von fiskalischem Material seitens eines Offiziers an, weil die betreffenden Handlungen desselben lediglich aus Anlaß der Ausübung eines Hoheitsrechts erfolgt seien, jedoch ihrer

Natur und Zweckbestimmung nach der staatlichen Vermögensverwaltung an­ seien. Im vorliegenden Falle aber­

gehörten, also militärfiskalische Akte

bewegte sich die Tätigkeit des Lotsen als städtischen Vertreters weder auf

fiskalischem Gebiete noch brachte sie die Stadt als privatrechtliches Rechts­ subjekt in Berührung mit dem allgemeinen Verkehr, dem Rechtskreise Dritter.

In dem Urteil vom 29. September 1897 (Bd. 39 S. 138) wird die Haftung des Reichsfiskus für die Folgen der Übertretung der zur Verhütung von Seeunfällen erlassenen Bestimmungen

durch den Führer des Lotsen -

Kampfers darauf gegründet, daß der Fiskus Eigentümer des Lotsendampfers sei und daher mit demselben die Schiffahrt, wenn auch nicht zum Erwerbe, betreibe. Diese Begründung läßt klar erkennen, daß das Reichsgericht eine Haftung des Staats für die Versehen der staatlich angestellten Lotsen nicht

ohne weiteres annimmt, sondern dafür das Vorhandensein besonderer Tat­ sachen fordert, die ein privatrechtliches Vertretungsverhältnis zwischen dem

Lotsen und dem Staate begründen.

Solche Tatsachen liegen aber in dem

gegenwärtigen Falle nicht vor....

Chr.

b) Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. BGB. §21. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 26. Oktober 1906.

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist anzunehmen, wenn ein geschäft­

liches Unternehmen wirtschaftlich betrieben wird, wenn also ein mit wirt­

schaftlichen Mitteln (Herstellung, Umsatz äußerer Güter rc) arbeitendes Unter­ nehmen geschästsplanmäßig zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile des Unter­ nehmers betrieben wird.

Diese Vorteile brauchen nicht gerade in positivem

Gewinn zu bestehen, sie können, besonders bei Vereinen, auch bestehen in Er­ sparung sonst erforderlicher Ausgaben (z. B. bei Wirtschaftsgenossenschaften) oder in Ausgleichung vielleicht entstehender Schäden (wie bei Versicherungs­ gesellschaften auf Gegenseitigkeit). Gleichgültig ist ferner wie bei Gesellschaften, so auch bei Vereinen, ob der wirtschaftliche Nutzen unmittelbar den einzelnen Teilnehmern, die, wirtschaftlich genommen, immer die Unternehmer bleiben,

oder ob er ihnen in ihrer Gesamtheit zufließt.

Gleichgültig ist auch, in welcher

Weise die Mitglieder den ihnen einzeln oder der Gesamtheit zufließenden

Nutzen verwenden, ob sie besonders, wenn er der Gesamtheit zufällt, verab­ redet haben, ihn unter sich zu verteilen oder ihn zu wohltätigen Zwecken zu verwenden, ebenso wie es für den Begriff des Handelsgewerbes eines Kauf­

mannes oder einer offenen Handelsgesellschaft nichts ausmachen kann, ob nach Absicht oder Verabredung der erstrebte Gewinn zur Befriedigung materieller Bedürfniffe oder ideeller Interessen verwendet werden soll. Immer aber ist

notwendig, daß der Betrieb selbst nach normal wirtschaftlichen Grundsätzen eingerichtet, also auf Gewinnung von Vorteilen für den Unternehmer ange­ legt ist.. Werden Waren in einem Betriebe nur zu dem Zwecke angeschafft oder hergestellt, um sie an Bedürftige zu verschenken, so mag noch zur Not

von einem „Geschäftsbetriebe" die Rede sein, gewiß aber nicht von einem wirtschaftlichen Betriebe. Ebenso ist es nicht ein wirtschaftlicher, sondern ein ganz unwirtschaftlicher Betrieb, wenn bei einem Unternehmen — wie etwa dem der Vereine zur Beherbergung reisender Handwerker (Herbergen zur

Heimat) — die Kosten zum Teile nicht aus ihm selbst, sondern durch Zuschüffe des Unternehmers, besonders von Vereinsmitgliedern gedeckt werden Das gleiche wird folgerichtig aber auch dann zu sagen sein, wenn, wie es bei Vereinen z. B. zur Errichtung von Volksküchen oder billiger Arbeiterwohnungen, zur Verbreitung guter Literatur (Bibelgesellschaften) vor­

sollen.

kommt, aus dem Betriebe lediglich die Kosten, diese aber ganz gedeckt werden

Daß der klagende Verein in diesem Sinne einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb tatsächlich hat, ergibt sich daraus, daß er 1904 und 1905 ein sollen.

steuerpflichtiges Einkommen von je 40000 Mark gehabt hat; ein solcher Ge­ winn kann nicht unbeabsichtigt sein.

1. Juristische Personen.

BGB. § 21.

7

Es genügt aber nicht, daß ein Verein einen auf Erlangung wirtschaft­ licher Vorteile gerichteten Geschäftsbetrieb zufällig und vorübergehend hat, es muß vielmehr sein Zweck auf einen solchen Betrieb gerichtet sein; ebenso

wie nach § 105 HEB. der Zweck einer offenen Handelsgesellschaft „auf den Betrieb eines Handelsgewerbes", also eines auf wirtschaftliche Vorteile ab­ zielenden und hierauf angelegten Unternehmens „gerichtet" sein muß.

Ein

solcher Betrieb ist natürlich niemals selbst Zweck vom Standpunkte des ein­

zelnen Unternehmers, wohl aber kann er der Zweck eines Vereins, d. h. der

Zweck der Vereinigung seiner Mitglieder, also der Gedanke sein, der sie alle zusammenführt und der nicht ohne Zustimmung aller aufgegeben werden kann (§ 332 BGB.).

auch noch

Daran ändert auch nichts, daß der Verein vielleicht

einen weiter

liegenden Zweck hat.

Denn ebensogut, wie er

mehrere gleichberechtigt nebeneinander liegende Zwecke haben, wie z. B. ein Berufsverein zur Förderung sowohl ideeller wie materieller Interessen seiner Mitglieder dienen kann, kann er eine Reihe hintereinander liegender Zwecke

haben. Wenn sich ein Verein zum Zwecke der Gründung und des Vertriebes einer Zeitung behufs Förderung gewisser politischer Anschauungen zusammen­

tut, so ist der Vertrieb der Zeitung nicht weniger Zweck der Vereinigung, als die Förderung der betreffenden politischen Anschauungen.

Dadurch, daß

der eine Zweck des Vereins im Verhältnis zu einem anderen nur als Mittel

erscheint, hört er nicht auf, Zweck zu sein.

Es muß aber dann dies Mittel

selbst von solcher Bedeutung sein, daß es mit das Wesen des Vereins aus­ macht, nicht bloß als das zurzeit Beste gewollt ist, sondern als etwas, was

dem Vereine seine Eigenart gibt.

Wenn ein Verein, der, ohne sich von vorn­

herein in den Mitteln zu beschränken, politische Zwecke verfolgt, zu deren

größerer Förderung den Vertrieb einer periodischen Zeitschrift zum Besten des Vereins beschließt, so hört er damit noch nicht auf, ein nur politischer Verein zu sein, ebensowenig wie ein geselliger Verein sein Wesen ändert, wenn er zur größeren Förderung seiner geselligen Zwecke beschließt, eine Restauration von großem Umfange zu betreiben. Es wird immer Frage

des einzelnen Falles sein, ob ein vom Verein zur Förderung weiter liegender Zwecke gewolltes wirtschaftliches Unternehmen nur etwas Gelegentliches ist

oder zum Wesen des Vereins selbst gehört. Vorliegend genügt allerdings noch nicht, daß nach den Statuten „der Zweck des Vereins die Förderung christlicher Gesinnung durch Herstellung

und Verbreitung christlicher Literatur" ist. Denn wenn damit auch gesagt ist, daß die Mitglieder sich zur Herstellung und Verbreitung christlicher Literatur zusammentun, so daß der Zweck geändert würde, wenn der Verein anstatt durch

Herstellung und Verbreitung von Literatur durch Erbauung von Gotteshäusern

oder dgl. die christliche Gesinnung fördern wollte, so ist damit doch nicht ge­

sagt, daß die Herstellung und Verbreitung im wirtschaftlichen Geschäfts­ betriebe, also zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile für den Verein, geschehen Auch der weitere Satz: „Ein etwaiger Gewinn dient ausschließlich

soll.

8

1. Sachen.

BGB. §§ 93 ff.

zu gemeinnützigen rc Zwecken" läßt das

nicht erkennen, schließt es aber

Wohl aber folgt es aus der Entstehungsgeschichte

anderseits auch nicht aus.

des Vereins und aus der Art des Geschäftsbetriebes.

Der Kläger behauptet

selbst nicht, daß in den Jahren 1904 und 1905 außerordentliche Verhältnisse

veranlaßt hätten, den Betrieb auf solche Gewinne einzurichten.

Es kann

daher unbedenklich davon ausgegangen werden, daß ähnliche Gewinne schon immer aus dem Unternehmen gezogen wurden; und zwar sowohl in der Zeit, wo der Betrieb noch aufRechnung der Bischöflichen Methodistenkirche Deutschlands

(bis 1902), als auch wo er für Rechnung einer Gesellschaft m. b. H. (bis 1905)

geschah.

Es kann auch ferner nicht zweifelhaft sein, daß, nachdem sich nach

Gründung der Gesellschaft m. b. H. herausgestellt hatte, daß das Unternehmen

steuerpflichtig sei, die Gründung des Vereins beschlossen wurde, um es von dieser Pflicht zu befreien.

Daraus geht klar hervor, daß der Betrieb nach

wie vor auf Gewinn hinarbeiten sollte; denn um dies von der Steuerpflicht ungestört tun zu können, erfolgte ja gerade die Gründung. Zudem läßt die Tatsache, daß die Methodistenkirche früher stets die erheblichen Einnahmen

bezogen hat, in Verbindung damit, daß der Kläger in hohem Grade von ihr abhängig ist — nach den Satzungen kann nur eine von den jährlichen Kon­ ferenzen der Bischöflichen Methodistenkirche empfohlene Person Mitglied des Vereins werden —, daß ferner die Mitgliederversammlung nach Auflösung des Vereins das Vermögen nur an solche Personen fallen lasten darf, „die

es für die Zwecke der Methodistenkirche verwenden werden", mit Bestimmt­ heit annehmen, daß das Unternehmen nach wie vor im wesentlichen auch zum Besten der Methodistenkirche, sei es nun zur Befriedigung speziell kirchlicher Bedürfniste oder auch nur zur Wahrnehmung ihrer besonderen gemeinnützigen

und wohltätigen Bestrebungen dienen soll. Ist sonach „regulärer Geschäfts­ betrieb", Zweck und Wesen des klagenden Vereins, so hat er durch die Ein­ tragung ins Vereinsregister keine Rechtsfähigkeit erlangt. Dieser Umstand steht jedoch seiner Verurteilung in die Kosten nicht entgegen, denn insoweit ist er auch als Kläger am Prozesse passiv beteiligt.

c) Elektrische Anlagen und Bcleuchtuugsapparate eines Wohnhauses. «) OLG. Bamberg, I. ZS.

M. M.

als Zubehör

Urteil v. 16. Juni 1906.

Der Kläger, der vom Beklagten ein Wohnhaus eingetauscht hat, ver­

langt Schadensersatz, weil die Beleuchtungsapparate (Lustres, Glühlampen) einer Wohnung dem Mieter X. gehört hatten und diesem beim Auszuge

herausgegeben werden mußten, obwohl die elektrische Beleuchtungsanlage als Zugehör des Hauses erklärt worden war. Der Anspruch stützt sich auf Die Beleuchtungsapparate sind allerdings an

§ 4402, aber mit Unrecht.

sich bewegliche Sachen und vom Beklagten mit dem Hause dem Kläger zum

Zwecke der Eigentumsübertragung übergeben worden.

Als aber der Mieter X. die von ihm angeschafften, in seiner Wohnung angebrachten Apparate als sein Eigentum beanspruchte und mit sich nahm, gab der Kläger dies zu.

gab also diese Sachen an den Dritten auf Grund seines Rechts heraus.

Trotzdem ist § 4402 hier nicht anwendbar; denn es fehlt an dem Erforder­ nisse, daß die Apparate an den Kläger verkauft sind. Den Vertragsgegen­ stand bildete das Haus mit seinen Bestandteilen und Zugehörungen; be­ wegliche Sachen sind nicht

mitoeräußert.

Die Beleuchtungsapparate sind

also nur dann mitverkaust, wenn sie Bestandteil oder Zubehör des Grund­

stücks, also gewissermaßen unbeweglich geworden sind. bezüglich der Apparate des 36. nicht gegeben. Die

elektrische Beleuchtungsanlage

Dieser Fall ist aber-

(Maschine, Leitung, Schalt­

apparate) kann, je nachdem sie ohne wesentliche Beschädigung des Gebäudes

entfernt werden kann oder nicht, Zubehör oder Bestandteil desselben sein

(Rehbein

1 §§ 90-103 Ziff. 4b S. 97, Ziff. 4d S. 89; Seuffert 57

Nr. 143).

Zum mindesten ist sie ein Zubehör des Hauses und somit durch

den Tauschvertrag in das Eigentum des Klägers übergegangen.

Anders

verhält es sich aber mit den Beleuchtungsapparaten. Diese sind selb­ ständige bewegliche Sachen, welche mit der elektrischen Anlage in einer leicht löslichen Verbindung stehen und daher von ihr, ohne daß eine Zerstörung oder wesentliche Änderung der einen oder anderen eintritt, getrennt werden

können.

Die

Apparate

sind

also

nicht

wesentliche

Bestandteile

der

elektrischen Anlage; es fragt sich aber, ob sie Zubehör der letzteren sind

und damit mittelbar auch eine Zubehör des Gebäudes. Zubehör eines Wohngebäudes ist alles, was dem Zweck des Gebäudes, als Wohnung benutzt zu werden, direkt oder indirekt dient (§§ 97, 98). Da zur Benutzung bei Nacht Licht erforderlich ist, so dienen sowohl die elektrische Anlage als Hauptsache, wie die Beleuchtungsapparate als Hilfssache dem Zwecke des Wohngebäudes. Letztere stehen auch zur ersteren in einem ent­ sprechenden räumlichen Verhältnisse: es sind also die beiden ersteren Erforderniffe des Begriffs Zubehör gegeben.

Ob das dritte Erfordernis, die

dauernde Benutzung vorhanden ist, hängt von den Umständen des einzelnen

Falles ab.

Wenn der Eigentümer des Gebäudes die Beleuchtungsapparate

kauft und zum Zwecke fortgesetzten Gebrauchs im Hause mit der elektrischen Anlage verbindet, ist die Benutzung als dauernde zu betrachten. Wenn aber

ein Mieter nur für eine vorübergehende Benutzung, nämlich für die Dauer der Miete, eine solche Anschaffung, welche an sich Zubehör sein könnte,

macht, so ist anzunehmen, daß hier das Erfordernis der dauernden Be­ stimmung fehlt. Es handelt sich dann um Sachen, die nur den Bedürfnissen des zeitweiligen Besitzers der Hauptsache zu dienen bestimmt sind.

Hiernach kommt vorliegend den vom Beklagten als Hauseigentümer

selbst angeschafften Beleuchtungsapparaten die Eigenschaft als Zubehör zu, nicht aber auch jenen, welche der Mieter 36. als Hochzeitsgeschenk erhalten und mit der elektrischen Anlage verbunden hatte.

Sch.

$ Kohlenvorräte, die der Zwangsverwalter eines Ziegeleigrnndstücks anschafft, als deffen Zubehörs

1. Sachen.

10

BGB. 88 98 ff.

OLG. Königsberg, II. ZS. Urteil v. 3. November 1906. nachdem für ein Ziegeleigrundstück während

Der Beklagte hat,

der

Zwangsverwaltung aus den von ihm als betreibenden Gläubiger gezahlten Vorschüssen Kohlenvorräte angeschafft und mit diesen Mitteln Ziegeln fabriziert sind, diese Vorräte und Ziegeln pfänden lassen.

Der erste Richter hält die

Mobiliaroollstreckung für zulässig, da die Vorräte und Ziegeln nicht Zubehör, die Ziegeln auch nicht Erzeugnisse des Grundstücks seien. Diese Entscheidung ist zunächst, soweit sie die Kohlenvorräte betrifft, bedenklich. Die Kohlen­

vorräte sind — darüber kann kein Zweifel bestehen — bestimmt, dem wirt­

schaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen, und sie waren auch in ein dem­ entsprechendes räumliches Verhältnis gebracht.

Eine der Unterordnung dieser

Sachen unter den Begriff des Zubehörs entgegenstehende Verkehrsanschauung existiert nicht. Es läßt sich dagegen auch nicht etwa geltend machen, daß die Kohlenoorräte bestimmungsgemäß aufgebraucht werden und daher nicht für die Dauer dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks dienen können.

Länger

als sie existieren, können sie natürlich dem wirtschaftlichen Zwecke nicht dienst­

bar sein, wenn sie aber, solange sie überhaupt existieren, die Zweckbestimmung haben, dem wirtschaftlichen Betriebe zugute zu kommen, so kann man nicht von einer nur vorübergehenden Nutzbarmachung sprechen. In diesem Sinne

bezeichnet das BGB. selbst die zur Fortführung der Wirtschaft erforderlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse als Zubehör. Auch dieses Zubehör ist dazu bestimmt — und zwar in der Regel sehr bald — in das Gut verwendet zu werden und unterzugehen und doch sind diese Erzeugnisse Zubehör; und wenn in der Praxis und Theorie — zwar nicht ausnahmslos; vgl. Rsp. 4 S. 21 — Baumaterialien, welche auf das Grundstück geschafft werden, um in den aufzuführenden Bau eingebaut zu werden und also aüch ihre selbständige Existenz zu verlieren, als Zubehör bezeichnet werden (f. Seuffert 59 S. 5;

Rsp. 8 S. 416; 13 S. 313; auch Entsch. des RG. 5 S. 272; Dernburg 3

S. 26 Note 14), so wird man auch kein Bedenken tragen dürfen, die zum Zweck des Weiterbetriebes der Ziegelei angeschafften Kohlenvorräte als Zubehör anzusehen svgl. dagegen Rsp. 13 S. 312].

Anders liegt es mit den Ziegelfabrikaten.

Zubehör sind sie nicht.

Wenn

auch der gewonnene Lehm als Bestandteil des Bodens vom Hypothekenrecht

mit ergriffen wird, so sind doch die Ziegeln dadurch, daß der Lehm ver­ arbeitet ist, neue Sachen geworden, auf welche sich die Hypothek an sich nicht erstreckt (vgl. Biermann S. 3162). Gleichwohl wird aber damit die Frage,

ob die Ziegeln, welche während der Zwangsverwaltung gewonnen werden, der Mobiliaroollstreckung unterliegen, noch nicht gelöst. Denn wenn der § 865 ZPO. sagt, die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen umfaffe auch

die Gegenstände, auf die sich bei Grundstücken die Hypothek erstrecke, und

wenn in den §§ 21, 48 ZwVG. der Umfang der Beschlagnahme näher be­ grenzt wird, so beziehen sich diese Vorschriften doch immer nur auf diejenigen Sachen, welche bei der Beschlagnahme vorhanden waren. Über die Sachen,

welche nach Einleitung der Zwangsverwaltung angeschafft und gewonnen werden, verhalten sie sich überhaupt nicht.

Die Frage, ob diese Sachen ge­

pfändet werden dürfen, kann daher nur aus der Natur und dem Wesen der Zwangsverwaltung beantwortet werden.

Während nach § 23 ZwVG. der Schuldner, wenn sich die Beschlag­ nahme auf bewegliche Sachen erstreckt, über einzelne Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft auch dem Gläubiger gegenüber wirksam verfügen kann, trifft dies nach § 148 bei der Zwangsverwaltung

nicht zu; durch die Beschlagnahme wird vielmehr dem Schuldner die Verwaltung und Benutzung des Grundstückes entzogen.... Ihm ist jede

Verfügung über die der Verwaltung dienenden sowie die durch die Ver­ waltung produzierten Sachen, jede Verfügung über die Nutzungen und Früchte,

oder, wie das Gesetz vom 13. Juli 1883 § 140 sich ausdrückte, über die Einkünfte des Grundstücks entzogen, m. a. W.: es besteht an diesen Sachen — und dazu zählen hier sowohl die angeschafften Kohlenvorräte wie die produzierten Ziegel — zugunsten derjenigen Personen, welche ein Recht auf

Befriedigung aus dem Grundstück haben, ein gesetzliches Deräußerungsverbot

im Sinne des § 135 BGB. Jede Verfügung über diese Sachen also, welche gegen dieses Veräußerungsverbot verstößt, ist jenen Personen, also auch hier

dem Kläger gegenüber unwirksam.

Daraus folgt zunächst, daß die Bestellung

eines vertraglichen Pfandrechts durch den Verwalter der Wirksamkeit ent­

behrt. Der Verwalter macht sich dadurch nicht allein den Beteiligten gegen­ über verantwortlich, sondern die Übergabe der Sachen zum Pfande ist, da

sie außerhalb der Machtbefugnisse des Verwalters liegt, auch ungültig, zumal diese von ihm lediglich als Vertreter des Schuldners vorgenommene Ver­ fügung gegen das bestehende Veräußerungsverbot verstößt. Darin würde sich auch nichts ändern, wenn der Schuldner vertraglich verpflichtet wäre, das Pfand zu bestellen; denn er hat nicht den Schuldner im allgemeinen,

sondern nur in bezug auf die Verwaltung des Grundstücks zu vertreten, und dazu gehört die Bestellung eines Mobiliarpfandrechts nicht. Der rechts­ geschäftlichen Verfügung steht aber nach § 135 Satz 2 eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt.

Mithin ist auch jede Mobiliar­

vollstreckung in die nach Einleitung der Zwangsverwaltung zum Zwecke der

Weiterführung des Wirtschaftsbetriebes angeschafften Vorräte oder produ­ zierten Fabrikate gegenüber den Gläubigern, welche ein Recht auf Befrie­ digung aus dem Grundstück haben, unwirksam. Hiernach ist an sich der Anspruch des Klägers gerechtfertigt; hat er auch

nicht an den fraglichen Sachen ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771, so steht ihm doch ein Veräußerungsverbot zur Seite, auf

Grund dessen er nach § 772 ZPO. zum Widerspruch berechtigt ist. Gleich­ wohl kann dem Klagantrage nicht stattgegeben werden, da es dem Kläger an dem notwendigen Interesse fehlt.

Unstreitig ist die Beklagte voreingetragene

Realgläubigerin, welche mit mehr als 100000 Mark ausgefallen ist; und

1. Sachen.

12

BGB. §§ 93 ff.

wenn auch die Verteilung der Kaufgelder anderen Grundsätzen folgt als die der Zwangsoerwaltungsmafse, so steht doch fest, daß 60000 Mark von der Beklagten gezahlte Verwaltungsvorschüsse nicht gedeckt worden sind. Wenn die Beklagte geltend macht, daß der Kläger kein Interesse zur Sache habe,

weil er, auch wenn die gepfändeten Sachen zur Verwaltungsmasse gezogen worden wären, doch nichts erhalten haben, der ganze Erlös vielmehr der Be­ klagten als vorgehenden Realgläubigerin, welche die Vorschüsse gezahlt hatte, zugefallen sein würde, so war es Sache des Klägers, darzutun, daß er gleich­

wohl ein Interesse zur Sache habe, daß er den Liquidsten der Beklagten zu Widersprüchen berechtigt sei und daß er, wenn dieser Widerspruch berück­

sichtigt wird, ganz oder zum Teil mit dem Erlöse der gepfändeten Sachen zur Hebung gelangt wäre.

Er kann die Beklagte nicht auf eine spätere Zeit

oder einen späteren Prozeß vertrösten, in welchem er seinen Widerspruch

geltend machen wollte; vielmehr jetzt, nachdem Beklagter sein Interesse zur Sache motiviert bestritten hatte, hatte er alles vorzubringen, was sein Interesse

darzutun geeignet war.

Th.

y) Baumaterialieu, die auf et« Baugrundstück angefahren find. OLG. Breslau, V. ZS. Beschluß v. 1. Dezember 1906. Der Gläubiger hat wegen seiner vollstreckbaren Forderung Baumaterialien, welche zu dem auf dem Grundstück X. aufgesührten Neubau des Schuldners

Für den Beschwerdeführer steht auf dem Grundstück eine Hypothek eingetragen. Auf Grund des § 865 ZPO. hat er den Antrag beim Amtsgericht gestellt, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Gründe: Die Frage, ob Baumaterialien, welche noch als besondere bewegliche Sachen zum Zwecke ihrer Verwendung auf dem Baugrundstücke lagern, als Zubehör zu erachten sind, ist sehr bestritten. Bejaht wird sie von den OLG. Marienwerder, Cöln (Rsp. 8 S. 419, 13 S. 313) und Breslau (II. ZS. D.JZ. Verwendung finden sollen, pfänden lassen.

1901 S. 240); verneint vom Kammergericht (Rsp. 4 S. 22), von TurnauFörster, „Liegenschaftsrecht" 1 S.36, Kuhlenbeck§97 Anm.5, Rehbein 1 S. 89*ä, Planck Noteb §97.

Dernburg will Materialien, welche „zur Aus­

besserung, Vergrößerung oder Verschönerung eines Gebäudes" bestimmt und schon auf dem Bauplatz befindlich sind, als Zubehör behandelt wissen, gibt aber selbst zu, daß die Richtigkeit dieser — übrigens in keiner Weise von ihm näher begründeten — Ansicht streitig werden kann (vgl. 3 S. 23 u. Note 10) und läßt sich über die Frage, ob für den Neubau bestimmte Baumaterialien Zubehör

des zu bebauenden Grundstücks sind, überhaupt nicht aus. — Das Beschwerde­ gericht hat die Zubehöreigenschaft verneint, denn im vorliegenden Falle mangelt es bereits an der ersten Voraussetzung des § 97. Als Hauptsache kann hier nicht etwa das noch gar nicht vorhandene

Gebäude,

sondern

allein

das

Baugrundstück als solches in Betracht

kommen. Der wirtschaftliche Zweck des unfertigen Grundstücks mag nun mit dem OLG. Marienwerder in der bestimmungsgemäßen Fertigstellung des

Gebäudes gefunden werden.

Diesem Zwecke find aber die Baumaterialien

nicht etwa zu dienen bestimmt, sie sollen die Erreichung dieses Zwecks viel­ mehr erst ermöglichen.

Zubehör ist nun ein solcher beweglicher Gegenstand,

welcher die Bestimmung hat, als individuelle Sache, unbeschadet und

unter Wahrung seiner Integrität dem wirtschaftlichen Zwecke einer

anderen Sache, der Hauptsache, „bleibend" zu dienen (vgl. Motive 3 S. 62). Die Baumaterialien sind aber nicht dazu bestimmt, als bewegliche Sachen

objektiv dem wirtschaftlichen Zwecke des Grundstücks dauernd zu dienen, sondern dazu dessen Bestandteil zu werden und damit ihre Selbständigkeit zu

verlieren.

Richtig ist ja, daß von den im § 98 beispielsweise als Zubehör

aufgeführten Gegenständen

diese und jene durch ihre bestimmungsgemäße

Verwendung schließlich ihre selbständige Existenz verlieren. So wird zum Zubehör eines Landgutes erklärt der auf dem Gute gewonnene Dünger, ob­ wohl er dazu bestimmt ist, durch Ausstreuen verwendet zu werden, so die zur

Fortführung der Wirtschaft erforderlichen Erzeugnisse, obwohl sie durch das Einsäen rc ihre Selbständigkeit verlieren. Immerhin sind doch aber diese Gegenstände bis zu ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung objektiv dem ivirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache — des Landgutes — zu dienen bestimmt. Diese Zweckbestimmung ist aber, wie oben hervorgehoben, bei den Bau­ Sie dienen lediglich zur Erreichung

materialien überhaupt nicht vorhanden.

des augenblicklichen subjektiven Planes des Bauenden und sollen infolge der Durchführung des Planes nach der herrschenden Verkehrsanschauung regelmäßig Bestandteil des Hauses werden. — Bei dieser Sachlage erübrigt sich das Eingehen auf die weitere Frage,

ob die für die Annahme einer Zubehöreigenschast der Baumaterialien er­ forderliche zweite Voraussetzung gegeben ist, d. h. ob in dem bloßen An­ fahrender Materialien auf die Baustelle die Herstellung eines die Bestimmung

der Nebensache tatsächlich verwirklichenden räumlichen Verhältnisses zur Haupt­ sache gefunden werden kann. Ob die von dem Reichsgericht (Bd. 51 S. 273 ff.)

für das räumliche Verhältnis einer Maschine entwickelten Grundsätze hier ohne weiteres Anwendung finden können, erscheint überaus zweifelhaft. Es dürste hier der Hinweis darauf genügen, daß wohl niemals sämtliche auf den

Bauplatz hingeschaffte Materialien für den Neubau Verwendung finden, daß Teile davon, weil nicht verbraucht, später regelmäßig weggeschafft zu werden pflegen, und daß sich öfters wohl auch eine Auswechslung des Materials wegen Unverwendbarkeit des seinerzeit auf die Baustelle angefahrenen als erforderlich herausstellen wird. ä) OLG. Cöln, IX. ZS.

R.

Urteil v. 6. Dezember 1906.

Ein persönlicher Gläubiger hatte die zu einem Neubau bestimmten, auf

dem Baugrundstück lagernden Baumaterialien seines Schuldners gepfändet. Der

Widerspruch

des

klagenden

Hypothekengläubigers

ist unbegründet.

Während das ALR. I 2 § 88 positiv derartige Materialien für Zubehör

erklärt und das gemeine Recht das Gegenteil bestimmt (1.18 § 1, 1.17 § 10

D. 19. 1), hat sich das der Kasuistik abgeneigte BGB. einer ausdrücklichen Vorschrift enthalten. Ist daher von der allgemeinen Begriffsbestimmung des

§ 97 auszugehen, so ist unter Zubehör eine bewegliche selbständige Sache

zu verstehen, die mit der Hauptsache in räumliche Verbindung gebracht und

deren wirtschaftlichen Zwecken dauernd zu dienen bestimmt ist.

Diese Er­

fordernisse liegen hier im wesentlichen nicht vor. Die Baumaterialien sind zwar auf das Baugrundstück gelagert und damit in eine räumliche Ver­ bindung zu ihm gesetzt.

Sie sind auch dazu bestimmt, dem wirtschaftlichen

Zwecke des Baugrundstücks zu dienen, aber nicht als bewegliche und selb­

ständige Sachen. Denn sie sollen dem Neubau eingefügt werden, damit dieser überhaupt seiner wirtschaftlichen Bestimmung gemäß benutzt werden kann; mit ihrer Einfügung in den Bau büßen sie aber ihre Beweglichkeit

und Selbständigkeit ein, indem sie Bestandteile des Hauses werden. Sie sind also dazu bestimmt, unter Verlust dieser beiden für den Zubehörbegriff wesentlichen

Eigenschaften dem

wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu

dienen oder richtiger die bestimmungsgemäße Benutzung der Hauptsache erst

zu ermöglichen.

Solange sie auf der Baustelle lagern, sind sie nicht — was

für Zubehörstücke kennzeichnend ist (vgl. Motive 3 S. 62) — Nebensache, deren Hinzufügung die Hauptsache zur Erreichung ihres wirtschaftlichen Zweckes tauglicher macht. Die Hauptsache, der Neubau, ist vielmehr noch gar nicht fertiggestellt; er wird erst vollendet und benutzbar durch Einfügung der Materialien. Diese sind nur bestimmt, demnächst, nämlich von ihrer Verwendung

in

den

Bau ab,

dessen wirtschaftlichen

Zweck zu

ermög­

lichen; dagegen sind sie nicht dazu bestimmt, in dem Zustande, in welchem

sie auf der Baustelle lagern, also unter Fortbestand ihrer Beweglichkeit und Selbständigkeit dem Zwecke des Neubaus zu dienen. Ihre Lagerung auf dem Bauplatz soll auch überhaupt nur vorübergehend sein. Wenn nun schon eine bloß vorübergehende Benutzung für die Zwecke der Haupt­ sache die Nebensache nicht zum Zubehör stempelt (97z), so ist dies um so weniger der Fall, wenn wie hier die Materialien bloß vorübergehend auf

die Baustelle hingelegt sind, ohne daß sie für die Zeit der Lagerung für die Zwecke einer anderen Sache überhaupt benutzt werden. Dr. N. d) Operation Minderjähriger ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters.

OLG. Darmstadt, II. ZS.

Urteil v. 16. November 1906.

Nachdem die 18 jährige Klägerin wegen Gliederschmerzen in das Hospital

ausgenommen war, bestätigte ihr der beklagte Arzt, daß durch eine Operation ihr Schielen beseitigt werden könne, und erklärte sich zur Vornahme der

Operation bereit.

Die Klägerin ließ die Operation durch ihn vornehmen.

Bald nachher trat eine Eiterung ein, der Augapfel des operierten rechten

Auges fing an zu schrumpfen, so daß es entfernt werden mußte.

Gründe:

Die Gestattung der Operation erscheint als rechtsgeschäftliche Erklärung, die Vereinbarung derselben stellt sich als ein Vertrag dar.

Die Klägerin als

Minderjährige bedurfte somit nach § 107 der Einwilligung ihres gesetzlichen

Vertreters zu der Gestattung der Operation an ihr,

da sie durch diese

Willenserklärung nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangte.

Die Aus­

nahmebestimmung des 8 113 traf hier auch nicht zu, denn die Operation hatte mit dem Dienstverhältnis der Klägerin nichts zu tun. Die Tatsache,

daß Klägerin als Dienstmädchen gegen Krankheit versichert war, ist hierbei

unerheblich, da es sich um kein Rechtsgeschäft der in § 113 erwähnten Art handelte.

Der Beklagte wäre sonach nur dann zur Operation befugt ge­

wesen, wenn der gesetzliche Vertreter der Klägerin seine Einwilligung dazu

erteilt hätte (vgl. Entsch. d. RG. in Strass. 25 S. 375; Motive 2 S. 730, 753, 799; Staudinger § 823 II B5).

Allerdings braucht die Einwilligung nicht

bei jeder Operation ausdrücklich erklärt zu werden.

Es lassen sich nämlich sehr wohl Fälle denken, in denen ein Arzt die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ohne weiteres annehmen kann, so z. B. wenn ein Minderjähriger sich einen Zahn ziehen läßt, kann die Einwilligung stillschweigend als erteilt angesehen werden. Es kommt also auf die Umstände an. Hier liegen solche

nur zu ungunsten des Beklagten vor. Es handelte sich um einen immerhin nicht unbedenklichen Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin; ein wichtiges Organ sollte in seinem Bestand geändert werden, und es bestand, wie aus dem Gutachten erhellt, von vornherein die Möglichkeit, daß die Operation den jetzt eingetretenen schlimmen Erfolg haben werde. Eile war zudem in keiner Weise geboten, und der gesetzliche Vertreter wohnte in der Nähe, konnte also leicht wegen seiner Zustimmung angegangen werden. An­ gesichts dieses Sachverhalts ist ferner die Annahme begründet, daß der Be­

klagte schuldhaft ohne Einwilligung des Vaters die Operation vorgenommen

hat. Er mußte nach den ganzen Umständen mit der Möglichkeit rechnen, daß die Klägerin noch nicht volljährig war, ihr Aussehen war keinenfalls ein solches, daß er sie unbedingt für volljährig halten konnte. Statt durch eine einfache Frage nach dem Alter sich bei der Klägerin zu informieren, schritt er zur Operation, weil er die Zustimmung ihres Vaters für unnötig hielt und an deren Notwendigkeit gar nicht dachte. Seine somit gegebene Fahr­

lässigkeit wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei ihm insoweit ein Rechtsirrtum bestand; dieser ist nämlich nicht als entschuldbar anzusehen. Der

Beklagte hat hiernach gemäß § 8231 den Schaden zu ersetzen, der durch die widerrechtliche Körperverletzung entstanden ist. Ein konkurrierendes Ver­ schulden der Klägerin ist nicht anzuerkennen.

Sie als Minderjährige war

nicht so erfahren und einsichtig, um die Tragweite ihrer Zustimmung zur Operation so zu bedenken und zu beurteilen, daß ihr ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, daß sie ihren Vater nicht erst zu Rate zog. Der vom Gesetz als notwendig anerkannte Schutz Minderjähriger würde in Frage

gestellt sein, wenn man sie für die einfache Nichteinholung der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters verantwortlich machen wollte. Dr. B.

e) Bote oder Beauftragter^

OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 16. November 1906. Auch wenn der Vormund des auf Rückgewähr des Kaufpreises wegen

Nichtigkeit des Vertrags belangten geisteskranken Beklagten diesen beauftragt hätte, das Pferd dem Kläger zu verkaufen, so würde doch daraus nicht folgen, daß der Beklagte, wie er behauptet, nur Botentätigkeit entwickelt

hätte. Er würde zwar durch die geltend gemachte Beschränkung der Ver­ handlung auf den einen Kauflustigen und durch die Preislimitierung in seiner

Entschließung beengt gewesen sein, immerhin aber hätte er noch eigene rechts­

geschäftliche Tätigkeit entwickeln müssen, um die Höhe des Kaufpreises und die sonstigen Kaussbedingungen zu vereinbaren. Daß der hiernach von vorn­ herein nichtige Kaufvertrag nachträglich vom Kläger und vom Vormund be­ stätigt worden sei, ist nicht aus dem Vorprozeß herzuleiten.

Wer vom Gegner die Rückgängigmachung der Vertrags fordert, sogar im Prozeßwege

zu erzwingen sucht, hat nicht die Absicht, daß er durch eben dieses Vorgehen

den Vertrag, von dem er sich zu befreien gedenkt, i. S. des § 141 bestätigen, also mit dem Vertragsgegner neu abschließen wolle....

Dr. v. F.

f) Auslegung des BGB. § 209 Rr. 4 und des § 72 ZPO. OLG. Hamburg, I. ZS.

Zwischenurteil v. 14. November 1906. Schute durch den beklagtischen

Am 22. Juli wurde die klägerische

Schlepper A. geschleppt. Hierbei wurde sie vom Schlepper E. angerannt und beschädigt. Der Kläger hat zunächst die Eignerin des E. auf Ersatz von 210 Mark Kaskoschaden und 28 Mark Schutenmieteverlust verklagt, ist jedoch rechtskräftig abgewiesen worden, da der E. an der Kollision schuldlos sei. Nunmehr verlangt er von der Beklagten, der er im Vorprozefse am 17. Oktober den Streit verkündet hatte,

Ersatz

von 238 Mark zuzüglich

279 Mark 67 Pf. Kosten des Vorprozesses. Aus den Gründen: Allerdings heißt es im § 209*, daß die Verjährung unterbrochen wird durch „die Streitverkündung in dem Prozesse, von dessen Ausgange der Wäre dies wortgemäß zu interpretieren, so würde Denn der jetzige Klaganspruch kann begründet sein, auch wenn der Kläger im Vor­

Anspruch abhängt".

vorliegend eine Unterbrechung der Verjährung nicht anzunehmen sein.

prozeß obgesiegt hat, und er kann unbegründet sein, auch wenn er dort in seiner rechtlichen Existenz ist er also von dem Ausgange des

unterlag:

Dorprozesses nicht abhängig.

Der Gesetzgeber hat aber, als er in § 209 die

Streitverkündung im Vorprozeß als Unterbrechungsgrund für die Verjährung

anerkannte, eine den Vorschriften der ZPO. entsprechende Streitverkündung für erforderlich und ausreichend erklären wollen (Urteile des RG. Hans. GZ. 1904 Nr. 70, 134).

Diesen Entscheidungen tritt nunmehr der Senat bei,

zumal nicht zu verkennen ist, daß eine sich lediglich an den Wortlaut an­ klammernde Auslegung des § 209 zu praktisch höchst unerwünschten Konse­

quenzen führen würde. Denn sie würde bei Schadensansprüchen mit kurzer Verjährung, wie dem vorliegenden, den Beschädigten regelmäßig nötigen, alle für die Schadenshaftung möglicherweise in Betracht kommenden Personen

1. Bertragsauslegung.

gleichzeitig in Anspruch zu nehmen,

BGB. § 242.

17

und hierbei dem einen

Beklagten

gegenüber Schuldbehauptungen aufzustellen, die er zur selben Zeit dem andern Beklagten gegenüber entschieden bestreitet. Auch die Frage, ob im Borprozeß eine der ZPO. entsprechende Streit­ verkündung erfolgte, ist zu bejahen. Der § 72 ZPO. gestattet die Streit­

verkündung derjenigen Partei, die „für den Fall eines ihr ungünstigen Aus­

gangs des Rechtsstreits einen Anspruch .... auf Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt". Der Vorderrichter meint, es handle sich vorliegend zwar um einen Anspruch auf Schadensersatz, aber nicht auf

Schadloshaltung; außerdem aber bestehe kein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem jetzigen Klaganspruch und dem Ausgang des Vorprozeffes...

Allein weder der Wortlaut noch der Zweck des § 72 erfordern eine so enge

Auslegung, und so erscheint es zulässig, ihn dahin auszulegen, daß jede Partei, die damit rechnen muß, daß sie im Prozeß unterliegt, einem Dritten den Streit verkünden kann, wenn sie glaubt, daß alsdann dieser ihr verant­ Hiernach entsprach die Streitverkündung den gesetzlichen Vor­ schriften: der Kläger hat anfangs angenommen, daß der E. an der Kollision wortlich ist.

schuld sei.

Er hat daher zunächst bessert Reederei verklagt.

Er hat aber selbst­

verständlich damit rechnen müssen, daß sich im Beweisvcrfahren Herausstellen würde, daß der E. keine Schuld hatte; und er hat daher ferner angenommen, daß alsdann der A. die Schuld an der Kollision tragen müsse und daß ihm demnach in diesem Fall die Beklagte als die Eignerin des A. für den ge­ samten Schaden einschließlich der Kosten des Vorprozesses verantwortlich sei. Er hat also geglaubt, „für den Fall des ihm ungünstigen Ausgangs des Vorprozesses gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadloshaltung erheben zu können; daher war er berechtigt, ihr im Vorprozeß den Streit zu ver­

künden.

M. M.

g) Auslegung dauernder Verpflichtungen. OLG. Hamburg, II. ZS. Urteil v. 8. November 1906. Nach dem Konzessionsvertrage von 1852 ist der Kläger als Konzessionär des Wasserwerks verpflichtet, „zur Speisung der Spritzen bei Bränden das

Diese Verpflichtung beschränkt sich nicht auf die Handspritzen, die zur Zeit des Vertragschluffes allein bekannt waren. Wenn heute die Feuerwehr die Brände nicht mehr mit gewöhnlichen Hand­ spritzen, sondern mittels durch elementare Kraft getriebener Spritzen löscht, Wasser unentgeltlich zu liefern".

die erheblich mehr Waffer fordern, so könnte dies dem Kläger die Veranlaffung geben, den Vertrag aufzukündigen, nicht aber folgt daraus für ihn ein Recht, solange er im übrigen den Vertrag einhält und dessen Vorteile

für sich beansprucht, die unentgeltliche Lieferung des Waffers bei Bränden,

die die Bedingung des ihm erteilten Privilegs ist, zu verweigern, und zwar

kann dieses Recht, für das er sich jedenfalls auf den Wortlaut des Vertrags nicht berufen kann, da auch die modernen Löscheinrichtungen Spritzen sind,

um so weniger von ihm beansprucht werden, als die modernen Feuerspritzen, vLGRf». XIV.

2

wenn sie auch für den Augenblick einen größeren Wasserkonsum erfordern,

dafür wieder um so schneller und wirksamer das Feuer bekämpfen, so daß es keineswegs ausgemacht erscheint, daß die Benutzung dieser modernen Vor­

richtungen insgesamt

einen vermehrten Konsum

von Wasser

macht....

erforderlich M. M.

h) Brrtragsmäffige Abrechnungspflicht. OLG. Karlsruhe, II. ZS.

Urteil v. 9. Oktober 1906.

des Beklagten gründet sich nicht etwa auf § 259, sondern auf § 6 des Vertrags. Hiernach sollte jeweils auf 1. Juli Die

Abrechnungspflicht

und 1. Januar hinsichtlich der Lizenzgebühren abgerechnet werden. Zu diesem Zwecke hatte der Beklagte jeweils Auskunft über die Größe des

Umsatzes an Pomril zu geben. Er will dieser Pflicht dadurch genügt haben, daß er der Klägerin erklärte, er habe in keinem Jahre mehr als 250000 Flaschen verkauft. Allerdings erhielt sie durch diese Erklärung von der der ihr zukommenden Lizenzgebühren Kenntnis, da diese alsdann

Höhe

5000 Mark in jedem Jahre betrugen. Allein es muß als Sinn des Ver­ trages angesehen werden, daß der Beklagte auch bei einem geringeren Jahres­ umsatz eine ziffermäßige Auskunft über seinen Umsatz zu erteilen hatte. Es ergibt sich dies schon aus seiner Verpflichtung zur „Abrechnung" und

daraus, daß er nach dem Vertrage zu einer Buchführung, die die Größe des Umsatzes stets klar erkennen ließ, verpflichtet war. Die Klägerin hatte auch sonst ein Interesse, die Größe des Umsatzes genau zu erfahren; sie konnte insbesondere von der Größe der angegebenen Zahlen abhängig machen, ob sie von ihrem doch immerhin mit Umständen und auch mit Kosten ver­ bundenen Recht der Büchereinsicht Gebrauch machen sollte; so konnte sie im Falle der Angabe einer ganz geringen Ziffer des Umsatzes dies unterlassen doch unter 250000 Flaschen geblieben sei, während bei einem an die Ziffer von 250000

in der Unterstellung, daß der Umsatz unter allen Umständen

nahe heranreichenden Flaschenverkaufe sie eher Anlaß zur Einsicht der Bücher

des Beklagten haben konnte. Auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320), welche verlangt, daß die beiderseitigen Leistungen einander gegenüberstehen (Entsch. des RG. 54 S. 125), ist unbegründet. Die Auskunftspflicht des Beklagten steht nicht der Verpflichtung der Klägerin, die Apfelkonserven des Beklagten zu untersuchen, ihm eine Fabrikeinrichtung zu verschaffen und nicht unter einem Minimal­

preise zu verkaufen, gegenüber; es handelt sich vielmehr um selbständige Einzelverpflichtungen aus demselben Vertrage.

Auch ein Zurückbehaltungs­

recht nach § 273 steht dem Beklagten nicht zu; es muß vielmehr nach dem Sinne des Vertrags als ausgeschlossen gelten.

Die Auskunft über den Umsatz steht mit den behaupteten Vertragsverletzungen der Klägerin in keinerlei

innerem Zusammenhänge; dazu kommt, daß der Beklagte, wenn er die Aus­ kunft erteilt, keine ihm irgendwie zum Nachteile gereichende Handlung vor­

nimmt und daß er deswegen nicht geltend machen kann, die Klägerin ver-

BGB. § 841.

1. Vertragstrafe.

19

lange, daß er in Vollziehung des Vertrags Handlungen vornehme, welche ihn ungünstiger stellen, während sie selbst den Vertrag nicht erfülle. In

solchem Falle muß ein Zurückbehaltungsrecht als ausgeschlossen gelten. i) Vorbehalt -er Vertragsstrafe. -es Abtretenden. Aufrechnung. Kammergericht, VIII. ZS.

Dr. E.r.

Einwendungen ans -er Person

Urteil v. 8. Dezember 1906.

Der Kläger verlangt als Zessionar des M. einen Teilbetrag von 2000 Mark von der Vergütung für den Neubau einer Villa. Nach dem

Bauverträge ist das Gebäude bis zum 25. September fertigzustellen, andern­ falls für jeden späteren Tag eine Strafe von 10 Mark zu zahlen.

Am 29. September hat der Beklagte mit seiner Familie und mit seinen Möbeln

die Villa in der Absicht, darin wohnen zu bleiben, bezogen und seitdem auch Darin liegt die „Annahme" der Villa i. S. des § 3413 (Entsch. des RG. 59 S. 380, 57 S. 339). Es kommt nicht darauf

tatsächlich dort gewohnt.

an, aus welchem Grunde er sich hierzu entschloß, insbesondere ob er dazu durch die anderweitige Besetzung seiner bisherigen Wohnung genötigt worden

ist.

Hiernach kann er die Vertragsstrafe nur fordern, wenn er beweist, daß

er sich das Recht dazu „bei der Annahme" vorbehalten hat.

Dies hat er nicht getan. Zwar hat er am 24. September dem Werkmeister geschrieben, daß er zwar am 29. einzuziehen beabsichtige, die Villa jedoch nicht abnehme, da sie noch nicht fertig sei, und daß er vom 25. ab bis zur Fertigstellung

die bedungene Vertragsstrafe verlange.

Allein die aus wesentlich praktischen

Rücksichten gebotene durchgreifende Norm des § 3413 nötigt den Gläubiger, sich beim Empfange der Hauptleistung darüber zu äußern, ob er die Ver­

tragsstrafe noch verlange (Entsch. des RG. 53 S. 358, 57 S. 337, 59 S. 378, 61 S. 65). Es ist daher eine strenge Handhabung des § 3413 geboten und weder der vom RG. (Entsch. 58 S. 261) für den § 464 vertretenen Auf­ fassung, daß eine erkennbare Aufrechterhaltung eines schon vorher erklärten Vorbehalts genüge, noch der vom OLG. Stuttgart (D. JZ. 9 S. 822) ge­ billigten Ansicht beizutreten, daß sich aus einem zeitlich nahen Zusammen­

hänge zwischen Vorbehalt und Annahme die Fortwirkung des Vorbehalts auch in dem Zeitpunkte der Annahme ergeben könne.

Der § 3413 würde

illusorisch sein, wenn derartigen im voraus erklärten Vorbehalten Wirksam­

keit beigemessen würde.

Im übrigen hat der Beklagte nicht eigentliche Gegenansprüche zur Auf­ rechnung gestellt, er macht vielmehr geltend, daß der Zedent seiner vertrag­ lichen Pflicht zur Herstellung des Bauwerks nicht nachgekommen sei und sich daher den Abzug der Beträge gefallen lasten müsse, die zur Herbeiführung einer vertragsmäßigen Leistung aufgewendet werden müßten.

Das OLG.

Marienwerder (Seuffert 59 S. 346) hat auch derartige Einwendungen den Grundsätzen über die Behandlung der Aufrechnung gegenüber dem Teil­

zessionar unterworfen.

Dem ist aber nicht beizutreten. Selbst wenn die Ein­ reden des Beklagten reine Schadensersatzansprüche wären, würde doch immer 2*

zu erwägen sein, daß sie aus dem der Klageforderung zugrunde liegenden Vertrage erwachsen sind und daher schon nach den Grundsätzen über Treu und Glauben nicht nur die Befugnis einer Aufrechnung gewähren, sondern

auch ohne weiteres den Anspruch des Unternehmers auf den Werklohn ver­ ringern (vgl. Entsch. des RG. 62 S. 55).

Sie sind aber überhaupt nicht als

Schadensersatz-, sondern als Minderungsansprüche zu beurteilen, die bezwecken, eine Herabsetzung der vereinbarten Vergütung zu erzielen.

Es handelt sich

also nicht um die Frage, ob sich der Kläger eine Aufrechnung gegen den

eingeklagten Teil einer bestehenden Forderung gefallen lassen muß und ob und inwieweit er berechtigt ist, die Aufrechnung des Beklagten auf einen andern ihm oder einem Rechtsvorgänger zustehenden Teil derselben oder einer andern Forderung zu verweisen.

Vielmehr handelt es sich allein um die

Frage, in welcher Höhe die dem Klaganspruch zugrunde liegende Forderung

überhaupt erwachsen ist.

Dr. P.

k) Hintcrlegungspfltcht des Schuldners bei einem Zahlungsverbot durch einstweilige Verfügung. OLG. Naumburg, II. ZS.

Urteil v. 21. November 1905.

Da die der Klägerin zustehende Hypothek fällig ist, so ist die Beklagte

an sich zur Zahlung verpflichtet, und zwar auf Verlangen des Klägers auch zur Hinterlegungsstelle. Denn der Schuldner ist gehalten, nach der Be­ stimmung des Gläubigers auch zu Händen einer Dritten zu zahlen, sofern

damit nur seine Verpflichtung nicht erschwert wird, und eine solche Be­ stimmung wird in dem Verlangen der Zahlung an die Hinterlegungsstelle

zulässigerweise getroffen.

Die Entsch. des RG. 17 S. 293 hat diesen Grund­

satz zwar sür das ältere Recht, aber doch aus allgemeinen Erwägungen aus­ gesprochen. Er muß daher auch für das jetzige Recht gelten, und er wird

im § 1281 BGB. für daS Pfandrecht an Forderungen dahin anerkannt, daß der Pfandgläubiger die Hinterlegung für sich und den Gläubiger fordern darf. Allerdings hat die einstweilige Verfügung dem Kläger untersagt, über die Hypothek zu verfügen, und anderseits der Beklagten die Auszahlung an den Kläger verboten.

Allein

diese Maßnahmen entsprechen

den in

§ 829 ZPO. für die Forderungspfändung vorgesehenen Anordnungen, und die für diese geltende Auffassung, daß nur Dispositionen zum Nachteile

des Pfändungsgläubigers untersagt sind, dagegen einer Zahlung zur Hinter­

legungsstelle nichts im Wege steht, muß auch für den vorliegenden Fall Platz greifen. Anderseits fordert die Beklagte zu Recht eine löschungsfähige Quittung. Denn da die Hinterlegung zur Lösung des Schuldverhältniffes führen soll, so kann die Beklagte als Schuldnerin Zug um Zug gegen sie die Erklärung

der Berechtigten fordern, daß sie das Hypothekenrecht aufgebe (§§ 875,1144,

1223).

Das Hinterlegungsverlangen ist mithin nur mit der Maßgabe aus­

zusprechen, daß eine Löschungsbewilligung der von der Beklagten geforderten

Art Zug um Zug erteilt wird.

S.

1. Schuldübernahme.

BGB. § 414.

21

1) Neuer Erfüllungsort bei Schuldübernahme ? OLG. Hamburg, IV. ZS. Urteil v. 9. November 1906. Die Beklagte hat durch die bei dem Grundstückskaufe vereinbarte Über­

nahme der Hypothek die damit verbundene persönliche Schuld in dem Um­ fange und mit allen Modalitäten übernommen, die dafür maßgebend waren.

Dazu gehörte auch der bis dahin geltende Erfüllungsort, so daß sie bei dem Gerichte dieses Erfüllungsortes verklagt werden könnte. Dagegen ist durch ihren Eintritt kein neuer Erfüllungsort begründet worden. Dem Gläubiger

wurde zwar die Möglichkeit geboten, seine neue Schuldnerin auch in ihrem

allgemeinen Gerichtsstand zu belangen, aber an der rechtlichen Natur der

übernommenen Schuld, also auch an ihrem Erfüllungsorte wurde nichts ge­ ändert.

Insbesondere fehlt jeder Anlaß dafür, daß die Absicht der Parteien

auf die Begründung eines neuen Erfüllungsortes an Stelle des alten oder

neben diesem gegangen sei.

M. M.

in) Form der kumulativen Schuldübernahme. OLG. Hamburg, VI. ZS.

Urteil v. 6. November 1906.

Bei der Schuldübernahme stehen sich die Befreiung des alten und die

Verpflichtung des neuen Schuldners als Leistung und Gegenleistung gegen­ über: die eine ist um der anderen Willen da. Der unmittelbare Zweck des Rechtsgeschäfts ist zu dessen Bestandteil geworden. Die Schuldübernahme ist daher ein kausaler Vertrag (abw. Planck 2 S. 293, 1 S. 185). Daß sie die von ihr bezweckte Rechtsänderung unmittelbar erzeugt, wird hieran

offenbar nichts ändern können. Die kumulative Schuldübernahme dagegen ist gar keine Schuldübernahme (Entsch. des RG. 51 S. 121), sondern ein ab­ straktes Schuldversprechen des § 780. Diese abstrakte Natur wird nicht

etwa dadurch beeinträchtigt, daß der Versprechende erklärt, nur insoweit ver­ Denn die „Selb­ ständigkeit" des Schuldversprechens, die Trennung des Schuldversprechens von seinem Rechtsgrunde erfordert nur, daß vom Verpflichtungsgrunde ab­

pflichtet sein zu wollen, wie ein anderer verpflichtet ist.

gesehen, „abstrahiert" werden soll, daß einstweilen dahingestellt bleiben soll, Nicht der Gläubiger, sondern

warum der Schuldner sich verpflichtet hat.

der Schuldner soll beweisen müssen, daß der Grund, um dessen willen der

Schuldner sich verpflichtet hat, ihn zur Erfüllungsweigerung berechtigt. Weiter reicht die Bedeutung der „Selbständigkeit" des Schuldversprechens

nicht.

Wie dieses von Bedingungen überhaupt, so kann es auch davon ab­

hängig gemacht werden, daß und wieweit ein anderer aus einem Schuld­

verhältnisse verpflichtet ist. Der Gläubiger muß alsdann im Streitfälle be­ weisen, daß und wieweit der andere verpflichtet ist, der Schuldner, daß er nach dem seinem Versprechen zu gründe liegenden Rechtsverhältnisse nicht

verpflichtet ist, und eben dieser Umstand läßt die kumulative Schuldüber­ nahme, die den Grund der Verpflichtung des neuen Schuldners

nicht erkennen läßt, also abstrakt gewollt erscheint, als ein selbständiges

Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB. erkennen und damit als ein

Schuldversprechen, das zu seiner Begründung der schriftlichen Form bedarf (ebenso Hellbach im Recht 1903 S. 335).

M. M.

n) Ausgleichspflicht, wenn der zahlende Gesamtschuldner einem zahlnngsnnfiihlgen Borschuldner Erlaß gewährt hat. OLG. Cassel, II. ZS.

Urteil v. 5. November 1906.

Die einzige zur Entscheidung stehende Frage ist die, ob Kläger, der eine der drei Gesamtschuldner, der den Gläubiger wegen dessen Forderung von

2289 Mark befriedigt und dadurch gegen jeden der beiden anderen Gesamt­ schuldner, den Beklagten und den Holzhändler G., einen Ausgleichungsanspruch in Höhe von 763 Mark erlangt hatte, darauf, nachdem sich die Zahlungs­

unfähigkeit des G. herausgestellt hatte, durch Vergleich mit diesem seine Forderung auf 500 Mark herabgesetzt hat, nunmehr von dem Beklagten die

Hälfte des ursprünglichen Betrags seiner Ausgleichungssorderung oder nur die Hälfte des Betrags seiner noch jetzt bestehenden Ausgleichungsforderung

gegen G. verlangen kann.

Diese Frage ist im letzteren Sinne zu beant­

worten, da nur eine solche Auslegung des Gesetzes dessen Wortlaut und Sinn entspricht. Nach § 426 Abs. 1 Satz 2 ist, wenn von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden kann, der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Gesamtschuldnern zu tragen. Mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des G. ist mithin dem Kläger der

Anspruch auf Zahlung von 381,50 Mark gegen den Beklagten entstanden. Dieser Anspruch hat seinen Grund in der Anschauung, die dem innern Ver­ hältnisse zwischen den Gesamtschuldnern zugrunde liegt. Danach sind, wie die Motive II S. 169 sagen, die mehreren Gesamtschuldner in Ermangelung gegenteiliger Bestimmungen von vornherein mit der Begründung des Gesamt­

schuldverhältnisses als in einem inneren Schuldverhältnisse stehend anzusehen, kraft dessen sie einander zu der erforderlichen Mitwirkung und Beitragung

bei der Leistung verpflichtet sind.

Hieraus erklärt es sich, daß der Aus­ gleichungsanspruch des Gesamtschuldners, der den Gläubiger befriedigt hat,

gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht schon mit dieser Befriedigung unab­ änderlich feststeht, daß er vielmehr den Einwirkungen aus dem Verhältnisse der Gesamtschuldner zueinander unterworfen bleibt.

Eine einzelne Folgerung aus dieser Auffaffung ist die obenerwähnte Vorschrift des § 462 Abs. 1 Satz 2. Eine weitere Folgerung daraus ist, daß auch der durch die Zahlungsunfähigkeit

eines ausgleichungsoerpflichteten Gesamtschuldners dem ausgleichungsberechtigten Gesamtschuldner erwachsende Anspruch auf verhältnismäßige Tragung des

Ausfalls gegen die übrigen Gesamtschuldner den Einwirkungen aus dem Verhältnisse des ausgleichungsberechtigten Gesamtschuldners zu dem Zahlungs­

unfähigen unterworfen bleibt. Ist dieser nachträglich wieder in vollem Um­ fange zahlungsfähig geworden, so erlischt der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 2.

Ist er nur zu einem Teile der gegen ihn begründeten Ausgleichungs­

forderung zahlungsfähig geworden, so besteht die Verpflichtung der übrigen

Gesamtschuldner

aus

§ 426 Abs. 1

Satz 2

nur

in

Höhe

des

Restes.

Entscheidend ist die Lage zur Zeit des Urteils (vgl. Kremer, Die Mitbürg-

schast S. 181—183).

Die Voraussetzungen des § 426 Abs. 1 Satz 2 müssen

also zur Zeit des Urteils vorliegen.

Diese Voraussetzungen liegen aber nicht

schon dann vor, wenn ein ausgleichungsverpflichteter Gesamtschuldner zahlungs­ unfähig ist, vielmehr muß der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt

werden können.

Es muß also dem ausgleichungsverpflichteten Gesamtschuldner

zu diesem Zeitpunkt ein Beitrag noch obliegen.

Wie hoch dieser Beitrag ist,

kann sich ebenfalls nur nach der Zeit des Urteils richten, und es kann unter ihm nichts anderes verstanden werden als der Beitrag, den der ausgleichungs­ verpflichtete Gesamtschuldner dem

ausgleichungsberechtigten zu zahlen ver­

pflichtet ist. Erläßt also der ausgleichungsberechtigte Gesamtschuldner dem Ausgleichungsverpflichteten dessen Schuld, dann hat dieser an jenen einen Beitrag überhaupt nicht mehr zu leisten; der Ausgleichungsberechtigte kann daher nicht mit Berufung auf die vor dem Erlaß eingetretene Zahlungs­

unfähigkeit des einen Gesamtschuldners von den übrigen Gesamtschuldnern

Ersatz verlangen.

Das beweist auch das Wort „Ausfall"; denn man spricht

nur von dem Ausfall einer Forderung.

Wo eine Forderung nicht vorhanden

ist, kann von einem Ausfall überhaupt nicht die Rede sein.

Was von dem

Erlaß der ganzen Forderung gilt, muß entsprechend auch von dem Erlaß eines Teils der Forderung gelten. Für diese Auslegung spricht, abgesehen von dem Wortlaut des Gesetzes und den aus der Natur des Rechtsverhältnisses entnommenen Gründen, auch

der Zweck der gesetzlichen Vorschrift. Dem ausgleichungsberechtigten Gesamt­ schuldner soll der Nachteil, den er dadurch erleidet, daß er seinen Aus­

gleichungsanspruch gegen den einen der übrigen Gesamtschuldner nicht ver­ wirklichen kann, nicht allein treffen, sondern er soll von ihm und den übrigen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen getragen werden. Das Bestehen eines Ausgleichungsanspruchs ist daher stets Voraussetzung des durch § 426 Abs. 1 Satz 2 gegebenen Anspruchs gegen die übrigen Gesamtschuldner, und die Höhe

des Ausgleichungsanspruchs ist maßgebend für die Höhe des durch § 426 Abs. 1 Satz 2 angegebenen Anspruchs.

Fs.

o) Überlassung eines Ersatzstücks während der Reparatur einer unter Garautie verkauften Sache. OLG. Hamburg, V. ZS. Urteil v. 19. November 1906. Nach dem Abzahlungsvertrage hatte der Kläger eine zehnjährige Garantie für das Klavier übernommen.

Er haftete daher für Mängel, welche unter

die Garantie fielen, und machte sich unter Umständen schadensersatzpflichtig,

wenn die Beklagte infolge von solchen Mängeln das Klavier nicht gebrauchen konnte (vgl. §§ 463, 480).

Er hatte daher ein erhebliches Interesse an dem

guten Zustande des Klaviers, und wenn er es, als ihm Mängel gemeldet

wurden, zur Untersuchung in seine Werkstelle bringen ließ, so tat er das in seinem eigenen Interesse.

Ebenso handelte er, wenn er der Beklagten ein

Ersatzklavier lieferte, nicht aus Gefälligkeit, sondern offenbar in Hinblick auf seine Garantieübernahme und seine Haftung daraus.

Wenn sich die Beklagte

damit einverstanden erklärte, daß der Kläger das gekaufte Klavier in seine

Werkstelle nahm und ihr ein Ersatzklavier brachte, so hat sie das in der der klägerischen Auffassung entsprechenden'Annahme getan, daß das Klavier nicht auf beliebigen Widerruf, sondern als Ersatz für das gekaufte Klavier bis zu deffen Rücklieferung zu ihr gebracht würde.

Es liegt somit über den Aus­

tausch der Klaviere eine vertragliche Einigung zwischen den Parteien vor, an welche diese gebunden sind.

Die Beklagte hat nicht etwa das Ersatzklavier

ohne rechtlichen Grund erhalten und ihr berechtigter Besitz konnte auch da­

durch nicht zu einem rechtlosen werden, daß der Kläger von ihr das Ersatz­ klavier alsbald zurückverlangte, ohne seinerseits das gekaufte Klavier zurück­

zugeben.

Ebensowenig läßt sich aus diesem Grunde die Forderung von

10 Mark monatlich für das Ersatzklavier halten. Bereicherung

der Beklagten

daß der Kläger würde.... p)

niemals

Im übrigen kann eine

in der Weise gerechtfertigt werden,

mit dem Klavier monatlich

10 Mark

verdient haben M. M.

Streu- und Belenchtungspflicht des Vermieters.

OLG. Colmar, III. ZS. Urteil v. 10. Februar 1906. Ende Dezember 7 Uhr abends ist die Klägerin beim Heraustreten aus dem Hause und Betreten der an die Haustürstufen sich anschließenden Stein­ platte auf einer eine Handfläche großen Eiskruste ausgeglitten. Da damals trockenes Frostwetter herrschte, kann die Flüssigkeit, die die Eiskruste veran­ laßte, nur durch menschliches Zutun auf die Steinplatte gekommen sein; es

ist jedoch ein besonderes zum Schadensersätze verpflichtendes Verschulden einer

bestimmten Person nicht nachgewiesen.

Es kann sich nur fragen, ob dem

Beklagten persönlich in seiner Eigenschaft als Hauseigentümer oder Vermieter

ein Verschulden zur Last fällt.

Der Vorderrichter verneint mit eingehender

Ihr könnte beigetreten werden, wenn nicht hier der besondere Umstand der Brunnenanlage hinzukäme. Der Brunnen liegt drei Schritte vom Hause; alles für die Haushaltungen erforderliche Waffer muß von ihm Begründung.

aus ins Haus geschafft werden. Es ist nun eine allgemein bekannte Er­ fahrung, daß dies fast nie ohne Verschütten oder Vertropfen abgeht, häufig

ohne daß die Wafferträger es gewahr werden.

Dadurch entsteht bei Frost­

wetter eine ständige Gefahr für alle Hausbewohner und für die übrigen ein­

und ausgehenden Personen.

Der das Haus bewohnende Hauseigentümer ist

Schutzmaßregeln hiergegen zu treffen; er muß als verständiger, sorgsamer Hausvater mit der Möglichkeit als solcher wie als Vermieter verpflichtet,

rechnen, daß infolge dieses gefahrdrohenden Zustandes Personen rechtswidrig geschädigt werden.

Er hat aber nichts getan, um diese für jeden verständigen Er hat weder

Menschen, also auch für ihn erkennbare Gefahr zu beseitigen.

Sand oder Asche gestreut noch hat er den Weg zwischen dem Brunnen und

dem Hauseingang beleuchtet....

Es kann unbedenklich angenommen werden.

1. Miele.

BGB. § 548.

25

daß Klägerin, welcher ein eigenes Verschulden nicht vorgeworfen und jeden­

falls nicht nachgewiesen ist, nicht gefallen wäre, wenn entweder gestreut oder so beleuchtet gewesen wäre, das; sie den Boden, auf den sie trat, hätte sehen

können. Der Umstand, daß Klägerin seit 1898 im Hause wohnt und die Verhältnisse stets die gleichen waren, würde nur beweisen, daß Beklagter

schon seit Jahren nachlässig handelt; eine Befreiung von seiner Haftpflicht könnte daraus nicht hergeleitet werden. . . .

Frdthl.

q) Erfüllungsgehilfen in der Obhutspflicht. — Belastung der Miet­ sache mit einem Pfandrecht. — Zur Auslegung des § 558 BGB.

OLG. Hamburg, V. ZS.

Urteil v. 7. November 1906,

Die klägerische Schute hat, während sie von der Beklagten benutzt wurde,

einen Schaden angerichtet, den der Kläger bezahlt hat.

Ob und inwieweit

der Reeder1 sich wegen solcher Schiffsschulden an denjenigen halten kann, der bei Entstehung der Schuld das Schiff benutzte, bestimmt sich nach dem

zwischen Reeder und Benutzer bestehenden Rechtsverhältnis, das vorliegend

Miete war. Nun besteht allerdings kein Rechtssatz, daß der Mieter dem Vermieter unbedingt für die Entstehung von Pfandrechten an der Mietsache

aufzukommen hätte. Aber ebenso sicher ist der Satz, daß, wenn die Ent­ stehung eines Pfandrechts oder eines ähnlichen Rechts auf ein Verschulden des Mieters zurückzuführen ist, der Mieter dafür verantwortlich ist (vgl. Entsch. des RG. 56 S. 360). So liegt die Sache hier. Als Mieter der Schute hatte die Beklagte die Pflicht zur Obhut über die Schute.

Allerdings hat das

BGB. diese Pflicht dem Mieter nicht mit ausdrücklichen Worten auferlegt, sie ergibt sich aber aus der Natur der Sache und aus einer Reihe einzelner

Bestimmungen, namentlich dem § 545 so klar, daß der Gesetzgeber es nicht für nötig gehalten hat, sie noch besonders hervorzuheben (vgl. Motive 2 § 519 a. E.). Der Mieter kann sich zur Erfüllung dieser Obhutspflicht anderer Personen bedienen, und das hat die Beklagte getan, indem sie den bei ihr in

Lohn stehenden Ewerführer G. mit der Führung beauftragte. Das OLG. (Hans. GZ. 1905 S. 78) hat zwar, wenn der Mieter einer Schute diese durch einen Schlepper schleppen lasse, die Schlepperbesatzung nicht als eine Person betrachtet, deren sich der Mieter zur Erfüllung der Obhutspflicht bediene. Jener Fall liegt aber wesentlich anders, als der jetzige. Die Aufgabe

des Schlepperschiffers war, die Schute zu schleppen, und nicht sie zu behüten. Wenn dagegen die Beklagte ihrem Angestellten G. die Führung übertrug, so

ging dessen Aufgabe erheblich weiter, er hatte nicht bloß die Schute in Be­ wegung zu setzen und weiter zu bewegen, sondern er mußte sie auch be­ wachen, beaufsichtigen und vor Schaden behüten; ihm war die Pflicht zur Obhut über die Schute übertragen, und daraus ergibt sich, daß Beklagte

sich des G. zur Erfüllung ihrer eigenen Obhutspflicht bediente.

hat demnach

Beklagte

ein Verschulden

des

Nach § 278 G. zu vertreten. ... Die in

1 Richtiger hier Schiffseigner, da es sich um ein Binnenschiff handelt, wodurch aber an der rechtlichen Beurteilung nichts geändert wird.

D. E.

§ 558 gesetzte Frist von sechs Monaten ist allerdings verstrichen. wohl ist die Einrede der Verjährung unbegründet.

Gleich­

Denn nach § 558 sind

ihr nur die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Ver­

schlechterungen der vermieteten Sache unterworfen. Darunter fallen nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung nur sachliche Veränderungen und Verschlechterungen, nicht auch Veränderungen im Rechte an der Sache, welche

in den meisten Fällen nicht erkennbar sind und mit der Miete nichts zu tun haben, wie denn auch das BGB. scharf zwischen einem Mangel der Sache und einem Mangel im Rechte an der Sache, so besonders in § 545, unter­ scheidet und damit zu erkennen gibt, daß Veränderungen der Sache nicht mit Veränderungen des Rechts an der Sache gleichbedeutend sind.

M. M.

r) Klausel der RtchtgüMgkeit mündlicher Abreden.

OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 30. November 1906. Der Beklagte beruft sich auf §15 des Mietvertrags, wonach „Änderungen oder Zusätze zu demselben, um rechtswirksam zu sein, der schriftlichen Ab­

fassung und der Unterschrift beider Teile bedürfen".

Indessen hindert eine

solche Bestimmung, gleichviel ob die vereinbarte Form die Wirksamkeit der Änderung oder des Zusatzes oder nur die Beweiskraft bedingen sollte, nicht

ihre Außerkraftsetzung, falls nur die Parteien hierüber einig geworden sind (Planck, Staudinger zu § 125).

Das trifft hier zu.

Lautete die — in

mündlicher Form gültige — Vereinbarung dahin, daß der schriftliche Miet­

vertrag aufgehoben und die gesetzliche vierteljährige Kündigung von nun an

Platz greifen sollte, so lag hierin zugleich das stillschweigende Abkommen, daß jedenfalls insoweit, d. h. bezüglich der Kündigungsfrist, § 15 ausgeschaltet sei, man müßte denn annehmen, entweder es sei mit der Vereinbarung dem klaren Willen der Vertragschließenden zuwider eben keine Bindung bezweckt

gewesen, oder es habe doch der Beklagte, sofern ihn die Absicht geleitet hätte, die Vereinbarung zwar formell einzugehen, sie aber demnächst durch Be­ rufung auf § 15 zu entkräften, wider Treu und Glauben verstoßen. Dr. v. F. s) Ausnahme eines Versicherten in ei« staatliches Krankenhans. OLG. Braunschweig, I. ZS. Urteil v. 23. November 1906.

Der Mann der Klägerin ist, als er im Herzoglichen Krankenhause Hier­ selbst in Behandlung war, gelegentlich eines Reinigungsbades infolge eines

epileptischen Anfalls im Badewaffer ertrunken. Wenn die Klägerin die ver­ tragsmäßige Haftung des beklagten Fiskus geltend gemacht hat, so ist ohne weiteres zuzugeben, daß durch die Annahme eines Arztes zur Behand­

lung eines Kranken gegen Entgelt vertragsmäßige Verbindlichketten für beide

Teile begründet werden.

Ob der Vertrag zwischen Patient und Arzt als ein

Dienstvertrag anzusehen ist (Planck

Vordem, vor § 611 III3; Crome,

System § 257 3) oder ob man wegen der besonderen Natur dieses Vertrags

auf ihn nicht die speziellen Bestimmungen über Dienstverträge, sondern die

allgemeinen Vorschriften des BGB. über Verträge überhaupt, etwa ergänzt durch besondere Abmachung der Parteien, durch gesetzliche Regelung oder die

Verkehrssitte, anzuwenden hat (Staudinger Vordem, vor § 611 IV d), kann hier dahingestellt bleiben. Derselben rechtlichen Beurteilung unterliegt auch

der Vertrag mit einem Krankenhause, durch welchen über die gewöhnliche Tätigkeit des Arztes hinaus die gesamte Lebensführung des Patienten unter ärztliche Kontrolle gestellt und dem Kranken zugleich volle Verpflegung und Beherbergung gewährt wird. Hierbei kann es selbstverständlich keinen Unter­

schied machen, ob es sich um ein privates Krankenhaus handelt oder ob es auf Rechnung des Staates oder einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben wird. In allen Fällen haftet der Unternehmer eines Kranken­ hauses bei Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten nach § 278 für jegliches Verschulden seines gesamten Personals.

Gleichwohl kann die Klägerin

vertragsmäßige Ansprüche gegen den Beklagten nicht erheben, weil der Ver­

trag nicht zwischen ihrem Manne und der Krankenhausverwaltung, sondern zwischen der letzteren und der Fabrikkrankenkasse geschlossen ist.

Der Erb­

lasser ist auf Veranlassung und für Rechnung der genannten Kaffe in das Krankenhaus ausgenommen. Auf jene Kaffen finden nach § 64 KrVG. in dem daselbst angegebenen weiteren Umfange die gesetzlichen Vorschriften über Ortskrankenkassen Anwendung. Danach ist der Fabrikkrankenkaffe nach § 25

vgl. §§ 40, 42 eine von dem Bestände der jeweiligen Kaffenmitglieder un­

abhängige Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vermögen beigelegt. Durch Statut und Beschluß der Generalversammlung können Vorschriften über das Ver­

halten der Kranken und die Krankenaufsicht erlassen und Ordnungsstrafen für Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften oder die Anordnungen des behandelnden Arztes festgesetzt werden (§ 26 a Ziff. 2 a), und es kann auch be­ stimmt werden, daß die ärztliche Behandlung nur durch bestimmte Ärzte oder Krankenhäuser zu gewähren ist und die Bezahlung der durch die Inanspruch­ nahme anderer Ärzte entstandenen Kosten abgelehnt werden kann (§ 26 a Ziff. 2 b).

Hiernach ist ein gewisses Unterordnungsverhältnis der einzelnen

Mitglieder unter die Krankenkasse bzw. deren Organe gesetzlich vorgesehen. Nach § 7 kann die Krankenkasse für verheiratete und solchen gleichgestellte

Mitglieder mit gewissen Beschränkungen, für andere Kranke unbedingt vor­ schreiben, daß die Kur in einem Krankenhause zu nehmen ist. Da ferner die Krankenkasse an der Kontrolle der Kranken naturgemäß ein Interesse hat, sie sich auch bei Unterbringung eines Mitglieds im Krankenhause in Zweifels­

fällen die Entscheidung über die Dauer der Behandlung, über etwaige Extra­ aufwendungen oder die etwa erforderliche Überführung in ein anderes Kranken­ haus wird vorbehalten müssen, so wird man bei der ganzen Sach- und Rechts­

lage in der Regel nicht annehmen können, daß das Kaffenmitglied nach der

Absicht der Kassenorgane selbständige Rechte gegen die Krankenhausoerwaltung erwerben sollte. Ebenso wird aber auch jene Verwaltung den Vertrag nur mit der Krankenkasse schließen wollen, da der Kranke regelmäßig weder ge­

willt noch imstande ist, die erheblichen Kosten seiner Verpflegung und Be­

handlung im Krankenhause aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

Endlich muß

man auch voraussetzen, daß der Erkrankte selbst sich seiner Abhängigkeit von

der Krankenkasse bewußt ist und nicht daran denkt, in eigenem Namen mit

der Krankenhausverwaltung zu kontrahieren.

H.g.

t) Maklervertrag. Entrichtung -es Lohns. «) OLG. Marienwerder, II. ZS. Urteil v. 23. Februar 1906.

Sache einer angemessenen richterlichen Würdigung ist es, die Berech­

nung solcher

Gebühr

[für die Vermittlung eines

Kommanditgesellschafts­

vertrags^ vorzunehmen. Irgend ein Sachverständigengutachten über die Berechnungsweise erübrigt sich. Gemäß der Übung des täglichen Lebens be­

rechnet sich die Maklergebühr nach dem, was der Auftraggeber aufwendet, beim Kauf nach dem Kaufpreis, bei der Kommanditgesellschaft nach der Höhe

Diese Höhe kommt aber nicht der Summe gleich, welche der Auftraggeber als Kommanditist einbringt, für die er also der Einlage des Auftraggebers.

Dritten gegenüber haftet (50000 Mark), sondern der Summe gleich, für die er im Verhältnis der Gesellschaft zueinander aufkommt.

Hiernach aber zahlt

Beklagter nicht nur 50000 Mark ein, sondern übernimmt auch noch 1/3 der Schulden von 181200 Mark, also 60400 Mark. Er hat also im ganzen 50000 + 60400 = 110400 Mark für das Gesellschaftsverhältnis aufgewendet. Die Provision von l°/0 berechnet sich hiernach auf 1104 Mark. H.

/$) OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 8. Juni 1906. Die Zusage der Maklergebühr für einen Grundstücksverkauf ist nach § 652 formlos gültig.

Der Hinzunahme des § 313 Satz 2 bedarf es nicht.

Denn es handelt sich insoweit nicht um Rechte und Verbindlichkeiten, die

unmittelbar in dem Kaufverträge der Parteien wurzeln und das Verhältnis

zwischen ihnen als Verkäufer und Käufer betreffen, sondern um eine Ver­ gütung für eine außerhalb des Kaufvertrags zu entfaltende Tätigkeit. Beklagten steht daher auch der im Vertrage verabredete

Dem

Ausschluß aller

mündlichen Abmachungen nicht zur Seite. /) OLG. Celle, IV. ZS. Urteil v. 2. Mai 1906.

Dr. v. F.

Die Frage, ob mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung und

mit der hierdurch herbeigeführten Wiederaufhebung des Vertrags die früher mit Abschluß des Vertrags existent gewordene Verpflichtung zur Zahlung

des Maklerlohnes wieder hinwegfällt, ist streitig.

Es verneinten Oertmann,

Kuhlenbeck, Cosack, bürgerl. Recht 1 § 1523; Dernburg 2 § 3398; Düringer-Hachenburg 1 S. 303; Dresden Annal. 26 S. 287. Der ent­ gegengesetzten Ansicht, welche von Fischer-Henle, Planck, Neumann, Neumanns Jahrbuch 1 S.400; Leske S.270; Staub S.329; Lehmann-

Ring 899HGB.; Stuttgart, D.JZ.9S.822; RG. in Bolze 7 Nr.503 ver­ treten wird, war beizutreten. Denn auch nach heutigem Recht geht bei Abschluß

eines Maklervertrags die Parteiabsicht regelmäßig dahin, es solle die Makler­ gebühr nur dann endgültig verdient sein, wenn der beabsichtigte Erfolg

wirklich erreicht worden ist, und daß der bei der Beauftragung eines Maklers regelmäßig ins Auge gefaßte Erfolg nicht schon mit dem Abschlüsse eines

1. Maklervertrag.

BGB. § 652.

29

bedingten Geschäfts, sondern erst dann erreicht ist, wenn der Bestand und

die Ausführung des Geschäfts gesichert erscheint, sei es durch Eintritt einer

etwaigen aufschiebenden, sei es durch Nichteintritt einer etwaigen auflösenden

Bedingung.

Wie auf Grund dieser Erwägung das Gesetz selbst zu der in

§ 652 Satz 2 gegebenen Bestimmung gelangt ist, so muß anderseits gefolgert werden, daß mit Eintritt der auflösenden Bedingung der bis dahin begründet

gewesene Anspruch des Maklers auf seine Gebühr wieder hinwegfällt bzw. die etwa bereits gezahlte Gebühr wegen Bereicherung wieder zurückgefordert werden

kann.

Auch der Anspruch des Maklers steht also regelmäßig unter der

gleichen auflösenden Bedingung wie der Hauptvertrag selbst (Motive 2 S. 513).

Daß eine anderweitige Vereinbarung bezüglich des Maklerlohnes getroffen worden sei und daß der Maklerlohn schon durch die Vermittlung eines auf­

lösend bedingten Vertrags endgültig habe verdient sein sollen, hat der den Lohn verlangende Makler darzulegen und zu beweisen (Staudinger III 3 b

zu § 652).... H.ch. S) OLG. Hamburg, II. ZS. Urteil v. 5. April 1906. Der Beklagte hat allerdings gewußt, K. wolle sein Geschäft verkaufen;

diese

allgemeine

Kenntnis

hat ihm

jedoch

keine Veranlassung

gegeben,

Erst als der Kläger ihm detaillierte Angaben machte über die Verkaufsbedingungen, hat Beklagter

irgendwie der Frage des Kaufes näher zu treten.

daraus den Anlaß genommen, in Verhandlungen über den Kauf einzutreten.

Das zeigt, daß erst die Angaben des Klägers dem Beklagten nachgewiesen haben, daß bei dem K. nicht etwa nur eine allgemeine Geneigtheit bestand, bei gegebener günstiger Gelegenheit zu verkaufen, sondern schon eine präsente

ernstliche Verkaufsabsicht; damit erst war die Gelegenheit zum Abschluß eines Kaufs gegeben. Der Beklagte behauptet aber, daß der ursächliche Zusammen­

hang mit dem Nachweis unterbrochen gewesen sei, weil die daraufhin ein­

geleiteten Verkaufsverhandlungen bald wegen zu hoher Forderung endgültig gescheitert seien, und weil K. erst 3 Monate später deshalb neu an den Beklagten herangetreten sei, weil er leidend gewesen sei und vom Geschäfte habe loskommen wollen. Hiernach ist jedenfalls K. immer nur anläßlich der Zuführung des Beklagten durch den Kläger an ersteren wieder herangetreten. Aber auch dies war doch immer nur eine Wiederaufnahme der alten

Verhandlungen, wobei unerheblich ist, welche Umstände den Verkäufer zu

solchem Entgegenkommen veranlaßt haben. ... r) OLG. Celle, II. ZS. Urteil v. 29. Oktober 1906.

M. M.

Der Vorderrichter hat den Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner Auf­ wendungen nach § 652 Abs. 2 BGB. für rechtlich begründet erklärt, obwohl der vom Kläger zu vermittelnde Darlehnsvertrag nicht zustande gekommen

ist.

Er scheint dabei von der Ansicht auszugehen, daß der Makler, wenn

ihm überhaupt Ersatz seiner Auslagen versprochen ist, diesen stets, also auch dann beanspruchen könne, wenn ein Vertrag nicht zustande gekommen

ist.

So ist indessen die Vorschrift des § 652 Abs. 2 nicht zu verstehen.

Wie

aus den Protokollen der 2. Kommission Bd. 2 S. 346 ff. unzweideutig hervorgeht, ist der letzte Satz des § 652 ausgenommen worden, um die im früheren Rechte streitige Frage ausdrücklich zu verneinen, wenn der Makler, wenn er mangels Zustandekommens des zu vermittelnden Vertrags keinen Anspruch

auf Maklerlohn hat, Vergütung seiner Aufwendungen ohne eine dahingehende Vereinbarung verlangen könne.

Der § 652 Abs. 2 besagt demnach nur, daß

dem Makler ohne besondere Abrede Aufwendungen weder neben dem Makler­ löhne noch auch dann zu ersetzen sind, wenn ein Maklerlohn nicht verdient ist.

Er enthält aber keine Vorschrift über die Frage, ob ein Versprechen der Er­ stattung von Aufwendungen nur auf den Fall der erfolgreichen Vermittlung

oder auch auf den einer erfolglosen Tätigkeit des Maklers zu beziehen ist. Hierüber entscheidet lediglich der Inhalt der getroffenen Abrede.

Im vor­

liegenden Falle soll nun nach der Behauptung des Klägers der Beklagte gleichzeitig Zahlung der Provision und Erstattung der Auslagen versprochen

haben, falls der Kläger dem Beklagten ein Darlehn vermittle oder ihm doch Gelegenheit zum Abschlüsse eines Darlehnsvertrags nachweise. Daß das Ver­ sprechen des Ersatzes der Aufwendungen für einen anderen Fall gegeben sein" soll als das Provisionsversprechen, ist aus dieser Behauptung nicht zu ent­ nehmen; vielmehr läßt das unterschiedslose Zusammenfafsen beider Leistungen nur den Schluß zu, daß sie beide unter denselben Voraussetzungen geschuldet

sein sollen. Mit Recht nimmt nun die Vorinstanz an, daß dem Kläger der versprochene Maklerlohn nur dann zukäme, wenn der beabsichtigte Darlehnsvertrag ... zustande gekommen wäre; folgerichtig hätte sie dasselbe auch be­ treffs des Anspruchs auf Erstattung von Aufwendungen annehmen müssen. Nun enthält zwar der § 652 Abs. 1 BGB. keineswegs eine zwingende Vor­

schrift, vielmehr ist das Versprechen eines Maklerlohns auch für den Fall

des Nichtzustandekommens des vom Auftraggeber begehrten Vertrags zulässig (vgl. Planck II Erl. 4 zu 8 652; Staub, HGB. 8. Aust. I S. 387). Daß der Auftraggeber auch für diesen Fall verpflichtet sein solle, muß aber deutlich als Wille der Parteien erhellen.

Im vorliegenden Falle hat aber der Kläger

nichts dafür vorgebracht, daß der Beklagte für jeden Fall, auch für den der erfolglosen Tätigkeit des Klägers, sich habe verpflichten wollen.

Hinsichtlich

der Provision muß es also bei . der Regel bleiben, daß sie nicht gefordert werden kann, weil trotz der Tätigkeit des Klägers der Beklagte das ge­ wünschte Darlehn nicht erhalten hat, und bei dem Zusammenfassen des Ver­

sprechens beider Leistungen muß somit das gleiche auch von dem Ersätze der Aufwendungen gelten. H.ch.

u) Auftrag zum Spiel. Ersatz von Auslagen. «) OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 15. November 1906. Der Beklagte sollte als Beauftragter des Klägers am Totalisator setzen,

also einen Spielvertrag abschließen, bei dem es sich zwar um kein ver­ botenes Spiel handelte, dem aber doch für die Spieler selbst der gerichtlich verfolgbare Anspruch versagt ist. Über den Auftrag zum Spiel hat sich das

1. Auftrag zum Spiel.

Gesetz zwar nicht besonders geäußert.

31

BGB. § 762.

Es wird aber zu folgern sein, daß,

wenn es beim Spiel, um den durch dasselbe drohenden wirtschaftlichen und sitt­

lichen Gefahren vorzubeugen, die gerichtliche Hilfe zur Erzwingung der von

den Spielenden gegeneinander übernommenen Verbindlichkeiten ausgeschlosfen

hat, es beim Vorliegen der gleichen Gefahren eine Klage auch auf Aus­ führung eines Auftrages zum Spiele nicht gewähren will, weil es insofern

ebensowenig wie beim Spiel und bei der Wette selbst ein schutzwürdiges Interesse als vorliegend ansehen wird.

Daraus folgt dann aber die Nicht­

klagbarkeit auch des Anspruchs auf das Interesse, der aus der Nichtaus­

führung eines solchen Auftrages hergeleitet werden soll, ohne weiteres.

Bei

durchgeführtem Auftrage, wenn der Gewinn vom Beauftragten eingezogen ist, treffen zwar gleiche Erwägungen nicht zu, und es würde daher, ein an sich erlaubtes Spiel vorausgesetzt, einem Ansprüche, der auf

Auskehrung

des einkassierten Betrages gerichtet ist und dem gegenüber der Beauftragte auch die gemachten Auslagen einzubehalten berechtigt ist, der gerichtliche Schutz nicht zu versagen sein.... $ OLG. Hamburg, II. ZS.

M. M. Urteil v. 5. April 1906.

Wer in Ausführung eines Auftrages zu einem nicht verbotenen Spiel Auslagen gehabt hat, kann nicht auf Ersatz dieser Auslagen gegen den Auf­

traggeber klagen. Wenn auch der Wortlaut des § 762 auf einen solchen Anspruch nicht unmittelbar zutrifft, so ist doch — wie dies auch schon nach

früherem Recht angenommen wurde — nach dem Sinn und Zweck des Ge­ setzes der Rechtsschutz wie dem Spiel- und Wettvertrage selbst, so auch solchen

Verträgen zu versagen, die unmittelbar auf den Abschluß von Spiel- oder Wettverträgen abzielen, und dazu gehört der Auftrag, für den Auftraggeber eine Wette unterzubringen. Dagegen ist die Rückforderung der dem Beklagten ausgezahlten 500 Mark aus dem Gesichtspunkt zwar nicht des Auftrages, wohl aber der Bereicherung begründet. Der Satz 2 § 762 steht nicht entgegen; er bezieht sich nur auf Leistungen, die vom Gegenspieler oder für diesen auf Grund des Spieles gemacht sind. Hier aber handelte es sich um eine Zahlung, die, obwohl ein Wettvertrag für Rechnung des Beklagten überall nicht bestand, der Kläger

in der irrtümlichen Annahme, daß ein Wettgewinn zugefallen sei und er als Beauftragter des Beklagten ihn einzuziehen und dem Beklagten auszuzahlen habe, gemacht hat. Durch diese Leistung des Klägers ist der gezahlte Betrag

ohne rechtlichen Grund aus dem Vermögen des Klägers in das des Beklagten gelangt. Dieser hatte, da ein Spielvertrag für ihn nicht zustande gekommen war und ein Wettgewinn, den der Kläger auf Grund des ihm erteilten mit dem Auftrag zur Wette verbundenen Jnkassomandats an ihn hätte abführen

können, nicht vorhanden war, auch ein Anspruch auf Schadloshalten wegen Nichterfüllung des Wettaustrags rechtlich nicht anzuerkennen war, kein Anrecht darauf, die 500 Mark vom Kläger zu erlangen, und ist deshalb gemäß § 812 zur Herausgabe an den Kläger verpflichtet....

M. M.

v) Stillschweigender Verzicht auf die Borausklage.

OLG. Karlsruhe, III. ZS.

Urteil v. 5. Oktober 1906.

Aus dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde ist zwar nicht mit Sicher­

heit zu entnehmen, daß der Beklagte sich von vornherein als Selbstschuldner verbürgen wollte, denn die Ausdrücke: „Garantiere für richtigen Eingang"

und „Gut für 1000 Mark" können auch im Sinne einfacher Bürgschafts­

übernahme verstanden werden.

Allein das spätere Verhalten des Beklagten

läßt darauf schließen, daß er mindestens nachträglich stillschweigend auf die

Vorausklage verzichtete; denn er hat, ohne je eine Vorausklage zu ver­ langen, auf Anfordern jeweils die Jahreszinsen und auf Androhen der Klage allmählich auch auf das Kapital abgezahlt. Der in ß 773 Nr. 1 vorgesehene

Verzicht kann auch stillschweigend d. h. durch schlüssige Handlungen rechtsgültig erklärt werden (Staudinger Ilb § 773; Planck § 773 N. la). w) Koudizierung des Besitzes.

Dr. E.r.

(BGB. § 812.)

OLG. Hamburg, I. ZS. Urteil v. 26. März 1906. ... Der Kläger verlangt die Rückgabe von Depotscheinen, die er an­ geblich auf Grund eines nichtigen Vertrags dem Beklagten als Pfand oder

Sicherheit für eine fremde Schuld hingegeben hat. Ist dies richtig, so be­ findet sich Beklagter ohne Rechtsgrund im Besitze der Depotscheine und ist ohne weiteres verpflichtet, sie dem Kläger zurückzugeben.

Das ergibt sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie nach § 812, dessen Voraussetzungen hier vorliegen. Auch der Besitz, die bloße Jnnehabung sind kondizierbar, das war im I. Entwurf ausdrücklich hervorgehoben. Die 2. Komm, hat dies als einer besonderen Erwähnung nicht bedürftig fallen lassen, dagegen gerade mit Rücksicht darauf, daß, was man lediglich in seiner Jnnehabung habe, nicht wohl zum Vermögen des Inhabers gerechnet werden könne, die ursprüngliche Fassung, wonach Voraussetzung des Anspruchs war, daß jemand „aus dem Vermögen" eines anderen bereichert sei, dahin geändert, daß herauszugeben sei, was „auf Kosten" eines anderen erlangt sei, ohne daß es in das Ver­ mögen des Kondiktionsberechtigten übergegangen zu sein brauche (Motive S. 829, Prot. S. 2941). Daraus folgt, daß der Zurückfordernde zur Be­ gründung der Kondiktion sein Recht zum Besitz nicht näher zu bezeichnen und

zu beweisen braucht.

Der Empfänger hat vielmehr etwaige, seine Verbindlich­

keit zur Rückgabe aufhebende Umstände, z. B. eigene Rechte an der Sache, ein­ zuwenden und zu beweisen. Vorliegend hat der Kläger nur zu beweisen die Leistung, d. h. die Übergabe der Depotscheine an den Beklagten und den

fehlenden rechtlichen Grund für den Erwerb auf feiten des Beklagten.... M.M.

x) Ersatzansprüche -er Armcnverüände. OLG. Kiel, III. ZS.

Urteil v. 10. Mai 1906.

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts läßt sich ein Ersatz­

anspruch des Armenverbandes, der einen Hilfsbedürftigen unterstützt, gegen

diejenigen, welche dem letzteren unterhaltspflichtig sind, nicht rechtfertigen, weil die Unterstützung auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung erfolgt

1. Ungerechtfertigte Bereicherung.

BGB. § 812.

33

ist und daher weder Geschäftsführung ohne Auftrag noch Bereicherung vorliegt Auf Grund besonderer Vorschrift, insbesondere des § 62 UWG., ist allerdings ein Ersatzanspruch gegeben, doch beschränkt er sich

(Planck Art. 103 EG.).

auf die bereits geleisteten Pflegekosten.

Dagegen kann eine Pflicht des Be­

klagten zum Ersatz der erst in Zukunft fälligen Alimente hieraus nicht her­

geleitet werden.

Denn da nach der herrschenden Ansicht (Entsch. des RG. 2

S. 47, 19 S. 187; Seuffert 23 Nr. 306, 36 Nr. 88; Gruchot 41 S. 1897) der Armenverband lediglich das kraft gesetzlicher Zession auf ihn über­

gegangene Recht des Hilfsbedürftigen geltend macht, sind dessen Verwandte nur insoweit erstattungspflichtig, als sie zur Zeit der Unterstützung vermögend und verpflichtet waren.

Das läßt sich aber erst seststellen, wenn die Unter­

stützung geleistet ist (Seuffert 36 Nr. 114, 59 Nr. 3).

Ebensowenig ist die

Klage hinsichtlich der künftig fälligen Leistungen als Feststellungsklage nach

§ 256 ZPO. begründet, weil sich eben jetzt noch nicht feststellen läßt, ob der Beklagte in der Zukunft ersatzpflichtig sein wird. Nun sind allerdings nach Art. 103 EG. zum BGB. auch die Landes­ gesetze befugt, im Rahmen des dort gemachten Vorbehalts Vorschriften über die Ersahpflicht zu treffen.

Für Preußen ist im § 65 des Ausf.-G. vom

8. März 1871 nebst Zusatz vom 11. Juli 1891 bestimmt, daß die dort be­ zeichneten Angehörigen, zu denen der Beklagte aber nicht gehört, durch einen Beschluß des Kreisausschuffes zur Gewährung der laufenden Unterstützung angehalten werden können. Dagegen können nach § 68 sämtliche unterhalts­ pflichtige Angehörige zur Erstattung bereits verauslagter Unterstützungskosten im ordentlichen Rechtswege herangezogen werden. Auch hier ist also eine

Gr.

Erstattungspflicht nur für die Vergangenheit festgesetzt.

y) Kondiktion des von der Versteigerung ausgenommeuen Znbchörs, das dem letztausgefallenen Hypothekar überwiesen wurde. OLG. Braunschweig, II. ZS. Urteil v. 25. Oktober 1906. Das Grundstück des in Konkurs geratenen X. wurde aus Antrag eines Hypothekars versteigert und dem Beklagten, dessen Hypothek Nr. 5 ausfiel,

ausgenommen wurden. Diese Stücke überließ demnächst der Konkursverwalter dem Beklagten in der irrigen Annahme, daß fie dem vorgehenden, ebenfalls ausgefallenen Hypothek­ gläubiger A. nicht haften. Ihre Herausgabe verlangt jetzt der Konkursver­ zugeschlagen, wobei die Zubehörstücke ausdrücklich

walter. Dabei handelt es sich nicht etwa bloß um eine condictio possessionis, die auch noch nach dem BGB. möglich sein würde, sondern er will mit dem Besitz auch das Eigentum zurückerlangen. Denn er hat die Sachen zwecks Er­ füllung seiner Verbindlichkeit aus der Hypothekenschuld gegeben, also zu Eigen­

tum übertragen.

Es kann sich also nur um eine condictio ob causam (§ 812

S. 2) oder sine causa (§812 Satz 1) handeln; und zwar ist der Anspruch sowohl aus eigenem Rechte der Konkursmasse, wie auch eventuell aus dem abgetretenen Rechte des A. geltend gemacht. In dem einen wie im anderen

Falle ist die Vorfrage von Bedeutung, ob trotz des Zuschlags die Pfand-

OLSRIp. XIV.

3

34

1. Ungerechtfertigte Bereicherung.

BGB. § 812.

rechte der Hypothekgläubiger an dem nicht mitversteigerten Zubehör bestehen

geblieben sind.

Denn im Verneinungsfalle kann keine Bereicherung auf

Kosten des Zedenten A. eingetreten sein, soweit dieser als Absonderungs­

berechtigter iu Betracht kommt.

Anderseits würde aber auch der Beklagte,

da er mit Fortfall seines Hypothek- und Absonderungsrechts zum gewöhn­

lichen Konkursgläubiger geworden wäre, wegen seiner persönlichen Forderung nur einen Anspruch auf die Konkursdividende, nicht einen solchen auf Be­

friedigung aus dem Inventar behalten haben, also durch diese Art der Be­ friedigung grundlos bereichert worden sein (Jaeger, KO. § 57 Anm. 5). 1. Über die Vorfrage herrscht lebhafter Streit. Die Einen lassen das Hypothekenrecht am Zubehör den Zuschlag überdauern (Plancks 1147 N. Io, § 1181 91.2c, Entsch. des RG. 55 S. 415, zustimmend Kretschmar in Lobes Zentralbl. 5 S. 414). Die Gegner machen geltend, daß nach §91 ZwVG. die Hypothek mit dem Zuschlag« ganz erlösche, auch der Fortbestand eines Hypothekenrechts an beweglichen, nicht mehr Zubehör eines davon getrennten

Grundstücks bildenden Sachen begrifflich unmöglich sei (Eccius bei Gruchot 48 S. 47; Endemann, Lehrbuch 2 § 122 91.21«; Fischer-Schäfer, ZwVG. §865 S.131; Fuchs in Lobes Zentralbl. 6 S.181; OLG.Kassel inSeuffert

61 Nr. 28, auch Rsp. US. 137).

Allein wenn man auch zugeben mag, daß

nach Versteigerung des Grundstücks ohne Zubehör durch Aufhebung der wirtschaftlichen Einheit die beweglichen Sachen, welche es bildeten, aufhören,

Zubehör zu sein, und weiter dem beitreten muß, daß mit Erlöschen der Hypo­ thek die Haftung der beweglichen Sachen, welche früher deffen Zubehör waren, für die Forderung keine Hypothek mehr sein kann, so folgt daraus noch nicht, daß die pfandrechtliche Haftung der beweglichen Sachen für die Forderung über­

haupt wegfallen müßte.

Wie sie vielmehr durch die Beschlagnahme entstanden

ist (§ 20« ZwVG.), so dauert sie auch mindestens bis zur Aufhebung des Be­

schlagnahmeverfahrens fort. Denn das ergibt sich aus §65, der die abgeson­ derte Versteigerung oder sonstige Verwertung der mit beschlagnahmten beweg­ lichen Sachen ausdrücklich für zulässig erklärt, ohne zu bestimmen, daß diese Es liegt deshalb kein Grund vor, zu bezweifeln, daß sie auch noch später, ja sogar nach Ver­ teilung des Erlöses zulässig sei (Jaeckel § 65 91. 4 a. E.). Daraus folgt aber, Verwertung vor Erteilung des Zuschlags stattfinden müßte.

daß nach den besonderen Vorschriften des ZwVG. das Pfandrecht der Hypothekgläubiger an den Zubehörstücken die Haftung des Grundstücks selbst überdauern kann.

Mithin ist vorliegend trotz des Zuschlags das Pfandrecht

von A. und des Beklagten, sowie der anderen durch die Versteigerung nicht befriedigten Hypothekgläubiger an den eingeklagten Sachen wirksam geblieben;

im Konkurse sind sie also absonderungsberechtigt.

Demgemäß würde die Klage

als condictio ob causam hier nur aus eigenem Rechte der Konkursmasse,

nicht auch aus dem des Zedenten A. möglich sein. Der bezweckte Erfolg, den Beklagten wegen seines Pfandrechts durch Überlassung der Sachen zu Eigentum zu befriedigen, würde zum Nachteil der Konkursmasse nur dann

nicht eingetreten sein, wenn die in der Hingabe an Zahlungsstatt liegende Veräußerung nichtig sein würde.

Eine Nichtigkeit würde, da eine An­

fechtung wegen Irrtums nicht in Frage steht (Jaeger § 15810), nur dann

vorliegen, wenn der Verwalter einem ablosuten Veräußerungsverbote entgegen­ gehandelt hätte.

Ein solches war durch § 23 ZwVG. nicht gegeben; dieser

hätte die Veräußerung vielmehr nur den betreibenden Gläubigern gegen­ über nichtig gemacht (Jaeckel § 232). Auch §§ 126, 127 KO. konnten die Wirkung der Nichtigkeit keineswegs hervorrufen. Denn sie wollen dem Ver­ walter nur ein Recht, keine Beschränkung der von ihm auszuübenden Befug­

nisse des Gemeinschuldners geben und stehen daher einer Veräußerung von Sachen, die mit Pfandrechten versehen sind, nicht entgegen (Jaeger § 1272). Das Eigentum an den Sachen ist also, wie beabsichtigt, zur Tilgung der Schuld auf den Beklagten übergegangen, mithin der bezweckte Erfolg jeden­

falls nicht zum Nachteile der Masse unterblieben. 2. Aus dem Gesichtspunkte der cond. sine causa würde die Klage sowohl insofern denkbar sein, als Besitz und Eigentum an den Sachen zum

Nachteile der Masse, wie insofern, als sie zum Nachteile des vorgehenden Pfandgläubigers A. auf den Beklagten ohne Rechtsgrund übergegangen sein könnten.

Die Bereicherungsklage aus dem Rechte des A. hat nun die Vor­

instanz mit der Erwägung abgewiesen, daß A. überhaupt keinen Anspruch

auf Besitz der beschlagnahmten Sachen, sondern nur auf seinen Anteil am

Erlös habe. Aber abgetreten sind hier alle Ansprüche auf Bereicherung wegen Erwerbs der Sachen. Bereichert auf Kosten von A. ist aber der Be­ klagte nur dann, wenn durch den Erwerb der Sachen das Pfandrecht des

Das ist aber nicht der Fall. Die Veräußerung einer Pfandsache zur Befriedigung des Pfandgläubigers ist begriffsmäßig unter allen Umständen ein Pfandverkauf, mag er nun im Wege der Zwangs­ vollstreckung, besonders nach § 65 ZwVG-, oder durch privaten Pfandverkauf A. untergegangen sein würde.

Im letzteren Falle steht er regelmäßig nur dem Pfandgläubiger zu, im Konkurse aber auch nach § 127 KO. dem Verwalter, der insofern die Pfandgläubiger vertritt (Wilmowski, KO. § 1275). Macht er von diesem Rechte, das auch die Beschlagnahme gemäß § 23 ZwVG. nicht schlechthin erfolgen.

ausschließt, Gebrauch, ohne nach den gesetzlichen Regeln des Pfandverkaufs zu verfahren, so kann die Veräußerung den Verlust der bestehenden Pfand­

rechte nur dann zur Folge haben, wenn das Gesetz diesen Erfolg an des Erwerbers guten Glauben knüpft (Entsch. des RG. 58 S. 16). Da jedoch hier der Pfandverkauf nicht im Wege öffentlicher Versteigerung stattfand, kam

gemäß §1244 der § 936 beim Erwerb nicht zur Anwendung, also auch das Pfandrecht des A. und der übrigen Hypothekgläubiger nicht zum Erlöschen (Jaeger § 1272; Endemann 2 § 141 S. 926, 928 u. 930). Mithin kann

durch die Besitz- und Eigentumsübertragung auf den Beklagten dieser nicht auf Kosten des A. bereichert sein. Ebensowenig liegt aber eine Bereicherung auf Kosten der Konkursmaffe 3*

Denn da die Pfandrechte der Hypothekgläubiger an diesen Sachen be­ stehen geblieben sind, haben die damit belasteten Besitz- und Eigentumsrechte

vor.

an den Sachen, die der Masse allerdings verloren gegangen sind, überhaupt

keinen Wert. Dem Hinweise der Vorinstanz, daß die Hypothekgläubiger zu­ gunsten der Masse verzichten könnten, fehlt es an jedem Anhalt. So gut

der Verwalter ohne Benachteiligung der Masse die Pfandsachen dem Ab­ sonderungsberechtigten abtreten

kann,

damit dieser sich

daraus befriedige

(Jaeger § 478), ebensogut kann er sie ihm ohne Schaden zwecks unmittel­ barer Befriedigung überlaffen.

Denn da hier durch die rechtswirksame Hin­

gabe das Absonderungsrecht des Beklagten befriedigt worden, ist die Masse

durch diese Fortgabe nicht benachteiligt.

Etwas ganz anderes ist es, ob sich

vielleicht der Beklagte beim Erwerb in dem irrigen Glauben befunden hat, daß auf den Sachen ihm vorgehende Pfandrechte nicht mehr lasteten und er

den vollen Wert derselben erlange. Denn jedenfalls würde er sich dann nur zu seinem Nachteile geirrt haben. Ein Schaden der Masse wäre nicht da­ durch eingetreten.

H.g.

------------------

2 a) Haftung für die ohne Obligo Kreditwürdigkeit eines Dritte«. OLG. Dresden, VII. ZS.

abgegebene Versicherung der

Urteil v. 5. Juli 1905.

Der Beklagte haftet dem Kläger für den diesem aus der Kreditgewährung an K. erwachsenen Schaden nach § 826, falls K. zur Zeit der Empfehlung nicht kreditwürdig war und der Beklagte von der Richtigkeit seiner Versicherung von K.s Kreditwürdigkeit nicht positiv überzeugt war. Solchenfalls könnte ihn der Umstand nicht schützen, daß er ausdrücklich die Haftung für den In­ halt seiner Auskunft abgelehnt haben mag.

Durch Beifügung des Zusatzes

„ohne Obligo" vermochte er nur die Haftung dafür abzulehnen, daß die in

gutem Glauben, wenn schon vielleicht ohne Anwendung der erforderlichen Sorgfalt gegebene Auskunft sich später tatsächlich als unrichtig herausstellen sollte, nicht aber die für die Folgen einer wissentlich falschen Auskunfts­ erteilung, also

einer unerlaubten Handlung...

Die Erklärung über K.s

Kreditwürdigkeit besagte nicht, K. sei ein Mann, dem man gegen Sicher­

heit Kredit gewähren könne, sondern konnte, wie der Beklagte auch zweifel­ los erkannt hat, nur dahin verstanden werden, die Geschäftsverhältnisse des K. seien derartige, daß ihm unbedenklich ein Papierhändler größere Posten Papier, wie solche bei dem Geschäftsverkehr zwischen einem Buchhändler und seinem Papierlieferanten geliefert zu werden pflegen, auf Kredit, ohne sich erst

wegen seinerKaufpreisforderungSicherung bestellen zu lassen, liefern könne. M.z. b) Anbringung von Schutzgeländern. OLG. Hamburg, II. ZS. Urteil v. 4. Januar 1906. Die Überbrückung der Ausgrabung (zur Legung von Telephonkabeln^,

bei deren Überschreitung der Kläger fiel, mußte mit einem Geländer versehen sein.

Die Unterlassung dieser Sicherheitsmaßregel, zumal an einer so ver-

Denn da die Pfandrechte der Hypothekgläubiger an diesen Sachen be­ stehen geblieben sind, haben die damit belasteten Besitz- und Eigentumsrechte

vor.

an den Sachen, die der Masse allerdings verloren gegangen sind, überhaupt

keinen Wert. Dem Hinweise der Vorinstanz, daß die Hypothekgläubiger zu­ gunsten der Masse verzichten könnten, fehlt es an jedem Anhalt. So gut

der Verwalter ohne Benachteiligung der Masse die Pfandsachen dem Ab­ sonderungsberechtigten abtreten

kann,

damit dieser sich

daraus befriedige

(Jaeger § 478), ebensogut kann er sie ihm ohne Schaden zwecks unmittel­ barer Befriedigung überlaffen.

Denn da hier durch die rechtswirksame Hin­

gabe das Absonderungsrecht des Beklagten befriedigt worden, ist die Masse

durch diese Fortgabe nicht benachteiligt.

Etwas ganz anderes ist es, ob sich

vielleicht der Beklagte beim Erwerb in dem irrigen Glauben befunden hat, daß auf den Sachen ihm vorgehende Pfandrechte nicht mehr lasteten und er

den vollen Wert derselben erlange. Denn jedenfalls würde er sich dann nur zu seinem Nachteile geirrt haben. Ein Schaden der Masse wäre nicht da­ durch eingetreten.

H.g.

------------------

2 a) Haftung für die ohne Obligo Kreditwürdigkeit eines Dritte«. OLG. Dresden, VII. ZS.

abgegebene Versicherung der

Urteil v. 5. Juli 1905.

Der Beklagte haftet dem Kläger für den diesem aus der Kreditgewährung an K. erwachsenen Schaden nach § 826, falls K. zur Zeit der Empfehlung nicht kreditwürdig war und der Beklagte von der Richtigkeit seiner Versicherung von K.s Kreditwürdigkeit nicht positiv überzeugt war. Solchenfalls könnte ihn der Umstand nicht schützen, daß er ausdrücklich die Haftung für den In­ halt seiner Auskunft abgelehnt haben mag.

Durch Beifügung des Zusatzes

„ohne Obligo" vermochte er nur die Haftung dafür abzulehnen, daß die in

gutem Glauben, wenn schon vielleicht ohne Anwendung der erforderlichen Sorgfalt gegebene Auskunft sich später tatsächlich als unrichtig herausstellen sollte, nicht aber die für die Folgen einer wissentlich falschen Auskunfts­ erteilung, also

einer unerlaubten Handlung...

Die Erklärung über K.s

Kreditwürdigkeit besagte nicht, K. sei ein Mann, dem man gegen Sicher­

heit Kredit gewähren könne, sondern konnte, wie der Beklagte auch zweifel­ los erkannt hat, nur dahin verstanden werden, die Geschäftsverhältnisse des K. seien derartige, daß ihm unbedenklich ein Papierhändler größere Posten Papier, wie solche bei dem Geschäftsverkehr zwischen einem Buchhändler und seinem Papierlieferanten geliefert zu werden pflegen, auf Kredit, ohne sich erst

wegen seinerKaufpreisforderungSicherung bestellen zu lassen, liefern könne. M.z. b) Anbringung von Schutzgeländern. OLG. Hamburg, II. ZS. Urteil v. 4. Januar 1906. Die Überbrückung der Ausgrabung (zur Legung von Telephonkabeln^,

bei deren Überschreitung der Kläger fiel, mußte mit einem Geländer versehen sein.

Die Unterlassung dieser Sicherheitsmaßregel, zumal an einer so ver-

2. Unerlaubte Handlungen.

BGB. § 823.

37

kehrsreichen Stelle [in Hamburgs stellt einen Verstoß gegen die allgemeine,

im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar; somit ist der Beklagte, der di« Aus­ grabung angeordnet und durch seine Angestellten hatte vornehmen lassen, nach § 8231 für den Schaden verantwortlich, der für den Kläger aus dem Fehlen

eines Geländers entstanden ist.

Es besteht aber auch ein besonderes Schutz­ gesetz zur Anbringung eines Geländers nicht nur in der allgemeinen Vor­

schrift des § 36713 StrGB., die demjenigen, der auf öffentlichen Straßen Gruben oder Öffnungen hergestellt hat, vorschreibt, sie so zu verwahren, daß daraus für andere keine Gefahr entstehen kann, sondern vor allem auch in besonderen Vorschriften des hamburgischen Rechts.... M. M.

c) Wirtschaftserschwernisse durch Umwandlung einer Reben- in eine Bollbahn. OLG. Marienwerder, I. ZS.

Urteil v. 19. April 1906.

Auf § 823 kann der Anspruch nicht gestützt werden. Der Beklagte hat nichts weiter getan, als daß er auf seinem Grund und Boden die schon vorhandene, das Land des Klägers durchschneidende Neben- in eine Vollbahn umgewandelt hat. Damit ist die Anlage von Schranken an den Übergängen notwendig geworden, und es verkehren jetzt mehr Züge als früher. Der Beklagte hat in keiner Weise rechtswidrig gehandelt und auch nicht widerrechtlich das Eigentum oder ein sonstiges (durch § 823 geschütztes) Recht des Klägers ver­ letzt. Ein Eingriff im Sinne des § 906 (Zuführung von Rauch, Erschütterungen

u. dgl.) wird nicht gerügt. Es läßt sich auch ein Verschulden des Beklagten in keiner Weise konstruieren. Selbstverständlich ist er nicht behindert, die

Zahl der täglich verkehrenden Züge dem wachsenden Bedürfniffe entsprechend zu vermehren, und die Anlegung der Schranken war einfach polizeilich vor­

geschriebene Notwendigkeit. Auch § 75 Einl. zum ALR. ist nicht anwendbar.

Eine „Aufopferung

der besonderen Rechte" hat zwar zu der Zeit stattgefunden, als ein Teil des Landes für Anlage der Bahn enteignet wurde. Eine solche lag aber nicht vor, als die Umwandlung in eine Hauptbahn erfolgte. Das besondere Recht

des Klägers, welches dadurch eingeschränkt wurde, könnte nur das gewesen sein, daß er befugt war, die an bestimmten Stellen über die Bahnstrecke, d. h. über das Eigentum des Beklagten, führenden Wege zu benutzen. Dies Recht war nun keineswegs ein ihm allein zustehendes, vielmehr werden die

Wege allgemein vom Publikum benutzt.

Aber abgesehen davon würde sich

bestimmten Stellen mit Fuhrwerken rc passieren zu dürfen, höchstens als eine Grundgerechtigkeit charakterisieren, das Recht,

den Bahndamm

an

deren Ausübung immer unter tunlichster Schonung der Interessen des Eigen­ tümers des belasteten Grundstücks erfolgen müßte (§ 1020).

Jedenfalls ist

das Recht des Klägers nur ein derartiges, daß es sich dem wachsenden Bahnoerkehr anpassen und sich den mit dem gesteigerten Betriebe ver­ bundenen Einschränkungen unterwerfen muß.

Ebenso versagt das Enteignungsges. § 31.

Zum Bau der Eisenbahn

ist 1880 dem Kläger ein Teil des Geländes enteignet worden.

Sein jetziger

Anspruch wäre also nur insoweit zu berücksichtigen, als er mit der Enteignung dieses Teils zusammenhängt. Aber wenn man auch die jetzigen Schäden als Folgen der damaligen Enteignung ansieht, so waren sie doch im erheblichen Zeitpunkte (§ 25) schon erkennbar. Mit der Möglichkeit einer Erweiterung

des Betriebes und einer Umwandlung zur Hauptbahn mußte von vornherein gerechnet werden. Abgesehen davon wendet der Beklagte aber zutreffend Verjährung ein. Als Teil der Anlage, durch welche der Kläger benachteiligt sein würde, kann nur die durch seine Ländereien führende Bahnstrecke an­ gesehen werden, seit deren Ausführung mehr als 3 Jahre abgelaufen sind. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Frist ist natürlich der Bau dieser Strecke, nicht die Umwandlung zur Hauptbahn.

Wäre die Umwand­

lung als eine neue Anlage anzusehen, so würde diese dann mit der früheren Enteignung nichts zu tun haben, und es würde sich also bei den jetzt geltend gemachten Schäden nicht um Folgen der Enteignung handeln, die auf

Grund des Enteignungsges. entschädigt werden könnten.

H.

d) Schadeusersatzpflicht eines Schullehrers. Kammergericht, XVII. ZS.

Urteil v. 18. November 1906.

Gelegentlich eines mit seiner Schule unternommenen Ausfluges hat der

Beklagte an Schüler, die sich bei den gemeinschaftlichen Spielen hervorgetan

hatten, Knallblättchen verteilt. Einer der Schüler, 3E., hat eine Anzahl davon in eine Teschingpatronenhülse gestopft und diese zur Explosion gebracht, dabei ist

dem Sohne des Klägers ein Stück der Hülse ins Auge geflogen. Der Schadens­

ersatzanspruch ist unbegründet.

verschuldet.

Der Beklagte hat die Körperverletzung nicht

Darin, daß er mit seiner ganzen Schule von 100 Schülern den

Ausflug unternahm, liegt keine Fahrlässigkeit. Der Lehrer ist amtlich ver­ pflichtet, den sämtlichen seiner Schule angehörigen Kindern gleichzeitig Unter­ richt zu erteilen. Er kann dabei nicht jedes einzelne Kind fortdauernd im Auge haben.

Auch bei den mit Genehmigung der Vorgesetzten unternommenen

Schulausflügen kann sich der Lehrer nicht auf einen einzelnen kleinen Kreis

der Schüler beschränken, sondern er muß alle seiner Obhut anvertrauten Schüler zur Teilnahme hinzuziehen, wenn er auch hierbei noch weniger jeden einzelnen Schüler fortdauernd überwachen kann. Er handelt nicht fahrlässig, wmn er sich darauf verläßt, daß die Schüler seinen allgemeinen Anweisungen Folge leisten werden.

Auch in dem Verteilen der Knallblättchen an einzelne

Schüler liegt keine Fahrlässigkeit.

Diese Knallblättchen stellen sich, infolge

des ganz unbedeutenden Gehalts von Sprengstoff, als ein harmloses und ungefährliches Kinderspielzeug dar. Wenn sie durch das Hinzutreten ganz besonderer, außerhalb des Bereiches der Wahrscheinlichkeit belegener Umstände

gefährlich werden können, so ist das bei fast allen Sachen der Fall (vgl. Entsch. d. RG. 50 S. 60).

Auch aus § 832 haftet der Beklagte nicht.

Daß ein staatlich angestellter

Lehrer staatsrechtlich infolge seiner Anstellung, d. h. kraft Gesetzes zur Auf-

sichtsführung über seine Schüler verpflichtet ist, erscheint unbedenklich.

Zweifel­

haft kann sein, ob diese Aufsichtspflicht sich auf die Verhütung der Beschädi­

gung anderer durch einen Schüler erstreckt.

Hiergegen wird geltend gemacht

(„Recht" 1902 S. 39), daß die Beaufsichtigung der Schüler Zwecke der Schul­

zucht verfolge, Erziehungsmittel sei, welches nur das Wohl der Schüler in erster Reihe fördern solle, die Schüler kämen deshalb auch der Schule gegen­

über nicht als Personen in Betracht, welche wegen Minderjährigkeit der Auf­

sicht bedürften und darum ihr unterworfen würden.

Dies würde auch auf

volljährige Schüler, welche doch gleichfalls der Schulaufsicht unterständen,

nicht zutreffen. Wenn die Schulaufsicht in erster Linie den Zweck der Er­ ziehung der Schüler verfolgt, so ist damit keineswegs ausgeschlossen, daß diese Aufsichtspflicht auch die Verhütung der Beschädigung Dritter, besonders der

Mitschüler während des Schulunterrichts, bezweckt. Auch die Beaufsichtigung durch die Eltern hat in erster Linie erzieherische Zwecke. Für die Dauer des Schulunterrichts aber sind die Eltern verhindert, die Aussicht über ihre der Schule anvertrauten minderjährigen Kinder auszuüben.

an die Stelle der Eltern.

Hier treten die Lehrer

Andernfalls würde für einen Schaden, der durch

ein minderjähriges Kind, das nicht persönlich aus § 828 verantwortlich ge­

macht werden könnte, während der Schulzeit einem Dritten zugefügt ist, eine Verantwortlichkeit des Aufsichtspflichtigen überhaupt nicht bestehen. Die Eltern würden sich jedenfalls mit Erfolg darauf berufen können, daß sie ihrer Aufsichtspflicht durchaus genügt haben, indem sie das Kind der Schule

anvertrauten.

Der Umstand, daß auch großjährige Schüler der Schulaufsicht

unterstehen, schließt nicht aus, daß diese Aufsichtspflicht betreffs der Minder­ jährigen eine weitergehende, auch die Verhütung von Schadenszufügungen be­

zweckende ist.

So hat auch die Entsch. des RG. 52 S. 69 angenommen,

daß dem Lehrherrn über den minderjährigen Lehrling eine Aufsichtspflicht ob­ liegt.

Da nun Ausflüge, welche der Lehrer mit seinen Schülern unternimmt,

auch Veranstaltungen zu Schulzwecken sind, lag auch dem Beklagten die Auf­

sichtspflicht über seine Schüler ob.

Er muß daher nachweisen, daß er ihr

genügt hat, oder daß der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung ent­ standen wäre. Letzterer Nachweis ist jedenfalls erbracht. Daß der eine

Knabe in seiner Tasche verborgen die mit Zündstoff gefüllte Patronenhülse milbrachte und dem 3E. aushändigte, der sie zur Explosion brachte, konnte der Beklagte auch bei sorgfältiger Aufsichtsführung nicht verhindern, da er bei dem Beginn des Ausfluges nicht jeden Schüler darauf hätte untersuchen

können, ob er irgendeinen Gegenstand, der möglicherweise Gefahr für einen Dritten herbeiführen könnte, mit sich führe....

H.tz.

e) Schabeusersatzpflicht des Ehebrechers. OLG. Hamburg, I. ZS. Urteil v. 2. März 1906. ... Bei solcher Sachlage sVerlust der Erwerbsgelegenheit) ist die Klage be­ gründet, sofern die Erkrankung des Klägers auf den Ehebruch des Beklagten mit

der Frau des Klägers und die hieraus für den Kläger entstandenen seelischen

40

2. Unerlaubte Handlungen.

BGB. § 823.

Aufregungen ursächlich zurückgeführt werden muß. Freilich ist der § 826 nicht anwendbar, da der Vorsatz des Beklagten bei Begehung der Ehebrüche

nicht auf Schadensstiftung gerichtet gewesen ist, wohl aber der § 8232.

Ein

Schutzgesetz ist das Verbot des Ehebruchs (8 172 StrGB.), das der Beklagte vorsätzlich Jahre lang übertreten hat. Sonach kommt es, da ein Vermögens­ schaden des Klägers, gleichviel in welcber Höhe, durch dessen Erkrankung ent­

standen ist, lediglich auf den Beweis an, daß die Krankheit durch das ehe­ brecherische Verhalten des Beklagten, sei es unmittelbar oder mittelbar, hervorgerufen ist.

Z^abei macht es keinen Unterschied, ob etwa die besondere

Veranlagung des Klägers diesen in ungewöhnlicher Weise für eine Nerven­ erkrankung prädisponierte. „Wurde der Erfolg durch schuldhaftes Handeln des Beklagten in Verbindung mit der dem Kläger innewohnenden Disposition

herbeigesührt, so genügt es, daß das schuldhafte Handeln mitwirkende Ursache gewesen ist" (IW. 1905 S. 690'-).

M. M.

f) Verhänge« -er Sperre über Gastwirtschafte«. OLG. Hamburg, III. ZS.

Urteil v. 27. Oktober 1906.

... In beiden Publikationen der Beklagten [breter Musiker und des

Zentralverbandes) heißt es, daß das Lokal des Klägers sSchankwirt) gesperrt sei. Daran wird in den Zeitungsannoncen an die Kollegen d. h. an die übrigen Musiker das Ersuchen geknüpft, dort nicht eher in Arbeit zu treten, als bis die Sache von der Kommission für geregelt erklärt werde.

Insoweit liegt in den Anzeigen keine unerlaubte Handlung. Denn die Publikationen bezweckten, den bei dem Kläger beschäftigten Musikern einen besseren Lohn zu verschaffen, und wenn der § 152 GwO. den Arbeitern das Koalitionsrecht gewährleistet, so kann es weder widerrechtlich sein, noch gegen die guten Sitten verstoßen,

wenn die Beklagten andere Musiker aufsordern, ihnen dadurch beizustehen, daß sie sich der Arbeit bei dem Kläger enthalten. Die Verhängung der Sperre hat aber auch die Bedeutung, daß Arbeitern, die nicht Musiker sind, verboten wird, das Lokal des Klägers zu besuchen. In­

soweit und ferner auch, als in den Flugblättern behauptet wird, daß wegen Nichtanerkennung der Organisation die Sperre verhängt sei, liegen unerlaubte Handlungen vor. Wären die Worte, daß die Sperre wegen Nichtanerkennung der Orga­ nisation erfolgt sei, mit dem LG. dahin zu verstehen, daß die zwischen dem

Kläger und dem vierten Beklagten ausgebrochenen Differenzen und die Lösung

des Vertrages durch den Kläger den Anlaß zur Sperre gegeben hätten, so wäre nicht zu verstehen, weshalb die Beklagten nicht in ihrem Flugblatt sich derselben Wendung bedient haben, wie in den Zeitungsannoncen, worin es heißt, daß wegen entstandener Differenzen das Lokal gesperrt sei. Unter

der Behauptung, daß der Kläger die Organisation nicht anerkenne, kann

daher nur verstanden werden, daß er sich geweigert habe, die Einrichtungen anzuerkennen, die die vereinigten Musiker zur Wahrung ihrer gemeinschaft­ lichen Interessen getroffen haben, besonders den Arbeitsnachweis und die

2. Unerlaubte Handlungen.

41

BGB. § 824.

Vermittlung des Zentraloerbandes bei dem Bezüge von Musikern, wie denn

auch F. sdefsen Vorsitzender^ sagt, daß die Organisation repräsentiert werde

durch den Arbeitsnachweis.

Nun war es aber unwahr, daß der Kläger diese

Organisation der Musiker nicht anerkannt hatte. Im Gegenteil hatte er mit

der sie vertretenden Kommission den Vertrag geschlossen und damit sich der

Einrichtung der Beklagten für die Stellung von Musikern gefügt.

Gesperrt

ist nicht, weil der Kläger diese Einrichtung fernerhin nicht anerkennen, sondern

weil er sich den erhöhten Forderungen des Verbandes nicht fügen wollte. Hätte der Verband annehmbare Forderungen gestellt, so würde Kläger keinen Anstand genommen haben, von neuem mit ihm abzuschließen und die Musiker durch ihn zu beziehen. Die mit der Sperre verbundene Aufforderung an andere Arbeiter und

Vereine, das Lokal des Klägers zu meiden, verstößt nicht nur gegen den § 826, sondern auch gegen den § 823'. Das Landgericht verneint dies, weil der Gewerbebetrieb nicht zu den hier geschützten Rechtsgütern gehöre. Allein bei dem Etablissement des Klägers handelt es sich um einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der durch die Publikationen der Beklagten

zweifellos gestört und geschädigt wird, nicht aber um eine bloße Erwerbs­ möglichkeit. Es kann sich also nur noch fragen, ob die Beklagten wider­

rechtlich handelten, indem sie diese Störungen vornahmen. Das wird zwar in ähnlich liegenden Fällen von dem V. ZS. dieses Gerichts, sowie auch vom RG. IW. 1906 S. 595 verneint. Allein widerrechtlich ist der schädi­

gende Eingriff der Beklagten, wenn nicht ein besonderes Verhältnis oorliegt, der den Eingriff als einen berechtigten erscheinen läßt (Planck 4 S. 609). An solchem Verhältnis fehlt es hier aber.

Insbesondere kann der Eingriff

nicht mit dem den Arbeitern im 8 152 GwO. gewährleisteten Recht gerecht­

fertigt werden.

Denn es liegt auf einem völlig anderen Gebiet als dem der

Koalitionsfreiheit, wenn die Beklagten das Lokal des Klägers für verfemt erklären und ihm vermöge des Einflusses, den sie auf die Arbeitermaffen

haben, den Besuch der Gäste abschneiden, auf welche es zu seiner Existenz angewiesen ist.

Eine solche vorsätzliche Störung des Gewerbebetriebes, um

einen anderen zum Abschluß eines Vertrages zu zwingen — und darum allein handelt es sich hier — verstößt nicht nur gegen die guten Sitten, sondern

ist auch widerrechtlich im Sinne des § 8231. Wenn das LG. für die An­ wendbarkeit des 8 826 Gewicht darauf legt, ob der Schaden mehr oder

weniger groß sei, so kann dem nicht beigepflichtet werden.

Denn ob eine

Handlung gegen die guten Sitten verstößt, kann nur nach dieser Handlung

selbst und ihren Begleitumständen, nicht aber nach ihrem Erfolge beurteilt werden. Auch kann nicht erheblich sein, ob die Beklagten eine größere oder

geringere Schädigung des Klägers beabsichtigten, da jede absichtliche unbe­ rechtigte Schädigung gegen die guten Sitten verstößt.

g) Fahrlässig falsche Anzeige. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 26. September 1906.

M.M.

Der Beklagte ist nicht ersatzpflichtig, weil er die Anzeige, die zwar tat­ sächlich unrichtig war und deren Unrichtigkeit er auch hätte erkennen können und müssen, in Wirklichkeit nicht als unrichtig erkannt hat, vielmehr für wahr

hielt.

Die Anwendung des § 8232 versagt, weil der Beklagte, dem der

§ 193 StrGB. zur Seite steht, nicht gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstieß. Auch wenn der Beklagte keinen besonderen Grund für sich geltend machen könnte, weshalb gerade er jene unrichtige,

aber von ihm für richtig gehaltene Anzeige machte, hat er doch zur Wahrung

berechtigter Interessen gehandelt, weil es ein berechtigtes Interesse jedes Staatsbürgers ist, Unrechtfertigkeiten, die er beobachtet zu haben glaubt, anzuzeigen. Dafür, daß aus der Form der Äußerung und den Umständen,

unter welchen sie geschah, das Vorhandensein einer Beleidigung hervorgehe, liegt nichts vor. Auch der § 8242 steht einer Ersatzpflicht des Beklagten entgegen, weil der Empfänger der dem Beklagten vorgeworfenen unrichtigen Mitteilungen, der Staat, ein berechtigtes Interesse an ihnen hatte.

Wenn

der Kläger einwendet, daß der Staat nur ein Interesse an der Erstattung

richtiger Anzeigen habe, so schließt das den § 8242 nicht aus, der ja über­ haupt nur von dem Falle unrichtiger Mitteilungen handelt. Das Interesse des Staates geht aber in Wahrheit auch weiter, denn weil ihm sehr viel bessere Mittel als dem Privatmanne zur Verfügung stehen, die Richtigkeit

oder Unrichtigkeit einer Beobachtung verdächtiger Vorgänge festzustellen, so ist er daran interessiert, diese Feststellung selbst vorzunehmen und also alle solche Beobachtungen mitgeteilt zu erhalten. M. M.

h) Altivlegttimation des Kindes, vertrete» durch seine» Vater, zur Einklagung einer Schadensersatzforderung für eine» erlitte»«» Unfall. OLG- Naumburg, IL ZS.

Urteil v. 26. Oktober 1906.

Da nichts behauptet ist und sonst auch nichts dafür spricht, daß das

klagende Kind Vermögen besitzt und daß die Ausgaben, deren Erstattung mit der Klage verlangt wird, aus diesem Vermögen bestritten sind, ist an

sich zwar davon auszugehen, daß der Vater des Kindes kraft seiner gesetz­ lichen Unterhaltspflicht die erforderlich gewordenen Aufwendungen gemacht hat.

Ein Erstattungsanspruch seinem Kinde gegenüber würde ihm nicht zu­

stehen, wohl aber würde er berechtigt sein, Erstattung des Schadens von einem dritten Ersatzpflichtigen zu verlangen.

Wenn hiernach auch nur der

Vater des klagenden Kindes zur Geltendmachung der in der Klage erhobenen

Ansprüche, soweit diese überhaupt begründet sind, berechtigt ist, so war die — erst in der Berufungsinstanz — erhobene Einrede der mangelnden Aktiv­ legitimation des klagenden Kindes trotzdem zurückzuweisen, weil die Klage

für das nicht prozeßfähige Kind gerade von seinem Vater als gesetzlichen

Dieser hat damit in unzweideutiger Weise zu er­ kennen gegeben, daß er damit einverstanden sei, daß der ihm zustehende An­

Vertreter erhoben ist.

spruch von dem Kinde direkt geltend gemacht werde.

Die verklagte Stadt

läuft nicht Gefahr, daß derselbe Anspruch von dem Vater des Kindes zum

2. Unerlaubte Handlungen.

VGB. § 823.

43

zweiten Male erhoben werde, da sie einer solchen Klage den Einwand ent­ gegensetzen könnte, daß dieser Anspruch mit Zustimmung des Vaters von dem P.

Kinde bereits geltend gemacht ist.

i) Gefährliche Beschaffenheit von Grundstücken. OLG. Stuttgart, I. ZS.

Urteil v. 14. Dezember 1906.

Der Kläger verlangt Schadensersatz, weil das Grundstück der beklagten Gemeinde nicht eingefriedigt war, so daß sein 11 jähriger Sohn in einem

darauf befindlichen Wassertümpel („Haideloch") ertrunken ist. wurde abgewiesen. Gründe:

Die Klage

Das Grundstück ist zwar selbst kein öffentlicher, zum Verkehr bestimmter

Platz, stößt aber an einen öffentlichen Feldweg an und war zur Zeit des Un­ falles weder bebaut noch eingefriedigt oder irgendwie abgeschrankt. Das Be­ treten war sonach tatsächlich leicht möglich und nicht etwa nach StrGB.

§ 368* verboten; der Platz wurde von den Besitzern der angrenzenden Wein­ berge hie und da in Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten betreten und manchmal von Kindern, die sich an dem Waffer zu schaffen machten, besucht.

Ob dies zu der Annahme genügt, das Grundstück sei ein „Ort, an welchem

Menschen verkehren", ist zweifelhaft (dagegen Württ. Z. 1 S. 144), kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn da immerhin die Möglichkeit vorlag, daß Be­ rufene und Unberufene es betreten konnten, so ist die Beklagte für einen hierbei entstandenen Schaden schon nach § 8231 haftbar, wenn ihre Vertreter bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnten, daß die Beschaffenheit des Grundstücks gefährlich und daß zur Abwendung der Gefahr Schutzmaßregeln notwendig seien. Liegt kein solches Verschulden vor, so ist sie nach § 823*, selbst wenn ein Verstoß gegen StrGB. § 36712 an sich vorliegt, nicht haftbar.

Daß jedoch ein Grundstück nach seiner Beschaffenheit oder Anlage für andere gefährlich werden könne, ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn

es sich um solche Gefahren handelt, die leicht unbemerkt bleiben können.

Dies

trifft besonders zu, wenn der sonst ebene Boden eines Grundstücks plötzlich steil abfällt oder wenn die gefährdenden Anlagen wegen ihrer geringen Aus­

dehnung leicht übersehen werden können (vgl. StrGB. § 36712: „Brunnen, Keller, Gruben, Öffnungen, Abhänge"). Bei Abhängen, die schon aus einiger Entfernung zu sehen sind, bei Felsen, Steinbrüchen, größeren Wasserflächen u. dgl. wird mit Recht allgemein angenommen, daß ihre Gefährlichkeit von und deshalb pflegen solche An­ lagen, besonders auch Teiche in Gärten und Parkanlagen, fast überall un­ verwahrt gelassen zu werden, selbst wenn bei den Teichen wegen ihrer Tiefe jedermann ohne weiteres erkannt werde,

oder wegen ihres schlammigen Untergrundes die Gefahr besteht, daß ein in Vorliegend handelt es sich nicht um

das Wasser geratender Mensch ertrinke.

eine Anlage, die unbemerkt bleiben und deshalb Gefahr bringen konnte; denn

die Wasserfläche des Haidelochs hat bei mittlerem Wafferstand eine Aus­

dehnung von über 6 Ar, und auch wenn bei niedrigerem Wasserstand diese

2. Tierhalter.

44

BGB. § 833.

Ausdehnung erheblich geringer ist, so kann doch bei der muldenförmigen Be­

schaffenheit des Grundstücks jeder, der es von dem vorüberführenden Wege betritt, es vollständig überblicken und wahrnehmen, daß sich darauf Aus­

grabungen und im Grunde der Mulde ein größerer Waffertümpel befinden, dessen Tiefe nicht zu erkennen und der daher nicht ungefährlich ist. Daß die Gefahr nahe läge, es könnte jemand versehentlich in das Wasser geraten, ist

weder durch das Ertrinken des Sohnes des Klägers selbst, noch durch die früheren Unglücksfälle, die hier geschahen, dargetan.... Denn die Ver­ wahrungspflicht ist auf Grund der normalen Verhältniffe und nach dem regel­

mäßigen Gang der Dinge zu bemessen (vgl. Württ. Z. 14 S. 134): die Regel

bildet aber, daß jemand, der eine Gefahr zu erkennen vermag, sie nicht auf­

sucht, sondern vermeidet; das Gegenteil ist so außergewöhnlich, daß damit der Eigentümer des gefährdenden Grundstücks nicht zu rechnen braucht (vgl. auch Württ. Z. 10 S. 191).... H.

k) Haftung des Tierhalters. «) OLG. Hamburg, III. ZS.

Urteil v. 22. Mai 1906.

Von den der beklagten Landwirtschaftskammer zum Verkauf zugesandten Schweinen ist das eine, nachdem es verkauft worden, zur Wage getrieben, dem Treiber aber entwischt und zurückgerannt und hat dann den im Gange der Verkehrshalle stehenden Kläger umgerannt. Den ihm dadurch zugefügten Schaden hat zu ersetzen, wer „das Tier hält", ohne daß es auf ein Ver­ schulden des Tierhalters ankommen kann. Wenn auch in den überwiegend meisten Fällen der Eigentümer zugleich der Tierhalter sein wird, so trifft das doch nicht immer zu. Nicht das Eigentum, sondern das Halten des

Tieres ist entscheidend erklärt und es können daher neben dem Eigentümer auch der Mieter, Pächter, Entleiher, Nutznießer u. a. als Tierhalter in Frage kommen. Als Eigentümer des Tieres um die Zeit des schadenbringenden Vorfalls kann nur der Verkäufer gelten, der für den Verkauf die Ver­ mittlung der Beklagten in Anspruch genommen hatte, und nicht der Käufer. Der § 447 kann schon deshalb keine Awendung finden, weil er nur von dem Übergang der Gefahr handelt, nicht aber von dem Schaden, den ein verkauftes Tier anrichtet.

Wenn auch der Verkauf des Schweines durch den Kommissionär W. schon vor dem Unfall und zu einer Zeit stattgehabt hat, als sich das Tier noch im Stallgehege (box) befand, so war doch die Übergabe an den Käufer, die nach § 929 den Eigentumsübergang bewirkt hätte, um die Zeit des Unfalls

noch nicht erfolgt.

Das Schwein hat vielmehr den Schaden angerichtet bevor

es verwogen und der zu entrichtende Gesamtpreis festgestellt war. Erst nach dieser Feststellung konnte die Übergabe an den Käufer stattfinden. Andere

Personen können

als

mögliche Tierhalter nicht in Frage kommen.

Die

Marktverwaltung schon deshalb nicht, weil ihre Obhut in dem Augenblicke aufhörte, als die Tiere den Stallraum verließen. Die Firma M. und der Kommissionär W. waren deshalb nicht selbst Tierhalter, weil sie übrigens

2. Tierhalter.

45

BGB. § 833.

ebenso, wie die Marktverwaltung, nur als Beauftragte und zwar als Beauf­ tragte der Beklagten tätig geworden sind, welche die ihr vom Eigentümer anvertraute Fürsorge für das Tier durch ihre Beauftragten ausüben ließ. Wenn einer der Beauftragten die von ihm vertraglich übernommene Aufsichts­ führung nicht gehörig ausgeübt hätte, so könnte seine Regreßpflicht gemäß § 834 in Frage kommen; Kläger konnte jedoch seinen Anspruch gemäß § 833

unmittelbar gegen den Tierhalter richten.

Welcher der Begriffsbestimmungen

(des RG., des Aufsatzes IW. 1906 Nr. 6 oder Dernburgs II § 397) man auch folgen mag, in jedem Falle erweist sich, daß der Eigentümer des Schweines um die Zeit der Schadenszufügung in Beziehung auf dieses Schwein

nicht mehr

Tierhalter und daß diese

auf die

Eigenschaft

Be

klagte übergegangen war.

Dadurch, daß sie gemäß den Bestimmungen der Geschäftsstelle die Vermittlung des direkten Absatzes übernommen, das Schwein sich hat zusenden und durch das Transportgeschäft M. hat entgegennehmen lassen, hat sie die Sorge für das Tier, die Verfügungsgewalt und den unmittelbaren Besitz und zwar nicht nur zu einem vorübergehenden Zwecke (int Verhältnisse

zum Eigentümer) auf sich genommen, während der Eigentümer sich zugleich aller dieser Befugnisse und Rechte endgültig entledigt hatte.

Wenn auch ihr

Unternehmen einem gemeinnützigen Zwecke dient und wenn sie auch keine

Gewerbesteuer zahlt, so führt sie, da doch sie für ihre Tätigkeit Gebühren

erhebt, das Unternehmen — und zwar berufsmäßig — in ihrem eigenen

Interesse bzw. im Interesse der von ihr vertretenen Landwirte. Ihre Eigen­ schaft als Tierhalter würde noch erkennbarer hervortreten, wenn sie eigene Stallräume hätte und wenn die von ihr beauftragten Transporteure und Kommissionäre nur in ihrem Dienste ständen. Dadurch wird aber rechtlich nichts geändert, daß Beklagte die ihr dem Eigentümer gegenüber obliegenden Verpflichtungen durch andere, von ihr dazu beauftragte Personen (die Markt­

verwaltung, den Transporteur und den Kommissionär) ausführen ließ. Ins­ besondere werden auch dem Eigentümer Verkaufsberechnungen namens der Beklagten ausgefertigt. M. M. ß) OLG. Stuttgart, I. ZS. Urteil v. 28. September 1906. Die gütergem. Frau des Klägers war in dessen Stalle mit Melken be­ schäftigt, als plötzlich die dem Kläger gehörige und von ihm gehaltene Katze,

verfolgt vom Hunde des Beklagten, sich in den Stall flüchtete und unter den Kühen durchlief; hierdurch wurden sie unruhig und scheu; die Kuh, die ge­

molken wurde, schlug aus und verletzte die Frau des Klägers. Aus den Gründen: Der Kläger geht selbst davon aus, daß der unvermutete Eintritt des Hundes und der Katze die Kuh erschreckt und deren Ausschlagen herbeigeführt und daß die Kuh ausgeschlagen hat, um sich gegen beide Tiere zu schützen.

Anderseits bezweifelt der Beklagte nicht, daß das Bellen seines Hundes in Verbindung mit dem raschen und plötzlichen Durchlaufen der Katze die Kuh er­ schreckt habe. Der Sachverständige gibt an, daß die Kühe gegen bellende Hunde

sehr empfindlich seien, namentlich wenn diese plötzlich in den Stall herein­ Hiernach steht fest, daß das Bellen des Hundes und das rasche

laufen.

Durchlaufen der Katze unter der Kuh zusammengewirkt haben zum Scheu­ werden der Kuh....

Es sind also das Tun der Katze und das Tun des Der ur­

Hundes je als Ursache des Scheuwerdens der Kuh zu betrachten.

sächliche Zusammenhang zwischen dem Bellen des Hundes und dem Scheu­

werden der Kuh wird dadurch nicht aufgehoben, daß das Durchlaufen der Katze in den Verlauf der Tatsachen eingegriffen hat.

Ebensowenig ist das

Tun des Hundes die alleinige Ursache des Scheuwerdens, und zwar selbst

dann nicht, wenn, wie anzunehmen, die Katze durch das Bellen und einen Angriffsversuch des Hundes zu dem raschen und plötzlichen Hineinlaufen in

den Stall bestimmt worden ist. Das Scheuwerden der Kuh steht sowohl zu dem

Tun der Katze als zu dem des Hundes im Verhältnis der Wirkung zur Ursache. Da die Kuh unbestritten unter dem Einfluß des ihr durch die zwei anderen Tiere eingejagten Schreckens mit den Beinen ausgeschlagen und damit die Verletzung bewirkt hat, so ist auch der ursächliche Zusammenhang zwischen dieser Verletzung einerseits und dem Tun des Hundes und dem der Katz«

anderseits gegeben.

Was zunächst den Hund betrifft, so wird die Kausalität

seines TunS und damit die Haftung des Beklagten aus § 833 mit Unrecht aus dem Grunde bestritten, weil die Verletzung der Frau nicht unmittelbar durch den Hund bewirkt worden sei. Der § 833 verlangt nicht, daß der Körper des Tieres in direkte mechanische Berührung mit dem Körper deS verletzten Menschen (oder mit der beschädigten Sache) gekommen sei; die Voraussetzungen der Haftung ist vielmehr auch dann gegeben, wenn das Tier einen anderen Gegenstand in Bewegung setzt und infolgedeffen den Körper eines Menschen berührt >nd verletzt (Entsch. des RG. 50 S. 221, 60 S. 66; IW. 1905

S. 174, Württ-J. 15S.22; vgl. auch Schmoller in Civ.Arch. 98 S. 1). Einen solchen Vorgang, wo sich die Verkettung der im Verhältniffe von Ursache und

Wirkung stehenden Tatsachen nach rein mechanischen Gesetzen vollzieht, stehen aber rechtlich vollständig gleich die Fälle, in denen ein Tier durch sein äußeres Tun auf die Sinne eines anderen Tieres einwirkt und hiermit bei diesem einen durch psychologische Gesetze bedingten seelischen Affekt herbeiführt, durch

den es zu einer schadenstiftenden Bewegung bestimmt wird.

Hat der Hund

des Beklagten (im Verein mit der Katze) die Kuh erschreckt und zu der Be­ wegung veranlaßt, welche die Verletzung der Frau des Klägers bewirkte, so

ist sein (und der Katze) Tun kausal für diese Verletzung gewesen.

Der Fall

liegt nicht anders, als wenn durch das Zischen einer Lokomotive ein Pferd scheu gemacht wird und unter dem Einflüsse dieses Affekts eine Bewegung ausführt, die einen Menschen verletzt. Hier ist das Geräusch der Lokomotive kausal für die Verletzung des Menschen (IW. 1896 S. 305, EisenbahnE. 13 S. 156; Eger, Hastpflichtgesetz 5. Ausl. S. 129).

Diesem Geräusch steht vorliegend nach dem Begriffe des Kausalzusammenhangs das Bellen des

Hundes durchaus gleich und der Kausalzusammenhang begründet — bei dem

2. Tierhalter.

47

BGB. § 833.

Vorliegen der übrigen Voraussetzungen — die Haftung des Tierhalters wie

im andern Falle die Haftung des Eisenbahnunternehmers. Das Tun seines Hundes ist auch als ein willkürliches zu betrachten.... Selbst wenn die — notorisch die Regel bildende — heftige Abneigung des Hundes

gegen das Katzengeschlecht auch bei dem Hunde des Beklagten vorhanden war, so fehlt es doch an jedem Anhaltspunkt dafür, daß der Hund durch das Erscheinen der Katze in einen Zustand des Zwanges versetzt worden sei, in dem er gar

nichts anderes habe tun können, als mit lautem Gebell auf die Katze loszu­ stürmen.

Wenn man mit Recht im Anwendungsgebiete des § 833 dem Tiere

einen Willen in gewissem Sinne zuerkennt, so ist als Betätigung dieses Willens jedes Tun des Tieres zu betrachten, bei dem es, wenn auch unter

dem Einfluß eines noch so heftigen Affekts stehend, dennoch die Wahl hatte, so oder anders zu handeln. In diesem Sinne hatte der Hund des Beklagten die Wahl, zu bellen und die Katze zu verfolgen oder nicht, und es war sein

Angriff auf die Katze ein selbständiges willkürliches Tun. Es bedarf nach dem Vorstehenden keiner Ausführung, daß auch bei der Katze, als sie aus Furcht vor dem Angriffe des Hundes davonlief, und bei der Kuh, als sie durch das Auftreten des Hundes und der Katze erschreckt ausschlug, kein

„mit unwiderstehlicher Gewalt hereinbrechendes Ereignis" im Spiele war, dem die Wirkung zukommen würde, ein selbständiges Verhalten der Katze und der Kuh auszuschließen. Diese Erwägungen führen zu der Feststellung, daß das Verhalten des

Hundes, der Katze und der Kuh verschiedene Ursachen bildet, deren Zusammen­ wirken die Verletzung herbeigeführt hat.

Aus diesem Zusammenwirken folgt,

daß der Beklagte nur zu T[8 für den Schaden zu haften habe. Es unterliegt

zunächst keinem Zweifel, daß auch in der Person des Klägers, welcher der Halter der Kuh und der Katze ist, die Voraussetzungen des § 833 vorliegen.

Er haftet seiner Frau für den durch diese Tiere bewirkten Schaden und es gehen die Parteien mit Recht davon aus, daß das zwischen den Ehegatten

bestehende Güterrechtsverhältnis auf den Grund und Umfang dieser Haftung an sich ohne Einfluß ist. Das BGB. trifft nun keine besondere Bestimmung für den Fall, daß mehrere von verschiedenen Personen gehaltene Tiere zur

Entstehung eines Schadens zusammenwirken.

Daß jede dieser Personen an

sich haftbar ist, kann nicht bezweifelt werden.

Dagegen sind Zweifel möglich

in betreff des Umfangs und der Verteilung ihrer Haftpflicht.

In der Literatur

und Rechtsprechung sind zwei widersprechende Ansichten vertreten.

Nach der

einen haften die mehreren Tierhalter von vornherein zu gleichen Teilen gemäß

§ 410 (Dernburg 2 § 396 S. 649; Jsay in Jherings I. 39 S. 319).

Die

andere und überwiegende Ansicht, der jetzt auch das RG. (Entsch. 60 S. 315)

beigetreten ist, läßt die mehreren Tierhalter gemäß §§ 830, 8401 als Gesamt­ schuldner haften.

Dabei hat aber im Verhältnis der Tierhalter untereinander

eine Ausgleichung der Haftung nach §426 einzutreten (Planck §833 Am». 2c; Strome, System §§ 336 I3, 338; Scherer, BGB. 1903 S. 289, OLG 5

S. 250; Sörgel 1902 S. 114). Die Streitfrage bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung. Entweder teilt sich der Beklagte von vornherein mit dem Kläger in die Haftung gemäß § 420 und haftet schon aus diesem Grunde

nur für 1/a. Oder aber war ursprünglich seine Haftung als Gesamtschuldner begründet.

Dann hat er das gemäß § 426 ihm zweifellos gegen den Kläger

zustehende Ausgleichungsrecht durch seine im Prozeß abgegebene Erklärung

in zulässiger Weise ausgeübt und zwar mit der Wirkung, daß er nur zu 1/3 ersatzpflichtig ist.

Hierbei geht das Gericht von der Auffassung aus, daß die

Haftung für den durch mehrere Tiere mehrerer Tierhalter verursachten Schaden

sich nicht nach den Köpfen der Tierhalter, sondern nach der Zahl der von jedem gehaltenen Tiere verteilt, daß also vorliegend, da der Kläger zwei, der

Beklagte eines der schadenstiftenden Tiere gehalten hat, der Kläger 2/3, der Beklagte ’/3 zu ersetzen hat.

Wären die drei Tiere von drei verschiedenen

Personen gehalten gewesen, so hätte der Beklagte zweifellos nur ’/3 zu tragen gehabt, und es liegt kein Grund vor, ihn deshalb ungünstiger zu behandeln, weil

zwei der Tiere von derselben Person, dem Kläger, gehalten wurden....

H.

/) OLG. Hamburg, IV. ZS. Urteil v. 5. November 1906. Vorliegend hat nicht der Hund des Beklagten das Rad des Klägers durch einen dagegen gemachten Sprung umgestoßen, vielmehr ist der Kläger gefallen, weil er bei dem Versuche, dem Hunde einen Tritt zu versetzen, das Gleichgewicht verlor.

Hiernach ist die Verletzung des Klägers durch den

Hund des Beklagten verursacht; denn für die Kausalität ist nicht erforderlich, daß die Verletzung unmittelbar vom Tiere zugefügt ist, es genügt vielmehr,

daß dessen Verhalten sie mittelbar verursacht. Der Kläger konnte, ohne daß ihm der Vorwurf zu großer Ängstlichkeit zu machen wäre, als der ziemlich große Hund mit lautem Gebell ihm nachsetzte und neben seinem Rade her­ sprang, wohl besorgen, daß der Hund ihm ins Bein zu beißen trachte.

Daß

er, sich gefährdet wähnend, eine Abwehrbewegung mit dem Fuße machte, ist

daher erklärlich und durch den Hund hervorgerufen. Diese Bewegung hat den Sturz mit dem Rad und in weiterer Folge den Daumenbruch des Klägers nach sich gezogen, so daß die Ursächlichkeit des Verhaltens des Hundes für Offenbar hat aber der Kläger in unüberlegter und daher ungeschickter Weise die Abwehr versucht. Wenn er sein Rad so beherrschte, wie es von demjenigen zu fordern ist, der städtische die Verletzung nicht bezweifelt werden kann.

Straßen befährt, so hätte er bei einiger Ruhe die auf das Verscheuchen des

Hundes abzielende Fußbewegung so ausführen können, daß er das Gleich­

gewicht nicht dabei verlor.

Daß der Sturz die Folge war, kann nur darauf

zurückgeführt werden, daß der Kläger mit unbedachter Heftigkeit den Fußtritt versucht hat. Dieser Umstand aber, daß also er sich unter Außerachtsetzung der Vorsicht, welche ihm der Sitz auf dem Rade gebot, hinreißen ließ, den

Tritt so auszuführen, daß seine eigene Sicherheit gefährdet wurde, gereicht dem Kläger zum Verschulden. Deshalb erschien es gemäß § 254 geboten, die Haftung des Beklagten auf die Hälfte des Schadens einzuschränken. M. M.

2. Tierhalter.

8) OLG. Colmar, I. ZS.

BGB. § 883.

Urteil v. 12. Januar 1906.

... Während der Kläger auf dem Bocke neben dem Beklagten saß, schlug dessen Pferd infolge von Mückenstichen nach hinten aus, so daß der Kläger auf die Straße fiel. Von einem unwiderstehlichen Zwange wird bei so ge­

wöhnlichen Vorkommnissen von Belästigung durch Mücken im Sommer nicht gesprochen werden können, sondern nur bei „Einwirkungen außergewöhnlicher Art, durch welche das tierische Tun überhaupt ausgeschaltet wird" (IW. 1905 S. 392, Entsch. des RG. 54 S. 73).

Auch liegt der Beweis für den Aus­

nahmefall, daß das Pferd lediglich einem unwiderstehlichen Zwange gefolgt sei, was zum mindesten voraussetzen würde, daß die Belästigung über alles gewöhnliche Maß hinausgegangen ist, dem Beklagten ob. Ein Dienstverhältnis bestand zwischen den Parteien nicht, vielmehr hat der Beklagte dem Kläger nur aus Vergünstigung das Mitfahren erlaubt. Nun vertritt Blume („Recht"

1905 S. 481) die Ansicht, daß der Tierhalter, der einen anderen in seinen Wagen aufnimmt, sei es auf Grund eines Prefecarium, eines Dienstvertrags

oder eines anderen Rechtsverhältnisses, für unverschuldete Beschädigung durch „Wer auf Grund eines Rechtsverhältnisses zu einem Tiere in eine tatsächliche Beziehung tritt, die für ihn eine besondere Tiergefahr begründet, kann, wenn diese Gefahr verwirklicht wird, beti Tier­ das Zugtier nicht haftet.

halter nicht auf Grund der allgemeinen Gefährdungshastung, sondern nur auf Grund der besonderen Regelung des betreffenden Rechtsverhältnisses in Anspruch nehmen." Diese Ansicht findet in solcher Allgemeinheit im Gesetze keine ausreichende Stütze. Der § 833 erklärt den Tierhalter schlechthin für verantwortlich und deutet nicht an, daß dies nicht gelten soll, sobald der

Verletzte zum Tierhalter im Vertragsverhältnisse steht, das ihn in eine tat­ sächliche Beziehung zu dem Tiere bringt. Eine solche Annahme würde dazu führen, daß der mit der Wartung beauftragte Knecht, wenn er ohne eigenes

Verschulden vom Tiere verletzt wird, nur in dem Falle seinen Dienstherrn belangen könnte, wenn diesem selbst die Versäumnis einer Vertragspflicht zur Last fiele. Er würde also ungünstiger als jeder Dritte gestellt sein. Dieses Ergebnis widerspricht der Tendenz des Gesetzes, welche dahin geht, die dem Dienstherrn gegen den Dienstpflichtigen obliegenden Verpflichtungen zu steigern, nicht sie zu mindern (Gruchot 46 S. 642). Da anderseits die Haftung aus § 833 vertragsmäßig ausgeschlossen werden kann, muß im einzelnen Falle beurteilt werden, ob die Parteien diese Haftung haben aus­

schließen wollen....

Frdthl.

e) OLG. Cassel, II. ZS. Urteil v. 26. März 1906. Auf einer Spazierfahrt, zu der der Beklagte die Ehefrau des Klägers unentgeltlich mitgenommen hatte, ist das Pferd durchgegangen und die Frau

getötet worden.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist an sich begründet.

Denn es ist etwas durchaus Gewöhnliches, daß Pferde auf abschüssigem Wege

das Gewicht des Wagens ans sich wirken lassen müssen und dazu beitragen,

den Wagen nicht in eine zu rasche Bewegung LLGRIp. XIV.

kommen zu lassen. 4

Ein

2. Tierhalter.

50

BGB. § 833.

sonstiges äußeres Ereignis ist nicht mit unwiderstehlicher Gewalt über das

Pferd hereingebrqchen. Der Auffaffung des LG., daß diese Haftung vorliegend auf Grund

eines stillschweigenden Verzichts

kann nicht beigetreten

ausgeschlossen sei,

Selbst wenn man ein Vertragsoerhältnis zwischen der Frau des Klägers und dem Beklagten annehmen wollte, so wäre doch die weitere werden.

Annahme nicht begründet, wenn sie an die Möglichkeit eines Unfalls gedqcht hätten,

die gesetzliche Haftung des Beklagten

hätten ausschließen wollen,

zumal er gegen die Folgen von Unfällen versichert war.

Jedenfalls würde ein solcher Verzicht den hier erhobenen Ansprüchen nicht entgegenstehen. Ver­ zichten , konnte die Frau doch.nur auf ihre Ansprüche.

aber

nicht um Ansprüche des

Hier handelt es sich

unmittelbar Verletzten.

§ 8441 die Kosten der Beerdigung beanspruchen.

Dieser kann

nach

Wenn dies auch nicht

auf dem Gedanken beruht, daß ihm gegenüber eine selbständige unerlaubte

Handlung vorliege, es sich vielmehr um eine Nebenwirkung der gegen den unmittelbar Verletzten begangenen Handlung handelt, sv trägt doch im, übrigen der Anspruch einen selbständigen Charakter, wird also auch durch einen Verzicht des unmittelbar Verletzten nicht berührt.

Das gleiche gilt

von dem Ansprüche des Klägers auf Ersatz des Schadens, der ihm durch Entziehung der Dienste seiner Frau im Hauswesen erwachsen ist.

Die Haftung des Beklagten ist auch nicht auf Grund des von Blume

vertretenen rechtlichen Gesichtspunktes als ausgeschloffen anzusehen. Die mit der Beförderung verbundene Gefahr wird durch das Schuldverhältnis in ihren Rechtsfolgen nur insoweit besonders geregelt, als diese Gefahr auf der Tätigkeit des zur Beförderung Verpflichteten beruht oder mit ihr zusammen­ hängt. Der durch ein willkürliches Handeln des Tieres verursachte Schaden wird aber in seinen Rechtsfolgen durch das Vertragsverhältnis gerade nicht

geregelt, dieser Schaden steht ganz außerhalb des VertragsverhältniffeS und

der durch dieses gegebenen Regelung. Auch die vom Reichsgericht erörterten Fälle des Trainers und des Hufschmieds (Entsch. 58 Nr. 104, IW. 1905 S. 432) sprechen nicht gegen die hier vertretene Auffaffung.,

Dort tritt zwar

auch die Frage auf, ob durch das Bestehen eines VertragsverhältniffeS des

§ 833 ausgeschlossen wird, doch handelte es sich um den Anspruch dessen, der zur Erfüllung seiner Vertragspflichten Handlungen an oder mit dem Tiere vornehmen muß. Hier in solchen Fällen mag es nahe liegen, zu sagen, diese

Personen

hätten

die mit

der

Erfüllung

ihrer

Verpflichtung verbundene

Gefahr auf sich genommen, weil sie eben zur Erfüllung dieser Verpflichtung Handlungen mit oder an dem Tier vornehmen müssen, bei deren Vor­ nahme sie durch das Tier Schaden erleiden können. der Fall.

Das ist hier nicht

Fs.

£) OLG. Colmar, II. ZS. Urteil v. 14. März 1906. Der Hund, der den Kläger gehissen hat, gehörte einem Schuldner des Beklagten. Dieser hat den Hund pfänden, sich vom Gerichtsvollzieher den

Gewahrsam übertragen lassen und ihn sodann teils an der Leine geführt, teils frei im Hause und in der Wirtsstube umherlaufen lasten. Er hat den Hund nicht lediglich als Pfandstück verwahrt, sondern wie einen ihm gehörigen Haus­ hund behandelt, also den Gebrauch von dem Tiere gemacht, zu dem es

bestimmungsgemäß geeignet war, es in seiner Haushaltung seinen Zwecken dienstbar gemacht. Da der Hund auch der tatsächlichen Gewalt des Eigen­ tümers durch die Pfändung entzogen, und von dem Gerichtsvollzieher — der

das Tier für bissig hielt und sich deshalb nicht mit ihm befassen wollte —

dem Beklagten zur selbständigen Verwendung überlassen war, so muß der Beklagte als Tierhalter angesehen werden, wenn es sich auch um kein Ver­

hältnis von längerer Dauer gehandelt haben kann. (IW. 1906 S. 62"). Nach dem ärztlichen Gutachten hat der Kläger infolge der Bißwunde geraume Zeit hindurch so heftige Schmerzen erdulden müssen, daß die Zuerkennung einer Geldentschädigung hierfür der Billigkeit entspricht, auch wenn , die Ver­ antwortlichkeit des Beklagten nur auf seiner Eigenschaft als Tierhalter beruht. Es fragt sich aber, ob überhaupt der § 847 auf Fälle der Haftung ahne

eigenes Verschulden anwendbar ist. Unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte hat sich das OLG. Hamburg (Rsp. 12 S. 120) für eine derartige Beschränkung

des § 847 ausgesprochen.

Im Gesetze selbst ist aber eine so entscheidende

Durchbrechung der in klaren Worten ausgesprochenen Vorschrift, daß „im Falle

der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit" der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige „Entschädigung in Geld" verlangen könne, nicht zum Ausdruck gelangt. Nach ihrer Stellung in dem Titel, der auch die Fälle umfaßt, in denen ohne Schuld oder für

fremde Schuld gehaftet wird, bezieht sich die Vorschrift vielmehr auch auf diese, besonders auf die Haftung des Tierhalters; innere Gründe sprechen nicht dagegen....

#

Frdthl.

OLG. Cassel, II. ZS,

Urteil v. 22. November 1906.

Ein vor einen Wagen gespanntes, auf der Dorfstraße stehendes Pferd war von einem

über die Straße gespannten Telephondraht- der gerissen

und herabgefallen war, getroffen worden und, hierdurch erschreckt, mit dem

Wagen fortgelaufen.

Dabei hatte es an einem. Haufe Schaden angerichtet. Wenn

Es handelt sich hierbei um einen unter § 833 gehörenden Fall.

ein Pferd dadurch, daß ein Gegenstand darauf fällt, erschreckt, scheu wird und wegläust, so liegt hierin gerade ein tierisches Tun, ein Ausfluß seines

tierischen Mutes. Bei den aus dem Anwendungsgebiet der § 833 auszu­ scheidenden Fällen, in denen das Tier unter einem unwiderstehlichen physio­

logischen Zwange Bewegungen vollzieht und Schaden anrichtet, muß es sich um solche Einwirkungen handeln, durch welche das tierische Tun überhaupt

ausgeschaltet wird, so daß ein Tun, eine willkürliche Bewegung des Tieres überhaupt nicht vorliegt, wie es z. B. beim Zusammenbrechen eines Tieres unter der Wucht eines auf das Tier fallenden Gegenstandes der Fall ist

(IW. 1905 S. 392, 318).

Fs.

q) OLG. Colmar, IV. ZS.

Urteil v. 22. November 1906.

... Der Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Tieres und dem Schaden wird dann ausgeschlossen, wenn keine „willkürliche Handlung" des Tieres den schädigenden Erfolg herbeigeführt hat, sondern es bei seinem Tun lediglich der Lenkung durch einen Menschen folgt, wie das bei den vor einen

Wagen gespannten Pferden in der Regel der Fall ist.

Dann ist das Tier

nur das Werkzeug in der Hand des Kutschers und dieser der Urheber (die

Ursache) des durch die Bewegung des Tieres entstehenden schädigenden Er­

folges. Dies trifft dagegen nicht zu — es tritt daher der ursächliche Zu­ sammenhang wieder in Kraft —, wenn ausnahmsweise das Pferd, obwohl es vor den Wagen gespannt ist, dennoch bei Zufügung des Schadens nicht der Lenkung des Kutschers gefolgt ist, also namentlich wenn der Kutscher die

Herrschaft über die Zügel verloren hat, sei es, daß das Pferd durchgegangen

oder daß der Kutscher eingeschlafen und dadurch das Pferd führerlos ge­ worden ist. In letzterem Falle liegt aber eine willkürliche Handlung des Pferdes wiederum nicht vor, wenn es, obwohl der Kutscher die Herrschaft über die Zügel verloren hatte, lediglich in der ihm vom Kutscher gegebenen

Richtung und dem von ihm angewiesenen Tempo sich weiter sortbewegt hat, oder wenn es, falls es die Richtung verändert hat, dazu durch eine etwaige

unbewußte Zügelbewegung des schlafenden Kutschers veranlaßt worden ist Frdthl.

(IW. 1905 S. 174/75; „Recht" 9 S. 17 Nr. 48).__

1) Ablösung des Schutzblechs einer Jalousie sowie eines Torflügels. «) OLG. Karlsruhe, I. ZS. Urteil v. 4. Juli 1906. Ein vom Sturm losgeriffenes Jalousiestück ist dem Kläger auf dem Weg zum Eingang in das Bahnhofsgebäude von einem Fenster der daselbst im Oberstock befindlichen Wohnung auf den Kopf gefallen. Seine Schadens­ ersatzklage wurde abgewiesen. Gründe: , Aus § 836 folgt der allgemeine Grundsatz, daß ein jeder auch für die Beschädigungen durch seine Sachen insoweit aufzukommen hat, als er sie bei

billiger Rücksichtnahme auf die Jntereffen des anderen hätte verhüten müssen Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Be­

(vgl. Entsch. des RG. 54 S. 58).

sitzer zur Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt be­ obachtet hat. Vorliegend ist 1901 die Rundbogengalerie an der Unfallstelle in der handwerksüblichen Weise mittels vier Blechstreifen, welche in vier in

das Steingewände eingelassene Holzdübel angenagelt wurden, befestigt worden; das Rundbogenstück, welches den Zweck hatte, den oberen Teil der Bogenöffnung

des Fensters abzuschließen, und immer fest geschlossen zu bleiben hatte, konnte nicht anders befestigt werden; außerdem war es noch an dem Oberteil des Jalousieladens angeschraubt oder angenagelt. Das Gebäude wurde im Herbst 1901 und 1903 nachgesehen. Es hätte bald auffallen müssen, wenn Mängel der Unterhaltung an der Lockerung schuld gewesen wären....

Hiernach kann

es keinem Zweifel unterliegen, daß das Rundbogenstück von dem stürmischen Wind mit großer Heftigkeit und Plötzlichkeit aus seiner Befestigung gelöst

und herabgeworfen worden ist, daß also die Ursache des Unfalls lediglich

in dem Sturm zu suchen ist.

Der Beklagte hat seinerseits sowohl hinsicht­

lich der Befestigung des Stücks, wie hinsichtlich der Bauunterhaltung die im

Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet.

Es gereicht ihm auch nicht zum Ver­

schulden, wenn er nicht ein noch höheres Maß von Vorsicht angewendet hat. Ebensowenig liegt ein Verschulden darin, daß das Klappem des Jalousie­ stücks nicht von dem Inhaber der Wohnung, von seinen Leuten oder von An­ gestellten der Bahn wahrgenommen wurde.

/?) Kammergericht, XV. ZS.

Dr. E.r. Urteil v. 23. Februar 1906.

Immer trifft die Beklagte insofern ein Verschulden, als sie seit der im

Oktober 1903 erfolgten Befestigung des Torflügels merken mußte, daß das

eiserne Band beim Schließen des Tores auf Druck in Anspruch genommen wurde, also einer Hebelwirkung ausgesetzt war. Es konnte der Einsicht keines verständigen Menschen entgehen, daß die in so verstärkter Weise die Halt­ barkeit des Bandes in Anspruch nehmende Last des Torflügels die Gefahr eines Bruches des Bandes oder der Ablösung von seiner Befestigung herbei­

führten. Sorgte trotzdem die Beklagte nicht für Beseitigung des Druckes, so machte sie sich haftbar für einen Unfall, dessen Ursache in diesem mangel­ haften Zustande zu finden ist. Gesetzlich angeordnet wird die Haftbarkeit des Beklagten durch § 836.

Die Mauer mit dem daran befestigten Tor­

flügel bildete ein mit einem Grundstück verbundenes Werk, und durch Ab­ lösung eines Teiles dieses Werkes, nämlich des Torflügels, wurde der Kläger W. n.

verletzt.

m) Beglaubigung von Ouittungsuntcrschrtfteu. OLG. Naumburg, II. ZS.

Urteil v. 10. November 1905.

Der Beklagte hat als Vorsteher eines Polizeireviers die Unterschrift

unter einer gefälschten Quittung als echt bescheinigt, und zwar auf Grund einer Legitimationsprüfung des Quittungsvorlegers L., die ein dem Beklagten als Arbeitshilfe zugewiesener Schutzmann vorgenommen hatte. Eine etwaige Haftpflicht des Beklagten kann nur aus dem § 823 ff. konstruiert werden. Insbesondere hat hier der § 278 auszuscheiden, da Beklagter nicht Vertrags­

schuldner der Klägerin (Berufsgenossenschaft) ist, auch der den § 278 aus­ drücklich für anwendbar erklärende § 664 hier nicht in Betracht kommt, weil das Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Staat öffentlich-rechtlicher Natur ist und daher dem § 664 nicht unterfällt. Da der Beklagte nicht vorsätzlich seine Amtspflichten verletzt hat, so haftet er für etwaige Fahr­

lässigkeit gemäß § 839 Satz 2 nur, „wenn der Beschädigte nicht auf andere

Weise Ersatz zu erlangen vermag". Hierbei muß allerdings die etwaige Haftung des Schutzmanns L, weil gemäß § 840 den Beklagten nicht befreiend, Wird aber auch davon ausgegangen, daß Klägerin auf andere Weise als durch Heranziehung des Beklagten bzw. des L. nicht Ersatz erlangen

ausscheiden.

kann, so ist dennoch der erhobene Klaganspruch unbegründet.

Zwar ist zweifellos falsch beglaubigt, und Beklagter hätte nach § 831

Satz 1 an sich, indem er zu der ihm obliegenden Jdentitätsprüfung den L.

bestellte, den von L. in Ausführung dieser Verrichtung zugesügten Schaden zu ersetzen. Aber diese Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beklagte bei Auswahl des L. und bei Leitung der dem L. übertragenen Verrichtungen die

im Verkehre erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Dieser Nachweis ist er­ bracht. ... Beklagter hat zur Vorprüfung und zum Entwurf des Beglaubigungs­

vermerks einen lange Jahre als Revierschreiber tätig gewesenen, also im all­ gemeinen als zum Bureaudienst besonders geeignet und als erprobt geltenden Schutzmann gewählt. Aber er hat auch bei Leitung der Verrichtungen des

L., soweit sie Vorprüfung und Entwurf des Beglaubigungsvermerks betreffen, die Sorgfalt beobachtet. L. hat nämlich stets zunächst, wenn der Erschienene die Quittung unterzeichnet mitbrachte, ihn seine Unterschrift auf einem Blatt

Papier wiederholen lassen und dann eine Vergleichung beider Unterschriften vorgenommen, andernfalls die Unterschrift vor sich fertigen lassen.

Sodann hat er die örtliche Zuständigkeit seines Reviers sestgestellt und demnächst sich eine Legitimation, meistens die Rentenanweisung, vorlegen lassen, um die

Identität des Erschienenen mit dem Rentenempfänger sestzustellen, sowie regel­

mäßig genau geprüft, ob die Höhe der Rente mit der Quittung überein­

stimme, und die Namen stimmten. Allerdings waren gemäß der Vorschrift des Kommandos der Schutzmannschaft zweifelhafte Fälle dem Reviervorsteher vorzutragen. Allein der vorliegende Fall konnte dem L. in der Form, wie er an ihn herantrat, als zweifelhaft nicht erscheinen, und daher selbst bei regelmäßiger Beachtung der genannten Vorschrift nicht zum vorgängigen Vortrag führen. Dies selbst dann nicht, wenn davon ausgegangen wird, daß bei vorgängiger Einschärfung jener Vorschrift von feiten des Beklagten an seine Unterbeamten deren regelmäßige Aufmerksamkeit bei den Legitimations­

prüfungen erhöht wurde.

S.

n) Boraussrhbarkcit des tödlichen Erfolgs. OLG. Karlsruhe, I. ZS. Urteil v. 24. Oktober 1906. Beklagter hat sich durch den dem X. versetzten Schlag einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Körperverletzung schuldig gemacht.

Selbst unter der Voraus­

setzung, daß dieser Schlag im Sinne des Gesetzes als die Ursache des Todes

des 3E. anzusehen ist, führen andere Erwägungen zur Abweisung der Klage. Der Beklagte hat bei dem in der Aufregung ausgeführten mäßig starken Schlage ins Gesicht, sei es auf die rechte Wange, weder vorausgesehen, noch voraus­

sehen können, es würde der Schlag den Tod des Getroffenen zur Folge haben. Es war, auch für einen vorsichtigen Menschen, nicht zu erwarten, daß 3E. in­ folge des Schlags umfallen werde, noch weniger, daß sein Sturz die tödlichen

Verletzungen mit sich bringen werde. Auch die Möglichkeit, daß der Schlag direkt eine Blutung im Gehirn herbeiführen könne, setzt eine abnormale Beschaffenheit des Schädels oder Gehirns des Verletzten voraus, welche der

Beklagte nicht voraussehen konnte.

Nun ist zwar in der Literatur die Ansicht

zahlreich vertreten, daß zum Tatbestände der §§ 844, 823 nicht gehört, daß

2. Unerlaubte Handlungen.

BGB. §§ 842.847.

der tödliche Erfolg vorauszusehen war (Planck § 844;

55

Cosack § 165 I;

Oertmann § 844; Crome 2 S. 1088 N. 64); beizutreten war indessen der gegenteiligen Meinung, welche hauptsächlich von Liszt, Deliktsoblig. S. 29;

Neumann und Staudinger zu § 844 vertreten wird. Denn mit der Mehr­ heit der zweiten Kommission ist es für ungerecht zu erachten, den Täter im Falle des § 226 StrGB. auch dann nach den Vorschriften über die Ersatz­ pflicht wegen Tötung hasten zu lassen, wenn ihm die Herbeiführung des Todes nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen ist.

Dr. E.r.

o) Ansprüche der Kinder im Falle des ß 176' StrGB. OLG. Karlsruhe, I. ZS.

Urteil v. 23. Juni 1906.

Der Beklagte hat sich des Verbrechens des § 176 Nr. 3 StrGB. an

der Klägerin schuldig gemacht.

Er ist daher nach § 842 verpflichtet, ihr

auch die Nachteile zu ersetzen, welche seine Handlung für ihr Fortkommen

nach

menschlicher Wahrscheinlichkeit in

der Zukunft haben kann.

Dieser

Schaden kann aber sehr wohl darin bestehen, daß hierdurch ihre Verheiratung

oder ihr Unterkommen als Lehrerin, Erzieherin u. dgl. erheblich erschwert wird, und er ist daher hier zu berücksichtigen, auch wenn er noch nicht perfekt

geworden ist und noch nicht ziffermäßig nachgewiesen werden kann (Planck § 842 Note 2, 3).

Ferner darf die Klägerin eine billige Entschädigung in

Geld für denjenigen ihr aus der Tat erwachsenen Schaden verlangen, der nicht Vermögensschaden ist (§ 847). Hierher gehört die ihr zugesügte moralische

Schädigung, die Kränkung ihrer Ehre und ihres sittlichen Empfindens, die Schädigung ihres guten Rufes und der Folgen, die sich für sie daraus ergeben

haben und ergeben können. Der Einwand, die Ansprüche könnten nur er­ wachsene Frauenspersonen erheben ist gegenüber dem § 842 unhaltbar, weil jener Anspruch nach dem Wortlaute des Gesetzes einer jeden Person zusteht,

gegen welche sich die unerlaubte Handlung richtet, und dazu gehören auch Kinder (Colmar, „Recht" 8 S. 529). Daß unter § 847 auch das Verbrechen nach § 176 Nr. 3 StrGB. fällt, ist u. a. ausdrücklich bei Staudinger

und Haidlen bemerkt, es ergibt sich auch ohne weiteres aus dem Zweck des § 847, in welchem „Frauensperson" nichts anderes bedeutet, als „Person weiblichen Geschlechts". Ursprünglich lautete der jetzige § 8472 im I. Ent­ wurf (§ 728): „Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende Anwendung zugunsten der Frau, gegen welche durch Vollziehung des Beischlafs eine der in den §§ 176, 177, 179, 182 StrGB. bezeichneten strafbaren Hand­

lungen begangen ist."

Nach den Protok. (S. 2854) wurde die Redaktions­

kommission ermächtigt, statt des Wortes Frau eine andere Bezeichnung zu wählen, um erkennbar zu machen, daß nicht bloß verheiratete Frauen gemeint

seien, und es wurde dann das Wort „Frauensperson" gewählt. Aus diesem Vorgang kann aber für die endgültige Bestimmung des § 8472 mit ihrem wesentlich anderen Inhalte nicht gefolgert werden, daß nur erwachsene Frauens­

personen darunter fallen sollten. Da ferner nicht eine Rente, sondern Schadensersatz gefordert wird, dessen

2. Unerlaubte Handlungen.

56

BGB. §§ 823 ff.

Feststellung nach Grund und Betrag nach den allgemeinen Regeln erfolgt, ist der Klaganspruch nicht durch die Voraussetzung bedingt, daß der Beklagte Vermögen besitzt, wenn auch sein Vermögensstand bei der Bemessung des Umfangs der billigen Geldentschädigung des § 847 und beim Schadens­

ersatzanspruch nach § 842 zu berücksichtigen ist.

Dr. E.r.

p) SchadenSersatzansprnch deS Dritten aus dem z« seinen Gunsten geschlossene« vertrage. OLG. Bamberg, I. ZS.

Urteil v. 7. Dezember 1906.

Die Firma X. in New Jork übertrug im August 1900 den Alleinver­

kauf der von ihr fabrizierten Maschinen in Süddeutschland für das Ernte­ jahr 1900/1 dem Kläger und im September 1900 den Alleinverkauf dieser Maschinen für mehrere Jahre in ganz Deutschland dem Beklagten, der sich dabei verpflichtete, während des Jahres 1900/1 in das dem Kläger vor­ behaltene Gebiet Maschinen nicht zu verkaufen. Die Klage auf Schadens­

ersatz wegen Verletzung dieser Verpflichtung ist begründet.

Die Voraus­

setzungen eines Vertrags zugunsten eines Dritten sind gegeben. Nach § 328 sind obligatorische Verträge mit der Wirkung, daß der Dritte unmittelbar ein Recht aus dem Vertrage erwirbt, allgemein zulässig; erforderlich ist nur ein obligatorischer Vertrag, d. h. ein solcher, durch den eine Leistung, die in einem Tun oder Unterlassen bestehen kann, vereinbart wird.

Die unmittelbare Be­

rechtigung des Dritten aus dem Vertrage kann ausdrücklich von den Kontra­

henten bedungen werden, aber es kann auch diese Absicht der Vertragsteile stillschweigend durch schlüssige Handlung geoffenbart werden. Aber selbst wenn weder ausdrücklich noch stillschweigend eine besondere Bestimmung vorliegt, so ist aus den Umständen, besonder- aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben soll. Es ist zu beurteilen, ob die unmittelbare Berechtigung dem Sinne des Vertrags, d. h. dem ent­ spricht, was die Parteien nach den Umständen des Falles gewollt haben würden, wenn sie beim Vertragsabschlüsse sich die Frage vorgelegt hätten. Einen besonderen Anhaltspunkt gewährt der Zweck des Vertrags, die wirt­ schaftliche Bedeutung desselben für den Dritten. In der Regel sind solche Verträge, die eine Fürsorge für den Dritten enthalten, dahin auszulegen, daß der

Dritte

das Recht unmittelbar

erwerben sollte (Staudinger § 328

Note 1, 2 ab; Planck § 328 Note 1). Hier besteht keine ausdrückliche oder stillschweigende Bestimmung über das unmittelbare Recht des Klägers; aber dieses geht aus den Umständen und dem Zwecke des Vertrags hervor.

Die

vereinbarte Leistung sollte in einer Unterlassung bestehen: der Beklagte sollte

im Jahre 1900/1 das klägerische Gebiet beim Verkauf der Maschinen ver­ schonen.

Die Firma X. hatte dem Kläger gegenüber die Verpflichtung über­

nommen, jede Konkurrenz mit den fraglichen Maschinen in dessen Gebiete

durch andere Agenten, soviel ihr möglich, hintanzuhalten; sie schloß zu diesem Zwecke mit dem Beklagten, welchem die Generalvertretung für ganz Deutsch­

land übertragen war, den Nebenvertrag über die Schonung des klägerischen

Bezirks ab; sie wollte dadurch den Kläger gegen den Beklagten sicherstellen und würde, da sie wegen der weiten Entfernung ihrer Handelsniederlassung

von Deutschland eine Kontrolle nicht wohl ausüben konnte, gewiß in dem Vertrage das unmittelbare Recht für den Kläger ausbedungen haben, wegen Vertragsverletzungen vorgehen zu dürfen, wenn beim Abschluß des Vertrags an diese Möglichkeit gedacht worden wäre. Auch der Beklagte würde beim

Vertragsschluß, da er damals zu dessen Einhaltung noch fest entschlossen war, keinen Grund gehabt haben, eine besondere Bestimmung über die un­ mittelbare Berechtigung des Klägers aus dem Vertrage abzulehnen, wenn daran gedacht worden wäre. Der Zweck des Vertrags war ausschließlich eine Fürsorge für den Kläger; es liegt also ein Vertrag zu dessen Gunsten

Wollte man aber dies nicht annehmen, so wäre doch ein Anspruch des

vor.

Klägers auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung nach § 8231 be­

gründet; denn zu den daselbst aufgeführten sonstigen Rechten gehört auch

Störungen oder Beeinträchtigungen,

die Ausübung des Gewerbebetriebs.

welche sich unmittelbar gegen den Gewerbebetrieb richten, fallen sohin unter

§ 823.

Der Beklagte wußte, daß er im Jahre 1900/1 kein Recht zum Ge­

werbebetriebe im klägerischen Gebiete habe; er übte daher, sei es vorsätzlich oder fahrlässig, eine unerlaubte Konkurrenz gegen den Kläger; dies war eine schuldhafte Störung des klägerischen Rechts.

also auch außervertraglich begründet.

Der Schadensersatzanspruch ist

Da hier eine an sich rechtswidrige,

schon dem § 823 unterstehende Handlung vorliegt, greift die weiter vom Kläger geltend gemachte Haftung wegen unsittlicher Schadenszufügung aus

§ 826 BGB. nicht Platz (Oertmann, a. O. § 826 Note 2b, 3).

Sch.

q) Einfluss einer Krankheitsanlage des verletzten. OLG. Cassel, II. ZS. Urteil v. 22. November 1906. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist infolge eines Unfalls, für dessen Folgen der Beklagte aufzukommen hat, um 50% gemindert. Die infolge des Unfalls eingetretenen Eiterungen am Oberschenkel führt der Beklagte darauf zurück, daß der Kläger vor 10 Jahren an Tuberkulose litt und daß

die Krankheitsanlage noch vorhanden sei.

Er ist aber seit 10 Jahren nach

zweimaliger tuberkulöser Erkrankung geheilt und vollständig arbeitsfähig ge­

wesen.

Deshalb kann dies wirtschaftlich und rechtlich nicht mehr als Ursache

der jetzt vorhandenen Arbeitsbeeinträchtigung in Betracht kommen.

Wenn

auf Grund einer in einem Jahrzehnt betätigten Erfahrung etwas als unschäd­

lich sich erwiesen hat, dann ist einer ärztlichen Auffassung beizutreten, die sich nicht dazu verstehen kann, jenen Umstand aus allgemeiner theoretischer

Erwägung als Schadensursache anzusehen.

Es soll nicht verkannt werden,

daß eine Anlage zur Krankheit als Ursache einer Schädigung oder doch als mitwirkende Ursache unter Umständen rechtlich selbst dann in Betracht kommen

kann, wenn sie zunächst keine Wirkung ausgeübt hatte und dies nur durch Hinzukommen eines Unfalls vermocht hat. Allein ein Fall kann auch so

liegen, daß jene Anlage nach den Erfahrungen der Wissenschaft und des

Lebens jede Bedeutung verloren hat.

Der einzelne Fall kann so geartet, die Anlage zur Erkrankung kann so schwach sein, daß sie nur als allgemeine Krankheitsmöglichkeit anzusehen ist, wie deren unzählige jedes Leben bedrohen.

Dies ist vorliegend erwiesen.

Wenn sie so lange dem Kläger ohne Schaden

innegewohnt, wenn sie sich nach zweimaligem Ausbruch nicht wiederholt hat, dann aber infolge des Unfalls Schäden verursacht hat, dann ist anzunehmen, daß nur durch den Unfall dieser Schaden aus ihr heraus bewirkt worden ist,

ohne den Unfall aber der Kläger auch weiter wie bisher unbeschränkt arbeits­ fähig geblieben wäre. Dann bleibt aber der Unfall allein die Ursache jener Schädigungen und der dadurch herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit des

Klägers.

Fs.

r) Erwerb eines Rechts gegen § 826 BGB. Kammergericht, XIV. ZS. Urteil v. 10. Dezember 1906.

Der Erwerb eines dinglichen Rechts wird zwar nicht dadurch gehindert,

daß der Erwerber den persönlichen Anspruch eines anderen auf Einräumung eines entgegenstehenden Rechts kennt. Durch diesen Grundsatz wird aber nicht die Verantwortung des Erwerbers aus § 826 beseitigt (Entsch. des RG. 62 S. 137). Für § 826 genügt der Vorsatz, d. h. der auf die Handlung ge­ richtete Wille des Handelnden, verbunden mit dem Bewußtsein, daß durch

die Handlung eine Schädigung des anderen eintrete (Entsch. des RG. vom 28. Februar 1992 II 406/01, 58 S. 214; 62 S. 139). Gegen die guten Sitten verstößt ein nach den Vorschriften des Sachenrechts wirksamer Rechts­ erwerb jedenfalls dann, wenn ein komplottmäßiges Zusammenwirken statt­

findet zu dem Zwecke, das Recht des Gläubigers zu vereiteln.

Es genügt

dabei das Bewußtsein, daß der Gläubiger bei der Mittellosigkeit des Schuld­

ners nicht nur das ihm zugesicherte dingliche Recht nicht erlangen, sondern auch sonst in seinem Vermögen Schaden leiden werde. Das trifft hier zu, wo der Schuldner gerade wegen des schon erhobenen Anspruchs einem an­ deren, der die Sachlage kennt, ein dem Rechte des Gläubigers zuwider­ laufendes dingliches Recht bestellt, das zu bestellen er wirtschaftlich keinen Anlaß hatte. Dr. S. s)

Haftung des Auftraggebers für Anfall. OLG. Stuttgart, II. ZS.

Urteil v. 23. Dezember 1906.

Der Kläger, der anläßlich einer Festlichkeit des beklagten Kriegervereins im Auftrag des Vorstands dieses Vereins das Salutschießen aus einer kleinen.

Kanone besorgt hatte, ist bei diesem Schießen durch Platzen der Kanone ver­ letzt worden....

Daß der Auftraggeber für zufällige Schäden wie für An­

wendungen haftbar sei, wird zwar von mehreren Schriftstellern behauptet, aber die herrschende Meinung war dies weder im gemeinen Recht, noch ist sie dies jetzt (vgl. Ortmann § 670 S. 705; Brückmann, Geschäftsführer S. 193; Böcke! in civ. Arch. 96 S. 378, 387).

Bei den Beratungen der

2. Komm, wurde ein dahingehender Antrag abgelehnt (vgl. Planck § 670 Rote 3; Brückmann S. 190). Nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes und

der Auffassung des täglichen Lebens fallen Schäden nicht unter den Begriff der Aufwendung, sie können daher nicht ohne eine ausdrücklich dahingehende

Bestimmung unter § 670 gebracht werden.

Für die Zulässigkeit einer aus­

dehnenden oder analogen Anwendung des § 670 fehlen Anhaltspunkte.

Das Bedürfnis für einen solchen Rechtssatz ist nicht anzuerkentten: der Beauftragte

kann sich die Haftung für solche Schäden vertragsmäßig ausbedingen oder oberes wird unter Umständen die Haftung als stillschweigend bedungen zu gelten

haben....

Letzterer Gesichtspunkt würde dann durchgreifen, wenn sich aus

dem Verhalten der Parteien ergeben würde, daß sie eine solche Haftung ge­

wollt haben, und dies würde dann anzunehmen sein, wenn die Gefährlichkeit

des zu übernehmenden Geschäfts ausdrücklich besprochen worden oder so in die Augen springend wäre, daß die Haftung nach Treu und Glauben des

Verkehrs als bedungen erscheinen müßte. Keines von beiden Momenten trifft zu.... Eine besonders dringende Gefahr, an welche die Beteiligten notwendig hätten denken müssen, ist nicht als gegeben anzuerkennen.

Ist ein Schieß­

werkzeug in gutem Stande und wird das Schießen sachgemäß gehandhabt, so ist keine größere Gefahr vorhanden, als sie überhaupt bei dem Verkehr

mit explosiven oder leicht entzündlichen Stoffen besteht.

Solche Stoffe werden

aber, wie die Erfahrung des täglichen Lebens zeigt, vielfach verwendet, ohne

daß ein Unfall vorkommt....

H.

t) Umfang der den Freigesprochencn ;n ersetzende» Vermögens­ schäden. OLG. Hamburg, III. ZS.

Urteil v. 27. Oktober 1906.

Nur die durch die Strafvollstreckung selbst entstandenen Vermögens­

schäden hat das Gesetz vom 20. Mai 1898 in wohlbewußter Beschränkung ersetzen wollen und, wie Romen Komm. § 2 S. 105 richtig hervorhebt, gehört alles, was nur als Folge der vorangehenden Verurteilung anzusehen ist, dazu nicht. Erst recht gehört aber dazu nicht, was Folge der Aufhebung der Strafhaft ist, also die mit einer Freilassung eines bisherigen Gefangenen immer erforderlich werdenden Aufwendungen für dessen Lebensunterhalt bis zum Wiederbeginn einer geordneten Tätigkeit oder wie hier die Kosten der vorläufigen Fürsorge für einen entlassenen Geisteskranken. Diese letzteren,

insoweit

sie höher

sind als

gewöhnliche

Unterhaltskosten, sind

ja

nicht

Folge der Strafvollstreckung, sondern Folge der geistigen Erkrankung.

Der Kläger deduziert freilich, daß diese hier erst während der Strafhaft einen

solchen Grad angenommen habe, daß die Fürsorge für den zu Entlassenden

nötig geworden sei. Dem steht aber schon der Umstand entgegen, daß 3E. nach dem zur Freisprechung führenden Gutachten längst geisteskrank, und zwar — da er dem Hang zu stehlen nicht widerstehen konnte — ein Gemein­

gefährlicher und deshalb in Anstalten Unterzubringender war. Schon das genügt zur Abweisung des Anspruchs auf 75 Mark für außergerichtliche

Bemühungen des zum Pfleger bestellten Rechtsanwalts nach Entlassung des X., so daß dahingestellt bleiben kann, ob ein im Strafverfahren beauftragter

S. Besitz.

60

BGB. § 861.

Rechtsanwalt überhaupt für derartige Bemühungen (die er schon aus Menschlichkeit aufzuwenden pflegt) ein besonderes Honorar zu fordern, einen Rechtsanspruch besitzt.

Nicht besser steht es mit dem Extrahonorar für die Verteidigung des £., wobei hervorzuheben ist, daß das schragenmäßige Verteidigungshonorar dem jetzigen Pfleger bereits vom Staate bezahlt worden ist.

Die Bewilligung

solcher Extrahonorare kommt häufig vor und mag unter Umständen wohl auch als nützliche Geschäftsführung der Angehörigen für den zu Verteidigenden

anzusehen sein.

Hier fehlt es aber an einem animus recipiendi der das

Honorar bezahlenden Mutter, die vielmehr schreibt: „so will ich doch gern

alle Opfer bringen, daß mein Sohn und die ganze Familie wieder zu Ehren kommt."

Das war ein eigenstes Interesse der Mutter und, wenn

der Sohn als geisteskrank unschuldig war, ist nicht abzusehen, warum er seiner Mutter derartige Beträge ersetzen mußte. „Gewähren Eltern ihren Abkömmlingen Unterhalt (und dazu gehören auch derartige Aufwendungen),

so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht, vom Empfänger Ersatz zu verlangen, fehlt" § 6852.

Bei dieser Sachlage ist auch das Extrahonorar

nicht vom Staate zu erstatten, so daß die Frage nicht erörtert zu werden braucht, ob man solche Verteidigungskosten überhaupt als eine Folge der Strafvollstreckung (im Gegensatz zu den Konsequenzen der Verurteilung)

ansehen könnte. Wenn auch die Nachteile infolge der Strafvollstreckung stets indirekte Folgen der Verurteilung sind, so gilt doch nicht der umgekehrte Satz.

M. M.

3 a) Besitz des Werstinhabers am Schiff, auf dem der Eigaer wohne« bleibt. OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 18. Oktober 1906. Das Verlangen auf Wiedereinräumung des entzogenen Besitzes sam Steuer des klägerischen Kahnsj ist nach § 861 berechtigt, sofern die Entziehung

ohne den Willen des Klägers (eigenmächtig) erfolgte und nicht etwa dieser dem Beklagten gegenüber fehlerhaft besaß, d. h. selbst den Besitz durch verbotene

Eigenmacht erlangt hatte.

Daneben ist natürlich die erste Voraussetzung, daß

der Kläger selbst Besitzer war.

Beklagter bestreitet es, er selbst will den

Kahn und damit das Ruder besessen haben, weil ersterer ihm zur Reparatur übergeben und auf seine Werft gebracht worden und auch nachher an seinen

Pfählen vertäut geblieben sei.

Allein der Kläger wohnte derzeit auf dem

Kahne; man wird daher annehmen müssen, daß er die tatsächliche Gewalt

darüber nicht aufgegeben hatte. Wollte man aber selbst in dem Aufbringen des Kahns auf die Werft eine Übergabe des Besitzes an den Beklagten er­

kennen, so ging dieser Besitz doch zweifellos dem Beklagten dann verloren, als der Kahn wieder zu Wasser gelassen wurde, denn damit gab der Beklagte die Gewalt über den Kahn, soweit sie ihm etwa vorher zustand, zugunsten

des Klägers auf, der jedenfalls nun wieder allein in der Lage war, über den

S. Besitz.

60

BGB. § 861.

Rechtsanwalt überhaupt für derartige Bemühungen (die er schon aus Menschlichkeit aufzuwenden pflegt) ein besonderes Honorar zu fordern, einen Rechtsanspruch besitzt.

Nicht besser steht es mit dem Extrahonorar für die Verteidigung des £., wobei hervorzuheben ist, daß das schragenmäßige Verteidigungshonorar dem jetzigen Pfleger bereits vom Staate bezahlt worden ist.

Die Bewilligung

solcher Extrahonorare kommt häufig vor und mag unter Umständen wohl auch als nützliche Geschäftsführung der Angehörigen für den zu Verteidigenden

anzusehen sein.

Hier fehlt es aber an einem animus recipiendi der das

Honorar bezahlenden Mutter, die vielmehr schreibt: „so will ich doch gern

alle Opfer bringen, daß mein Sohn und die ganze Familie wieder zu Ehren kommt."

Das war ein eigenstes Interesse der Mutter und, wenn

der Sohn als geisteskrank unschuldig war, ist nicht abzusehen, warum er seiner Mutter derartige Beträge ersetzen mußte. „Gewähren Eltern ihren Abkömmlingen Unterhalt (und dazu gehören auch derartige Aufwendungen),

so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Absicht, vom Empfänger Ersatz zu verlangen, fehlt" § 6852.

Bei dieser Sachlage ist auch das Extrahonorar

nicht vom Staate zu erstatten, so daß die Frage nicht erörtert zu werden braucht, ob man solche Verteidigungskosten überhaupt als eine Folge der Strafvollstreckung (im Gegensatz zu den Konsequenzen der Verurteilung)

ansehen könnte. Wenn auch die Nachteile infolge der Strafvollstreckung stets indirekte Folgen der Verurteilung sind, so gilt doch nicht der umgekehrte Satz.

M. M.

3 a) Besitz des Werstinhabers am Schiff, auf dem der Eigaer wohne« bleibt. OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 18. Oktober 1906. Das Verlangen auf Wiedereinräumung des entzogenen Besitzes sam Steuer des klägerischen Kahnsj ist nach § 861 berechtigt, sofern die Entziehung

ohne den Willen des Klägers (eigenmächtig) erfolgte und nicht etwa dieser dem Beklagten gegenüber fehlerhaft besaß, d. h. selbst den Besitz durch verbotene

Eigenmacht erlangt hatte.

Daneben ist natürlich die erste Voraussetzung, daß

der Kläger selbst Besitzer war.

Beklagter bestreitet es, er selbst will den

Kahn und damit das Ruder besessen haben, weil ersterer ihm zur Reparatur übergeben und auf seine Werft gebracht worden und auch nachher an seinen

Pfählen vertäut geblieben sei.

Allein der Kläger wohnte derzeit auf dem

Kahne; man wird daher annehmen müssen, daß er die tatsächliche Gewalt

darüber nicht aufgegeben hatte. Wollte man aber selbst in dem Aufbringen des Kahns auf die Werft eine Übergabe des Besitzes an den Beklagten er­

kennen, so ging dieser Besitz doch zweifellos dem Beklagten dann verloren, als der Kahn wieder zu Wasser gelassen wurde, denn damit gab der Beklagte die Gewalt über den Kahn, soweit sie ihm etwa vorher zustand, zugunsten

des Klägers auf, der jedenfalls nun wieder allein in der Lage war, über den

Kahn zu verfügen.

Ob der Kahn zu der Zeit noch an den Pfählen des Be­

klagten oder an denen des gegenüberliegenden Eichamts vertäut war, macht dabei keinen Unterschied.

Was aber für den Kahn gilt, das gilt auch für

das Steuerruder, das als Bestandteil des Kahns mit diesem im Besitze des Klägers verblieb, obwohl es am Lande lagerte. Nur wenn etwa Beklagter es retentionsweise oder zum Pfande an sich genommen hätte, könnte von

einem Besitze des Beklagten gesprochen werden.

Ein besonderes Pfandrecht

am Steuer stand dem Beklagten auch nicht zu, da ihm dieses zur Reparatur

nicht übergeben und von dem Kahn lediglich, um ihn auf die Werft ziehen zu können, abgenommen war; auf § 647 kann sich Beklagter demnach nicht

berufen.

Hiernach war weder Beklagter Besitzer des Ruders, noch auch

handelte der Kläger, als er das Ruder vom Lande holte und an seinem Kahn befestigte, in verbotener Eigenmacht. Eigenmächtig handelte vielmehr der

Beklagte, als er das Ruder ohne den Willen des Klägers und ohne Rechts­ grund wieder abholen ließ. Auch auf § 229 kann er sich nicht berufen, da für eine erlaubte Selbsthilfe alle Voraussetzungen, die diese Gesetzesbestimmung

aufstellt,

ermangelten.

Wenn Beklagter

fürchtete,

vom Kläger für seine

Reparaturforderung nicht befriedigt zu werden, so stand doch nichts im Wege, obrigkeitliche Hilfe anzugehen, und anderseits lag keine Gefahr vor, daß der Anspruch des Beklagten vereitelt oder wesentlich erschwert werde, wenn Kläger mit dem Kahne abschwamm; endlich aber hat Beklagter dem § 2303

zuwider unterlassen, einen dinglichen Arrest gegen Kläger zu erwirken.

Der

Umstand, daß mehrere Monate später die Zwangsvollstreckung in den Kahn

beantragt wurde, ist nicht nicht geeignet, den Kläger von der Befolgung des

§ 230 zu entbinden. ...

M. M.

b) Die Wirksamkeit der Auflassung ist

durch das ihr zugrunde

liegende ErsüllnngSgeschäst nicht bedingt. Bayer. Oberstes Landesgericht, I. ZS.

Beschluß v. 30. Juni 1906.

Den unter Gewalt ihres Vaters stehenden Kindern M. und Z. sind von ihrem Großvater Anteile an Grundstücken als Vermächtnis zugewendet und von den Erben durch Vertrag mit dem Vater aufgelassen worden. Die Eintragung wurde verweigert, weil die Annahme der Auslassungserklärung eine Verfügung über die Vermächtnisforderungen enthalte und die Genehmigung

des Vormundschaftsgerichts nicht beigebracht sei.

Die weitere Beschwerde

hatte Erfolg. Gründe: Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Kammergericht (RIA. 3

S. 61) ausgesprochen hat, die sich aus dem § 1643' ergebende Befugnis des Vaters zum selbständigen Erwerbe von Forderungen, die auf Übereignung eines Grundstücks gerichtet sind, die notwendige Folge hat, daß auch der die Übereignung bewirkende dingliche Vertrag nicht an die Genehmigung des

Vormundschaftsgerichts gebunden ist.

Denn auch wenn der Vater nicht ohne

Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die Forderung des Kindes dadurch zum Erlöschen bringen kann, daß er die ihm vom Schuldner als Erfüllung

angebotene Übereignung des Grundstücks als Erfüllung annimmt und damit im Sinne des § 1821 Nr. 2 über die Forderung verfügt (§§ 1812, 1813; Planck l8, 185 Vordem. IX 4), hat die Unwirksamkeit der Erfüllung doch nicht die Unwirksamkeit der Übereignung zur Folge. Die

Übertragung

des Eigentums an einem Grundstück erfolgt nach

§§ 873*, 9251 durch die Einigung der Beteiligten über den Eigentumsüber­ gang und dessen Eintragung.

Die Einigung erfordert, abgesehen , von der

für die Auflassung im § 9251 vorgeschriebenen Form, nicht mehr als das

Anerbieten, der Eigentumsübertragung und dessen Annahme.

Das Rechts­

geschäft, das den rechtlichen Grund der Eigentumsübertragung bildet- ist nicht Bestandteil der Auslassung- die Unwirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts läßt des­

halb die Wirksamkeit der den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Auf? laffung unberührt (Planck 33, 14 Nr. 2; 89 Nr. 5b; 208 Nr. 11), sie hat

nur die Folge, daß der Empfänger, der das Eigentum am Grundstück, ohne

Wird

rechtlichen Grund erlangt, nach §812* zur Herausgabe verpflichtet ist.

das Eigentum zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, dem gesetz­ lichen Vertreter des Gläubigers übertragen, der in Ermangelung der Ge­

nehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht befugt ist, die Eigentumsübertragung als Erfüllung anzunehmen und gemäß § 368 Quittung zu erteilen, so bewirkt die Eigentumsübertragung nicht gemäß § 362 das Erlöschen des Schuldverhältnisses, der mit der Leistung bezweckte Erfolg tritt nicht ein, aber der Übergang des Eigentums wird dadurch nicht gehemmt Die

Unabhängigkeit der Auslassung von dem ihren rechtlichen Grund bildenden Rechtsgeschäfte bringt es. mit sich, daß das Grundbuchamt es nur mit der Auflassung zu tun und sich mit dem den rechtlichen Grund bildenden Rechts­

geschäfte nicht zu befassen hat (RIA. 7 S. 55; Rsp. 12 S.. 308). Vorliegend hatte daher das Grundbuchamt nur zu prüfen- ob die an den Vater als gesetzlichen Vertreter seiner Kinder erfolgte Auflassung wirksam ist. D.

c) Auslassung, wenn ein Kommnnalgrnndstück auf eine« ander« Verband übergeht» Stempel. Kammergericht, I. Ferien-ZS.

Beschluß v. 13. September 1905.

Nachdem die Stadt Mülheim mit einigen Landgemeinden vereinigt und demnächst für aus dem Kreise ausgeschieden erklärt worden war, wurde ihr

das Kreisständegrundstück ausgelassen und auf ihren Namen umgeschrieben.

Hierfür wurde eine Eintragungsgebühr von 168 Mark und ein Auflassungs­

stempel von 2210 Mark angesetzt.

Die weitere Beschwerde der Stadt ist

teilweise begründet. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß sie mit dem Ausscheiden aus dem bisherigen Landkreise kraft Gesetzes Eigentümerin des ihr durch den. Beschluß des Bezirksausschusses aus dem gemeinsamen Vermögen jenes Kreises zugeteilten Stäydehausgrundstücks geworden sei, ist allerdings verfehlt. Soll ein

einem; Kommunalverbande

gehöriges

Grundstück

auf

einen

andern

Kommunalverband übertragen werden, so bedarf es zu diesem Eigentums-

3. Rechte an Grundstücken.

BGB» § 873.

63

wechsel nach den §§ 873, 925 der Auslassung, wenn nicht ausnahmsweise (wie dies in Preußen durch § 182, Ges. vom 8. Juli 1875 und § 2 Ges. vom 18. Juni 1881 geschehen war) die Übertragung auf Grund des Art. 126 EG. zum BGB.

durch ein besonderes Landesgesetz erfolgt.

Einem gemäß § 4 Abs. 4, 5 der

Rheinischen KreisO. ergangenen Beschlusse des Bezirksausschusses hat weder

nach früherem Rechte die Kraft der Eigentumsübertragung beigewohnt, noch ist sie ihm durch das jetzt geltende Recht beigelegt worden.

Durch ihn wird,

vorbehaltlich der Anfechtung im Verwaltungsstreitverfahren, nur festgesetzt,

welchen Anteil an dem Vermögen des bisherigen Kreises die ausscheidende Stadt zu übernehmen hat, dagegen erfolgt die Übereignung der zu über­ nehmenden

Vermögensgegenstände

nach

den

allgemeinen Vorschriften des

bürgerlichen Rechts.

Aus der Notwendigkeit der Auslassung folgt jedoch keineswegs die Ent­ stehung des Auflaffungsstempels. Übertragung im Sinne der §§878, 925

und freiwillige Veräußerung im Sinne des Tarifs 8l sind gleichbedeutend. Der Fall der freiwilligen Veräußerung ist auch dann nicht gegeben, wenn zwar nicht der Eigentumsübergang, wohl aber der Anspruch auf Übereignung seine

Grundlage in gesetzlichen Vorschriften hat (vgl. Heinitz 2. Aufl. S. 280).

Bildet die Grundlage der nach § 925 erforderlichen Auflassung nicht die frei­ willige Entschließung der Beteiligten, sondern ein Anspruch, den das Gesetz dem einen oder dem andern Beteiligten gewährt, wird also die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums nicht durch einen unmittelbar hierauf ge­ richteten Vertrag zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber begründet, so fehlt es an der Voraussetzung, von der nach Tarifstelle 8 die Erhebung des Auflassungsstempels abhängt (vgl. Heinitz a. £>.). Bei Anwendung dieser

Grundsätze muß vorliegend der Auslassungsstempel außer Ansatz bleiben. Denn wenn es auch im freien Belieben der Stadt stand, ob sie aus dem bis­ herigen Kreisverband ausscheiden wollte, so kann doch ihr Ausscheiden nicht mit dem eines Gesellschafters aus der trotzdem fortbestehenden Gesellschaft

verglichen werden.

Ihre frühere Zugehörigkeit zum Kreisverbayhe beruhte

nicht auf ihrem freien Willen, sondern auf dem Gesetz, und ihx Ausscheiden war nur insofern freiwillig, als sie ohne ihren Antrag nicht hätte für aus­

geschieden erklärt werden können (§ 48 KreisO.).

Im übrigen mußte der ihr

Ausscheiden festsetzenden Erklärung des Ministers nach zwingender Gesetzes­

vorschrift (§ 4 Abs. 4, 5) die Auseinandersetzung über das Vermögen des bis­ herigen Kreises vorausgehen, und die im Wege dieser Auseinandersetzung er­

folgte Zuteilung

von

Vermögensstücken geschah kraft Gesetzes

durch den

Ausspruch der hierfür zuständigen Verwaltungsbehörde (vgl. OVG. 2 S. 15,

10 S. 10), die dabei nicht nach zivilrechtlichen Teilungsgrundsätzen zu. ver­ fahren, sondern unter Berücksichtigung der Bedingungen für die künftige Existenz der beiden Verwaltungskörper nach billigem Ermessen zu entscheiden hatte. Von einer „freiwilligen Veräußerung" würde hiernach selbst dann '

nicht die Rede sein können, wenn etwa zwischen der Stadt und. dem Land-

kreise vor Erlaß des Beschlusses des Bezirksausschusses eine dem Inhalte

dieses Beschlusses entsprechende Einigung stattgefunden hätte. Denn auch in diesem Falle würde die Verpflichtung zur Übertragung bzw. zur Übernahme

des Kreishauses nicht auf Vertrag, sondern auf der gesetzlich vorgcschriebenen Anordnung des Bezirksausschusses beruhen. Der Ansatz der Eintragungsgebühr muß dagegen bestehen bleiben. Die Eintragung ist nicht auf Ersuchen einer Verwaltungsbehörde, sondern auf

den Antrag des Vertreters einer Stadtgemeinde erfolgt; für die Anwendung

des § 7 Satz 2 preuß. GKG. ist daher kein Raum (Rsp. 7 S. 428; Mügel zu ß 7 Note 2). Der Gerichtsschreiber hat auch mit Recht den § 581 preuß. GKG. und nicht den Abs. 2 'oder den § 60 oder den § 62 angewendet.

Denn es handelt sich um die Eintragung des Eigentumsüberganges von der

einen auf die andere juristische Person, und das Gesetz unterscheidet nicht,

ob die beiden Personen einander fremd waren, oder ob die erwerbende aus der veräußernden heroorgegangen ist.

Dr. L. W.

d) Verpfändung einer Hypothek. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 28. Juni 1906. Ob der § 874 auch für die Eintragung der Belastung eines dinglichen Rechtes gilt, ist streitig. Es verneinen sie Güthe (S. 8698), Männer (Sachen­

recht S. 112), Predari (S. 120), Staudinger (zu § 874), TurnauFörster 1 S. 1183 und Willenbücher (Liegenschastsrecht zu § 874'), da­ gegen wird sie bejaht von Biermann, Fuchs (zu § 874), Oberneck (1 S. 273) und Planck (§ 8743). Die verneinende Ansicht stützt sich auf den Wortlaut des § 874, der im Gegensatze zu dem vorausgehenden § 873 nur von der

Belastung eines Grundstücks, nicht auch von der Belastung einer Belastung spricht; für die Bejahung wird geltend gemacht, daß der Zweck des § 874, die Grundbuchführung zu erleichtern und die Übersichtlichkeit des Grundbuches zu erhalten, dazu führen müsse, die Bezugnahme auch bei der Eintragung der Belastung eines eingetragenen Rechts zu gestalten. Die letztere Meinung

verdient den Vorzug. Im Anschluß an den § 76 preuß. GrBO. enthielt der erste Entwurf des BGB. eine Reihe von Einzelbestimmungen, welche zur näheren Bezeichnung des Inhalts eines Rechts die Bezugnahme auf die

Eintragungsbewilligung zuließen, so beim Erbbaurecht (§ 9622 Satz 2), bei

der Grunddienstbarkeit (§ 969), beim Nießbrauch (§ 982), bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1048, 969), bei der Reallast (§ 1054) und bei der Hypothek (8 1064). Bei der zweiten Lesung wurden sodann diese Einzel­ bestimmungen durch die allgemeine Vorschrift des § 795 ersetzt, der als § 874 in das BGB. übergegangen ist. In der Kommission wurde zwar eine

Sondervorschrift für die Vormerkung für erforderlich erachtet, weil diese keine Grundstücksbelastung sei, aus dieser Begründung des jetzigen § 8852, die lediglich die Nichtdinglichkeit der Vormerkung betont, darf jedoch nicht

gefolgert werden, daß man die entsprechende Anwendung des § 874 auf andere dingliche Rechte, als solche am Grundstücke selbst, für unzulässig er-

3. Rechte an Grundstücken.

achtet hätte.

65

BGB. § 874.

Auf Wortlaut und Stellung des § 874 ist kein entscheidendes

Der Wortlaut schließt sich ganz den Einzelbestimmungen des Entwurfs I an, die verallgemeinert werden sollten, und es erhellt nicht, Gewicht zu legen.

daß man mit der Nebeneinanderstellung der §§ 873 und 874 den besonderen die Statthaftigkeit der Bezugnahme einzuschränken.

Zweck verfolgt hätte,

Der inneren Bedeutung des § 874 würde aber die Beschränkung auf un­ Als Be­ lastungen eingetragener Rechte kommen der Nießbrauch und das Pfandrecht in Betracht. Beide unterliegen in gewissem Umfange der Abänderung ihres mittelbare Belastung des Grundstücks zweifellos zuwiderlaufen.

gesetzlichen Inhaltes durch Vereinbarung der Beteiligten.

Namentlich kann

der Inhalt des Pfandrechts an einer Hypothekenforderung vom Gesetz ab­

weichend (vgl. § 1284) und unter Umständen so vereinbart werden, daß die urkundliche Darstellung der Vereinbarung nicht ohne die Wiedergabe des

Inhaltes der Hypothekenforderung möglich ist.

Wollte man hier die Ein­

tragung des vollständigen Inhalts des Pfandrechts fordern, so würde der Zweck des § 874 geradezu vereitelt werden (vgl. Jahrbuch 28 S. 262). Das Pfandrecht bedarf aber der Eintragung so wie es unter den Beteiligten ver­ Bei der Buchhypothek erhellt dies ohne weiteres aus § 1274 Satz 1 und aus § 11543 mit § 873. Bei der Briefhypothek liegt die Sache zwar insofern anders, als hier das Pfandrecht durch Erteilung der Verpsändungserklärung in schriftlicher Form und durch Übergabe des einbart worden ist.

Briefes begründet werden kann (§§ 12741, 11541). Ein Einfluß auf die Fassung des Eintragungsvermerks ist jedoch diesem Umstande nicht beizumessen, wie schon die Bestimmung des § 11542 ergibt. Das Grundbuch würde un­ richtig werden, wenn die Eintragung des Pfandrechts an einer Briefhypothek

den Inhalt des Pfandrechts nicht genau der Vereinbarung entsprechend — sei es vollständig, sei es durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung — wiedergäbe.

Die Bezugnahme ist aber auch bei der Eintragung der Belastung

eines Rechts nur in dem im § 874 vorgesehenen Umfange zulässig; sie darf also immer nur zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts erfolgen. Der Inhalt des Rechts muß im Grundbuche selbst angegeben werden, bloß die nähere Bezeichnung kann im Wege der Bezugnahme geschehen.

Daraus

ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß der Eintragungsvermerk „Neben­ stehende Post ist der N.-Aktiengesellschaft gemäß der Urkunde vom..., auf

Das Pfandrecht ist kein selb­ ständiges Recht, es dient zur Sicherung einer Forderung; zu seiner Bezeich­ die verwiesen wird, verpfändet" nicht genügt.

nung im Grundbuche selbst ist daher unter allen Umständen auch die Angabe

der Forderung, für die es bestellt worden ist, erforderlich. In § 842 preuß. GrBO. war dies ausdrücklich vorgeschrieben. Die RGrBO. hat zwar eine ebensolche Bestimmung nicht, im § 262 wird jedoch mit den Worten: „wenn... die Übertragung oder Belastung einer Forderung, für die ein eingetragenes Recht als Pfand haftet, eingetragen werden soll" die Not­

wendigkeit der Eintragung der Forderung unzweideutig vorausgesetzt.

OLGRs». XIV.

5

Das

3. Rechte an Grundstücken.

66

BGB. §§ 873. 925.

Amtsgericht hat daher den bis jetzt inhaltlosen Eintragungsvermerk durch die Bezeichnung der zu sichernden Forderung zu ergänzen.

Dabei ist jedoch zu beachten, daß die bei den Akten zurückbehaltene beglaubigte Abschrift der Verpfändungsurkunde der öffentlichen Beglaubigung entbehrt. Wird die Erklärung von dem Teilhaber einer offenen Handelsgesell­

schaft abgegeben, so kann zwar die Unterzeichnung mit der Firma der Gesell­ schaft erfolgen (Jahrbuch 21 S.103), der Beglaubigungsvermerk muß aber durch

Angabe des Namens

oder durch eine sonstige

deutliche

Bezeichnung die

Persönlichkeit desjenigen, welcher die Unterschrift vollzogen oder anerkannt hat, bestimmt erkennbar machen (a. O. 29 S. 3).

Der Beglaubigungsvermerk:

„Vorstehende Firmenzeichnung der offenen Handelsgesellschaft Gebrüder C. wird beglaubigt" ist unzulänglich und würde selbst dann nicht ausreichen,

wenn etwa die darüber stehende Unterschrift nicht lediglich „Gebrüder C." lautete, sondern durch den persönlichen Namen des Teilhabers Gustav C.

ergänzt wäre. Der Antrag endlich auf Trennung der Verpfändungsurkunde vom Brief ist gerechtfertigt, mag im Eintragungsvermerk auf die Bewilligung Bezug

genommen werden, oder nicht.

Mit dem Brief ist nach § 58 GrBO. nur die

Urkunde über die Forderung, für die die Hypothek besteht, und, wenn der Inhalt der Forderung nachträglich verändert wird, auch die Urkunde über die Ände­

rung zu verbinden (Jahrbuch 25 S. 319, 30 S. 276).

Dagegen werden

Abtretungs- oder Verpfändungserklärungen, die den Inhalt der hypothekarisch gesicherten Forderung unberührt lassen, dem Briefe jetzt ebensowenig, wie früher, angeheftet (vgl. § 14 Ges. v. 24. Mai 1853, § 122 preuß. GrBO.). Diese Urkunden sind nach § 9 GrBO. in Urschrift oder in beglaubigter

Abschrift zu den Akten zu nehmen.

Wird bei der Eintragung einer Ver­

pfändung der Hypothek auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen, so

genügt nach § 62 GrBO. der Vermerk der Eintragung auf dem Briefe.

Die Eintragung muß die Verpfändung,

den Pfandgläubiger und

deffen

Forderung bezeichnen. Diese Angaben reichen aber zur brieflichen Darstellung der Rechtsverhältnisse der Hypothek vollständig aus. Der Vermerk der Ver­

pfändung auf dem Briefe hat nicht die Bedeutung eines Briefes über das die Hypothek belastende Pfandrecht. Der im Wege der Bezugnahme eingetragene nähere Inhalt des Pfandrechts ist für die Rechtsgestaltung der Hypothek ohne Bedeutung und bedarf daher der Aufnahme in den Brief gemäß § 57a

GrBO. nicht.

F.

e) Zum Eigentnmserwerb auf Grand bergrechtlichen Enteignungs­ beschlusses bedarf es keiner Auslassung? Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 5. Juli 1906.

1 Verleiht das Oberbergamt Bergwerkseigentum, so darf es sich nicht beschränke!!, das Grundbuchamt „um Bewirkung der erforderlichen Eintragungen" zu ersuchen; es hat vielmehr diese Eintragungen bestimmt zu bezeichnen (Beschluß desselben ZS. vom 22. Februar 1906, Jahrbuch 32 S. 179).

Unter dem preuß. Grundbuchges. vom 5. Mai 1872 war die Ansicht vor­ herrschend, daß es zum Erwerbe auf Grund bergrechtlichen Enteignungsbe­ schlusses nicht der Auflaffung bedürfe, da es sich nicht um freiwillige Ver­

äußerung handele und sich daher der Eigentumserwerb nach dem außerhalb der Grundbuchgesetze geltenden Rechte bestimme, also nach dem Berggesetz und,

soweit dieses keine Vorschriften darüber enthalte, nach dem im Rechtsgebiete geltenden bürgerlichen Recht (Jahrbuch 7 S. 139, Zeitschr. f. Bergrecht 30

S. 340; Klostermann-Fürst, Bergrecht S. 447; Brossert, Bergr.Noo.

S. 17 6; Breslau in Zeitschr. f. Bergr. 29 S. 531; Dernburg, Privatr.l § 26717; a. A. Arndt in Gruchot 33 S. 24; Turnau, preuß. GrBO. 2 S. 1353).

Gemäß Art. 67 EG. zum BGB. ist das Bergges. in Geltung geblieben. So­

weit dieses über den Eigentumserwerb auf Grund des nach seinen Vorschriften erlassenen Enteignungsbeschlufses keine Bestimmungen enthält, treten an Stelle des bisher in den einzelnen Landesteilen geltenden allgemeinen bürgerlichen Rechts zur Ergänzung die Vorschriften des BGB. ein (Art. 4, 55 EG., Planck

1 zu Art. 4). Das Bergges. enthält nun keine Bestimmung, daß etwa, wie beim Zuschlag gemäß § 90 ZwVG., durch Erlaß des Enteignungsbeschluffes oder dessen Rechtskraft das Eigentum übergeht, vielmehr wird gemäß §8 142,

144 der Grundbesitzer durch den Beschluß nur zwangsweise für verpflichtet erklärt, das Eigentum an den Bergwerksbesitzer abzutreten (a. A. Dernburg, Bürg. Recht 3 § 15118). Ferner findet auch der § 44 Enteignungsges. nach

§ 54 das. auf die bergrechtliche Enteignung keine Anwendung. Daraus folgt aber nicht, daß der bergrechtliche Enteignungsbeschluß gleichwie eine gericht­ liche Entscheidung, die den Beklagten zur Abtretung des Eigentums verurteilt, lediglich eine schon ohnehin vorhandene Verpflichtung dazu feststellt und daß zur Erfüllung dieser Verpflichtung die Auflassung gemäß § 925 BGB. zu erfolgen hat (a. A. Predari S. 71, Fuchs-Arnheim S. 113), sondern der Beschluß konstituiert im bergbaulichen Interesse durch Staatshoheitsakt eine Verpflichtung dergestalt, daß alles, was zur Übertragung des Eigentums er­

forderlich ist, zwangsweise als geschehen gilt, daß der bisherige Eigentümer den Eigentumsübergang nicht mehr abwenden kann, es vielmehr nur noch in der Hand des durch Beschluß berechtigten Bergwerksbesitzers liegt, den Eigen­

tumsübergang zu vollenden (RG. in Zeitschr. f. Bergrecht 47 S. 267, 269;

Entsch. 56 S. 192). Danach ersetzt der Enteignungsbeschluß die sonst zur Übertragung des Eigentums gemäß §§ 873, 925 erforderliche, im Wege der Auflassung erfolgende Einigung, und zur Vollendung des Eigentumsüber­ gangs (Motive 3 S. 138) ist gemäß § 873 nur noch die Eintragung des Er­

werbers notwendig; diese hat auf den Antrag des berechtigten Bergwerks­

besitzers zu erfolgen (Entsch. d. RG. a. O., Turnau-Förster 2 S. 451, Güthe S. 1239 Anm. 7). Die Rechtslage ist ähnlich wie im Falle des Auf­ gebots des Grundstückseigentümers gemäß § 927, wonach, wer das Ausschluß­

urteil erwirkt hat, das Eigentum dadurch erlangt, daß er sich als Eigentümer eintragen läßt (vgl. Planck 7 zu 8 927). Die in der Begründung des Be5*

3. Rechte an Grundstücken.

68

BGB. § 876.

schlusses Jahrbuch 27 S. 54 ausgesprochene Ansicht, daß es zum Eigentums­

erwerb auf Grund bergrechtlichen Enteignungsbeschlusses der Auflassung be­

dürfe, kann nicht aufrechterhalten werden. Aus der vorerörterten rechtlichen Natur des bergrechtlichen Enteignungsbeschlufses ergibt sich aber auch weiter, daß die darin ausgesprochene EigentumSübertragung für den Grundbuchrichter bindend ist und es nicht seiner Nachprüfung unterliegt, ob die Voraussetzungen für den Erlaß des Beschlusses

vorgelegen haben. Insbesondere darf er die Eigentumseintragung des durch den Beschluß berechtigten Bergwerksbesitzers nicht deshalb ablehnen, weil ein

anderer als derjenige, der im Enteignungsverfahren als Eigentümer zugezogen morden, im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Nach § 143 Bergges. müssen vor der Entscheidung beide Teile, d. i. der Grundbesitzer und der Bergwerksbesitzer gehört und müssen die Verhältnisse durch Kommissionen an Daraus folgt, daß die Legitimation der

Ort und Stelle untersucht werden.

zum Verfahren zugezogenen Beteiligten von den Enteignungsbehörden unter

Wird von ihnen versehentlich oder etwa auch zufolge Täuschung ein anderer als der wahre Eigentümer oder einer von mehreren Miteigentümern allein zum Verfahren als Eigentümer zugezogen, so tut dies der Wirksamkeit des demnächst erlassenen Enteignungs­ eigener Verantwortlichkeit festzustellen ist.

Der Beschluß richtet sich vielmehr gegen alle, denen Eigentumsrechte an dem Grundstücke zustehen, gleichviel ob sie im Grundbuch als Eigentümer eingetragen stehen oder nicht und ob sie zum Ent­ eignungsverfahren zugezogen worden sind oder nicht. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß nach §§ 145, 146 Bergges., abgesehen von der Festsetzung der

beschlusses keinen Abbruch.

Entschädigung oder der Kaution, durch deren Anfechtung die Inbesitznahme

des Grundstücks nicht „aufgehalten" wird, der Rechtsweg nur in bestimmten Fällen hinsichtlich der Verpflichtung zur Abtretung des Grundstücks zulässig, im übrigen aber gegen den Beschluß nur der Rekurs an die Reflortminister gegeben ist.

Unter den „beiden Teilen", denen nach § 145 der Rekurs zu­

steht, sind diejenigen zu verstehen, welche die Enteignungsbehörden als Eigen­ tümer bzw. Bergwerksbesitzer angesehen und zu dem Verfahren zugezogen

haben. Ist der als Eigentümer Zugezogene nicht der wahre Eigentümer, so bleibt diesem wegen der Entschädigung für den Verlust seines Eigentums nur der Rückgriff an jenen vorbehalten (vgl. Jahrbuch 24 S. 115, 27 S. 256).

A.

f) Aufhebung einer Grnndgerechtigkeit. Kammergericht, XIV. ZS. Urteil v. 22. November 1906. Die Aufhebung der nicht eingetragenen Grundgerechtigkeit erfolgte gemäß Art. 1893 EG. nach den bisherigen Gesetzen, also nach ALR. I 5 § 135,

I 22 § 43 durch schriftlichen Vertrag.

Dazu bedurfte es nicht, wie für das

neue Recht §876 BGB. vorschreibt, der Zustimmung der Hypothekengläubiger des herrschenden Grundstücks. Es ist nicht richtig, wenn die Prot. 3 S. 327

ausführen, daß der Grundsatz

des § 876 auch

dem

preuß. Rechte ent­

spreche. Zwar hafteten nach preuß. Recht dem Hypothekengläubiger auch die mit

dem Grundstücke verbundenen subjektivdinglichen Rechte, die nichts anderes als eine Eigenschaft des Grundstücks darstellten, — ob auch Bestandteil, kann nach der Begriffsbestimmung der Substanz (12 § 4) zweifelhaft sein.

Das

preuß. Recht enthielt aber keine Bestimmung, welche die aus I 8 § 1 folgende

Befugnis des Eigentümers, über die Sache zu verfügen, dahin eingeschränkt

hätte, daß er solche Servituten durch Rechtsgeschäft, sei es entgeltlich, sei es unentgeltlich, nur mit Zustimmung seiner Realgläubiger hätte zur Aufhebung

bringen dürfen.

Die Bestimmungen über die Abtrennung von Pertinenzen

(I 20 §§ 444—467) sind hier nicht anwendbar, weil solche Servituten nicht

Pertinenzen sind (Eccius 3 S. 199 37).

Die besonderen Bestimmungen, nach

denen bei Ablösung subjektivdinglicher Rechte die Auseinandersetzungsbehörden darauf hinwirken sollten, daß das Ablösungskapital zugunsten

der Real­

gläubiger verwendet werde (Eccius das. Note 38), sind auf eine private Auf­ hebung der Servituten gegen Entgelt nicht anwendbar; ebensowenig § 37

EnteignG.

Der Hypothekengläubiger ist gegen Verfügungen des Eigentümers

über die mit dem Grundstücke verknüpften subjektivdinglichen Rechte nach

preuß. Recht nicht anders geschützt, als gegen sonstige Verfügungen des Eigen­ tümers, durch die das Grundstück verschlechtert und die Sicherheit des Gläu­ bigers geschmälert wird (§50 EEG., jetzt BGB. §§ 1133, 1134). Diese

Vorschriften geben ihm nur ein Recht auf Sicherheitsmaßnahmen und Kündi­ gung, lassen aber nicht die ohne seine Zustimmung vorgenommene Aufhebung der Servitut als unwirksam erscheinen. Dr. S. .

g) Rechtliche Natur der Vormerkung. «) OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 9. April 1906. Über die rechtliche Natur der Vormerkung, wie über den Wert des

Instituts der Eigentumsgrundschuld gehen bekanntlich die Meinungen aus­

einander. Soviel ist jedoch nach §§ 883 ff. und ihrer Entstehungsgeschichte — die zweite Kommission lehnte die Ausgestaltung der Vormerkung zu einer dinglichen Belastung ausdrücklich ab — klar, daß der Zweck der Vormerkung nur in der Sicherung eines persönlichen Anspruchs auf Änderung des ding­

lichen Rechtsstandes besteht und daß sie kein dingliches Recht begründet, viel­ mehr der durch sie gesicherte Anspruch,

auch wenn infolge nachträglicher

Verfügungen an Stelle des durch die Vormerkung betroffenen Schuldners ein

andrer in die Grundbücher eingetragen wird, dennoch wie bisher persönlich gegen den ursprünglichen Schuldner gerichtet und gegen diesen geltend zu

machen ist.

Dinglichen Charakter besitzt die Vormerkung höchstens insofern,

als sie dem persönlichen Ansprüche die zur Zeit ihrer Verlautbarung offene

Rangstelle vorbehält (§ 8833, Neumann § 883 I, IV; Planck 3 S. 115). und ihr Substrat dasjenige das Grundstück belastende Recht, zu dessen Sicherung sie dienen soll. Sie schafft Aber immer bildet ihre Voraussetzung

dieses nicht, sondern bereitet bloß seinen Eintrag vor, sie ist m. a. W. ledig­ lich ein formeller Rechtsbehelf behufs künftiger dinglicher Verwirk­

lichung des persönlichen Anspruchs.

Nirgends stellt daher das BGB. Vor-

merkung und Hypothek nach Inhalt und Wirkung einander gleich, ja sogar in 88 886, 887 und 1168ff. beruht ein Gegensatz. Die Vorschriften über

die Eigentümerhypothek und -grundschuld in §§ 1163, 1177 sind darum auf Vormerkungen nicht anwendbar.

Eine Eigentümerhypothek kann erst entstehen,

nachdem die Vormerkung in die endgültige Hypothek umgeschrieben worden ist.

Soll letztere Umwandlung geschehen, so muß ein ihr fähiger Gegenstand

d. h. ein gesicherter Anspruch vorhanden sein. Ist ein solcher nicht vorhanden oder wieder erloschen, oder einer seine Geltendmachung ausschließenden Einrede

ausgesetzt oder von einem Ausschlußurteile nach § 887 betroffen, so endet damit auch die Daseinsberechtigung des Grundbuchvormerks. Das Sicherungs­ mittel der Vormerkung wird damit gegenstands- und wirkungslos, nicht aber tritt die mit ihrem Rechtsbegriff und Zweck unvereinbare und deswegen, wenn

gewollt, vom Gesetzgeber ausdrücklich auszusprechen gewesene Folge ein, daß die überhaupt nicht vorhandene, nur vorgemerkte Hypothek oder die an ihrer Statt etwa denkbaren Ansprüche auf den Grundstückseigentümer übergehen. Ohne Eintragung der vorgemerkten Sicherungshypothek kommt also auch der

Klägerin ein Prioritätsrecht am Versteigerungserlöse nicht zu. Dieser Ansicht (vgl. Planck 3 S. 115, 119; Staudinger 3 S. 78, 469; TurnauFörster 1 S. 689;

Fuchs,

Grundbuchrecht § 886 N. 4b, § 887 N. 3;

Kretzschmar im Recht 1903 S. 589; Rsp. 5 S. 390, 11 S. 120; Entsch.

d. RG. 55 S. 217) tritt zwar Dernburg, BR. § 220 II, 1 und 8 221 entgegen, indem er die Bestimmungen der Eigentümerhypothek im Wege der Analogie auf vorgemerkte Hypotheken ausdehnen will. Der Senat ver­ mag sich jedoch von ihrer Unrichtigkeit nicht zu überzeugen, um so weniger, als die Bedenklichkeit einer solchen ausdehnenden Auslegung von Planck 3

S. 637 aus guten Gründen dargetan wird. Dr. v. F. ß) Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 10. Mai 1906. Die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs, der nicht den in 8 883 bezeichneten Inhalt hat, ist inhaltlich unzulässig und kann auch nicht auf Ersuchen einer Behörde erfolgen. Den» inhaltlich unzulässige Eintragungen sind nach 8 54 GrBO. von Amts wegen zu löschen. Diese Vorschrift bezieht sich auf alle Eintragungen, auch auf solche, um deren Vor­

nahme eine zuständige Behörde ersucht hat.

Der § 39 GrBO. kann deshalb

den Grundbuchrichter nicht verpflichten, eine solche Eintragung zu bewirken (Jahrbuch 26 S. 120, 157; Rsp. 3 S. 3; RIA. 3 S. 92). Inhaltlich unzu­ lässig ist auch die Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf die Ein­ tragung der im Wege der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung gemäß §§ 829, 830, 835 zu bewirkenden Pfändung und Überweisung einer Hypothek, da ein solcher Anspruch — ganz abgesehen von der Frage, ob er nach dem Gesetz bestehen kann — nicht den in 8 883 bezeichneten Inhalt

hat, namentlich nicht auf Einräumung eines Rechts an einer Hypo­ thek geht. D.

/) Vormerkung für Wiedrrkaussrecht.

Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 12. Juli 1906. Das Widerkaufsrecht des BGB. (§§ 497—503) ist ein obligatorisches

Recht und der Eintragung nicht fähig. Es erzeugt zwar für den Fall seiner Ausübung einen Anspmch auf Übereignung des verkauften Grundstücks, und dieser Anspruch besteht nach der herrschenden Meinung schon vor der Aus­ übung, so daß er durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann

(Planck ld zu § 883; Predari S. 197; Bendix, IW. 1904 S. 602; vgl. dagegen Turnau-Förster 1 S. 514; Güthe S. 512*).

Der der Sicherung

fähige Anspruch ist aber immer nur ein Anspruch gegen den Käufer; ein

Wiederkaufsrecht des Inhalts, daß auch der Dritterwerber zum Wiederverkauf an den Verkäufer (oder einen andern) verpflichtet wäre, kann nach dem BGB. nicht begründet und demzufolge ein persönlicher Anspruch gegen den Dritt­ Das im

erwerber auch nicht mittels einer Vormeickung sichergestellt werden.

Vertrag vereinbarte Wiederkaussrecht hat daher einen nach dem BGB. unzu­

lässigen Inhalt, denn die Vereinbarung geht dahin, daß die Nichtausübung des vorbehaltenen Wiederkaufsrechts in einem Falle seine Ausübung bei einem späteren Eigentumswechsel oder Pachtfalle nicht ausschließen soll; zum Wieder­

verkäufe soll also auch jeder Dritterwerber verpflichtet sein,

obgleich der

Käufer bloß sich selbst obligatorisch verpflichten konnte.

Die Vereinbarung könnte nur nach Landesrecht wirksam sein, wenn es sich nämlich um ein Rentengut handelte. Denn auf Grund des EG. Art. 62, 3 ist in Art. 29 § 1 preuß. Ausf.-G. die Belastung eines Rentengutes zugunsten des Veräußerers in der Weise zugelafsen, daß dieser dem Eigentümer als solchem gegenüber zum Wiederkaufe berechtigt ist. D. h) Ein nach prenst. Recht als Zubehör zugeschriebenes Grundstück gilt jetzt als ein dem Hauptgrundstück zngeschrtrbener Bestandteil.

Kammergericht, I. Ferien-ZS. Beschluß v. 26. Juli 1906. Nach I § 787 waren mehrere Grundstücke als ein einheitliches Grundstück anzusehen, sofern sie als ein einheitliches Grundstück gebucht sind.

Nach sollte das Grundstück dem Hypothekengläubiger in seinem jeweiligen Bestände haften. Die 2. Kommission hat diese Bestimmungen durch I § 1067 Nr. 1

die jetzigen §§ 890, 1131 ersetzt. Danach können mehrere Grundstücke dadurch zu einem Grundstück vereinigt werden, daß der Eigentümer sie als ein Grund­

stück eintragen läßt. Es kann aber auch ferner ein Grundstück dadurch zum Bestandteil eines andern Grundstücks gemacht werden, daß der Eigentümer es diesem im Grundbuch zuschreiben läßt. Geschieht letzteres, so erstrecken sich die am Hauptgrundstück bestehenden Hypotheken, Grundschulden und Renten­ schulden auf das zugeschriebene Grundstück, während die sonstigen am Haupt­ grundstück bestehenden Rechte nach wie vor nur das Hauptgrundstück und

sämtliche am zugeschriebenen Grundstück bestehenden Rechte nach wie vor nur dieses belasten; vgl. Planck3 zu § 890, 4 gu § 1131; Güthe208 ju § 5 GrBO. Daß hiernach ein Grundstück, obwohl es Bestandteil eines andern Grund­ stücks ist, besonders belastet sein kann, hat nichts Befremdliches, da es nicht

72

3. Rechte an Grundstücken.

BGB. § 893.

wesentlicher Bestandteil im Sinne des § 93 ist und da solche besondere Be­ lastung auch nach erfolgter Zuschreibung wenigstens für Dienstbarkeiten und Reallasten formell nach § 6 GrBO. möglich ist. Die Zuschreibung nach

§ 11902 hat also dieselben Rechtswirkungen wie die unter der Herrschaft

des EG. vom 5. Mai 1872 erfolgte Zuschreibung eines Grundstücks als Zubehör; vgl. § 30 das. im Gegensatz zu § 443 I 20 ALR; Eccius 3 § 199Nur der Name ist geändert, weil nach § 97 BGB. ein Grundstück nicht mehr Zubehör sein kann. Auch die Prot. 3 S. 55 ff. heben ausdrücklich bei Einführung des Rechtssatzes des späteren § 8902 hervor, daß das preuß. Recht in solchem Falle von der Zuschreibung als Zubehör spreche.

Da für

das Rechtsverhältnis zweier Grundstücke zueinander die Gleichheit der Wirkungen größere Bedeutung hat, als die Verschiedenheit des Namens, und da die Auflösung der vor 1900 durch die Zuschreibung als Zubehör geknüpften

Bandes durch § 97 der praktischen Folge wegen nicht wohl im Sinne des Gesetzgebers liegen kann, ist hiernach anzunehmen, daß die unter der Herr­

schaft der Grundbuchgesetze von 1872 als Zubehör zugeschriebenen Grundstücke

seit dem 1. Januar 1900 als im Sinne des § 8902 zugeschriebenen Bestand­ teile gelten; vgl. Rsp. 2 S. 407, 409; Predari 5 zu 8 5 GrBO. Dann aber ist nach Art. 3 Ausf.-G. zur GrBO., wenn Hauptgrundstück und zu­ geschriebener Bestandteil im Bezirk verschiedener Grundbuchämter liegen, das

Grundbuchamt des Hauptgrundstücks zur Führung des Grundbuchs über das ganze Grundstück zuständig. Denn dieser Art. 3 ist, wenn er auch zunächst nur den Fall einer Zuschreibung unter der Herrschaft des BGB. behandelt, mangels einer besonderen Übergangsoorschrist auch für die Fälle maßgebend,

in welchen ein Grundstück als zugeschriebener Bestandteil gilt, es unter dem

alten Recht als Zubehör zugeschrieben ist.

F.

i) Wirkung der Eintragung des Koukursvermerks in das Grundbuch. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 12. Juli 1906. Die Ansicht des Beschlusses (Rsp. 3 S. 194), daß das Grundbuch durch die Eintragung der Konkurseröffnung für rechtsgeschäftliche Verfügungen des Gemeinschuldners nicht gesperrt werde, wird in der Rechtslehre vor­ herrschend geteilt (Planck 3 S. 78;

Turnau-Förster 1

S. 131,

373;

Fuchs 1 S. 164, 2 S. 204; Achilles-Strecker S. 121; Wilmowski,

KO. § 15 Note 4; Güthe S. 214, 215). Die Gegner (Predari Schöller, D. JZ. 1902 S. 164; Kretzschmar, ZBl. für FrG. 2 Biermann 3 zu 8 893; Jaeger 7 zu 8 113 KO. und neuerdings in Gruchot 50 S. 481) verkennen die Bedeutung, welche der 8 6

hältnis zu den 88 7 ff. KO. hat.

S. 312; S. 815; Eccius im Ver­

8 6 spricht den allgemeinen Grundsatz

aus, daß mit der Konkurseröffnung der Gemeinschuldner die Befugnis ver­

liert, sein zur Masse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu

verfügen, und daß insoweit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Gemeinschuldners durch einen Verwalter aus geübt wird. Die 88 7 ff. regeln einzeln besondere Fälle von Verwaltungs- und Verfügungsakten und ent-

halten zum Teil gewisse Ausnahmen oder Einschränkungen gegenüber dem in § 6 ausgesprochenen allgemeinen Grundsätze, soweit er sich auf den

Verlust der Verwaltungs- und Versügungsbefugnis des Gemeinschuldners

bezieht, während später im zweiten Buche der Befugnis des Verwalters

zur Ausübung der Verwaltung und Verfügung nach gewissen Richtungen (vgl. besonders §§ 133 ff.) anderseits Schranken gezogen werden (Motive zu § 5 KO.). Nach § 7 sind „Rechtshandlungen" des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung „dem Konkursgläubiger gegenüber unwirksam" mit der Maßgabe, daß die Vorschriften über den Rechtserwerb in gutem Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs Anwendung finden; § 8 trifft Bestimmung

darüber, ob und inwieweit Leistungen an den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung den Erfüllenden den Konkursgläubigern gegenüber befreien: § 9 betrifft Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft; §§ 10—12 regeln die Legitimation zur Ausnahme anhängiger Prozesse

und die prozessuale

Geltendmachung von Konkursforderungen; § 13 betrifft Veräußerungsverbote und Beschlagnahmen; § 14 die „Unwirksamkeit" von Vollstreckungsakten „zu­

gunsten einzelner Konkursgläubiger" und § 15 erkärt einen Rechtserwerb auch dann „den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam", wenn der

Erwerb nicht auf einer Rechtshandlung des Gemeinschuldners beruht, mit der Maßgabe, daß hinsichtlich des Rechtserwerbs an Grundstücken gewisse Aus­ nahmen gelten sollen. Hiernach sind besonders die nach der Konkurseröffnung erfolgenden Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, sowie auch die auf solchen Rechtshandlungen nicht beruhenden Rechtserwerbe gemäß §§ 7, 15 nicht ab­

solut unwirksam, sondern, abgesehen von den Ausnahmesällen der vollen Wirksamkeit, nur gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam, und es enthalten also diese Vorschriften Einschränkungen des allgemeinen Grund­ satzes des § 6, daß der Gemeinschuldner zur Verfügung nicht befugt ist;

zu Rechtshandlungen ist der Gemeinschuldner auch nach der Konkurseröffnung

nicht unbefugt und auch ein Rechtserwerb ist an sich nicht unwirksam, nur gegenüber den Konkursgläubigern entbehrt die Verfügung bzw. der Rechts­

erwerb hinsichtlich des zur Konkursmasse gehörigen Vermögens der Wirksam­

Dies wird bestätigt durch die Begründung des § 6 a.F., welcher anstatt des jetzigen „unwirksam" das Wort „nichtig" enthielt.... Danach sollte die Nichtigkeit beschränkt und die Verfügung für den Gemein­ keit (Güthe S. 215).

schuldner und andere Personen als die Konkursgläubiger verbindlich sein. An dieser Rechtslage ist durch die Novelle nichts geändert. Die hierdurch getroffenen Änderungen des § 6 (§ 7 a.F.) werden in der Begründung (Hahn 7 S. 234), wie folgt, gerechtfertigt....

Hieraus erhellt, daß der Gesetzgeber die

mit der Konkurseröffnung eintretende Beschränkung des Gemeinschuldners

hinsichtlich

der Verfügung

durch Rechtshandlungen,

mit Ausnahme

des

Schutzes gutgläubigen Erwerbs an beweglichen Sachen, gleichgestellt missen wollte einem Veräußerungsgebot gemäß § 135 BGB., das nur den Schutz

bestimmter Personen bezweckt. Dieser gesetzgeberische Wille ist auch als im Gesetz

deutlich ausgedrückt zu erachten, wenn in der obigen Weise § 6 und § 7 in das richtige Verhältnis gesetzt wird. Daß aber die gegen ein Veräußerungs­

gebot des § 135 verstoßende Verfügung wirksam ist, beispielsweise das über­ tragene Eigentum übergeht, das bestellte Recht entsteht, die bezahlte Forde­

rung erlischt, und dies nur denjenigen gegenüber nicht gilt, deren Schutz das Verbot bezweckt, darüber herrscht kein Streit (Planck 2 zu 8 135). Hiernach kann der Konkursverwalter, der zwar weder Vertreter des Gemeinschuldners noch Vertreter der Konkursgläubiger oder der Konkursmasse ist, die kein

selbständiges Vermögenssubjekt bildet, aber doch als amtliches Organ zur Durchführung des Konkurszweckes die den Konkursgläubigern als solchen zu­ stehenden Rechte hinsichtlich der Konkursmafle wahrzunehmen hat (Entsch. d.

RG. 29 S. 29, IW. 1903 S. 4’), allerdings z. B. die vom Gemeinschuldner zum Eigentum übertragene Sache als unveräußert, den mit einem Rechte belasteten Gegenstand als unbelastet, die abgetretene Forderung als noch zum

Vermögen deS Gemeinschuldners gehörig behandeln und für die Konkursmasse

ohne weiteres beanspruchen (Motive S. 35, 36; Planck a. O.j; aber zwischen

dem Gemeinschuldner und dem andern Teil, sowie gegenüber Dritten, welche nicht Konkursgläubiger find, haben die Verfügungen Rechtswirksamkeit und sie können unter Umständen, beispielsweise wenn der Verwalter sie genehmigt oder wenn die Aufhebung des Konkursverfahrens erfolgt, selbst den früheren Konkursgläubigern gegenüber wirksam werden (Motive S. 36). Ähnlich ist die Verfügungsbeschränkung des Erben, welche mit der An­

ordnung des Nachlaßverwaltung eintritt: § 1984 BGB. bestimmt im Anschluß an §§ 6 ff. KO. zunächst im Satz 1, daß der Erbe die Befugnis verliere, den Nachlaß zu verwalten und über ihn zu verfügen, erklärt dann im Satz 2 die 88 7, 8 n. F. für entsprechend anwendbar und trifft demnächst im Satz 3

und Absatz 2 Bestimmungen über die Geltendmachung von Nachlaßforderungen und die Zulässigkeit von Vollstreckungsakten. Ferner ist ähnlich die durch die Nacherbschaft begründete Verfügungsbeschränkung, welche als Ausnahme von der Regel des 8 2112, daß dem Vorerben das Recht zur Verfügung über die Nachlaßgegenstände zusteht, in den 88 2113—2115 bestimmt ist: die gegen das Verfügungsgebot in diesen Ausnahmefällen verstoßende Ver­

fügung des Vorerben ist im Falle des Eintritts der Nacherbsolge insoweit unwirksam, als sie das Recht

des Nacherben vereiteln

oder beeinträchtigen würde. Anders verhält es sich dagegen mit der durch die Ernennung eines Vollstreckers gemäß 88 2205, 2211 begründete

Verfügungsbeschränkung des Erben: 8 2211 entzieht dem Erben das Recht

zur Verfügung über einen der Verwaltung des Vollstreckers unterliegenden Gegenstand absolut und fügt nicht, wie es in den vorerörterten Fällen der Verfügungsbeschränkung geschehen ist, die Einschränkung hinzu, daß die verbotswidrige Verfügung nur gegenüber einer bestimmten Person,

besonders dem Vollstrecker, unwirksam sei; die verbotswidrige Verfügung des Erben ist hiernach allerdings unbedingt unwirksam und dem Erben fehlt

3. Rechte an Grundstücken.

BGB. § 893.

75

daher jedes Verfügungsrecht Düthe S. 2 1 9 47; anders Eccius S. 488).

Aus letzterem ergibt sich ebenfalls eine Bestätigung dafür, daß § 7 KO. eine

Einschränkung des im § 6 ausgesprochenen allgemeinen Grundsatzes der Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners enthält. Ist dies aber der Fall und hat die Konkurseröffnung danach hinsichtlich der demnächst vom Gemeinschuldner vorgenommenen Rechtshandlungen

nur die Wirkung, daß diese lediglich gegenüber den Konkursgläubigern un­

wirksam sind, im übrigen dagegen ebenso wie Verfügungen gegen ein Ver­ äußerungsverbot des § 135 in ihrer Wirksamkeit unberührt bleiben, so darf der Grundbuchrichter nicht die Vornahme von Eintragungen auf Grund von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners ablehnen, da eben der Gemeinschuldner zu den Rechtshandlungen nicht unbefugt ist (Güthe S. 215).

Der gleiche

Grundsatz hat aber auch dann zu gelten, wenn, wie vorliegend, auf Grund einer vom Gemeinschuldner schon vor der Konkurseröffnung vorgenommenen Rechtshandlung, einer Eintragungsbewilligung, von dem dadurch Berechtigten nach der Konkurseröffnung ein Eintragungsantrag gestellt wird, der den Erwerb eines Rechts am Grundstück zum Ziele hat; denn aus den §§ 7, 15 KO.

folgt, daß ein solcher Rechtserwerb nur den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam ist. Zu erfordern ist allerdings für die Zulässigkeit einer Eintragung nach der Konkurseröffnung auf Grund einer Rechtshandlung des Gemeinschuldners, entsprechend den nach dieser Richtung hinsichtlich der durch eine Nacherbschaft begründeten Verfügungsbeschränkung aufgestellten Grundsätzen (Jahrbuch 26 S- 264, 30 S. 216, 262), daß zuvor die Eröffnung des Konkurses in das Grundbuch eingetragen wird; denn mit Rücksicht auf den Schutz, welcher einem Rechtserwerb in gutem Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs

gewährt wird, muß den Konkursgläubigern die Möglichkeit gewahrt bleiben,

durch den Verwalter die Unwirksamkeit des auf Grund der Verfügung des Gemeinschuldners eingetragenen Rechts ihnen gegenüber auch gegen einen

dritten Erwerber des Rechts geltend zu machen, und dies geschieht durch

Eintragung des Konkursvermerks, und zwar soweit es sich um ein Recht am

Grundstücke handelt, in Abt. II, da hierdurch aus dem Grundbuche bzw. bei Briefhypotheken aus dem im Brief entsprechend zu übernehmenden Ver­

merk ersichtlich wird, daß das Recht den Konkursgläubigern gegenüber nicht wirksam ist (Jahrbuch 30 S. 268; a. A. Eccius S. 482). Vorliegend ist aber der Konkursvermerk bereits eingetragen.

Zu bemerken ist allerdings, daß, wenn die Rechtshandlung des Gemein­ schuldners die Löschung von Rechten des Gemeinschuldners zum Gegenstände

hat, die Eintragung des Konkursvermerks zum Schutze der Konkursgläubiger nicht genügt, da das Recht durch die Löschung aus dem Grundbuche völlig beseitigt wird, und daß daher, ebenfalls entsprechend den hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung durch Nacherbfolge nach dieser Richtung aufgestellten Grundsätzen (Jahrbuch 22 S. 315, 30 S. 262), zur Löschung die Genehmigung

des Konkursverwalters zu erfordern ist (Güthe S. 215). Hierauf beruht Auf sie aber beruft sich das Land­

die Entscheidung Jahrbuch 23 S. 242.

gericht zu Unrecht, da sie den vorliegenden Fall nicht betrifft.

Z.

k) Berichtigung durch Eintragung des Eigentümers. «) Kammergericht, XIV. ZS.

Urteil v. 26. April 1906.

Durch den notariell beurkundeten Vertrag, der ihnen die Erbteile der

sämtlichen Erben übertrug, ist das Eigentum an dem Nachlaßgrundstücke schon auf die Kläger übergegangen, ohne daß es der Auflassung bedarf.

Die

Beklagte kann sogar die verlangte Auflassung nicht mehr erteilen, weil sie nicht mehr Eigentümerin ist. Dagegen ist der Antrag, die Beklagte zu ver­ urteilen, in die Grundbuchberichtigung zu willigen, begründet. Allerdings könnte das Grundbuch schon auf Grund der notariellen Verträge berichtigt werden. Aber dazu ist noch ein Erbschein erforderlich, welcher nur auf Grund eidesstattlicher Versicherungen der Erben erteilt werden würde. Übrigens ist

das Verlangen, die Berichtigung zu bewilligen, schon deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte das Recht der Kläger zu dieser Berichtigung bestreitet.

ß} OLG. Stuttgart, I. ZS.

Beschluß v. 27. Juni 1906.

Die nach Bruchteilen als Eigentümer eingetragenen Beschwerdeführer A., B., C. und D. behaupten übereinstimmend, diese Eintragung sei un­

richtig, in Wirklichkeit gehöre das Grundstück seit 1880 zum Vermögen der

offenen Handelsgesellschaft A. & B. Der Berichtigungsantrag wurde zurück­ gewiesen, weil die beigebrachten Urkunden den Eigentumserwerb der Firma nicht genügend nachwiesen. Die weitere Beschwerde blieb erfolglos. Gründe: Nach der Denkschrift und dem Kommissionsberichte haben die Vorschriften über die Berichtigung des Grundbuchs (§ 21 Entw. der GrBO.), worüber der Entwurf von 1889 noch nichts enthalten hatte, nur den Zweck, eine Er­ leichterung deS Grundbuchverkehrs dadurch herbeizuführen, daß unter Ein­ schränkung des Konsensprinzips in gewissen Fällen des Berichtigungsverfahrens

eine Eintragung auch ohne Bewilligung desjenigen, deffen Recht von der

Berichtigung betroffen wird, also auch ohne dessen Anhörung, gestattet sein soll.

Dagegen ist im § 22 GrBO. nichts darüber bestimmt, unter welchen

Hierüber bestimmt § 19, übrigens nicht erschöpfend, sondern so, daß die genauere Begrenzung

Umständen einem Antrag auf Eintragung stattzugeben sei.

der Voraussetzungen nach Inhalt und Form den übrigen gesetzlichen Bestim­ mungen zu entnehmen ist. Irrig wäre es daher, aus dem Wortlaute des § 19 den Rechtssatz zu entnehmen, daß bei Bewilligung des Passivbeteiligten einem Antrag auf Eintragung ohne weiteres stattzugeben sei. Daß diese

Auslegung nicht richtig sein kann, ergibt sich schon aus § 20.

Hieraus ergibt

sich aber für den hier vorliegenden Fall, in dem die eingetragenen Eigentümer die Eintragung eines anderen Eigentümers an ihrer Stelle bewilligen und

beantragen und die einzutragende Eigentümerin die Eintragung bewilligt, die

Verpflichtung des Grundbuchamts, die Vornahme der beantragten Eintragung von einer Prüfung darüber abhängig zu machen, ob nicht der Fall einer

Auflassung vorliege. Kommt das Grundbuchamt bei dieser Prüfung zu dem Ergebnisse, daß der Einzutragende anders als durch ein unter den Beteiligten

vorzunehmendes Rechtsgeschäft, die Auflassung, nicht habe Eigentümer werden können, so genügt die erklärte Eintragungsbewilligung der Beteiligten nicht,

ist vielmehr demungeachtet Vornahme der Auflassung oder, falls solche zu

anderer Zeit oder vor einer anderen Behörde bereits erfolgt wäre, der Nach­

weis dieses Rechtsgeschäfts zu verlangen. Hieraus ergibt sich aber weiter, daß auch der § 222 nicht den Sinn haben kann, bei Übereinstimmung aller Beteiligten dem Grundbuchamte die Prüfung der Frage, ob nicht der Fall einer Auflassung vorliege, unter allen Umständen abzunehmen oder gar zu untersagen. Im § 222 ist nur die für das Berichtigungsverfahren durch Abs. 1

geschaffene Erleichterung eine Umgehung desjenigen, dessen Recht von der

Berichtigung betroffen wird, eingeschränkt und für unanwendbar auf Fälle der Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigentümers oder eines Erbbauberechtigten erklärt (Kom.Bericht S. 119). Nun machen aber die Beschwerdeführer geltend, ein Fall der Auflaffung stehe nicht in Frage, der von ihnen behauptete Eigentumswechsel sei unter

früherem Rechte durch Eigentumsübergabe erfolgt, das Grundbuch also durch diese unter den damaligen Beteiligten vollzogene Rechtsänderung unrichtig

geworden und nunmehr entsprechend der wirklichen Rechtslage

richtig zu stellen; da alle Beteiligten darüber einig seien, daß die Eigentumsübergabe erfolgt sei, und übereinstimmend und in gesetzlicher Form den Willen ge­ äußert haben, daß das Grundbuch berichtigt werde, so sei das Grundbuch­

amt nicht befugt, noch einen anderweitigen Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs zu verlangen. Diese Ausführung ist nicht richtig. Es ist dabei

übersehen, daß ein Berichtigungsverfahren (um das es sich hier unstreitig handelt) begrifflich den Nachweis in sich schließt, daß der vorhandene Ein­ trag im Grundbuch unrichtig und der verlangte neue Eintrag richtig ist. Dies folgt ohne weiteres aus der Einrichtung und dem Zwecke des Grund­ buchs, das nach § 872 öffentlichen Glauben genießt und, um solches Ver­

trauen zu verdienen, die Bestimmung hat, die Rechte am Grund und Boden

richtig und vollständig nachzuweisen (Motive 3 S. 208, 234).

Wenn sich

also der Grundbuchbeamte von der Richtigkeit eines Vorbringens Beteiligter

nicht zu überzeugen vermag, so darf er nicht bestehender Zweifel ungeachtet oder gar im Widersprüche mit einer gegenteiligen Überzeugung eine Ein­

tragung löschen und dafür eine neue Eintragung machen, die er nicht für Dies darf er selbst dann nicht tun, wenn alle Beteiligten über­ einstimmend Löschung und neue Eintragung verlangen und darüber einig

richtig hält.

sind, daß der verlangte Eintrag richtig ist.

Doch ist hierbei je nach der

Grundlage einer beantragten Eintragung ein Unterschied zu. machen. Gründet sich eine beantragte Eintragung auf solche Erklärungen, deren Verlautbarung,

sei es daß sie vor dem Grundbuchamt oder außerhalb erfolgt sind, eine Änderung eingetragener Rechte nach sich zu ziehen geeignet ist, so wird dem

Grundbuchbeamten für die Regel (roenn er nicht etwa Anlaß hat, die Zu­ rechnungsfähigkeit des Erklärenden in Zweifel zu ziehen u. dgl.) der Anlaß

entzogen sein, in den Eintritt der behaupteten Rechtsänderung Zweifel zu

setzen. Anders wenn die Angaben der Beteiligten nicht sowohl Erklärungen mit rechtsändernder Kraft als vielmehr bloße Aussagen über Wahrnehmungen von Vorkommnissen darstellen.

Derartige Angaben wird der Grundbuch­

beamte mit um so größerer Behutsamkeit prüfen, wenn mit der Möglichkeit eines Irrtums oder gar einer beabsichtigten Irreführung zu rechnen ist.

Hier­

nach wird wohl in der Mehrzahl der Fälle eines Berichtigungsoerfahrens

durch die übereinstimmende Erklärung aller Beteiligten die Unrichtigkeit des vorhandenen Eintrags im Grundbuch und die Richtigkeit des beantragten

neuen Eintrags ohne weiteres dargetan sein.

Dies ist nicht allein der Fall,

wenn ein Empfangsbekenntnis oder eine Abtretungserklärung des eingetragenen Hypothekengläubigers und dergleichen Erklärungen vorliegen, sondern es kann

auch dann vorkommen, wenn die Berichtigung des Grundbuchs durch Ein­

tragung eines Eigentümers beantragt ist (§ 222 GrBO.). So z. B. wenn in­ folge Ausscheidens eines Gesellschafters die nach § 738 eingetretene Rechts­ folge einer Änderung in den Personen, denen das Eigentum an einem zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücke zusteht, durch Berichtigung des Grundbuchs zum Eintrag kommt (Kretzschmar, ZBl. für FrG. 2 S. 630), oder auch wenn infolge Verwechselung gleichnamiger Grundbesitzer ein un­ richtiger Eigentümer eingetragen ist und nun unter Verdeutlichung der bei dem Veräußerungsgeschäfte gebrauchten Namensbezeichnungen durch Er­ klärung aller Beteiligten die Richtigstellung herbeigeführt werden soll. Ein

Fall solcher oder ähnlicher Art scheint der Entsch. des OLG. Colmar vom 15. Juni 1904 (Rsp. 9 S. 332) zugrunde gelegen zu haben, während in den Beschlüssen des Kammergerichts v. 21. Januar 1901 (RIA. 2 S. 48),

4. Februar 1901 u. 22. Dezember 1902 (Rsp. 2 S. 410, 6 S. 114) die Sach­ lage, obwohl zum Teil Urteile auf Grund des § 894 vorlagen, noch eine weitere Prüfung durch den Grundbuchrichter erheischte. Daß Colmar in diesen Fällen abweichend entschieden haben würde und am 15. Juni 1904

den Satz aufgestellt habe, bei vorliegender Zustimmung sowohl des ein­

getragenen als des einzutragenden Eigentümers sei die beantragte Eintragung des neuen Eigentümers unter allen Umständen und ohne Prüfung der wirk­ lichen Sach- und Rechtslage vorzunehmen, ist ungeachtet der verallgemeinern­ den Wendungen in dieser Entscheidung schon im Hinblick aus § 20 GrBO. nicht anzunehmen.

Hiernach kommt eine Abweichung von dieser Entscheidung

nicht weiter in Frage, wenn bei der vorliegenden Beschwerde auf Grund obiger Darlegungen über die §§ 19, 22 GrBO. übereinstimmend mit dem Kammer­

gerichte davon ausgegangen wird, daß das Beschwerdegericht ungeachtet der von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen mit Recht eine Prüfung darüber angestellt hat, ob die Angaben der Beteiligten über die Sach- und Rechts­ lage der Wahrheit entsprechen.

H.

3. Auflassung.

BGB. § 925.

79

1) Antrag anf Eigentumseintragung „zum künftigen eheliche« Ge­ samtgut". BGB. § 9252. Bayer. Oberstes Landesgericht, I. ZS.

Beschluß v. 5. Juli 1906.

36. verkaufte an die Brautleute A. und B., die durch Ehevertrag Er­

rungenschaftsgemeinschaft vereinbart hatten, ein Grundstück „zu deren künftigem

ehelichen Gesamtgut".

Der Verkäufer bewilligte und beantragte, „daß die

Käufer als Eigentümer der Liegenschaft zu ihrem künftigen ehelichen Gesamt­

gut eingetragen werden"; die Käufer stellten denselben Antrag.

tragung wurde abgelehnt, weil die Auflassung bedingt erklärt sei.

Die Ein­

Die weitere

Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat mit Recht die Einigung der Beteiligten über den Übergang des Eigentums, die in der Form der Eintragungsbewilligung und des Eintragungsantrags wirksam erklärt werden konnte (Entsch. d. RG. 54 S. 378, RIA. 5 S. 105), dahin verstanden, daß die Käufer nicht sofort als Brautleute Eigentümer werden sollten, sondern das Grundstück einst­

weilen im Eigentum des Verkäufers verbleiben und erst dann auf die Käufer

übergehen sollte, wenn mit der Eheschließung die Errungenschastsgemeinschaft in Kraft getreten war und damit die Möglichkeit eines unmittelbaren Er­ werbes für das Gesamtgut bestand.

Hätten die Brautleute das Grundstück

sofort als Miteigentümer erworben, so würde es, um das Grundstück zu einem

Bestandteile des Gesamtguts der Errungenschaftsgemeinschaft zu machen, einer neuen Auflassung und Eintragung bedurft haben. Das sollte durch die Ver­ einbarung vermieden werden, daß der Übergang des Eigentums aufgeschoben

bleibe, bis das Grundstück aus dem Eigentum des Verkäufers unmittelbar in das Gesamtgut übergehen konnte. Damit wurde die Wirksamkeit der Auf­ lassung willkürlich von dem Eintritt eines künftigen ungewissen Umstands, von einer Bedingung im Sinne des § 1581 abhängig gemacht. Für das Entstehen eines Gesamtguts ist allerdings der Eintritt der Gütergemeinschaft und damit die Eheschließung nicht rechtsgeschäftliche Bedingung, sondern be­ griffliche Voraussetzung, die Übertragung des Eigentums an einem Grund­ stücke hat aber begrifflich mit der Eheschließung und dem Eintritt einer ehe­ lichen Gütergemeinschaft keinen Zusammenhang, in rechtlichen Zusammenhang

damit kann sie nur willkürlich durch rechtsgeschäftliche Bestimmung gebracht werden. In welchen Worten die Bedingung ausgedrückt wird, ob geradezu die sprachliche Form der Bedingung gebraucht oder eine Fassung gewählt wird, die die Verweisung auf den künftigen ungewissen Umstand nur mittel­ bar entnehmen läßt, ist belanglos. Die bedingt erklärte Auflassung ist nach § 9252 unwirksam und kann daher auch nach dem Eintritte der Bedingung

nicht die Grundlage einer Eintragung bilden (Güthe 1 S. 45039). Die Entsch des OLG. Colmar vom 23. Januar 1906 (Els.-Lothr. Not-

Ztschr. 1906 S. 63) hat einen Fall zum Gegenstände, der sich gerade in dem Umstande, den das Gericht für den wesentlichen erachtete, vom vorliegenden

Falle unterscheidet.

Brautleute halten vereinbart, daß das dem Bräutigam

mit der Eheschließung Bestandteil des Gesamtguts werden solle, und erklärten nun, „über Veräußerung und Erwerb einig zu

gehörende Grundstück

fein".

Daran schloß sich die Bewilligung und der Antrag, daß nach der

Eheschließung die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Gesamtgut in das Grundbuch eingetragen werde. Das OLG. hat in den Worten „Parteien erklären über Veräußerung und Erwerb einig zu sein" eine unbedingte Auslassung finden zu können geglaubt und nur die Eintragungsbewilligung und den Eintragungsantrag für bedingt erachtet. Vorliegend kommt eine solche Trennung der Einigung über den Übergang des Eigentums von der

Bewilligung und dem Anträge, deren Statthaftigkeit hier nicht zu untersuchen ist, nicht in Frage, weil die Beteiligten die Einigung nur in der Form der Bewilligung und des Antrags erklärt haben.

In solchem Falle hat auch

Colmar (Rspr. 5 S. 251) die Auflassung als bedingt und darum unwirksam angesehen.

Bei dieser Sachlage besteht kein Anlaß, die weitere Beschwerde

dem Reichsgerichte vorzulegen. m) Bedeutung des BGB. § 9292. Kammergericht, XIV. ZS. Urteil v. 26. November 1906.

D.

Die streitige Uferspundwand war nur zu einem vorübergehenden Zwecke

mit dem Grundstücke verbunden, also nach § 95 kein Grundstücksbestandteil. Zwar war der Kläger im Besitze der sonach als bewegliche Sache anzusehenden

Wand, als der Beklagte sie wegnahm.

Aber die Eigentumsvermutung des

§ 10072 wird hier dadurch widerlegt, daß das Eigentum des Beklagten an

der Wand bewiesen ist und kein Eigentumsübertragungsakt für den Vor­

besitzer des Klägers vorliegt. Die Wand war dem Kläger auch nicht nach § 929 als bewegliche Sache vom Vorbesitzer veräußert, sondern nur mit dem erworbenen Grundstück in seinen Besitz gelangt, ohne daß sie Gegenstand

eines auf Eigentumsübergang der beweglichen Sache gerichteten Rechtsgeschäfts

war. Deshalb kann sich der Kläger nicht auf Eigentumserwerb durch guten Glauben (§ 932) berufen. Auch nicht auf § 9262, weil die Spundwand kein Zubehör des Grundstücks war. Nach § 926 erwirbt der Erwerber mit dem Grundstücke nicht das, was er gutgläubig für Zubehör hält, sondern was wirklich Zubehör im Sinne der §§ 97, 98 ist, sofern er in gutem Glauben an das Eigentum seines Veräußerers erwirbt. Dr. S. n) Übertragung durch Abschluß eines Werkvertrags.

Kammergericht, XIV. ZS.

Urteil v. 12. Juli 1906.

Der Verkäufer hatte zwar dem Schneidemüller, bei dem die verkauften

Nußbaumblöcke lagerten, angewiesen, sie der Käuferin auf deren Wunsch auszu­ händigen; aber er hatte nicht seinen Herausgabeanspruch abgetreten. Die Über­ gabe kann aber auch dadurch ersetzt werden, daß der Erwerber mit dem Willen

des Veräußerers ein neues Besitzmittelungsverhältnis zwischen sich und dem, der die tatsächliche Gewalt über die Sache hat, begründet, daß er also zwar nicht durch Abtretung des Herausgabeanspruchs, aber durch Neuschöpfung eines solchen den mittelbaren Besitz an Stelle des, seinen eigenen mittelbaren

Besitz aufgebenden Veräußerers erlangt. Dazu würde genügen, wenn der Erwerber einen Werkvertrag mit dem bisherigen Fremdbesitzer einging, also dem die Blöcke verwahrenden Schneidemüller den Auftrag gab, sie für seine Rechnung in Bretter zu zersägen. Aber erkennbar muß zum Ausdrucke ge­ kommen sein, daß der Fremdbesitzer fortan den Käufer als seinen Besitzherrn

betrachten wollte, und daran fehlt es hier.

Der Schneidemüller weigerte sich,

die Blöcke der Käuferin herauszugeben, weil er von seinem bisherigen Besitz­

herrn Lagergeld beanspruchte, falls er nicht den üblichen Schneidelohn an den Blöcken verdienen könne.

Er machte also ein ihm gegen den Veräußerer zu­

stehendes Zurückbehaltungsrecht geltend und weigerte sich, vor Befriedigung

seines Anspruchs das bisherige Besitzmittelungsverhältnis aufzugeben. Darauf­

hin soll die Käuferin einem Angestellten des Schneidemüllers den Auftrag ge­ geben haben, die Blöcke nunmehr für Rechnung der Käuferin zu schneiden, was aber schließlich unterblieb, da der Kaufvertrag durch Willenseinigung der Vertragschließenden wieder aufgehoben wurde. Unter diesen Umständen brauchte eine Änderung des Eigentums und des Besitzverhältnisses um des Werkvertrags willen nicht einzutreten.

Denn die Blöcke konnten auch dann

für Rechnung der Käuferin geschnitten werden, wenn sie zunächst noch im Eigentum des Verkäufers blieben. Für den Schneidemüller war das jeden­ falls günstiger, weil ihm zweifelhaft sein konnte, ob er nicht sonst das ihm gegen den Verkäufer zustehende Recht verlor. Bleibt eine behauptete Besitz­ änderung zweifelhaft, so ist der Eigentumsübergang zu verneinen, weil die ihn behauptende Partei dann den ihr obliegenden Beweis nicht geführt hat. In den dinglichen Rechtsbeziehungen muß Klarheit herrschen, wenn das Ver­

kehrsleben nicht schweren Schaden leiden soll.... o) Dem öffentlichen Verkehr dienende Anstalt.

Dr. S.

Wann find Sachen

„verloren"? OLG. Hamburg. VI. ZS. Urteil v. 10. Mai 1906. Eine in den Geschäftsräumen der klagenden Deutschen Bank gefundene Banknote wurde auf Verlangen der beklagten Polizeibehörde dieser aus­ gehändigt. Die Klage auf Rückgabe drang durch. Gründe: Das Bankunternehmen der Klägerin stellt zweifellos eine „Anstalt", d. h. Sie ist

eine im großen betriebene Unternehmung (HGB. § 1 Nr. 5) dar.

aber auch eine dem öffentlichen Verkehre dienende Verkehrsanstalt.' Die §§ 978 ff. verdanken ihre Entstehung zunächst dem Zweifel darüber,

ob eine Sache, die in umfriedeten Räumen derart verblieben ist, daß der bisherige Inhaber den Gewahrsam nicht mehr, ein anderer aber den Ge­ wahrsam noch nicht hat, als verloren im Sinne des Fundrechts angesehen

und demgemäß gefunden werden kann.

Es erschien dies den Verfaffern des

1 Ebenso: Biermann § 978 Nr. 1, Crome, Dernburg 3 S. 360, Endemann 2 S. 572, Enneccerus-Lehmann 2 S. 193, Kohler in Holtzendorffs Encykl. 1 S. 611, Kuhlenbeck § 978 Nr. 1, Leske S. 427, Matthiaß 2 S. 76, Miiller-Meickel S. 775, Schneickert in Hirths Ann. 1904 S. 231, Staudinger § 978 Nr. lb. — Abweichend: Planck § 978 Nr. le, Männer, Sachenrecht 2. Ausl. S. 218. OMNI». XIV.

82

3. Fund.

BGB. 8 978.

I. Entw. keineswegs ausgeschlossen, aber gleichzeitig unbillig, daß derartige Sachen mit den gewöhnlichen Rechtswirkungen gefunden werden könnten, wenn

die Sachen sich in den Geschäftsräumen einer

dem öffentlichen Verkehre

dienenden Verkehrsanstalt befänden. Denn solche Räume pflegten einer besonderen organisierten Aufsicht zu unterstehen, welche die dort befindlichen Personen und Sachen unter ihren Schutz nehme. Eben diese Aufsicht bilde das den Verkehrs­

anstalten eigene Merkmal einerseits gegenüber dem allgemeinen Gebiet des ge­ wöhnlichen Findens, anderseits gegenüber den Privatgebieten und Privat­

räumen, in denen die darin befindlichen

Sachen

„bereits

einer gewissen

Detention unterstehen und nicht im eigentlichen Sinne gefunden werden können" (Motive 3 S. 387). Hiernach sollte maßgebend sein, daß ähnlich wie bei der öffentlich-rechtlichen Nutzung allgemein zugänglicher öffentlicher Anstalten, die

Inanspruchnahme dem Zwecke gemäß jedermann möglich ist und daß die An­ stalt einer dieser Öffentlichkeit und den mit ihr verbundenen Gefahren ent­ sprechenden geordneten Aufsicht untersteht.

Ob lediglich dies entscheidet oder

ferner hinzutreten muß, daß die Anstalt „zur Ermöglichung oder Erleichterung

der Erledigung von Geschäften des täglichen Lebens errichtet ist" (so Schneickert a. O.), in welchem Falle Theater, Ausstellungsräume u. dgl. zu den Ver­

kehrsanstalten nicht zu zählen wären (abw. Dernburg, Biermann, Ende­

mann), kann unerörtert bleiben, da jedenfalls Banken auch von der so ein­ geschränkten Begriffsbestimmung betroffen werden würden. I § 924 ist dann bei dessen zweiter Lesung unbeanstandet geblieben.

Die Redaktionskommission

hat nur den Ausdruck „öffentliche Verkehrsanstalt" durch den im Gesetze ent­

haltenen Ausdruck ersetzt, offenbar, weil unter öffentlichen Anstalten im all­ gemeinen solche des öffentlichen Rechts verstanden werden, und ohne daß an der Bedeutung des Ausdrucks hätte geändert werden sollen. Die Behauptung, daß mit der Bezeichnung nur solche Anstalten, welche ihrer Bestimmung nach Beförderungsmittel verwenden, zu verstehen seien (so Planck), findet also in den Erwägungen, die zu den §§ 978ff. geführt haben, keine Begründung. Im Gegenteil ist in den Motiven 3 S. 388 ausdrücklich ausgesprochen, daß

auch „Anstalten, deren eigentlicher Zweck nicht im Transporte besteht, vor­ kommen können" und daß deshalb die Transportmittel neben den Geschäfts­ räumen allgemein, nicht bloß in Beziehung auf Transportanstalten, erwähnt

wurden. Dem gegenüber würde die Terminologie anderer Gesetze (EG. Art. 125, GrBO. 890, HGB. §§ 453, 454, 473, GewO. 88 37, 105i) ohnehin nicht in Betracht kommen können (gegen Planck).

Aber ihr kann auch deshalb kein

Gewicht beigelegt werden, weil die beschränkte Bedeutung der an den be­ zeichneten Gesetzesstellen verwendeten Ausdrücke, wenn man vom § 105i GewO, absieht, durchweg in besonderer Weise gekennzeichnet ist.

Wohl aber ist dem

Sprachgebrauchs ebensosehr der Börsen-, Bank- und Fremdenverkehr, wie der

Wagen-, Personen- und Güterverkehr geläufig.

Daß die Regelung so erfolgt ist, wie sie sich in den 88 978 ff. darbietet, daß besonders der Versteigerungserlös event, nicht dem Finder oder der Ge-

meinde des Fundorts, sondern der Anstalt zufließt, hat offenbar darin seinen Grund, daß bei diesen Anstalten, wo eine gehörige, „organisierte" Aufsicht

über die dem Verkehr eröffneten Räume, so auch eine gehörige Aufbewahrung und weitere Behandlung der gefundenen Gegenstände vorausgesetzt werden

darf, und daß ihnen für die der Sicherheit des Verkehrs gebrachten Opfer und die mit der Aufbewahrung und Behandlung der gefundenen Sachen ver­

bundene Mühewaltung in der Aussicht auf den Eigentumserwerb ein billiger Diese Erwägung aber trifft auf die in den Geschäftsräumen einer Transportanstalt gefundenen Sachen ebenso zu, wie Gegenwert zu gewähren ist.

auf die in den Geschäftsräumen einer Bank gefundenen, und es würde daher auch z. B. kaum verstanden werden, wenn derjenige, der in den Geschäfts­ räumen einer Bank findet, Anspruch auf Finderlohn und Aussicht auf Eigen­ tumserwerb haben würde, während er, wenn er in den Geschäftsräumen

einer Straßenbahnunternehmung findet, leer ausgehen würde. Sollte die Klägerin zu den Verkehrsanstalten des § 978 nicht gehören, so können Sachen nicht in dem Zeitpunkte, in dem die Angestellten sie an sich nahmen, als „verloren" angesehen werden.... Zwar können auch in Räumen, die im Besitze von Privatpersonen stehen, Sachen verloren werden.

Denn

damit eine Sache als „verloren" gelte, wird genügen, daß der Gewahrsam,

in dem die Sache bisher gestanden hat, aufhört, daß diese Veränderung un­ absichtlich herbeigeführt wird, und daß sich nicht ein neuer Gewahrsam un­ mittelbar anschließt. Hört der Gewahrsam an einer Sache auf, während diese sich in den von einer Privatperson beherrschten Räumen befindet, so braucht sich nicht unmittelbar der Gewahrsam dieser Person anzuschließen. Aber von einem Gewahrsam wird dann keine Rede mehr sein können, wenn die Lage der Sache eine solche ist, daß sie nach der Anschauung des Verkehrs trotz ihrer Beziehung zu den beherrschten Räumen dem Herrschaftsbereich des

Inhabers der Räume entzogen ist.

Danach würde eine Reichsbanknote, die

sich etwa in ein Geschäftsbuch der Klägerin verirrt hätte, jedenfalls zunächst

nicht als verloren gelten können, während sie, wenn sie in einen Papierkorb geraten wäre, als verloren gelten müßte, es sei denn, daß der Verlust recht­ zeitig bemerkt und nach der Banknote gesucht würde, oder daß die Gepflogen­

heit bestünde, den Inhalt der Papierkörbe vor seiner Weggabe einer Durch­ musterung unterziehen zu lasten.

Die streitige Banknote ist in den für die Benutzung durch das Publikum bestimmten Räumen unter anderen als den

bezeichneten Umständen, freiliegend, vorgefunden worden.

schauung des

Nach der An­ Verkehrs war sie in diesem Zeitpunkt im Gewahrsam der

Klägerin, die in diesen Räumen durch ihre Angestellten eine geordnete Aufsicht ausüben läßt und mithin über alle in den Räumen als solchen sich befindenden

Gegenstände den Gewahrsam ausübt.

Der Dritte,

der

sich dieser Gegenstände etwa als „Finder" hätte bemächtigen wollen, würde sich eines rechtswidrigen Eingriffs in

die Herrschaftssphäre der Klägerin

schuldig gemacht haben (Endemann 2 § 35).

Wer den Gewahrsam an der 6*

3. Ansprüche aus dem Eigentum.

84

BGB. § 985.

Banknote zu haben ausgehört hatte, mochte sie zunächst als „verloren" betrachten; er würde, wenn er sich gemeldet und die Sache bei den Angestellten der Klägerin vorgefunden hätte, sich eines Besseren belehrt gefühlt haben. Handelte es sich aber nicht um eine „verlorene" Sache, so konnte sie auch nicht „gefunden" werden und die Polizeibehörde würde selbst dem angeblichen

„Finder", den Angestellten, gegenüber ein Recht auf den Besitz nicht haben geltend machen können.

Der Klägerin gegenüber aber würde die Polizei­

behörde den Besitz ohne rechtlichen Grund erlangt haben und müßte ihn, da

sie ihn auch „auf Kosten" der Klägerin erlangt hat, an diese abtreten. Würde es sich übrigens hier nicht um „verlorene" Sachen handeln, so

möchte hieraus gefolgert werden, daß auch § 978 keine Anwendung finden kann.

Denn wenn er auch nur von „Sachen" spricht, die in den Geschäfts­

räumen von Verkehrsanstalten „gefunden" werden, so können doch nicht alle

in den Beförderungsmitteln oder den Geschäftsräumen einer Behörde oder

Verkehrsanstalt befindlichen Sachen „gefunden" werden.

Vielmehr möchte

sich aus dem Zusammenhänge mit den vorhergehenden Vorschriften ergeben, daß auch in den Geschäftsräumen von Verkehrsanstalten nur „verlorene" Sachen in dem soeben festgestellten Sinne gesunden werden können.

Eine

solche Auslegung würde indessen dem Gesetzeszwecke, wie den Bedürfnissen des täglichen Lebens gleich wenig entsprechen. Das Gesetz will offenbar in denjenigen Fällen, in denen Sachen in den bezeichneten Räumen gefunden werden, diese Sachen ohne Rücksicht auf den durch den Raum als solchen bedingten Gewahrsam, etwa wie diejenigen betrachtet wissen, die auf dem „keiner speziellen Aufsicht unterstellten Gebiete des gewöhnlichen Findens"

gesunden werden (Motive 3 S. 387); und von diesem Standpunkt aus stellen sich die Sachen, deren Herausgabe die Klägerin verlangt, zwar nicht im Sinne

der §§ 965—977, wohl aber im Sinne der §§ 978ff. BGB. als verlorene und deshalb findbare Sachen dar (Eger, Bayer. Z. für Rechtspfl. 1 S. 140; Hilfe, Eisenb. Entsch. 16 S. 165). M. M.

p)

Klage auf Feststellung des Eigentums.

BGB. § 985.

OLG. Karlsruhe, IV. ZS. Urteil v. 5. Oktober 1906. Der Kläger begehrt Anerkennung seines Eigentums an dem Gelände­ flreisen und muß deshalb sein rechtliches Interesse an dieser Feststellung dartun, daß also der Beklagte das Recht verletzt oder daß es doch durch dessen Verhalten in seinem Bestand oder in seiner Ausübung gefährdet er­ scheint (IW. 1899 S. 336’; Seuffert 59 S. 114; Gaupp-Stein, ZPO.

S. 256 III la).

Ein solcher Eingriff liegt nicht vor.

etwa das Eigentumsrecht für sich beansprucht.

Der Beklagte hat nicht

Er begehrt nur ungehinderte

Fahrt über den Geländestreifen und deshalb Entfernung des vom Kläger

darauf aufgesetzten Holzes, indem er diesen Anspruch damit begründet, daß dieses Gelände zum öffentlichen Weg gehöre, und das Eigentumsrecht des

Klägers nur insoweit bestritten hat, als nicht daneben die Zugehörigkeit des

Grundstücks zum öffentlichen Weg bestehen könnte, und eventuell damit, daß

ihm ein ersessenes Notwegrecht zustehe. Es ist aber die herrschende Rechts­ ansicht und auch in der Entscheidung des Ministeriums des Innern in dieser Sache anerkannt, daß ein Grundstück im Privateigentum stehen und gleichwohl

daneben die Eigenschaft eines öffentlichen Weges haben kann. Der Beklagte hat also durch die erste Begründung des von ihm als Kläger im Vorprozeß geltend gemachten Anspruchs das Eigentum des nunmehrigen Klägers nicht angegriffen, ebensowenig aber durch die zweite ein Notwegrecht behauptende

Begründung. Gegenüber dem letzteren Angriff hätte der Beklagte im Vor­ prozeß (jetzige Kläger) höchstens ein rechtliches Interesse, seinen Gegner auf Anerkennung der Freiheit seines Eigentums zu belangen, und diesem etwaigen Interesse hätte er durch Erhebung einer Widerklage im Vorprozeß genügen

können, die jedoch als überflüssig erscheint, da schon durch die Entscheidung über die Klage im Vorprozeß über das angebliche Notwegrecht zu erkennen ist. Da sonach die Entscheidung des Vorprozeffes von dem Bestehen oder Nichtbestehen des vorliegend geltend gemachten Eigentumsrechtes nicht abhängt,

so kann auch der (zu Unrecht erlassene) Aussetzungsbeschluß des Landgerichts das angebliche Interesse für die Erhebung der gegenwärtigen Klage nicht be­ gründen; es bleibt den Parteien überlassen, eventuell im Wege der Beschwerde (8 252 ZPO.) die Beseitigung jenes Beschlusses herbeizuführen. Dr. E.r.

g) Übertragung des Miteigentums an Miteigentümer. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 16. März 1906.

Wie die Motive 3 S. 437 hervorheben, kommt dem Rechte des einzelnen Teilhabers der Gemeinschaft die Bedeutung als selbständiges Eigentum und nicht etwa als eines, sich neben das Eigentum stellenden und es belastenden Rechtes zu, und deshalb finden auch alle Vorschriften über Eigentum auf die einzelne Miteigentumsquote Anwendung. Überträgt der Teilhaber einen Bruchteil des ihm am Grundstücke zustehenden Miteigentums auf einen anderen Teilhaber der Gemeinschaft, so führt dieser Rechtsvorgang eine Veränderung in dem Eigentum am Grundstück herbei, er scheidet bezüglich dieses Bruchteils aus der Gemeinschaft aus und an seine Stelle tritt der andere Gemeinschafts­

teilhaber als Eigentümer dieses Bruchteils. Gemäß § 48 GrBO. sind auch bei dem Übergange eines Bruchteils von dem einen auf einen anderen Mit­

eigentümer die Eintragungen in das Grundbuch entsprechend abzuändern. M. M. r) Erbbaurecht zur Anlegung einer Bahn ans einzelnen Parzellen «nb mit dem Borrang vor de« Hypotheken.

Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 25. Mai 1905.

Der Grundeigentümer hat an bestimmt bezeichneten Parzellen ein Erb­

baurecht zur Herstellung eines Bahnkörpers und Legung einer Schienenleitung

für den Betrieb einer elektrischen Bahn eingeräumt.

Im Vertrag war ver­

einbart, daß, da für die Bahnanlage nur ein Streifen Landes erforderlich sei, dessen Größe noch festzustellen und der für die Zwecke der Bahn nicht

gebrauchte Teil der Parzellen auf Erfordern der Interessenten von der Haf­ Ferner sollte dem Erbbaurecht

tung für das Erbbaurecht freizumachen sei.

3. Erbbaurecht.

86

BGB. § 1012.

der Vorrang vor den Hypotheken verschafft werden. Die Hypothekengläubiger haben der Gesellschaft hinsichtlich ihres Erbbaurechts „an dem zur Bahn erforderlichen Landstreifen" den Vorrang eingeräumt.

Das Erbbaurecht ist

sodann in Abt. II eingetragen; dagegen wurde die Eintragung der Vorrechts­

einräumung abgelehnt, weil der Landstreifen, an dem das Erbbaurecht bestellt Die weitere Beschwerde wurde zurück­

werden solle, nicht genau bezeichnet sei.

gewiesen.

Gründe:

Die Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht in der Weise, daß demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das vererbliche und veräußerliche Recht zustehen soll, auf dem Grundstück eine Gleisanlage

zu haben, unterliegt rechtlich keinem Bedenken (Rsp. 10 S. 412).

Zur Be­

lastung des Grundstücks ist erforderlich, daß die Einigung des Grundstücks­

eigentümers und des Erwerbers bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile

vor dem Grundbuchamt erklärt und das Recht des Erwerbers auf dem Grundbuchblatte eingetragen wird (vgl. §§ 1015, 873). Soll nur ein Teil

mit dem Erbbaurechte belastet werden, so ist er vom Grundstück abzuschreiben Wenn

und als selbständiges Grundstück einzutragen (vgl. § 6 Satz 1 GrBO.).

das Gesetz die Belastung mit einer Dienstbarkeit oder Reallast ausnahms­ weise auch ohne Abschreibung des Teils zuläßt, sofern hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist, so gestattet dies die Ausdehnung auf Erbbaurechte nicht (vgl. ißrebarilld zu 8 6 GrBO.; Fuchs 3 zu § 1012 BGB.; TurnauFörster"3 zu § 6 GrBO.).

Der § 6 GrBO. hat zwar nur die Bedeutung

von Ordnungsvorschriften, und eine unter ihrer Verletzung erfolgte Eintragung ist nicht materiell ungültig (vgl. IW. 1905 S. 319°), für den Grundbuch­

richter sind sie aber gleichwohl maßgebend, und ihre Nichtanwendung kann

von den Beteiligten nicht gefordert werden.

In Preußen erfolgt die Ab­

schreibung eines Grundstücksteils unter den in § 30 der Allg. Vers, vom 20. November 1899 (vgl. § 96 GrBO.) gegebenen Voraussetzungen, also grund­

sätzlich nur dann, wenn der Grundstücksteil katastermäßig zur Darstellung gelangt ist. Der Grundbuchrichter hätte sich indes, wie er dies getan, nicht darauf beschränken dürfen, in den einzelnen Eintragungsvermerken der Abt. II die belasteten Parzellen nach ihrer Katasterbezeichnung aufzuführen, sondern er hätte in Beobachtung des § 61 GrBO. die Parzellen von den Grund­ stücken abschreiben und sie als selbständige Grundstücke eintragen müssen.

Grundsätzlich ist der § 6 Satz 1 so auszuführen, daß für den zu belastenden Grundstücksteil ein neues Blatt angelegt wird (vgl. § 3).

Da jedoch über

mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, die im Bezirke desselben Grund­

buchamts belegen sind, ein gemeinschaftliches Blatt geführt werden kann, so­ lange hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist, so bedarf es der Anlegung eines neuen Blattes regelmäßig nicht, vielmehr kann die Abschreibung des Teiles in der Weise erfolgen, daß nunmehr dieser Teil und der Rest auf dem

bisherigen Blatt als selbständige Grundstücke nebeneinander geführt werden (vgl. § 83 Ziffer 4 Allg. Verf. vom 26. November 1899; Denkschr. zu § 6;

s. Erbbaurecht.

Turnau-Förster zu § 6).

BGB. § 1012.

87

Vorliegend durfte der Grundbuchrichter, da Ver­

wirrung nicht zu besorgen war, den letzteren Weg wählen.

Diesen hätte er

aber nach § 6 Satz 1 auch einschlagen muffen, und er wird, da die Voraus­ setzungen für die Abschreibung unbedenklich gegeben sind, das Versäumte nachzuholen haben.

Was sodann die Vorrechtseinräumung anlangt, so ist die Ausführung der Beschwerdeführerin, daß ihr das Erbbaurecht grundbuchmäßig an den be­

lasteten Parzellen, materiellrechtlich dagegen nur an den für die Bahnanlage erforderlichen Teilen dieser Parzellen zustehe, irrig. Im Vertrage ist ihr das Erbbaurecht schlechthin an den bezeichneten Katasterparzellen eingeräumt worden,

und sie hat nur den Eigentümern gegenüber die obligatorische Verpflichtung übernommen, diejenigen Teile der ihr dem ganzen katastermäßigen Umfange

nach dinglich verhafteten Parzellen, welche sich als für die Bahnanlage nicht notwendig Herausstellen sollten, von der Haftung künftig wieder freizugeben. Die Beschwerde verwechselt offenbar die materiellrechtliche mit der realen Be­

lastung.

Die letztere braucht sich nicht notwendig auf das ganze Grundstück

zu erstrecken (vgl. § 1013), das Erbbaurecht kann vielmehr seiner Ausübung nach auf einen realen Teil des Grundstücks beschränkt sein. Dagegen ergreift die rechtliche Belastung das Grundstück in seiner ganzen Ausdehnung, und dies zeigt sich namentlich im Fall einer Zwangsversteigerung des Grundstücks und des dadurch herbeigeführten Erlöschens des Erbbaurechts, indem nämlich

dann der Anspruch des Erbbauberechtigten sich auf den Erlös des ganzen Grundstücks erstreckt (vgl. Planck zu § 1012 Anm. 2; Kretzschmar ZBl. für FrG. 3 S. 435; vgl. auch Fuchs § 1012 Anm. 3). Soll künftig die recht­ liche Belastung der im obligatorischen Vertrage und in Übereinstimmung

hiermit bei der der Eintragung vorausgegangenen dinglichen Einigung als verhaftet bezeichneten Parzellen auf denjenigen Realteil dieser Parzellen be­

schränkt werden, welcher für die Ausübung des Erbbaurechts erforderlich ist, so kann dies nur in der Weise geschehen, daß von den Parzellen je der be­ lastet bleibende Teil abgeschrieben und als selbständiges Grundstück eingetragen wird (Jahrbuch 21 S. 112). Zur Freischaffung der für die Bahnanlage nicht

erforderlichen Parzellenteile vom Erbbaurechte bedarf es außerdem einer be­

glaubigten Freigabeerklärung der Beschwerdeführerin, oder ihrer rechtskräftigen Verurteilung zu deren Abgabe. Es mag richtig sein, daß die Eigentümer ihre ganzen, als belastet bezeichneten Parzellen nur deshalb dem Erbbaurecht unterworfen haben, weil sich zurzeit die Bestellung des Rechts nicht anders ermöglichen ließ und weil sie mit der tunlichst baldigen Wiederfreistellung der entbehrlichen Parzellenteile rechneten.

Allein hieraus folgt nicht, daß die

Gläubiger gleichfalls nur die Absicht gehabt haben könnten, einstweilen hin­ sichtlich der ganzen vom Erbbaurecht ergriffenen Parzellen mit ihren Hypo­

theken zurückzutreten. Für sie bedeutet die ihnen im Range vorgehende Be­ lastung der ganzen Parzelle mit dem Erbbaurecht eine wesentliche Erschwerung gegenüber der ihnen vorgehenden Belastung nur eines realen Teiles (§ 44 ZwVG.),

und daher ist es nicht rechtsirrtümlich (vgl. § 78 GrBO., § 133 BGB.), wenn das Landgericht die Erklärung der Gläubiger als eine nicht die ganze Par­ zelle, sondern nur den Landstreifen betreffende Vorrechtseinräumung aufgefaßt hat. Dem Wortlaute nach sollte nur der zur Ausübung des Erbbaurechts erforderliche Teil der Parzelle dem Vorrechte preisgegeben werden, und der Behauptung, daß dem Sinne nach die ganze Parzelle gemeint sei, steht gerade

der Umstand entgegen, daß im Vertrage die rechtliche Beschränkung des Erb­

baurechts auf den erforderlichen Landstreifen in Aussicht genommen war.

Die

Absicht der Gläubiger kann sehr wohl dahin gegangen sein, daß die Bor­

rechtseinräumung erst nach Freischaffung der für das Erbbaurecht nicht er­ forderlichen Parzellenteile eingetragen werden sollte. Demnach kann die Ein­ tragung der Vorrechtseinräumung so lange nicht erfolgen, als nicht diejenigen

Paiyellenteile, an denen der Beschwerdeführerin das Vorrecht zustehen soll, von den Parzellen abgeschrieben und als selbständige Grundstücke eingetragen worden sind.

Denn die Einräumung eines Vorrechts unter Beschränkung auf

einen realen Grundstücksteil steht der Belastung dieses Teils mit einem Rechte

für die grundbuchmäßige Behandlung vollkommen gleich (vgl. Jahrbuch 15 S. 134; Predari Sinnt. 7; Fuchs-Arnheim Sinnt. 6; Turnau-Förster Sinnt. A II 7 ju § 6; Oberneck 1 S. 83); es kommt sogar hierbei in Be­

tracht, daß nicht nur die vortretende, sondern auch die zurücktretende Post die Eintragung der belasteten Teile als selbständiger Grundstücke erfordert. Ls. s) Unzulässigkeit einer beschränkten persönliche« Dienstbarkeit für eine bestimmte Person und zugleich für deren Rechtsnachfolger.

Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 27. September 1906. Die Ausbeute von Bodenerzeugniffen kann den Gegenstand einer be­ schränkten persönlichen Dienstbarkeit bilden. Diese aber ist ihrem Wesen nach an eine bestimmte natürliche oder juristische Person als Berechtigte geknüpft; mit dem Tode bzw. dem Untergange dieser Person erlischt gemäß §§ 10902, 1061 die Dienstbarkeit. Die Folge dieses Erlöschens ist, daß nicht ein und dieselbe Dienstbarkeit auf die Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger der be­ rechtigten Person übergehen und für diese Personen weiter fortdauern kann.

Es ist auch unzulässig, dieselbe Dienstbarkeit für mehrere Personen nach­ einander zu bestellen, denn tatsächlich würde in einer solchen Bestellung die von vornherein für den Fall des Wegfalls des Erstberechtigten erklärte Über­ tragung des Rechts auf den Zweitberechtigten liegen, und nach § 1092» gilt der Grundsatz, daß eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht übertragbar

ist.

In dieser Hinsicht kann zur Erreichung des erstrebten Zweckes als zu­

lässiges Mittel nur dienen, daß der Besteller der Dienstbarkeit die persön­ liche Verpflichtung übernimmt, gegebenenfalls eine der Dienstbarkeit des Erst­

berechtigten gleichartige Dienstbarkeit für den Nachfolger zu bestellen. Daraus

folgt, daß eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nur für eine bestimmte einzelne Person eingetragen werden kann, nicht zugleich auch für andere Per­ sonen, die eventuell als Berechtigte an die Stelle des Erstberechtigten treten

3. Rentengutsbildmig.

EG. zum BGB. Art. 62.

89

sollen, insbesondere auch nicht zugleich für die Erben oder sonst in die Rechte

des dienstbarkeitsberechtigten Nachfolgenden sRsp. 10 H. begründen. Die Gesellschaft ist sodann in das Handelsregister eingetragen, und auf dem am Kontor befindlichen Firmenschild der alten Firma sind die Buchstaben G. m.

b. H. beigefügt worden.

Alles das sind aber keine untrüglichen Beweise dafür,

daß sich die Gesellschaft auch tatsächlich im Besitze der Pfandstücke bzw. des Platzes, auf dem sie bei der Pfändung lagen, befunden habe.

Allerdings

werden nach Anschauung des Verkehrs die Firmenschilder auch als Besitz­

zeichen angesehen, und für normale Verhältnisse müssen sie auch im Rechts­ verkehr als solche Beachtung finden. Hier liegen aber nicht normale Ver­ hältnisse vor. Der Eigentümer hatte den Platz nur an den Schuldner­ vermietet. Dieser ist aber nach 8 549 BGB. ohne die Erlaubnis jenes nicht zur Weitervermietung berechtigt. Auf Grund welchen Rechtstitels sich die

G. m. b. H. ohne Einverständnis des Vermieters das Benutzungsrecht hat aneignen können, erhellt nicht. Der Gesellschaftsvertrag legt den dringenden Verdacht nahe, daß der Schuldner nur zum Schein eine G. m. b. H. gegründet Bei dieser eigenartigen Sachlage ist nicht unzweifelhaft dargetan, daß die G. m. b. H. sich am Tage der Pfändung wirklich im Besitze der Pfand­ stücke befunden, und daß der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung gegen Vor­ hat.

schriften der ZPO. verstoßen habe.

Dr. P.

u) Agenten fallen unter § 811 Nr. 5 ZPO. Kammergericht, VIII. ZS.

Beschluß v. 2. März 1907.

Die Vorschrift des 8 811 Nr. 5 ZPO. hat gegenüber dem früheren 8 71k>* ZPO. eine erhebliche Erweiterung erfahren und zwar zu dem Zwecke, die aus der Enge des bisherigen Rechts erwachsenen Härten zu mildern. Die

Rechtswohltat des Gesetzes wird ohne gesetzliche Hervorhebung bestimmter

Berufsarten allen Personen zugebilligt, die aus Handarbeit oder sonstigen Eine persönliche Leistung ist eine solche, die der Schuldner in Person auszuführen pflegt; dies trifft für

persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen.

die gewöhnliche und hauptsächliche Tätigkeit eines Agenten zu; entscheidend

hierbei ist, daß die persönliche Leistung, die die Hauptsache der Erwerbstätig­ keit ausmacht, eine größere Bedeutung beansprucht, als die geschäftlichen Einrichtungen, Anlagen u. dgl., die einen Gewerbetreibenden über den Kreis der hierher gehörigen Personen hinausheben und zum Unternehmer

stempeln würden. Auch aus der Tätigkeit, die ein Agent gemeinhin zu entwickeln pflegt,

ist

kein Grund

Rsp. 7 S. 308). OLGRsv. XIV.

gegen

die Anwendbarkeit der Nr. 5 zu entnehmen (vgl.

sDaher Freigabe des gepfändeten Schreibtisches.^ 14

Dr. P.

v) Schnldbefreien-e Wirkung der Hinterlegung trotz prozessualer Mängel der Borpfäadnng. a) OLG. Dresden, II. ZI.

Beschluß v. 17. September 1906.

Hätte die Vorpfändung den Voraussetzungen des § 845 entsprochen, so würde die Hinterlegung der Schuldsumme bei dem vom Hinterleger unstreitig erklärten Verzichte auf das Rückforderungsrecht nach §§ 372, 376, 378 BGB. gegenüber der Gläubigerin schuldbefreiend gewirkt haben und damit die von ihr angefochtene vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 767,

769 ZPO. gerechtfertigt sein. Die zivilrechtliche Schuldbefreiung im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner hängt indessen nicht ausschließlich von der

Beobachtung der zivilprozessualen Erfordernisse seitens des außerhalb dieses

Verhältniffes stehenden Vorpfändenden ab, vielmehr kann sie sehr wohl selbst dann eintreten, wenn es hieran mangelt. Denn die Hinterlegung als Er­ füllungsbehelf ist eine selbständige Rechtseinrichtung mit eigenen, den zivil­ prozessualen Bestimmungen an sich unabhängigen Rechtswirkungen.

§ 372

BGB. gewährt die Hinterlegungsbefugnis auch dem Schuldner, der infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewißheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ein solcher Fall liegt hier vor. Erwägt man, daß der in den Rechten nicht eingehend bewanderte Schuldner die Pfändungsankündigung von einem Rechts­ anwälte

wegen

dessen Gebührenanspruchs mit der Inaussichtstellung

des

Arrestes zugefertigt erhielt, so durfte er davon ausgehen, daß der Ankün­

digende kraft seiner Berufstätigkeit zu dieser Maßregel lediglich dann verschritten sei, wenn ihm hierfür auch wirklich die Berechtigung zustände, also

insbesondere daß er einen vollstreckbaren Schuldtitel zur Hand habe. Ebenso­ wenig ist ihm als ein Verschulden anzurechnen, daß er die Hinterlegung vor­ nahm, obschon in der Ankündigung des Vorhandenseins eines derartigen Schuldtitels nicht gedacht war, ein Umstand, bezüglich dessen es übrigens

keineswegs außer Streit steht, ob er die Rechtswirksamkeit der Vorpsändung

beeinflusse oder nicht (Seuffert, ZPO. 2 S. 525; anderseits Petersen 2 S. 527, Gaupp-Stein 2 S. 607, Reincke S. 703, aus deren Schweigen hierüber auf die Verneinung zu schließen sein dürfte), noch auch, daß er bei dem

eiligen Vorgehen des Anwalts und bei der ihm bekannten Unnachsichtlichkeit seiner Gläubigerin, den die behauptete Forderung des ersteren übersteigenden Gesamtbetrag seiner Schuld in der Absicht, sich damit vor allen künftigen Wei­ terungen zu schützen, auf die Pfändungsankündigung hinterlegte und so zu­ gleich die Beschwerdeführerin sicherte. Die Hinterlegung bot demgemäß,

wenigstens soweit die gegenwärtige einstweilige Maßregel der §§767,769 in Be­ tracht kommt, hierfür aus §378 BGB. einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund dar. Unerheblich ist auch, ob der Pfändungsankündigung die endgültige Pfändung

rechtzeitig nachgefolgt ist. Denn wenn die Pfändungsankündigung die Hinterlegung rechtfertigte, so ist die Schuld des Hinterlegenden erloschen und die Beschwerde­

führerin hat sich mit dem oorpfändenden Anwälte auseinanderzusetzen. Or.v.F.

ß) § 8452 fordert eine dem Gesetze entsprechende Pfändung. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 7. Dezember 1906.

Der Kläger, dem die buchhypothekarische Forderung des A. gegen den Beklagten am 3. Januar schriftlich abgetreten und für den die Rechtsänderung am 20. Januar im Grundbuch« eingetragen war, hat am 10. Februar eine

durchaus begründete Klage erhoben, und der Beklagte, wenn er auch im ersten Termin den Klaganspruch anerkannte, hat dadurch die Klage veranlaßt, daß er vor Prozeßbeginn und sogar noch bis zum 15. Februar die Zahlung ver­ weigerte.

Er beruft sich zu Unrecht darauf, daß er, weil ihm die Firma 3E.

wegen einer Forderung von 1200 Mark am 18. Februar eine vorläufige

Benachrichtigung im Sinne des § 845 und am 1. Februar einen Pfändungs­ und Überweisungsbeschluß habe zustellen lassen, bis zum 15. Februar, an

welchem Tage jene Firma auf ihre Rechte aus der bisherigen Pfändung ver­ zichtete, zur Verweigerung der Zahlung berechtigt gewesen sei.

Die Zustellung

eines Beschluffes für sich allein mußte schon deshalb ohne Wirkung bleiben,

weil die Forderung, die von der Pfändung getroffen werden sollte, bereits am 20. Januar in aller Form auf den Kläger übergegangen war.

Die zwar

schon am 18. Januar erfolgte Benachrichtigung hätte nur dann von materieller Wirkung sein können, wenn ihr innerhalb drei Wochen eine dem Gesetze

entsprechende Pfändung nachgefolgt wäre.

Das ist aber nicht der Fall;

denn wie die §§ 1274, 1153s. BGB. bestimmen, daß zur rechtsgeschäft­ lichen Bestellung eines Pfandrechts an einer Forderung, für die eine Buch­ hypothek besteht, die Eintragung der Verpfändung erforderlich sei, so erfordert § 8301 zur Pfändung einer solchen Forderung außer dem Pfändungsbeschlusse (nicht auch deffen Zustellung) die auf Grund des Pfändungsbeschlusses er­

folgende Eintragung der Pfändung. Noch § 830- gilt allerdings, wenn der Pfändungsbeschluß vor der Eintragung der Pfändung dem Drittschuldner zu­ gestellt ist, die Pfändung diesem gegenüber mit der Zustellung als bewirkt. Allein damit ist — abgesehen davon, daß der § 845 zur Wirksamkeit der Vorpfändung das Nachfolgen einer vollgültigen Pfändung, also einer solchen

verlangt, die jedem, nicht bloß dem Drittschuldner gegenüber wirkt — keines­ wegs gemeint, daß die Zustellung des Beschluffes die Eintragung ersetze.

Vielmehr besagt die Vorschrift nach Zusammenhang und Fassung nur, daß, wenn die Zustellung des Beschlusses vor „der" Eintragung erfolgt, eine Eintragung ihr also nachfolgt, „die" Pfändung, d. h. die nach Abs. 1 ordnungsmäßig, also unter Eintragung erfolgende Pfändung schon „mit" der Zustellung, also mit dem Zeitpunkte der Zustellung als bewirkt gelte, be­

deutet demnach nur eine Vordatierung der Pfändung für den Fall ihrer

nachträglichen ordnungsmäßigen Vollendung und bezweckt offensichtlich nur (Gaupp IV zu § 830) der für diesen Fall bedenklichen Konsequenz zu be­

gegnen, daß es trotz des gerichtlichen Zahlungsverbotes sonst dem Dritt­ schuldner freistehen würde, noch vor der Eintragung an seinen bisherigen Gläubiger zu zahlen.

8. Zwangsvollstreckung.

212

ZPO. § 867.

Da eine ordnungsmäßige Vollendung der Pfändung durch Eintragung

im Grundbuche nicht erfolgt ist, jetzt auch gar nicht mehr erfolgen kann, weil nunmehr die hypothekarische Forderung dem Kläger zusteht, so hat der Be­ klagte kein Recht gehabt, die Zahlung an den Kläger zu verweigern.

Nicht

einmal zur Hinterlegung wegen Ungewißheit seines Gläubigers hatte er zur

Zeit der Klagerhebung ein Recht; denn da damals der Kläger schon ein­

getragen war, stand fest, daß die Pfändung der Firma nicht werde zu Ende geführt werden können und daher ihre bisherigen Vollstreckungsmaßregeln wirkungslos bleiben mußten. M. M.

w) Verteilung einer Zivangshypothek ans mehrere Grundstücke. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 20. September 1906. Nachdem im Anschluß an die bisherige Rechtsprechung ausgeführt ist,' daß für die Zwangseintragung einer Gerichtskostenforderung die vom Gerichts­

schreiber gemäß § 121 KassenO. aufgestellte Kostenrechnung den Schuldtitel bildet (Jahrb. 25 S. 176) und zur Erreichung des Mindestbetrages

von

300 Mark die Zusammenrechnung mehrerer Kostenrechnungen nicht stattfindet (Rsp. 5 S. 459), auch nicht bei den Rechnungen über die verschiedenen Instanzen

desselben Prozesses, heißt es weiter: Der Antrag der Gerichtskasse hinsichtlich der Forderung von 355 Mark genügt unbedenklich nicht dem Erfordernisse des § 8672. Das Eintragungs­ gesuch enthält keinerlei Erklärung über die Verteilung der 355 Mark auf die vier Grundstücke. Denn es ist durchaus nicht selbstverständlich, daß jede der

sieben Kostenforderungen und die 20 Mark Beitreibungskosten nach Verhältnis der von der Antragstellerin angegebenen Teilbeträge der Gesamtsumme auf die einzelnen Grundstücke verteilt werden sollten. Nach Inhalt des Gesuches war es sehr wohl denkbar, daß die Gerichtskasse sich wegen der Forderung

von 355 Mark mit der Eintragung auf eines oder einige der Grundstücke begnügen würde. reichte nicht aus.

Aber auch die in der Beschwerde abgegebene Erklärung

Das Gesetz macht dem Gläubiger zur Pflicht, die Größe

der Teile zu bestimmen. Wenn auch diese Bestimmung nicht notwendig in der ziffermäßigen Angabe der Einzelbeträge zu bestehen hat, so kann doch

dem Grundbuchrichter nicht zugemutet werden, durch eine keineswegs einfache rechnerische Operation die Einzelbeträge zu ermitteln. Hält die Gerichtskasse für angezeigt, die 355 Mark nach dem Verhältnis von 149:389:146:164 in vier Teile zu zerlegen, so ist ihre Aufgabe, die Größe dieser Teile rechnerisch

sestzustellen und das Ergebnis zum Gegenstand ihres Antrags zu machen. Übrigens stand sowohl dem Gesuche wie dem Beschwerdeantrage das

formelle Bedenken entgegen, daß beide Schriftstücke zwar unterschrieben, aber nicht mit Siegel oder Stempel versehen sind (vgl. Art. 9 Ausf.-G. zur GrBO.).

Handelte es sich um ein einzelnes Grundstück, so bedarf ein vom Gläubiger

gestellter Antrag, dem der vollstreckbare Titel in öffentlich beglaubigter Form beiliegt, keiner besonderen Form (vgl. § 30 GrBO.). Muß dagegen gemäß § 867 die Hypothek auf mehrere Grundstücke verteilt werden, so stellt die

8. Zwangsvollstreckung.

ZPO. § 901.

213

vom Gläubiger vorzunehmende Bestimmung der Teile eine zur Eintragung

erforderliche Erklärung dar, welche im vollstreckbaren Titel nicht enthalten ist, und diese Erklärung ist nach den §§ 29, 30 GrBO. in öffentlich beglaubigter Form abzugeben (Güthe S. 399).

Schon aus letzterem Grunde hätte der

Antrag der Gerichtskasse in der Form des zit. Art. 9 gestellt werden müssen.

Ob es dieser Form nicht auch deshalb bedurft hätte, weil das Eintragungs­ gesuch zugleich dazu bestimmt ist, das Vorliegen der sonstigen, vom Richter nicht nachzuprüfenden Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zu bescheinigen,

kann dahingestellt bleiben.

Durch

die

— mit Unterschrift und Stempel

versehene — weitere Beschwerde ist der Mangel der Form nicht geheilt

worden (vgl. § 78 GrBO.).

G.

x) Beschwerde gegen den Haftbefehl, welcher in Abwesenheit des tat­ sächlich verhinderte« Schuldners erlassen ist. OLG. Hamburg, II. ZS.

Beschluß v. 15. Dezember 1906.

Die Ladung zum Offenbarungseide ist nicht in der Wohnung des Schuldners, sondern im Krankenhause zugestellt. Der Schuldner ist im Termin nicht erschienen, worauf das Amtsgericht auf Antrag einen Haftbefehl erließ. Nach dessen Zustellung hat der Schuldner Beschwerde eingelegt, welche er damit begründet, daß ihm ärztlich verboten worden sei, ins Gericht zu gehen, und zugesichert sei, die Verwaltung des Krankenhauses werde das Gericht

von der Behinderung des Schuldners benachrichtigen, was jedenfalls nicht Das LG. hat den Haftbefehl aufgehoben, weil der Schuldner nicht schuldhaft ausgeblieben sei. Die weitere Beschwerde betont, daß der geschehen ist.

Schuldner seinen Einwand nach § 766 hätte geltend machen müssen. Allein es handelt sich hier nicht um die Art und Weise einer vom Vollstreckungs­ gericht vorgenommenen Vollstreckung, sondern um eine nach Ladung er­ gangene Entscheidung des Gerichts in einem besonderen Vollstreckungs­ verfahren.

Ob dessen Voraussetzungen vorliegen, so daß dem Anträge des

Gläubigers auf Erlaß eines Haftbefehls entsprochen werden kann, hatte das

Gericht zu prüfen, und wenn der Schuldner glaubt, daß das Gericht nicht sachgemäß erkannt habe, so hat er das Rechtsmittel der Beschwerde, mag es

sich auch bei der Begründung des Rechtsmittels um ein neues Vorbringen

handeln

(so Gaupp-Stein II 5 zu ß 901, I 4 zu 8 766;

§ 901;

OOG. Hamburg

BuschZ. 30 S. 144).

in

HansGZ. 1896

Nr. 15;

Petersen

zu

LG. Dresden

in

Der Schuldner war daher berechtigt, den gegen ihn

erlassenen Haftbefehl mittels der sofortigen Beschwerde anzugreifen.

Da sein

tatsächliches Vorbringen nicht bestritten ist, so ist davon auszugehen, daß er durch Krankheit verhindert war, im Termin zu erscheinen und daß er der Meinung sein durfte, sein Ausbleiben werde entschuldigt werden. Gegen einen

solchen Schuldner ist trotz des allgemeinen Wortlauts des § 901 der Haftbefehl nicht zu erlassen, da kein Ungehorsam bzw. keine Weigerung vorliegt, sondern Um­

stände, welche selbst im streitigen Verfahren den Richter berechtigen, dem An­

trag auf Erlaß eines Versäumnisurteils keine Folge zu geben (§ 337).

M. M.

8. Arrest.

214

ZPO. § 986. — S. Eherecht.

BGB. § 1300.

y) Widerspruch gegen etue zeitlich begrenzte arrestatortsche Matzregel. OLG. Dresden, IL ZS. Urteil v. 2. November 1906. Der Antrag

auf Aufhebung

der

nach

§§ 627, 936 ff. ZPO. und

§ 1361 BGB. erlassenen Verfügung ist nicht deshalb gegenstandslos geworden,

weil die Verfügung ihrem Wortlaute nach nur auf die Dauer des Hauptprozeffes erstreckt ist, also, ohne daß es eines weiteren richterlichen Ausspruchs bedurfte, mit der inzwischen eingetretenen Rechtskraft des Eheurteils ihr Ende

erreicht hat.

Dadurch wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Verfahrens

als Ganzen nicht berührt oder entschieden.

Der Antragsgegner hat aus­ drücklich geltend gemacht, daß die Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt gewesen sei.

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß er einen Aus­

spruch über ihre Rechtmäßigkeit gerade für die Zeit, auf die sie erfassen war, Gegen die Verfolgung dieses Zieles im Wege des Widerspruchs besteht ein prozessuales Bedenken ebensowenig wie in dem in Entsch. des

beansprucht.

Der Widerspruch ist jedoch nicht be­ gründet. Unrichtig ist zwar die Auffassung, daß für die Beurteilung aus­ schließlich der Sachstand im Zeitpunkte des Erlasses der Verfügung in

RG. 54 S. 345 behandelten Falle.

Im allgemeinen ist der Sachstand maßgebend, der sich beim Schluffe der mündlichen Verhandlung für die Gegenwart herausstellt.

Betracht komme.

Handelt es sich um den Widerspruch gegen eine zeitlich begrenzte arrestatorische Maßregel und ist der Zeitraum, für den sie gegeben ist, bereits abgelaufen, so muß sich zwar die Prüfung entsprechend beschränken, immerhin bleibt aber

zu prüfen, ob die Verfügung bis zu dem Zeitpunkte gerechtfertigt war, wo

sie ihr bestimmungsmäßiges Ende erreichte.

Der Antragsgegner wäre also

hier an sich nicht behindert, zur Begründung seines Widerspruchs mit Erfolg Umstände geltend zu machen, die hinter dem Beschlusse auf einstweilige Ver­ fügung liegen. In dieser Hinsicht kommt aber die Tatsache der inzwischen erfolgten rechtskräftigen Abweisung der Scheidungsklage nicht in Betracht. Denn in den Fällen des § 627 ZPO. ist die Frage, ob insbesondere den

Ehegatten das Getrenntleben zu gestatten und die gegenseitige Unterhaltspflicht anderweitig zu regeln sei, nicht von der Glaubhaftmachung der Voraus­

setzungen der §§ 13538, 13611 BGB. abhängig zu machen. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 940 ZPO. vorliegen, ob also jene Anordnungen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung

drohender Gewalt aus anderen Gründen nötig erscheinen (Entsch. des RG. 49 In diesem Sinne war hier nach dem Inhalte des Eheurteils die

S. 368).

Verfügung am Platze.

Auch aus §§ 936, 927 ZPO. folgt aus den näm­

lichen Gründen für den Antragsgegner nichts.

Dr. v. F.

9 a) Begriff der Unbescholtenheit. OLG. Caffel, II. ZS.

Schadenersatz.

Urteil v. 1. Oktober 1906.

Der Beklagte, der mit der Klägerin verlobt gewesen, von dem Verlöb-

8. Arrest.

214

ZPO. § 986. — S. Eherecht.

BGB. § 1300.

y) Widerspruch gegen etue zeitlich begrenzte arrestatortsche Matzregel. OLG. Dresden, IL ZS. Urteil v. 2. November 1906. Der Antrag

auf Aufhebung

der

nach

§§ 627, 936 ff. ZPO. und

§ 1361 BGB. erlassenen Verfügung ist nicht deshalb gegenstandslos geworden,

weil die Verfügung ihrem Wortlaute nach nur auf die Dauer des Hauptprozeffes erstreckt ist, also, ohne daß es eines weiteren richterlichen Ausspruchs bedurfte, mit der inzwischen eingetretenen Rechtskraft des Eheurteils ihr Ende

erreicht hat.

Dadurch wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Verfahrens

als Ganzen nicht berührt oder entschieden.

Der Antragsgegner hat aus­ drücklich geltend gemacht, daß die Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt gewesen sei.

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß er einen Aus­

spruch über ihre Rechtmäßigkeit gerade für die Zeit, auf die sie erfassen war, Gegen die Verfolgung dieses Zieles im Wege des Widerspruchs besteht ein prozessuales Bedenken ebensowenig wie in dem in Entsch. des

beansprucht.

Der Widerspruch ist jedoch nicht be­ gründet. Unrichtig ist zwar die Auffassung, daß für die Beurteilung aus­ schließlich der Sachstand im Zeitpunkte des Erlasses der Verfügung in

RG. 54 S. 345 behandelten Falle.

Im allgemeinen ist der Sachstand maßgebend, der sich beim Schluffe der mündlichen Verhandlung für die Gegenwart herausstellt.

Betracht komme.

Handelt es sich um den Widerspruch gegen eine zeitlich begrenzte arrestatorische Maßregel und ist der Zeitraum, für den sie gegeben ist, bereits abgelaufen, so muß sich zwar die Prüfung entsprechend beschränken, immerhin bleibt aber

zu prüfen, ob die Verfügung bis zu dem Zeitpunkte gerechtfertigt war, wo

sie ihr bestimmungsmäßiges Ende erreichte.

Der Antragsgegner wäre also

hier an sich nicht behindert, zur Begründung seines Widerspruchs mit Erfolg Umstände geltend zu machen, die hinter dem Beschlusse auf einstweilige Ver­ fügung liegen. In dieser Hinsicht kommt aber die Tatsache der inzwischen erfolgten rechtskräftigen Abweisung der Scheidungsklage nicht in Betracht. Denn in den Fällen des § 627 ZPO. ist die Frage, ob insbesondere den

Ehegatten das Getrenntleben zu gestatten und die gegenseitige Unterhaltspflicht anderweitig zu regeln sei, nicht von der Glaubhaftmachung der Voraus­

setzungen der §§ 13538, 13611 BGB. abhängig zu machen. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 940 ZPO. vorliegen, ob also jene Anordnungen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung

drohender Gewalt aus anderen Gründen nötig erscheinen (Entsch. des RG. 49 In diesem Sinne war hier nach dem Inhalte des Eheurteils die

S. 368).

Verfügung am Platze.

Auch aus §§ 936, 927 ZPO. folgt aus den näm­

lichen Gründen für den Antragsgegner nichts.

Dr. v. F.

9 a) Begriff der Unbescholtenheit. OLG. Caffel, II. ZS.

Schadenersatz.

Urteil v. 1. Oktober 1906.

Der Beklagte, der mit der Klägerin verlobt gewesen, von dem Verlöb-

s.

Eherecht.

BGB. § 1326.

215

wisse aber zurückgetreten war. war von der Klägerin auf Ersatz des Schadens

verklagt worden, der aus der dem Beklagten während des Bestehens des

Verlöbnisses gestatteten Beiwohnung entstanden war.

Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

Es handelte sich um

Beklagter wandte ein, Klägerin

sei nicht unbescholten gewesen, weil sie nach einer ihm vor der Verlobung

gemachten Mitteilung bereits früher einmal mit einem andern den Beischlaf

vollzogen gehabt habe.

Ferner bestritt er das Recht auf Entschädigung, weil

er selbst bereits vor dem Verlöbnisse mit der Klägerin den Beischlaf voll­

zogen habe, der Klägerin also aus der Beiwohnung während des Verlöbnisses ein Schaden nicht entstanden sei. Klägerin ist infolge des vor dem Verlöbnis

mit dem Beklagten gepflogenen Geschlechtsverkehrs schwanger geworden und hat während des Verlöbnisses ein Kind geboren. Aus den Gründen: Durch einen Geschlechtsverkehr, der geheim bleibt, nur den Beteiligten bekannt ist, wird eine Bescholtenheit nicht herbeigeführt.

Denn die Bescholten-

heit ist eine Folge der niedrigen Bewertung, die der Ruf eines Menschen innerhalb seines Lebenskreises von dritter Seite erfährt (Entsch. des RG. 52 S. 48).

Von einer solchen niedrigen Bewertung des Rufes von dritter Seite

infolge eines Geschlechtsverkehrs kann aber keine Rede sein, wenn dieser un­

bekannt bleibt. Ganz abgesehen hiervon kann aber der Beklagte sich auf solchen Geschlechtsverkehr als einen Grund der Bescholtenheit der

einen

Klägerin nicht berufen, da er nach seinem ganzen Verhalten die Klägerin nicht deshalb niedriger bewertet, sondern weiter mit ihr verkehrt, ihr die Ehe ver­

sprochen und dadurch gezeigt hat, daß er die Klägerin nicht als beschälten ansah.

Aus dem Wortlaut des § 1300 BGB. ergibt sich keineswegs, daß diese Gesetzesbestimmung gerade den durch die Beiwohnung entstandenen Schaden

im Auge hat.

Vielmehr ergibt sich das Gegenteil aus dem Zusammenhänge

bet §§ 1298—1300.

Diese ordnen den Schadenersatz wegen Verlöbnisbruchs. Während die §§ 1298, 1299 den durch den Rücktritt des einen Verlobten

dem andern erwachsenden Schadenersatzanspruch für den Fall regeln, daß es zu einer Beiwohnung nicht gekommen ist, gibt § 1300 der Braut einen weiteren Schadenersatzanspmch für den Fall, daß es zu einer Beiwohnung gekommen ist. Die Beiwohnung wird von § 1300 nur als eine Voraus­ des Schadenersatzanspruchs aufgestellt, nämlich des Anspruchs auf Ersatz des durch den Rücktritt des einen Verlobten dem andern erwachsenen Schadens. Auf diesem Standpunkt steht, wenn sie es auch nicht ausdrück­

setzung

lich ausspricht, die Entsch. des RG. 52 S. 48.

Fs.

b) Keine Nichtigkeitsklage, wenn die nach § 1326 nichtige Ehe

gültig wiederholt wnrde. OLG. Hamburg, VI. ZS.

Urteil v. 11. Dezember 1906.

Die Beklagten haben miteinander am 18. Februar 1905 eine nach § 1326 nichtige Ehe geschlossen und die Eheschließung nach Beseitigung des Ehe­ hindernisses am 17. Februar 1906 wiederholt.

Die von der Staatsanwalt­

schaft am 5. Juni 1906 erhobene Nichtigkeitsklage ist nicht begründet.

9. Eherecht.

216

BGB. §§ 1383 ff.

Die Wiederholung der Eheschließung wirkt allerdings nur für die Zu­ kunft (Planck § 1309 Nr. 2). War die Ehe vorher nichtig, so bleibt sie

es insoweit auch nach der Wiederholung.

Aber die Nichtigkeitsklage ist nur

Wird die nichtige Ehe auf­ gelöst, „so fällt damit das Rechtsverhältnis, welches die Grundlage und den

zulässig, solange die nichtige Ehe noch besteht.

Gegenstand des Streites bildet,

weg" (Begr. zur ZPO.-Novelle S. 131).

Wer ein Interesse an der Nichtigkeit der Ehe hat, kann sie nunmehr in

anderer Weise geltend machen (§ 1329).

Von einer Auflösung der Ehe kann

man aber auch in einem Falle reden, indem der nichtigen Ehe dadurch ein Ende bereitet wird, daß die Ehegatten eine gültige Ehe schließen.

Auch in

solchem Falle fällt das Rechtsverhältnis, das Grundlage und Gegenstand des

Streites bildet, eben die nichtige Ehe, hinweg.

Mit dieser Rechtsauffassung

würde auch der § 632 ZPO. in Einklang stehen.

Wenn hier von Ehegatten die Rede ist, die gegeneinander die Nichtigkeitsklage erheben können oder

gegen die die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann, so sind damit offenbar nicht Ehegatten gemeint, die einmal in einer nichtigen Ehe gelebt haben, sondern solche Ehegatten, die in einer nichtigen Ehe noch jetzt leben (vgl. auch Mot. 4 S. 59). Jedenfalls treffen alle Erwägungen, die dazu geführt haben, die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage nach Auslösung der Ehe durch Tod oder Scheidung auszuschließen, auf einen Fall zu, in dem die nichtige Ehe infolge

der Wiederholung der Eheschließung zu bestehen aufgehört hat (Entsch. des M. M.

RG. 28 S. 299)....

c) Cheanfechtuug wegen Irrtums über Unbescholtenheit der Fra»

oder Disposition zu Geisteskrankheiten. a) OLG. Colmar, III. ZS.

Bestätigung der Ehe.

Urteil v. 19. Juni 1906.

... Das Landgericht hält den § 1333 für unanwendbar, weil der Kläger selbst der Beklagten vorehelich beigewohnt, mithin bei der Eheschließung gewußt hat, daß sie nicht mehr Jungfrau war; ihr Geschlechtsverkehr mit dem andern könne deshalb höchstens als

§ 1334 in Betracht kommen. schon aus deren Folgen.

ein „Umstand"

im Sinne des

Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung ergibt sich

Danach würde eine solche Ehe auch dann unanfecht­

bar sein, wenn sich die Beklagte während ihres Brautstandes ohne Wissen

des Klägers der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben hätte.

Auch der § 1334

würde hier nicht zum Ziele führen, sofern die Beklagte dieses Vorleben

lediglich dem Kläger verschwiegen hätte. Verfehlt ist auch die Berufung auf RG. (Entsch. 25 S. 192). Denn abgesehen davon, daß dieses Urteil nicht auf dem BGB., sondern auf dem protestantischen Eherecht beruht, schließt es die

Eheanfechtung in einem Falle, wie der hier vorliegende, keineswegs grund­ sätzlich aus.... Die Klage stützt sich darauf, daß sich Kläger in der Un­ bescholtenheit seiner Frau geirrt habe.

Verlust der Jungfräulichkeit macht

zwar nicht unter allen Umständen und gegenüber jedermann bescholten. Durch die voreheliche Hingabe an ihren künftigen Ehemann kann die Frau gegen­

über Dritten bescholten werden, sie wird es aber nicht gegenüber ihrem

9. Eherechl.

Ehemann.

BGB. M 1333 ff.

217

Diesem gegenüber wird sie erst beschälten durch ihre voreheliche

Hingabe an einen Dritten.

In erhöhtem Maße gilt die Nichtbescholtenheit

gegenüber dem Ehemann, wenn bei der vorehelichen Hingabe an ihn ein

Verlöbnis mit ihm bestand.... Die Einrede der Beklagten, der Kläger habe ihre Ehe gemäß § 1337 bestätigt, stützt sich auf seine Erklärung, sie solle

ruhig die Wahrheit sagen, es mache nichts, sie blieben trotzdem verheiratet. Allein eine Bestätigung kann rechtswirksam erst nach Entdeckung des Irrtums, nicht vorher erfolgen. Auch ist nicht ausgeschlossen, daß der Kläger diese Äußerung nur zu dem Zwecke gemacht hat, um der Beklagten ein Bekennt­ nis der Wahrheit zu entlocken. Eine wenigstens stillschweigende Bestätigung findet die Beklagte darin, daß Kläger die Ehe mit ihr nach Entdeckung des

Irrtums fortgesetzt hat.

Da sich jedoch diese Fortsetzung auf 8 bis 14 Tage

beschränkt hat, ist sie zu kurz, als daß aus ihr allein ein sicherer Schluß auf

den Bestätigungswillen gezogen werden könnte....

Erheblich ist dagegen die

fernere Behauptung der Beklagten, daß der Kläger sie während dieser Zeit

wiederholt geküßt und geschlechtlich gebraucht habe....

Frdthl. ß) OLG. Karlsruhe, III. ZS. Urteil v. 10. Mai 1906. Zu den „persönlichen Eigenschaften" gehören auch Geisteskrankheit, auch

Disposition hierzu (Planck 3a, Staudinger 3b zu § 1333). Nach dem Gutachten befand sich die Beklagte zur Zeit der Eheschließung (Juli 1903) nicht in einem unter die §§ 104 Nr. 2, 1052 BGB. fallenden geistigen Zu­ stande. Da die Eigenschaft, über die der Kläger irrte, im Zeitpunkte der Eheschließung gefehlt haben muß, bleibt nur die vom Sachverständigen be­ jahte Disposition der Beklagten zur Geisteskrankheit übrig; der Kläger be­

hauptet auch, daß er über diese Disposition irrte.

Eine arglistige Täuschung

könnte darin nicht gefunden werden, daß die Beklagte ihre geistige Er­

krankung von 1899 dem Kläger verschwiegen habe; denn es besteht für die Verlobten keine Pflicht, sich gegenseitig die ganze Vergangenheit zu offenbaren (vgl. Entsch. des RG. 52 S. 307). Allein auch die Anfechtung aus § 1333 ist nicht mehr zulässig. Denn bei den, von den Zeugen bekundeten Wahrnehmungen des Klägers war der Rück­

schluß auf eine schon zur Zeit der Eheschließung vorhandene Disposition der Be­ klagten zur Geisteskrankheit nicht nur sehr naheliegend, sondern geradezu not­ wendig. Namentlich die Äußerungen der Beklagten konnten ihn nicht im Zweifel darüber lassen, daß seine Frau auch schon vor der Eheschließung in geistiger Hinsicht krankhaft veranlagt war.

Damit aber konnte er im August 1903 die

Tatsache, über die er bei der Eheschließung geirrt haben will, klar übersehen. Gleichwohl hat er nach Entdeckung des Irrtums bis zum März 1904 die

eheliche Lebensgemeinschaft, besonders auch die Leistung der ehelichen Pflicht

fortgesetzt und dadurch die Ehe bestätigt.

Denn eine Bestätigung liegt in

jedem Verhalten des Ehegatten, in dem der Wille, die Ehe gültig sein zu

lassen, unzweideutig zutage tritt; dahin gehört besonders die Leistung der ehelichen Pflicht (vgl. Motive 4 S. 50, 91; Prot. 4 S. 60, 82; Planck 2a

9. Eherecht.

218

BGB. § 1357.

zu § 1325, 1 zu 8 1337; Staudinger 3b zu § 1325, 3b zu § 1337; Seidlmayer in Jherings Jahrbüchern 46 S. 227f. und Note 46). Weiter war aber auch die von Amts wegen zu berücksichtigende Präklusivfrist des

§ 13391 für die Erhebung der Anfechtungsklage vom 28. Juli 1904 längst

abgelaufen.

Die Frist begann mit dem Zeitpunkte, in welchem der Kläger

den Irrtum entdeckte, also Ende August 1903.

Der § 13393 kann vorliegend

keine Anwendung finden.

Dr. E.r.

d) Schlüsselgewalt der getrennt lebenden Fra«. Ausschließung durch Eintragung ins Giiterrechtsregister. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 5. April 1906. Auf Antrag des von seiner Frau getrennt lebenden Mannes ist die Aus­ schließung der Schlüsselgewalt der Frau ins Güterrechtsregister eingetragen

worden. Der Antrag der Frau auf Aufhebung dieser Ausschließung ist zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde hatte Erfolg. Gründe: Das Landgericht hat rechtlich einwandsfrei festgestellt, daß die streitenden Eheleute niederländische Staatsangehörige sind und ihren Wohnsitz im In­ land« haben.

Nach Art. 162 EG. findet deshalb § 1357 BGB. Anwendung,

weil er Dritten günstiger ist als die niederländischen Gesetze, nach denen die Frau im allgemeinen ohne Beistand oder schriftliche Einwilligung ihres Ehe­ manns nichts veräußern oder annehmen kann und nur ausnahmsweise hin­ sichtlich der gewöhnlichen täglichen Haushaltungsausgaben als geschäftsfähig gilt (Leske-Loewenfeld, Rechtsverfolgung 4 S. 246).

Das Recht der Frau,

den Mann Dritten gegenüber zu vertreten und zu verpflichten, geht also nach deutschem Rechte weiter als nach niederländischem Rechte.

Denn der häus­

liche Wirkungskreis der Frau umfaßt nicht nur die Sorge für die gewöhn­ lichen täglichen Haushaltungsausgaben, sondern auch andere zur Bestreitung der ehelichen Lasten dienende Geschäfte, wie z. B. die Anschaffung von Kleidung, die Sorge für die Ausbildung der jüngeren Kiuder, die Emeuerung abge­ nutzten Mobiliars u. dgl. Der Ausdruck „häuslicher Wirkungskreis" ist auch,

wie die Motive 4 S. 118 ergeben, ausdrücklich gebraucht, um die Schlüffelgewalt gegenüber der in anderen Gesetzgebungen sich befindenden Bezugnahme

ans den Haushalt zu erweitern.

Die Anwendung des Art. 161 wird auch

nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach ihm der § 1357 nicht im Verhältnis

zwischen den Ehegatten, sondern nur im Verhältnis zu Dritten gelten soll. Der Grundsatz ist zwar an sich richtig, da Art. 162 nur den Schutz Dritter bezweckt und da die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander nach dem aus Art. 14 EG. abzuleitenden Grundsätze nach dem Rechte ihres

Heimatstaats zu beurteilen sind.

Daraus folgt aber nur, daß die materielle

Frage, ob der Ausschluß der Schlüsselgewalt durch den Mann sich seiner Frau gegenüber als Mißbrauch seines Rechtes darstellt, hier nach nieder­ ländischem Rechte zu entscheiden ist. Die sonstigen Fragen dagegen, ob die Frau ein Recht hat, den Mann Dritten gegenüber zu vertreten, ob der Mann formell berechtigt ist, dieses Recht auszuschließen, und ob die Frau formell

berechtigt ist, die Aufhebung dieses Ausschlusses durch das Vormundschafts­

gericht zu beantragen, beziehen sich auf ihre Rechtsstellung nach außen und

sollen deshalb unter den Voraussetzungen des Art. 162 nach § 1357 geregelt werden, wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz im Inland« haben. Das Recht der Frau, gemäß § 1357 die Aufhebung der Ausschließung

ihrer Schlüsselgewalt zu beantragen, setzt in erster Linie voraus, daß solche

Ausschließung wirksam stattgefunden hat.

Die Ansicht des LG., daß der

Mann befugt sei, die Schlüsselgewalt durch eine Eintragung im Güterrechts­ register auszuschließen, ist rechtsirrtümlich. Diese Eintragung hat nach §§ 1357, 1435 lediglich die Bedeutung, daß einem Dritten gegenüber aus der Aus­

schließung Einwendungen nur hergeleitet werden können, wenn die Aus­ schließung in den int § 1435 bezeichneten Zeitpunkten im Güterrechtsregister

des zuständigen Amtsgerichts eingetragen oder dem Dritten bekannt war. Da­ gegen hat sie, wie die Eintragungen im Güterrechtsregister überhaupt, weder

rechtserzeugende Kraft, noch genießt sie öffentlichen Glauben in dem Sinne, daß ein Dritter sich auf sie berufen könnte, auch wenn ihr Inhalt unrichtig

ist (Prot. 4 S. 389; Endemann 2 § 183 Anm. 19; Planck 4 zu 8 1435).

Es ist also möglich, daß die Ausschließung der Schlüsselgewalt eingetragen wird, ohne daß sie erfolgt ist. In diesem Falle hat die Eintragung keine rechtliche Wirkung; es liegt dann der Tatbestand der §§ 161, 142 FrGG. vor, daß eine Eintragung bewirkt ist, obwohl sie wegen Mangels einer

wesentlichen Voraussetzung unzulässig war. Denn wenn auch formell die Ein­ tragung nach § 15611 auf Antrag des Mannes zu erfolgen hat, ohne daß der Nachweis der erfolgten Ausschließung geführt zu werden braucht, so setzt sie Das Registergericht hat deshalb mangels einer solchen die Eintragung von Amts wegen zu löschen. doch materiell die erfolgte Ausschließung voraus.

Die Frau hat das Recht, die Löschung zu beantragen (vgl. für das Handels­

register Rsp. 5 S. 445 f., Jahrbuch 28 S. 39, 231).

Geschieht dies, so hat

das Registergericht gemäß § 1422 FrGG. zu verfahren und bei Widerspruch

des Mannes die erforderlichen Ermittlungen darüber, ob eine Ausschließung erfolgt ist, von Amts wegen anzustellen.

Um ein solches Verfahren handelt

es sich hier nicht. Die Frau hat hier vielmehr das Vormundschaftsgericht angerufen, um die Ausschließung selbst aufzuheben. Für die Entscheidung hierüber ist unerheblich, ob die Ausschließung im Register eingetragen ist oder nicht....

Der § 1357 bestimmt zwar im Gegensatze zu § 323 II 1 ALR., nach

dem der Mann zur Verhütung des Schuldenmachens der Frau richterliche Hilfe nachzusuchen hatte (Jahrbuch 7 S. 67), daß der Mann selbständig die Schlüsselgewalt der Frau ausschließen kann, sagt aber nicht, wie dies zu ge­ schehen hat.

Auch aus den Motiven und Protokollen ist nichts darüber zu

entnehmen.

Die Schlüsselgewalt beruht nach dem BGB. nicht, wie nach

Art. 1420 Code civil und auch nach § 321 ALR. II1 (Jahrbuch 8 S. 57) an­

genommen wurde, auf einem Mandate des Mannes, sondern sie ist eine ge-

setzliche Vertretungsmacht der Frau (Motive 4 S. 117; Dernburg 4 S. 107;

Endemann 2 § 170 bei Anm. 21).

Es liegt deshalb nahe, aus den Vor­

schriften des BGB. über die Endigung der in anderen Fällen anerkannten gesetzlichen Vertretungsmacht, etwa der des Vaters oder des Vormundes,

Schlüffe darauf zu ziehen, wie die Ausschließung erfolgt.

Indessen versagt

diese Analogie, da in den gedachten Fällen eine Ausschließung der Ver­ Soweit sie,

tretungsmacht durch private Willenserklärung nicht vorkommt.

wie in den Fällen der §§ 1666, 1796 durch das Gericht erfolgt, ist das Verfahren im FrGG. besonders geregelt.

Die gesetzliche Vertretungsmacht

des Vorstandes eines Vereins kann zwar nach § 27 BGB. durch private Willenserklärung widerrufen werden; die hier bestimmt« Form eines Be­ schlusses der Mitgliederversammlung ist aber in den §§ 32 ff. besonders ge­

regelt und ihrer Natur nach nicht entsprechend anwendbar.

(Widerruf einer Vollmacht) heranzuziehen, ist bedenklich.

Den § 1683

Dieser Widerruf soll

in denselben Formen erfolgen, wie die Erteilung der Vollmacht selbst, also durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. Die auf dem § 171* beruhende Vertretungsmacht soll ferner nach Abs. 2 bestehen bleiben, bis die Kundgebung,

daß Vollmacht erteilt sei, in derselben Weise widerrufen ist, wie sie erfolgt ist. Beide Vorschriften setzen also eine Willenserklärung, auf der die Ver­ tretungsmacht beruht, und Vorschriften über die Form und Wirksamkeit dieser

Erklärung voraus, an denen es für die auf dem Gesetze beruhende Schlüssel­ gewalt fehlt. Die Frage, wie die Schlüffelgewalt ausgeschlossen wird, ist deshalb mangels anderer Vorschriften aus dem Wesen der Ehe und der ehe­ lichen Gemeinschaft zu beantworten, denen sie entspringt.

Danach ist allein

sachgemäß die Annahme, daß die Ausschließung durch Erklärung des Mannes gegenüber der Frau erfolgt, welche unter Anwesenden sofort, unter Abwesen­

den aber nach § 130 in dem Zeitpunkte wirksam wird, in dem sie der Frau zugeht.

Jede andere Art der Ausschließung, etwa durch Erklärung gegen­

über einem Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung, würde gegen den Grundsatz des § 1353 verstoßen, daß die Eheleute einander zur ehelichen

Lebensgemeinschaft verpflichtet sind, aus dem auch folgt, das sie derart in das gemeinschaftliche Verhältnis einschneidende Maßregeln wie die Aus­ schließung der Schlüffelgewalt in erster Linie miteinander zu

haben, ehe sie sie in die Außenwelt tragen.

verhandeln

Praktisch gestaltet sich dann die

Sache so, daß der Mann, welcher Einwendungen gegen ein von seiner Frau innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises besorgtes Geschäft erheben will, dem Dritten außer deffen Kenntnis von der Ausschließung oder außer der Eintragung der Ausschließung im Güterrechtsregister auch nachzuweisen

hat, daß er die Erklärung, er schließe die Schlüsselgewalt aus, seiner Frau

gegenüber abgegeben hat. Eine besondere Erschwerung liegt hierin für ihn nicht, da er leicht in der Lage ist, sich den Beweis dieser Erklärung zu sichern. Ob vorliegend der Mann seiner Frau gegenüber erklärt hat, er schließe

9. Eherecht.

BGB. § 1357.

221

die Schlüsselgewalt aus, ist bisher nicht festgestellt.

Die Erklärung kann auch

nicht darin gefunden werden, daß das Registergericht gemäß § 1612 BGB. die Frau von der Eintragung benachrichtigt hat. Denn es hat dies nicht

im Namen des Mannes, sondern in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflicht getan.

Ebensowenig liegt die Erklärung in den Schriftsätzen, welche der

Mann zu den Akten eingereicht hat. die Frau gerichtet.

Denn sie sind an das Gericht, nicht an

Ob im Termin vor dem Amtsgericht eine Erklärung

gegenüber der Frau erfolgt ist, erhellt nicht, da die Ergebnisse nicht proto­

kolliert sind. Die bloße Tatsache, daß der Mann der Frau gegenüber erklärt hat, er

schließe die Schlüffelgewalt aus, genügt noch nicht, um die Unterlage für eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zu schaffen, ob die Ausschließung als

mißbräuchlich aufzuheben sei. Denn das Gericht ist nach § 1357 nicht berufen, die Erklärung der Ausschließung, sondern die Ausschließung selbst aufzuheben. Es muß also zu der Erklärung hinzukommen, daß sie die Wirkung gehabt hat, die Schlüsselgewalt auszuschließen. Die Wirkung kann

sie naturgemäß dann nicht haben, wenn die Schlüsselgewalt schon vorher der

Frau nicht zustand.

Aus diesem Gesichtspunkt ist die Frage erheblich, ob die

Beschwerdeführerin die Schlüsselgewalt überhaupt noch besaß, als der Mann sie auszuschließen erklärte.... Das Gesetz selbst bezeichnet als Gebiet der Vertretungsbefugnis der Frau ihren häuslichen Wirkungskreis. Dieser besteht nach § 13561 in der Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens, vorbehaltlich der nach § 13541 dem Mann in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zustehenden Entscheidung, besonders der ihm zu­ Daraus ergibt sich, daß die Schlüffelgewalt der Frau ein gemeinschaftliches Hauswesen voraus­ stehenden Bestimmung des Wohnorts und der Wohnung.

setzt. Die Motive 4 S. 118 scheinen allerdings diese Voraussetzung nicht für unbedingt zwingend zu halten. Denn sie nehmen auf § 1756 Sächs. BGB., nach welchem die Vertretungsbefugnis der Frau erst durch die Trennung von Tisch und Bett erlischt, bezug und erklären es für bedenklich, selbst bei Auf­

hebung der häuslichen Gemeinschaft die Schlüsselgewalt allgemein zu verneinen, namentlich in Fällen, in denen der Mann sich entfernt hat.

Im Hinblicke

darauf führt Dreyer (Recht 1901 S. 307) aus, daß im Rechtssinne die Hausgemeinschaft nur durch Scheidung der Ehe und durch eine Trennung der Eheleute mit gemäß § 1361 gerichtlich angeordneter Änderung der Unter­ haltspflicht aufgelöst werde.

Auch Menzel (Sächs. Arch. 13 S. 609) kommt

zu dem Schluffe, daß das Vorhandensein einer häuslichen Gemeinschaft für

die Fortdauer der Schlüsselgewalt nach außen hin nicht wesentlich sei, schwächt dies aber praktisch dadurch ab, daß er in der Trennung eine Ausschließung

der Schlüsselgewalt durch den Mann sieht.

So weit, wie diese Ansichten

gehen, wird indessen nicht gegangen werden können; denn aus dem Gesetze selbst ist zu entnehmen, daß die Schlüffelgewalt von dem Vorhandensein eines

gemeinschaftlichen Hauswesens abhängt.

Es fragt sich aber, ob ein gemein-

schaftliches Hauswesen nur bei Zusammensein der Eheleute in derselben Wohnung denkbar ist. Dies ist zu verneinen. Wenn der Mann verreist oder

in einem Krankenhaus untergebracht ist oder eine Freiheitsstrafe verbüßt, so wird dadurch die Gemeinschaftlichkeit des Hauswesens noch nicht aufgehoben,

da er fortfährt, das Hauswesen seiner Frau als das feinige zu betrachten.

Wenn die Frau ihn gegen seinen Willen verläßt, ist solche Betrachtung aller­ dings kaum möglich.

Wenn er dagegen die Frau verläßt oder wenn die

Eheleute sich in gegenseitigem Einverständnisse getrennte Wohnungen nehmen,

so ist doch die Auffassung nicht ausgeschlossen, daß der Mann ein doppeltes Hauswesen hat, das eine durch seine Frau leiten läßt, das andere selbst leitet. Man denke z. B. an den Fall, daß ein Mann zwei eingerichtete Wohnungen

hat, die eine in der Stadt, die andere auf dem Lande, und daß er seine Frau und seine Kinder in der einen wohnen läßt, sich selbst aber in der

anderen aufhält.

Die Entscheidung, ob dann das Hauswesen der Frau ein

gemeinschaftliches Hauswesen der Eheleute ist und ob also die Frau für ihren

Wirkungskreis in diesem Hauswesen die Schlüsselgewalt hat, hängt dann von der Willensrichtung des Mannes und den konkreten Umständen des Falles ab. Dies ist auch die im wesentlichen übereinstimmende Ansicht Plancks (22 zu 8 1357), Staudingers (2b zu 8 1357), Wieruszowskis (Handbuch S. 41), Dernburgs (4 8 33 II 1), welche alle hervorheben, daß das Getrennt­

leben der Eheleute die Annahme eines gemeinschaftlichen Hauswesens und

defsm Leitung durch die Frau nicht unbedingt ausschließt und daß die Ent­ scheidung hier aus den Umständen des Falles zu entnehmen ist. Die Ent­ scheidung (Rsp. 2 S. 368) steht nicht entgegen; denn dort ist eine grundsätz­

liche Auslegung nicht gegeben, sondern nur aus den Umständen des besonderen Falles, in welchem die Eheleute seit sechs Jahren getrennt lebten und keinerlei häusliche Gemeinschaft unterhielten, gefolgert, daß ein gemeinschaftliches Haus­

wesen nicht besteht....

A.

e) Kostenvorschutzpflicht des Mannes im E-e-rozetz. «) OLG. Hamburg, II. ZS.

Beschluß v. I I. Dezember 1906.

Der Sah, daß der Mann die Kosten eines Rechtsstreits seiner Ehefrau zu tragen hat, jedenfalls so lange, als nicht die Kostenpflicht der Frau rechts­ kräftig festgestellt ist (vgl. Entsch. des RG. 46 Nr. 97, 47 Nr. 17), gilt auch

dann, wenn die in erster Instanz unterlegene Frau Berufung einlegt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das Rechtsmittel Erfolg verspricht oder nicht. Es ist kein Grund erfindlich, weshalb die Frage für die Instanzen ver­ schieden beurteilt werden sollte. Anderseits folgt daraus, daß der Anspruch der Frau sich auf das Ehegüterrecht gründet, daß eine Untersuchung über den

Erfolg ihres Rechtsstreits, wie dies bei der Gewährung des Armenrechts an­

geordnet ist, nicht anzustellen ist.

Dagegen fehlt es an den Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung,

soweit die Beklagte als Berufungsklägerin beantragt hat, daß der Gegner ihr auch die erstinstanzlichen Gerichtskosten „vorschieße".

Sie bedarf dieses

Betrages zur Rechtsverfolgung nicht.

Es droht ihr allerdings die Zwangs­

vollstreckung, sie ist aber insoweit in keiner schlechteren Lage, als sie es einem anderen Gläubiger gegenüber sein würde, der gegen sie einen vollstreckbaren

Titel besitzt. Sie wird die Kosten wie die Forderungen anderer Gläubiger zu begleichen haben aus den ihr zur Verfügung stehenden oder vom Manne

zur Verfügung gestellten Mitteln.

Reichen diese nicht aus, so muß sie suchen,

eventuell höhere Unterhaltsbeiträge zu erwirken.

M.M.

/?) OLG. Hamburg, III. ZS. Beschluß v. 8. Januar 1907. Die beantragte einstw. Verfügung erscheint zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nicht nötig, solange der Beklagten zur

Verteidigung im Scheidungsprozesse das Armenrecht gewährt ist.

Daß sie

sich, besonders ihrem Anwälte gegenüber, von ihrer nur nach Maßgabe des § 125 ZPO. bestehenden Kostenschuld schon jetzt befreit, gebietet ihr Jntereffe

an Führung und zweckentsprechender Förderung des Prozesses nicht?

M. M.

/) OLG. Hamburg, V. ZS. Beschluß v. 16. Januar 1907. Als wesentliche Nachteile, welche der Frau aus der Nichtzahlung des

Kostenvorschuffes erwachsen, werden in der Regel angegeben, einmal die Un­ möglichkeit, sich einen Anwalt frei zu wählen und der Zwang, sich eines ihr vielleicht unsympathischen oder auch untüchtigen Anwaltes bedienen zu müssen, ferner der Umstand, daß sie sich durch die freie Wahl eines Anwalts in Schulden stürzen muß, deren Bezahlung, vorbehältlich der späteren ehelichen Auseinandersetzung, zunächst dem Mann obliegt. Diese Gründe mögen gewiß in manchen Fällen den Erlaß einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen. Hier sind sie aber nicht durchschlagend. Es ist nichts dafür vorgebracht, daß die Antragstellerin sich durch den Ausschluß der freien Wahl eines Anwaltes

und durch die Zuweisung eines solchen irgendwie in ihrem Jnteresie beein­

trächtigt gefühlt hat, auch fehlt es objektiv an einem Anhaltspunkt dafür, daß der ihr vom Gericht zugeordnete Anwalt ihre Rechte nicht nach besten Kräften und zweckmäßig wahrnehmen werde. Ebensowenig liegt etwas dafür vor, daß ihre Kostenschuld gegenüber ihrem Anwalt in irgend einer Richtung die Prozeßführung und das Interesse der Klägerin beeinfluffen könnte. Selbst wenn diese Interessen in gewissem Umfange anzuerkennen sind, so stehen ihnen doch gleichwertig die Interessen des Beklagten gegenüber, der seinen Lebens­

unterhalt sich selbst verdienen muß und der durch eine einstweilige Verfügung mit ihren Folgen, Zwangsvollstreckung, Offenbarungseid rc schwer getroffen

werden würde.

Bietet aber, wie hier anzunehmen ist, die Verfügung keine

Aussicht auf Erfolg, selbst im Wege der Zwangsvollstreckung nicht, dann hält das Gericht sie (mit den Gründen des hiesigen II. ZS. Seuffert, Arch. 1907 S. 41) überhaupt nicht für nötig. Es ist dem Reichsgericht (das. S. 44) zwar zuzugeben, daß häufig erst die Zwangsvollstreckung Aufschluß über die Zahlungsfähigkeit gibt und daß sich diese keineswegs mit den Vor­

aussetzungen des Armenrechts deckt.

Aber nach dem, was hier vorliegt, er-

1 Ebenso OLG. Hamburg, II. ZS. Beschluß v. 8. Januar 1907 II 97/06.

224

Gesetzliches Güterrecht.

BGB. § 1863.

Eheliches Güterrecht.

BGB. § 1373.

scheint hier glaubhaft nicht nur, daß der Mann arm im Sinne des § 114 ist, sondern auch, daß von ihm der Vorschuß selbst im Zwangswege nicht zu erreichen sein wird....

M. M.

f) Eigentum a« Hochzeitsgeschcnken. Kammergericht, VIII. ZS. Urteil v. 8. Dezember 1906. Die Klägerin gründet ihren Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung auf die Behauptung, daß die gepfändete Krone ihr und ihrem Manne, dem Die Eheschließung ist nach dem

Schuldner, zur Hochzeit geschenkt worden sei.

Inkrafttreten des BGB. erfolgt, das eine den §§ 172, 776 II 1 ALR. ent­ sprechende Vorschrift nicht enthält.

Die landrechtliche Vermutung für das

Miteigentum beider Ehegatten an den Hochzeitsgeschenken kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil sie eben nach der Lebensauffassung und dem als gemeinüblich zu unterstellenden Willen der Geschenkgeber entspräche; vielmehr ist in jedem Einzelfalle nach der geäußerten Willensmeinung des

Geschenkgebers oder nach den das Geschenk begleitenden Umständen zu er­ mitteln, welchein von beiden Ehegatten das Eigentum am Hochzeitsgeschenke zusteht, oder ob Miteigentum Beider anzunehmen ist.

Hierbei wird im all­

gemeinen davon auszugehen sein, daß jeder Geschenkgeber nur dem Ehegatten

etwas zuwenden will, mit dem er sich durch verwandtschaftliche, freundschaft­ liche, geschäftliche oder sonstige Beziehungen näher verbunden fühlt, daß ihm dagegen der Gedanke einer Zuwendung an den ihm unbekannten Teil eines Brautpaares fern zu liegen pflegt. Dr. P.

g) Klagt gegen die Fra« wegen eigenmächtig fortgeschaffter Jllateu. Aussetzung des verfahrens. OLG. Dresden, VII. ZS.

Urteil v. 30. März 1906.

Der Mann ist als Besitzer aller nicht zum Vorbehaltsgut der Frau ge­

hörenden Sachen, mögen sie ihm oder der Frau gehören, mindestens insoweit anzusehen, als sie sich in der gemeinsamen Wohnung befinden (§ 1373). Dem Ansprüche auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861x) kann die Be­ klagte nach §§ 863, 8642 ein Recht zum Besitz außer in dem nicht vorliegenden Falle der nachträglichen Feststellung desselben durch rechtskräftiges Urteil

nur zur Begründung der Behauptung entgegensetzen, daß die Entziehung keine verbotene Eigenmacht gewesen sei. Es müßte ihr also ein solches Recht bereits zur Zeit der Wegnahme der Sachen zugestanden haben.

Daß

ihr hinterher durch einstweilige Verfügung die zur Führung eines getrennten Haushaltes nötigen Sachen zugewiesen worden und daß die weggenommenen

wenigstens zum Teil solche seien, wie sie deren zum selbständigen Haushalt

bedürfe, könnte sie sonach dem Klaganspruch nicht mit Erfolg entgegensetzen, da die Verfügung einem rechtskräftigen Urteile nicht gleichsteht.

Jedenfalls

würde aber, auch wenn man dies mit Ann. 22 S. 325 annehmen wollte, die Beklagte doch nicht gerade die Überlassung der nämlichen Sachen beanspruchen können, die sie mit fortgenommen hat (Sächs. Archiv 1904 S. 515).

Sie

selbst hat darauf hingewiesen, daß der Kläger immer noch gleichartige, zu

9. Eheliches Güterrecht.

225

BGB. § 1876.

einer eigenen Wirtschaft ausreichende Gegenstände besitze, nicht aber darzutun vermocht, daß ihr zur Führung des abgesonderten Haushaltes gerade die

Möbelstücke nötig seien, die sie weggeschafft hat, und daß ihr die vom Kläger dafür angebotenen gleichartigen nicht zum angegebenen Zwecke genügen würden. Die Aufforderung des Klägers, seine Wohnung zu verlaffen und zu ihrem Vater zurückzukehren, konnte die Beklagte nur dahin auffaffen, daß sie den Haushalt ihres Vaters teile, aber nicht, daß sie einen selbständigen Haushalt

begründe, oder gar, daß sie irgend etwas von Möbeln zu diesem Zwecke aus seiner Wohnung mit fortnehme. Übrigens würde er auch eine etwa

gegebene

Erlaubnis

zum

getrennten

Leben

jederzeit

haben

widerrufen

Ein etwaiges Recht der Beklagten, die Aufhebung der Verwal­ tung und Nutznießung zu verlangen, würde nur bei dessen rechtskräftiger dürfen.

Feststellung zufolge § 14182 die Widerrechtlichkeit der Besitzentziehung haben ausschließen können.

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO. wäre, selbst wenn

man mit Rücksicht auf § 8642 BGB. das dort vorausgesetzte Abhängigkeits­ verhältnis der jetzigen Klage zur Entscheidung deS Scheidungsprozesses an­ nehmen dürfte, keinesfalls angemessen, da sie dem in den §§ 861 ff. anerkanntem Grundsätze, dem Besitzer unter Abschneidung anderer als der ausdrücklich zugelaffenen petitorischen Einwendungen wieder zum Besitze oder zur Be­

M.z.

seitigung der Störung zu verhelfen, widersprechen würde.

h) Rechte des Mannes am eimgebrachten und Borbehaltsgut, wenn er beide zum Erwerbe van Grundstücke« verwandte. OLG. Dresden, VII. ZS.

Urteil v. 29. Juni 1906.

Das Vermögen der Klägerin war in der Hauptsache Vorbehaltsgut. In der Überlassung seiner Verwaltung und Nutznießung an den Beklagten lag die Begründung eines nur bis zu ihrem beliebigen Widerruf zu Recht be­

stehenden tatsächlichen Zustandes.

Ihre Rechte hat die Klägerin auch nicht

dadurch verloren, daß der Beklagte das vorbehaltene und das eingebrachte Vermögen verschmolzen und beides ungetrennt in zwei Grundstücken sestgelegt In welcher Weise diese Rechte jetzt am geeignetsten zu verwirklichen seien, ob durch eine Lösung der Gemeinschaft, die durch Verkauf der er­

hat.

worbenen Grundstücke herbeizuführen wäre, oder durch gemeinsame, bzw. durch

gemeinsam auf einen Sequester zu übertragende Verwaltung derselben oder vielleicht durch Zuweisung des einen an die eine, des anderen an die andere

Partei, kann unerörtert bleiben; jedenfalls kann die Klägerin verlangen, daß, soweit in einem Grundstücke vorbehaltenes Vermögen mit angelegt ist, ihr die ihrem Anteile entsprechende Quote der Früchte daraus zustieße.

Sie geht

jedoch mit Unrecht davon aus, daß die Grundstücke in vollem Umfange Vor­ behaltsgut seien. Hat sich auch das Vermögen der Klägerin im Laufe der Zeit vermindert, so fehlt doch jeder Anhalt dafür, diese Verminderung aus­ schließlich entweder dem vorbehaltenen Vermögen oder dem eingebrachten zu­

zuweisen, vielmehr muß im Zweifel da- Quotenverhältnis zwischen beiden OLTRIp. XIV.

15

226

S. Eheliches Güterrecht.

BGB. §§ 1399. U29.

als maßgebend anerkannt, also vorausgesetzt werden, daß beides nach gleichem

Verhältnisse am Verluste beteiligt gewesen sei....

Anderseits muß der Be­

klagte, wenn infolge der von ihm bewirkten Anlage das Vermögen weniger Einkünfte abwirft, als sich bei einer Verzinsung zum gesetzlichen Zinsfüße Herausstellen würden, diese Folge auch für den seiner Nutznießung unter­

liegenden Teil tragen....

Daher war durch einstw. Verfügung die Zwangs­

verwaltung der Grundstücke mit der Maßgabe, daß von den reinen Ein­ künften 1/3 dem Beklagten und 2/s zum Gerichtsdepositum abzuführen seien. Durch diese Hinterlegung wird für die Klägerin die Gefahr beseitigt, daß ihr die Einkünfte bei Überlassung an den Beklagten endgültig verloren gehen,

während dieser für den Fall gesichert ist, daß ihm im Hauptprozeffe die Verwaltung der Grundstücke zugesprochen wird.

M.z.

i) Haftung des Mannes ans Schulden der Fra«. Kammergericht, XV. ZS. Urteil v. 24. November 1905. Das Darlehn ist der mitbeklagten Ehefrau gewährt. Sie allein haftet Wenn sie die als Darlehn erhaltenen und in ihr Eigentum

also daraus.

übergegangenen Wertpapiere versilbert und den Erlös teils bar, teils in anderer Weise ihrem Manne zugewendet hat, so ist dieser dadurch aus ihrem Vermögen und nicht auf Kosten des Klägers besichert worden. Ein

Bereicherungsanspruch steht also dem Kläger gegen den Mann nicht zu. Nur unter der hier nicht vorliegenden Voraussetzung, daß dem Kläger ein Bereicherungsanspruch gegen die Frau erwachsen wäre, könnte in Frage

kommen, ob der Mann das von seiner Frau unentgeltlich Erlangte an den Unerheblich ist die angebliche Kenntnis des Mannes von der Aufnahme des Darlehns

Kläger herauszugeben habe (§ 822 BGB. und Planck 2a dazu).

und von der Versilberung der Wertpapiere. Denn selbst wenn er dem Darlehnsgeschäfte der Frau ausdrücklich zugestimmt hätte, würde er nicht Schuldner des Klägers sein (§ 13992). Da die Wertpapiere veräußert sind, haftet der Mann auch nicht aus §§ 14112, 13773. W.n. k) Gütertrennung.

Verbleib der Mobilien der Kran in der Ehe­

wohnung. OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 26. Januar 1907. Der Beklagte meint, daß die klagend geforderten Gegenstände, wenn sie

aus dem Vermögen der Klägerin zum Zweck der Ausstattung der ehelichen Wohnung angeschafft wären, jedenfalls so lange in dieser Wohnung und dem genannten Zwecke erhalten bleiben müßten, als die eheliche Gemeinschaft be­

stehe oder mit Recht vom Beklagten beansprucht werde.

Allein daraus, daß

die Parteien Gütertrennung vereinbarten, folgt, daß der Mann hinsichtlich

des in seine Hand gegebenen Frauengutes lediglich als Verwalter und Beauf­

tragter seiner Frau figuriert, diese die Eigentümerin der mit ihrem Vermögen angeschafften Gegenstände wird und jederzeit berechtigt ist, das Auftrags­ verhältnis zu kündigen und ihr Eigentum zurückzuverlangen.

Wenn § 1429

die Jnterpretationsregel aufstellt, daß der Frau, die zur Bestreitung des ehe-

lichen Aufwandes dem Manne etwas aus ihrem Vermögen überläßt, im

Zweifel die Absicht fehlt, Ersatz zu verlangen, so kann hieraus keineswegs der Schluß gezogen werden, daß der Frau auch im Zweifel die Absicht fehle, ihr Eigentum zurückzufordern. Ein derartige Vermutung oder Auslegungs­ regel würde sich zur Vereinbarung der Gütertrennung begrifflich in Wider­

spruch setzen.

Es bedürfte, um solches Rückforderungsrecht auszuschließen,

der gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Ehevertrags....

M. M.

1) Unanwendbarkett der Vorschrift des § 1411 BGB. aus den Fall

der vertragSmätzige« Hingabe des eingebrachle« Gutes an de« Mann. Kammergericht, III. ZS.

Urteil v. 19. Oktober 1906.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den aus § 1411 BGB. für ihn unmittelbar als Gläubiger der Ehefrau gegen den Ehemann seiner

Schuldnerin sich ergebenden Anspruch hat geltend machen wollen, wogegen die Tatsache spricht, daß er den Anspruch der Ehefrau gegen den Ehemann

für sich hat pfänden und sich hat überweisen fassen, oder ob er überhaupt nur den der Ehefrau zustehenden Anspruch als deren Rechtsnachfolger ver­ folgt. In dem einen wie in dem anderen Falle ist die Klage unbegründet. Denn der Beklagte hat unwidersprochen behauptet, daß er im Einverständ­ nisse mit seiner Ehefrau das von dieser eingebrachte Kapital von 5000 Mark

zur Tilgung von Geschäftsschulden und zur Vergrößerung seines Geschäftes verbraucht habe. Der Beklagte hat somit die 5000 Mark nicht bloß auf Grund seines gesetzlichen Verwaltungs- urtb Nutznießungsrechts, sondern auch auf Grund eines besonderen Vertrages erhalten, der seiner Gültigkeit nach so lange nicht zu beanstanden ist, als er nicht als simuliert oder gemäß dem Gesetze vom 21. Juli 1879 mit Erfolg angefochten ist. Dieses Rechtsverhältnis zwischen den Eheleuten steht sowohl dem auf Grund des § 1411

BGB. von dem Gläubiger direkt zu erhebenden, als auch dem auf Grund der Rechte der Ehefrau dem Kläger überwiesenen Anspruch entgegen. Denn be­ züglich der Rückzahlung der 5000 Mark muß angenommen werden, daß mangels sonstiger Abreden die Vertragschließenden bei Hingabe des Kapitals

an den Beklagten wollten, daß dieser die 5000 Mark so lange behalten solle, als ihre Ehe bestehe.

Auf eine solche Vereinbarung ist auch für den Fall

zu schließen, daß die 5000 Mark dem Beklagten von seiner Ehefrau direkt als Darlehn gegeben sind.

Bei dem nahen Verhältnis und der Interessen­

gemeinschaft, in der sie als Eheleute zueinander stehen, erscheint es aus­ geschloffen, daß die Ehefrau des Beklagten bei Hingabe der 5000 Mark an die Rückerstattung des Darlehns während des Bestehens ihrer Ehe gedacht hat.

Hiernach kann davon, daß nach den Absichten der Eheleute H. die

Rückerstattung der 5000 Mark während des Bestehens der Ehe erfolgen und eventuell von einer Kündigung nach Maßgabe des § 609 BGB. abhängen

solle, nicht die Rede sein. Übrigens wäre auch dann, wenn die 5000 Mark als verbrauchbare Sache (§ 92 BGB.) dem Beklagten von seiner Ehefrau ausdrücklich zur Nutz15*

228

9. Allg. Gütergemeinschaft.

BGB. §§ 1443.1467.

nießung und zur Verwendung in sein Geschäft überlasten sind, der Beklagte Eigentümer des Kapitals gemäß § 1067 BGB. geworden und nach der

Bestimmung dieses Paragraphen der Bestellerin des Nießbrauchs, seiner Ehe» frau, gegenüber lediglich verpflichtet, bei Beendigung des Nießbrauchs, welche wie oben ausgeführt, nach der stillschweigenden Abmachung der Vertragschließenden erst mit Auflösung der Ehe eintreten sollte, ihr das

Kapital zu ersetzen (vgl. Planck § 1376 BGB. Anm. 1).

Z.

m) Mitbelangung der gütergemetnsch. Fra«. OLG. München, III. ZS. Urteil v. 8. November 1906. Der Ehemann A. hat den Kaufvertrag zugleich als Bevollmächtigter seiner

gütergemeinsch. Frau geschloffen. Dadurch hat er diese persönlich berechtigt und verpflichtet. Wird auf Grund vollstreckbarer Ausfertigung der Kaufsurkunde

auf Betreiben des Gläubigerteils gepfändet, so kann dem Schuldner nicht ver­ sagt sein, seine den Anspruch betreffenden Einwendungen bzw. den Widerspruch

gegen die Zulässigkeit der eingeleiteten Zwangsvollstreckung auch gegenüber der persönlich als Gläubigerin auftretenden Frau klageweise geltend zu machen.

U.

n) Zur Auslegung des § 14671 BGB. OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 6. November 1906.

Da der Kläger aus dem Gesamtgut Kostenvorschüffe für die Beklagte geleistet hat, so muß diese, deren Scheidungsklage abgewiesen wurde, den

unstreitigen Betrag nebst Zinsen zum Gesamtgute zurückerstatten, soweit ihr Vorbehaltsgut ausreicht. Die Parteien streiten darüber, ob das Vorhanden­

sein des Vorbehaltsguts zur Begründung des Anspruchs gehört oder der Schuldnerin nur eine Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung gibt. Letzteres hat der hiesige I. ZS. am 5. Januar 1906 (HansGZ. 1906 Nr. 57) angenommen, während der IV. ZS. (Rsp. 7 S. 404) die erstere Meinung mit Recht vertritt. Nach der Faffung des § 1467 ist es offensichtlich, daß für den im ersten Halbsatz geordneten Regelfall die Leistungspflicht erst mit Be­ endigung der GG. beginnen, die Leistung erst dann fällig werden soll;

gegebenenfalls muß also der Kläger diesen Eintritt der Fälligkeit zur Be­ gründung seiner Klage darlegen und nachweisen. Liegt der Regelfall nicht vor, weil Vorbehaltsgut vorhanden ist, so gehört es demgemäß, um die Klage schlüssig zu machen, dazu, daß der Kläger diese Tatsache vorbringt. Denn andernsalls stände die Bestimmung im ersten Halbsatz der Klage entgegen. Der Kläger faßt die Vorschrift lediglich als eine Haftungsbeschränkung auf, so, wie

sie in gewissen Fällen dem Erben und dem überlebenden Ehegatten bei fort­ gesetzter GG. gegeben ist.

Die Unrichtigkeit dieser Ansicht ergibt sich jedoch,

wenn man die Ausdrucksweise der diesbezüglichen §§ 1990, 1992, 1973, 1974

1989, 1489 ins Auge faßt und in Erwägung zieht, daß in diesen Fällen nach ausdrücklicher Vorschrift (§§ 780, 786 ZPO.) die Geltendmachung der

Haftungsbeschränkung von einem Vorbehalt im Urteil abhängig gemacht wird. An dergleichen Bestimmung fehlt es für die Fälle der vorliegenden Art. Daß diese verschiedene Behandlung keine zufällige ist, ist offenbar; bei der

9. Allg. Gütergemeinschaft.

BGB. § 1468.

229

sorgfältigen Abfassung des jetzigen § 786 ZPO. muß das Fehlen des § 1467

in ihm als gewollt angenommen werden. Allerdings wird der dem Kläger hiernach obliegende Beweis nicht leicht zu führen sein; anderseits würde man aber die Frau der Gefahr aussetzen,

ohne Notwendigkeit mit Prozessen überzogen zu werden und Prozeßkosten

zahlen zu müssen, wenn sie Vorbehaltsgut überhaupt nicht oder nur in gering­ fügigem Umfang besitzt. Da sie in jedem Fall verurteilt werden müßte und

erst in der Zwangsvollstreckung nachweisen könnte, daß ihr Vorbehaltsgut nicht ausreiche, so würde sie nicht anders gestellt sein, wie jeder andere Schuldner,

abgesehen davon, daß nur eine Haftung aus dem Vorbehaltsgut stattfindet. Wäre dies richtig, so würde der § 1467, wonach die Schuld zu berichtigen sei, soweit das Vorbehaltsgut ausreicht, überflüsstg sein, denn es versteht sich von selbst, daß eine Schuld nicht mit mehr als dem Vorhandenen be­ richtigt werden kann....

M. M.

o) Kan« die gütergemeinsch. Fra« bei fraudulöse« Machenschaften ihres MauueS selbständig gegen Dritte Vorgehen'! OLG. Königsberg, II. ZS.

Beschluß v. 14. Februar 1906.

Bei fraudulösen Machenschaften, wie sie hier behauptet sind, steht der

Frau der vom ersten Richter für gangbar erachtete Weg offen, sich gemäß

§§ 1456, 1467, 1468 gegen ihren Mann zu wenden; dies schließt aber nicht

aus, daß sie auch ihr Recht unmittelbar gegen den Dritten geltend zu machen berechtigt ist. Wie auf die Geschäftsfähigkeit der Frau weder die Ehe als solche noch der für die Ehe geltende Güterstand einen Einfluß hat, auch die Prozeßfähigkeit der Frau dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt wird, so vermag ebensowenig das eheliche Güterrecht irgendwelche Beschränkung der

Ehefrau in ihrem höchstpersönlichen Rechte zu begründen, gegen Mißbrauch des ehemännlichen Rechts des Gatten sich zu wenden (§ 1354). Um Mißbrauch handelt es sich aber, wenn eine Verfügung oder Entscheidung des Mannes der rechten ehelichen Gesinnung widerspricht. Hat hier der Mann Ver­ anstaltungen getroffen, das gütergemeinschaftliche Vermögen zu seinem Vorteil

und zum Nachteil der Frau an einen Dritten zu verschieben, so ist er damit seines Zustimmungsrechts zur Klage der Frau gegen den Dritten verlustig

gegangen und der Mangel der Zustimmung ungeeignet, die Frau an der selbständigen Wahrung ihrer Rechte zu hindern. In diesem Sinne hat sich die Rechtsüberzeugung und Rechtsprechung von jeher betätigt (vgl. Striethorst 52 S. 43, 75 S. 230, 86 S. 208ff.), und es ist ganz ausgeschlossen, daß die Einführung des BGB. hierin eine Änderung herbeigeführt haben soll.

Es kommt hinzu, daß es sich hier nur um Scheingeschäfte handelt.

Daß die Frau sie ohne Zuziehung des Mannes anfechten und

beseitigen

kann, unterliegt auch ohne den Rückgriff auf den Grundsatz vom Mißbrauch keinem Zweifel. Selbst durch ein zu seiner Verdeckung herbeigeführtes Urteil

und durch Zwangsvollstreckung erlangt ein derartiges Geschäft keine Wirksam­ keit; die. gütergemeinsch. Frausist in dessen Anfechtung unbeschränkt (§117

230

9. Allg. Gütergemeinschaft.

BGB. §3 1471. 1480.

BGB., Präj. des Obertr. N. 551, Obertr. 59 S. 166; Bolze 6 N. 695; Rehbein Entsch. 4 S. 199, 200 Sinnt.).

p)

Th.

Auseiuaudersetzuug über das Samtgut. OLG. Hamburg, VI. ZS.

Urteil v. 10. Juli 1906.

Die Bemängelung der Zuständigkeit des Landgerichts ist nicht gerecht­

fertigt.

Nach 88 99, 86 FrGG. hat nach der Beendigung der GG. das

Amtsgericht, in dessen Bezirk der Mann seinen Wohnsitz hat, auf Antrag

die Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Das Ver­ fahren vor dem Amtsgericht ist sonach fakultativ, und vorliegend ist dafür mangels eines entsprechenden Antrags kein Raum. In der Sache muß, obwohl das BGB. im Abschnitt über GG. keine

den 88 1421, 15463

entsprechende Vorschrift enthält,

der Anspruch

der

Klägerin nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zugebilligt werden (8 260; vgl.

Maßgeblich für die Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten ist der Zeitpunkt der Auflösung der Ehe, welche nach 8 1564

HansGZ. 1903 Nr. 55).

mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils eintritt. Da nun die Rücknahme der Revision am 28. März, d. h. also zu einer Zeit erfolgt ist, wo die Revisionsfrist längst abgelaufen war, so ist die Rechtskraft am 28. März ein­ getreten.

Das Urteil des Reichsgerichts, welches die Revisionsklägerin des

Rechtsmittels verlustig erklärt, hat nur deklaratorischen Charakter (GauppStein 2 S. 18). Die Auffassung, daß nach dem 28. März noch bis zum Erlaß des reichsgerichtlichen Urteils hätte Anschlußrevision eingelegt werden können, ist unrichttg. Wäre vor der Rücknahme bereits zur Sache verhandelt worden und hätte sodann der Revifionsbeklagte seine Einwilligung zur Zurück­ nahme des Rechtsmittels verweigert, so läge die Sache ander- (vgl. ZPO.

88 666, 515, 522).

q)

M. M.

Zur Auslegung des § 1480 BGB. «) OLG. Hamm, VI. ZS.

Urteil v. 3. November 1906.

Der Kläger hat gegen den Mann der Beklagten wegen einer vor dem 18. November 1904

entstandenen

Forderung

vergeblich

vollstreckt.

Der

Schuldner hatte durch notariellen Verttag vom 18. November 1904 an Stelle

der für feine Ehe bis dahin bestandenen provinziellen GG. die Gütertrennung eingeführt, wobei die beklagte Frau das gesamte gütergem. Vermögen als

Vorbehaltsgut übernahm.

Die Beklagte wurde verurteilt, sich die Zwangs­

vollstreckung in diese Vermögensstücke gefallen zu fassen.

Gründe:

Das erste Urteil führt unter Hinweis auf 8 3 des Ges. vom 16. April 1860, Art. 48 8 2, Art. 47 § 1 Ausf.-G. zum BGB., 8 1480 BGB., 88 786, 780ZPO. zutreffend aus, daß, weil es sich hier um eine gütergem. Schuld des

Mannes handelt, welche bei der Beendigung der GG. unberichttgt blieb, die

Beklagte dafür persönlich haftet mit dem Rechte, die Beschränkung ihrer Haftung auf die ihr durch den Gütertrennungsakt zugeteilten Gegenstände

geltend zu machen.

genommen.

Diese Beschränkung ist bereits im Klagantrage vorweg­

Die Beklagte darf sich nicht darauf berufen, daß die ihr zu»

9. Allg. ®ütergemeinfd)aft.

BGB. § 1480.

231

gefallenen Gegenstände zur Zeit des Vertragsabschlusses als unentbehrlich im Sinne des §811 ZPO. der Pfändung nicht unterlegen haben würden.

Denn

die Frage, ob sie dem Zugriffe eines Gläubigers unterliegen oder nicht, be­ urteilt sich lediglich nach der Zeit der Vollstreckung.

Sollten sie bei einer etwa

demnächst vom Kläger betriebenen Vollstreckung als der Pfändung unterliegend

befunden werden, so verstößt die Befriedigung des Klägers aus ihnen auch dann

nicht gegen den Grundsatz der beschränkten Sachhaftung der Beklagten, wenn sie bei Einführung der Gütertrennung in der Tat unpfändbar gewesen sein sollten.

Wenn die Beklagte endlich geltend macht, sie würde, wenn daS erste Urteil bestehen bliebe, mit ihrer künftigen auf § 811 ZPO. gestützten Be­

schwerde in der Vollstreckungsinstanz deshalb zurückgewiesen werden, weil über die Zulässigkeit der Pfändung rechtskräftig entschieden sei, so ist das rechtsirrig.

Die Frage, ob bei einer demnächstigen Vollstreckung die Sachen

gemäß §811 ZPO. pfandfrei zu lassen sind oder nicht, unterliegt überhaupt

nicht der Prüfung des Prozeßgerichts, sondem gehört zur ausschließlichen Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts (§§ 766, 802 ZPO.; vgl. Entsch. des RG. 40 S. 366).

Durch das erste Urteil wird über die Pfänd- oder Nicht­

pfändbarkeit der Sachen nicht entschieden, und der Beklagten ist unbenommen,

für den Fall, daß das Verfahren des Gerichtsvollziehers sie als gegen § 811

verstoßend beschwert, sich mit geeigneten Anträgen auf Gmnd des § 766 an das Vollstreckungsgericht zu wenden. N. ß} OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 25. Oktober 1906. Der Streit dreht sich lediglich dämm, ob die beklagte Ehefrau, nachdem

sie die beschränkte Haftung gemäß § 1480 eingewendet hat, mit dem in § 780 ZPO. bestimmten Vorbehalte zu vemrteilen oder ob die Klage ohne weitere- deshalb abzuweifen war, weil die Beklagte aus der GG. überhaupt keine pfändbaren BermögenSstücke erhalten hat. Die Frage, ob der § 1480 nur eine ExekutionSeinrede gewährt oder eine materiellrechtliche Beschränkung der Verpflichtung des anderen Ehegatten begründe, ist streitig. Nach Eccius

(Gruchot 43 S. 617) braucht der Erbe —, und analog der nicht ursprüng­ lich haftende gütergem. Ehegatte nach § 1480 — wenn die Erbschaft er­ schöpft bzw. die Auseinandersetzung für ihn ergebnislos gewesen ist, sich nicht

erst eine kostspielige Verurteilung unter Vorbehalt beschränkter Haftung ge­ fallen zu laffen, sondem kann ohne weiteres Abweisung der Klage erbitten,

eine Ansicht, der Struckmann-Koch zu § 780, Sydow-Busch zu § 7813

unter Berufung auf die Motive und die Entsch. des RG. 54 S. 413 zuzu­ neigen scheinen. Auf der anderen Seite steht die Ansicht, daß die Haftung gemäß § 1480 BGB. nach Erlaß eines Vorbehaltsurteils in der Voll­

streckungsinstanz und nicht vor dem Urteile zu erörtern und zu entscheiden sei. Dem sei wie ihm wolle, jedenfalls liegt für die Berufungsinstanz dann, wenn schon der Vorderrichter die Nichtzuteilung von Gegenständen des Ge­

samtguts an die Beklagte und daher deren Nichthaftung überzeugend fest­ gestellt hat, kein zwingender Grund vor, die deshalb erfolgte Klagabweisung

9.

232

Fortgesetzte Gütergemeinschaft.

BGB. §§ 1483 ff.

aufzuheben und an ihre Stelle ein Urteil mit Vorbehalt der Haftung auf die der Beklagten aus der GG. zugeteilten Gegenstände zu setzen. Das wäre bei Anerkennung der erstinstanzlichen Feststellung, daß solche überhaupt nicht zu­

geteilt gewesen seien, ein Widerspruch in sich selbst oder mindestens ein grund­ M. M.

loser Formalismus.

r) DaS Antrilsrecht des Abkömmlings am Gesamtgat der fortges. GG? «ad die Glöabtgeraafechtang. OLG. Stettin, V. ZS.

Urteil v. 16. November 1906.

Der im März 1904 gestorbene X. lebte in der GG. der Pomm. Bauern-O.,

die in die allg. GG. des BGB. übergeleitet und zwischen der im Mai 1905

gestorbenen Witwe X. und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen Carl und Franz zur fortgesetzten GG. geworden ist.

Die Gläubigeranfechtung ist aus­

geschlossen, weil es an der hierfür erforderlichen Benachteiligung fehlt, und

zwar an unmittelbarer wie mittelbarer (Jäger, Gläubigeranf. S. 82, 83,

86, 88 ff., 93;

IW. 1906 S. 722»», 1905 S. 57»»;

Entsch. des RG.

59 S. 196).

Die Grundstücke, deren Wert der Kläger zu seiner Befriedigung bean­ sprucht, waren Bestandteile des Gesamtgutes der fortges. GG., an der der

Vollstreckungsschuldner F. als Abkömmling beteiligt gewesen ist. Solches Gesamtgut mit den zugehörigen Verbindlichkeiten ist eine von dem eigenen Vermögen des Abkömmlings und seiner Verbindlichkeiten scharf getrennte Sondermaffe; das Vermögen des Abkömmlings gehört nicht zum Gesamtgute (§ 1485»); eine persönliche Haftung des Abkömmlings für die Gesamtguts­ verbindlichkeiten wird durch die fortgesetzte GG. nicht begründet (§ 1489», 1488). Ferner ist nach § 7451 ZPO. zur Vollstreckung in das Gesamtgut ein gegen

den überlebenden Ehegatten ergangenes Urteil erforderlich und genügend; die Anteile am Gesamtgut und den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen find der Pfändung nicht unterworfen. Durch den Konkurs über den Abkömmling

wird das Gesamtgut nicht berührt und die Abkömmlinge sind zu dem Antrag auf Eröffnung des Sonderkonkurses über das Gesamtgut nicht berechtigt (§§ 2», 236 Satz 4 KO.).

Für die eigenen Verbindlichkeiten der Abkömm­

linge haftet das Gesamtgut nicht (§ 1488 und dazu Leske S. 755; Stau­

dinger 4 S. 391 Note 3 zu bß; Planck 4 S. 309 Note 3; Jäger S. 3016; (Prot. 4 S. 337).

Um solche eigene Schuld handelt es sich hier.

Der Titel des Klägers ist nur gegen den Abkömmling F. erlassen, und zwar

wegen Kaufpreisansprüche

aus

einem

von

ihm

allein

betriebenen

Erwerbsgeschäft, seinem Viehhandel. Eine Haftung und Vollstreckung ins Gesamtgut war dem Kläger also versagt. Der die entsprechende Anwendung

des § 1405 enthaltende § 1452 ist in § 1487

nicht

unter

die

für die

fortges. GG. maßgebenden Vorschriften ausgenommen, ebensowenig wie die 1 Nicht jede Auseinandersetzung zwischen dem überlebenden Ehegatten und seinen leib­

lichen Kindern über die Gütergemeinschaft der Pommerschen Bauernordnung hat die Totteilung

zur Folge (Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 28. November 1904).

Z.

9. Fortgesetzte Gütergemeinschaft.

BGB.

1483 ff.

§§ 1356, 1307 des Entwurfs I im § 1399 daselbst herangezogen

233

waren

(Motive 4 S. 462 und Prot. 4 S. 337).

Nun würden freilich die Grundstücke ohne ihre angefochtene Ver­ äußerung vom Frühjahr 1905 an die Schwiegertochter infolge des Todes

der Witwe 3E. mit Beendigung der fortges. GG. (§ 1494) dem Schuldner

und damit dem Zugriff des Klägers zugefallen sein. Der Vertrag vom 20. Januar 1905, in dem die Witwe und F. als Verkäufer wirkten, enthielt nur das rein obligatorische Kausalgeschäst.

Dieses bildet in der Regel den

Ansechtungsgegenstand (Jäger, Ans. S. 75, 90); auch schon zur „Eingehung

der Verpflichtung zur Verfügung" bedurfte die Witwe der Einwilligung

des F. (88 1445, 1487).

Vor allem aber kommt hier die sachenrechtliche Ver­

fügung, die Auflassung vom 28. Februar 1905 nebst der daraufhin am 3. März 1905 erfolgten Eintragung im Grundbuch, als Ziel für die An­

fechtung in Betracht. Wenn dabei die Witwe und F. die in 8 925 vor­ geschriebene Einigung gemeinsam als Veräußerer erklärten, so ist dies nach 88 1487, 1443 doch so zu verstehen, daß die „Verfügung" von der Witwe allein bewirkt, von F- nur die nach 88 1487, 1445 erforderliche „Ein­

willigung" erteilt ist, welche als anzufechtende Rechtshandlung des Schuldners in Frage kommt. Ob sie eine „Verfügung" enthält, ob sie ein selbständiger

Vermögensbestandteil ist, darüber herrscht Streit (Staudinger 1 S. 509 Folgt man der dem Kläger günstigeren Auslegung, so ist dennoch die Anfechtung zu versagen. Allerdings kann die Beurteilung, welche zur Verneinung der Anfechtung einer Erbschafts­ ausschlagung geführt hat (Entsch. des RG. 54 S. 289), hier nicht Platz greifen;

Rote 1, 4 S. 387f.; Planck 4 S. 306 Note lb).

solcher Ausschlagung würde die hier nicht vorliegende Ablehnungserklärung des überlebenden Ehegatten, hier also der Witwe, aus 8 1484 gleichzustellen

sein (8 9 Satz 2 KO.). Völlig anders ist die Stellung des Abkömmlings. Zwar kann er auf sein Anteilsrecht verzichten (88 1491, 1517), die „Nicht­ annahme eines erst angetragenen Rechts" ist darin aber nicht zu finden. Der

Abkömmling hat vielmehr als materiellen Ersatz für das ihm durch den Ein­ tritt der fortgesetzten GG. entzogene gesetzliche Erbrecht am Vermögen des zuerst gestorbenen Elternteils von vornherein ein festes, aktives Recht zur gesamten Hand (Motive 4 S. 432 f., 442, 458ff.; Denkschr. S. 303, 304). Es

sind daher auch die Grundsätze für die Anfechtung und Nichtanfechtung von widerruflichen Lebensversicherungszuwendungen (Entsch. des RG. 51 S. 403, 62 S. 46) hier abzulehnen. Eher könnte das hier streitige Verhältnis dem

Schwebezustand bei bedingten Rechten gleichgestellt werden (Jäger 191—-197, 79, KO. S. 21) oder dem Pflichtteilsanspruch (8 2317 BGB. und 8 852 ZPO.). Nun ist aber das Anteilsrecht des Abkömmlings weder vererblich

(8 1490) noch veräußerlich (88 1487, 1442) noch der Vollstreckung unterworfen

(88 851, 857', 860 ZPO.). Sein Einwilligungsrecht gemäß §§ 1487, 1445 ist ein bloßer Ausfluß des Anteilsrechts; ist dieses dem Zugriff des Gläu­

bigers entzogen, so ist ihm jenes als bloßes minus erst recht verschlossen

234

S. Fortgesetzte Gütergemeinschaft.

BGB. § 1483.

Hat also der Abkömmling von diesem Recht Gebrauch gemacht, so ist der Vollstreckungsanspruch der Gläubiger objektiv nicht beeinträchtigt, mithin auch

eine Anfechtung, die bloßes Hilfsmittel der Vollstreckung ist, ausgeschlosien

(Jäger S. 23, 44, 45). Diese Grundsätze würden dem Kläger nicht entgegenstehen, wenn die fortgesetzte GG. vor oder doch gleichzeitig mit der angefochtenen Veräußerung aufgehoben wäre.

Dadurch wird der Anteil am Gesamtgut zugunsten der

Gläubiger des Anteilsberechtigten der Pfändung unterworfen (§ 8602 ZPO.),

der Pfändungsgläubiger kann alsdann auch die Auseinandersetzung beantragen (FrGG. §§ 862, 991; ZwVG. § 181*).

unrichtig.

Die Behauptung ist jedoch tatsächlich

Ob dem Gläubiger die §§ 116, 117, 138, 226, 823, 826 BGB.

zur Seite stehen (Entsch. des RG. 50 S. 123; IW. 1904 S. 50032; Gruchot

46 S. 395; Jäger S. 97, 99—101) ist hier nicht zu prüfen.

gerichtete Vorbringen enthält eine

Klagänderung

Das darauf

(Jäger S. lOO69), der

widersprochen ist

Gr.

s) Erbeinsetzung -er Ehefrau -ei fortgesetzter HS. OLG. Hamburg, L ZS.

Beschluß v. 11. Dezember 1906.

Der Vater der Antragsteller hat im § 1 seines Testaments gesagt, daß er seine Frau zu seiner alleinigen Erbin «nenne und berufe und hat aus­

geführt, wie er das verstanden sehen wolle.

Er hat danach unzweifelhaft

gewollt, daß, was er zu vererben habe, an seine Frau als seine Erbin fallen solle. Hat er die Fortsetzung der (allgemeinen) GG. nicht ausgeschlossen, so hat « nach § 1483 tatsächlich nur dann etwas zu vererben gehabt, wenn er ein Vorbehaltsgut besessen hat. Ob « daS hatte, kann jedoch dahingestellt

bleiben. Die im Testament verfügte Einsetzung der Frau als Erbin bleibt in Kraft, auch wenn kein Nachlaß vorhanden ist. Sie kann nebenbei bemerkt auch bei gütergem. Ehen insofern auch praktisch von Bedeutung sein, als sie es u. a. d« Frau ermöglicht, üb« die im Grundbuch nicht als gütergemeinschaftliche, sondern auf den Namen des Manne- eingetragenen Rechte ohne Schwierigkeit zu verfügen. — Der Erbschein, der die Mutt« der Antrag stell« als Alleinerbin ihres Mannes bezeichnet, ist keinesfalls unrichtig.

Der

Antrag auf Einziehung des Erbscheins ist unbegründet Auch dem weiteren Anträge auf ein Zeugnis über die Fortsetzung der GG. ist nicht stattzugeben. Nach § 1507 «hält es nur d« überlebende Ehegatte; die Kinder haben

darauf kein Recht. Auch haben sie praktisch kein Jntereffe an seiner Er­ teilung. Das Zeugnis soll dazu dienen, den B«fügungsberechtigten als

solchen auszuweisen.

Die Kinder sind nicht verfügungsberechtigt.

M. M.

t) Fortgesetzte SG. nach Stettiner Sta-trecht. OLG. Stettin, Ferien-ZS. Beschluß v. 19. Juli 1905. Im Geltungsbereiche der Statuten der Stadt Stettin ist es anerkannten

Rechtes, daß der § 379 ALR. II 1 Anwendung zu finden hat, und bei

fortgesetzter GG. der überlebende Ehegatte Hypotheken, die auf den Namen beider Eheleute oder des verstorbenen Ehegatten allein eingetragen sind, nur

9. Fortgesetzte Gütergemeinschaft.

BGB. 88 14838.1507.

235

mit Einwilligung der großjährigen Kinder und nur mit der unter den ge­ wöhnlichen gesetzlichen Bedingungen der Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts bedürfenden Einwilligung des Vormundes oder Pflegers der minder­ jährigen Kinder einziehen darf (Kosmann, Statutarrecht der Stadt AltStettin S. 35). Aus Art. 47 § 2 Nr. 1 Ausf.-G. zum BGB., wonach der § 379 II 1 ant der Maßgabe in Straft bleibt, daß auf die hier bezeichneten Verfügungen die Vorschriften Anwendung finden, welche für die in den

§§ 1444, 1445 BGB. bezeichneten Rechtsgeschäfte gelten, in Verbindung mit

§ 14871, ergibt sich, daß die Witwe, welche die GG. fortsetzt, zu einer Ver­ fügung über eine zum Gesamtgute gehörende Hypothekenforderung sowie zur Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung der Einwilligung der Kinder bedarf.

Diese kann ihr aber gemäß §§ 181, 1909 für ein unter

ihrer elterlichen Gewalt stehendes Kind nur von deffen Pfleger erteilt werden,

der dabei selbst wieder gemäß §§ 1822", 1915 an die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gebunden ist.

S.

u) Inhalt des Zeugnisses über fortgesetzte Gütergemeinschaft, wen« ntchtgemetnschastliche Abkömmlinge vorhanden find. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 31. Januar 1907.

Der Antrag der Beschwerdeführerin geht auf Berichtigung des Grund­ Sie behauptet, daß die jetzige Eintragung, nach welcher sie und ihr Ehemann Eigentümer des Grundstücks sind, durch den Tod ihres Ehemanns unrichtig geworden ist, und daß das Eigentum jetzt ihr und ihrem Sohne Karl in fortgesetzter westfälischer Gütergemeinschaft zusteht. Sie verlangt die Eintragung dieser jetzigen Eigentümer. Zu diesem Zwecke muß sie nach § 22 buchs.

GrBO. die Unrichtigkeit des Grundbuchs und die Richtigkeit ihrer Behauptung über ihr und ihres Sohnes Eigentum nachweisen. Eine der hiernach zu beweisenden Tatsachen ist, daß der verstorbene

Ehemann keine (unabgefundenen) Kinder aus einer früheren Ehe hinterlassen hat. Denn hätte er solche hinterlassen, so würde ein Bruchteil seines Anteils am ehelichen Gesamtgut nach den §§ 1924, 14832 BGB. und den §§ 7 und 8 des G. betr. das eheliche Güterrecht in Westfalen auf diese Kinder vererbt und nicht in das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gefallen sein. Dem Anträge, lediglich die Witwe und ihren Sohn als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen, könnte dann nicht stattgegeben werden. Der Nachweis, daß der verstorbene Ehemann keine Kinder aus einer

früheren Ehe hinterlassen hat, ist bisher herkömmlicherweise durch ein Zeugnis der Polizeibehörde geführt worden.

Diese Praxis war unter der Herrschaft

des früheren Rechts entstanden, weil das Gesetz kein bestimmtes Beweismittel gab. Jetzt hat sie ihre Berechtigung verloren, weil das BGB. ein solches Mittel gibt.

Dieses Mittel ist allerdings nicht, wie die Vorinstanzen meinen,

der Erbschein.

Denn der Erbschein ist nach § 2353 BGB. ein dem Erben

zu erteilendes Zeugnis über sein Erbrecht. Er kann also wohl nach § 1483 Abs. 2 BGB. dem Kinde aus einer früheren Ehe erteilt werden und sonach

dessen Vorhandensein beweisen.

Er kann aber nach § 1483 Abs. 1 BGB.

nicht den die Gütergemeinschaft sortsetzenden Personen zwecks Nachweises, daß

keine Kinder aus früherer Ehe vorhanden sind, erteilt werden, weil sie nicht Erben im Sinne des BGB. sind.

Dieser Grundsatz gilt auch für die fort­

gesetzte westfälische Gütergemeinschaft (mit der Maßgabe, daß die Unzulässig­ keit der Erteilung des Erbscheins aus diesem Grunde sich nur auf die die Gütergemeinschaft fortsetzenden Kinder bezieht, während ein Erbrecht der Ehe­

frau hier schon durch § 7 des Gesetzes vom 16. April 1860, §639 II 1 ALR. und Artikel 48 § 1 BGB. ausgeschlossen ist).

Es kann in dieser Beziehung Die

lediglich auf den Beschluß Rsp. 11, 266 Bezug genommen werden.

Gegenbemerkung des Landgerichts, daß nach § 7 des Gesetzes vom 16. April

1860 die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens als Nachlaß des Ver­ storbenen nach den Vorschriften des ALR. vererbt werde, kann die Zulässig­ keit des Erbscheins nicht begründen, weil aber ein Erbschein nach § 2353

BGB. nur den Erben im Sinne des BGB. erteilt werden kann und weil die Frage, ob ein Rechtsnachfolger in diesem Sinne Erbe ist, nicht aus

älteren Gesetzen zu beantworten ist.

Das vom BGB. zum Nachweise des Nichtoorhandenseins anderer als

gemeinschaftlicher Kinder gegebene Mittel ist das nach Artikel 66 Ausf.-G. zum BGB. und § 1507 dem überlebenden Ehegatten zu erteilende Zeugnis Über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft. Auf dieses Zeugnis finden nach § 15072 die Vorschriften über den Erbschein entsprechende Anwendung. Nach § 2553

hat das Nachlaßgericht dem Erben ein Zeugnis über sein Erbrecht und wenn er nur zu einem Teile der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erb­ teils zu erteilen. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift ergibt, daß nach § 1507 das Nachlaßgericht dem überlebenden Ehegatten ein Zeugnis über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft und, wenn sie sich wegen des Vorhandenseins anderer als der gemeinschaftlichen Kinder nur auf einen Bruchteil des Gesamtguts bezieht, aber die Höhe dieses Bruchteils zu erteilen

hat (vgl. Güthe Anm. 61 zu § 36 GrBO.). Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins muß nach § 2354 BGB. die Angabe enthalten, ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die das Erbteil des Antragstellers gemindert werden würde, und in welcher Weise eine derartige

weggefallene Person weggefallen ist. Nach § 2356 BGB. muß der Antrag­ steller solchen Wegfall durch öffentliche Urkunden nachweisen und im übrigen an Eidesstatt versichern, daß ihm nichts bekattnt ist, was der Richtigkeit seiner

Angaben entgegensteht.

Die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften er­

gibt, daß der überlebende Ehegatte in dem Anträge auf Erteilung eines Zeugniffes aus § 1507 BGB. angeben muß, ob und welche nicht gemeinschaft­

lichen Kinder des Verstorbenen vorhanden sind, in welcher Weise sie weg­ gefallen sind; daß er auch den Wegfall durch öffentliche Urkunden nachweisen

und daß seine eidesstattliche Versicherung sich auch auf die Angabe über das Nichtvorhandensein anderer Kinder beziehen muß. Schließlich ist die Vor-

9. Fortgesetzte Gütergemeinschaft.

BGB. § 1507.

237

schrift des § 2359 BGB. entsprechend dahin anzuwenden, daß das Nachlaß­ gericht das Zeugnis des § 1507 nur zu erteilen hat,

wenn es die zur

Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Es

kann also ein Zeugnis über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ohne An­ gabe des Bruchteils des ehelichen Gesamtguts, auf welchen sie sich bezieht, nur erteilen, wenn es feststellt, daß andere als gemeinschaftliche Kinder nicht vorhanden sind.

Stellt es dies fest, so bedarf es eines besonderen Zusatzes

in dem Zeugnis, daß die fortgesetzte Gütergemeinschaft das ganze Gesamtgut

ergreift, ebensowenig, wie in einem Erbschein für einen Alleinerben besonders hervorgehoben werden muß, daß er den ganzen Nachlaß erbt.

Denn beides

ergibt sich schon daraus, daß andernfalls der Bruchteil im Zeugnis oder Erb­ schein angegeben sein müßte. Ern Zeugnis über die Fortsetzung der Güter­ gemeinschaft ohne Angabe eines Bruchteils des Gesamtguts beweist also, daß andere als gemeinschaftliche Kinder, welche Erben wären, nicht vorhanden

der fortgesetzten Gütergemeinschaft geworden ist. Die Beschwerdeführerin hat ein Zeugnis des Nachlaßgerichts vorgelegt, sind, daß das eheliche Gesamtgut ganz zum Gesamtgut

nach welchem sie und ihr Sohn K. die Gütergemeinschaft fortsetzen, und in welchem nicht gesagt ist, daß dies nur hinsichtlich eines Bruchteils des Gesamt­

Sie hat damit den von den Vorinstanzen vermißten Nach­ weis, daß kein Bruchteil des Gesamtguts auf Kinder des Verstorbenen aus

guts der Fall ist.

einer früheren Ehe übergegangen ist, bereits geführt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Grundbuch­ amt zurückzuverweisen, um anderweit über den Antrag zu entscheiden. B. v) Gebührenbrrechnung, wenn im Erbschein die Fortsetzung der GG. bescheinigt wird.

Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 10. Juni 1905. Das Amtsgericht hat den von Ernst A. beantragten Erbschein dahin erteilt, daß Erbe der Frau A. ihr Sohn Ernst sei, mit dem sein Vater

An Gebühren wurden erfordert: a) für Erteilung des Erbscheins, b) für das Zeugnis über Fortsetzung der

Wilhelm A. die westfälische GG. fortsetze.

GG.

Auf Erinnerung

wurde jedoch

die zweite Gebühr abgesetzt.

Die

weitere Beschwerde der Staatskasse ist unbegründet.

Enthielte die ausgestellte Bescheinigung einen Erbschein und ein Zeugnis über die Fortsetzung der GG., so wäre unzweifelhaft die Gebühr aus Abs. 1

und außerdem diejenige aus Abs. 6 § 81 preuß. GKG. anzusetzen (Rsp. 5 S. 177). Eine solche Verbindung könnte in Frage kommen, wenn die Ver­

storbene außer ihrem Anteil am Gesamtgute noch anderes, nicht zum Gesamt­ gute gehöriges Vermögen hinterlassen hätte. Dann konnte in Ansehung dieses letzteren nicht gemeinschaftlichen Vermögens ein Erbschein und im übrigen ein Zeugnis über die Fortsetzung der GG. erteilt werden.

Erbe des Vorbehalts­

und Sonderguts wäre aber nicht der Sohn der Erblasserin allein, sondern

neben ihm auch deren überlebender Ehemann geworden.

Hiervon ist jedoch

288

9. Fortgesetzte Gütergemeinschaft.

BGB. § 1507.

weder in den Erklämngen des Sohnes noch in der Bescheinigung die Rede. Es ist daher davon auszugehen, daß sich sowohl der gestellte Antrag als auch der erteilte Erbschein lediglich auf den Anteil der Verstorbenen am Ge­ samtgute beziehm.

Dieser Anteil wird zwar, wie der 8 7 Ges. vom 16. April

1860 vorschreibt, als Nachlaß der Verstorbenen nach den Vorschriften des ALR. vererbt und ist hier nach den in den Beschlüssen vom 20. April und

4. Mai 1905 (Y 384, 451) anerkannten Grundsätzen aus den Sohn der Ver­ storbenen, unter Ausschluß des überlebenden Ehemanns, übergegangen.

Trotz­

dem kann ein Erbschein nicht erteilt werden. Ein solcher setzt voraus, daß eine Erbfolge im Sinne des BGB. stattgefunden hat. Hieran fehlt es, wenn die fortgesetzte GG. des BGB. eintritt. In diesem Falle kommt, wie der § 1483

zum Ausdrucke bringt, der Gesichtspunkt einer erbrechtlichen Sukzession in Betracht (Prot. 4 S. 304). Es kann daher hinsichtlich des Gesamtgutes kein Erbschein, sondern nur ein Zeugnis über die Fortsetzung der GG. erteilt Auch bei der westfälischen GG. setzt der überlebende Ehegatte, wenn nicht nach § 1483 BGB., so doch nach § 10 Ges. vom

werden (BGB. 81507).

16. April 1860 (Art. 48 § 1, vgl. § 8 Ausf.-G. zum BGB.) mit den unab­ gefundenen eigenen Kindern die GG. fort, sofern nicht die sofortige Schich­ tung von dem Verstorbenen letztwillig angeordnet worden ist. Dieses Rechts­

verhältnis ist eine fortgesetzte GG. im engeren Sinne, bei der die gemein­

schaftlichen Abkömmlinge unmittelbar an Stelle des verstorbenen Ehegatten neben dem überlebenden Ehegatten als Teilhaber der Gemeinschaft eintreten (Roth, System 2, 111SM; Stobbe-Lehmann, Handb. 4 § 303 Anm. 15;

Motive 4 S. 424, 426; Rsp. 9 S. 155 zu 1).

Es liegt ihr also dasselbe

System zugrunde, wie der fortgesetzten GG. des BGB., wenn auch beide zum Teil wesentlich abweichend geordnet sind (Denkschr. zum BGB. S. 300;

Begründ, des Ausf.-G. zum BGB. Art. 47 S. 95 und zu Art. 65 S. 153; KomDie unabgefundenen eigenen Kinder der über­ lebenden Ehegatten, mit denen dieser die GG. fortsetzt, sind daher in An­

missionsber. S. 62 zu Art. 65).

sehung ihres Anteils am gemeinschaftlichen Vermögen nicht Erben im Sinne der §§ 1922 ff. BGB. und haben nicht die rechtliche Stellung der Erben nach Maßgabe der 88 1942, 2032 ff., wenngleich sie vom Gesetze von 1860 ent­ sprechend der früheren Auffaffung der fortgesetzten GG. als Erben bezeichnet

werden. Deshalb können sie auch keinen Erbschein, d. i. ein „dem Erben" über sein Erbrecht und die Größe seines Erbteils auszustellendes Zeugnis (8 2353) erhalten.

Sie sind vielmehr Gütergemeinschaftsgenossen des über»

lebenden Ehegatten, und es kann daher nur diesem, dem allein während der fortgesetzten GG. nicht nur der Nießbrauch des ganzen gemeinschaftlichen Ver­ mögens, sondern auch die Verwaltung und die Verfügung darüber zusteht, ein Zeugnis über die Fortsetzung der GG. auf Grund des Art. 66 Ausf.-G. zum

BGB., der seine Entstehung ganz wesentlich der Rücksichtnahme auf das westfälische Güterrecht verdankt, erteilt werden (Beschlüsse des KG. vom 2. April

1902 Y 325, vom 12. Mai >902 Rsp. 5 S. 181 und vom 4. Mai 1905 Y 451).

Der vorliegende Erbschein, daß Erbe sei der Sohn, mit dem sein Vater die westfälische GG. fortsetze, ist aber, wenn auch nicht der Form, so doch dem Inhalte nach richtig, d. h. unter Berücksichtigung des Ges. von 1860

verstanden, nichts anderes als ein Zeugnis über Fortsetzung der GG.

Aller­

dings hätte dieses Zeugnis nicht dem Sohne der Verstorbenen, sondern nur

dem überlebenden Ehemanne und nicht ohne einen entsprechenden Antrag und nur nach Angabe der für einen solchen Fall erforderlichen Erklärungen erteilt

werden sollen.

Aber alles dies ändert nichts an der Tatsache, daß die Be­

scheinigung inhaltlich ein Zeugnis über Fortsetzung der GG. ist.

Daher ist lediglich die für ein solches Zeugnis im § 81° preuß. GKG. bestimmte Gebühr zu erheben.

Diese Gebühr berechnet sich, da der halbe Wert des

Gesamtguts der fortgesetzten GG. nach Halbsah 2 a. O. zugrunde zu legen ist und unstreitig 10000 Mark beträgt, auf 12 Mark. Will man jener Auffassung nicht beitreten, so erscheint die des Land­ gerichts

zutreffend.

Danach ist zwar der Sohn der Verstorbenen deren

alleiniger Erbe in Ansehung ihres Anteils am gemeinschaftlichen Vermögen

geworden.

Sein Erbrecht ist aber durch das Bestehen der fortgesetzten GG. Diese

und die infolgedessen seinem Vater zustehenden Rechte eingeschränkt.

Beschränkung ist, in analoger Anwendung der §§ 2363—2365 BGB., in

dem ihm zu erteilenden Erbschein anzugeben und angegeben. Auch von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, enthält die erteilte Bescheinigung nicht einen Erbschein und ein Zeugnis über Fortsetzung der GG., sondern lediglich einen Erbschein. In diesem Falle hat daher ausschließlich die Gebühr des § 811 preuß. GKG. in Ansatz zu kommen. Diese Gebühr ist nach Abs. 4 das. nach dem reinen Werte des Nachlaffes, also des Anteil- der Erblasserin am

Gesamtgute zu berechnen und beträgt daher 12 Mark.

Wäre aber endlich selbst anzunehmen, daß weder ein bloßer Erbschein noch ein bloßes Zeugnis über die Fortsetzung der GG. erteilt ist, daß viel­ mehr die ausgestellte Urkunde zwei getrennte und trennbare Bescheinigungen, nämlich einen Erbschein und ein solches Zeugnis enthält, so würde auS dem

vom Amtsgericht angeführten Grunde die Niederschlagung der Gebühr für das Zeugnis gerechtfertigt sein.

Die Erteilung eine- Zeugniffes aus Art. 66 Die Gebühr dafür ist daher durch

Ausf.-G. zum BGB. war nicht beantragt.

eine unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld der Beteiligten entstanden

und sie kann deshalb außer Ansatz gelassen werden.

L.W.

w) Scheidnngsgrüude nach § 1568 BGB. «) OLG. Dresden, II. ZS.

Urteil v. 4. Mai 1906.

Selbst wenn man eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung durch die Tripperansteckung nicht für bewiesen ansehen wollte, wäre doch in der Nichtaufklärung der Klägerin durch den Beklagten über sein Geschlechtsleiden und über die ihr daraus unmittelbar drohend« Gefahr und in der Ausübung des Beischlafs mit ihr trotz Vorhersehbarkeit der wahrscheinlichen Folgen der Gesundheitsbeschädigung, die er mittels Unterlassung des Geschlechtsverkehrs

240

S. Ehescheidung.

BGB. §§ 1568.1571.

bis zu seiner von ihm anzustrebenden Heilung zu vermeiden vermocht hätte, eine grobe Fahrlässigkeit zu erblicken, die sich als ein unsittliches, die durch

die Ehe begründeten Pflichten schwer verletzendes Verhalten darstellt. ß) OLG. Cassel, II. ZS.

Dr. v. F.

Urteil v. 7. Januar 1907.

Die Klägerin hat sich sowohl während ihres Zusammenlebens mit dem Beklagten als auch nach der Trennung von ihm als eine dem Alkohol­ genuß im Übermaße ergebene, beharrliche Trinkerin gezeigt und infolgedessen

ihre Pflichten als Gattin und Mutter gröblich verletzt, auch eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet, daß dem Beklagten die

Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann.

Der Beklagte war hiernach

zur Zeit der Erhebung der Widerklage berechtigt, die Scheidung der Ehe zu verlangen.

Dieses Rechts wäre er nicht dadurch verlustig gegangen, daß die

Klägerin sich demnächst gebessert und des Trunkes entwöhnt hat (Entsch. des RG. 38 S. 218, IW. 1902 S. 71). Dies könnte nur als ein Anzeichen dafür in

Betracht kommen, daß sie keine beharrliche Trinkerin sei. Allein als ein solches kann sie vorliegend nicht verwertet werden, da sie sich jahrelang als Einer etwaigen Besserung ist auch um so weniger Bedeutung für die Entscheidung beizulegen, als die Klägerin während ihres

Trinkerin gezeigt hat.

Aufenthalts im Hospital keine Gelegenheit zum Trinken gehabt hat und des­ halb keine Gewähr besteht, daß die Besserung eine endgültige ist. Fs. /) OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 30. November 1906. Die in § 1568 mit vorausgesetzte subjektive Verschuldung des Beklagten erscheint dargetan. Er hat, als er nur leicht angetrunken nach Hause zurück­ kehrte, seine Frau zu Angehör des Dienstmädchens in der ungebührlichsten

Weise geschimpft, trotzdem aber danach unter der Drohung, sie zu erschießen, wenn sie sich weigere, die Vollziehung des Beischlafs' beansprucht. Daß der Klägerin nicht zuzumuten war, sich unter diesen Umständen dem Manne ge­

schlechtlich hinzugeben, liegt auf der Hand, und es war nur ein Ausfluß brutaler Sinnlichkeit, wenn er die Ausübung des Beischlafs durch die Drohung

zu erzwingen suchte.

Sein Verhalten trug demnach den Charakter einer

schweren Verletzung der ehelichen Pflichten an sich.

Hieran würde sich auch dann nichts ändern, wenn er feinem Naturell nach ungewöhnlich reizbar und Aufregungen besonders leicht zugänglich wäre. Denn er war immerhin im­

stande, sein Temperament zu zügeln und hat es in einer ihm als grobes Verschulden anzurechnenden Weise an der erforderlichen Selbstzucht fehlen lassen.

Dr. v. F.

x) Die Klage ersetzt nicht die Anffordernng des § 157F Satz 2. OLG. Marienwerder, I. ZS.

Urteil v. 12. Juli 1906.

Das Scheidungsrecht der Beklagten ist nicht erloschen, da die Frist des

§ 1571 durch Anstellung der Klage nicht in Lauf gesetzt ist. Allerdings wird die Ansicht vertreten, es genüge, wenn das Verlangen des schuldigen Ehe­

gatten nach Herstellung der Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht sei, so daß in einer Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens (der häuslichen Gemein-

schäft) ohne weiteres eine ausreichende Aufforderung liege (Planck 2c zu § 1571). Die entgegengesetzte Ansicht, daß die Aufforderung die Alternative enthalten müsse: entweder die Gemeinschaft herzustellen oder auf Scheidung zu klagen (Erler, Ehescheid. S. 128; Staudinger 3d zu § 1571), ent­

Aus einer bloßen Klage auf Herstellung der häuslichen Gemeinschaft ergibt sich nicht, daß der Kläger ein Verlangen ge­

spricht jedoch dem Gesetze.

mäß § 15711 2, * an das er dabei offenbar in den meisten Fällen gar nicht denkt, zu stellen beabsichtigt. Es muß aber vor allem dem zur Scheidungs­ klage berechtigten andern Ehegatten durch die Aufforderung klar zu Bewußt­

sein gebracht werden, um was es sich handelt.

H.

y) Keine Scheidung der Ehe russischer, in Deutschland wohnhafter Indens Kammergericht, III. ZS. Urteil v. 19. Dezember 1905. Das Landgericht hat die Staatsangehörigkeit der Parteien nicht geprüft,

wiewohl eine diesbezügliche Pflicht der deutschen Gerichte sich im Hinblick sowohl auf § 6064 ZPO. als Art. 17 EG. ergibt (vgl. Rundverf. vom 25. November 1904 I 7940). Daß die Parteien russische Staatsangehörige sind, ist jetzt unstreitig; insbesondere hat die Klägerin infolge der Eheschließung die Neichsangehörigkeit verloren und ist seitdem ebenfalls Ausländerin, und zwar teilt sie die Staatsangehörigkeit ihres Mannes (Engelmann bei LeskeLöwenfeld 4 S. 737). Gemäß § 6064 ZPO. könnte sonach im Jnlande auf Scheidung nur geklagt werden, wenn die inländische Gerichtsbarkeit auch nach den Gesetzen des russischen Staats, und zwar nach dem eigentlichen

russischen Reichsrecht, aus dessen Geltungsbereich der Beklagte stammt, zu­

ständig ist.

Nach dem russischen Recht sind aber Eheschließung und Scheidung

Handlungen, die nur von geistlichen Amtspersonen vorgenommen werden können. Demgemäß sind für die Scheidung die geistlichen Gerichte der ein­ zelnen Konfessionen ausschließlich zuständig (Engelmann S. 711). Ferner nimmt das russische Recht auf dem Gebiet der Eheschließung und Scheidung hinsichtlich aller russischer Staatsangehörigen, wo immer sie sich auch be-

findep mögen, alleinige und ausschließliche Geltung für sich in Anspruch. Deshalb gilt in Rußland eine in Deutschland eingegangene Zivilehe russischer Staatsangehöriger — für sich allein, ohne hinzugekommene Trauung durch den zuständigen Geistlichen, — als völlig bedeutungslos und wirkungslos.

Folgerecht muß auch einer von einem deutschen Gericht, also nicht von einem geistlichen Gericht, ausgesprochene Scheidung russischer Untertanen in Rußland jede Anerkennung und Wirksamkeit versagt bleiben.

Auf jene Tendenz des

russischen Rechts ist jedenfalls auch der Umstand zurückzuführen, daß Rußland, das an den Verhandlungen im Haag ebenfalls teilgenommen hatte, die Voll­

ziehung der Haager Konventionen vom 12. Juni 1902 schließlich abgelehnt hat. Überhaupt wird in Rußland ganz allgemein den Urteilen ausländischer 1 Die Revision ist durch Urteil des Reichsgerichts TV 72/06 vom 4. Oktober 1906 zurück­

gewiesen.

OLGRsp. XIV.

9. Eherkcht.

242

EG. Artt. 15. 200.

Gerichte die Wirksamkeit als solcher versagt (Leske-Löwenfeld 2 S. 687).

Hiernach ist die inländische Gerichtsbarkeit für die von der Klägerin begehrte Scheidung nach russischem Recht nicht zuständig. Aber selbst wenn diese Zuständigkeit begründet wäre, würde doch die

Klage ohne jede materielle Prüfung abzuweisen sein. Nach jüdisch-talmudischem

Eherecht, welches als integrierender Bestandteil des russischen Rechts gemäß Art. 17 EG. anzuwenden wäre, wird die Scheidung nur dadurch wirksam,

daß der Mann der Frau den Scheidebrief übergibt. Es kann aber nicht an­ gängig sein, daß ein deutsches Gericht in die Lage kommt, ein Urteil zu fällen, das nicht kraft seiner eignen Autorität, sondern erst infolge einer von dem freien Belieben der einen Partei abhängigen und nicht erzwingbaren

Handlung Rechtswirksamkeit erhält (vgl. a. O. 4 S. 786).

Z.

z) Art. 200 ES. enthält eine Ausnahme vom Art. 15. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 15. Juni 1906.

Indem der Art. 200 auf bestehende Ehen das bisherige Recht anwendet, bestimmt er einschließend auch die Anwendung des bisherigen internationalen Privatrechts auf diese Ehen, so daß, wo bisher der Rechtssatz galt, daß der erste eheliche Wohnsitz das Güterrecht bestimme, die am 1. Januar 1900 bestandenen Ehen ihm auch in Zukunft unterworfen blieben.

Der Art. 200 statuiert also für bestehende Ehen ein besonderes örtliches Recht und stellt

sich somit für seinen Bereich als Ausnahme gegenüber dem Prinzipe des Art. 15 dar. Der Art. 15 enthält ferner

ein ein Privatrechtsverhältnis

materiell

regelndes Recht; denn hierfür kann es keinen Unterschied machen, ob ein

Gesetz die Anwmdung eines einzelnen Rechtssatzes oder eines ganzen Rechtssystems vorschreibt.

Es ist aber gewiß nicht die Meinung gewesen, daß das­

jenige die Privatrechtsverhältnifse materiell neu regelnde Recht, das im EG.

steht, eher in Kraft treten sollte, als das BGB. Daraus folgt, daß ebenso wie der die Zeit des Inkrafttretens nur für das BGB. (nicht für das EG.)

generell regelnde Art. 1 EG., so auch die die Zeit des Inkrafttretens des BGB. speziell regelnden Übergangsvorschriften des 4. Abschnittes sich grund­ sätzlich auf die materiellen Bestimmungen des EG. mit beziehen, daß also

der Art. 200 die Geltung des Art. 15 zeitlich einschränkt.

Dahin ist zweifel­

los auch die Meinung des dem Bundesrate vorgelegten Entwurfs gegangen,

da darin das internationale Privatrecht als VI. Buch in das BGB. selbst

mit ausgenommen war, so daß die das BGB. einführenden Bestimmungen sich klar auf sie mit bezogen. Der Bundesrat hat dann die auch auf eine Ordnung der Herrschaftssphäre des ausländischen Rechts unter sich abzielen­

den Bestimmungen aus hauptsächlich politischen Gründen grundsätzlich auf eine Abgrenzung des Bereiches des deutschen Rechts eingeschränkt und dann

diese eingeschränkten Bestimmungen in das EG. hinübergenommen, in dem

sich auch die sonstigen, die Geltung des BGB. abgrenzenden Vorschriften

finden.

Daß durch diese Umstellung eine Erweiterung dieser sachlich ein-

BGB. § 1298.

10. Verlöbnis.

243

geschränkten Bestimmungen der Zeit nach beabsichtigt wäre, dafür liegt nichts vor.

Es ist endlich auch vom Standpunkte des Gesetzgebers kein Grund er­

sichtlich, aus dem sich ein so schroffer Eingriff in die ehelichen Güterrechte

der im Jnlande — vielleicht nach deutschem Rechte, wie hier — lebenden

Ausländer rechtfertigen ließe, während die Güterrechte der Deutschen geschont wurden....

M. M.

a) Rücktritt vom Verlöbnisse. OLG. Hamburg, VI. ZS.

10 Schadensersatz. Urteil v. 14. Februar 1907.

Zu dem Schaden, den der Beklagte gemäß § 1298 dem Kläger als Vater

bzw. als Zessionar der Braut zu ersetzen hat, gehört die Anschaffung der Wäscheaussteuer in vollem Umfange.

Die Tochter mußte dafür Geldauf­

wendungen machen, die nicht durch den Besitz der angeschafften Gegenstände

ausgeglichen werden, da diese, die für den zukünftigen Haushalt bestimmt waren, nicht mehr zur Verwendung kommen können. Dies bezieht sich zwar

besonders auf die Tisch- und Bettwäsche, daneben aber auch auf die Leib­ wäsche, welche in größerem Umfange, wie es hier der Fall ist, nur bei Aus­ stattungen, angeschafft zu werden pflegt. Beklagter hat daher den auf­ gewandten Betrag, allerdings gegen Empfang der angeschafften Gegenstände, zu ersetzen, da er nach § 249 den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand, die Aufgabe des Verlöbniffes, nicht eingetreten wäre....

Auch die Kosten des Verlobungsfestes, das

der Kläger seinen Bekannten gegeben hat, sind in Erwartung der Ehe gemacht. Die Aufwendungen sind auch nicht über die Grenzen der klägerischen Ver­ hältnisse hinausgegangen, da bei einer Verlobungsfeier, einem außer­ gewöhnlichen Feste, auch über das Maß des gewöhnlichen hinausgegangen

werden darf. Dagegen sind die für die Beköstigung des Beklagten berechneten 50 Mark

dem Kläger abzusprechen.

Soweit sie vor der Verlobung, also in einem Zeit­

raum, währenddessen Beklagter im Hause seiner Schwiegereltern verkehrte, gewährt ist, fehlt es für die Rückforderung an einem Rechtsgrunde, da sie

weder in der Absicht, Ersatz zu verlangen, noch in Erwartung der Ehe gegeben wurde. Für die Zeit während des Verlöbnisses liegt zwar dieser Grund vor, aber es fehlt jeder Anhalt dafür, um die Höhe des so erwachsenen Schadens auch nur annähernd zu bestimmen.

Ungerechtfertigt ist auch der

Ersatzanspruch für die Reisen, die der Kläger gemacht hat, um den Beklagten

von seinem Treubruch abzuhalten.

Es handelte sich dabei nicht um Auf­

wendungen, die in Erwartung der Ehe gemacht, sondern um Ausgaben, die

eben durch den Bruch des Verlöbnisses veranlaßt worden sind und auf freier

Entschließung des Klägers beruhten.

Aus diesem Grunde liegt auch keine

Schädigung vor, für die der Kläger nach § 826 Ersatz verlangen kann, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob überhaupt diese allgemeine Bestimmung neben 16*

BGB. § 1298.

10. Verlöbnis.

243

geschränkten Bestimmungen der Zeit nach beabsichtigt wäre, dafür liegt nichts vor.

Es ist endlich auch vom Standpunkte des Gesetzgebers kein Grund er­

sichtlich, aus dem sich ein so schroffer Eingriff in die ehelichen Güterrechte

der im Jnlande — vielleicht nach deutschem Rechte, wie hier — lebenden

Ausländer rechtfertigen ließe, während die Güterrechte der Deutschen geschont wurden....

M. M.

a) Rücktritt vom Verlöbnisse. OLG. Hamburg, VI. ZS.

10 Schadensersatz. Urteil v. 14. Februar 1907.

Zu dem Schaden, den der Beklagte gemäß § 1298 dem Kläger als Vater

bzw. als Zessionar der Braut zu ersetzen hat, gehört die Anschaffung der Wäscheaussteuer in vollem Umfange.

Die Tochter mußte dafür Geldauf­

wendungen machen, die nicht durch den Besitz der angeschafften Gegenstände

ausgeglichen werden, da diese, die für den zukünftigen Haushalt bestimmt waren, nicht mehr zur Verwendung kommen können. Dies bezieht sich zwar

besonders auf die Tisch- und Bettwäsche, daneben aber auch auf die Leib­ wäsche, welche in größerem Umfange, wie es hier der Fall ist, nur bei Aus­ stattungen, angeschafft zu werden pflegt. Beklagter hat daher den auf­ gewandten Betrag, allerdings gegen Empfang der angeschafften Gegenstände, zu ersetzen, da er nach § 249 den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand, die Aufgabe des Verlöbniffes, nicht eingetreten wäre....

Auch die Kosten des Verlobungsfestes, das

der Kläger seinen Bekannten gegeben hat, sind in Erwartung der Ehe gemacht. Die Aufwendungen sind auch nicht über die Grenzen der klägerischen Ver­ hältnisse hinausgegangen, da bei einer Verlobungsfeier, einem außer­ gewöhnlichen Feste, auch über das Maß des gewöhnlichen hinausgegangen

werden darf. Dagegen sind die für die Beköstigung des Beklagten berechneten 50 Mark

dem Kläger abzusprechen.

Soweit sie vor der Verlobung, also in einem Zeit­

raum, währenddessen Beklagter im Hause seiner Schwiegereltern verkehrte, gewährt ist, fehlt es für die Rückforderung an einem Rechtsgrunde, da sie

weder in der Absicht, Ersatz zu verlangen, noch in Erwartung der Ehe gegeben wurde. Für die Zeit während des Verlöbnisses liegt zwar dieser Grund vor, aber es fehlt jeder Anhalt dafür, um die Höhe des so erwachsenen Schadens auch nur annähernd zu bestimmen.

Ungerechtfertigt ist auch der

Ersatzanspruch für die Reisen, die der Kläger gemacht hat, um den Beklagten

von seinem Treubruch abzuhalten.

Es handelte sich dabei nicht um Auf­

wendungen, die in Erwartung der Ehe gemacht, sondern um Ausgaben, die

eben durch den Bruch des Verlöbnisses veranlaßt worden sind und auf freier

Entschließung des Klägers beruhten.

Aus diesem Grunde liegt auch keine

Schädigung vor, für die der Kläger nach § 826 Ersatz verlangen kann, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob überhaupt diese allgemeine Bestimmung neben 16*

10. Unterhaltspflicht.

244

BGB. § 1360.

der über den Verlöbnisbruch in § 1298 gegebenen besonderen Vorschrift an­ M. M.

wendbar ist....

b) Vergleich über Unterhaltsgeldrr. OLG. Hamburg, V. ZS. Urteil v. 20. Februar 1907. Das rechtskräftige Urteil von 1897 hat die Ehe der Parteien bis zur

Wiedervereinigung der Gemüter von Tisch und Bett getrennt und bewirkte, daß die Frau während der Dauer der Trennung statt des Unterhaltes in

der Wohnung des Mannes eine Geldrente beanspruchen konnte.

Hinsichtlich

der Entstehung und des Untergangs der Pflicht und hinsichtlich des Umfangs

des Unterhalts war die Trennung ohne Bedeutung. Fortdauer der Ehe

Für diese sich aus der

ergebende Pflicht kommt darum Art.

199 EG. des

BGB. zur Anwendung. Dieses verbietet nun allgemein einen Vergleich über den künftigen Unterhalt zwischen Ehegatten oder unterhaltspflichtigen Ver­

wandten nicht; untersagt ist ein derartiger Vergleich nur, insoweit er einen völligen oder teilweisen Verzicht auf den gesetzlichen Unterhalt in sich schließt (§§ 1360», 1614; Seuffert 60 S. 146; Entsch. des RG. 50 S. 96). Die

Parteien haben sich bereits 1905 dahin verglichen, daß der Beklagte der

Klägerin mit der Auflage, das Geld für das gemeinsame Kind zu verwenden, monatlich 8 Mark zahlt. Dieser Vergleich würde nichtig sein, insoweit er einen Verzicht der Klägerin auf künftigen Unterhalt in sich schließt. Dieser

Fall liegt aber nicht vor.

Damals hatte die Klägerin unter Hervorhebung,

daß sie die gemeinsame neunjährige Tochter bei sich habe, eine jährliche Rente

von 360 Mark verlangt mit der Begründung, daß ihr Mann ein eigenes Die Beweisaufnahme ergab indessen, daß

Haus besitze und arbeitsfähig sei.

er zu einer regelmäßigen Körperarbeit nicht imstande erschien und daß er sein Haus für 3500 Mark verkauft hatte. Der darauf geschlossene Vergleich muß,

da er den damals auf Unterhalt für die Frau angestrengten Prozeß erledigen sollte, dahin verstanden werden, daß er die Unterhaltsansprüche für die Frau selbst festsetzen sollte, wenngleich die darin enthaltene Auflage, das Geld für

das Kind zu verwenden, Zweifel in dieser Richtung wachrufen könnte. In Rücksicht auf die vorerörterten Vermögens- und Erwerbsverhältniffe des Be­ klagten entsprach aber

ein Beitrag

von 8 Mark zur Unterhaltung der

Klägerin der Billigkeit im Sinne des § 1361»

Durch vergleichsweise Fest­

setzung dieser Unterhaltsrate verzichtete die Klägerin deshalb nicht auf den

ihr zustehenden Unterhalt oder einen Teil desselben. Es wurde nur der auch durch Urteil festzusetzende Betrag im Wege des Vergleichs festgesetzt. Nun wird aber gerade in Rücksicht auf das gesetzliche Verbot eines Verzichts anzunehmen sein, daß die Parteien einen Vergleich über die Unterhaltspflicht

stets nur unter der Voraussetzung abschließen, daß die für die Höhe der Alimente maßgebenden Umstände auch in Zukunft dieselben bleiben. Gestalten diese sich demnächst wesentlich anders, erwirbt z. B. der bisher mittellose Verpflichtete später ein großes Vermögen, so würden die durch Vergleich auf niedriger Stufe festgesetzten Alimente keineswegs mehr der gesetzlichen Unter-

10. Eheliche Abstammung.

haltspflicht entsprechen.

BGB. 8 1594.

245

Es wird darum davon auszugehen sein, daß die

Parteien von vornherein stillschweigend darüber einverstanden gewesen sind,

daß der Vergleich nicht mehr bindend sein sollte, wenn infolge veränderter Verhältnisse er als ein Verzicht auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise sich darstellen sollte.

In solchem Fall wird deshalb

der Berechtigte seinen Alimentationsanspruch demnächst erneuern und er­ höhen können, während diesem Schritte bei im wesentlichen gleichbleibenden

Vermögens- und Erwerbsverhältnissen der früher abgeschlossene Vergleich M. M.

entgegensteht.

c) Während der Frist des § 1594 BGB. kann das Kind nicht ans Feststellung der Ehelichkeit klagen. «) OLG. Hamburg, I. ZS.

Urteil v. 14. Mai 1906.

Das Landgericht hat mit Recht ein rechtliches Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO. wegen des baldigen Ablaufs der Anfechtungsfrist verneint. Auch er­ gibt sich die Unzulässigkeit dieser Feststellungsklage aus den in Betracht kommenden besonderen Bestimmungen des BGB. Nach § 1594 BGB. kann der Mann die Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes ein Jahr lang anfechten, nachdem er seine Geburt

erfahren hat.

Nach § 1596 erfolgt die Anfechtung durch ihn bei Lebzeiten

des Kindes im Wege der Erhebung einer Anfechtungsklage. Nach § 1593 kann die Unehelichkeit des Kindes, solange der Mann lebt, von niemandem, also auch nicht vom Manne, geltend gemacht werden, wenn der Mann die Ehelichkeit nicht angefochten, also, solange das Kind lebt, wenn er die An­ fechtungsklage nicht erhoben hat. Es erscheint ausgeschlossen, daß die Ehe­ lichkeit des Kindes durch ein gerichtliches Urteil gegen den Mann festgestellt werden könnte, während er nicht in der Lage ist, die Unehelichkeit geltend

zu machen, wohl aber diese Möglichkeit noch erwerben kann.

Ebenso aus­

geschlossen erscheint aber, daß er durch die Feststellungsklage des Kindes etwa genötigt werden könnte, die Anfechtungsklage zu erheben, um sich die Geltend­

machung der Unehelichkeit zu ermöglichen, während er ein Jahr Zeit haben

soll, um sich darüber zu entscheiden.

M. M.

ß) Die Anfechtungssrist in der Übergangszeit. OLG. Hamburg, IV. ZS. Urteil v. 21. März 1906. Gemäß EG. Art. 203 ist das Rechtsverhältnis zwischen dein Kläger und

dem 1897 geborenen Beklagten, was dessen eheliche Geburt anlangt, nach dem zur Zeit der Geburt geltenden Rechte zu beurteilen.

Es ist aber auch

weiter mit Habicht S. 620 und Staudinger anzunehmen, daß der nach

§§ 641 \ 6221 ZPO. von Amts wegen zu berücksichtigende § 15941 auf Kinder, die vor 1900 geboren sind, nicht anwendbar ist. Der abweichenden Ansicht (Rsp. 1 S. 314) daß für solche Kinder die Frist des § 1594 mit dem 1. Januar 1900 zu laufen beginne, kann nicht beigestimmt werden; für früher

geborene Kinder laufen Anfechtungsfristen des früheren Rechts weiter, und.

246

10. Elterliche Gewalt.

BGB. § 1602.

wo solche, wie im gemeinen Recht, nicht existierten, kommt für ein Erlöschen des Anfechtungsrechts nur die Verjährung in Betracht....

M. M.

d) Koste« -es Etnjährigen-Dienstes des Sohnes. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 14. Januar 1907.

Der Beklagte ist Eigentümer von drei Revenuegrundstücken mit einem

eigenen darin steckenden Kapitale von 100000 Mark, dem allerdings Schulden des Geschäfts gegenüberstehen; auch hat er ein größeres Baugeschäst, ist also

im Besitze von Einnahmequellen, die normalerweise ihm ein weit ausgiebigeres Einkommen verschaffen müßten und die das verhältnismäßig geringfügige

Einkommen (5000 Mark) der letzten Jahre nur als zufällig und vorüber­ gehend erscheinen lassen.

Demgemäß hat er auch bis in die letzte Zeit hinein

ein jährlichen Aufwand von 16000 Mark getrieben.

Der Kläger hat eine

gute Schulbildung genossen und sich die wissenschaftliche Befähigung für den

einjährig-freiwilligen Dienst erworben.

Der Beklagte hat ihn später auf den

Baugewerksschulen auch theoretisch für das Baugewerbe ausbilden lassen, ihn also sowohl nach seiner allgemeinen wie nach seiner Fachbildung zu einem

besseren und leitenden Berufe bestimmt. Einer solchen, sowohl durch die Verhältnisse des Vaters wie die eigene Bildung und den späteren Beruf be­ gründeten Lebensstellung des Klägers würde es nach den allgemeinen An­ schauungen nicht entsprechen, wenn er seine militärische Dienstpflicht als gewöhn­ licher Soldat ableistete. Da er irgendwelche Mittel nicht besitzt und die da­

durch begründete Pflicht des Beklagten, den Kläger nach seiner Lebensstellung zu unterhalten, auch die Pflicht umfaßt, ihn in den Stand zu setzen, die Lasten, die Sitte und Gesetz ihm auferlegen, in standesgemäßer Weise zu tragen, so ist der Beklagte verpflichtet, nicht nur die Kosten, die der einjährig­

freiwillige Dienst verursachen wird, auf sich zu nehmen, sondern auch durch Abgabe der erforderlichen Erklärungen gegenüber den zuständigen Behörden ihm die Zulassung zur standesgemäßen Ableistung der Dienstpflicht zu er­ möglichen. Der Beklagte kann sich nicht etwa darauf berufen, daß der Kläger als gewöhnlicher Soldat sich selbst den Unterhalt vom Staate verschaffen könnte,

und der § 1602 voraussetze, daß der Bedürftige überhaupt nicht imstande sei, sich zu unterhalten. Weil es eine mit der Lebensstellung des Klägers verbundene Standespflicht ist, daß er seiner Dienstpflicht als Einjährig-

Freiwilliger genügt, so kann der Beklagte, der ihm diese Lebensstellung ge­ geben hat, sich deren Kosten, soweit nicht Kläger sie selbst tragen kann, als einer Konsequenz seiner Bestimmung nicht mit der Begründung entziehen, daß

der Kläger sie durch unstandesmäßiges Leben vermeiden könne, ebensowenig wie er der standesmäßigen Befriedigung der gewöhnlichen Lebensbedürfnisse, wie Kleidung und Ernährung eines Kindes, mit der Begründung aus dem

Wege gehen könnte, daß es sich notdürftig aus eigenen Mitteln kleiden und nähren könne.

Er kann dem Kläger keinen Unterhaltserwerb zumuten, der

dessen von ihm selbst gewollter Lebensstellung nicht entspricht.

Bei genauer

Betonung des Wortlautes von § 1602 würde es ja auch ein Recht auf Ge­ währung der Mittel zum einjährig-freiwilligen Dienst überhaupt nicht geben.

Beklagter kann sich auch nicht auf sein Erziehungsrecht berufen.

Kraft

der ihm zustehenden Sorge für die Person des Kindes hatte er allerdings das nur der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts unterliegende Recht, den Beruf des Klägers zu bestimmen und ihm damit vielleicht eine Lebensstellung

zu geben, die zu der eigenen nicht harmonierte. Nachdem er aber einmal den Kläger zu einem besseren Beruf bestimmt und vorgebildet hat, kann er sich den gesetzlichen Konsequenzen dieser Lebensstellung seines Sohnes nicht nach seinem Gutbefinden entziehen.

Damit erledigt sich auch der Einwurf des Beklagten, daß das ordentliche Gericht zur Entscheidung nicht zuständig

sei, und der bei der ganzen Sachlage und der Art der Motivierung seines

Verlangens sich aufwerfende Zweifel, ob es sich dabei um eine ernstliche Er­

ziehungsmaßregel, d. h. um eine im vermeintlichen Interesse des Klägers ge­

troffene und nicht vielmehr nur um eine auf Genugtuung für sich selbst be­

rechnete Maßregel handelt.... Die Höhe der geforderten Summe [450 Mark vierteljährlich im voraus^

erscheint angemessen. Da Beklagter eine von der regelmäßigen Geldalimen­ tation abweichende Unterhaltsart nicht bestimmt hat, wie er dies nach § 16122 hätte tun können, er insbesondere nicht verlangt hat, daß der Kläger während

der Dienstzeit zu ihm zurückkomme, war auf die beantragte Geldalimentation zu erkennen. Die Ansicht, daß über die Art des Unterhalts das ordenttiche Gericht nicht zu entscheiden habe, ist nur insofern richtig, als es grundsätzlich nicht in der Lage ist, eine Bestimmung, die der Vater über die Art des Unterhalts getroffen hat, zu übergehen oder zu ändern....

M. M.

e) Form der Unterhaltsgewährnng. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 13. Juli 1906.

Im Anschluß an die IW. 1901 S. 870 und Seuffert 59 Nr. 206 ist das durch § 16128 BGB. normierte Recht des Vaters dahin zu begrenzen, daß er nur einen solchen Unterhalt bestimmen darf, den zu beziehen den Kindern nach der Sachlage möglich ist, da er sonst durch seine Bestimmungs­ rechte seine Pflicht illusorisch machen könnte.

Daraus folgt, daß, wenn so

kleine Kinder wie hier in der tatsächlichen Gewalt der Mutter sind, der

gegenüber man von ihnen keinen selbständigen Willen verlangen kann, und

diese sie vom Vater fernhält, seine Bestimmung, daß sie den Unterhalt in seiner Wohnung naturaliter beziehen sollen, so lange als beachtlich nicht an­ zuerkennen ist, als er nicht die Herausgabe der Kinder von der Mutter er­ zwingt. Für das Verschulden der Mutter haben die Kinder natürlich nicht einzustehen; der Pfleger der Kinder ist für ihr Fernbleiben nicht verantwortlich, da er nur zur Wahrnehmung der nach der gegebenen Sachlage bestehenden Unterhaltsansprüche berufen ist und ihm eine Gewalt über die Person nicht zusteht.

M. M.

f) Bestimmung der Beerdigung und der Grabinschrift einer Ehefrau.

10. Elterliche Gewalt.

248

OLG. Frankfurt, II. ZS.

BGB. § 1629.

Urteil v. 3. Juli 1906.

Die Frau des Klägers A. wurde auf der Familiengrabstätte ihrer be­ klagten Eltern M. beerdigt.

Auf den Grabstein ließen die Beklagten die

Inschrift „Unsere liebe Anna" setzen und weigern, daselbst den Zunamen

A. geb. M. anzubringen.

Aus den Gründen:

Nach § 1968 mit §§ 16152, 1608 hat der Erbe die Kosten der standes­ gemäßen Beerdigung zu tragen. Hieraus folgt aber nicht ohne weiteres sein Bestimmungsrecht über den Ort und die Art der Beerdigung und besonders über die zu wählende Grabinschrift.

Hierüber hat vielmehr in erster Linie

der Ehemann zu bestimmen (Rsp. 2 S. 426). Vertrag geschlossen,

Die Parteien haben nun einen

wonach die Beklagten übernahmen,

Tochter im Erbbegräbnisse der Familie M. zu beerdigen.

die Leiche ihrer

Ein solcher Ver­

trag kann gültig geschlossen werden und ist an keine Form gebunden, ins­

besondere als Schenkung selbst dann nicht anzusehen, wenn die Beklagten die Beerdigungskosten übernommen haben. Denn die Gegenleistung des Klägers besteht in der Gestattung jener Beisetzung, also in dem Verzichte auf sein Bestimmungsrecht über den Ort und die Art der Bestattung.

Nach diesem Vertrage waren die Beklagten allerdings berechtigt, die Leiche im Erbbegräbnisse zu bestatten, und zwar in einer Art, wie sie durch die Beschaffenheit und Anlage desselben geboten war.

Deshalb hätte der

Kläger nicht die Errichtung eines besonderen Grabsteins verlangen können,

wenn für sämtliche Mitglieder der Familie ein gemeinschaftlicher Grabstein vorgesehen gewesen wäre. Auch für die Stelle der Inschrift sowie für die Größe und die ganze äußere Form der Schriftzüge waren die gegebenen Verhältnisse

maßgebend.

Dagegen kann nicht angenommen werden, daß er in das Belieben

der Beklagten stellen wollte, eine Inschrift zu wählen, die nicht erkennen ließ, daß an dieser Stelle seine Frau bestattet wäre. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, daß der Name seiner Frau auf dem Grabsteine richtig und vollständig

angegeben ist und daß die Inschrift erkennen läßt, daß die Verstorbene mit Denn es ist gerade der Zweck der Inschrift, über die Person der Verstorbenen Auskunft zu geben, und dieser Zweck wird nicht ihm verheiratet war.

oder nur unvollständig erreicht, wenn bei einer Ehefrau nur der Mädchen­ namen angegeben wird. Überdies kann eine solche Inschrift darauf hindeuten,

daß der Name des Mannes absichtlich fortgelaffen ist, und hierdurch die Meinung erwecken, daß die Ehe keine glückliche war....

Rundschau 40 S. 150.

g) Streit zwischen Mutter und Vormund über die Höhe der Auf­ wendungen für das Mündel. Auslegung des § 1629 BGB.

Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 25. Oktober 1906.

... Der (geschiedenen) Ehefrau blieb (mit Rücksicht auf ihre Wieder­ verheiratung) nur das Recht und die Pflicht, für die Person der Kinder zu sorgen mit der Beschränkung, daß sie zur Vertretung der Kinder nicht be­ rechtigt ist (88 1697, 1696 BGB.). Das Recht und die Pflicht, für die Person der Kinder zu sorgen, steht ihr nicht neben dem Vormunde, sondern

10. Elterliche Gewalt.

BGB. § 1629.

249

an dessen Stelle zu; der Vormund hat, soweit die Sorge der Mutter zusteht, nur die rechtliche Stellung eines Beistandes.

Die Sorge für das Vermögen

der Mündel und das Recht zu ihrer Vertretung steht dagegen dem Vormund

allein zu.

AuS dem Rechte der Sorge für die Person des Kindes fließt

auch das Recht zur Bestimmung seiner Erziehung und der Art seines Unter­

haltes.

Insofern von der Höhe der verfügbaren Mittel die Art der Er­

ziehung und des Unterhalts abhängt, ist deshalb die Bestimmung des Auf­ wandes,

der für

den

Unterhalt

der Kinder

gemacht

werden

soll,

eine

Angelegenheit, die nicht nur das Vermögen, sondern auch die Person des Kindes betrifft (zu vgl. Beschlüsse des Obersten Landesgerichts München vom

6. Februar 1902 — Sammlung 3, 115 — und vom 30. April 1904 —

KGJ. 28 Anhang S. 193 —; Planck 3. Ausl. Anm. 1 zu § 1627 BGB.). Die Art der Erziehung und des Unterhalts hängt im vorliegenden Falle

wesentlich von der Höhe der für die Kinder aus dem Nachlaffe ihres Vaters

und aus den Waisengeldern zu verwendenden und verfügbaren Mittel ab. Denn der Vormund begründet gegenüber der Meinung der Mutter, daß zunr

standesmäßigen Unterhalt und zur geeigneten Erziehung der beiden Kinder ein jährlicher Aufwand von 1000 Mark erforderlich sei, seine Ansicht, daß ein Aufwand von 30—35 Mark monatlich für jedes Kind hinreichend sei,

unter anderm auch damit, daß der Sohn nach seiner Befähigung zweckmäßiger

nicht ein Gymnasium, sondern eine Bürger- oder Mittelschule besuchen solle. Die hier noch zwischen der Mutter und dem Vormunde bestehende Meinungs­ verschiedenheit über die Höhe der zum Unterhalte der Kinder aus ihren Ein­

künften zu verwendenden Mittel ist mithin eine Angelegenheit, die sowohl die Person als das Vermögen der Kinder betrifft. Bei einer derartigen Meinungsverschiedenheit entscheidet das Vormund­

schaftsgericht. Die in dem Beschlusse des Kammergerichts vom 12. Dezember 1904 (KGJ. 29 S. 18) vertretene gegenteilige Ansicht kann nicht aufrecht erhalten werden. Allerdings ist in dem BGB. eine dahingehende ausdrückliche Bestimmung nur für den Fall getroffen, daß die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vater und dem Pfleger, welchem die Sorge für die Person oder das Ver­ mögen des Kindes zusteht, vorhanden ist (§ 1629), sowie für den Fall, daß

die Sorge für die Person und die Sorge für das Vermögen des Mündels verschiedenen Vormündern zusteht und unter ihnen über die Vornahme einer sowohl die Person als das Vermögen des Mündels betreffenden Handlung eine Meinungsverschiedenheit besteht (§ 1798).

Die Bestimmung des § 1629

ist aber auf den Fall entsprechend anzuwenden, wenn die Sorge für die

Person des Kindes der Mutter und die Sorge für das Vermögen des Mündels dem Vormunde zusteht (zu vgl. Bayer. Ob. LG. 3, 115; Planck 3. Aufl. Anm. 3 zu 81629 BGB.). Der abweichenden Ansicht von Staudinger (2. Aufl. Anm. 5 zu 8 1629 und Anm. 2b zu 8 1629 BGB), wonach die

entsprechende Anwendung des 8 1669 wegen des Ausnahmecharakters dieser

Vorschrift

ausgeschlossen

sein

soll,

ist

nicht

beizulreten.

Der 8 1629

enthält allerdings eine Ausnahmevorschrift insofern, als er bei einer Meinungs­

verschiedenheit zwischen den beiden dortgenannten sorgeberechtigten Personen einer beide Gebiete der Sorge betreffenden Angelegenheit das

hinsichtlich

Vormundschaftsgericht auch zur Entscheidung bloßer Zweckmäßigkeitsfragen

beruft, während dem Vormundschaftsgerichte diese Befugnis sonst nicht zusteht.

Daraus ist aber nicht zu folgern, daß die Vorschrift nur dann zu gelten habe, wenn die Sorge für die Person des Kindes dem Vater, nicht aber auch dann, wenn sie der Mutter zusteht.

Denn sowohl dem Vater als der

Mutter verbleibt das Recht der Sorge für die Person des Kindes als ein Recht der elterlichen Gewalt.

Weshalb dann die Mutter bei einer Meinungs­

verschiedenheit zwischen ihr und dem Vormund anders gestellt sein soll, wie

der Vater bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und dem Pfleger,

ist gegenüber der Bestimmung des § 1686 BGB., wonach auf die elterliche

Gewalt der Mutter die für die elterliche Gewalt des Vaters geltenden Vor­ schriften Anwendung finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht ein­ zusehen.

Für die entsprechende Anwendung des § 1629 bei einer Meinungs­

verschiedenheit zwischen der Mutter und dem Vormunde spricht aber auch der

Umstand, daß in dem § 1698 die gleiche Bestimmung für die Entscheidung bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen verschiedenen sorgeberechtigten Vor­ mündern getroffen worden ist.

Denn aus der gleichen Regelung in diesen

beiden Fällen ist zu entnehmen, daß überall dort, wo die Sorge für das Ver­

mögen und die Sorge für die Person verschiedenen Personen zusteht, eine Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen über eine beide Gebiete der Sorge betreffende Angelegenheit von dem Vormundschaftsgericht entschieden werden soll, zumal der Zweck der Bestimmungen offenbar der ist, int Interesse des Kindes zu verhindern, daß eine Berwaltungsmaßregel, welche sowohl die

Person

als

das Vermögen des Kindes betrifft, wegen

einer Meinungs­

verschiedenheit zwischen mehreren sorgeberechtigten Personen unterbleiben oder

auf den umständlichen, mit erheblichen Kosten verbundenen Wege des Pro­

zesses durchgesetzt werden muß.

A.

h) Sorge für die Kinder während des Scheidungsprozesses. OLG. Hamburg, VI. ZS.

Urteil v. 14. Juli 1906.

Der Kläger meint, daß einstweilige Anordnungen im Zweifel vom § 1635

Satz 1 ausgehen müßten, wonach, wenn beide Ehegatten an der Scheidung der Ehe schuldig seien, die Sorge für einen Sohn unter sechs Jahren oder

für eine Tochter der Mutter, die Sorge für einen Sohn über sechs Jahren

dem Vater zustehe.

Hiernach müsse die Sorge für die aus der Ehe der

Parteien hervorgegangene Tochter der Klägerin übertragen werden.

Richtig

ist aber nur, daß der § 1635 Satz 1 als, Anhaltspunkt für die richterliche Entscheidung dienen kann und auch dies nur so weit, als sich bereits mit einiger Sicherheit feststellen läßt, welcher der Ehegatten für schuldig an der

Scheidung der Ehe erklärt werden wird.

Im übrigen wird in erster Linie

das Wohl der Kinder für den Inhalt der Anordnung wegen der Sorge für

ihre Person unter Berücksichtigung des § 940 ZPO. maßgebend sein müssen (OLG. Jena Recht 9 S. 649).

M.M.

i) Regelung des Verkehrs nach § 1636 BGB. «) Bayer. Oberstes Landesgericht, I. ZS.

Beschluß v. 4. Mai 1906.

Der aus ihrem Verschulden wegen böslicher Verlassung geschiedenen

Mutter wurde gestattet, das Kind an Weihnachten und Ostern mehrere Tage, während der Herbstferien drei Wochen bei sich zu behalten und während der

übrigen Zeit am ersten Sonntage jeden Monats mit dem Kinde zu verkehren.

Die weitere Beschwerde des Vaters wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Das dem Vater als dem an der Scheidung nicht schuldigen Teile nach § 1635 zustehende Recht der Sorge für die Person des Kindes erleidet durch

das nach § 1636 der Mutter verbliebene Recht, mit dem Kinde persönlich zu verkehren, eine gewisse Beschränkung; bei der Ausübung des im § 1631

bestimmten Rechtes, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Auf­

enthalt zu bestimmen, muß auf die Befugnis der Mutter angemessene Rück­ sicht genommen werden, nur mit dieser Maßgabe ist der Wille des Vaters entscheidend.

Die nähere Regelung des Verkehrs ist erforderlichen Falles

durch das Vormundschaftsgericht zu treffen, das dabei nicht an die Vorschläge des Vaters gebunden ist, sondern nach freiem Ermeffen entscheidet. In dem persönlichen Verkehre soll sich die Eltern- und Kindesliebe, die auch die für schuldig erklärte Mutter mit dem Kinde verbindet, betätigen und lebendig erhalten.

Er darf deshalb, sofern nicht eine Gefährdung des Wohles des

Kindes zu besorgen ist, nicht so eingeschränkt werden, daß die auf dem

Eltern- und Kindesverhältnisse beruhenden sittlichen Beziehungen verkümmern

und Mutter und Kind einander entfremdet werden.

Das Beschwerdegericht

hat einwandfrei festgestellt, daß zu einer besonderen Beschränkung des Ver­ kehrs ein Grund nicht besteht. Dabei hat es mit Recht geprüft, welcher Art die der Mutter zur Last fallende Schuld an der Scheidung war, und zu diesem Behufe konnte es, ohne sich mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils in Widerspruch zu setzen, auch auf die Umstände eingehen, unter denen die Scheidung erfolgt ist.

Für die Bestimmung von Zeit und Ort des Verkehrs sind Zweckmäßig­ keitserwägungen maßgebend, bei denen es an erster Stelle auf das Wohl

des Kindes ankommt. Muß der Verkehr im allgemeinen, besonders während des Schuljahrs auf wenige, ziemlich weit auseinander liegende Tage beschränkt werden, so kann eine billige Ausgleichung dadurch gewährt werden, daß das Kind eine verhältnismäßig nicht lange Zeit bei der Mutter zuzubringen hat.

Daß damit ein zeitweiliges Verlassen des vom Vater bestimmten Aufent­ haltsorts verbunden ist, steht nicht entgegen.

Die Einschränkung, die das

Recht des Vaters durch die im § 1636 bestimmte Befugnis der Mutter er­ leidet, tritt dagegen schärfer hervor, aber über den Rahmen der der Mutter

gewährten Befugnis wird nicht hinausgegriffen, das Recht des Vaters wird

nicht beeinträchtigt.

Die Statthaftigkeit einer solchen Anordnung, ohne die

10. Elterliche Gewalt.

252

BGB. § 1636.

die Befugnis des für schuldig erklärten Ehegatten in vielen Fällen vereitelt

werden

würde,

ist bisher von der Rechtsprechung anstandslos

worden (Rsp. 2 S. 348, 3 S. 370, 9 S. 458). /?) Kammergericht, I. ZS.

anerkannt L. D.

Beschluß v. 3. Januar 1907.

Es handelt sich nur noch um die Regelung des brieflichen Verkehrs der Beschwerdeführerin mit ihren Kindern und darum, ob es angängig ist, An­

ordnungen zu erlassen, die einmal dem Vater aufgeben, der Beschwerdeführerin über Befinden und Ergehen ihrer Kinder allwöchentlich Nachricht zu geben

oder zukommen zu lassen, und ferner der Mutter zu gestatten, ihren Kindern kleine Wünsche zu erfüllen oder kleine Geschenke zu machen.

Nach § 1636 BGB. behält der geschiedene Ehegatte, dem nach § 1635

ebenda die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, die Befugnis, mit dem Kinde persönlich zu verkehren. Das Vormundschaftsgericht kann den Verkehr näher regeln.

Schon hieraus folgt, wie auch das Beschwerdegericht

zutreffend ausgeführt hat, daß es dem Vormundschaftsgericht an jeder gesetz­

lichen Grundlage fehlen würde, wenn es an den Vater eine Anweisung er­ lassen würde, der Mutter über Befinden und Ergehen ihrer Kinder Nachricht

zukommen zu lassen. Aus dem der Mutter in § 1636 BGB. gewährten Recht, mit ihrem Kinde zu verkehren, folgt wohl die Befugnis, von ihrem geschiedenen Mann zu fordern, daß dieser ihr den Zutritt zu dem Kinde ge­ statte-, weitergehende Ansprüche kann sie gegen den Vater des Kindes nicht

erheben....

Nach § 1636 BGB. hat die Beschwerdeführerin die Befugnis, mit ihrem

Was darunter zu verstehen sei, ist im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt. Auch die Motive zum ersten Entwurf des BGB., Kinde persönlich zu verkehren.

der im § 1457 die gleiche Bestimmung enthielt, sprechen sich nicht besonders

Sie heben nur hervor, daß es nach dem Vorgang verschie­ dener neuerer Gesetzgebungen, insbesondere der Vorschriften des preuß. ALR. (in den W 101, 102 II 2 das.) bei der praktischen Wichtigkeit der Frage ratsam erschienen sei, eine ausdrückliche Bestimmung aufzunehmen, die sich vielleicht schon aus allgemeinen Grundsätzen ableiten lasse. Aus diesen Be­

darüber aus.

merkungen ergibt sich jedenfalls so viel, daß die zitierten Bestimmungen des

preuß. ALR., wonach dem schuldigen Gatten der Zutritt zu den Kindern nicht gänzlich versagt werde, es aber richterlichem Ermessen vorbehalten sein solle, wie oft und unter welcher Aufsicht „dergleichen Besuche" zu ge­ statten seien, vorbildlich gewesen sind.

Bei Anwendung dieser Vorschriften

waren nur insofern Zweifel entstanden, als von mancher Seite die Ansicht vertreten wurde, es beschränke sich das Recht des „Zutritts" von dem das preußische Landrecht spricht, auf die Befugnis, die Kinder im Hause des

unschuldigen Gatten zu besuchen.

Die Praxis hatte indessen das Gesetz dahin

ausgelegt, daß Art, Ort und Zeit die Zusammenkünfte von der nach freiem Ermessen erfolgenden Anordnung des Vormundschaftsgerichts abhängig sei und

namentlich ein Zusammentreffen auch an drittem Orte gefordert und gestattet

10. Elterliche Gewalt.

BGB. § 1654.

253

Immer war dabei aber nur von einem Zutritt zu dem Kinde, d. h. einem solchen Verkehr die Rede, bei dem eine werden könne (vgl. KGJ. 7 S. 97).

Zusammenkunft zwecks mündlicher Aussprache, ein gegenseitiges Sichsehen statt­ fand.

Dieser Praxis hat sich das BGB., wenn es den von der Sorge für

die Person des Kindes ausgeschlossenen Elternteil den persönlichen Verkehr

mit diesem Kinde vorbehalten hat, offenbar anschließen wollen.

Etwas anderes

als ein Zusammentreffen zwecks gegenseitigen Sehens und gegenseitiger Aus­ sprache von Munde zu Munde, von Angesicht zu Angesicht wird auch im allgemeinen Sprachgebrauch unter dem „persönlichen Verkehr" nicht verstanden.

Wer mit jemand in Briefwechsel steht, hat mit ihm brieflichen, keinen

persönlichen Verkehr.

Dafür, daß das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem

Ausdruck „persönlich verkehren" einen vom allgemeinen Sprachgebrauch ab­ weichenden Begriff habe verbinden wollen, fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Auch Planck scheint in seinem Kommentar zu § 1636 (3. Aufl.) sich für diese Ansicht entscheiden zu wollen, wenn er ausführt, daß dieses Gesetz die Be­ fugnis gewähre, von dem anderen Gatten zu verlangen, daß dieser ihm den

Zutritt zu dem Kinde und die Möglichkeit gebe, mit dem Kinde in persön­

liche Berührung zu kommen, d. h. sich von dessen geistigem und körperlichem Befinden durch Augenschein und durch gegenseitige Aussprache persönlich zu überzeugen. Steht dem Vormundschaftsgericht hiernach nur die Regelung des persönlichen Verkehrs in dem hier entwickelten Sinne zu, so war das gestellte Verlangen der Regelung brieflichen Verkehrs ohne weiteres — weil nicht zur Zuständigkeit des Bormundschaftsgerichts gehörig — abzulehnen? Aus den gleichen Erwägungen folgt auch die weitere Abweisung des von

der Beschwerdeführerin gestellten Verlangens, ihr zu gestatten, den Kindern Geschenke zu machen und kleine Wünsche zu erfüllen. Nicht zu entscheiden war im gegenwärtigen Verfahren die Frage, ob etwa ein Vater, der ohne

Grund sich dem Wunsch seiner Kinder, zeitweise der Mutter zu schreiben, widersetzen würde, sich des Mißbrauchs des Sorgerechts schuldig machen und

deshalb vielleicht ein Einschreiten des Vormundschaftsgerichts aus § 1666 BGB. nötig machen würde. Der vorliegende Sachverhalt bot zu solchen Er­ wägungen den Vorinstanzen keinen Anlaß; die weitere Beschwerde war sonach zurückzuweisen. F.

k) Borschutzpflicht des Gewalthabers? Kammergericht, XX. ZS.

Beschluß v. 4. Mai 1906.

Die Kläger stützen ihren Antrag, dem Beklagten aufzugeben, ihnen, als

seinen minderjährigen Kindern, zwecks Führung des Rechtsstreits einen Kosten­ vorschuß zu zahlen, auf § 1654. Wenn daselbst auch der § 1387 nicht an­ gezogen ist, so ist doch die Ähnlichkeit, der Vorschrift des § 1387 Nr. 1 mit der des § 1654 unverkennbar.

Demgemäß hat denn auch das OLG. Breslau

1 Ebenso Beschluß desselben Senats v. 26. Oktober 1906 (1 Y 1178/06). 2 Ebenso Kammergericht, XII. ZS. Beschluß v. 6. März 1907; dagegen OLG. München, IV. ZS. Beschluß v. 13. Juni 1906 (Bl. für NA. 72 S. 166).

(Rsp. 5 S. 472; Recht 1906 S. 621 Nr. 1499) angenommen, daß der Vater

in Prozessen des Kindes gegen ihn in gleicher Weise, wie der Ehemann in

Rechtsstreitigkeiten zwischen ihm und der Frau zur Gewährung eines Kosten­

vorschusses verpflichtet ist.

Die entgegengesetzte Ansicht (Rsp. 7 S. 73) ver-

verdient jedoch den Vorzug.

Allerdings beruht die Pflicht des Mannes,

der Frau in Prozessen gegen ihn die Kosten vorzuschießen, auf dem ehelichen

Güterrecht, nach welchem anderseits dem Mann bezüglich des Vermögens

der Frau grundsätzlich das Verwaltungs- und Nießbrauchsrecht zusteht; aber der § 1387 Nr. 1 stellt schlechthin die Regel auf, daß der Mann der Frau gegenüber verpflichtet ist, die Kosten eines von ihr geführten Prozesses zu

tragen, ohne diese Verpflichtung an die Voraussetzung zu knüpfen, daß die Frau Vermögen eingebracht hat.

Es ist Sache des Mannes, wenn ein­ gebrachtes Vermögen nicht vorhanden ist, dies nachzuweisen, bzw. glaubhaft

zu machen (D.JZ. 1900 S. 160).

Wenn dem gegenüber § 1654 dem Vater

die Pflicht auferlegt, „die Lasten des seiner Nutznießung unterliegenden Ver­ mögens zu tragen", so ergibt die Wortfassung ohne weiteres, daß Ansprüche gegen den Vater mit Erfolg nicht geltend gemacht werden können, wenn

nicht erhellt, daß das Kind Vermögen besitze, das der väterlichen Nutznießung unterworfen ist, und dessen Lasten der Vater zu tragen hat. Daß diese Vor­ aussetzung gegeben ist, ist im Bestreitungsfalle nachzuweisen, bzw. bei Anträgen

auf einstw. Verfügungen glaubhaft zu machen.

R.r.

1) VorauSsetztmgkiti |ßr Maßregeln des § 1668. Bayer. Oberstes Landesgericht, L ZS. Beschluß v. 31. März 1906. Die weitere Beschwerde des Vaters ist begründet.

Um ihn in dem

Rechte, das Kind zu beaufsichtigen und dessen Aufenthalt zu bestimmen, zu

beschränken, genügt nicht, daß es für das Kind vorteilhafter ist, an den von diesem gewählten Orte und in dem von ihm eingegangenen Dienstverhältnisse zu verbleiben; selbst eine auf Halsstarrigkeit oder Eigennutz beruhende Aus­ übung des elterlichen Rechts rechtfertigt eine solche Maßregel nicht ohne weiteres, sondern nur dann, wenn das geistige oder leibliche Wohl des Kindes gefährdet wird. Vorliegend mag dies zutreffen, wenn die Anna in das elter­ liche Haus zurückkehren müßte. Der Vater hat aber an dem Verlangen fest­ gehalten, daß sie bei 36. in den Dienst trete. Es ist nicht selbstverständlich, daß sie in diesem Dienstverhältnis den von ihrem Zerwürfnis mit dem Vater

zu befürchtenden schlimmen Folgen ausgesetzt sein würde, auch scheint eine Gefährdung ihres Unterhalts nicht zu befürchten zu sein, wenn sie bei 36.

Wohnung und Verpflegung erhält.

Sollte der Vater Anstalt treffen, den

1 Grobe Verletzung der Unterhaltspflicht berechtigt zu Maßregeln aus § 1666, auch wen» der Vater damit nur die Herausgabe der bei der Mutter befindlichen Kinder erzwingen will

(Beschluß desselben ZS. v. 6. Mai 1904; Sammlung 5 S. 209).

Die Anhörung der Eltern rc

ist zwar nur eine Ordnungsvorschrift, doch enthält ihr« Unterlassung ebenso wie die Unter;

lassung der von Amts wegen vorzunehmenden Ermittlungen eine Gesetzesverletzung.

Solchen

Mängeln hat das LG. selbständig abzuhelfen und darf nicht zu diesem Behufe die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen (Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 27. September 1906).

10. Uneheliche Kinder.

BGB. 8 1708.

255

Lohn für sich zu verwenden, so würden zur Abwendung einer Gefährdung ihres Vermögens nach §§ 1667 ff. die erforderlichen Maßregeln zu treffen

sein.

Auf die Frage, wie es sich mit dem Dienste bei 3E. verhält, ist aber

das LG. nicht eingegangen....

Sammlung,

m) Unterhaltspflicht des unehelichen Balers. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 14. Februar 1907. Daß die §§ 622 ff. II 2 hinsichtlich der vor 1900 im Gebiete des ALR.

geborenen unehelichen Kinder in Geltung geblieben sind, folgt aus Art. 208 EG.,

weil das dem Vater in § 622 gegebene Recht als eine Art der Erfüllung der ihm obliegenden Unterhaltspflicht anzusehen ist....

Das LG. hat nun

eingehender dargelegt, daß dem Beschwerdeführer die Erziehung ohne Be­ sorgnis eines Nachteils für das Kind nicht anvertraut werden kann.

Diese

Feststellung ist nach § 27 FrGG. bindend, da bei ihr ersichtlich eine Rechts­

norm nicht verletzt oder unrichtig angewendet worden ist (vgl. auch Jahr­

buch 5 S. 83). Namentlich reichen die festgestellten Tatsachen, daß der Be­ schwerdeführer die Vaterschaft geleugnet, erst zufolge seiner Verurteilung Ali­

mente gezahlt und sich überhaupt um das Kind nicht gekümmert hat, aus, um die Überzeugung zu begründen, daß sein Verlangen, selbst die Erziehung und Verpflegung zu übernehmen, nur ein Vorwand war, um sich der lästigen Alimentationspflicht zu entziehen, und daß er gar nicht den Wunsch hatte,

das Kind wie ein sorgender Vater zu erziehen und zu verpflegen (Beschluß vom 13. Januar 1902 Y 502; auch Eccius Bem. 13 zu § 228). Mit Recht hat daher das Beschwerdegericht von einer Prüfung und Feststellung ab­ gesehen, ob nach dem jetzigen Haushalt des Beschwerdeführers ihm objektiv

das Kind anvertraut werden kann. Es kommt nicht darauf an, ob er an sich zu einer solchen Erziehung imstande ist, da bereits in unanfechtbarer Weise feststeht, daß er für das Kind nicht das geringste Jntereffe an den

Tag gelegt hat und gar nicht den Wunsch hegt, es sorgsam zu erziehen. Dagegen ist die Entscheidung rechtsirrig, soweit sie die Erziehung des Kindes auf Kosten des Beschwerdeführers für die Zeit nach vollendetem vierten Lebensjahr, also seit dem 21. Juli 1899 der Mutter überträgt; denn dadurch, daß bei der Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes die Mutter seine Herausgabe dem Beschwerdeführer verweigerte, ist dieser von seiner Pflicht zur Bezahlung des Unterhaltes befreit worden; seine Verpflichtung

zu Alimentenzahlung bleibt nur dann bestehen, wenn eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts aus § 624 II 2 ergeht (Dernburg, Privatrecht 3

§ 71 bei 21).

Bei der Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes ist

eine solche Entscheidung nicht eingeholt worden; die Verpflichtung des Be­ schwerdeführers, die Kosten des Unterhalts zu bestreiten, war also damals

zunächst untergegangen. Allerdings war sie damit nicht dauernd erloschen. Die Mutter ist berechtigt, noch nachträglich ihren Entschluß, ob sie auf eigene Kosten das Kind verpflegen und erziehen will, zu ändern; der Vater,

der das Kind in Pflege genommen hat, kann ihr nicht widersprechen, wenn

sie es später auf eigene Kosten unterhalten und erziehen will; ebenso ist die

Mutter, die zuerst die Herausgabe des Kindes verweigerte, nicht gehindert,

später diese Weigerung zurückzunehmen und, wenn der Vater zur eigenen

Verpflegung und Erziehung nicht bereit ist, von ihm die Zahlung von Ali­

menten zu verlangen (ObTrib. 25 S. 166); in diesem Fall hat ihr aber das ObTrib. nur die Alimente für die Zeit, seitdem der Vater die Über­ nahme der Verpflegung und Erziehung verweigert hatte, zugesprochen. Entscheidung die früher

erfolgte mit Recht;

denn

erst

erloschene Unterhaltspflicht von

Grundsatz ist hier anzuwenden.

Diese

mit diesem Zeitpunkte lebte

neuem wieder auf.

Derselbe

Die 1899 zunächst untergegangene Pflicht

des Beschwerdeführers kann erst dann wieder von neuem eintreten, wenn

durch die Anordnung des Vormundschaftsgerichts auf Grund des § 624 II 2 eine dahin gehende Verpflichtung gemäß der besonderen Bestimmung dieser

Es ist begrifflich ausgeschlossen, daß eine

Gesetzesvorschrift begründet wird.

Entscheidung, ob dem Vater oder der Mutter die Erziehung zu übertragen ist, für einen bereits verstrichenen Zeitraum erfolge. Wirksam geworden ist die Übertragung dem Beschwerdeführer gegenüber erst mit der Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 8. Dezember 1906, also am 13. Dezember

1906 (vgl. § 16 FrGG.).

Dr. H.g.

n) Berichtigung der in besonderer Urkunde vor dem Standes­ beamten abgegebene« A«erkenn««g der Vaterschaft? OLG. Colmar, I. ZS.

Beschluß v. 2. Januar 1907.

Die vom Standesbeamten über die Anerkennung der Vaterschaft er­ richteten besonderen Urkunden können nicht zum Gegenstände eines Be­

richtigungsverfahrens

gemacht werden.

Dieses

bezieht

sich

nämlich

nach

§ 65 PStG, auf die Eintragungen in den Standesregistern, zu denen, wie sich aus § 12 ergibt, nur die Geburts-, Heirats- und Sterberegister ge­

hören.

Jene besonderen Urkunden aber bilden keinen

Bestandteil dieser

Register, vielmehr bestimmt § 16 AusfVorschriften ausdrücklich, daß, wenn

die Errichtung einer besonderen Urkunde über die Anerkennung der Vater­ schaft verlangt wird, die Vorschriften der §§ 14 und 15 über die Eintragung

der Anerkennung in das Geburts- und Heiratsregister keine Anwendung finden, und daß es auch den Beteiligten überlassen bleibt, die Beischreibung eines Randvermerks nach Maßgabe des § 26 PStG, bei dem Standes­ beamten des Geburtsregisters zu beantragen.

ob etwa die Vorschriften über

Es kann sich daher nur fragen,

das Berichtigungsverfahren auf

die

vor­

erwähnten besonderen Urkunden entsprechend anzuwenden sind. Diese Frage ist zu verneinen, da die rechtliche Bedeutung dieser Urkunden eine wesentlich andere ist, als diejenige der Eintragungen in den Standesregistern.

Die

1 Für die uneheliche Mutter besteht kein gesetzlicher Zwang, dem VormGerichte Auskunft

über den Vater ihres Kindes zu geben (Entsch. des RG. in Strass. 36 S. 1). — Ein Gesinde­ dienstvertrag, der namens eines Minderjährigen von dessen unehelichen Mutter geschlossen

wird, ist ungültig und rechtfertigt nicht ein polizeiliches Einschreiten (OVG. 42 S. 393).

ordnungsmäßig geführten Standesregister beweisen nach § 15 PStG, die­ jenigen Tatsachen, zu deren Beurkundung sie bestimmt sind, so daß durch die in dem Geburts- und Heiratsregister beurkundete Anerkennung nicht nur die Abgabe der Anerkennungserklärung, sondern auch die Vaterschaft bewiesen wird (Beschluß dieses Gerichts vom 27. Juni 1906). Der Beurkundung außer­ halb der Standesregister kommt diese erhöhte Beweiskraft nicht zu. Solche

Urkunden beweisen nur die Abgabe der Willenserklärung und begründen, wenn

wie hier der Anerkennende mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, gemäß § 17203 1 BGB. * die Vermutung, daß er der Mutter während der Empfängniszeit

beigewohnt' hat.

Daher fällt jeder Grund weg, seine Berichtigung dieser Frdthl.

Urkunden zuzulassen.

o) Bormrmdschaft über Ausländer. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 10. Dezember 1905.

Die Anordnung des Amtsgerichts, daß die Knaben des verstorbenen Z., über die eine Vormundschaft eingeleitet worden war, in der evangelischen Religion der Mutter erzogen werden sollten, wurde auf weitere Beschwerde

aufgehoben. Gründe: Der verstorbene Z. war von Haus aus Österreicher und ist weder als Sachse noch als Preuße naturalisiert worden; es ist danach anzunehmen, daß

er die österreichische Staatsangehörigkeit behalten hat (Stubenrauch, Allg. BGB. N. 1 zu 8 132; Burkhard, Öst. Privatrecht 2 § 41). Selbst wenn er aber die österreichische Staatsangehörigkeit verloren haben sollte, ohne die deutsche zu erlangen, so würde er als „Heimatloser" anzusehen sein und deshalb ebenfalls wie ein Österreicher behandelt werden müssen. Das gilt aber gleichzeitig für seine Familienangehörigen, deren Staatsangehörigkeit sich nach der seinigen richtet, und zwar ohne Rücksicht auf den Umstand, daß er

inzwischen gestorben ist. Nach seiner Staatsangehörigkeit richtet sich besonders auch die seiner Söhne, um deren religiöse Erziehung es sich hier handelt (vgl. 88 2L3, 135 Ges. v. 1. Juni 1870; Öst. Hosd. v. 23. Februar 1833,

8 28 Allg. BGB.; Stubenrauch Nr. II A, B ju 8 28; Burkhard 8 40). Wenn ein deutsches Vormundschaftsgericht irgendwelche Fürsorge für einen Ausländer oder diesem gleich zu behandelnden Heimatlosen übernehmen

will, so hat es zunächst nach den Grundsätzen des Internationalen Privat­ rechts zu prüfen, ob überhaupt die deutschen Gerichte hierfür zuständig sind.

Ist die Jnlandszuständigkeit zu verneinen, so fehlt es an der erforder­

lichen Rechtsgrundlage für sein Einschreiten. Das gilt sowohl für den Fall des Art. 23 Abs. 1, als auch Abs. 2. Diese Prüfung hat aber auch noch in

den höheren Instanzen von Amts wegen zu erfolgen....

Diese allgemeine

inländische Gerichtszuständigkeit hat nämlich eine ganz andere Bedeutung als

die innerstaatliche örtliche Zuständigkeit des einzelnen Vormundschaftsgerichts.

Bei den die letztere regelnden Normen handelt es sich allerdings um bloße 1 Über den Begriff der „Beiwohnung" vgl. Entsch. des RG. in Straff. 89 S. 61 und dagegen Sammlung des k. k. Obersten Gerichtshofs in Wien von Glaser-Unger 33 S. 391.

YLGRIp. XIV.

17

Ordnungsvorschriften des formellen Rechts, deren Verletzung die Handlungen

des Vormundschaftsgerichts nicht rechtsunwirksam macht (§ 7 FrGG., Jahr­ buch 30 S. 6). In den internationalen Normen über die inländische Ge­ richtszuständigkeit des Art. 23 sind dagegen materiellrechtliche Bestimmungen

zwingender Natur zu finden, deren Beachtung und Durchführung auch dem Gerichte der weiteren Beschwerde obliegt, gleichviel ob von den Beteiligten

eine .bezügliche Rüge erhoben ist oder nicht. Es ist hierbei davon auszugehen, daß die Fürsorgefälle des Art. 23 sich als Ausnahmen von der Regel des

Nationalitätsprinzips

darstellen,

von

welchem

die Vorschriften des inter­

nationalen Privatrechts im EG. bezüglich der Personalstatulen beherrscht

werden, sowie, daß diese Ausnahmen nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfen. Was zunächst den Art. 231 anbetrifft, fo... hätte das Amtsgericht zu­

nächst von Amts wegen feststellen müssen, daß der österreichische Staat eine

Fürsorge für die Kinder Z. nicht übernimmt, ehe es (immer unter der Voraus­ setzung der Fürsorgebedürstigkeit der Kinder nach österreichischem Rechte) eine Vormundschaft über sie einleiten dürfte (Jahrbuch 21 S. 213; RIA. 4 S. 78;

Rsp. 5 S. 443, 6 S. 309; Zeitschrift für intern. Recht 13 S. 177, 421; 14 S. 77). Es hätte sich zu diesem Zwecke mit den zuständigen österreichischen Behörden in Verbindung setzen müssen, um zu erfahren, ob in Österreich eine

Vormundschaft eingeleitet werden soll.

Es ist jedoch in dieser Beziehung

nichts geschehen. ... Die Einleitung der Vormundschaft im Jahre 1903 ist demgemäß zu Unrecht erfolgt.... Es kann sich aber weiter fragen, ob diese Vormundschaft, wennschon die

Voraussetzungen für ihre Einleitung nicht vorliegen, doch hier um deswillen

als zu Recht bestehend zu behandeln ist, weil sie formell noch besteht, und ihre Anfechtung bisher weder in diesem noch in einem anderen Verfahren

erfolgt ist. Daraus könnte dann weiter geschlossen werden, daß die religiöse Erziehung der Geschwister Z., als in den Rahmen dieser Vormundschaft fallend, so lange der Zuständigkeit der deutschen Gerichte unterstehe, als diese

materiell ungerechtfertigte, aber äußerlich zu Recht bestehende Vormundschaft nicht formell aufgehoben worden ist. Das ist der Standpunkt des Beschlusses vom 26. Juli 1904 (Böhms Zeitschr. 1905 S. 328). Dieser Auffassung ist

jedoch nicht beizutreten, weil ihr die oben erörterte zwingende Natur jener internationalen Zuständigkeitsnormen entgegensteht, welche grundsätzlich eine ihnen zuwiderlaufende Tätigkeit der inländischen Vormundschaftsgerichte nicht

gestatten.

Danach fehlt der zu Unrecht eingeleiteten Vormundschaft jeder

Rechtsboden, und sie ist in diesem Verfahren als nicht existierend zu be­ handeln.

Eine andere, hier nicht zu entscheidende Frage ist die, ob eine

solche Vormundschaft auch dann.rechtsunwirksam ist, wenn es sich um die

Gültigkeit von Rechtsgeschäften handelt, welche der in ihr bestellte Vormund sür die Mündel dritten Personen oder anderen Behörden gegenüber vornimmt.

Auf jeden Fall aber kann eine solche unzulässige Vormundschaft nicht als

eine dem Art. 23 entsprechende Rechtsgrundlage sür die in vormundschafts-

10. Vormundschaft.

EG. zum BGB. Art. 23.

259

gerichtlichen Verfahren selbst anzuordnenden oder zu bestätigenden Fürsorge­

maßregeln dienen; denn die Vormundschaftsgerichte aller Instanzen sind bei der Entwicklung ihrer fürsorgenden Tätigkeit für Ausländer schlechthin an die internationalen Zuständigkeitsnormen gebunden.... Was sodann die Anwendbarkeit des Art. 232 anbetrifft, so hatten die

Vorinstanzen augenscheinlich gar nicht die Absicht, hier nur eine „vorläufige Maßregel" zu treffen, sondern wollten durch die Anordnung der Erziehung

der Gebrüder Z. in der evangelischen Religion eine endgültige Entscheidung erlassen. Für den Fall nämlich, daß eine sachlich gerechtfertigte, unter die Zuständigkeit dieser Vorschrift fallende Maßregel vorliegen sollte, würde es

keinem Bedenken unterliegen, sie als „vorläufige" aufrechtzuerhalten. bietet hier auch Art. 232 keine ausreichende Grundlage.

Indes

Danach ist erforder­

lich einmal, daß eine Vormundschaft oder Pflegschaft noch nicht angeordnet ist, und dann, daß ein Bedürfnis für die Erlaffung einer vorläufigen An­

ordnung vorliegt. Letzteres ist zwar im Gesetze nicht ausdrücklich hervor­ gehoben; es ergibt sich das aber aus dem Wesen der „vorläufigen Maßregel", welche der Natur der Sache nach nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn die

ordentliche, endgültige Maßregel der an sich zuständigen ausländischen Be­ Nur wenn dies zutrifft, also Gefahr im Verzüge ist, kann es als zulässig angesehen werden, der Fürsorge der letzteren hörde zu spät kommen würde.

für ihre Staatsangehörigen (oder die diesen zuzurechnenden Heimatlosen) vor­

zugreifen (Planck 3 zu Art. 23; Niedner 5 ebenda).

Ob ein solcher Be­ dürfnisfall vorliegt, und welche Maßregeln vorläufig zu treffen sind, ist Sache des richterlichen Ermessens im Einzelfalle, welches nur durch Art. 231 dahin eingeschränkt ist, daß die Einleitung einer Pflegschaft oder Vormundschaft

nicht als „vorläufige Maßregel" erfolgen kann.

Hierbei wird man in erster

Linie prüfen müssen, ob dasjenige Rechtsverhältnis, bezüglich dessen eine vor­ läufige Anordnung ergehen soll, seiner Beschaffenheit nach überhaupt eine vor­ läufige Regelung verträgt, und für den Fall der Bejahung dieser Frage ferner sorgfältig abzuwägen haben, ob das Bedürfnis seiner alsbaldigen Regelung ein so dringendes ist, daß die Gefahr einer späteren entgegengesetzten An­ ordnung der ausländischen Behörden als das kleinere Übel erscheint und deshalb mit in Kauf zu nehmen ist; denn man wird regelmäßig (solange

nicht eine entgegengesetzte Praxis feststeht) mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen müssen, daß der fremde Staat die Fürsorge für seine Staatsange­

hörigen (oder früheren Staatsangehörigen) selbst übernimmt und daß dann seine Behörden die diesseitigen Anordnungen einer Nachprüfung und Abän­ derung unterziehen werden.

Eine Prüfung unter diesen Gefichtspunkten muß aber dazu führen, die Anordnung „vorläufiger Maßregeln" in bezug auf das fragliche Rechts­ verhältnis für untunlich zu erachten.

Zunächst ist die religiöse Erziehung

eines Kindes ihrer Natur nach recht wenig geeignet, einer bloß vorläufigen Regelung urzterzogen zu werden; denn bei jedem Wechsel in dieser Erziehung 17*

liegt die allergrößte Gefahr vor, daß er verwirrend und schädigend auf sein Gemüt wirkt.

Es muß also im Interesse des Kindes mit der peinlichsten

Sorgfalt vermieden werden, daß ein wiederholter Wechsel veranlaßt wird.

Wenn also damit zu rechnen ist, daß der fremde Staat die Fürsorge über­ nehmen wird, und daß seine Behörden eine abweichende Anordnung treffen

könnten, so wird es sich regelmäßig empfehlen, daß das inländische Vormund­

schaftsgericht sich einer vorläufigen Entscheidung über die religiöse Erziehung enthält und es stillschweigend bei der bisherigen Erziehung beläßt; denn darin liegt die geringere Gefahr für das geistige Wohl des Kindes. Es soll damit

allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß es doch besonders geartete Ver­ hältnisse geben kann, unter welchen ausnahmsweise ein Eingreifen des in­

ländischen Vormundschaftsgerichts zwecks vorläufiger Regelung der religiösen Erziehung ausländischer Kinder gerechtfertigt ist.

Es muß sich jedoch alsdann

immer um Fälle von besonders dringlicher Art handeln; und auch dann wird sich ein Einschreiten nur empfehlen, wenn die Sachlage eine klare, zweifelsfreie

ist, und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine zustimmende Entscheidung

der später mit der Sache befaßten ausländischen Behörden gerechnet werden Ein derartiger dringlicher Fall liegt aber hier offenbar nicht vor.

kann.

Die evangelische Mutter steht in bezug auf die religiöse Erziehung ihrer

Kinder auch nicht im allermindesten auf einem einseitigen Standpunkt. ... Sie will die Entscheidung über die religiöse Erziehung dem Gericht überlassen; es soll geschehen, was das Recht verlangt. ...

Dazu kommt, daß nach österreichischem Rechte die Streitigkeiten über die religiöse Erziehung der Kinder nicht von den Gerichten, sondern von den politischen Behörden zu

entscheiden sind (§ 140 Allg. BGB.; Stubenrauch Anm. 2 dazu; Nowack

Entsch. 3 Nr. 215, 7 S. 43 und E. v. 9. März 1892 Z. 2961; Links, Rechtspr. d. k. k. ob. Ger. Nr. 2642). Diese Behörden werden aber möglicherweise ihre Entscheidung nach Zweckmäßigkeitsrücksichten treffen; ihre Praxis ist hier unbekannt; die von ihnen zu erwartende Entscheidung erscheint daher nach Lage der Sache als völlig ungewiß.

Unter diesen Umständen erscheint die

Anordnung vorläufiger Maßregeln unstatthaft. ...

Deshalb Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen über die Erziehung der Gebrüder Z. in der evangelischen Religion. ...

Zu einer Aufhebung der im Jahre 1903 unzulässigerweise eingeleiteten Vormundschaft über die drei Geschwister Z. war das Gericht der weiteren

Beschwerde nicht befugt, da die Sache deswegen nicht zu seiner Entscheidung gebracht ist. Dagegen wird das Amtsgericht nunmehr schleunigst von Amts wegen dahin zu wirken haben, daß der jetzige gesetzwidrige Zustand beseitigt

wird.

Es wird sich deshalb mit den zuständigen österreichischen Behörden

in Verbindung setzen müssen, um festzustellen, ob die Fürsorge für die drei Geschwister von Österreich übernommen wird. Für den Fall, daß letzteres

nicht erfolgt, bedarf es zur Einleitung der Vormundschaft im Inland« noch der Feststellung, daß diese Kinder nach österreichischem Recht d.er Fürsorge

10.

Vormundschaft.

EG. zum BGB. Artt. 23. 41.

261

bedürfen (vgl. §§ 189, 198 Allg. BGB.)... Es wird, falls die Vormund­ schaft hier bleiben sollte, auch über die religiöse Erziehung der Kinder vom deutschen Vormundschaftsgericht nach österreichischem Gesetze zu entscheiden

sein (Art. 19 EG).

Schn.

p) Anwendung des EG. Art. 23 anf Angehörige eines anderen deutschen Bundesstaates. Kammergericht, I. Ferien-ZS.

Beschluß v. 9. August 1906.

Nach Art. 23 EG. kann (vgl. Jahrbuch 23 S. 40) ein in Preußen sich

aufhaltender Ausländer nad) Maßgabe des preuß. FEG. vom 2. Juli 1900 der

Fürsorgeerziehung überwiesen werden, wenn der Staat, dem der Ausländer angehört, die Fürsorge nicht übernimmt, und kann das preußische Vormund­ schaftsgericht bis zur Feststellung jener Voraussetzungen gemäß § 5 das. die

vorläufige Unterbringung des minderjährigen Ausländers anordnen. Gleiches hat aber auch zu gelten, wenn der in Preußen sich aufhaltende Minderjährige

zwar nicht Ausländer ist, aber doch einem anderen Bundesstaat angehört. Denn die im EG. Art. 7—31 gesetzlich festgestellten Grundsätze des inter­ nationalen Privatrechts sind, wenigstens dann, wenn es sich um Anwendung von Landesgesetzen, die für die durch das EG. der Landesgesetzgebung vor­ behaltenen Rechtsgebiete erlassen sind, handelt und in diesen Gesetzen keine bezüglichen Bestimmungen enthalten sind, auf das Verhältnis der deutschen Bundesstaaten untereinander entsprechend anzuwenden (Beschluß v. 18. April

1906; Y 409/06; vgl. auch Planck 6 S. 25 N. 6 zu Art. 7—31). Danach ist vorliegend, wiewohl der minderjährige N. sächsischer Staatsangehöriger ist,

gemäß Art. 232 EG. und § 44 FrGG. für die bisher nur zur Entscheidung stehende vorläufige Unterbringung1 des N. das preußische Amtsgericht A. als dasjenige Vormundschaftsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge heroorgetreten ist. E.

q) Prüfung eines Antrags anf Entlassung ans der Staatsange­ hörigkeit. OLG. Colmar, I. ZS.

Beschluß v. 5. Dezember 1906.

Der Beschwerdeführer findet eine Gesetzesverletzung darin, daß die Instanz­

gerichte selbständig geprüft haben, ob die Entlasiung des Minderjährigen aus 1 Hierfür ist nur erforderlich, daß das Fürsorgeerziehungsverfahren eingeleitel ist uiib noch verhandelt wird und daß „Gefahr im Verzüge" sei, d. h. daß mit dem Aufschieben der anderweitigen Unterbringung der Minderjährigen bis zum Abschlüsse des Verfahrens die Gefahr

seiner Verwahrlosung oder weiterer Verwahrlosung sein würde; die Verhältnisse, in denen das Kind zurzeit lebt, müssen also derartig sein, daß der Minderjährige ohne Verzug aus ihnen

entfernt werden muß, damit nicht zum voraus diejenigen Schäden bei ihm eintreten, deren Vorbeugung den Zweck der Fürsorgeerziehung bildet.

Trifft das zu, so ist für die Anordnung

der vorläufigen Unterbringung ein weiteres Erfordernis, besonders in bezug auf die Ent­ scheidung über die Boraussebungen der Anordnung der Fürsorgeerziehung selbst nicht ge­ geben (Jahrbuch 26 S. 193), denn wenn Überhaupt schon klar läge, daß die Voraussetzungen

für die endgültige Anordnung der Fürsorgeerziehung jedenfalls nicht vorhanden waren, dann dürfte das Verfahren nicht weiter fortgesührt und sofort endgültig der Antrag zurückgewiesen werden (KG. I. ZS. Beschluß v. 4. Oktober 1906).

W.

10. Vormundschaft.

262

BGB. §§ 1779. 1812. 1813.

dem Staatsverbande zu seinem Besten dienen würde.

Er ist der Ansicht,

daß daS Vormundschaftsgericht die Maßnahme regelmäßig zu genehmigen habe, wenn die Eltern des Kindes es wünschen, und nur dann die Ge­ nehmigung versagen dürfe, wenn die Eltern im allgemeinen ihrer Pflicht, für das Wohl des Kindes zu sorgen,

nicht nachkommen.

Zur Widerlegung

dieser Auffassung genügt es, auf die Motive 4 S. 1139 hinzuweisen: „Von

selbst versteht es sich, daß das Vormundschaftsgericht sich nicht bloß auf die

Prüfung zu beschränken hat, ob die Vornahme des Rechtsgeschäfts eine Pflicht­ widrigkeit des Vormundes nicht enthält und nicht mit Nachteilen für den Mündel verbunden ist, sondern die Genehmigung nur erteilen darf, wenn es die Überzeugung gewonnen hat, daß die Vornahme des Rechtsgeschäfts dem

Interesse des Mündels entspricht, widrigenfalls das Vormundschaftsgericht sich nach Maßgabe des § 1702 (jetzt 1848) dem Mündel verantwortlich macht. Es nimmt in dieser Hinsicht ganz dieselbe Stellung ein, wie der Vormund bei der Einwilligung oder Genehmigung zu einem Rechtsgeschäfte des

Mündels" (vgl. ferner das. S. 756). r)

Frdthl.

Zur Auslegung des § 17793 Satz 3. Beschluß v. 22. November 1906.

Kammergericht, I. ZS.

Der § 1779* Satz 3 gibt den Verwandten und Verschwägerten des

Mündels kein unbedingtes Recht auf ihre Bestellung als Vormund; vielmehr wird durch diese Vorschrift dem Richter nur die Anweisung erteilt, jene

Personen zunächst zu berücksichtigen. Dadurch wird er darauf hingewiesen, sich bei der Wahl des Vormundes stets gegenwärtig zu halten, daß, wenn nicht

irgendwelche Umstände dagegen sprechen, an erster Stelle eine dieser Personen als Vormund zu bestellen ist. Im übrigen wird ihm bei dieser Auswahl freies Ermessen gelassen; so daß er durchaus befugt ist, aus bestimmten kon­

kreten Gründen von der Regel des Gesetzes abzuweichen und einen anderen

Vormund zu bestellen (Jahrbuch 29 S. 15).

Ein solcher eine Abweichung

rechtfertigender Grund kann eine schwebende Schuld der Frau des Verwandten oder Verschwägerten an das Mündel sein. St.

s) Genehmigung zur Zinsherabsetzuug re. Kammergericht, L ZS.

Beschluß v. 6. Dezember 1906.

Bezüglich der 1905 für die Minderjährigen A. eingetragenen Hypothek bewilligte 1906 der Vormund die Herabsetzung des Zinsfußes auf 4°/0 und

die Unkündbarkeit bis 1912.

Hierbei handelt es sich unbedenklich um eine

Verfügung über hypothekarisch gesicherte Forderungen von Mündeln, also um eine Verfügung, zu der nach § 1812 die Genehmigung des Gegenvormundes

erforderlich ist.

Der § 1813 Nr. 4 entbindet den Vormund von ihr bei der

Annahme einer geschuldeten Leistung, wenn der Anspruch zu den Nutzungen

des Mündelvermögens gehört.

Der Vormund kann danach Hypothekenzinsen

ohne Mitwirkung des Gegenvormundes einziehen.

Er kann aber nicht auch

in anderer Weise über den Zinsanspruch verfügen, insbesondere nicht allein in eine Herabsetzung des Zinsfußes willigen. Überdies steht hier nicht lediglich

eine Zinsermäßigung, sondern außerdem eine Ausschließung des Kündigungs­

rechts auf die Dauer von 5 Jahren in Frage und hierin ist ganz ebenso eine

den Mündeln, wenigstens unter Umständen lästige Verfügung über die For­ derung zu finden, wie in der Herabminderung des Zinsanspruchs. Die Ge­ nehmigung des Gegenvormundes ist in der Form des § 29 GrBO. beizubringen. Es genügt deshalb nicht, daß der Notar M., der anscheinend selbst Gegenvormund

der Kinder ist, die Unterschristen der übrigen Beteiligten unter der Urkunde beglaubigt und diese Urkunde zum Zwecke der Eintragung der vereinbarten

Veränderungen mittels privatschriftlicher Eingabe zu den Grundakten ein­ gereicht hat. Aus der Anfertigung des Entwurfs der Urkunde und aus der

Einreichung

der

beglaubigten Urkunde

bei Gericht

hätte

sich zwar

eine

materiell wirksame Genehmigung durch den Gegenvormund folgern lassen; es ist aber keinesfalls rechtsirrig, wenn die Vorinstanzen die Beibringung der Genehmigungserklärungen in beglaubigter Form für erforderlich erachten.

Auf demselben Grundstücke haftet eine Gesamthypothek der 11000 Mark Unter der Erklärung, daß diese Hypothek auf sein Mündel A. über­

für X.

gegangen sei, vereinbarte deren Vormund mit dem Vormunde des entmündigten

Eigentümers gleichfalls die Herabsetzung des Zinsfußes und die Unkündbarkeit bis 1912. Hier liegt die Sache insofern anders,- als es fraglich erscheint, ob die Minorennen A. schon Inhaber dieser Hypothek sind, ob also die Ein­

tragung der Zins- und Kündigungsänderung auf Grund der Zustimmung ihres Vormundes und Gegenvormundes erfolgen kann, oder ob es nicht der

Zustimmung des X. bedarf (Jahrbuch 29 S. 176).

Nach der Abtretungs­

erklärung des X. scheint es so, als sollte das Grundbuchamt erst den Hypothekenbrief dem Vormund übersenden. Der Schlußsatz der Urkunde, in welchem „die Rückgabe des hiermit überreichten Briefes an den Vormund" beantragt wird, läßt jedoch die Deutung zu, daß die Übergabe an den Vor­

mund schon vor Einreichung der Urkunden beim Grundbuchamte stattgefunden hat (§ 11173 BGB.), daß also die Minorennen schon Gläubiger der Hypo­ thek sind (§ 1154). Ist dies aber der Fall, wie das augenscheinlich auch die Vorinstanzen angenommen haben, so bedarf es zur Eintragung der die Ver­ zinsung und Kündigung betreffenden Änderungen ebenso, wie bei den beiden anderen Hypotheken, der Beibringung

einer

beglaubigten

Genehmigungs­

erklärung des Gegenvormundes. Dagegen ist es nicht richtig, wenn das LG. den Nachweis der Ge­

nehmigung des Gegenvormundes auch auf Grund des § 1910 fordert. Die Frage, ob es sich hier um eine Anlegung von Mündelgeld handelt, unterliegt der Prüfung des Grundbuchrichters nicht. Der bisherige Inhaber der Hypothek

X. hat die Umschreibung bewilligt und beantragt, nach den §§ 13,19 GrBO. hat daher die Eintragung des Überganges der Gesamthypothek auf die

Minorennen ohne, deren Mitwirkung und ohne Rücksicht auf ihre Minder­ jährigkeit zu erfolgen. Die Vorinstanzen übersehen indes etwas anderes.

Unter Vormundschaft

stehen nicht bloß die Minorennen, sondern auch der Eigentümer, welcher in Güter­ gemeinschaft lebt und auch in Ansehung der Verwaltung des gütergem. Vermögens

durch seinen Vormund vertreten wird (§ 1450).

Nach § 1821 Nr. 1 bedarf aber

der Vormund zur Verfügung über ein Grundstück des Mündels der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, und eine solche Verfügung liegt (Jahrbuch 29 S. 20)

namentlich auch dann vor, wenn das Kündigungsrecht des Mündels für eine

das Grundstück belastende Hypothek auf gewisse Zeit ausgeschlossen werden soll. Durch den Ausschluß der Kündigung der Hypotheken wird den Eigen­ tümern die Möglichkeit genommen, das Grundstück vor 1912 von der ihr

Eigentum beschränkenden Belastung durch die Hypotheken zu befreien, und dies hat unter Umständen (beim Sinken des Zinsfußes oder im Fall einer Gelegenheit, das unbelastete Grundstück günstig zu verkaufen) erhebliche wirt­ schaftliche Nachteile zur Folge.

Das AG. wird daher die Eintragung der

Veränderungen, von denen die eine offensichtlich von der anderen abhängig ist, auch nicht vornehmen dürfen, solange nicht das Vormundschaftsgericht die

Verfügungen namens des Eigentümers genehmigt hat.

Die Einwilligung der

Ehefrau ist zwar nicht bedeutungslos, aber nicht geeignet, die Genehmigung

des Vormundschaftsgerichts zu ersetzen (§§ 1826, 1445, 1450).

H.g.

t) Vergütung des Rachlatzpflegers. Beschwerderecht. «) OLG. Hamburg, Ferien-ZS. Beschluß v. 30. Juli 1906.

Die Nachlaßpflegschaft ist vorliegend aus § 1960 angeordnet und dient

nicht nur der Sicherung des Erben, sondern auch der der Nachlaßgläubiger. Jeder Gläubiger hat ein Recht darauf, daß der Nachlaß auch zu seiner Be­ friedigung verwandt werde. Bewilligt das Nachlaßgericht dem Pfleger zu Unrecht eine Vergütung oder bemißt es sie zu hoch, so wird das Recht des Gläubigers beeinträchtigt, sobald die Bewilligung zur Folge hat, daß er aus dem Nachlaß entweder nicht seine ganze Forderung oder weniger erhält, als er sonst erhalten haben würde.

Nach § 20 FrGG. ist er daher zur Einlegung Dadurch, daß das Konkursverfahren über den Nachlaß eröffnet ist, hat er sein Beschwerderecht nicht verloren. Es handelt der Beschwerde berechtigt.

sich um eine Verfügung, durch die eine am Konkurse beteiligte Forderung

zu Unrecht begründet sein soll.

Daß solche Beschwerden nur dem Konkurs­

verwalter zustehen sollen, bestimmen die Gesetze nicht.... Nach dem auch für den Nachlaßpfleger maßgebenden § 1836 kann das

Gericht dem Vormund eine angemessene Vergütung bewilligen, wenn das Vermögen des Mündels sowie der Umfang und die Bedeutung der vormund­

schaftlichen Geschäfte es rechtfertigen. Das Gericht hatte also hier zu prüfen: ob der Bestand der Nachlaßmasse, anderseits ob der Umfang und die Be­ deutung der Geschäfte des Nachlaßpflegers die Bewilligung einer Vergütung rechtfertigten.

Wurden diese beiden Fragen bejaht, wie sie ersichtlich bejaht

sind, so hatte das Gericht eine angemessene Vergütung zu. bewilligen.

Daß

bei der Feststellung dessen, was angemessen ist, neben anderen Momenten, besonders also auch neben dem Umfang der aufgewandten Bemühungen, auch

die Höhe deS Nachlasses und die Höhe der durch die Tätigkeit des Nachlaß­

pflegers erhaltenen Nachlaßwerte mit berücksichtigt sind, soll nicht beanstandet

werden.

Dem Gesetz entspricht nur das nicht, daß die Höhe des Nachlasses

M. M.

in erster Linie für maßgebend erachtet ist.

ß) OLG. Hamburg, I. ZS.

Beschluß v. 16. November 1906.

Dem Nachlaßgläubiger steht gegen die Bewilligung einer zu hohen Ver­ gütung jedenfalls dann die Beschwerde nach § 20 FrGG. zu, wenn er infolge­ dessen aus dem Nachlaß nicht seine ganze Forderung oder weniger erhält,

als er sonst erhalten hätte.

Dieses Beschwerderecht wird nicht dadurch be­

seitigt, daß das Konkursverfahren über den Nachlaß eröffnet wird.... Das Landgericht hat angeführt, weshalb es eine Vergütung von 400 Mark für

angemessen halte; es hat dabei u. a. die vom Beschwerdeführer aufgewandte Arbeit als nicht unbedeutend bezeichnet und bemerkt, daß die Arbeit wahr­ scheinlich nicht notwendig gewesen sei, um das tatsächlich erzielte geringe Er­ gebnis zu erreichen.

Weshalb es nötig gehabt haben sollte, das Maß der

aufgewandten Arbeit nach Stunden abzuschätzen, ist nicht zu erkennen.

Daß es sich damit begnügt hat,.sein Urteil über die Notwendigkeit und die Er­

sprießlichkeit der aufgewandten Arbeit anzuführen, und daß es darauf ver­ zichtet hat, die Richtigkeit dieses Urteils durch Anführung einzelner Tatsachen darzutun, kann nicht als ein Fehlen von Gründen im Sinne des § 25 FrGG. angesehen werden.

u)

M. M.

Befreiungsbesugnis des Vaters. OLG. Cassel, II. ZS.

BGB. § 1852.

Urteil v. 17. Dezember 1906.

Der Erblasser hat 1903 seiner Witwe an seinem Nachlasse das lebens­

längliche, uneingeschränkte Nießbrauchs- und Verwaltungsrecht zugewandt, mit der Befugnis, „frei und ohne Zustimmung seiner eingesetzten vier Erben über die Substanz verfügen zu können, d. h. das Grundvermögen nach ihrem Er-

meffen zu verpfänden und unter ihr gutscheinenden Bedingungen zu verkaufen Hierdurch ist die Witwe als Vertreterin ihrer minderjährigen Tochter Anna für den Fall der Veräußerung oder einem oder mehreren Erben anzusetzen".

des Nachlaßgrundstücks von dem Erfordernis vormundschaftlicher Genehmigung Denn es ist nur von Befreiung von der Zustimmung der Erben die Rede, als welche für den Testator nicht nur die Anna I.,

nicht befreit worden.

sondern auch drei Kinder erster Ehe, anscheinend Volljährige, in Betracht kommen. Auch sind gerade für den Fall des Verkaufs der Witwe Ver­ pflichtungen hinsichtlich des Kaufgelds auferlegt, deren Überwachung durch das

Vormundschastsgericht

dessen Kenntnis

und

Einverständnis

mit dem

Aber auch selbst wenn eine solche Be­ freiung als ausgesprochen anzunehmen wäre, könnte sie als rechtsbeständig Veräußerungsvertrage voraussetzt.

nicht erachtet werden.

Die in Betracht kommenden §§ 1638, 1639, 1643 ff.,

1686, 1803, 1852 ff. lassen in ihrer Gesamtheit eine Befugnis des Vaters,

die Mutter von der Einholung der gerichtlichen Genehmigung zur Veräußerung

von Grundeigentum zu befreien, verneinen.

Sollte auch aus ß 1639 zu

folgern sein, daß ein Dritter bei Zuwendung an das Kind den Vater davon befreien könne, so würde die gleiche Befugnis des Vaters bei Zuwendung an die Mutter nicht daraus zu schließen sein.

Denn nach §§ 1687, 1690

unterliegt auch die befreite Mutter den Schranken der §§ 1821—1831, und diese erhalten bezüglich der Befreiungsbefugnis des Vaters ihre nähere Be­ stimmung durch die §§ 1852 ff., in welchen der Fall der Veräußerung von

Grundeigentum des Mündels nicht aufgeführt ist. v) Entlassung des Vormundes. OLG. Colmar, I. ZS.

Fs.

Beschwerde.

Beschluß v. 2. Januar 1907.

Der Oheim des Mündels hat bei dem Vormundschastsgericht in erster

Linie aus § 1886 die Entlassung des Vormundes, in zweiter Linie aus § 1838 die Unterbringung des bei dem Vormund befindlichen Mündels in

einer geeigneten anderen Familie, ferner die mündelsichere Anlage des Ver­ mögens des Mündels und Bestellung eines Gegenvormundes erfolglos be­

antragt.

Auf seine Beschwerde wurde die Entscheidung des Amtsgerichts

aufgehoben und die Sache zur besseren Aufklärung und anderweiten Entschei­

dung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die weitere Beschwerde des Vor­

mundes ist unzulässig, weil er zu ihrer Einlegung nicht legitimiert ist. Die Zurückweisung beruht darauf, daß die bisherigen Ermittlungen des Vormund­ schaftsgerichts nicht ausreichend seien, um eine sichere Grundlage für die

Beurteilung der Fragen zu bilden, ob Anlaß zur Entlassung des Vormundes gegeben (§ 1886) oder ob Maßnahmen im Sinne des § 1838 zu treffen seien. Der Beschwerdebeschluß enthält also keine materielle Entscheidung, sondern bezweckt nur, das Vormundschaftsgericht zur Vervollständigung seiner Er­

mittlungen und zur nochmaligen Prüfung auf Grund des neu gewonnenen Hierdurch ist ein Recht des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt (§ 20 FrGG.), noch ist das Interesse des Mündels ver­ Materials zu veranlassen.

letzt (§ 57® FrGG., Entsch. des RG. vom 20. November 1906 im „Recht" 1907 S. 67 Nr. 82, nebst den Zitaten). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern durch die Entscheidung des Landgerichts das Interesse des Mündels verletzt sein soll, und es wird dies auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Unter

diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob ihm überhaupt auf Grund

des 8 57® FrGG. ein Beschwerderecht zustand und für den Fall der Bejahung, ob das Beschwerdegericht befugt war, die Sache zur weiteren Aufklärung und

Entscheidung an die I. Instanz zurückzuverweisen (RIA. 7 S. 18ff.).

Frdthl.

w) Erzwingbarkeit und Beschaffenheit der Schlußrechnung.

«) Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 28. Juni 1906. Der zum Pfleger des Nachlasses der M. bestellte Beschwerdeführer A. hat ein Nachlaßverzeichnis eingereicht, die Erben ermittelt und auch einen Erbschein erwirkt.

Nachdem er auf Erfordern des Amtsgerichts eine Schluß­

rechnung eingereicht, wurde auf Antrag eines Beteiligten das Auseinander­ setzungsverfahren eingeleitet und die Vermittlung dem Notar N. übertragen.

Infolge der Erklärung der Miterben, den Teilungsplan nicht genehmigen

zu können, weil die darin für A. angesetzten Beträge nicht durch eine über­ sichtliche Rechnungsaufstellung desselben nachgewiesen seien, gab das Nachlaß­

gericht dem A. bei Ordnungsstrafe auf, eine „richtige, übersichtliche, klare und verständliche Aufstellung seiner Einnahmen und Ausgaben dem Notar N. zum gerichtlichen Teilungsverfahren einzureichen".

Die Beschwerde des A. wurde

zurückgewiesen, dagegen hatte seine weitere Beschwerde Erfolg.

Gründe:

Das Nachlaßgericht kann nach § 1960 für denjenigen, der Erbe wird, einen Pfleger bestellen.

Ist der Erbe ermittelt und hat er die Erbschaft an­

genommen, so hört die Sicherung des Nachlaffes auf und die Pflegschaft ist aufzuheben, weil der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist. Im übrigen finden die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften entsprechende An­

wendung. Der Nachlaßpfleger hat also nach Beendigung seines Amtes dem Erben das verwaltete Vermögen herauszugeben und über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen.

Diese Verpflichtung besteht dem Erben gegenüber;

der Anspruch auf ihre Erfüllung ist privatrechtlicher Natur und nötigenfalls

int Prozeßwege geltend zu machen (Jahrbuch 24 S. 23).

gegenüber

besteht

jedoch

eine

besondere

Verpflichtung

Dem Nachlaßgericht

des

Pflegers

zur

Rechnungslegung über seine Vermögensverwaltung (§§ 1890 Satz 2, 1840ff.).

Er hat die Rechnung über seine Verwaltung dem Gericht einzureichen, dieses

hat die Rechnung rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen und durch Ver­ handlung mit dem Nachlaßpfleger und den Erben die Abnahme der Rechnung

zu vermitteln. Diese Rechnungslegungspflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur und auch noch nach Beendigung der Nachlaßpflegschaft mit Ordnungsstrafen zu erzwingen. Vorliegend sind die Erben ermittelt und es ist ihnen ein Erbschein erteilt worden; sie müssen sonach die Erbschaft bereits angenommen haben. Demgemäß hätte das Nachlaßgericht die Pflegschaft längst aufheben müssen. Es ist deshalb auch verfehlt, wenn das Landgericht annimmt, daß

das Nachlaßgericht noch immer Sicherungsmaßregeln aus § 1960 zu treffen habe. Für Erben, welche die Erbschaft angenommen haben, hat im Falle eines Bedürfnisses (von der Ausnahme des § 88 FrGG. abgesehen) nicht der Nachlaß-, sondern der Vormundschaftsrichter zu sorgen. Soweit das Nachlaßgericht berechtigt ist, den Pfleger jetzt noch zur Rechnungslegung anzuhalten, kann dies nur auf Grund des § 1892 geschehen.

Das Nachlaßgericht ist aber danach keinesfalls befugt, ihm aufzugeben, daß

er einem mit der Vermittlung der Auseinandersetzung beauftragten Notar Rechnung lege.

Die aus dem Amte des Pflegers entspringende öffentlich-

rechtliche Pflicht zur Rechnungslegung (im Gegensatz zu der privatrechtlichen Rechenschaftspflicht gegenüber den Erben) besteht nur dem Nachlaßgericht

selbst gegenüber, und dieses kann sich auch der ihm vermöge seiner allge­ meinen Aufsichtspflicht obliegenden Aufgabe, die Rechnung rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen, nicht in der Weise entledigen, daß es die Prüfung

V.w.

einem Notar überläßt.

ß) Kammergericht, I ZS.

Beschluß v. 4. Oktober 1906.

10. Vormundschaft.

268

BGB. §§ 1892. 1960.

Nach § 1960 kann das Nachlaßgericht zur Sicherung des Nachlasses Sind dann die unmittelbaren Erben

insbesondere eine Pflegschaft einleiten.

des Erblassers ermittelt worden und haben sie die Erbschaft angenommen, so hört damit die Sorge deS Nachlaßgerichts für die Sicherung des Nachlasses

grundsätzlich auf, und tdie hierfür eingeleitete Nachlaßpflegschaft ist aufzuheben, weil der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist (§§ 1960, 1962, 1919;

RIA. 7 S. 31).

Dieser Fall kann auch mit der Erteilung eines Erbscheins

eintreten (§ 2357). Wenn nun auch die Pflegschaft als solche ihr Ende ge­ funden hat, so ist damit doch nicht auch die Tätigkeit des Nachlaßgerichts und des Pflegers schlechthin beendigt.

Allerdings erfuhren dadurch das Amt

des Pflegers und die Aufsichtsbefugniffe des Nachlaßgerichts eine durch­ greifende Änderung; sie hörten jedoch nicht sogleich vollständig auf; vielmehr dauerten sie der Natur der Sache nach insoweit fort, als es für die ord­ nungsmäßige Erledigung der anhängig gewesenen Pflegschaft noch erforderlich war. Die in dieser Beziehung bei Vormundschaften geltenden Grundsätze finden auch hier entsprechende Anwendung (§§ 1915, 1962).

Dem Pfleger liegt jetzt nicht mehr die Vertretung der Erben in bezug auf den Nachlaß und die Weiterführung seiner Verwaltung in der bisherigen Weise ob; viel­ mehr hat er den Erben nur noch das verwaltete Vermögen herauszugeben und ihnen darüber Rechenschaft zu legen (§§ 1890—1892), sowie möglicher­

weise einstweilen solche Geschäfte fortzuführen, mit deren Aufschub Gefahr verbunden ist (§§ 1893, 1682, 1683). Das Gericht hat dagegen noch das Recht und die Pflicht, die Schlußrechnung des Vormundes entgegenzunehmen,

sie zu prüfen und ihre Abnahme zu vermitteln (§ 1892), sowie eine Reihe sonstiger Erledigungsgeschäfte, z. B. Festsetzung der Vergütung des Pflegers, zu besorgen, welche auf die Lösung der durch die Pflegschaft hervorgerufenen Rechtsverhältnisse gerichtet sind (Rsp. 2 S. 263). Dazu gehört jedoch nicht mehr die unmittelbare Wahrnehmung der Privatrechte der Erben gegenüber dem Nachlaßpfleger, besonders nicht die Durchsetzung der Ansprüche der Erben

auf Herausgabe oder eine weitere Sicherung des Nachlaffes; vielmehr sind diese nunmehr lediglich von den Erben selbst zu betreiben (Jahrbuch 24

S. 23, 27).

In einem prinzipiellen Gegensatze zur Wahrnehmung der Erbenrechte rein privatrechtlicher Natur steht jedoch die Geltendmachung des An­ spruches auf Legung der Schlußrechnung des Pflegers an das Nach­

laßgericht, welche zwar auch im privaten Interesse der Erben liegt,

aber gleichzeitig einen öffentlichen Charakter trägt und deshalb von Amts wegen zu verfolgen ist, es sei denn, daß dem bisherigen Pfleger

von den Erben bereits außergerichtlich völlige Entlastung zuteil geworden ist (Jahrbuch 23 S. 13). Die Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Pflicht kann das Nachlaßgericht aber im Notfälle auch durch Ordnungsstrafen er­

zwingen. Das Aufsichtsrecht und die Ordnungsstrafbefugnis des Nachlaß(Vormundschafts-)gerichts aus § 1837 umfaßt die „gesamte Tätigkeit"

des Pflegers (Vormundes); es hat also mit Geboten und Verboten, Androhung und Verhängung von Ordnungsstrafen gegen ihn einzuschreiten nicht allein zur Erzwingung derjenigen Pflichten, welche ihm während des Laufes der Pflegschaft selbst obliegen, sondern auch wegen der Verbindlichkeiten

öffentlich-rechtlicher Natur, welche ihm für die Zeit nach ihrer Be­

endigung gegenüber dem Gerichte im Gesetze auferlegt sind.

Es würde

nicht richtig und zu formalistisch sein, wenn man dagegen geltend machen

wollte, „das Amt des Pflegers sei mit der Aufhebung der Pflegschaft be­

endigt, er sei jetzt nicht mehr Pfleger und könne somit auch als solcher nicht

mehr zur Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden" (Staudinger 6 zu § 1837, lb zu 8 1892).

Wenn das Gesetz dem Pfleger als solchem nach

jenem Zeitpunkte gegenüber dem Gerichte noch bestimmte Pflichten auserlegt und dem letzteren das Recht und die Pflicht gibt, die Erfüllung dieser Pflichten

von ihm zu beanspruchen, so ist offenbar auch diese spätere Tätigkeit als ein Teil der im § 1837 bezeichneten „gesamten Tätigkeit" des Pflegers auf­ zufassen; er wird dabei immer noch in der Eigenschaft als Pfleger tätig und untersteht somit insoweit auch dem allgemeinen Ordnungsstrafrechte des Nach­

laßgerichts. Es ist schlechterdings unerfindlich, weshalb für die Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten des Pflegers für die Zeit vor und nach der Beendigung der Pflegschaft in bezug auf diese Befugnis des Gerichts ein Unterschied gemacht werden sollte. Gibt das Gesetz dem Nachlaß­ richter das Recht und die Pflicht, vom Pfleger die Einreichung der Schluß­ rechnung zu verlangen, so kann es ihn nicht gleichzeitig zur Ohnmacht bei

der Erfüllung dieser seiner Amtspflicht verurteilen und ihm die notwendigen Mittel zur Durchsetzung dieses publizistischen Rechts unmöglich versagen.

Wenn noch geltend gemacht wird, daß es wenig Sinn habe, die Einrichtung eines vom Pfleger (Vormunde) als „Rechnung" bezeichneten Papiers an das Gericht zu erzwingen, während das weitere Verfahren vom guten Willen der Beteiligten abhänge (Staudinger lb zu 8 1892, Dernbürg 4 8 124°), so ist hierbei einmal verkannt, daß unter „Rechnung" im Sinne der 88 1890 bis 1892 selbstverständlich nicht ein wertloses Schriftstück mit der Überschrift „Rechnung" zu verstehen ist, sondern eine gehörige Rechnungslegung, welche den im Gesetze enthaltenen Anforderungen entspricht, und

ferner, daß eine solche ordnungsmäßige Rechnung eine wesentliche Grundlage für das weitere Abwicklungsverfahren des Nachlaßgerichts

bildet.

Mag die demnächstige Durchführung dieses Verfahrens auch zum

großen Teile vom guten Willen der Beteiligten abhängig sein, so ist es doch

zunächst die Ausgabe des Gerichts, sich und den Erben die zu seiner Inan­ griffnahme erforderlichen, im Gesetze vorgesehenen Unterlagen zu verschaffen, weil ohne sie selbst beim besten Willen der Beteiligten dieses gesetzlich vor­

geschriebene Verfahren nicht sachgemäß eingeleitet und durchgeführt werden kann.

Dazu gehört aber selbstverständlich in erster Reihe eine ordnungs­

mäßige Schlußrechnung des Pflegers, welche die hauptsächlichste Grundlage

270

10. Vormundschaft.

BGB. §§ 1892.1960.

für das vom Nachlaßgericht von Amts wegen zu betreibende Vermittlungs­ verfahren zwecks Abnahme der Schlußrechnung bildet. Die Erzwingung der Einreichung einer gehörigen Schlußrechnung hat also einen sehr guten Sinn, und sie ist von der allergrößten Bedeutung für die glatte Abwicklung des weiteren Verfahrens und für den Schuh der Erben gegen Schädigungen, der durch dieses Verfahren bezweckt wird (Prot. 4 S. 820). Für die vom Nachlaßgerichte an die Schlußrechnung zu stellenden An­ forderungen kommen die §§ 1890—1892 mit §§ 1840—1843 in Betracht, welche letzteren die allgemeinen Vorschriften für die Rechnungslegung des Pflegers (Vormundes) geben. Für die Stellung des Nachlaß-(Vormundschafts-) gerichts zur Schlußrechnung ist zu unterscheiden zwischen den formellen An­ forderungen, welche einen zwecks Rechnungslegung an das Gericht ein­ gereichten Sachbericht des Pflegers überhaupt erst zu einer Schlußrechnung, d. i. zu einer formell ordnungsmäßigen Schlußrechnung machen, und zwischen den materiellen Erfordernissen, durch welche eine Schlußrechnung zu einer sachlich richtigen Schlußrechnung wird, die allen privat­ rechtlichen Ansprüchen der beteiligten Erben gerecht wird. Entspricht die Schlußrechnung den formellen Anforderungen in wesentlichen Punkten nicht, so liegt in Wirklichkeit eine Schlußrechnung noch gar nicht vor, auch wenn sie vom Pfleger als solche gewollt und bezeichnet ist. Das Recht und die Pflicht des Nachlaßgerichts, die Einreichung einer solchen zu verlangen, umfaßt aber der Natur der Sache nach zugleich die Befugnis, an Stelle einer derartigen nur scheinbaren eine wirkliche Schlußrechnung (die möglicherweise auch durch eine entsprechende Vervollständigung der ersteren hergestellt werden kann) zu beanspruchen. Hat dagegen der Pfleger eine formell ordnungsmäßige Schlußrechnung an das Gericht eingereicht, so geben etwaige Beanstandungen ihrer materiellen Richtigkeit dem Nachlaß­ gerichte nicht die Berechtigung, ihre sachliche Richtigstellung vom Pfleger zu erzwingen. Die Erledigung der von ihm gezogenen sachlichen Er­ innerungen ist vielmehr nur Aufgabe seiner gütlichen Vermittlung und, so­ weit diese nicht gelingt, Prioatsache der beteiligten. Das erhellt zweifelsfrei aus der Gegenüberstellung des § 18431 und des § 18922, von denen der erstere die gewöhnliche Rechnung (Zwischenrechnung) und der letztere die Schlußrechnung regelt. Das Gericht hat danach zwar beide Rechnungen in der gleichen Weise rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen; dagegen hat es bei der Zwischenrech­ nung, soweit erforderlich, ihre Berichtigung und Ergänzung herbeizuführen, bei der Schlußrechnung aber nur ihre Abnahme durch Verhandlung mit den Beteiligten zu vermitteln. Während also das Gericht nach sachlicher Prü­ fung bei der ersteren ihre sachliche Richtigstellung und Ergänzung vom Pfleger verlangen und durchsetzen kann, steht ihm bei der letzteren (nach Beendigung der Pflegschaft) diese Befugnis nicht mehr zu; vielmehr hat es nur noch zu versuchen, durch seine Vermittlung gütlich auf ihre Beseitigung hinzuwirken und, wenn dies ihm nicht gelingt, ihre weitere Verfolgung den Erben selbst

zu überlassen.

Das schließt freilich nicht aus, daß das Nachlaßgericht auch

schon vor Einleitung des eigentlichen Vermittlungsverfahrens zwischen Pfleger

und Erben die Erledigung der von ihm gegen seine Schlußrechnung gezogenen

materiellen Erinnerungen bei dem Pfleger anregt....

Wenn daher der Pfleger

die Erledigung einer ihm mitgeteilten sachlichen Erinnerung weigert, so bleibt

dem Nachlaßgericht nichts weiter übrig, als die Erben auf die zwischen ihm

und dem Pfleger bestehende materielle Meinungsverschiedenheit hinzuweisen, im übrigen aber den Erben anheimzustellen, sich dieserhalb mit dem Pfleger selbst abzufinden.

Dieses Verfahren hat für die Erben immerhin den Vor­

teil, daß sie dadurch über etwaige Bedenken gegen die Verwaltungstätigkeit und die sich daraus ergebenden materiellen Streitpunkte aufgeklärt werden und so eine klare, feste Grundlage für einen von ihnen vielleicht gegen den Pfleger anzustrengenden Prozeß gewinnen....

Welche Anforderungen im einzelnen an eine formell ordnungsmäßige

Schlußrechnung zu stellen sind, ergibt deren Zweck, als Unterlage für die Verhandlungen mit den Beteiligten zu dienen (§ 18922).

Deshalb muß grund­

sätzlich aus der Schlußrechnung hervorgehen, wer zur Zeit der Legung der

Schlußrechnung die Beteiligten sind (falls dies nicht bereits bei den Akten bekannt ist), und dazu ist je nach der konkreten Sachlage auch die genaue Angabe der derzeitigen Personalien und Adressen der Betreffenden nötig. Allerdings wird das Gericht dabei nicht weiter gehen dürfen, als es der Auffassung des gewöhnlichen Geschäftslebens entspricht. Außerordentliche An­

strengungen wird es danach behufs genauer Bezeichnung der Beteiligten nicht fordern können.

Es kann namentlich der Fall vorkommen, daß im maßgeb­

lichen Zeitpunkte der Aufenthalt eines Erben (im gesetzlichen Sinne) unbekannt

ist, oder daß beteiligte Erbeserben als solche oder dem Aufenthalte nach unbekannt sind.

Ihre Ermittlung wird dem bisherigen Pfleger grundsätzlich

nicht zugemutet werden können, weil sie außerhalb des Rahmens der von ihm aus § 1960 geführten Pflegschaft liegt; vielmehr wird regelmäßig eine be­ sondere gerichtliche Fürsorge durch Einleitung einer neuen Wegschaft aus erforderlich sein. Immerhin wird aber das Nachlaßgericht zum mindesten eine Klarlegung verlangen können, daß einer der Fälle vorliegt, in welchem der Pfleger selbst die Beteiligten nicht zu er­ §§ 1911, 1913 oder 1960

mitteln braucht und die Beschaffung einer anderweitigen gesetzlichen Vertretung geboten erscheint.

Sache des Gerichts wird dann sein, an zuständiger Stelle

die Einleitung einer entsprechenden Pflegschaft anzuregen, damit es den neu

bestellten Pfleger zu dem von ihm zu betreibenden Vermittlungsverfahren zu­ zuziehen vermag. Besonders umfangreiche Ermittlungen, welche das im Geschäftsleben übliche Maß überschreiten, wird es indes auch zu diesem Zwecke vom Pfleger nicht beanspruchen dürfen. Aus § 1890 geht ferner hervor, daß die Schlußrechnung zeitlich die ganze Vermögensverwaltung des Pflegers umfassen muß; eine bloße Nachtrags­

rechnung reicht also nicht aus (Planck, Staudinger zu § 1890).

Soweit

der Pfleger dem Nachlaßgerichte bereits Rechnung gelegt hat, genügt aller­ dings die Bezugnahme auf ältere Rechnungen..(§ 1890 Satz 2).

Eine solche

muß jedoch in klarer Weise bestimmte Rechnungen oder Teile von solchen

bezeichnen und so gewissermaßen zum Bestandteil der Schlußrechnung machen. Soweit frühere Erinnerungen und deren Erledigung eine Änderung der älteren Rechnungen herbeigesührt haben, wird dies klarzustellen sein.

Welche

Anforderungen dabei im einzelnen zu stellen sind, damit eine formell ordnungs­

mäßige Gesamtschlußrechnung gelegt ist, muß nach der besonderen Lage des

einzelnen Falles beurteilt werden.

Den richtigen Maßstab gibt hierfür der

Gesichtspunkt, daß die Rechnungslegung eine klare und gemeinverständliche

sein muß, so daß die Erben sich aus ihr ein ausreichendes Bild von der

durch den Pfleger

geführten Vermögensverwaltung machen können.

Den

gleichen Maßstab wird man auch bei der Erfüllung des § 18411 durch die

Schlußrechnung anlegen müssen, nach welchem die Rechnung eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über den Abund Zugang des Vermögens Auskunft geben und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, mit solchen versehen sein soll. Wird also im Interesse der Klarheit und Gemeinverständlichkeit in dieser Beziehung eine Aufklärung oder

Vervollständigung der Rechnungslegung vom Gerichte verlangt, so geht das

an sich nicht über den Rahmen der Erzielung einer formell ordnungsmäßigen

Schlußrechnung hinaus; jedoch kann die Sache im einzelnen Falle anders liegen; die Grenze zwischen formeller Ordnungsmäßigkeit und materieller Richtigkeit wird hier nicht immer leicht zu ziehen sein, so daß das Nachlaß­

gericht insofern mit seinen Strafandrohungen vorsichtig sein muß. Wenn insbesondere der Pfleger sich zur Beibringung bestimmter Belege nicht für verpflichtet erachtet, weil sie nicht erteilt zu werden pflegten, so wird ihre

Nachforderung füglich den Erben zu überlassen sein. Auf jeden Fall werden auch zu allgemeine diesbezügliche Strafandrohungen tunlichst zu vermeiden

sein, weil sich sonst bei ihrer Durchführung Schwierigkeiten ergeben werden. Die Einhaltung einer bestimmten rein äußeren Form (Aufstellung auf be­ sonderen Bogen rc) bei Legung der Schlußrechnung kann von dem Nachlaß­

gericht nicht unter Strafandrohung verlangt werden, da das Gesetz dafür keinen Anhalt gibt. V.w.

x) Vorläufige Vormundschaft. Kammergericht, I. ZS.

Awangsmatzregeln. Beschluß v. 12. Juli 1906.

Die weitere Beschwerde, die übrigens keine sofortige ist, ist unbegründet. A., gegen den die Entmündigung wegen Verschwendung beantragt worden, ist unter vorläufige Vormundschaft gestellt worden, weil das Vormundschafts­ gericht es zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung seines Vermögens

für erforderlich erachtete.

Diese Verfügung ist wirksam geworden und hat

die Folge, daß A. in Ansehung der Geschäftsfähigkeit einem Minderjährigen

gleichsteht.

Im übrigen finden die für die Vormundschaft über Volljährige

überhaupt geltenden §§ 1896—1905 Anwendung. Eine derartige Bestimmung

10. Pflegschaft.

BGB. § 1909.

273

ist zwar im BGB. nicht enthalten, sie fand sich aber in I § 17374 und ist von der Redaktionskommission als selbstverständlich gestrichen worden. Selbst­

verständlich ist sie deshalb, weil die vorläufige Vormundschaft ihrem Grunde nach eine wirkliche Vormundschaft über Volljährige ist und sich von dieser nur durch ihren vorübergehenden Zweck unterscheidet.

Nach § 1901 hat nun der Vormund für die Person des volljährigen Mündels nur insoweit zu

sorgen, als der Zweck der Vormundschaft es erfordert, also außer der gesetz­ lichen Vertretung die zur Pflege, Heilung, Beaufsichtigung und Sicherung des Mündels nötigen Maßnahmen zu treffen. Dies gilt auch für die Vormundschaft über einen Verschwender, dessen Vormund nicht nur die Sorge für das Ver­

mögen, sondern auch für die Person des Mündels in dem genannten Umfange zusteht. Zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen ist die Anwendung von Zwangsmaßregeln durch den Vormund nicht ausgeschlossen, wenn aus andere Weise eine Durchführung nicht zu ermöglichen ist (Motive 4 S. 1238).

Hiervon ausgehend ist an sich zulässig, daß der Vormund eines Volljährigen, dessen Entmündigung wegen Verschwendung beantragt ist, den Mündel zum

Zwecke der Heilung oder auch der Vorbeugung einer zu befürchtenden geistigen

Erkrankung in eine geeignete Anstalt unterbringt und Zwangsmaßregeln zur

Durchführung der Unterbringung anwendet, und es kann auch einem Bedenken nicht unterliegen, daß das Vormundschaftsgericht den Vormund zu diesen Maß­ nahmen ermächtigt. Ob diese Maßnahmen erforderlich sind, ist eine Tatfrage. Um eine Unterbringung wegen bereits vorhandener Geisteskrankheit handelt es sich nicht, sondern nur zur Verhütung drohender Geisteskrankheit. Ihr steht der § 356 ZPO. nicht entgegen, der nur von der Beobachtung des Geisteszustandes handelt. Die Länge des Aufenthaltes im Sanatorium wird davon abhängen, wann sein Zweck erreicht sein wird. Wie die Zwangs­ maßregeln demnächst von dem zur Anwendung solcher ermächtigten Vormunde ausgeführt worden find, kann vielleicht Gegenstand einer besonderen Be­ schwerde über den Vormund sein....

y) Voraussetzungen der Pflegschaft.

Or. H.g.

Beschwerde.

a) Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 7. Februar 1907. Der 1906 verstorbene A. hat im Testamente seine zweite Frau zur Erbin eingesetzt, seine von ihr geborene Tochter aber übergangen. Dieser hat das Vormundschaftsgericht einen Pfleger bestellt zwecks Wahrnehmung ihrer Rechte am Nachlaß ihres Vaters, besonders zwecks Prüfung seines Testaments. Die Witwe hat hierüber Beschwerde und gegen den diese zurückweisenden Be­

schluß weitere Beschwerde eingelegt, welche begründet ist.

Das Kind kann nach § 2303 von seiner Mutter, unter deren elterlichen

Gewalt es nach § 1684 steht, als der Erbin ihres Vaters den Pflichtteil

verlangen.

Die Vorinstanzen verkennen nicht, daß die Stellung dieses Ver­

langens keine Pflicht, sondern nur ein Recht des Kindes ist, und daß es deshalb zunächst der Prüfung bedarf, ob ein Anlaß zur Stellung des Ver­

langens vorliegt. OLGRsp. XIV.

Sie meinen aber, daß die Mutter an dieser Prüfung kraft 18

Gesetzes verhindert ist und daß deshalb die Voraussetzungen des § 1909 vor­ liegen. Dies ist rechtsirrtümlich, wie bezüglich des ähnlichen Falles des Bestehens eines Unterhaltsanspruches des Kindes gegen den Gewalthaber im

Jahrbuche 31 S. 10 ausgeführt ist.

Die Entscheidung, ob der Anspruch des

Kindes geltend gemacht werden soll, ist kein Teil des Rechtsstreits, in dem

das Kind nach prozessualen Grundsätzen nicht durch seinen Gegner vertreten werden kann.

Es ist auch kein Rechtsgeschäft des Kindes mit seinem Ver­

treter und Schuldner, an dessen Vornahme dieser nach § 181 verhindert wäre.

Es ist nur eine Angelegenheit, in der das Interesse des Kindes zu dem der Mutter möglicherweise in erheblichem Gegensatz steht.

Solcher Gegensatz schließt die Vertretung des Kindes durch die Mutter nicht von selbst aus. Er kann nur nach §§ 1796, 1686 und 16302 Satz 2 dem Vormundschafts­ gericht Veranlassung geben, der Mutter die Vertretung in dieser Angelegen­

heit zu entziehen, nachdem sie gemäß §§ 1686, 1673 angehört ist. Dies ist bisher nicht geschehen. Die Entziehung ist zwar indirekt dadurch erfolgt,

daß dem Kinde ein Pfleger bestellt ist (vgl. §§ 1686 und 1628). Allein die nach § 1796 vorzunehmende Prüfung unterblieb. Bei der erneuten Erörterung wird das Vormundschaftsgericht zunächst die Mutter und nach § 16732, soweit es ohne erhebliche Verzögemng und unverhältnismäßige Kosten geschehen kann. Verwandte und Verschwägerte des Kindes zu hören haben. Dabei wird wohl anzuerkennen sein, daß die Mutter ein Interesse an der Mchtforderung deS Pflichtteils, und daß, wenn das Kind ein Interesse an der Geltendmachung der Forderung hat, und wenn die Mutter ihre Verbindlichkeit nicht erfüllt, woran sie durch § 181 a. E. nicht gehindert ist, ein erheblicher Gegensatz der Interessen besteht; daß aber

das Kind ein Interesse an der Geltendmachung der Forderung hat, bedarf besonderer Begründung, die sich aus der allgemeinen wirtschaftlichen Erwägung, daß jeder, dem eine Geldforderung zusteht, ein Interesse daran hat, das Geld zu erhalten, nicht entnommen werden kann. Denn der Anspruch des Kindes gegen die Mutter, von der es erzogen und verpflegt wird, läßt sich nicht allein nach diesem, die Rechtsverhältnisse zwischen fremden Personen

beherrschenden Gesichtspunkte beurteilen.

Bei normalen Verhältnissen erhält

das Kind durch die Pflege der Mutter auf deren Kosten und durch die spätere

Beerbung der Mutter wirtschaftliche Vorteile, die dem Vorteil der Erlangung

des Pflichtteilskapitals an Wert nicht nachstehen.

Es genießt dadurch, daß

die Mutter ihm diese Vermögensvorteile freiwillig aus mütterlicher Liebe

zuwendet, einen ethischen Gewinn, der beeinträchtigt werden kann, wenn es im Widerspruch mit dem letzten Willen des Vaters die Mutter zwingt, ihm ein Kapital auszuzahlen und sich dadurch auf einen formellen Rechtsstand­ punkt zu stellen, wie ihn Fremde gegeneinander einnehmen. Auch rein wirtschaftlich können bei normalen Verhältnissen die dem Kinde durch die

Auszahlung des Kapttals erwachsenden Vorteile geringer sein als die Vor­ teile, die es haben würde, wenn das Vermögen ohne Abzug als Grundlage

für die Fortsetzung des gemeinschaftlichen Haushalts in der Hand der Mutter bleibt und dann später im Wege der Erbfolge oder Ausstattung auf das Kind übergeht. Auf diesen Gesichtspunkten beruht die weit verbreitete Volkssitte, nach der Ehegatten zugunsten des Überlebenden von ihnen Testa­

mente errichten, durch welche das gesetzliche Pftichtteilsrecht der Kinder ver­ letzt wird, sei es durch völlige Übergehung, sei es durch Einsetzung zu Nacherben. Das Gesetz selbst hat in § 2269 diese Sitte als bestehend und be­ rechtigt anerkannt, indem es gemeinschaftliche Testamente, in welchen Eheleute sich gegenseitig zu Erben einsetzen und bestimmen, daß der beiderseitige Nach­ laß nach dem Tode des Überlebenden an einen Dritten fallen solle, im

Zweifel dahin ausgelegt wissen will, daß der Dritte nur Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten sei.

Es wird also wesentlich darauf ankommen, ob

die Mutter das durch das Testament des Vaters in sie gesetzte Vertrauen nach Charakter, Lebens- und Wirtschaftsführung verdient oder ob Besorgnis besteht, daß die etwa später z. B. bei einer Wiederoerheiratung der Mutter

angezeigte Erhebung und Verwirklichung des Pflichtteilsanspruchs gefährdet

sein würde, wenn er nicht schon jetzt erhoben wird. Aus der kurzen Ver­ jährungsfrist des § 2332 folgt solche Besorgnis übrigens nicht, da die Ver­ jährung der Ansprüche zwischen Eltern und Kindern während der Minder­ jährigkett der Kinder nach § 204 gehemmt ist. Dr. H.g. ß) Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 11. Oktober 1906. Die Eheleute A. haben notariell ihr Grundstück ihrem 19 jährigen Sohne Felix zu bestimmten Bedingungen zum Kaufe angeboten; die Übergabe und

Auflassung sollte nach der Annahmeerklärung des noch für Felix zu bestellen­ den Pflegers erfolgen. Bevor jedoch ein Pfleger verpflichtet werden konnte, starb der Mann A., worauf die Einleitung einer Pflegschaft abgelehnt wurde. Die weitere Beschwerde der Witwe ist begründet. Voraussetzung für die Bestellung eines Pflegers ist nach § 1909, daß

eine Angelegenheit vorliegt, an deren Besorgung der Gewalthaber verhindert

ist. Nur ob diese Voraussetzung vorliegt, hat das Vormundschaftsgericht zu prüfen, nicht aber auch, ob die Besorgung der Angelegenheit für den Mündel zu einem günstigen oder ungünstigen Ergebnisse führen wird.

Vorliegend soll

nur ein Pfleger bestellt werden zur Wahrnehmung der Rechte des Felix, welche ihm aus dem von seinen Eltern gemachten Kaufangebot erwachsen. An der Besorgung dieser Angelegenheit ist seine Mutter, der nach dem Tode des Vaters die elterliche Gewalt zusteht, verhindert. Damit ist die Voraus­

setzung gegeben, wenn nicht etwa inzwischen ein Vormund bestellt ist, und dieser in der Lage wäre, die Rechte des Felix wahrzunehmen.

Eine Prüfung

und Entscheidung der Frage, ob der Pfleger das von den Eltern gemachte Kaufangebot mit rechtlicher Wirkung anzunehmen vermag, steht dem Vormund­ schaftsgericht in diesem Stadium der Angelegenheit nicht zu.

Dr. H.g.

/) Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 21. Dezember 1906. Auf dem Grundstück der Witwe A. standen für ihre drei volljährigen 18*

und ihre fünf minderjährigen Kinder 8000 Mark gleichanteilig eingetragen. Die Witwe verkaufte das Grundstück, ohne es jedoch aufzulafsen, ihrem ältesten

Sohne Jakob, der davon eine Parzelle pfandfrei an 36. verkaufte.

Es war

in Aussicht genommen, daß die drei volljährigen Geschwister ihre Anteile an der Hypothek löschen lassen, die minderjährigen Geschwister dagegen die Par­ zelle aus der Mithaft entlassen sollten.

Zu diesem Zwecke beantragten die

Beteiligten wegen der kollidierenden Interessen die Bestellung eines Pflegers. Der Antrag wurde jedoch zurückgewiesen. Die weitere, vom Notar namens der Witwe, des Jakob A. und des 36. eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Gründe: Das AG. hat die Einleitung einer Pflegschaft ohne jede sachliche Prüfung

ihrer Notwendigkeit lediglich aus dem formellen Grunde abgelehnt, weil es nur auf den (bisher unterbliebenen) Antrag der Mutter A. zur Bestellung

eines Pflegers berechtigt sei.

Allein das Verlangen eines solchen Antrags

entspricht nicht der Stellung des Vormundschaftsgerichts und seiner öffentlichrechtlichen Verbindlichkeit, seine Fürsorge allen denjenigen, welche ihrer be­ dürfen, im öffentlichen Jntereffe angedeihen zu lassen.

Die Anordnung einer

Pflegschaft oder Vormundschaft hat grundsätzlich von Amts wegen zu ge­

schehen (§§ 1773, 1915; Jahrbuch 28 S. 12; Josef 2 zu § 57 FrGG.).

Es ist Amtspflicht des zuständigen Gerichts, in jedem Falle, wo das Be­ dürfnis zu seiner Kenntnis gelangt, einen Pfleger zu bestellen, gleichviel ob es von irgendwelcher Seite beantragt ist. Ferner hat der Vormundschafts­ richter, sobald ihm ausreichende Anhaltspunkte dafür bekannt werden, daß möglicherweise ein solches Bedürfnis vorhanden ist, von Amts wegen auch die zu dessen Klarstellung erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten (§12

FrGG.), wozu auch die Anhörung der Mutter gehören wird.

Auf diese

Offizialtätigkeit des Vormundschaftsgerichts kann aber auch jeder Nichtbe­ teiligte durch Mitteilungen in Form der Stellung eines Antrags auf Ein­ leitung einer Pflegschaft hinwirken, gleichviel aus welchen Beweggründen dies geschieht. . . . Von dieser Befugnis zur Anregung, welche jeder hat, ist jedoch das

Recht zur Beschwerde über die Ablehnung der Pflegschaft zu unterscheiden. Ein solches Recht steht nur demjenigen zu, dem es im Gesetze besonders ver­ liehen worden ist.

Der Fall des § 20 FrGG., welcher die unmittelbare Be­

einträchtigung verlangt, liegt hier unbedenklich bei keinem der Beschwerde­ führer vor.

Ein Recht auf Einleitung einer Pflegschaft hat regelmäßig nur

der Pflegling selbst, damit ihm die vom Gesetze vorgesehene vormundschafts­ gerichtliche Fürsorge zuteil werde. Insbesondere kann auch nicht von einem bezüglichen eigenen Rechte des die Sache im Interesse Dritter betreibenden

Notars die Rede sein.

Es gibt wohl Fälle, wo der Notar kraft seiner öffent­

lich-behördlichen Eigenschaft wegen Ablehnung eines von ihm gestellten An­

trags aus eigenem Rechte zur Beschwerde berechtigt ist (Jahrbuch 23 S. 195). Solcher Fall liegt nicht vor.

Dagegen kommt § 57 Nr. 3 FrGG. in Betracht.

10. Pflegschaft.

BGB. 8 1906.

277

Was daselbst unter „rechtlichem Interesse" zu verstehen ist, wird weder vom Gesetze gesagt, noch äußern sich die Materialien darüber.

Muß man

daher auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgehen, so ist „rechtlich" nur

das, was sich auf Rechtsverhältnisse bezieht, was also die durch eine Rechts­

norm geregelten Verhältnisse einer Person zu anderen Personen (Personen­ kreisen)

oder

zu Sachen

zum

Gegenstände

hat (Grimm, Wörterbuch 8

Sp. 419; Schultzenstein in Busch Zeitschr. 25 S. 223; Jahrbuch 25 S. 8).

Es scheiden also alle anders gearteten Verhältnisse des Beschwerdeführers aus, also alle diejenigen Beziehungen des letzteren zu einer Person oder Sache, welche der Regelung durch Rechtsnormen entbehren. Das gilt aber für weite Gebiete unserer gesellschaftlichen Verhältnisse; so namentlich für die bloß menschlichen, für die allein auf sittlicher Grundlage beruhenden und für die

rein wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers; für solche Verhältnisse, die ihn lediglich innerlich, auf dem Gebiete der Affektion, oder nur tatsäch­ lich berühren, ohne daß ein bestimmtes Rechtsverhältnis dabei in Mitleiden­ schaft gezogen wird.

Hierin liegt der entscheidende Gegensatz zwischen dem

„rechtlichen Interesse" der Nr. 3 und dem „berechtigten Interesse" der Nr. 9 des § 57. Das letztere geht weiter als das erstere und umfaßt auch alle jene Interessen allgemeiner Art, welche ihre Stütze nicht in einer besonderen

Rechtsnorm finden. Das „rechtliche Interesse" muß dagegen stets einen im Rechte beruhenden Vorteil oder Nachteil des Beschwerdeführers zum Gegen­ stände haben. Seine Rechtssphäre muß durch die Ablehnung oder Erlassung einer gerichtlichen Entscheidung unmittelbar berührt werden (vgl. noch Jahr­ buch 28 S. 10; Birkenbihl 22, Weißler 2a zu § 57 FrGG.). Dieser Fall ist aber sür gegeben zu erachten, wenn der Eigentümer eines

Grundstücks mit einem auf diesem eingetragenen minderjährigen Hypothekar-

aus einem bestimmten Anlaß (welcher der Natur der Sache nach regelmäßig auf wirtschaftlichem Gebiete liegen wird) in bezug auf dessen Hypothek in rechtsgeschäftliche Verhandlungen treten will, das aber deshalb nicht kann,

weil dessen gesetzlicher Vertreter an der Besorgung der fraglichen Angelegen­ heit verhindert ist. Es kann sich hierbei beispielsweise um die Kündigung, um die beabsichtigte Änderung der Verzinsungs- und Zahlungsbedingungen und namentlich auch um die gewünschte Entpfändung einzelner Grundstücks­

Einerseits steht hier der Eigentümer als Hypothekenschuldner in einem bestimmten, gesetzlich geregelten Rechtsverhältnis zum Hypothekar,

teile handeln.

anderseits hat er einen rechtlichen Anspruch darauf, daß er wegen deffen Auf­ hebung oder Abänderung mit seinem Gläubiger in solche geschäftliche Unter­ handlungen treten kann.

Die Eröffnung dieser Möglichkeit für den Eigen­

tümer für den Fall, daß sie fehlt, ist auch ein allgemeines Erfordernis der

Rechtsordnung. Die Schaffung oder Verweigerung der seinem Hypothekar fehlenden geschlichen Vertretung ist daher für seine Rechtssphäre von un­

mittelbarer Bedeutung; er hat ein „rechtliches Jntereffe" daran.

Vorliegend

fehlte es für die Entpfändung der aboerkauften Parzelle an einer gesetzlichen

Vertretung der fünf minderjährigen Geschwister, weil ihrer Vertretung durch ihre Mutter und Gewalthaberin in dieser Angelegenheit die §§ 1795, 181 oder

auch § 1796 entgegenstanden. Die Witwe hatte sonach in ihrer Eigenschaft als Grundstückseigentümerin ein „rechtliches Interesse" an der Änderung der

Verfügung, durch welche das AG. die Einleitung der gewünschten Pfleg­ Auch der Besitzer Jakob A. hätte nach erlangter Auflaffung diesen Umstand mit Erfolg zur Begründung seines Beschwerderechts geltend machen können. Anders liegt

schaft abgelehnt hatte, und somit auch ein Beschwerderecht.

die Sache bei dem bloßen Käufer eines Grundstücks, welcher dessen Auf­ lassung noch nicht erlangt hat. Solange diese noch nicht erfolgt ist, steht er an sich in keinen unmittelbaren rechtlichen Beziehungen zu dem darauf ein­ getragenen Hypothekar, sondern lediglich zu seinem Verkäufer. Er hat wohl ein berechtigtes (rein wirtschaftliches) Interesse an der Bestellung eines gesetz­ lichen Vertreters für den minderjährigen Hypothekar, damit er mit diesem wegen der beabsichtigten Entpfändung verhandeln kann, es fehlt jedoch an einer Rechtsnorm, durch welche ein Rechtsverhältnis zwischen ihnen geregelt

Er muß sich an seinen Veräußerer halten und diesen veranlassen, in seinem Jntereffe die erforder­

wird, und damit auch ein „rechtliches Jntereffe".

lichen Schritte zu tun. Da es sich hier ferner um eine Pflegschaft aus § 1909 handelt, so sind

auch die Verwandten der Minderjährigen beschwerdeberechtigt, also ihre Mutter und ihr Bruder Jakob. Ihre Beschwerde ist also zulässig, doch be­

darf es noch des Eingehens auf die Vollmachtsfrage. Grundsätzlich hat auch der Notar sich als Bevollmächtigter der Beteiligten durch Einreichung einer Vollmacht auszuweisen. Nur in den gesetzlich bestimmten Fällen (z. B. §§ 71, 100, 124, 129, 159, 161 FrGG.; § 15 GrBO.) gilt er ohne weiteres als ermächtigt, namens der Beteiligten, deren Anträge er beurkundet hat, die diesen entsprechenden Anträge bei Gericht zu stellen (RIA. 4 S. 135;

Josef, Birkenbihl zu § 13 FrGG.; Schöffer im „Recht" 1901 S. 586).

Ein solcher besonderer Fall liegt aber hier bei der Erledigung einer Grund­ buchsache in bezug auf die damit zusammenhängende Einleitung einer Pfleg­ schaft nicht vor. Weiter ist es auch nicht rechtsirrtümlich, wenn die Vorinstanzen die für die Witwe eingereichte Vollmacht beanstandeten. Es ist zunächst die Ansicht der Beschwerde abzulehnen, daß § 13 FrGG. sich nur auf ein Verhandeln

und Erscheinen vor Gericht beziehe.

Der Satz 3 enthält eine allgemeine

Vorschrift, welche nicht nur jenen Fall trifft, sondern auch schriftliche Ver­ handlungen und Anträge bei Gericht. Über die Notwendigkeit der Ein­

reichung einer Vollmacht fehlt es im FrGG. an einer Bestimmung, nach der der Bevollmächtigte eines Beteiligten bei der Anbringung eines Antrags oder einer Beschwerde von vornherein oder allgemein eine urkundliche Vollmacht beizubringen hat; vielmehr gibt der § 13 dem Gericht (ebenso wie den Be­

teiligten) nur die Befugnis, von demjenigen, der für einen anderen Anträge

10. Pflegschaft.

BGB. § 1909.

279

stellt, zwecks Nachweises seiner Bevollmächtigung die Einreichung einer öffent­

lich beglaubigten Vollmacht zu fordern.

Entsprechend dem Zwecke, dem die

Anordnung des Gerichts dienen soll, ist aber diese Befugnis nicht einseitig dahin aufzufassen, daß das Gericht gerade nur die Einreichung einer gericht­ lich oder notariell beglaubigten Vollmacht verlangen dürfe; vielmehr ist damit bloß das Höchstmaß der Anforderungen bezeichnet, so daß es ihm freisteht, sich mit einem einfacheren Nachweis zu begnügen.

Hiernach umfaßt diese

weitergehende Befugnis des Gerichts auch das Recht, bloß privatschriftliche Vollmacht zu verlangen, wenn es eine solche für ausreichend hält (Jahrbuch 24 S. 150; Rsp. 4 S. 100).

Es kann aber in seinen Anforderungen noch

weiter herabgehen und dem Vertreter andere Beweismittel für die Voll­ machtserteilung Nachlassen. Schließlich ist dem Gericht auch unbenommen, trotz des Fehlens einer urkundlichen Vollmacht von jedem besonderen Nach­ weis einer Vollmachterteilung äbzusehen, wenn es eine solche aus den vor­

liegenden Umständen entnimmt, so z. B., wenn ihm die in den Schriftsätzen gezeigte genaue Kenntnis der Verhältnisse des Antragstellers in Anbetracht der Persönlichkeit des Vertreters in dieser Beziehung eine genügende Gewähr bietet (Josef 6 zu 8 13; Rsp. 4 S. 412). Wie weit die Jnstanzgerichte im

einzelnen Falle innerhalb des hiernach gegebenen Rahmens gehen wollen, ist Sache ihres freien Ermessens, welches sich auf tatsächlichem Gebiete bewegt. Vorliegend ist die Witwe schreibensunkundig; schon im Falle des Verlangens einer gewöhnlichen schriftlichen Vollmacht bedurfte es also ihres gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens. Das AG. ist unter diese übliche, gewissermaßen normale Anforderung noch herabgegangen, wenn es erklärte, daß es sich mit der Beglaubigung durch den Gemeindevorsteher begnügen wolle.

Da sich der Notar dessen geweigert hat, so konnte ihm für dieses

Verfahren die Stellung eines Bevollmächtigten der Witwe nicht eingeräumt werden, vielmehr waren deren Anträge wegen fehlender Legitimation ihres Vertreters zurückzuweisen (Jahrbuch 24 S. 150; Rsp. 4 S. 100). Bezüglich

des Jakob A. haben dagegen die Vorinstanzen die Bevollmächtigung des Notars nicht angezweifelt und ihn somit stillschweigend als Bevollmächtigten anerkannt. Danach ist aber die Beschwerde des Jakob zulässig. Sie ist auch sachlich begründet, da das Vormundschaftsgericht über seine Anregung zur Einleitung einer Pflegschaft für seine Geschwister materiell hätte befinden

Dr. H.g.

müssen.

ö) Ansetzung der Gebühren für Pflegschaft. OLG. Karlsruhe, IV. ZS.

Beschluß v. 19. Mai 1906.

Nach § 213 bad. RPKostenG., welcher aus die Pflegschaft entsprechend anzuwenden ist, werden die Gebühren „während der Dauer der Vormund­ schaft erhoben, wenn und soweit sie aus den nach Bestreitung des Unterhalts und der Erziehung der Mündel etwa übrig bleibenden Überschüssen der Ein­

künfte ihres Vermögens gedeckt werden können*.

Hiernach und im Hinblick

auf Abs. 1 und 2 des § 21, wonach die Gebühren von dem Vermögen des

11. Erbrecht.

280

BGB. § 1945.

Mündels zu erheben sind, sind also die Mündel Schuldner der Gebühren und dürfen letztere während der Vormundschaft nur aus den Überschüssen

der Einkünfte ihres Vermögens erhoben werden. Vorliegend beziehen aber

die Kinder der Frau M. aus ihrem unter Pflegschaft nach § 1909 stehenden Vermögen überhaupt keine Einkünfte, weil ihnen nach der letztwilligen Ver­ fügung nur das nackte Eigentum, der Meßbrauch aber ihrer Mutter zusteht. Diese aber schuldet die Gebühren nicht, und zwar auch nicht aus den Einkünften ihres Nießbrauchrechts.

Während das bad. RPKG. den 8 21aus § 10

Nr. 2 preuß. GKG. entlehnt hat, hat es die Nr. 3 das. nicht ausgenommen, wonach dann, wenn infolge einer letztwilligen Verfügung einem Dritten der Nießbrauch an dem Vermögen der Mündel zusteht, das Vormundschaftsgericht nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, ob und in welcher Höhe ein Teil des Ertrages des Vermögens als Überschuß im Sinne der Nr. 2 anzusehen. Diese

Vorschrift will aber nicht etwa den Nießbraucher überhaupt für die Gebühren haftbar machen, sondern nur die Art seiner Haftbarkeit in Übereinstimmung mit § 10 Nr. 2 bringen, wenn der Nießbraucher nach dem BGB. § 1086

für die Gebühren haftbar gemacht werden kann; vgl. Mügel, preuß. GKG. § 10 Nr. 7 Abs. 2 und 3, welcher in weiter Auslegung dieses Paragraphen, wonach die Gläubiger des Bestellers des Meßbrauchs insoweit, als ihre

Forderungen vor der Bestellung entstanden sind, ohne Rücksicht auf den Nießbrauch Befriedigung aus den dem Meßbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen können, den Nießbraucher auch für die erst später fällig werdenden Gebühren als haftbar erklärt, sofern nur die Vormundschaft (Pflegschaft) schon vor Entstehung des Nießbrauchs eingeleitet ist. Aber auch bei An­

nahme dieser für den Nießbraucher strengen Auslegung des ß 1086 würde vorliegend die Nießbraucherin nicht als haftbar zu erachten sein, weil ihr der

Nießbrauch an dem Erbteil durch dieselbe Verfügung zugewendet ist wie ihren Kindern das nackte Eigentum, beide ihre Rechte direkt von der Erblasserin herleiten, nicht etwa der Nießbrauch erst von den Kindern oder ihrem Pfleger

bestellt wurde und sonach auch nicht die Pflegschaft schon vor Entstehung des Nießbrauchs eingeleitet war. Auch § 1047 begründet keine Haftbarkeit der Nießbraucherin für die Gebühren, da diese sich als eine Vergütung für

gewisse Leistungen der Staatsbehörde in Beziehung auf die Verwaltung des Vermögens der Kinder darstellen und somit weder als öffentliche noch als privatrechtliche auf diesem Vermögen ruhende Lasten im Sinne des § 1047

Dr. E.r.

angesehen werden können.

11 a) Enthält Annahme der Erbschaft aus eiuem späteren Testament, wen« sich dieses später als ungültig ergibt, Ausschlagung der Erb­ schaft ans einem frühere« Testament? OLG. Braunschweig, II. ZS.

Urteil v. 31. Mai 1906.

A. hat zwei Testamente von 1900 und von 1901 hinterlassen.

Im

11. Erbrecht.

280

BGB. § 1945.

Mündels zu erheben sind, sind also die Mündel Schuldner der Gebühren und dürfen letztere während der Vormundschaft nur aus den Überschüssen

der Einkünfte ihres Vermögens erhoben werden. Vorliegend beziehen aber

die Kinder der Frau M. aus ihrem unter Pflegschaft nach § 1909 stehenden Vermögen überhaupt keine Einkünfte, weil ihnen nach der letztwilligen Ver­ fügung nur das nackte Eigentum, der Meßbrauch aber ihrer Mutter zusteht. Diese aber schuldet die Gebühren nicht, und zwar auch nicht aus den Einkünften ihres Nießbrauchrechts.

Während das bad. RPKG. den 8 21aus § 10

Nr. 2 preuß. GKG. entlehnt hat, hat es die Nr. 3 das. nicht ausgenommen, wonach dann, wenn infolge einer letztwilligen Verfügung einem Dritten der Nießbrauch an dem Vermögen der Mündel zusteht, das Vormundschaftsgericht nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, ob und in welcher Höhe ein Teil des Ertrages des Vermögens als Überschuß im Sinne der Nr. 2 anzusehen. Diese

Vorschrift will aber nicht etwa den Nießbraucher überhaupt für die Gebühren haftbar machen, sondern nur die Art seiner Haftbarkeit in Übereinstimmung mit § 10 Nr. 2 bringen, wenn der Nießbraucher nach dem BGB. § 1086

für die Gebühren haftbar gemacht werden kann; vgl. Mügel, preuß. GKG. § 10 Nr. 7 Abs. 2 und 3, welcher in weiter Auslegung dieses Paragraphen, wonach die Gläubiger des Bestellers des Meßbrauchs insoweit, als ihre

Forderungen vor der Bestellung entstanden sind, ohne Rücksicht auf den Nießbrauch Befriedigung aus den dem Meßbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen können, den Nießbraucher auch für die erst später fällig werdenden Gebühren als haftbar erklärt, sofern nur die Vormundschaft (Pflegschaft) schon vor Entstehung des Nießbrauchs eingeleitet ist. Aber auch bei An­

nahme dieser für den Nießbraucher strengen Auslegung des ß 1086 würde vorliegend die Nießbraucherin nicht als haftbar zu erachten sein, weil ihr der

Nießbrauch an dem Erbteil durch dieselbe Verfügung zugewendet ist wie ihren Kindern das nackte Eigentum, beide ihre Rechte direkt von der Erblasserin herleiten, nicht etwa der Nießbrauch erst von den Kindern oder ihrem Pfleger

bestellt wurde und sonach auch nicht die Pflegschaft schon vor Entstehung des Nießbrauchs eingeleitet war. Auch § 1047 begründet keine Haftbarkeit der Nießbraucherin für die Gebühren, da diese sich als eine Vergütung für

gewisse Leistungen der Staatsbehörde in Beziehung auf die Verwaltung des Vermögens der Kinder darstellen und somit weder als öffentliche noch als privatrechtliche auf diesem Vermögen ruhende Lasten im Sinne des § 1047

Dr. E.r.

angesehen werden können.

11 a) Enthält Annahme der Erbschaft aus eiuem späteren Testament, wen« sich dieses später als ungültig ergibt, Ausschlagung der Erb­ schaft ans einem frühere« Testament? OLG. Braunschweig, II. ZS.

Urteil v. 31. Mai 1906.

A. hat zwei Testamente von 1900 und von 1901 hinterlassen.

Im

ersteren, von ihm selbst ge- und unterschriebenen, hat er seine Frau zur alleinigen Erbin eingesetzt. In dem zweiten, von ihm, das er bloß unter­ schrieben, hat er seine Frau und seine drei Kinder zu Erben eingesetzt und seiner Frau den Nießbrauch des gesamten Nachlasses „vermacht". Die

Witwe hat am 2. März 1901 nur das zweite Testament dem Amtsgerichte

überreicht und yach der Eröffnung erklärt, daß sie es trotz seiner Formwidrigkeit

als für sie rechtsverbindlich anerkenne und die Erbschaft aus ihm antrete.

Da es ungültig ist, war die Annahme der Erbschaft unwirksam, mag man

sie als gegenstandslos betrachten (Planck 2 zu 8 1949, 2 zu 8 1947 Strohal, Erbr. 2 S. 18) oder wegen Irrtums über den Berufungsgrund gemäß § 19491 als nicht erfolgt ansehen (Binder, Rechtsstellung der Erben 1, S. 130). Dies nimmt auch die Borinstanz an; sie meint aber, daß A. auch aus Grund seines gültigen ersten Testaments nicht beerbt worden sei. Aus diesem Berufungsgrunde ist die Erbschaft zwar nicht nachweislich durch besonderen Akt angenommen, aber auch nicht rechtzeitig ausgeschlagen worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob in der Annahme aus dem einen Berufungs­

grunde die Ausschlagung aus dem anderen überhaupt gefunden, werden kann, wenn erstere in der für letztere vorgeschriebenen Form (§ 1945) erklärt ist

(dagegen: Staudinger 5 zu 8 1948; vgl. auch IW. 1904 S. 11515) und ob dies auch von einer unwirksamen Annahme gelten könnte. Vorliegend ist dies jedenfalls nicht möglich. Die Witwe hat nämlich das erste Testament wegen Übergehung der Kinder anfangs für rechtsungültig gehalten und deshalb

früher gar nicht erwähnt. Dieser Berufungsgrund ist ihr also nicht bekannt gewesen, und sie hat geglaubt, sie könne die Erbschaft aus dem ersten Testa­ ment nicht annehmen. Die Ausschlagung besteht aber begrifflich in der Er­

klärung, daß man die Erbschaft nicht annehmen wolle. Aus demselben Grunde liegt in dem 1903 gestellten Anträge auf Ausstellung eines gemein­ schaftlichen Erbscheins keine Ausschlagung der Erbschaft aus dem ersten Testamente. Ebensowenig ist darin enthalten, daß die Witwe das erste Testament zur Eröffnung mit dem Bemerken überreicht, ihr Mann sei „hier­

nach" von den drei Kindern zu je V8 und von ihr zu 5/8 beerbt. Zu der Berechnung dieser Erbteile ist sie vielleicht durch die rechtsirrtümliche Auf­ fassung veranlaßt, daß die übergangenen Pflichtteilsberechtigten keinen per­ sönlichen Anspruch gegen den eingesetzten Erben auf Herausgabe der Hälfte

des Wertes des gesetzlichen Erbteils (hier */4) hätten (8 2303), sondern daß die testamentarische Erbfolge durch die verletzten Pflichtteilsrechte modifiziert

werde. Wäre diese Annahme richtig, würde sogar eine, von Irrtum aller­ dings nicht ganz freie, Annahme der Erbschaft aus dem ersten Testamente vorliegen.

Aber auch dann, wenn man jene Erklärungen für unverständlich

hält, kann darin jedenfalls keine Ausschlagung aus dem ersten Testamente

gefunden werden.

Dies ist um so weniger möglich, als die Witwe und ihr

volljähriger Sohn Wilhelm zum notariellen Protokolle vom 31. März 1904

erklären, der Verstorbene habe durch das erste Testament seine Frau zu seiner

ausschließlichen Erbin ernannt, mit Rücksicht auf das Vorhandensein der drei Kinder nehmen sie aber an, daß der Erblasser „seiner Witwe nur das

Nießbrauchs- und Verwaltungsrecht an seinem Nachlasse, das Eigentum aber

seinen Kindern vermachen wollte".

Im Anschluß daran vereinbaren sie eine

dementsprechende Behandlung des Nachlasses.

Sie legen also den letzten

Willen des Verstorbenen übereinstimmend in einem gewissen Sinne aus und

schließen einen obligatorischen Vertrag, wonach dieser Wille in dem von ihnen verstandenen Sinne maßgebend sein soll.

Damit ist eine Ausschlagung der

Erbschaft aus diesem letzten Willen unvereinbar.

Mit dem Tage, an welchem

dieser Vertrag dem Amtsgerichte überreicht wurde (2. April 1904), verstrichen

6 Wochen seit der Verkündung des ersten Testaments, die am 20. Februar 1904 auf Antrag, aber in Abwesenheit der Witwe erfolgt war. auch

die

Ausschlagungsfrist

des

§ 1944a,

obwohl

die

Damit verstrich Witwe von der

Testamentsverkündung nach dem Aktenvermerk frühestens am 19. März 1904 Kenntnis erhalten hat. Das Reichsgericht (IW. 1902 S. 232) hat zwar diese Kenntnis als Voraussetzung des Fristbeginns bezeichnet, indessen betrifft das Urteil den besonderen Fall des § 2306. Dagegen können sich die Beklagten

allerdings auf Planck (4 zu § 1944) berufen; a. A. Staudinger (4b Abs. 3), Neumannn (II 2b), Haidlen, Strohal Erbr. 2 S. 6; Binder, Rechts­ stellung der Erben 1 S. 125 spricht sich nicht direkt darüber aus. Das Gesetz erfordert für den Fristbeginn die Kenntnis des Erben von dem Anfall und dem Grunde der Berufung. Diese Kenntnis hat die Witwe schon längst vor der Verkündung des Testaments gehabt, insbesondere zuletzt genau gewußt, daß sie durch das erste Testament zur Erbschaft berufen war. Wenn das Gesetz für den Fall einer Berufung durch letztwillige Verfügung vorschreibt, daß die Frist nicht vor der Verkündung der Verfügung beginnt, so ist da­ durch nur eine objektive Voraussetzung aufgestellt; denn unter der Verkündung

versteht das Gesetz nur den durch § 2260 geordneten Akt, nicht auch die durch § 2262 vorgeschriebene Benachrichtigung der bei der Verkündung nicht zu­ gegen gewesenen Beteiligten.... Hiernach gilt die Erbschaft mit dem Ablaufe

der Ausschlagungsfrist als angenommen, und zwar mit rückwirkender Kraft auf den Tod des Erblassers (§§ 1942, 1943). H.g. b) Zur Auslegung von § 1990 BGB. OLG. Hamburg, V. ZS. Urteil v. 20. Juni 1906. Die Beklagte war als Nachlaßgläubigerin nach § 1990 auf Grund des rechtskräftigen Urteils vom 28. April 1905 berechtigt, von dem Kläger als

Erben die Herausgabe des A.schen Nachlaffes im Wege der Zwangs­ vollstreckung zur Befriedigung zu verlangen, da die Anordnung einer Nachlaßoerwaltung wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht

tunlich gewesen ist. Der § 1990 ist mit Dernburg 5 § 170 dahin auf­ zufassen, daß der Nachlaßgläubiger die Vollstreckung in den im Besitz des Erben übergegangenen Nachlaß betreiben darf.

Er ist allerdings von vorn­

herein nach § 781 ZPO. an die Beschränkung auf den Nachlaß nicht ge-

11. Erbrecht.

BGB. §§ 1993. 2314.

283

bunden, setzt sich aber, wenn er Gegenstände pfändet, die nicht zum Nachlaß

gehören, sondern Eigentum des Erben sind, den von letzterem nach §§ 785, 767 ZPO. zu erhebenden Einwendungen aus.

Zu diesen liegt aber kein

Anlaß vor, solange der Gläubiger die Vollstreckung nicht über den Nachlaß hinaus ausdehnt. Diese Grenze hat die Beklagte vorliegend nicht überschritten. Sie hat zunächst Pfändung versucht, jedoch ohne Erfolg; Sachen des Klägers sind nicht gepfändet worden.

Sie hat sodann den Kläger zum Offenbarungs­

Anfangs allerdings mit der Aufforderung, ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen, diese Aufforderung ist indessen schon Monate eid geladen.

vor Erhebung der jetzigen Klage dahin richtig gestellt, daß ein Verzeichnis nur des A.schen Nachlaffes verlangt werde. Damit fehlte es an jedem Anlaß zur Klagerhebung für den Kläger, denn die Vorlage eines Verzeichnisses des Nachlaffes und die Beeidigung des Verzeichnisses waren Handlungen, die

der Nachlaßgläubiger, welcher die zwangsweise Herausgabe des Nachlasses erstrebte, nach § 807 ZPO. vom Erben beanspruchen durfte....

c) Verzeichnis des Nachlasses.

Anwendung des § 260.

M. M.

Nachträg­

liche Ausnahme. «) OLG. Hamburg, II. ZS.

Urteil v. 7. Juni 1906.

Der Kläger will das von den Beklagten ohne Zuziehung einer behörd­ lichen Person aufgenommene Nachlaßverzeichnis nicht gelten lassen, weil er

nicht zur Aufnahme zugezogen worden. Aus den Gründen: Ein Verzeichnis des Nachlasses, das der Kläger nach § 2314 fordern kann, muß begriffsmäßig die Nachlaßgegenstände und die Nachlaßverbindlich­ keiten enthalten (§§ 1993, 2001). Wer über den Bestand eines Nachlasses Auskunft zu erteilen hat, hat sie sowohl über erstere wie über letztere zu Aber nur auf einen Teil dieser Verpflichtung findet der § 260 An­ wendung, da er voraussetzt, daß die Auskunft über den Bestand eines In­ begriffs von Gegenständen zu erteilen ist. Hierunter fällt die Auskunft über den Bestand eines Nachlaffes nur insoweit, als sie sich auf die Nach­ erteilen.

laßgegenstände bezieht; nicht auch insoweit die Nachlaßverbindlichkeiten in Frage kommen. Der § 2314 bestimmt nicht, daß der Pflichtteilsberechtigte verlangen kann, bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugezogen zu werden,

und daß es durch die zuständige Behörde oder einen Notar ausgenommen werde, sondern es ist ihm das Recht, die Hinzuziehung bei der Aufnahme zu verlangen, und das Recht, zu verlangen, daß das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder einen Notar ausgenommen werde, nur mit Bezug

auf das ihm vorzulegende Verzeichnis der Nachlaßgegenstände gegeben

Sein Recht auf Auskunft umfaßt daher nicht das Recht, auch bezüglich der Nachlaßverbindlichkeiten die Vorlegung eines durch die zuständige Behörde oder einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses und eventuell die Leistung

des Offenbarungseides zu verlangen.... Die Aufnahme des Verzeichnisses durch die zuständige Behörde rc kann nur erfolgen, wenn die Gegenstände, über die das Verzeichnis ausgenommen

werden soll, vorgewiesen oder bei einem Dritten gezeigt werden können. Ist ein Teil davon aus dem Besitz der Erben fortgegeben, und auch nicht mehr int Besitze eines einzelnen Miterben, und sind die Erben auch nicht in der

Lage, die veräußerten Gegenstände, obwohl sie sich in fremdem Besitze be­ finden, der Behörde zu zeigen, so kann darüber ein Verzeichnis nach § 2314 Satz 3 nicht mehr ausgenommen werden. Es ist dann nur noch möglich, den­ jenigen Teil zu verzeichnen, der nicht aus dem Besitze der Erben fortgegeben ist oder sich noch im Besitze eines einzelnen der Erben befindet oder doch,

wenn auch in fremdem Besitze, der Behörde rc von den Erben noch gezeigt

werden kann. Hier läßt sich nicht vorbringen, es könne nicht der Meinung des Gesetzes entsprechen, daß sich der Erbe jederzeit durch Fortgeben der Nachlaßgegenstände der Verpflichtung entziehen könne, das Verzeichnis durch die zuständige Behörde rc aufnehmen zu laffen.

Gibt der Erbe alle Nachlaß­

gegenstände fort, ohne einem gemäß § 2314 geäußerten Verlangen des Pflicht­

teilsberechtigten entsprochen zu haben, so ist er damit noch nicht der Ver­ pflichtung

zur

Auskunftserteilung

und

gegebenenfalls

zur

Leistung

des

Offenbarungseides (§ 260) ledig geworden. Es wird von den Umständen abhängen, ob dann darin, daß der Erbe bei der Auskunftserteilung dem be­ rechtigten Verlangen des Pflichtteilsberechtigten nicht entsprochen hat, aus­

reichender Grund zu der Annahme zu finden sein wird, daß bei der Angabe des Bestandes des Nachlaffes nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ver­ M. M.

fahren ist.

ß) Die Verpflichtung zur Vorlegung eines Vermögeusverzeichnisses ist keine erbrechtliche. OLG. Hamburg, V. ZS.

Urteil v. 25. Mai 1906.

Die vorliegenden Rechtsverhältnisse sind [auf Grund EG. Art. 213] als

erbrechtliche nach preuß. Recht zu beurteilen. Die Frage aber, ob Beklagter zur Ausstellung eines Vermögensverzeichniffes verpflichtet ist, erscheint nicht als eine erbrechtliche, sondern beantwortet sich nach allgemeinen Rechtsgrund­

sätzen. Schon das alte preuß. Recht erörterte sie nicht im Erbrecht, sondern in I 22 §§ 28, 29 AGO. und ebenso schreibt das BGB. die Verpflichtung, dem Erbberechtigten ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, nicht im erbrecht­ lichen Teil, sondern enthält im 2. Buche die allgemeine Vorschrift des § 260,

die deshalb auf die erst nach dem 1. Januar 1900 entstandene Verpflichtung

des Beklagten Anwendung findet. Unter einem Inbegriff von Gegenständen ist aber nach den Motiven jede Mehrheit von Vermögensgegenständen zu ver­ stehen, bei der der Berechtigte nach dem obwaltenden Verpflichtungsgrunde nicht in der Lage ist, die einzelnen Gegenstände zu bezeichnen. Daß diese

Voraussetzung zutrifft, wenn eine Erbschaft dem Erben herauszugeben ist, kann nicht zweifelhaft sein...

M. M.

d) Anwendung des § 2015 BGB. Kammergericht, XIII. ZS. Beschluß v. 8. November 1906. A. ließ auf Grund eines vollstreckbaren Titels das Mobiliar des Schuldners

X. pfänden und nach mehrfach erteiltem Aufschub Versteigerungstermin an­ Kurz zuvor verstarb der Schuldner; auf den Antrag des Nachlaß­

setzen.

verwalters R. ist das Aufgebot der Nachlaßgläubiger erfolgt.

R. verlangt

klagend, daß A. bis zur Beendigung des Aufgebotverfahrens keine Voll­

streckungsmaßregeln vornehme, und beantragt die Einstellung der Zwangs­

vollstreckung bis dahin.

Dieser Antrag ist jedoch unbegründet.

Dem R. steht

die Einrede aus § 2015 dem Gläubiger A. gegenüber nicht zu, da gemäß § 2016 jene Vorschrift keine Anwendung findet, soweit ein Gläubiger nach § 1971 von dem Aufgebot der Nachlaßgläubiger nicht betroffen wird.

Das

gilt aber auch von den Gläubigern, die gemäß § 804 ZPO. durch Pfändung vor dem Eintritt des Erbfalls ein Pfandrecht erlangt haben (Staudinger 41 zu § 1971, 2b zu § 2016).

v. W.

e) Vorkaufsrecht der Miterven. OLG. Hamburg, II. ZS.

Urteil v. 8. November 1906.

... Dieser Vertrag überträgt den gesamten Erbanteil des A. an den

Beklagten und ist notariell beurkundet, also rechtsgültig (§ 2033). Seine Wirksamkeit wird dadurch nicht berührt, daß die Vertragschließenden von

vornherein gewollt und verabredet haben, daß der Erwerber einen Teil dessen, was bei der Erbauseinandersetzung auf ihn entfällt, wieder an den Veräußerer auskehren lassen soll. Die hiernach begründete obligatorische Verpflichtung beeinträchtigt die dingliche Wirkung der Verfügung über den Erbanteil nicht, sondern setzt sie voraus. Damit sind jedoch die Voraussetzungen für das von der Klägerin beanspruchte Vorkaufsrecht noch nicht erschöpft. Nicht bei jeder Übertragung eines Miterbenanteils ist das Vorkaufsrecht der übrigen Mit­

erben dem Erwerber gegenüber gegeben, sondern nur bei einer auf einem Verkauf des Erbanteils beruhenden Übertragung. Es muß ein gültiger Kaufvertrag vorliegen. Ein anderer auf die Veräußerung des Erbanteils gerichteter Vertrag genügt nicht. Das Gegenteil ist auch nicht aus § 23851

zu entnehmen; denn er bezieht sich nur auf die im 9. Abschnitt §§ 2371 ff. enthaltenen Vorschriften über den Erbschaftskauf, nicht auf die über das ge­

setzliche Vorkaufsrecht in §§ 2034—2037 gegebenen Sondervorschriften (ebenso

im Ergebnis in Strohal, Erbrecht § 64 III 1 a. E.; Planck 2 zu 8 2034

mit Note b zu 8 504; Frommhold 2 zu 8 2034; Dernburg 5 8 193 V mit 2 8 196 II 3; weniger entschieden: Binder 3 S. 131). Ein gültiger Kaufvertrag aber liegt hier nicht vor. Wie der Vertrag, durch den der Alleinerbe eine ihm angefallene Erbschaft oder einen Bruchteil derselben verkauft (8 2371), so bedarf gemäß 88 19228, 2385* auch der Ver­

trag, durch den ein Miterbe seinen Anteil (oder einen Bruchteil desselben)

verkauft, der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (vgl. Planck 2 zu 8 2033, Vorbem. 4 vor 8 2371 und 2 zu 8 2371; Frommhold, Vor­

dem. 2 vor 8 2371; Matthiaß 2 S. 589; Dernburg 5 8197 IV; Strohal

2 8 64 II 2; Binder 3 S. 97; Kreß, Die Erbgemeinschaft S. 175). Im notariellen Protokoll wird zwar die dort beurkundete Vereinbarung im

11. Erbrecht.

286

BGB. § 2039.

Eingänge ausdrücklich als „Kaufvertrag" bezeichnet. Der Miterbe 31. erklärt, er „verkaufe" seinen Anteil am Nachlasse; der „Kaufpreis" sei bereits ent­ richtet.

Aber es fehlt an jeder Angabe über dessen Höhe, d. h. der vom

Beklagten in Geld zu gewährenden Gegenleistung.

Dieser Mangel hinsichtlich

eines wesentlichen Vertragsbestandteils macht die Beurkundung unzureichend und den Kaufvertrag mangels der gesetzlich vorgeschriebenen Form nichtig

Daß ein Kaufpreis außerhalb der nota­ riellen Urkunde vereinbart wurde, kann nicht genügen. Zwar ist an sich die Bemerkung Strohals a. O. Note 231 richtig: wenn nicht die Causa der Übertragung ersichtlich, so sei die Ausübung des Vorkaufsrechts von der Er­ bringung des Nachweises bedingt, daß der Übertragung ein Verkauf zugrunde

(§ 125; Dernburg 1 § 140 II).

lag.

Aber es muß ein rechtsgültiger Verkauf nachgewiesen werden, und

es kann Strohal nicht beigestimmt werden, wenn er (zwischen Note 16 und 18) in analoger Anwendung des § 313 die Ansicht vertritt, daß der rücksichtlich des Miterbenanteils ohne Beobachtung der Form des § 2371 geschlossene

Kaufvertrag seinem ganzen Inhalte nach gültig werde, wenn der Veräußerer nach Maßgabe des § 2033 über seinen Anteil am Nachlaß verfügt hat. Der § 313 enthält eine Sondervorschrift, die eine Verallgemeinerung oder eine

analoge Anwendung auf den hier vorliegenden Fall nicht zuläßt (ebenso Planck 2 zu tz 2371; Binder 2 S. 97; Matthiaß 2 S. 589). Übrigens mußte, auch wenn man das Vorkaufsrecht nach §§ 2034, 2035 bei jedem auf die entgeltliche Veräußerung des Erbteils gerichteten Vertrage zulafsen wollte, seine Ausübung vorliegend an dem Mangel der notariellen Beur­

kundung dieses obligatorischen Vertrages scheitern; denn auch dieser ander­

weite Veräußerungsvertrag würde nach §§ 2371, 2385 der notariellen Be­ urkundung bedürfen und auch hinsichtlich eines solchen Vertrags würde die

in dem Protokoll enthaltene Beurkundung mangels Beurkundung der für den Vertrag wesentlichen Gegenleistung des Beklagten als unzureichend zu er­ achten sein.... M. M.

f) Sann ein Erbe gegen einen Miterben dessen Rachlatzschuld an­ teilig einklagen 1 OLG. Braunschweig, I. ZS. Urteil v. 25. Januar 1907. Die 1904 verstorbene Frau des Beklagten und Mutter der Klägerin ist von den Parteien und einer noch minderjährigen Tochter gesetzlich beerbt. Zum Nachlaß gehören Mobilien, der Kleinkothof 54 samt Zubehör und nach der Behauptung der Klägerin Geld bzw. Forderungen im Betrage von 16900 Mark von dem sie den ihr daran zustehenden Anteil 3/8=6337,50 Mark beansprucht.

Es wird demnach nicht Teilung des ganzen Nachlasses unter die Erben,

Auseinandersetzung dieser über den Nachlaß erstrebt, vielmehr verlangt, daß zum Nachlaß gehörige Ansprüche von einem der Miterben als dem Ver­ pflichteten zu dem der Klägerin gebührenden Teile geleistet werden.

Dem­

nach sind diejenigen Grundsätze beiseite zu lassen, welche aus § 2032 ab­

geleitet und vielfach zu dem Schluffe verwendet worden, daß die Erbausein-

11. Erbrecht. BGB. § 2039.

287

«Übersetzung nur unter Mitwirkung aller Miterben zulässig und daher eine

dieses Ziel verfolgende Klage eines Miterben nur gegen alle übrigen Mit­

erben angestellt werden könne (Braunschw. Z. 49 S. 130, IW. 1904 S. 61", Rsp. 4 S. 119; Staudinger zu § 2042). Das das Rechtsverhältnis der Erben untereinander beherrschende Prinzip der Gemeinschaft zur gesamten

Hand ist nicht ohne Konzessionen an die Interessen der einzelnen Erben

durchgeführt. Dahin sind zu zählen die Vorschriften des § 2039, die nicht auf den Fall beschränkt sind, wenn ein Dritter dem Nachlaß etwas schuldet,

sondern auch Anwendung finden, wenn der Miterbe der Schuldner einer Letzterer Fall liegt hier vor und

zum Nachlasse gehörigen Forderung ist.

ein dahin gehender Anspruch, daß der Beklagte die gegen ihn bestehende

Nachlaßforderung an alle Erben leiste, würde an sich zulässig und eventuell

zu entscheiden gewesen sein, ob Umstände vorliegen, die einem Verlangen, gemäß Satz 2 § 2039 zu verfahren, entgegenständen (Planck 4 zu 8 2039; Strohal, Erbr. 2 8 64 N. I7 Gruchot 49 S. 57—163; „Recht" 11 S. 62

Nr. 52). Ein derartiger Anspruch ist jedoch nicht erhoben, vielmehr fordert die Klägerin Zahlung eines ihrem Erbanteile entsprechendm Betrags an sie

aus dem Nachlasse zustehenden Forderungen. Solches Begehren ist unstatthaft. Wollte man selbst in Abweichung von Rsp. 4 S. 432 Nr. 102« mit Gruchot 49 S. 63—66 für zulässig erachten, daß jeder Miterbe den seinem Erbanteile gleichen Betrag der Forderungen vom Schuldnererben einzieht, — eine Befugnis,

der die Pflicht zur Zahlung entspräche, so würde es doch vorliegend an der dort für nötig angesehenen Zustimmung des dritten Erben, der minderjährigen Tochter der Erblafferin, gleichwie an der Behauptung fehlen, daß weder Nachlaßschulden noch Ausgleichungspflichten beständen. H.g. g) Stellung des Verwahrers gemäß § 2039 BOB. Kammergericht, III. ZS. Urteil v. 19. Juni 1906. Der Kläger verlangt als Miterbe von dem Beklagten als gerichtlich

gemäß 8 2039 bestelltem Verwahrer die Vorlegung von Urkunden aus dem Nachlasse zu seiner Einsicht, während die übrigen Miterben dieser Art der Benutzung widersprochen haben und die Vorlegung an den Kläger nur in Gegenwart eines anderen Miterben oder eines von den Miterben bestellten Vertreters zulaffen wollen.

Das LG. hat angenommen, daß der Beklagte

als Mandatar der Miterben dem formell gültigen Mehrheitsbeschlüsse nach­

kommen müsse. Allein daß dieser Beschluß keine gültige Regelung im Sinne der 8§ 2038, 7451 enthält, geht schon daraus hervor, daß der Kläger vor der Beschlußfaffung überhaupt nicht befragt ist und die Nichtigkeit durch die nachträgliche Mitteilung des Beschlusses an den Kläger nicht geheilt werden kann. Ferner wird an sich dessen Recht auf Einsichtnahme in die Schrift­

stücke, die zum Nachlaß gehören, nicht bezweifelt werden können (vgl. auch 8 810). Allein die Stellung des Verwahrers ist nicht die eines Verwalters und hat daher mit dem Amte des Testamentsvollstreckers und Konkurs-

Verwalters keine Ähnlichkeit.

Der Verwahrer ist vielmehr lediglich die Stelle,

bei der Nachlaßgegenstände, die sich zur Hinterlegung bei der öffentlichen

Hinterlegungsstelle nicht eignen und die im Interesse ihrer Unversehrtheit

nicht in den Händen eines der Miterben belassen bleiben sollen, zur Auf­ bewahrung gegeben werden. Er hat daher den Erben gegenüber lediglich die Verpflichtung

zur

gewissenhaften

Verwahrung

der ihm

ausgeantworteten

Gegenstände, auf deren Verwaltung er ohne Einfluß ist, und die weitere, ihren übereinstimmenden Weisungen in bezug auf diese Gegenstände Folge zu leisten, da die Verwaltung des Nachlasses grundsätzlich bis zur Teilung allen Erben gemeinschaftlich zusteht (§ 2038).

Geht man hiervon aus, so

konnte der Beklagte dem klägerischen Begehren pflichtgemäß nicht Folge leisten.

Wenngleich der Mehrheitsbeschluß der Miterben über die Art der Vorlegung der im Besitze des Verwahrers befindlichen Urkunden nicht rechtsgültig zu­

stande gekommen ist, so geht doch jedenfalls aus diesem Beschlusse hervor, daß vier Miterben mit dem klägerischen Begehren nicht einverstanden sind. Es hätte aber der Widerspruch bereits eines Miterben genügt, um den Beklagten zu seiner Weigerung zu berechtigen. Die Beseitigung dieses Hinder­

nisses kann der Kläger nicht mit einer gegen den Verwahrer, sondern nur mit einer gegen die widersprechenden Miterben zu richtenden Klage durch­

Der Beklagte, dem eine rein passive Stellung zukommt, hat sich einer Prüfung, ob ein gültiger Mehrheitsbeschluß vorliegt, garnicht zu unterziehen. Z. h) Anwendung des EG. Art. 29 Öfterr. Erbrecht.

setzen.

OLG. Hamburg, III. ZS. Urteil v. 23. Februar 1907. Der ersteheliche Wohnsitz des verstorbenen Ehemanns A. war in Galizien,

von wo er 1885 nach (Wien übersiedelte.

Das Recht an beiden Orten ist

dasselbe, nämlich das des ö. BGB. vom 1. Juni 1811. Dieses läßt nun eine eheliche Gütergemeinschaft nach § 1233 nur im Falle eines darauf ge­ richteten ausdrücklichen Vertrages zu; davon kann hier aber nichts be­

hauptet werden.

Würden also die Vermögensverhältnisse nach dem Tode des

A. nicht von Gütergemeinschaft beherrscht, dann fragt sich, welches Erbrecht

zur Anwendung kommt.

Nach EG. Art. 25 wird in Deutschland „ein Aus­

länder, der zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Inlands hatte, nach den Gesetzen des Staates beerbt, dem er zur Zeit seines Todes angehörte", und nach Art. 29 werden seine Rechtsverhältnisse, falls er keinem Staate

angehörte, nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er zuletzt angehört hat.

A. hat jedenfalls von 1887—1903 seinen Wohnsitz, den Mittelpunkt

seiner Lebensverhältniffe, in Hamburg gehabt.

Als er dann durch die Aus­

weisung gezwungen wurde, wider seinen Willen Hamburg zu verlassen, hat

er, da er Weib und Kinder, Geschäft und Grundstücke hier zurückließ, dies

offenbar in der Hoffnung, wieder zurückkehren zu dürfen, getan und nicht die

Absicht gehabt in London ein neues Domizil zu gründen.

Er hat dort

lediglich noch 2*/? Jahre feinen Aufenthalt genommen. Die Staatsangehörig­

keit des A. war bis Ende 1903 die österreichische und es ist von keiner Seite

11. Erbrecht.

EG. Art. 214.

BGB. § 2231.

289

behauptet worden, daß er nachher eine andere Staatsangehörigkeit erworben

habe.

Dann entscheidet also über seine Beerbung das österreichische Recht.

Nach diesem erben aber die fünf Kinder allein und die Witwe erhält nur einen Nießbrauch an einen! Kopsteil, hier also an */« des Nachlasses (§ 757 BGB; vgl. bei Schey S. 356, wo ausdrücklich konstatiert wird, daß dieses Recht des Ehegatten zwar ein Recht an der Nachlaßsubstanz, aber kein

Erbrecht sei).

M.M.

i) EG. Art. 2142 gilt auch für die Form des Widerrufs einer letzt­ willige« Verfügung. — Genügt die Stellung des Rumens zwischen Zett- und Ortsangabe dem § 2231 Rr. 2? OLG. Hamburg, Ferien-ZS.

Beschluß v. 25. August 1906.

Der Erblasser war befugt, seine im gemeinschaftlichen Testamente von

1897 getroffene letztwillige Verfügung einseitig zu widerrufen oder zu ändern. In Übereinstimmung mit dem gemeinen und hamburgischen Recht läßt auch

das hier anwendbare schleswig-holsteinische einen vollständigen oder teilweisen Widerruf

grundsätzlich

zu

(Paulsen,

Lehrb. § 206).

Wenn

aber

nach

Art. 2142 EG. „für die Bindung" des Erblassers bei einem vor 1900 er­ richteten gemeinschaftlichen Testamente die bisherigen Gesetze maßgebend bleiben

sollen, so bezieht sich das keineswegs nur auf die Frage, ob der Erblasser

seine stühere Verfügung umzustoßen berechtigt war, sondern auch auf die andere', wie er es konnte. Es würde gesetzgeberisch kaum zu rechtfertigen sein, die eine Frage dem alten Recht, die damit zusammenhängende zweite aber dem neuen zu unterwerfen. Der § 2271, wonach der Testator nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrage geltenden Vorschriften des § 2296 vorzugehen gehabt hätte, kommt daher hier überhaupt nicht in Betracht.

Es

genügte vielmehr, entsprechend dem früheren schleswig-holsteinischen Recht, der Widerruf durch ein zweites, wenn auch nur vom Erblasser selbst errichtetes

Testament.... Das Testament vom 13. August 1902 entbehrt nicht der erforderlichen Form des § 2231 * BGB. Denn unbedenklich ist mit den Worten: Geschrieben am 13. August 1902 m. pr. Johannes Christian August A., Pastor emeritus z. Zt. in Hamburg, Neue Grabenstraße 1. der Vorschrift, daß die Erklärung vom Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein muß, genügt.

Freilich vermag die bloße Angabe des Wohnortes des Testators im Text der Verfügung die Angabe des Ortes der Errichtung des Testaments nicht zu ersetzen (Rsp. 5 S. 349). Das Landgericht ist aber im Recht, wenn es die Worte „z. Zt. in Hamburg, Neue Grabenstraße 1" dahin auffaßt, daß der Testator nicht oder wenigstens nicht nur habe sagen wollen, er wohne jetzt in

Hamburg, sondern mindestens weiter, er habe die Verfügung auch dort nieder­ geschrieben.

Hierfür spricht der ganze Zusammenhang des letzten Satzes.

Der Erblasser hat offenbar aufklären wollen, warum er die jetzige Verfügung

LLGRsp. XIV.

19

11. Erbrecht.

290

BGB. §§ 1968.1981*.

in Hamburg treffe, während das gemeinschaftliche Testament von 1897 noch

in Altona, feinem damaligen Wohnsitze, errichtet war.

Dem Landgericht

kann aber nicht darin beigepflichtet werden, daß die Verfügung von 1902 als solche deshalb formwidrig fei, weil die Nämensunterschrist der Ortsangabe nicht räumlich folge und sie damit nicht als richtig bestätige, daß es vielmehr

der Heranziehung

der

darunter stehenden

formgerechten

Verfügung

vom

30. April 1904 bedürfe, um die Form des ganzen Testaments für gewahrt zu erachten. Denn wesentlich ist allein, ob Unterschrift, Orts- und Zeitangabe vom Testator derart zueinander in räumliche Beziehung gebracht sind, daß

kein Zweifel darüber obwalten kann, der Testator habe durch seine Unter­ schrift Orts- und Zeitangabe decken, d. h. feststellen und bezeugen wollen, daß er die darüber stehende Erklärung an dem angegebenen Orte und dem an­

gegebenen Tage abgebe.

Das kann auch dann der Fall sein, wenn Orts­

oder Zeitangabe oder beides der Unterschrift, unmittelbar folgt und trifft vor­

liegend zu, weil die entscheidenden letzten Worte offensichtlich in einem Zuge mit der voranstehenden Zeitangabe geschrieben find (vgl. Entsch. des RG.

M. M.

52 S. 281).... k) Koste» der Trauerkleidnng als Kosten der Beerdigung. Kammergericht, HL ZS. Urteil v. 23. November 1906.

... Ob die Kosten der Trauerkleidung zu den Kosten der standesgemäßen Beerdigung gehören und somit unter den § 1968 BGB. fallen, ist nach den

Umständen des einzelnen Falles zu entscheiden. Die Lebensstellung des Erblassers, Sitte und festes Herkommen am Beerdigungsorte sind dabei zu be­ rücksichtigen. Die Kosten der Trauerkleidung der Witwe sind danach in Übereinstimmung mit dem Vorderrichter unbedenklich zu den Kosten der standesgemäßen Beerdigung zu rechnen (so auch Frommhold Sinnt. 3 zu

§ 1968; Scherer, Kommentar zum BGB. Note 21 zu § 864); im vor­ liegenden Falle werden aber auch die Kosten der Trauerkleidung der Tochter

der Beklagten dazu zu rechnen sein. Wenn schon unter Umständen die Kosten der Trauerkleidung für die Dienstboten aus dem Nachlaß zu bestreiten sind (s. Jäger, Erbenhaftung und Nachlaßkonkurs S. 77), so muß dies erst recht angenommen werden, wenn es sich um eine Stieftochter des Erblaffers handelt, welche jahrelang in dem Haushalt des Erblaffers gelebt hat.

Z.

l) Blotze Säumnis des Erbe« in der Bezahl««g der Schulde« ist

«och keine Gefährdung im Sinne des § 19812. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 3. Januar 1907.

Nach § 1981 Abs. 2 BGB. ist die Nachlaßverwaltung auf Antrag eines Nachlaßgläubigers anzuordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß

die Befriedigung der Nachlaßgläubiger aus dem Nachlasse durch das Ver­ halten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird. Die Entscheidung des Landgerichts beruht aus der Annahme, daß solche

Gefährdung hier durch das Verhalten des Erben begründet sei, weil er trotz des Drängens den Gläubigern bisher weder den Pflichtteil ausgezahlt noch

11. Erbrecht.

BGB. § 1S81-.

291

auch nur ein vollständiges Nachlaßverzeichnis vorgelegt, vielmehr in dem vor­

gelegten Verzeichnis die Wertpapiere anzugeben unterlassen und dadurch ge­ zeigt habe, daß er die Angelegenheit hinziehen wolle.

Diese Ausführungen beruhen auf einer Benennung des Begriffes der Gefährdung der Befriedigung der Nachlaßgläubiger aus dem Nachlasse im

Sinne des § 19812 BGB.

Die Nachlaßverwaltung ist nach § 1975 BGB.

eine Nachlaßpflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlaßgläubiger.

Ihre Wirkungen sind nach den §§ 1976, 1984, 1985 BGB., daß die in­

folge des Erbfalles durch Vereinigung von Rechten und Verbindlichkeiten oder von Rechten und Belastungen erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen gelten, daß der Erbe die Befugnis verliert, den Nachlaß zu ver­ walten und über ihn zu verfügen und daß der Nachlaßverwalter den Nachlaß

zu verwalten und die Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Nachlaß zu berich­

tigen hat.

Das

gemeine

Recht gewährte

jedem

Nachlaßgläubiger ohne

weitere Voraussetzung das Recht, solche Absonderung des Nachlasses vom

Vermögen des Erben zu verlangen.

E. I BGB. kannte dagegen in seinem

H 2110 ff. ein Absonderungsrecht der Nachlaßgläubiger nur im Falle des

Nachlaßkonkurses (Motive 5 S. 685). Die zweite Kommission hat bei Zu­ lassung der Nachlaßverwaltung auf Antrag des Erben auch ein Absonderungs­ recht der Nachlaßgläubiger außerhalb des Nachlaßkonkurses eingeführt, indem

sie ihnen das Recht zusprach, die Nachlaßverwaltung zu beantragen. Be­ züglich der Voraussetzungen dieses Antragsrechts bestanden innerhalb der Kommission Meinungsverschiedenheiten (vgl. Prot. 5 S. 820 und die ein­ gehende Darstellung im Beschluß des KG. vom 7. Dezember 1905 Rsp. 12 S. 358). Das schließliche Ergebnis war die Aufnahme des jetzigen § 19812

BGB., dessen Sinn von der Kommission dahin erläutert wurde: ein Abfonderungsrecht sei zu gewähren, wenn die Gläubiger ein berechtigtes Jntereffe an der Absonderung hätten; sie sollte durch die amtliche Liquidation geschützt werden, wenn sie durch die Privatliquidation gefährdet würden; es sei dabei

gleichgültig, ob diese Gefährdung ihren Grund in der Vermögenslage des Erben oder in seinem Verhalten, insbesondere seiner unwirtschaftlichen Ver­ mögensverwaltung hätte. Hieraus ergibt sich, daß die Nachlaßoerwaltung und das Recht der Gläubiger, sie zu beantragen, nicht den Zweck haben, die

Befriedigung der Nachlaßgläubiger zu beschleunigen, sondern sie zu sichern,

und daß eine Gefährdung die Befriedigung der Gläubiger aus dem Nach­

lasse nur dann vorliegt, wenn es im Jntereffe der Gläubiger an sicherer Befriedigung liegt, daß der Nachlaß von dem sonstigen Vermögen des Erben abgesondert und der Verwaltung des Erben entzogen wird. Die bloße Säumigkeit des Erben in der Befriedigung der Nachlaßgläubiger gibt diesen deshalb, auch wenn sie vorsätzlich ist, noch kein Recht, die Nachlaßverwaltung zu beantragen.

Ihr ist mit den Mitteln des Zivilprozesses entgegenzu­

treten, und es würde ein Mißbrauch der Einrichtung der Nachlaßverwaltung

sein, wenn sie zu solchen Zwecken zugelassen würde.

Nur in Verbindung mit 19*

292

11. Erbrecht.

BGB. §§ 2100 ff.

anderen Umständen, wie z. B. bedrängter Vermögenslage des Erben oder unwirtschaftlichem Verhalten desselben kann die Verzögerung der Erfüllung

der Nachlaßverbindlichkeiten die Annahme begründen, daß die Befriedigung der Nachlaßgläubiger aus dem Nachlaß gefährdet ist, und daß sie deshalb

das Recht haben, die Nachlaßverwaltung zu beantragen.

Derartige Umstände

sind bisher von dem Landgericht nicht festgestellt.

B.

m) Keine Rachcrbschaft in der Anordnung, -atz der Erbe de« Rach­ latz für sich und seine Kinder zinstragend sicher anlege. OLG. Dresden, VII. ZS.

Urteil v. 3. Oktober 1906.

In seinem Testamentsnachtrage hat der Großvater der Kläger erklärt:

„da sein Schwiegersohn, der Vater der Kläger, nicht günstig arbeite, bestimme er, daß das seiner Tochter — dessen Frau — noch zufallende Erbteil fest

und sicher zinstragend für diese und Kinder angelegt werde und daß in deren Nutzen allein die Zinsen zu verwenden seien".

Das Oberlandesgericht vermag in dieser letztwilligen Bestimmung nicht den Ausdruck des Willens zu finden, für die Kläger eine Nacherbschast an­ zuordnen. Seiner Ansicht nach lassen sich die Worte des Nachtrags unge­ zwungen nur dahin verstehen, der Erblasser wolle seinen Schwiegersohn von

der Verwaltung und Nutznießung an dem seiner Frau zufallenden Erbteil ausschließen, und so Erbteil und Zinsen lediglich der Verfügung seiner Tochter zuweisen, damit diese in ihrem und ihrer Kinder Interesse die Zinsen ver­

wende und das Kapital anlege. Schon der Umstand, daß der Erblasser als Grund für seine Anordnung seine Unzufriedenheit mit seinem Schwiegersöhne anführt, spricht dagegen, daß er auch seine Tochter in der Verfügung über ihr Erbteil, insbesondere durch Anordnung einer Nacherbschaft, habe beschränken

wollen. Wenn er die feste und sichere Anlegung des Erbteils für seine Tochter und ihre Kinder vorgeschrieben hat, so hat er damit ebenso, wie mit der Bestimmung, daß die Zinsen bloß im Nutzen seiner Tochter und deren Kinder zu verwenden seien, nur die Interessen der Mutter, die naturgemäß auch die ihrer Kinder mit in sich schloffen, denen des Vaters gegenüberstellen und betonen, nicht aber zwischen denen der Mutter und der Kinder unter­

So ist mit der Anordnung der Verwendung der Zinsen im Nutzen seiner Tochter und ihrer Kinder ganz sicher nicht die Schaffung eines selbständigen Rechts der Kläger scheiden und letzteren selbständige Rechte einräumen wollen.

auf einen Teil dieser Zinsen bezweckt worden, im gleichen Sinne wie hier

muß aber die Zusammenfassung von Mutter und Kindern auch bei der das Kapital betreffenden Bestimmung verstanden werden, dahin nämlich, die An­ legung solle dem Jntereffe der Mutter und damit dem ihrer Kinder, als der Personen dienen, deren Unterhaltung ihr mit oblag und die nach dem natür­

lichen Gange der Dinge, dereinst ihre Erben werden würden. Daraus, daß es dieser Bestimmung neben der die Zinsen betreffenden gar nicht bedurft habe, um dem Vater der Kläger die Verwaltung und die Nutznießung zu

entziehen, ist nichts gegen die hier vertretene Auffassung zu folgern.

Es ist

11. Erbrecht.

BGB. § 2003.

293

eine durchaus gewöhnliche Erscheinung, daß bei Rechtsgeschäften die Er­ klärenden, zumal wenn sie nicht juristisch gebildet sind, ihren Anordnungen durch Häufung von schließlich dasselbe besagenden Worten oder Sätzen mehr Gewicht zu geben denken oder Dinge noch ausdrücklich hervorheben, die sich

auch ohnedem aus dem Gesetz oder ihren sonstigen Bestimmungen ergeben Hier hat der Erblaffer noch besonders

würden.

deutlich

zum Ausdruck

bringen wollen, daß sein Schwiegersohn weder in Ansehung des Kapitals noch

der Zinsen irgendwelche Verfügungsrechte am Erbteile seiner Frau

haben solle.

M.z.

n) Befugnis eines einzelnen Erben zum Anträge auf Inventar­ aufnahme. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 13. Dezember 1906.

Das Amtsgericht nimmt an, daß die Erblasser durch gültige letztwillige Verfügung ihre Tochter zur alleinigen Erbin eingesetzt haben.

Von diesem

Standpunkt aus ist die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers E. S. auf Aufnahme eines NachlaßveiHeichnifses durch das Nachlaßgericht gerecht­

fertigt.

Denn er ist dann nicht Miterbe, sondern hat nur als Pflichtteils­

berechtigter nach § 2303 BGB. einen persönlichen Anspruch gegen die Erbin

auf Zahlung einer der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils gleich­ Als Nachlaßgläubiger kann er dann zwar auf Grund des § 1994 BGB. bei dem Nachlaßgericht beantragen, daß der Erbin

kommenden Geldsumme.

eine Frist zur Errichtung des Inventars bestimmt werde. Er kann ferner nach §§ 2314, 260 BGB. — erforderlichenfalls im Prozeßwege — verlangen,

daß die Erbin ihm über den Bestand des Nachlasses Auskunft erteile, ihm ein Verzeichnis des Bestandes vorlege, ihn bei der Ausnahme dieses Ver-

zeichnisies zuziehe, dabei auch den Wert der Nachlaßgegenstände ermitteln und das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen

Beamten oder Notar aufnehmen lasse. Er kann aber als Nachlaßgläubiger weder auf Grund des 8 1993 noch des § 2314 BGB. unmittelbar das Nachlaßgericht mit dem Anträge angehen, das Inventar oder das Bestands­ verzeichnis aufzunehmen (vgl. Jahrbuch 27 S. 51). Das Landgericht glaubt dagegen die Frage, ob E. alleinige Testaments­ erbin

oder mit dem Beschwerdeführer und ihren Geschwistern zusammen

gesetzliche Erbin sei, unentschieden lassen zu können, weil der Antrag des Beschwerdeführers auch dann unbegründet sei, wenn er Miterbe sei. Richtig ist, daß der Antrag auch in diesem Falle in dem in der ersten Nach dieser Be­

Beschwerde angezogenen § 1960 BGB. keine Stütze findet.

stimmung hat das Nachlaßgericht für die Sicherung des Nachlasses, soweit

ein Bedürfnis besteht, zu sorgen, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen,

der Erbe unbekannt oder ungewiß ist, ob er die Erbschaft angenommen hat;

er kann zu diesem Zwecke insbesondere die Aufnahme eines Nachlaßverzeichnisses anordnen.

Die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 BGB. sind aber für

jeden Erbteil besonders zu prüfen (vgl. KG. in RIA. 7 S. 29).

Für den

11. Erbrecht.

294

BGB. § 2003.

Erbteil des Beschwerdeführers liegen sie nicht vor, da seine gesetzliche Ver­ treterin durch ihre in dieser Sache gestellten Anträge zu erkennen gegeben

hat, daß sie die Erbschaft für ihn annimmt. Ob etwa Anlaß vorliegt, die Erbteile der übrigen gesetzlichen Miterben, insbesondere des einen angeblich in Amerika Befindlichen, zu sichern, ist hier nicht zu erörtern, da die Unter­

lassung solcher Sicherung das Recht des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt (§ 20 FrGG). Zutreffend ist auch, daß der Beschwerdeführer als Miterbe seine Berechtigung, die Aufnahme eines Nachlaßverzeichnifses durch das Nach­

laßgericht bei diesem zu beantragen, nicht aus den §§ 2018, 2027, 2028,

260 BGB. ableiten kann. Ein Miterbe kann nach § 2018 BGB. von dem Miterben, welcher als vermeintlicher Alleinerbe den Erbteil des ersteren an sich genommen hat, Herausgabe des Erlangten, also Herstellung des dem

§§ 2088ff. BGB. entsprechenden Zustandes verlangen. Der besitzende Miterbe ist auch in solchem Falle nach § 2027 BGB. zur Auskunft über den Bestand

der

Erbschaft und

den

Verbleib

der Erbschaftsgegenstände,

sowie

nach

§ 260 BGB. zur Vorlegung eines Bestandsverzeichnisses und, wenn er sich

zur Zeit des Erbfalles mit dem Erblasser in häuslicher Gemeinschaft befunden hat, nach § 2028 BGB. zur Auskunft über die von ihm geführten erbschaft-

lichen Geschäfte verpflichtet. Alle diese Ansprüche des Miterben sind aber nicht durch Anträge bei dem Nachlaßgericht, sondern dem besitzenden Miterben gegen­ über — erforderlichenfalls im Prozeßwege — zu verfolgen (vgl. Rsp. 5 S. 231). Nicht beizustimmen ist aber dem Landgericht, wenn es dem Beschwerde­ führer als Miterben das auf Grund des § 2003 BGB. in Anspruch ge­ nommene Recht versagen will, zu verlangen, daß das Nachlaßgericht ein Nachlaßinventar aufnehme oder die Aufnahme einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Beamten oder einem Notar übertrage.

Das Landgericht

befindet sich zwar mit seiner Ansicht, daß das Antragsrecht aus § 2003 BGB.

nur dem Alleinerben oder sämtlichen Miterben, nicht einem einzelnen Mit­ erben zustehe, in Übereinstimmung mit einer gelegentlichen Bemerkung des

I. Zivilsenats des Kammergerichts in dem Beschluß Jahrbuch 23 S. 200. Die dieser Bemerkung zugrunde liegende Rechtsauffassung ist aber bereits vom Feriensenat des Kammergerichts in Rsp. 5 S. 342 und vom XVII. ZS. des Kammergerichts in Rsp. 10 S. 296 verlassen worden, und sie kann bei noch­

maliger Erwägung auch von dem I. Zivilsenat nicht aufrecht erhalten werden. Der Wortlaut der §§ 1993 ff., insbesondere des § 2003 BGB., in denen überall nur vom Erben, nicht von dem Miterben die Rede ist, ist allerdings

nicht entscheidend. Denn das BGB. hat für den Erben eines Bruchteils keine ausschließlich technische Bezeichnung; es nennt ihn zwar in § 1922 Abs. 2, §§ 2033, 2034, 2038 Miterben;

es spricht aber anderseits in Ebensowenig

§ 1922 Abs. 1, §§ 1924, 2353, 2357 auch von mehreren Erben.

kann das Argument des XVII. Zivilsenats überzeugen, daß es einem nicht

im Mitbesitz des Nachlasses befindlichen Miterben unmöglich sei, das In­ ventar selbst zu errichten und daß er deshalb das Jnventarrecht ohne seine

Schuld verlieren würde, wenn ihm nicht das Antragsrecht aus § 2003 BGB.

gegeben wäre. Denn ein nichtbesitzender Miterbe hat zwar keine MögUäikeit, seine Miterben zur Errichtung eines Nachlaßinventars oder zur Mit­

wirkung bei der Errichtung eines solchen zu zwingen. Die Errichtung und Einreichung des in den §§ 1993 ff. BGB. behandelten Nachlaßinventars ist vielmehr trotz der Vorschrift in § 2003 Abs. 2 BGB., daß der Erbe ver­ pflichtet sei, die zur Aufnahme des Inventars erforderliche Auskunft zu er­ teilen, überhaupt nicht erzwingbar; vgl. Motive zum I. Entwurf des BGB. 5 S. 616.

Die Rechtsfolge des Unterlassens der Einreichung oder des Ein­

reichens eines unvollständigen Inventars sind im Gegenteil in § 2005 BGB. erschöpfend dahin geregelt, daß der Erbe, für welchen die dort bezeichneten

Voraussetzungen zutreffen, für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. Eine Verpflichtung eines Miterben gegenüber den anderen Miterben zur Er­ richtung des Inventars kann auch nicht aus dem § 2038 BGB. abgeleitet

werden, da die Errichtung nicht dem Kreise der zur Verwaltung des Nachlasses erforderlichen Maßregel angehört, sondern lediglich für die Frage Bedeutung hat, ob die Erben der Nachlaßgläubiger beschränkt oder unbeschränkt haften. Schließ­ lich ist das Bestandsverzeichnis, dessen Vorlegung nach den oben gegebenen Er­ örterungen ein Miterbe unter Umständen von den anderen Miterben verlangen kann, ein vollständig anderes Wesen als das Nachlaßinventar der §§ 1993 ff., von dem es sich durch den Namen, nach § 2001 und § 260 auch durch den Inhalt und vor allem durch seine rechtliche Bedeutung unterscheidet und dem es in den §§ 2011, 2012 BGB. ausdrücklich gegenübergestellt wird. Aus dieser Nichterzwingbarkeit der Mitwirkung anderer Miterben folgt aber nicht, daß ein einzelner nicht im Besitz der Nachlaßgegenstände befindlicher Mit­

erbe das Inventar nicht wirksam errichten könne. Denn die Vorschrift des § 2001 BGB., daß im Inventar die Nachlaßgegenstände und Nachlaßoerbindlichkeiten vollständig angegeben werden sollen, hat, wie sich aus § 2005 BGB. ergibt, nur die Bedeutung, daß der das Inventar einreichende Erbe sie so vollständig anzugeben hat, als er dazu imstande ist. Tut er dies, so tritt die ihm nachteilige Folge des § 2005 BGB., daß er unbeschränkt haftet, nicht ein. Auch den Offenbarungseid des § 2006 BGB. kann er dann

leisten. Es ist also nicht richtig, daß er des Antragsrechts aus § 2003 BGB. notwendig bedarf, um sich gegen den Eintritt der unbeschränkten

Haftung zu sichern.

Anderseits ist aber auch das Argument des I. Zivil­

senats in Jahrbuch 23 S. 100, daß das Nachlaßgericht keine Macht habe, den den Nachlaß besitzenden Miterben auf Antrag eines anderen Miterben zur

Mitwirkung bei

der

Errichtung

des Inventars

oder auch nur zur

Duldung der Inventarisierung der in seinem Besitz befindlichen Nachlaß­

gegenstände zu zwingen und daß deshalb der Antrag aus § 2003 BGB. nur von sämtlichen Miterben gemeinschaftlich gestellt werden könne, nicht über­

zeugend. Richtig ist, daß das Nachlaßgericht solche Zwangsgewalt nicht hat. Denn die Art. 15, 17 preuß. FrG. setzen voraus, daß das Gericht berechtigt

11. Erbrecht.

296

BGB. § 2003.

ist, die zu erzwingende Verpflichtung durch Verfügung aufzuerlegen, und solche

Berechtigung steht hier dem Nachlaßgericht nach der gesetzlichen Ordnung der Jnventarerrichtung ebensowenig zu, wie ein Miterbe die Mitwirkung der anderen Miterben verlangen kann.

Das Nachlaßgericht bedarf aber auch zur

Errichtung eines Inventars der Mitwirkung des weigernden Miterben ebenso­

wenig, wie der antragstellende Miterbe.

Es kann vielmehr auf Grund der

Angabe des letzteren und der etwa sonst bekannten Tatsachen jederzeit das Inventar so vollständig aufstellen, als es nach Lage der Sache möglich ist, ohne daß eine von Antragstellern nicht verschuldete Unvollständigkeit die nach­

teiligen Folgen des § 2005 BGB. für ihn hat. Entscheidend für die auf­ geworfene Frage, ob ein einzelner Miterbe daS Antragsrecht aus § 2003 hat, ist folgendes: Der § 2003 steht im inneren Zusammenhang mit den §§ 1993

und 1994. Wenn nach diesen Bestimmungen ein einzelner Miterbe zur Ein­ reichung eines Inventars berechtigt ist oder einem einzelnen Miterben auf Antrag eines Gläubigers eine Frist zur Jnventarerrichtung bestimmt werden kann, dann muß der einzelne Miterbe auch das Antragsrecht aus § 2003 haben, da es nur eine Ergänzung des Rechts zur Jnventarerrichtung selbst ist. Mit dem Obersten Landesgericht München in Jahrbuch 25 S. 329 ist an­

zunehmen, daß ein Gläubiger sich darauf beschränken kann, einem einzelnen

Miterben eine Jnventarfrist stellen zu lassen. Selbst die allen Miterben bestimmte Jnventarfrist läuft nach § 1995 BGB. für jeden einzelnen besonders und von möglicherweise verschiedenen Anfangsterminen an; sie kann auch für jeden verschieden lang bemessen sein (vgl. Planck Sinnt. 2 zu ß 2063 BGB.). Der einzelne Miterbe kann, wie oben gesagt, seine Miterben nicht zwingen,

das Inventar zu errichten oder dabei mitzuwirken.

Er muß also im Falle

des § 1994, wenn ihm eine Frist bestimmt ist, das Recht haben, das Inventar allein zu errichten, nm sich gegen die Nachtelle des § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB. sichern zu können.

Dann ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb ihm dieses

Recht nicht auch ohne Fristsetzung im Falle des § 1993 zustehen sollte, um sich vorsorglich zu sichern. Überdies erkennt der § 2063 BGB. die Möglich­

keit der Errichtung des Inventars durch einen einzelnen Miterben ausdrück­ lich an und regelt die Folgen für die übrigen Miterben.

Wenn aber ein

einzelner Miterbe das Recht aus § 1993 hat und dem § 1994 unterliegt, so

muß ihm nach dem Zusammenhang des Gesetzes auch das Recht aus § 2003

zugestanden werden. Daß dem Beschwerdeführer, dessen Vertreter ihn augen­ scheinlich durch seinen Antrag nicht gegen die unbeschränkte Haftung für die Nachlaßschulden sichern will, sondern den Antrag irrtümlicherweise als ein Mittel ansieht,

seine Ansprüche

gegen die Erbschaftsbesitzerin geltend zu

machen und sie zur Vorlegung eines Bestandsverzeichniffes zu zwingen, die Aufnahme eines Nachlaßinventars durch das Nachlaßgericht in Gemäßheit

der oben entwickelten Grundsätze keine Förderung des verfolgten Zweckes gewährt, ist kein Grund, seinen Antrag, der sich ausdrücklich auf § 2003 DGB. stützt, abzulehnen.

11. Erbrecht.

BGB. 8 2113.

297

Unter diesen Umständen hängt der Erfolg der weiteren Beschwerde von der Beantwortung der durch das Landgericht unentschieden gelassenen Frage ab, ob die Erblasser von ihren gesetzlichen Erben, darunter dem Beschwerde­ führer, oder von ihrer Tochter E. kraft letztwilliger Verfügung allein beerbt worden sind.

Diese Frage ist in ersterem Sinne zu entscheiden.

Denn die

vom Gemeindevorsteher am 9. April 1906 aufgenommene Urkunde enthält

dem Inhalt der darin beurkundeten Erklärungen nach überhaupt kein Testa­

ment der Erblasser, sondern den Ausdruck ihres Willens, daß sie ihre Büdner­

stelle ihrer Tochter E. gegen Gewährung eines Altenteils übertragen, also einen Gutsüberlassungsvertrag unter Lebenden, welcher schon vor dem Tode der Erblasser sofort in Wirksamkeit treten sollte, aber wegen Nichtbeobachtung der Form des § 313 BGB. nach § 125 BGB. nichtig ist.

Daß diese Er­ klärung dem Wortlaut nach als letzter Wille bezeichnet ist, kann sie bei der Unzweideutigkeit des Inhalts nicht zu einem Testament machen.

B.

o) Zustimmung des Rachcrbcn z« Verfügungen des befreite« Bor­

erben über Rachlotzhypotheke«. «) Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 28. Juni 1906.

Die Ausführungen des LG., daß der befreite Vorerbe zur unentgeltlichen

Aufhebung einer der Nacherbschaft unterliegenden Grundschuld nur in Gemein­ schaft mit den Nacherben befähigt sei; daß die Frage, ob solche Verfügung entgeltlich oder unentgeltlich sei, sich (von einer etwaigen Offenkundigkeit ab­

gesehen) im Grundbuchverkehr nur durch eine Erklärung der Nacherben mit Sicherheit feststellen lasse; und daß deshalb der Grundbuchrichter berechtigt sei, die vom Vorerben bewilligte Löschung von der Beibringung einer Er­ klärung der Nacherben abbängig zu machen, entspricht den §§2113, 2114, 2136, dem § 29 GrBO. und den dazu ergangenen Beschlüssen des RG. im RIA. 6 S. 140 und des KG. im Jahrbuch 30 S. 261. Als Inhalt der beizubringenden Erklärung der Nacherben bezeichnet das LG. ihre Zustimmung zur Verfügung der Vorerbin. Notwendig ist dies nicht.

Es würde nicht rechtsirrtümlich sein, wenn der Grundbuchrichter sich mit einem in der Form des § 29 GrBO. abgegebenen Zugeständnis der Nach­

erben begnügte, daß die Verfügung der Vorerbin entgeltlich sei. Denn sofern der Grundbuchrichter die Überzeugung gewinnt, daß dieses Zugeständnis der

Wahrheit entspricht, fällt damit die Möglichkeit der Unwirksamkeit der Ver­ fügung des Vorerben aus § 2113 Abs. 2 und 3 hinweg. Anderseits ist aber

eine Gesetzesverletzung in der Anforderung des LG. nicht zu finden. Denn es ist Frage tatsächlicher Würdigung, ob solches Zugeständnis die zugestandene Hat der Grundbuchrichter in dieser Hinsicht Zweifel, so kann er die Beibringung einer Zustimmung fördern, die nach § 185 die Ver­ Tatsache beweist.

fügung des Vorerben auch dann wirksam macht, wenn sie unentgeltlich ist und deshalb nach § 21132 an sich mit dem Eintritt der Nacherbfolge unwirk­ sam werden würde.

Schließlich läßt sich auch dagegen keine rechtliche Einwendung erheben.

11. Erbrecht.

298

BNB. § 2113.

daß das LG. die Beibringung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung

zu der von dem Pfleger der einen Nacherbin abgegebenen Zustimmung fordert. Die Zustimmung ist allerdings, soweit die Verfügung der Vorerbin entgeltlich ist, keine Verfügung über die Grundschuld, da sie unter dieser Voraussetzung

materielle Bedeutung nicht hat.

Wenn aber die Löschungsbewilligung der

Vorerbin unentgeltlich ist und deshalb beim Eintritt der Nacherbfolge un­

wirksam werden würde, so enthält die Zustimmung der Nacherben nach § 185 eine materielle Voraussetzung für das teilweise Erlöschen der Grundschuld, ist deshalb auch selbst als Verfügung über sie anzusehen und bedarf, soweit sie von einem Pfleger ausgeht, nach § 1915 und § 1822 Nr. 13 der Ge­

nehmigung des Vormundschaftsgerichts.

Da der Grundbuchrichter mit der

Möglichkeit rechnen darf, daß die Verfügung der Vorerbin unentgeltlich ist, so darf er auch die für diesen Fall nötige Genehmigung des Vormundschafts­

gerichts fordern und es ist auch für ihn ohne Bedeutung, ob die Nacherben zur Zustimmung verpflichtet sind, da das Gesetz in dieser Hinsicht einen Unterschied nicht macht.

Anders würde die Sache nur liegen, wenn der

Grundbuchrichter sich an Stelle der Zustimmung der Nacherben mit ihrem

Zugeständnis begnügte, daß die Verfügung der Vorerbin entgeltlich sei.

In

solchem Zugeständnis liegt kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1822 Nr. 13.

Es bedarf deshalb keiner Genehmigung durch den Gegenvormund oder das

Vormundschaftsgericht.

A.

ß) Löschung der vom Borerbe« bezahlten, ans dem Nachlatzgrnndftück eingetragene« Hypothek. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 28. Juni 1906.

Auch wenn die Vorerbin die Zahlung aus anderen Mitteln geleistet hat, ist die Zustimmung der Nacherben zur beantragten Löschung unentbehrlich.

Denn nach § 27 GrBO. darf eine Hypothek nur mit Zustimmung des Eigen­ tümers gelöscht werden.

Diese Bestimmung beruht auf der Erwägung, daß

durch die Löschung — abgesehen von dem Falle der Berichtigung — ver­

möge der Vorschriften des BGB. über die Eigentümerhypothek das Recht des Eigentümers stets betroffen wird (Denkschrift S. 161). Wird also seine Mitwirkung deshalb gefordert, weil die Löschung ihm die Möglichkeit ent­ zieht, bei Eintritt der Voraussetzungen des § 1163 oder § 1168 die Hypothek

als Eigentümerhypothek (-grundschuld) zu erwerben, so stellt sie sich als eine

Verfügung über die Hypothek, nämlich als eine unmittelbar auf ihre Be­

seitigung gerichtete Willenserklärung dar (Jahrbuch 22 S. 141).

Da sie ein

Ausfluß des Eigentums ist, kann sie wirksam nur von demjenigen ausgehen, dem die Verfügung über das Eigentum und damit, falls die Hypothek zur

Eigentümerhypothek (-grundschuld) werden sollte, die Verfügung über diese zustehen sollte. Steht die Befugnis einem anderen als dem Eigentümer

zu, so ist die Zustimmung des anderen erforderlich und genügend (Rsp. 10 S. 70). Ist der Eigentümer in der Weise beschränkt, daß er nur mit Zu­ stimmung eines Dritten über die Eigentümerhypothek verfügen könnte, wenn

sie entstände, so bedarf es auch der Zustimmung des Dritten zur Löschung.

Gesetzt also selbst den Fall, daß die Hypothek zurzeit nicht zum Nachlaß gehörte, sondern der Vorerbin S. als eigenes vom Recht der Nacherben freies Vermögen zustande, so müßte doch wegen der Möglichkeit, daß sie künftig durch ihren Verzicht oder in sonstiger Weise als Eigentümerhypothek oder

-grundschuld in den Nachlaß fallen kann, die Zustimmung der Nacherben zur Löschung gefordert werden, weil nach §§ 2114 und 2113 der Vorerbe eine Nachlaßhypothek nur mit Zustimmung der Nacherben löschen lassen kann (Jahrbuch 30 S. 261).

Ein Grund, die Eigentümerhypotheken oder -grund-

schulden nicht zu den Hypotheken und Grundschulden im Sinne des § 2114

zu rechnen, besteht nicht. Denn wie man sie auch rechtlich konstruieren mag, so ist doch soviel sicher, daß das BGB. sie als Hypotheken und Grundschulden

bezeichnet und die aus ihnen fließenden Rechte in den §§ 1197, 1177 nicht durch Aufzählung im einzelnen, sondern durch Ausscheidung einzelner, den fremden Grundschuldgläubigern zustehenden Rechte bestimmt.

Der Eigentümer

als Inhaber einer Hypothek oder Grundschuld hat danach namentlich das Recht, bei der Verteilung der Kaufgelder im Falle einer gerichtlichen Zwangs­

versteigerung die Hypothek oder Grundschuld für sich geltend zu machen.

Der gesetzlichen Anwartschaft auf dieses Recht gehen die Nacherben des Nach­

lasses, zu dem das belastete Grundstück gehört, durch die Löschung der Hypothek verlustig. Der Antrag der Vorerbin auf Löschung enthält deshalb eine Verfügung über die Hypothek oder Grundschuld, durch welche im Falle

des Eintritts der Nacherbfolge das Recht der Nacherben vereitelt werden würde. Hieraus ergibt sich zugleich, daß die durch den Pfleger der minder­ jährigen Nacherben zur Löschung abgegebene Zustimmung nach den §§ 1915, 1812 mangels des Vorhandenseins eines Mit- oder Gegenpflegers der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Denn die künftige Eigen­ tümerhypothek oder -grundschuld, über welche durch die Zustimmung verfügt wird, ist, da sie im Versteigerungsverfahren Anspruch auf den Erlös gibt, ein Recht im Sinne des § 1812, kraft dessen eine Leistung verlangt werden kann. Zn.

/) Auslegung von Nacherbcncinsctzung. OLG. Karlsruhe, IV. ZS.

Beschluß v. 23. Februar 1906.

Der vom Notariat ausgestellte Erbschein geht davon aus, daß Anna N.

und ihre Kinder je zu gleichen Teilen Nacherben der Helene A. Kinder sein sollen. Mit Recht hat aber das Landgericht aus dem übrigen Inhalt des Testaments der Magdalena K. den Schluß gezogen, daß zunächst nur die Anna N. Nacherbin der Helena A. Kinder sein solle. Daß dies der Wille der Erblafferin war, ergibt sich auch aus den übrigen jetzt vorliegenden

Testamentsentwürfen derselben. Im Testament von 1901 heißt es, daß wenn

Helene A. und deren etwaige Kinder ohne Nachkommen sterben sollten, dieses Vermögen an Anna N. und eventuell deren Nachkommen zu gleichen Teilen

(die Eheleute N. haben, wie feststeht, zwei Kinder) fallen solle.

In ähnlicher

Weise drückt sich der weitere bei den Akten befindliche Entwurf ohne Datum

aus, nach welchem Anna N., eventuell deren Abkömmlinge, als Nacherben bestellt werden. Hiernach entspricht der Erbschein des Notariats nicht der Sachlage, und es hat dessen Einziehung zu erfolgen.

Auf diese Entscheidung

hat sich aber das Beschwerdegericht zu beschränken; es erscheint nicht zulässig,

daß es die Erteilung eines neuen Erbscheins angeordnet hat, eine Anordnung, welche vielmehr dem Notariat selbst überlassen werden muß (IW. 1905 Dr. E.r.

S. 642).

S) Legitimation des Borerben? OLG. Hamburg, I. ZS. Beschluß v. 14. Januar 1907.

Die Löschung der auf Namen des verstorbenen A. eingetragenen Hypo­ thek ist von der Witwe als der Erbin bewilligt worden. Sie hat den Nach­ weis der Erbfolge durch einen Erbschein geführt, kann ihn nebenbei bemerkt auch nicht anders führen, weil die letztwillige Verfügung, auf die sie ihre Eigenschaft als Erbin gründet, nicht in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist (§ 36 GrRO.).

Nach dem Erbschein sind für den Fall der Wiederverhei­

ratung der Witwe und für den Fall ihres Todes, wenn sie nicht anderweitig

letztwillig verfügt hat, Nacherben ernannt.

Nach § 21131 ist daher für die

beantragte Eintragung nicht nur die Bewilligung der Vorerbin sondern auch die der Nacherben erforderlich. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, das Testament enthalte die im § 2137 behandelten Verfügungen und die Witwe sei befreite Vor­ erbin im Sinne des § 2136. Allein hat das Testament eine der im § 2137 vorgesehenen Verfügungen enthalten, so war das nach § 2363 im Erbschein anzugeben. Der Erbschein enthält eine solche Bemerkung nicht. Er weist die Witwe daher nicht als befreite, sondern als nicht befreite Vorerbin aus.

Sein Inhalt ist nach § 36 GrBO. für das Grundbuchamt maßgebend. Glauben die Beteiligten, daß der Erbschein unrichtig ist, so werden sie beim de Nach­ laßgericht die Erteilung eines richtigen Erbscheins zu beantragen haben. M.M.

p) Zulässigkeit der Ernennung eines Testamentsvollstreckers, wenn in einem vor 1. Jaanar 1900 errichteten Testament die Anordnung einer Kuratel bestimmt ist. OLG. Rostock, I. ZS.

Beschluß v. 12. Juni 1906.

In seinem am 29. März 1894 errichteten Testament hatte

der am 23. Januar 1902 verstorbene Testator die Kinder seiner einzigen Tochter zu Erben eingesetzt und weiter bestimmt, daß seine Tochter den lebenslänglichen

Nießbrauch am ganzen Nachlaß haben und daß, so lange sie lebe, für die Verwaltung des Nachlaßvermögens eine Kuratel eingerichtet werden solle. 1 Da der Nacherbe vor Eintritt der Nacherbsolge weder für sich selbst noch für den Vor­ erben einen Erbschein beantragen kann (Nsp. 11 S. 267), so ist das Nachlaßgericht auch nicht

berechtigt, von dem den Erbschein nachsuchenden Vorcrben die Beibringung einer vom Nach­ erben abzngebenden Versicherung an Eidesstatt zu fordern: denn diese Versicherung hat nur

der Antragsteller, im Falle deS § 2357 vielleicht auch ein Miterbe, der nicht Antragsteller ist, keinesfalls aber ein zur Stellung des Antrags Nichtbcrechtigter abzugcben (KG. I. ZS. irl'lust vom 11. Oktober 1906).

Be-

Beim Tode des Testators waren die Kinder der Tochter volljährig.

Nachlaßgericht ernannte einen Testamentsvollstrecker. Erben wurde diese Ernennung bestätigt.

gewiesen.

Das

Auf Beschwerde der

Die weitere Beschwerde ist zurück­

In den Gründen wird ausgeführt:

Durch die seit 1. Januar 1900 eingetretene Gesetzesveränderung wird bewirkt, daß die Bestimmungen des Testaments nicht in vollem Umfang auf­

recht erhalten werden können, besonders da der Testamentsvollstrecker nicht unter Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts steht. Es ist jedoch keine Verletzung des Gesetzes, wenn bei solcher Sachlage Anordnungen getroffen

werden, durch welche, soweit möglich, den testamentarischen Bestimmungen Es ist deshalb schon wiederholt in gerichtlichen Ent­

nachgekommen wird.

scheidungen als zulässig anerkannt, in der Anordnung einer Kuratel die An­ ordnung der Einsetzung eines nach § 2200 BGB. vom Nachlaßgericht zu er­ nennenden Testamentsvollstreckers zu finden. Daß dann die Aufsicht durch das vormundschaftliche Gericht sortfällt, ist eine unvermeidliche Folge der Änderung des Gesetzes. Chr.

q) Rechtliche Stellung eines letziwillig dem Testamentsvollstrecker zugeordnete« Rechisbetstaudes. Testamentarisch bestimmtes Honorar desselben. Kammergericht, III. ZS. Urteil v. 9. November 1906. ... Der Kläger stützt seinen Anspruch darauf, daß er durch das Testament mit einem Vermächtnis in Höhe von 600 Mark jährlich bedacht sei. Diese Auffassung ist jedoch, wie schon das Landgericht dargelegt hat, unzutreffend. Denn es fehlen der Anordnung die wesentlichen Begriffsmerkmale des Ver­ mächtnisses. Die Bestimmung enthält nicht die Zuwendung eines Vermögens­

vorteils: Der Erblaffer selbst bezeichnet die Summe als „Honorar", also als Entgelt für geleistete Dienste. Diese Summe ist auch nicht etwa so hoch,

daß sie in Ansehung der Tätigkeit des Beistandes als Zuwendung eines be­ sonderen Vorteils angesprochen werden könnte. Ebensowenig ist die An­

ordnung erkennbar zugunsten des Klägers erfolgt. Lediglich im Interesse des Nachlasses und der Erben ist vielmehr offenbar die fragliche Anordnung getroffen.

Ist dies aber der Fall, so kann von der Aussetzung eines Ver­

mächtnisses nicht die Rede sein.

Auch aus den vom Kläger überreichten

Urteilen ergibt sich nichts für das Vorliegen eines Vermächtnisses.

Das Reichsgericht führt in seinem Urteil vom 8. November 1886 vielmehr aus, es handele sich um eine testamentarische bestimmte Vergütung künftiger Leistungen svgl. auch noch Motive V S. 245 zu § 1909; Staudinger V S. 334; Neumann, Kommentar II S. 574]. Die Annahme, daß ein

Vermächtnis vorliege, widerspricht auch der vermutlichen Absicht des Erblaffers.

Denn es ist nicht anzunehmen, daß dieser jedem als Beistand in

Funktion tretenden Anwalt, auch solchen, die er gar nicht kannte, ein Vermächtnis habe zuwenden wollen, was doch die notwendige Konsequenz sein würde.

Der erste Richter geht jedoch in seiner Entscheidung fehl, wenn er den

Beklagten schon um deswillen klaglos stellt, weil ein Vermächtnis nicht vor­

Die Klagbarkeit des Anspruchs ergibt sich vielmehr aus dem Wesen

liegt.

der

Testamentsvollstreckung.

Gemäß §§ 2203,

2208 BGB.

kann

der Erblasser die Rechte des Testamentsvollstreckers auf Verwaltung des Nachlasses (§ 2205 BGB.) beschränken. Eine solche Beschränkung liegt darin, daß er ihn verpflichtet, sich eines christlichen Anwalts als juristischen

Beirats zu bedienen.

Denn durch die Ernennung eines solchen Beistandes

wird ein Teil der sonst dem Testamentsvollstrecker zustehenden Rechte und

Pflichten auf jenen übertragen. Der Beistand erhält daher selbst die Stellung eines Testamentsvollstreckers mit der dahin eingeschränkten Befugnis in Verpflichtung, daß er in den Rechtsangelegenheiten der Verwaltung des Nach­ lasses den Verwalter zu unterstützen hat.

Er hat deshalb auch einen ebenso

gearteten Anspruch auf Vergütung für seine Bemühungen wie jeder andere

Testamentsvollstrecker. Der § 2221 BGB. gewährt einem solchen aber einen Anspruch auf angemessene Vergütung, vorausgesetzt natürlich, daß der Erb­ lasser nicht anders in dieser Beziehung verfügt hat.

r)

Z.

Kein Aufsichtsrccht des Gerichts über de« Testamentsvollstrecker.

Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 17. Januar 1907. Wenn der Testamentsvollstrecker die ihm zustehenden Befugnisse über­ schreitet, so muß den in ihrem Rechte beeinträchtigten Beteiligten überlassen bleiben, ihre Rechte dem Testamentsvollstrecker gegenüber im ordentlichen

Rechtswege zu verfolgen.

Ein Aufsichtsrecht über die Führung der Ver­

waltung durch den Testamentsvollstrecker steht dem Nachlaßgericht nicht zu. Das Nachlaßgericht ist daher weder zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker hinsichtlich der Berechtigung einzelner Verwaltungshandlungen des Testamentsvollstreckers, noch (abgesehen von dem gegenwärtig nicht in Frage kommenden Falle des § 2216 BGB.) zu einer Be­ schränkung der dem Vollstrecker zustehenden Berwaltungsbefugniffe, für welche die Bestimmungen des Testaments maßgebend sind, zuständig. Daß dem er­ nannten Vollstrecker eine grobe Pflichtwidrigkeit zur Last fiele, daß er zur Führung des Amtes unfähig sei oder daß sonst in seiner Person liegende

Tatsachen, welche seine Entlassung erforderlich erscheinen ließen, vorhanden seien, ist weder in der Beschwerde dargetan noch sonst ersichtlich. B.

Testamentsform. Doppeltes Datum eines eigenhändige« Testa­ ments, von denen jedes für sich ««vollständig ist. s)

a) Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 14. Februar 1907. Das eigenhändige Testament des am 23. Oktober 1906 zu Innern ver­ storbenen Rittergutsbesitzers Arnold M. — I. lautet:

Vordruck: M. — I. (Name des Testators)

Adl. Innern den ....

hinter diesem Vermerk folgt handschriftlich.... 11. August 1906.

Für den Fall meines Todes rc Arnold M. — I. Adl. Innern im August 1906.

Seine Witwe hat die Ausstellung eines Erbscheins beantragt.

Das

Amtsgericht und das Landgericht haben den Antrag zurückgewiesen unter anderen aus dem hier allein interessierenden Grunde, weil das Testament

formell ungültig sei.

Aus den Gründen:

Zwar ist, wie auch die Beschwerdeführerin nicht verkennt, die Ansicht

der Vorinstanzen unbedenklich zutreffend, daß die in dem Vordruck enthaltene

Ortsangabe nicht geeignet ist, die in §2231 Ziffer 2 BGB. erforderte Angabe des Ortes darzustellen, da das Gesetz ausdrücklich die eigenhändige Nieder­ schrift des gesamten Testamentsinhalts, zu dem auch die Ortsangabe gehört, erfordert (KGJ. 21 S. 222). Indessen ist aus diesem Grunde an und für sich nur die vorgedruckte Ortsangabe unwirksam; die eigenhändigen Bestimmungen des Testaments würden um deswillen nur hinfällig sein, wenn

anzunehmen wäre, daß der Testator sie für den Fall, daß jene Ortsangabe ungültig ist, nicht getroffen haben würde. Dieses ist für den Fall der Un­ wirksamkeit einer von mehreren in einem Testamente enthaltenen Verfügungen in § 2085 BGB. bestimmt (vgl. Entsch. des RG. 63 S. 23, 291).

Grundsatz

muß

um so mehr

gelten,

wenn

die

Ungültigkeit

Dieser

nur einen

— wie unten zu erörtern — entbehrlichen Teil des Testaments betrifft.

Dafür, daß der Erblasser für den Fall, daß der Vordruck unwirksam sei, die

Ungültigkeit seiner handschriftlichen Anordnungen gewollt habe, ist ein Anhalt von den Vorinstanzen nicht festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich; im Gegenteil spricht der Umstand, daß er zum Schluß die Ortsangabe hand­

schriftlich wiederholte, ganz unbedenklich dafür, daß er der gedruckten Orts­ bezeichnung keine maßgebende Bedeutung beilegte. Nach dem Grundsatz: „utile per inutile non vitiatur“ wird diese handschriftliche Ortsangabe durch die erste gedruckte Angabe nicht hinfällig und unwirksam (Jahrbuch 22 S. 50);

Es ist also zu erwägen, ob die beiden Angaben des Ortes und Tages der Errichtung am Anfang und am Schluffe des Testaments nicht als Ganzes ctüzusehen sind und dann den Vorschriften des § 2232 Ziffer 2 BGB. genügen

(vgl. Jahrbuch 22 S. 51). Unwesentlich ist hierbei, daß die letzte Angabe des Ortes sich unter der Unterschrift des Testators befindet; denn diese Angabe bildet keinen Teil der letztwilligen Verfügung selbst, ihre Stellung ist also nebensächlich (Planck Bem.II 4a und Staudinger Bem. VC2 ju§ 2231); es reicht für die Gültig­ keit des eigenhändigen Testaments aus, daß die Angabe von Ort und Tag zu der letztwilligen Erklärung in solche Beziehung gesetzt ist, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, daß die Beifügung Ort und Tag der Erklärung, der Testamentserrichtung bezeichnen soll und bezeichnet (vgl. Entsch. des RG. 52

S. 369, Kammergericht Jahrbuch 21 S. 56, 22 S. 49, 29 S. 56 und 69

sRsp. 5 S. 349, 7 S. 363]). Im vorliegenden Fall ergibt nun das Testament, daß ihm am Anfang die Angabe des Tages 11. August 1906, am Schluffe die Angabe des Orts:

Adl. Innern beigefügt ist; beide Angabe stehen im unmittelbaren räumlichen

Zusammenhangs mit der eigentlichen letztwilligen Verfügung, so daß ihre Be­ deutung als Ort und Tag der Errichtung keinem Zweifel unterliegen kann.

Wenn dann am Schlüsse der Erblasser nochmals eine Zeitangabe, allerdings in der allgemeiner und unbestimmter gehaltenen Fassung „im August 1906" beifügte, so ist diese unwirksam, weil sie der Angabe des Tages (§ 2231

Ziff. 2 BGB.) ermangelte; ihre Unwirksamkeit steht aber der Gültigkeit des sonstigen Testaments aus denselben Gründen, wie oben hinsichtlich des Vor­ drucks der Ortsangabe erörtert, nicht entgegen. Wird daher das eigenhändige Testament mit seinen handschriftlichen Eingangs- und Schlußangaben als Ganzes betrachtet, so genügt es allen in

§ 2231 Abs. 2 a. a. O. aufgestellten Formerfordernissen und enthält nament­ lich eigenhändige Angaben des Erblaffers sowohl über den Ort und den Tag der Errichtung. Auch das Landgericht hat nicht verkannt, daß die Angaben des Ortes und der Zeit der Testamentserrichtung nicht zusammenstehen müssen, daß ferner die beiden Zeitangaben „11. August 1906" und „im August 1906" sich

nicht widersprechen.

Es meint aber, daß die obere Angabe Adl. I. den

11. August 1906 ebenso eine einheitliche Angabe über Ort und Zeit der Er­ richtung bilde, wie die untere „Adl. I. im August 1906" und jede für sich be­

sonders beurteilt werden müsse, und daß daher im vorliegenden Falle nicht die eine zur Ergänzung der anderen herangezogen werden könne. Dies ist rechts­ irrig. Unbegründet sind auch die Zweifel des Landgerichts, ob nicht die Errichtung des Testaments zu einer anderen Zeit als am 11. August 1906

stattgefunden habe, da sonst kein ersichtlicher Grund vorliege, der den Erb­ lasser zu der zweiten Datierung veranlaßt haben könnte. Dem daraus ge­ folgerten Bedenken, daß es dem Testament an einer dem Tage der Errichtung

zweifellos entsprechenden Zeitangabe fehle, kann nicht beigetreten werden. Ein Widerspruch zwischen der Zeitangabe zum Anfang und der zum Schluffe des Testaments besteht nicht; erstere ist bis auf den Tag genau gefaßt, letzteke ungenau. Die Ungenauigkeit bewirkt ihre Ungültigkeit im Sinne des § 2231 Ziff. 2 BGB., diese ihre Ungültigkeit kann aber die völlig bestimmte und dem

Gesetze enffprechende Zeitangabe zum Anfang nicht berühren. Es ist in der Tat kein zwingender Grund ersichtlich, weshalb eine ungenaue Wiederholung der Zeitangabe zum Schluffe von Einfluß aus eine frühere genaue sein solle. Diese genaue, sestgestelltermaßen ebenso wie das ihr nachfolgende Testa­ ment vom Erblaffer eigenhändig gefertigte Zeitangabe begründet die Ver­

mutung der Richtigkeit des Datums (Jahrbuch 31 S. 107) und hat bis zum

Nachweise der Unrichtigkeit als richtig zu gelten (Oberstes Landesgericht München in Deutsche Jur.-Zeitung 1906 S. 548).

Bis zu diesem Nachweise

enthält das Testament also eine bestimmte, dem Gesetze entsprechende Zeit­

Es bedarf daher keines Eingehens auf die Frage, ob das Testament nichtig ist, falls die Datierung unwahr wäre (vgl. Entsch. des NG. 5l S. 169; angabe.

Kammergericht Jahrbuch 31 S. 103)....

W.

11.

BGB. §".2242.

Erbrecht.

A Auslegung' des tz 22422.

305

Event. Widrrklaganträge.

OLG. Naumburg, V. ZS.

Urteil v. 5. Dezember 1906.

Der Kläger hatte mit A. und B. einen Erbvertrag geschloffen, in dem A. und B. den Kläger zum Erben einsetzten und dieser fich verpflichtete, jene

lebenslänglich zu verpflegen.

Nach dem Tode des A. hat der Beklagte, sein

einziger gesetzlicher Erbe, einen Erbschein erwirkt und sich darauf hin als

Eigentümer eines zum Nachlaß A. gehörigen Grundstücks eintragen kaffen. Der Kläger verlangt Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs durch

Eintragung seines Eigentums. Der Beklagte hält den Erbvertrag aus § 2342* für nichtig und verlangt widerklagend die Feststellung seines Erb­

rechts, event. Zahlung des Pflichtteils.

Aus den Gründen:

Zunächst ist der Erbvertrag nicht deswegen ungültig, weil da- Protokoll statt der Unterschrift des Erblassers die Feststellung enthält, er habe erklärt,

nicht unterschreiben zu können. Nach § 22422 ist allerdings die Erklärung des Erblaffers, daß er nicht schreiben könne, im Protokoll festzustellen. Da aber die Feststellung diese mangelnde Unterschrift des Erblaffers ersetzen

soll, so wird auch mit der Feststellung, daß der Erblasser erklärt hat, nicht unterschreiben zu können, dem § 22422 genügt. Zudem ist in-der Erklärung des Erblassers, daß er nicht unterschreiben könne, die Erklärung, daß er

nicht schreiben könne, enthalten. Denn es gibt zwar Personen, die nur ihren Namen schreiben, also zwar unterschreiben, aber sonst nicht schreiben können. Aber ausgeschloffen ist, daß jemand, der sonst schreiben kann, nicht auch unterschreiben könne.

Sakral in dem Sinne, daß jede Abweichung den

Wäre es zulässig, den Inhalt der Erklärung nicht nur aus der Feststellung im Protokoll, sondern Akt nichtig machen müßte, stnd die Gesetzesworte nichts

auch durch das Zeugnis der llrkundspersonen zu ermitteln, so hat nach dem Zeugnis des Notar- der Erblasser auf die Frage, ob er noch schreiben könne,

erklärt- er könnte nicht mehr gut sehen, sondern habe nur noch einen Schimmer,

und damit die Frage des Notars verneint.... Die eventuellen Widerklaganträge stehen mit dem Klaganspruch im recht­ lichen Zusammenhang, da die Ansprüche auf ein gemeinsames Rechtsverhältnis zueinander stehen (IW. 1903 S. 65").

Der Pflichtteilsanspruch des Be­

klagten ist durch dieselbe Verfügung verletzt, durch die das den Klagegrund bildende Erbrecht des Klägers begründet ist; wäre dieser nicht Erbe geworden, wäre der Beklagte im Pflichtteil nicht verletzt worden.

Der Beklagte hat ferner nicht eine eventuelle Widerklage im gewöhnlichen 1 Zu der Auslegung, daß die Unterschriften der mitwirkenden Personen unterhalb der­

jenigen des Erblassers stehen müßten, nötigen die §§ 2241 f. nicht;

vielmehr ist nach Wort­

laut und Sinn des Gesetzes unter „Protokoll" nur der Text der Urkunde zu verstehen.

Der

Umstand, daß der Namenszug des einen Zeugen neben demjenigen des Erblassers steht, beein­

trächtigt

daher,

weil sämtliche Unterschriften unterhalb des Textes sich befinden, die Form­

gültigkeit des Testaments nicht (KG. I. ZS. Beschluß v. 5. April 1906; vgl. Rsp. 10 S. 310). * Deshalb genügt, daß die Erklärung des Erblassers, nicht schreiben zu können, über­

haupt aus dem Protokoll zu entnehmen ist (IW. 1907 S. 260 Nr. 21).

OLGVisp. xiv.

Sinn, nämlich für den Fall, daß die Klage nicht abgewiesen werde, sondern eine unbedingte erhoben und die Eventualanträge nur für den Fall gestellt, daß dem Hauptantrage der Widerklage nicht entsprochen werde.

Da für

die Klage und Widerklage grundsätzlich dasselbe gilt (Gaupp-Stein zu

§ 281 ZPO.), ist die Zulässigkeit der Eventualanträge der Widerklage davon abhängig, wieweit überhaupt Eventualanträge zulässig sind.

Dies ist aber

dann zu verneinen, wenn eine wirkliche Klageverbindung vorliegt, nämlich eine Mehrheit von Anträgen, die aus verschiedenen Tatbeständen abgeleitet

werden, der eventuelle Antrag also auf einen Tatbestand gestützt ist, der von dem Tatbestand wesentlich abweicht, auf den der Prinzipale Antrag gestützt ist.

Denn die Klagerhebung verträgt wegen der damit eintretenden Wirkungen

der Rechtshängigkeit, die als bedingte nicht gedacht werden können, keine Be­

dingung, und eine solche liegt vor, wenn der Kläger den zweiten Anspruch nur für den Fall anhängig machen will, daß der erste nicht durchdringt (Gaupp-Stein II zu § 260 ZPO.; Wilmowski-Levy 6 zu 8 230). Dasür sprechen durchaus die Erwägungen des RG. 40 S. 331 und dagegen spricht nicht das von Gaupp-Stein als abweichend angeführte Urteil IW. 1902 S. 251, wo der Eventualantrag aus einem Tatbestand abgeleitet war, der mit den dem Prinzipalantrag zugrunde gelegten Tatbestand nicht unvereinbar

war. Hier liegt der Fall wirklicher Klageverbindung vor. Prinzipaliter behauptet der Beklagte, er sei Erbe des A. geworden und leitet daraus den

Anspruch auf Anerkennung seines Erbrechts ab, eventuell behauptet er, der Kläger sei Erbe des A. geworden und begründet damit den Anspruch auf den

Pflichtteil. Das ist unzulässig, und deshalb sind die Eventualanträge der Wider­ klage abzuweisen. Die Parteien haben die Zulässigkeit aus dem Gesichtspunkt

der Klagänderung erörtert. Die kommt aber gar nicht in Frage, weil Be­ klagter seinen Prinzipalantrag unverändert aufrecht erhalten hat. S.n. t) Trstamcnlsvcrwahrung nach beendeter Rachlatzsache. OLG. Karlsruhe, IV. ZS. Beschluß v. 20. Januar 1907. Die von der verstorbenen Witwe A. eigenhändig geschriebene, unter­

schriebene und mit Ort und Datum versehene Urkunde, welche in der Nachlaß­ verhandlung als Testament eröffnet wurde und deren Rückgabe nunmehr der

Beschwerdeführer, ein Sohn und Erbe der A., nach beendigtem Nachlaß­ geschäft aus den Erbschaftsakten begehrt, weil sie den letzten Gruß der Mutter an ihre Kinder und nur nebenbei einige Wünsche wegen Berteilung von An­ denken enthalte, kann nicht anders denn als Testament aufgefaßt werden, denn sie trägt die Überschrift: „Mein letzter Wille" und enthält im wesent­

lichen nur letztwillige Verfügungen.

Daß letztere sich hauptsächlich auf minder

wertvolle Gegenstände, die den Charakter von „Andenken" haben sollen, be­ ziehen, kann die rechtliche Eigenschaft der Urkunde als Testament nicht ändern. Die Testamente haben aber auch nach deren Eröffnung und nach Beendigung

des Nachlaßgeschäfts bei dem Nachlaßgericht zu verbleiben und sind von dem­

selben aufzubewahren (§ 2264, Motive 4 S. 308;

Planck, Biermann

zu § 2264).

Die Aufbewahrung liegt im öffentlichen Interesse der Rechts­

pflege, um jede Gefahr des unrichtigen Vollzugs, besonders auch widerrecht­

licher Abänderungen der Testamente nach dem Tode der Erblasser zu ver­ meiden, und es ist selbstverständlich, daß von der gesetzlichen Vorschrift nicht zugunsten von Personen, welche aus Pietät für den Verstorbenen die Urkunde

besitzen möchten, Ausnahmen gemacht werden können.

Dr. E. r.

u) Gemeinschaftliches Testament. Mangelnde Unterschrift des einen Ehegatten. Keine Nachholung nach dem Tode des andern. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 28. Juni 1906.

Dem Erfordernisse des § 2267 ist hier nicht genügt, denn die von der

Ehefrau geschriebene Erklärung, „daß obiges (das von ihrem Manne geschriebene

Testament) auch mein Wille ist", ist nicht unterschrieben; der Name der Frau befindet sich vielmehr über dieser Erklärung.

Die mangelnde Unterschrift,

die auch nicht dadurch ersetzt werden kann, daß der Name der Erklärenden

ihre Erklärung einleitet (Jahrbuch 24 S. 180), hat die Nichtigkeit der von der

Frau getroffenen Verfügung zur Folge; diese Nichtigkeit hat wiederum die Un­ wirksamkeit der vom Manne getroffenen Verfügung zur Folge, wenn anzu­ nehmen ist, daß die eine nicht ohne die andere getroffen sein würde (§ 2270 *)....

Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet, als sie sich gegen die Ablehnung des Antrages richtet, der Witwe das Testament zur nachträg­

lichen Vollziehung vorzulegen. Nach § 2264 ist derjenige, welcher ein recht­ liches Interesse glaubhaft macht, berechtigt, von einem eröffneten Testamente Einsicht zu nehmen re. Eine Herausgabe der Urschrift eines eröffneten Testa­ mentes aber findet, wie sich von selbst versteht (Motive 5 S. 308), an eine Privatperson nicht statt. Auf eine, wenn auch nur zeitweilige Herausgabe würde es jedoch hinauskommen, wenn das Testament der Witwe zu dem von

ihr angegebenen Zwecke ausgefolgt würde.

Denn welche Veränderungen sie mit dem Testamente dann tatsächlich vornehmen würde, stände lediglich in

Es ist aber auch eine nachträgliche Vollziehung des gemein­ schaftlichen Testamentes unzulässig. Denn nach dem Tode des Erblassers darf dessen Verfügung nicht mehr verändert werden; insbesondere darf ein gemein­

ihrer Macht.

schaftlich errichtetes korrespektives Testament nach dem Tode eines Ehegatten nicht mehr von dem überlebenden Ehegatten in solcher Weise ergänzt werden,

daß durch diese nachträgliche Erfüllung einer gesetzlichen Formvorschrift das bis dahin im ganzen Umfange wegen Formmangels ungültige Testament nun­

mehr wirksam wird.

Denn die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung

ist lediglich nach den zur Zeit des Todes des Erblassers vorliegenden Um­

ständen zu beurteilen.

Die nachträgliche Vollziehung kann auch schon deshalb

nicht zugelassen werden, weil die Ehe jetzt nach dem Tode des Mannes über­

haupt nicht mehr besteht, und nur Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten können.

v) Pflichtteil.

gleichungspflicht.

Schn.

«) Berechnung

unter Berücksichtigung der Aus-

OLG. Hamburg, VI. ZS.

Urteil v. 15. November 1906.

Die fünf Kinder des Erblaffers haben außer der E., also vier Kinder eine Aussteuer (Ausstattung) von je 2000 Mark bei dessen Lebzeiten erhalten. Wenn

diese Zuwendungen auch vor 1900 erfolgt sind, so ist die Frage, inwieweit

sie auszugleichen sind, gemäß EG. Art. 213 BGB. zu entscheiden (HansGZ. 1906 Nr. 122 S. 175).

Maßgebend für die Ausgleichungspflicht ist daher

§ 2050, wonach die Ausstattungen mangels gegenteiliger Anordnung aus­

gleichspflichtig sind.

Es waren daher nach Zurechnung

sämtlicher Aus­

stattungen von 8000 Mark zum Gesamtnachlaß von 28600 Mark die ein­

zelnen Aussteuern von je 2000 Mark von den gesetzlichen Erbteilen der Kläger wieder abzuziehen, so daß sich der gesetzliche Erbteil eines jeden der

drei klagenden Erbstämme „bei Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht" nicht auf Vs von 36600 = 7320, sondern auf 7320 weniger 2000 Mark stellt. Einen Zweifel an dieser Rechnungsweise könnte höchstens der Umstand er­ wecken, daß dem fünften Kinde des Erblaffers, der E., welche keine Aussteuer

erhalten hat, ein gleich großes Prälegat im Testamente ausgesetzt ist.

Allein

daraus zu folgern, daß der Erblasser durch diese schon von ihm selbst testa­

mentarisch herbeigeführte tatsächliche Ausgleichung der Erbteile hätte aus­ drücken wollen, daß die Aussteuern bei der Auseinandersetzung nicht als Aus­ gleichungsobjekte berücksichtigt werden sollten, erscheint deshalb nicht angängig, weil der Erblaffer, trotzdem er von den Aussteuern in demselbm Satze spricht, in dem er der Tochter E. das Prälegat vermacht, doch eine solche Bestim­ mung nicht getroffen hat. Demnach ist der Pflichteil von 5320 Mark zu be­ rechnen, beträgt also für jeden Kläger 2660, für alle drei 7980 Mark. Wenn Beklagte hiervon unter Berufung auf § 2316* den Betrag von 3000 Mark noch deshalb bestreitet, weil die Hälfte des Conferendum zugleich am Pflicht­ teil zu kürzen sei, so ist das grundlos. § 2316* greift nur Platz, wenn die

ausgleichungspflichtige Zuwendung von dem Erblaffer zugleich „mit der Be­ stimmung" gemacht ist, daß sie auf den Pflichtteil angerechnet werden solle. DaS ist hier nicht der Fall, in der bloßen Tatsache, daß nach dem zur maß­ gebenden Zeit der Zuwendungen in Betracht kommenden Rechte Aussteuern auf den Pflichtteil anzurechnen waren, ist noch keine Bestimmung des Erb­ lassers zu erblicken, daß sie auf den Pflichtteil angerechnet werden sollten.

Zudem bestimmt der Erblasser im § 2 diese Anrechnung auf den Pflichtteil ausdrücklich für den Fall des Zuwiderhandelns gegen das Testament, was er in dieser Weise nicht getan hätte, wenn nach seiner bei der Zuwendung

getroffenen Bestimmung die Anrechnung sowieso erfolgen sollte.

M.M.

ß) Keine Kürzung des Bermächtnisses wegen Verletzung des Erbe« im Pflichtteil. Kammergericht, III. ZS.

Urteil v. 16. Oktober 1906.

Die Berufung der Beklagten auf § 2318 beruht jedoch auf einer miß­ verständlichen Auslegung dieser Vorschrift.

Letztere regelt nämlich lediglich die

Frage, ob und inwieweit der Erbe die ihm Dritten gegenüber obliegende

Pflichtteilslast auf die Vermächtnisnehmer abwälzen darf.

Die Verteilung der

Pflichtteils la st zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer wird in

dem Abs. 3 der angezogenen Bestimmung einer besonderen Regelung für den Fall unterworfen, daß der die Pflichtteilslast tragende Erbe zugleich selbst pflichtteilsberechtigt ist.

Das Gesetz bringt hierbin durch die Worte „wegen

der Pflichtteilslast" deutlich zum Ausdruck, daß der Erbe behufs Erfüllung des Pflichtteilsanspruches eines Dritten sich nicht seinen eigenen Pflichtteil schmälern lassen braucht, vielmehr zu dem gedachten Zwecke

das Vermächtnis, ohne seinen Pflichtteil anzugreifen, kürzen kann.

Der Be­

trag der aus dem fremden Pflichtteil entspringenden Pflichtteilslast ist der Höchstbetrag, bis zu dem sich die Kürzung des Vermächtniffes erstrecken darf. Dagegen besagt die Vorschrift nicht, daß ein Erbe, der die Pflichtteilslast Dritten gegenüber nicht zu tragen hat, ein Vermächtnis zu dem Zwecke, die Verletzung seines eigenen Pflichtteils zu vermeiden, kürzen dürfe.

Vielmehr

kann sich der Erbe gegen die Beeinträchtigung seines eigenen Pflichtteils durch die Auferlegung von Vermächtnissen nur nach Maßgabe des § 2306 BGB. schützen (vgl. Planck Anm. 4 zu §2318 BGB.; Staudinger Anm. 3; Küntzel bei Gruchot41 ©. 613ff.). Da die Beklagte die Alleinerbin des Erblassers ist, so kann sie nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB. ihr Pflichtteilsrecht nur zur Geltung bringen,

wenn sie den ihr hinterlassenen Erbteil ausschlägt.

Das Ausschlagungsrecht Die Sie ist hier durch die

geht aber durch die Annahme der Erbschaft verloren (§ 1943 BGB.).

Annahme bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung.

Stellung des Antrages auf Erteilung eines Erbscheines unzweifelhaft erklärt worden (vgl. Staudinger Anm. III 2 zu § 1943 BGB.).

/) Verjährung der Pflichtteils«-»». Kammergericht, III. ZS.

Urteil v. 23. November 1906.

Der Kläger macht mit der Klage den Pflichtteilsanspruch geltend.

Dieser

verjährt, da der Kläger nach dem Testament als auf den gesetzlichen Pflicht­ teil beschränkt zu erachten ist, in drei Jahren „von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritte des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt" (§ 2332 BGB.). Unstreitig hat der Kläger von dem Erbfall und dem Testament seit mehr als drei Jahren

Kenntnis. Streitig ist zwischen den Parteien, ob ihm auch schon so lange bekannt gewesen ist, daß er durch das Testament beeinträchtigt wird. Der bestrittene Punkt wäre erheblich, wenn für den Beginn der Frist Kenntnis nicht nur der Verfügung, sondern auch der Beeinträchtigung

verlangt würde.

Dem widerspricht aber der klare Wortlaut des Gesetzes.

Ausdrücklich wird Kenntnis

„der ihn beeinträchtigenden Verfügung", nicht

Die nachteilige Verfügung muß der Pflichtteilsberechtigte kennen, nicht den Nachteil, den sie ihm bereitet. etwa Kenntnis der Beeinträchtigung erfordert.

Im Gegensatz dazu verlangt das Gesetz im Fall der Deliktsobligation für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist, daß „der Verletzte von dem

Schaden ... Kenntnis erlangt ..."(§ 852 BGB.), nicht bloß von der schädigen­

den Handlung.

Diese Auslegung findet in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ihre Bestätigung.

Die Motive zum I. Entwurf des BGB. bemerken ausdrücklich,

daß die Kenntnis der Verfügung genüge.

Bezieht sich die Unkenntnis des

Pflichtteilsberechtigten auf den Bestand der Nachlaßmaffe, so gewährt ihm deshalb der Entwurf keinen besonderen Schutz; allein seine Unkenntnis kann nach dem § 2034 sAusschlagungsfrist bei Beschränkung, Beschwerung oder Belastung de- pflichtteilsberechtigten Erben, Fälle, die hier nicht in Betracht

kommens „unter Umständen zu einer Anfechtung der Annahmeerklärung, durch welche der Pflichtteilsanspruch wieder auflebt" (Prot. 5 S. 426), führen.

Der §1999 des I. Entwurfs, auf den sich diese Bemerkung bezieht, spricht von „der

Verfügung, durch welche sein Pflichtteilsrecht beeinträchtigt wird".

Die ab­

geänderte Fassung des Gesetzes „der ihn beeinträchtigenden Verfügung", die

bereits der II. Entwurf hat (§ 2197), ist nur aus redaktionellen Gründen ge­ wählt worden (so Prot. 5 S. 551). Mit dieser Auslegung stimmen die Kommentare von Planck, von Staudinger und Neumann sowie Strohal, die in dem ersten Urteil angeführt sind, überein.

Die entgegengesetzte Aus­

legung von Dernburg, Deutsches Erbrecht S. 338, § 120 II, und Boehm, Das Erbrecht des BGB. S. 480 Anm. 1, steht mit dem Wortlaut des Ge­

setzes und seiner Entstehungsgeschichte im Widerspruch. Die Einrede der Verjährung ist hiernach begründet. Es kann dahin­ gestellt bleiben, ob und inwieweit unter besonderen Umständen der Ver­ jährungseinrede gegenüber die Replik der Arglist stattstaft ist. Denn der Kläger hat die Voraussetzungen einer solchen Replik jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht dargelegt. In der Behauptung, die Beklagten hätten ihn von jedem Einblick in die Verhältnisse „geflissentlich ferngehalten", ist eine solche Darlegung nicht zu erblicken. Es stand dem Kläger jederzeit frei, Auskunft

gemäß § 2314 BGB. zu verlangen und zu erzwingen. Daß ihm aber die Beklagten etwa wissentlich falsche Angaben gemacht oder daß und in welcher Weise sie die Verwirklichung seines Rechts auf Auskunft dolos vereitelt hätten, kann aus seinem Vorbringen nicht entnommen werden.

Z.

w) Feststellung der Erbunwürdigkeit. OLG. Dresden, VI. ZS. Beschluß v. 18. April 1906. In dem Prozeß über die Erbunwürdigkeit einer Person gelten allerdings die allgemeinen Vorschriften der ZPO. über die Folgen einer Versäumnis und die Wirkungen eines Anerkenntnisses oder eines Geständnisses; daher ist

der Beklagte auf Grund7des Anerkenntnisses als erbunwürdig zu erklären. Hieraus folgt jedoch nicht, daß das von dem Erbunwürdigen (oder seinen Erben) in öffentlichbeglaubigter Form erklärte Anerkenntnis der Erbun­ würdigkeit für die Erteilung des Erbscheins dem die Erbunwürdigkeit aus­ sprechenden Urteile gleichgestellt werdm müsse.

Denn abgesehen davon, daß

nach §§ 2354*, 2356 als Form für das Anerkenntnis nicht die öffentliche

Beglaubigung genügen, sondern die öffentliche (gerichtliche oder notarielle) Beurkundung zu erfordern sein würde, ist der Erbunwürdige nicht schon kraft Gesetzes von der Erbfolge ausgeschlossen, vielmehr wird er trotz seiner Erb­

unwürdigkeit Erbe und sein Erwerb der Erbschaft kann nur von den im § 2341 bezeichneten angefochten werden, und zwar im Wege der Klage; ist der Erbe auf die Klage rechtskräftig für erbunwürdig erklärt, so gilt der Anfall an ihn als nicht erfolgt und die Erbschaft fällt demjenigen an, der berufen sein würde, wenn der Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte.

Danach beruht die gesetzliche Regelung auf der Fiktion, daß der — in Wirk­ lichkeit stattfindende — Anfall der Erbschaft an den Erbunwürdigen nicht

geschehen sei.

Diese Fiktion ist an die Rechtskraft des auf die Anfechtungs­

klage ergehenden, die Erbunwürdigkeit aussprechenden Urteils gebunden; sie

auf das bloße, wenn auch in Vertragsform ausgesprochene Anerkenntnis

des Erbunwürdigen und damit auf einen ganz anderen Tatbestand zu über, tragen, erscheint ausgeschlossen, weil eine jede Fiktion als die Annahme einer

im Widersprüche zu der Wirklichkeit stehenden Tatsache notwendigerweise auf

den für sie vom Gesetze vorgesehenen Tatbestand beschränkt ist. Die Beschwerde geht auch fehl, wenn sie annimmt, daß in einem Falle wie dem vorliegenden, wo der Erbunwürdige (oder sein Erbe) die Erb­

unwürdigkeit anerkennt, den Anfechtungskläger nach § 93 ZPO. die Kosten träfen; denn der Erbunwürdige hat durch sein Verhalten die Klage veranlaßt

und durch ein außergerichtliches Anerkenntnis der Erbunwürdigkeit den Ansechtungsberechtigten nicht klaglos gestellt. RIA.

x) Erbverzicht.

Verhältnis des § 2849 zu § 2852.

Kammergericht, I. ZS.

Beschluß o. 28. Februar 1907.

C. I. Clausen feit, und seine Frau haben in ihrem 1880 errichteten

Testamente ihre vier Kinder und darauf ihren Sohn C. I. Clausen jun. zu Erben eingesetzt und jedem seiner Nachkommen event, seine Geschwister sub­

stituiert.

Nachdem die Frau 1891 verstorben, haben Clausen sen. und jun.

notariell erklärt, daß letztere mit Zustimmung des ersteren auf das ihm auf

Grund des Testaments nach dem Tode seines Vaters zufallende Erbteil ver­ zichte und zwar zugunsten seines Sohnes I. F. Clausen.

ist im April, Clausen jun. im August 1906 verstorben.

Clausen sen. I. F. Clausen will

jetzt mit den übrigen Testamentserben, aber ohne Zuziehung seiner Schwester, ein Nachlaßgrundstück auflassen. Gründe: Die Wirkung eitles Erbverzichts ist nach § 2346 BGB., daß der Ver­

zichtende von der Erbfolge ausgeschlossen wird, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr gelebt hätte.

Wenn also, wie der Beschwerdeführer

meint, der Erbverzicht seines Vaters auf das Erbrecht am Nachlaß des Groß­ vaters wirksam wäre, so würde die in dem Testament des Großvaters aus­ gesprochene Berufung der Abkömmlinge des Verzichtenden zu Ersatzerben in Kraft treten.

Diese Ersatzberufung gilt mangels besonderer Einschränkung

sowohl nach gemeinem Recht (vgl. Windscheid, Pandekten III § 557), wie

11. Erbrecht.

312

BGB. §§ 2349. 2352.

auch nach § 2097 BGB. für alle Fälle, in denen der Eingesetzte nicht Erbe werden will oder kann, also auch für den Fall, daß er auf sein Erbrecht

verzichtet. Ob der Großvater sein Testament hinsichtlich der Ersatzberufung hätte widerrufen können oder ob er durch deffen korrespektive Natur daran gehindert war, kann dahingestellt bleiben, da er es tatsächlich nicht widerrufen hat.

Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Schwester des Beschwerde­

führers sich als Miterbin ihres Großvaters ansieht, da die Erbschaft nach

§§ 1922, 1942 BGB. kraft Gesetzes auf sie übergegangen ist und nicht be­ hauptet wird, daß sie sie in der Form des § 1945 BGB. ausgeschlagen Wäre also der Erbverzicht des Vaters des Beschwerdeführers wirksam,

habe.

so würde der Beschwerdeführer und seine Schwester kraft der Ersatzberufung

Miterben ihres Großvaters sein. Der Beschwerdeführer will dieser Konsequenz durch den Hinweis darauf begegnen, daß sein Vater ausschließlich zu seinen Gunsten, nicht zugunsten

seiner Schwester auf das Erbrecht verzichtet habe. Die Tatsache ist richtig. Der Belichtende hat gewollt, daß die Wirkung des Verzichts sich auch auf seine Tochter erstrecken, daß sie nicht Miterbin ihres Großvaters werden solle. Solcher Wille des Verzichtenden ist aber rechtlich unwirksam. Im gemeinen

Recht bestanden Kontroversen darüber, ob die Abkömmlinge eines auf sein gesetzliches Erbrecht Verzichtenden an seinen Verzicht gebunden seien (vgl. Stobbe, Deutsches Privatrecht 5 § 314 Nr. I 5).

Der erste Entwurf des BGB. entschied sich in § 2023 für die Verneinung der Frage und ordnete nur an, daß die für den Verzicht gewährte Gegenleistung zur Ausgleichung zu bringen sei, wenn infolge des Erbverzichts ein Abkömmling des Ver­ zichtenden an deffen Stelle trete (Motive 5 S. 481).

Die 2. Kommission

hat dagegen die Frage für den Fall bejaht, daß der Verzichtende nichts anderes bestimmt hat (Prot. 5 S. 607). gesetzliche Erbrecht

der Abkömmlinge

Sie hat zwar anerkannt, daß das deS Verzichtenden ein selbständiges

Recht sei und nach allgemeinen Grundsätzen nicht durch einen Vertrag des dem Erblaffer, sondern nur durch einen Vertrag der Abkömmlinge selbst mit dem Erblasser beseitigt werden könne. Sie hat

Verzichtenden mit

es aber aus praktischen Erwägungen für unbillig gehalten, den Abkömm­ lingen des Verzichtenden

die Geltendmachung ihres gesetzlichen Erbrechts

zu gestatten, sofern der Verzichtende nicht ein anderes bestimmt habe.

So

ist der § 2349 BGB. in das Gesetz ausgenommen, nach welchem die Wickung des Verzichts eines Abkömmlings des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht sich auch auf seine Abkömmlinge erstreckt, sofern nicht ein anderes

bestimmt ist.

Die Möglichkeit eines Verzichts auf das testamentarische Erb­

recht war in dem I. Entwurf das BGB. nicht erwähnt (vgl. § 2024 daselbst). In der 2. Kommission (Prot. 5 S. 610) wurde der Anregung stattgegeben, auch solchen Verzicht für zulässig zu erklären, und demgemäß dem § 2024 des

I. Entwurfs einen entsprechenden Zusatz zu geben.

So hat § 2352 BGB.

die jetzige Fassung erhalten, nach welcher der durch Testament als Erbe Ein-

11. Erbrecht.

BGB. §§ 2349. 2352.

313

gesetzte durch Vertrag mit dem Erblasser auf die Zuwendung verzichten kann, und nach welchem auf solchen Verzicht die §§ 2347, 2348 BGB. Anwendung

finden.

Die Vorschrift des § 2349 über die Wirkung des Verzichts auf das

gesetzliche Erbrecht gegen die Abkömmlinge ist also nicht für anwendbar er­ klärt.

Diese Unterlassung ist absichtlich erfolgt.

Denn bereits die Motive

zu § 2024 des I. Entwurfs hatten in Bd. 5 S. 484 erwogen, ob der dem § 2349 BGB. entsprechende § 2023 des I. Entwurfs auf den Belicht auf ein vertragsmäßiges Erbrecht für anwendbar zu erklären sei, und sie hatten es verneint, weil es nicht zu angemessenen Ergebnissen führen würde. Die

2. Kommission hat aber, wie gesagt, lediglich den § 2024 des I. Entwurfs

auf den Verzicht auf ein testamentarisches Erbrecht ausdehnen wollen und sonstige Anbetungen nicht vorzunehmen beabsichtigt. Es entspricht deshalb ihrem Willen, daß § 2349 BGB. auf die Fälle des § 2352 BGB. nicht an­ gewendet wird; ebenso Planck Anm. 5 zu 8 2352 BGB. und anscheinend

Cosack 2 § 418 Anm. 12. Ist aber § 2349 BGB. nicht anwendbar, so er­ gibt sich aus den von der 2. Kommission, Prot. 5 S. 607 anerkannten all­ gemeinen Grundsätzen, daß das selbständige testamentarische Ersatzerbrecht der Abkömmlinge des Verzichtenden durch seinen Verzicht nicht berührt wird.

Die Vorinstanzen ziehen hieraus die Konsequenz, daß der Erbverzicht auch für die Person des Verzichtenden unwirksam ist, weil er sein Ziel, daß

der Verzicht ausschließlich zugunsten seines Sohnes, nicht auch zugunsten seiner Tochter wirken solle, nicht erreicht hat. Man könnte' allerdings, wenn­ gleich § 2350 BGB. in § 2352 BGB. nicht für anwendbar erklärt ist, den Verzicht dahin auslegen, daß er nur gelten solle, wenn der Beschwerdeführer ganz an die Stelle seines Vaters träte, also dann zu dem Ergebnis, daß der Verzicht infolge des Nichteintritts der Bedingung entweder ganz oder doch

insoweit unwirksam wäre, als infolgedessen die Ersatzberufung der Schwester

des Beschwerdeführers in Kraft träte (vgl. den ähnlichen Fall bei Stroh al, Erbrecht II § 59 Anm. 32). Man könnte aber auch annehmen, daß es dem in Konkurs gefallenen Belichtenden hauptsächlich darauf angekommen ist, den Erbteil nicht in die Hände seiner Gläubiger geraten zu lassen, und daß er also den Verzicht auch gewollt hat, wenn der Ausschluß seiner Tochter nicht

Indessen braucht diese auch für die Gläubiger des Verzichtenden erhebliche Frage hier nicht entschieden zu werden, da die Antragsteller allein

erreichbar ist.

niemals über das Grundstück verfügen können, und zwar wenn der Erbver­ zicht für die Person des Belichtenden wirksam ist, deshalb, weil dann die

Schwester deS Beschwerdeführers als Ersatzerbin ihres Großvaters an der Erbschaft teilnimmt; andernfalls aber, weil dann der Verzichtende zu einem Viertel oder einem Achtel Erbe seines Vaters geworden und weil dieser

Erbteil mit seinem Tode auf seine Erben übergegangen ist, welche sich bis­

her nicht legitimiert haben.

Falls der Verzicht ganz oder zum Teil für die

Person des Verzichtenden wirksam ist, käme noch hinzu, daß der zum Nach­ weis der Erbfolge in das Vermögen des Großvaters nach § 36 GrBO- er-

11. Erbrecht.

314

BGB. § 2353.

forderliche Erbschein nicht beigebracht ist, welcher nicht gemäß § 36 Abs. 1

Satz 2 GrBO. durch das vorgelegte Testament ersetzt werden kann, wenn die

Erbfolge nicht auf dem Testament allein, sondern auf dem Testament in Ver­

bindung mit einem Erbverzicht beruht.

y) Erbschein.

«) Testamentsauslegung vor der Erteilung.

OLG. Darmstadt, II. ZS.

Beschluß v. 22. Oktober 1906.

Die in I. kinderlos verlebte Frau des A. hinterließ als gesetzliche Erben

ihren Mann und ihre beiden Stiefgeschwister, nämlich: die Witwe B. und

den in Amerika verstorbenen C., der durch seine fünf dort wohnenden Kinder repräsentiert wird. Sie hatte 1876 vor dem Notar G. in G. ein Testament errichtet, in welchem sie ihrem Mann den lebenslänglichen Nießbrauch an

ihrem Anteile an der Gütergemeinschaft ihrer Ehe unter Befreiung von der Verpflichtung zur Inventur und Kautionsleistung vermachte. Die B. legt diese Verfügung dahin auS, daß die Erblasserin ihren Mann auf das ihm

Zugewendete beschränken und von seinem gesetzlichen Erbrechte aus §§ 1931, 1932 habe ausschließen wollen; sie hat demgemäß einen Erbschein in dem

Sinne beantragt, daß jedes der beiden Stiefgeschwister zu 3/e, der Mann

aber nur für seinen Pflichtteil (2/e) für erbberechtigt erklärt werde. Das Amtsgericht hat jedoch in dem Erbscheine dm Mann zur Hälfte und die

Stiefgeschwister bzw. deren Nachkommen zu je V« für erbberechtigt erklärt. Auf Beschwerde der B. wurde das Amtsgericht angewiesen, jenen Erbschein einzuziehen und einen neuen im beantragten Sinne auszustellen. Die weitere Beschwerde des A. ist begründet. Die Vorinstanz ist davon ausgegangm, daß die Entscheidung von der Aus­

legung des Willens abhänge, dem die Erblafferin im Testamente Ausdruck gegeben habe, und daß deshalb geboten erscheine, auf die bei Errichtung dieses Testaments und auch späterhin bestehenden Lebensverhältnisse der Erblafferin zurückzugehen; hierbei ergebe sich, daß sie damals und auch später wiederholt den Willen geäußert habe, daß ihr Mann von ihrem Vermögen nur dasjenige er­ halten solle, was sie ihm zugewendet habe. Allein nach den Bestimmungen des früheren sowohl, wie auch des heute geltenden bürgerlichen Rechts kann die ge­ setzliche Erbfolge nur abgeändert oder ausgeschlossen werden durch eine letzt­ willige Verfügung (Testament—Erbvertrag), die an eine bestimmte Form gebunden

ist.

Nur in dieser gesetzlich bestimmten Form kann der Wille des Erblassers

ausgedrückt werden, durch welchen Erbeinsetzungen oder -ausschließungen vom

Erbrechte angeordnet werden; andernfalls ist dieser Wille rechtlich bedeutungs­

los. Hier enthält das Testament außer der erwähnten Verfügung keine weitere Bestimmung; diejenigen Worte aber, welche erstere zum Ausdrucke bringen, enthalten keinerlei Andeutung in der Hinsicht, wie die Antragstellerin behauptet hat.

Auch die Vorinstanz ist nicht auf Grund des Wortlautes

des Testaments und der diesem innewohnenden Bedeutung, sondern nur unter Heranziehung äußerer Umstände auf dem Wege der Schlußfolgerung zu der von ihm vertretenen Entscheidung gekommen.

Zweifellos ist auch zulässig.

11. Erbrecht.

BGB. § 2364.

315

und in vielen Fällen geboten, zur Auslegung einer letztwilligen Verfügung derartige Umstände mit in Betracht zu ziehen.

Allein es ist doch vor allem

daran festzuhalten, daß eine solche Verfügung in erster Linie aus sich selbst

ausgelegt werden muß, und daß nur zur Erläuterung und Bestätigung des hieraus gewonnenen Ergebnisses außerhalb liegende Beweise berücksichtigt werden dürfen. Andernfalls liegt nicht mehr die Auslegung eines gegebenen Willens, sondern die Schaffung eines neuen Willens seitens des Auslegers

vor (IW. 1899 S. 755). Erbausschließungen sind nicht zu vermuten. Es über­

schreitet die Grenzen einer zulässigen Auslegung, wenn lediglich aus äußeren Lebensumständen und unverbindlichen Äußerungen der Erblasserin Schlüffe hinsichtlich ihres Willens gezogen werden, die in dem Inhalte der Willens­

erklärung selbst keine Stütze haben.

Es werden hierdurch aber auch die Be­

stimmungen des bürgerlichen Rechts verletzt, welche die Ausschließung vom gesetzlichen Erbrechte an bestimmte Formen gebunden haben. Dr. B.

ß) Angabe der Ernennung eines Testamentsvollstreckers im Erb­ schein, trotz Ausschlagung -es ernannten Vollstreckers. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 18. Oktober 1906. Der Antragsteller will einen Erbschein über sein Erbrecht ohne jede Be­ schränkung haben.

Dieser Antrag

ist

unbegründet, denn das Testament

enthält die Ernennung von Testamentsvollstreckern und diese Ernennung muß nach § 2364 BGB. im Erbschein angegeben werden. Dieser Notwendigkeit steht weder der Umstand entgegen, daß die ernannten Vollstrecker ihr Amt abgelehnt oder gekündigt haben, noch würde ihr die bisher nicht abschließend

getroffene Feststellung entgegenstehen, daß das Testament kein Ersuchen des Erblassers an das Nachlaßgericht enthält, bei Wegfall der namhaft gemachten Testamentsvollstrecker gemäß § 2200 BGB. andere Vollstrecker zu ernennen,

oder daß das Nachlaßgericht diesem Ersuchen nicht nachkommen wolle.

Denn

der Erbschein ist nach dem § 2253 BGB. lediglich ein Zeugnis über das

Erbrecht.

Seine Bedeutung besteht nach § 2365 BGB. bloß dahin, die

Vermutung zu begründen, daß demjenigen, welcher in ihm als Erbe be­ zeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zustehe und daß er nicht durch andere als die darin gemäß §§ 2363, 2634 BGB. an­ gegebenen Anordnungen beschränkt sei. Daß nach § 2364 die Ernennung eines Testamentsvollstreckers im Erbschein anzugeben ist, bezweckt nur all­ gemein, Dritten die testamentarische Verfügungsbeschränkung des Erben bekannt

zu geben, nicht aber die konkrete Ausgestaltung der Testamentsvollstrecker­

verhältnisse zu bezeugen, also wer zum Testamentsvollstrecker ernannt ist, ob er sein Amt angenommen hat, welche Verfügungsmacht ihm zusteht. Zum

Nachweise dieser besonderen Rechtsverhältniffe dient vielmehr das nach § 2368 BGB. dem Testamentsvollstrecker auszustellende Zeugnis

nennung (vgl. Jahrbuch 23 S. 8).

über seine Er­

Der Erbschein hat deshalb bezüglich der

Testamentsvollstreckung nichts zu enthalten als die Angabe, daß Vollstrecker ernannt sind.

Nur auf diese Weise kann der Grundsatz gewahrt werden, daß

der Erbschein das Erbrecht so bezeugt, wie es im Augenblick des Erbfalles gestaltet ist. Würden auch solche Tatsachen darin bezeugt, welche sich nach

dem Erbfall ereignen, wie die Annahme oder Ablehnung des Amtes durch die ernannten Vollstrecker oder die Ablehnung des Ersuchens um Ernennung

von Vollstreckern durch das Nachlaßgericht, so würde die unzulässige Folge eintreten, daß mit jeder derartigen Veränderung auch der Erbschein geändert werden müßte.

Daß die Ausschlagung der Erbschaft gemäß § 1944 BGB.,

die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung gemäß § 1955 BGB., die

Anfechtung der letztwilligen Verfügung gemäß §§ 2078—2079 BGB. und die Anfechtung des Erbschaftserwerbes wegen Erbunwürdigkeit nach § 2340

BGB. im Erbschein zu berücksichtigen sind, obwohl diese Tatsachen dem Erb­

fall zeitlich nachfolgen, ist nur eine scheinbare Ausnahme von dem aufgestellten Grundsatz, da in allen diesen Fällen der Anfall der Erbschaft an diejenigen, welche vor den Ereignissen als Erben anzusehen waren, als nicht erfolgt gilt.

Richtig ist, daß bei dieser Beschränkung des Inhalts des Erbscheins auf die Angabe der Ernennung von Testamentsvollstreckern, der Erbschein nach dem endgültigen Wegfall der Wirksamkeit dieser Anordnung nicht auSreicht, um nachzuweisen, daß nunmehr der Erbe ungehemmt durch § 2211 BGB. über die Nachlaßgegenstände verfügen kann.

Diese praktische Schwierigkeit beruht

aber auf der gesetzlichen Gestaltung des Erbscheinwesens und sie findet ihre Hebung darin, daß der Erbe demjenigen, welchem gegenüber er sich des

Erbscheins bedienen will, durch andere Mittel, insbesondere durch Verfügungen deS Nachlaßgerichts nachweisen kann, daß die Ernennung der Testaments­ vollstrecker wirkungslos geworden ist, daß sie also z. B. ihr Amt abgelehnt

oder niedergelegt haben, daß das Testament auch keinen Auftrag an einen Dritten und kein Ersuchen an das Nachlaßgericht enthält, Ersatzvollstrecker

zu ernennen oder daß dieser Auftrag und dieses Ersuchen abgelehnt sind.

B.

/) AenguiS über Annahme des BoUstreckeramts. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 5. Juli 1906.

Der Antrag der Witwe um eine Bescheinigung des Nachlaßgerichts, daß A. das Amt als Vollstrecker angenommen habe, wurde zurückgewiesen. Gründe:

Das Zeugnis über die Annahme des Vollstreckeramts ist in Wirklichkeit nichts anderes als das Testamentsvollstreckerzeugnis des § 2368 und darf nur unter denselben Vorbedingungen, wie dieses, erteilt werden.

Im Gesetze selbst

ist es nicht besonders vorgesehen. Es verdankt seine Anerkennung in der Praxis dem § 36 GrBO. Da die Verfügung von Todes wegen mit dem Eröffnungsprotokolle zwar die Ernennung, nicht aber die Annahme des Amtes

beweist, so muß mit Rücksicht auf § 22021 die Annahme noch besonders dargetan werden. Das Zeugnis unterscheidet sich inhaltlich vom Vollstreckerzeugniffe

dadurch, daß es die aus der Verfügung von Todes wegen selbstersichtlichen Angaben (§§ 23681, 2224) nicht zu enthalten braucht. Das Nachlaßgericht kann aber nichtbescheinigen, daß die Annahme des Amtes erfolgt sei, wenn es nicht die

Rechtswirksamkeit sowohl der Ernennung des Annehmenden wie,seiner An-

317

11. Erbrecht. BGB. § 2371. nahmeerklärung festgestellt hat.

Die Annahmeerklärung eines nicht rechts­

wirksam Ernannten ist keine Annahme. Um die Annahme bezeugen zu können, muß daher das Nachlaßgericht im allgemeinen alles dasjenige prüfen, waS es zu prüfen hätte, wenn von ihm ein Zeugnis über die Ernennung

verlangt worden wäre.

setzt

Zeugnisses

Denn auch die Erteilung des im § 2368 vorgesehenen

die Annahme

des Amtes

durch den Ernannten

voraus

(Planck 2, 3b, Staudinger 1 zu § 2368; Strohal 2 S. 172).

Trotz des verschiedenen Inhalts ist also das Annahmezeugnis seinem Wesen nach ein

Vollstreckerzeugnis; der Kreis der Antragsberechtigten ist der gleiche und,

soweit nicht der besondere Inhalt des Vollstreckerzeugnifses über die Befug­

nisse des Vollstreckers Abweichungen bedingt, ist zur Erlangung des Annahme­ zeugnisses alles dasjenige zu erklären und nachzuweisen, was nach § 2368

zur Erwirkung des Vollstreckerzeugniffes erforderlich ist. Hieraus ergibt sich zwar für den Grundbuchverkehr, daß das Annahmezeugnis neben einem öffentlichen

Testamente

keine

Erleichterung

für die

Beteiligten

bedeutet

(Predari, GrBO. S. 544); allein es bedarf eines solchen Zeugnisses auch nicht immer. Hat der in einem öffentlichen Testamente Ernannte die An­ nahmeerklärung zum Protokolle des Nachlaßgerichts abgegeben, so genügt für den Grundbuchverkehr, neben dem Testament und der Eröffnungsverhandlung, eine Ausfertigung des Protokolls des Nachlaßgerichts; hat er die sonstwo

in öffentlich beglaubigter Form abgegebene Annahmeeicklärung dem Nachlaß­ gericht eingereicht, so kann sich der Grundbuchrichter mit einer solchen Urkunde und einem Zeugnisse des Nachlaßgerichts über den Eingang begnügen (§ 362 GrBO.). Ein Zeugnis der letzteren Art kann da- Nachlaßgericht

ohne sachliche Prüfung ausstellen und das Grundbuchamt ist infolge der Gleichstellung des öffentlichen Testaments mit dem Vollstreckerzeugnis einer

Nachforschung nach dem Vorhandensein anderer letztwilliger Verfügungen überhoben. Das Zeugnis über die Annahme des Amtes setzt dagegen, weil

es mittelbar auch die Ernennung des Annehmenden bescheinigt und infolge» dessen eine dem § 2365 entsprechende Bedeutung hat, die im § 2368 an­ geordnete materielle Prüfung deS Nachlaßgerichts voraus. Die bloße Bezug­ nahme auf das am 22. Februar eingegangene Schriftstück, daS außer dem Werte des Nachlaffes die Namen der Legatare enthielt und die Unterschrift

„A. Bevollm. u. Testementsv." trug, reicht daher zur Erteilung eines An­ nahmezeugnisses keinesfalls hin (§§ 23683, 2356).

A.

z) Erbschaftskauf ans nichtigem Testamente. OLG. Karlsruhe, IV. ZS.

Beschluß v. 24. Februar 1906.

Die Nichtigkeit des Testaments des Mathias A. ist durch das rechts­

kräftige Urteil des Landgerichts i. S. des Leopold A. gegen Notar 3E. Ent­ schädigung bett., nicht formell rechtskräftig festgestellt. Aber urkundlich bewiesen ist sie durch dieses, wie die damit einig gehenden Urteile zweiter und dritter Damit erscheint auch bewiesen, daß der in diesem Testament be­

Instanz.

nannte

Leopolds A.^nie

Erbe ’beS

Mathias A. geworden ist.

Infolge

davon konnte er auch keine ihm infolge dieses Testaments angesallene Erbschaft

an X. verkaufen oder ein gesetzlicher Vertreter eS für ihn tun.

Deshalb

bedarf es auch keiner Erörterung darüber, ob im Erbschaftsverkauf zugleich

eine Vollmacht für den Erbschaftskäufer liege, für den Verkäufer einen Erb­ K. E.r.

schein zu begehren.

12 a) Erbausschlagung. Beginn der Frist für nascituri. irrtum bezüglich des Frtstbeginns. Kammergericht, I. ZS.

Rechts­

Beschluß v. 23. Januar 1907.

Da erst die Erbschastsausschlagung des A. selbst den Anfall an seine Kinder zur Folge hatte, so konnte die Ausschlagungsfrist gegen die Kinder erst mit dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis zu taufen beginnen.

Nach § 1945

ist die Ausschlagungserklärung des A. mit ihrem am 22. Mai geschehenen Eingang bei dem Nachlaßgericht als wirksam abgegeben angesehen, also länger

als sechs Wochen vor der am 21. September namens der Geschwister A. abgegebenen Ausschlagungserklärung erfolgt. Es fragt sich daher, in welchem

Zeitpunkt die Kinder von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt haben. Maßgebend ist hierfür, da die Kinder minderjährig sind und in elterlicher Gewalt stehen, die Kenntnis deS A. selbst als des gesetzlichen Vertreters seiner Kinder (Planck 33 zu § 1944; RIA. 5 S. 146). Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß gegen den erst am 31. Juli geborenen Sohn die Aus­ schlagungsfrist nicht vor seiner Geburt, daher gemäß § 1871 frühestens mit dem 1. August zu laufen beginnen konnte. Denn erst von dem Zeitpunkte der Geburt an stand die Berufung dieses Sohnes zum Erben fest, und konnte

für ihn die Ausschlagung der Erbschaft erklärt werden. Vor seiner Geburt war er nicht Erbe und konnte er insbesondere durch die Erbschastsausschlagung seines Vaters nicht Erbe werden, vielmehr wurde ihm nur sein Erbrecht für den Fall, daß er lebendig zur Welt kam, vorbehalten (§§ 1, 1923), und es trat der Erbanfall, wenn er auch in seinen rechtlichen Wirkungen auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen wurde, erst mit der Vollendung der Geburt deS Sohnes ein (Motive 1 S. 29). Vor der Geburt konnte daher der Vater auch keine Kenntnis von dem erst mit der Geburt eintretenden Erbanfall an diesen Sohn haben.

A. hat nun unter Abgabe einer eidesstattlichen Ver­

sicherung behauptet, daß er erst durch die gerichtliche Verfügung vom 30. August davon Kenntnis erlangt habe, daß infolge seiner eigenen Aus­ schlagung der Erbschaft nicht seine Schwester, sondern seine Kinder an seiner Stelle zu Erben des X. berufen gewesen seien. Die Vorinstanzen halten diesen Rechtsirrtum des A. für unbeachtlich; diese Ansicht beruht jedoch auf unrichtiger Auslegung des § 1944.

Das BGB. stellt die auf Fahrlässigkeit oder Rechtsirrtum beruhende Unkenntnis nicht grundsätzlich der Kenntnis gleich, soweit die Kenntnis ge­

wisser Tatsachen für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen vorausgesetzt ist.

davon konnte er auch keine ihm infolge dieses Testaments angesallene Erbschaft

an X. verkaufen oder ein gesetzlicher Vertreter eS für ihn tun.

Deshalb

bedarf es auch keiner Erörterung darüber, ob im Erbschaftsverkauf zugleich

eine Vollmacht für den Erbschaftskäufer liege, für den Verkäufer einen Erb­ K. E.r.

schein zu begehren.

12 a) Erbausschlagung. Beginn der Frist für nascituri. irrtum bezüglich des Frtstbeginns. Kammergericht, I. ZS.

Rechts­

Beschluß v. 23. Januar 1907.

Da erst die Erbschastsausschlagung des A. selbst den Anfall an seine Kinder zur Folge hatte, so konnte die Ausschlagungsfrist gegen die Kinder erst mit dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis zu taufen beginnen.

Nach § 1945

ist die Ausschlagungserklärung des A. mit ihrem am 22. Mai geschehenen Eingang bei dem Nachlaßgericht als wirksam abgegeben angesehen, also länger

als sechs Wochen vor der am 21. September namens der Geschwister A. abgegebenen Ausschlagungserklärung erfolgt. Es fragt sich daher, in welchem

Zeitpunkt die Kinder von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt haben. Maßgebend ist hierfür, da die Kinder minderjährig sind und in elterlicher Gewalt stehen, die Kenntnis deS A. selbst als des gesetzlichen Vertreters seiner Kinder (Planck 33 zu § 1944; RIA. 5 S. 146). Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß gegen den erst am 31. Juli geborenen Sohn die Aus­ schlagungsfrist nicht vor seiner Geburt, daher gemäß § 1871 frühestens mit dem 1. August zu laufen beginnen konnte. Denn erst von dem Zeitpunkte der Geburt an stand die Berufung dieses Sohnes zum Erben fest, und konnte

für ihn die Ausschlagung der Erbschaft erklärt werden. Vor seiner Geburt war er nicht Erbe und konnte er insbesondere durch die Erbschastsausschlagung seines Vaters nicht Erbe werden, vielmehr wurde ihm nur sein Erbrecht für den Fall, daß er lebendig zur Welt kam, vorbehalten (§§ 1, 1923), und es trat der Erbanfall, wenn er auch in seinen rechtlichen Wirkungen auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen wurde, erst mit der Vollendung der Geburt deS Sohnes ein (Motive 1 S. 29). Vor der Geburt konnte daher der Vater auch keine Kenntnis von dem erst mit der Geburt eintretenden Erbanfall an diesen Sohn haben.

A. hat nun unter Abgabe einer eidesstattlichen Ver­

sicherung behauptet, daß er erst durch die gerichtliche Verfügung vom 30. August davon Kenntnis erlangt habe, daß infolge seiner eigenen Aus­ schlagung der Erbschaft nicht seine Schwester, sondern seine Kinder an seiner Stelle zu Erben des X. berufen gewesen seien. Die Vorinstanzen halten diesen Rechtsirrtum des A. für unbeachtlich; diese Ansicht beruht jedoch auf unrichtiger Auslegung des § 1944.

Das BGB. stellt die auf Fahrlässigkeit oder Rechtsirrtum beruhende Unkenntnis nicht grundsätzlich der Kenntnis gleich, soweit die Kenntnis ge­

wisser Tatsachen für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen vorausgesetzt ist.

12, Erbrecht.

BGB. § 2040.

319

Wenn demnach § 1944 die Kenntnis von dem Anfall und dem Grunde der Berufung erfordert, so muß angenommen werden, daß jede Unkenntnis des

Erben in einer dieser Beziehungen den Beginn des Fristlaufes hemmt.

Be­

findet sich aber der Erbe infolge eines Rechtsirrtums in Unkenntnis von seiner Berufung, so fehlt ihm die Kenntnis von dem an ihn geschehenen

Erbanfall.

Nach § 1944 wird nicht nur die Kenntnis der Tatsachen, welche

kraft Gesetzes den Anfall der Erbschaft zur Folge haben, sondern die Kenntnis von dem Anfall als Voraussetzung des Fristbeginns erfordert. Der Erbe

muß daher wissen, daß er als Erbe berufen ist, wenn gegen ihn der Lauf der Ausschlagungsfrist beginnen soll.

Allerdings wird, wenn dem Erben

die seine Berufung zur Erbschaft begründenden Tatsachen sämtlich bekannt gewesen sind, nicht noch der fernere Nachweis erforderlich sein, daß der Erbe auch den als Rechtsfolge jener ihm bekannten Tatsachen eintretenden Erb­

anfall an ihn gekannt hat.

Vielmehr darf diese Kenntnis, da Gesetzesunkenntnis

nicht vermutet werden kann, so lange vorausgesetzt werden, bis er den Nach­

weis der Unkenntnis des Erbansalls an ihn erbringt (Staudinger 4b; Planck 3 zu 8 1944; Strohal 2 S. 2ff; Dernburg 5 S. 412). Für diese

Auslegung spricht außer dem Wortlaut auch die Entstehungsgeschichte.

Denn

nach den Motiven (S. 499) soll jeder Irrtum, welcher die Kenntnis von dem Anfälle hindert, und selbst der Rechtsirrtum, welcher auf Nichtkenntnis der

einschlägigen gesetzlichen Vorschriften beruht, den Beginn der Frist hemmen;

diesen Standpunkt hat, wie die Protokolle ergeben, die zweite Kommission gebilligt. Der Nachweis der Unkenntnis von der Berufung seiner Kinder liegt aber dem A. als dem Vertreter und vorliegend der Frau S. als der Antrag­

stellerin auf Erteilung des Erbscheins ob. Die zwecks Erbringung dieses Nachweises erforderte eidesstattliche Versicherung des A. ist beigebracht worden. Das Amtsgericht hätte daher die Frage prüfen müssen, ob auf Grund dieser

Versicherung unter Berücksichtigung aller anderen in Betracht

kommenden

Umstände, besonders des Standes des Nachlasses und der Tatsache, daß

sowohl die im Testamente des Erblaffers als Erbin eingesetzte Ehefrau als auch demnächst A. für sich selbst bereits die Erbschaft ausgeschlagen hatten,

der Nachweis der Unkenntnis des A. von dem Erbanfall an seine Kinder

hinreichend erbracht und auch bewiesen sei, daß A. die Berufung seiner Kinder als Erben nicht länger als sechs Wochen vor dem 21. September 1906 in

B.

Erfahrung gebracht habe.

b) Müsse« Miterben eine gemeinschaftliche Berfügang über Rachlatzgtgenstünde einheitlich in derselbe» Verhandlung treffen? Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 28. Februar 1907.

Die Grundstücke, die auf den Namen des Leo A. und seiner Frau (in

der gesetzlichen GG. des Code) eingetragen stehen, sind nach dem Tode der

Frau hinsichtlich ihres Anteils Eigentum ihrer Erben geworden; denn diese GG. hat keine erbrechtlichen Wirkungen, und eine vertragsmäßige Einführung

320

12. Erbrecht.

BGB. § 2040.

der fortgesetzten GG. ist vorliegend nicht erfolgt (vgl. Crusen-Müller IIE zu Art. 56 § 1 preuß. Ausf.-G.). Bezüglich des Anteils der Frau A. besteht also unter ihren Erben, nämlich dem Leo A. und seinen fünf Söhnen, un­ geteilte Erbengemeinschaft; der Nachlaß der Frau ist ihr gemeinschaftliches Vermögen geworden; sie können über einen Nachlaßgegenstand nur gemein­

schaftlich verfügen; an ihm steht keinem Miterben ein bestimmter verhältnis­ mäßiger Anteil zu; ein einzelner Miterbe oder mehrere einzelne von ihnen

können ein zum Nachlaß gehöriges Grundstück ohne Mitwirkung der übrigen Erben weder ganz noch zu einem realen oder ideellen Teil auflassen (§§ 20332, 2040»; Jahrbuch 22 S. 303, 24 S. 107, 26 S. 251; Turnau-Förster 1

S. 407). Vorliegend haben am 27. Juni nur Leo A. und seine Söhne Mathias, Peter und Alois die Auslastung ihrer „Anteile" an den zum Nachlaste der

Frau A. gehörigen Grundstücken an Joseph A. erklärt und gemeinschaftlich mit diesem dessen Eintragung als Eigentümer der Grundstücke bewilligt und

beantragt; am 22. August hat anderseits nur Heinrich A. jene Erklärungen der Miterben genehmigt und bestätigt, sowie die Eintragung seines Bruders Joseph bewilligt, die dieser wieder beantragte.

Keine dieser Auflassungs­

erklärungen erfüllt, je für sich allein betrachtet, das im § 2040» aufgestellte Erfordernis, daß nämlich die Miterben bei ihr gemeinschaftlich über die Nachlaßgrundstücke verfügten.

Dagegen kann die Annahme, daß beide Ver­

handlungen in ihrer Verbindung diesem Ersordemis genügen, keinem be­

gründeten Bedenken unterliegen. Zweifel könnte zwar der in beiden Auflassungsverhandlungen vor­ kommende Vermerk erregen, daß die einzelnen Miterben dem Joseph A. ihre „Anteile" an den Nachlaßgrundstücken übereignen.

Wäre dies dahin auf­

zufassen, daß jeder Miterbe nur über je einen bestimmten verhältnismäßigen

Anteil (Bruchteil) an den Nachlaßgrundstücken, der ihm auf Grund deS Erb­

falls zugefallen sei, verfügen wollte, so würde eine derartige Verfügung aller­ dings dem § 20332 zuwiderhandeln und daher der rechtlichen Wirksamkeit entbehren. Das Landgericht hat indessen dieses Bedenken nicht geltend ge­ macht; daraus ist zu entnehmen, daß es dm Ausdruck „ihre Anteile" in den

Auslaffungsverhandlungen nicht im vorerwähnten Sinne auslegt, sondern davon ausgeht, der Ausdruck sei nur ungenau gewählt und wolle besagen, daß jeder der Miterben sich an der Veräußerung und Auflassung der Nach­

laßgrundstücke in dem seinem Anteil am gesamten Nachlasse entsprechenden Umfange beteilige. Eine solche Auslegung läßt, ihrem Wortlaut und Zu­ sammenhang gegenüber, keinm Rechtsirrtum erkennen. Aus ihr folgt aber zugleich, daß die Miterben beabsichtigten, gemeinschaftlich über die Nach­

laßgrundstücke zu verfügen.

Dies

ergibt zweifelsfrei

das Protokoll vom

in dessen Eingang waren (offenbar in der Erwartung, daß Heinrich A. bei der Verhandlung mitwirken werde) sämtliche Miterben als 27. Juni;

erschienen aufgeführt, und es ist sodann im Protokoll eine einheitliche Erklärung sämtlicher als erschienen Aufgesührter dahin enthalten, daß Leo A.

12. Erbrecht.

BGB. § 2040.

321

und seine Söhne Mathias, Heinrich, Peter und Mois zum Zwecke der Erbauseinandersetzung ihre Anteile an ihren Sohn und Bruder Joseph über­

trugen, und sämtliche als erschienen bezeichneten Miterben die Eintragung des

Joseph als Eigentümer bewilligten und beantragten. Wenn dann zum Schluß

berichtigend bemerkt wurde, daß Heinrich nicht erschienen sei und ihm deshalb seine Genehmigung und sein Beitritt vorbehalten werde, so ist damit deutlich

ausgedrückt, daß die am 27. Juni mitwirkenden Beteiligten gemeinschaftlich mit Heinrich über die Nachlaßgrundstücke verfügen wollten; dem hat sich letzterer angeschlossen, indem er am 22. August dem Vertrage genehmigend und bestätigend beitrat, auch seinerseits die Eintragung des Joseph beantragte. Es haben also sämtliche Miterben die zur Übertragung des Eigentums er­ forderlichen Erklärungen in gewollter und bewußter Übereinstimmung ab­

gegeben, damit aber gemeinschaftlich über die Nachlaßgrundstücke verfügt. Daß die gemeinschaftliche Verfügung auch einheitlich, in derselben Ver­ handlung getroffen werden müsse, ist weder in § 20401 noch sonst im Ge­ setze bestimmt. Die Frage, ob der Grundbuchrichter, falls die zu einer grund­

buchmäßigen Verfügung erforderlichen Erklärungen der Miterben ihm nicht

sämtlich einheitlich, sondem zunächst nur Anträge und Bewilligungen ein­ zelner Miterben eingereicht werden, den Antrag ablehnen muß oder zur

Hebung des Hindernisses eine Frist zu setzen hat, kann unerörtert bleiben, da hier Ausfertigungen beider Verhandlungen gleichzeitig vom Notar, der die Verhandlungen beurkundet hatte, dem Grundbuchamt eingereicht worden sind, somit die inhaltlich zu einer gemeinschaftlichen Verfügung sich ergänzenden

Erklärungen sämtlicher Miterben ihm gleichzeitig zugingen. Die Vorinstanzen haben nun diesen Auslassungserklärungen die Wirksam­ keit abgesprochen, weil nicht die sämtlichen Veräußerer gleichzeitig ihre nach § 873 erforderliche Einigung dem Erwerber gegenüber erklärt haben.

Allein

das im § 925 aufgestellte Erfordernis der Gleichzeitigkeit bedeutet eine Er­ schwerung gegenüber der im § 128 für die gerichtliche oder notarielle Beur­

kundung eines Vertrages allgemein bestimmten Form; während es nach § 128

genügt, wenn zunächst der Antrag und sodann dessen Annahme beurkundet wird, also die sukzessive Beurkundung des Vertrages zugelafsen ist (vgl. auch § 152), ist für die Erklärung der Auslastung die besondere, strengere Form­

vorschrift aufgestellt, daß sie bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile ab­

gegeben werden muß (Predari 4B; Güthe 31 zu § 20 GrBO.; TurnauFörster I 1 zu 8 925). Die Besonderheit dieser Vorschrift besteht also darin, daß Veräußerer und Erwerber, die beiden jeweiligen Vertragsgegner, ihre Einigung bei gleichzeitiger Anwesenheit zu erklären haben, sowohl der Ver­ äußerer wie der Erwerber ihre Einigung über den Übergang des Eigentums an dem Grundstücke in derselben Verhandlung, bei der beide gleichzeitig mit­

zuwirken haben, erklären müssen. Nicht aber regelt diese Vorschrift den Fall, daß auf der einen, namentlich auf der Veränßererseite mehrere Personen mit­ zuwirken haben, dahin, daß auch diese mehreren Veräußerer ihre Erklärung cseHfp. xiv.

21

12. Erbrecht.

322

BGB. §§"2204 ff.

sämtlich gleichzeitig abgeben müßten; für diesen Fall genügt es vielmehr, daß die mehreren Veräußerer ihre Einwilligung in den Eigentumsübergang gemein­

schaftlich, wenn auch in mehreren, sich gegenseitig zu einer gemeinschaftlichen Erklärung ergänzenden Verhandlungen erklären; dem in § 925 BGB. auf­ gestellten Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile wird genügt, wenn bei jeder Erklärung eines oder einzelner Veräußerer der Erwerber zu­ gegen ist und mit dem oder den jeweilig erschienenen Veräußerern die Auf­

Dies ist aber hier geschehen; am 27. Juni haben die Mit­ erben Leo, Mathies, Peter, Alois, am 22. August 1906 der Miterbe Heinrich,

lassung erklärt.

jedesmal in Anwesenheit des ErwerberS Joseph die Auflassung erklärt und dessen Eintragung bewilligt, welche anderseits dieser jedesmal beantragt hat.

Hiermit steht auch der Beschluß vom 16. Mai 1904 (Y. 500) nicht in Wider­

spruch.

Dort ist allerdings für einen ähnlich liegenden Fall des früheren

Preußischen Rechts ausgesprochen, daß, wenn sämtliche Miterben nicht auf einmal, sondern nacheinander, je gleichzeitig mit dem Erwerber zu dessen

Gunsten die Auflassung erklärt haben, dieses Verfahren formwidrig sei.

In­

daß nach § 48 GrBO. vom 5. Mai 1872 die Auflassungserklärung vom Grundbuchrichter erst entgegen­

dessen beruhte diese Formwidrigkeit darauf,

genommen werden durfte, wenn er nach Prüfung der Sache dafür hielt, daß

der sofortigen Eintragung des Eigentums kein Hindernis entgegenstand, sowie darauf, daß nach Abs. 3 die Eintragung des Eigentumsüberganges sich unmittelbar an die Auflassung anschließen mußte. Derartige Vorschriften bestehen aber für das geltende Recht nicht (vgl.Jahrb.26 (5.313,315).... Kf. c) Darf der Testamentsvollstrecker als solcher eine» Gesellschafts­ vertrag abschlirtzenl

Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 21. Dezember 1906.

In der notariellen Urkunde von 1906 haben mehrere Personen, darunter

der Beschwerdeführer als Testamentsvollstrecker des 1904 gestorbenen A. einen Vertrag geschloffen, inhaltsdeffen sie sich zu einer Gesellschaft m. b. H. ver­ einigen. Die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister wurde

abgelehnt.

Gründe:

Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß Gesellschafter weder er selbst noch die Erben als natürliche Personen, sondern er in seiner Eigenschaft als Vollstrecker sei, ist rechtlich unmöglich.

Ein Gesellschaftsvertrag begründet

nach §§ 705 und 241 ein Schuldverhältnis, dessen Subjekte nach Abschn. 1

des 1. Buches des BGB. nur Personen — natürliche oder juristische — sein können.

Ein Vollstrecker kann Schuldverhältniffe eingehen, deren Gläubiger

oder Schuldner er als natürliche Person ist, wie z. B. in den Fällen der

§§ 2219, 2221; er kann auch nach §§ 2206, 2207 Schuldverbindlichkeiten

für den Nachlaß eingehen, deren Schuldner nach § 1967 die Erben sind, und er kann nach §§ 2205 Satz 1, 2041 Ansprüche für den Nachlaß erwerben,

deren Gläubiger die Erben sind.

Er kann aber nicht als Vollstrecker Gläu­

biger oder Schuldner sein; denn in dieser Eigenschaft übt er zwar die in dm

12. Erbrecht.

BGB. §§ 2204 ff.

323

88 2204 ff. bezeichneten Befugnisse aus, er ist aber nicht Subjekt von An­ sprüchen oder Verbindlichkeiten; er kann deshalb auch — abgelöst von seiner

natürlichen Persönlichkeit — nicht Gesellschafter sein. — Die Auffassung des Beschwerdeführers ist auch tatsächlich unrichtig; er hat den Gesellschaftsvertrag, wie es in der Urkunde heißt, als Vollstrecker abgeschlossen.

Das kann nicht

anders verstanden werden, als daß er die daraus entspringenden Rechte für

den Nachlaß erworben hat und die daraus entspringenden Verbindlichkeiten für den Nachlaß eingegangen ist.

Subjekte dieser Rechte und Verbindlich­

keiten sollen also die Erben als Träger des Nachlaßvermögens sein.

Dem­

gemäß sind auch in der gemäß 8 8 Nr. 3 des Ges. v. 20. April 1892 der Anmeldung beigefügten Liste der Gesellschafter die Erben als Gesellschafter

bezeichnet.

Bei dieser Sachlage ist die Ablehnung der Eintragung schon durch

die formelle Erwägung gerechtfertigt, daß die Liste der Gesellschafter die im 8 8 Nr. 3 vorgeschriebene Angabe des Namens, Vornamens, Standes und

Wohnortes der Erben nicht enthält. Aber auch der aus 8 2 Ges. entnommene materielle Ablehnungsgrund greift durch.

Nach 8 2 ist der Gesellschaftsvertrag von sämtlichen Gesellschaftern

persönlich oder durch Bevollmächtigte zu unterzeichnen.

Die Unterzeichnung durch andere Vertreter mit Vertretungsmacht ist nicht besonders erwähnt, steht aber nach 8 164 BGB. der persönlichen Unterzeichnung gleich.

Eine

Vollmacht der Erben, d. h. eine durch ihr Rechtsgeschäft erteilte Vertretungs­ macht, hat der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen. Ihr gesetzlicher Vertreter

ist er ebensowenig. Seine Macht gründet sich lediglich aus die letztwillige Verfügung des Erblaffers und die 88 2204 ff. Nach dem Testament ist er mit allen gesetzmöglichen Machtbefugniffen ausgestattet; die Auseinandersetzung

unter den Erben soll noch längere Zeit ausgeschloffen sein und inzwischen der Nachlaß durch den Vollstrecker verwaltet werden. Danach ist gemäß 88 2207, 2209, 2210 anzunehmen, daß der Vollstrecker in der Eingehung

von Verbindlichkeiten für den Nachlaß der Beschränkung des 8 2206 Satz 1 nicht unterliegen soll. Immer aber kann er Verbindlichkeiten nur für den Nachlaß eingehen. Die Erben haften allerdings nach 8 1967 für diese Ver­ bindlichkeiten, und zwar nach 8 2058 als Gesamtschuldner.

Es steht ihnen

aber nach 88 1975 ff. und 8 2059 das Recht zu, ihre Haftung auf den Nach­

laß zu beschränken.

Nur mit dieser Einschränkung kann der Vollstrecker sie

kraft seines Amtes verpflichten.

Deshalb fehlt ihm die Macht, einen Ge-

sellschaftsvertrag abzuschließen, durch den sie Gesellschafter einer Gesellschaft

m. b. H. werden.

Denn als solche würden sie nach 8 3 Nr. 4 und den 88 19,

20, 21, 24 Ges. für die Leistung ihrer Stammeinlage und subsidiär auch für

die Leistung der Stammeinlagen der übrigen Gesellschafter haften und sie

könnten nach 8 25 das. von diesen Rechtsfolgen nicht, also auch nicht durch die Einrede der beschränkten Erbenhaftung, befreit werden.

Fehlt dem Voll­

strecker sonach die Macht, die Erben in dem Umfange zu verpflichten, in welchem sie kraft des Gesetzes durch den Gesellschaftsvertrag verpflichtet sein 21*

12. Erbrecht.

324

Preuß. Ausf.-G. Art. 46.

würden, so kann seine Unterzeichnung des Vertrags die nach 8 2 des Gesetzes

erforderliche Unterschrift der Erben nicht ersetzen. übrigens würde, auch wenn der Vollstrecker eine Vollmacht der Erben zum Abschlüsse des Vertrags in ihrem Namen beibrächte, eine Eintragung nicht erfolgen können. Die Erben würden dann zwar, wie aus allen Ver­ trägen, die sie persönlich abschließen, unbeschränkt hasten und nur etwa das

Recht haben, die infolgedessen gehabten Auslagen auf Grund des § 19788 den Nachlaßgläubigern, denen gegenüber sich ihre Haftung auf den Nachlaß beschränkt, in Rechnung zu stellen, sofern der Abschluß des Gesellschaftsvertrags Jeder der Mit­

sich auf den Nachlaß bezog (Strohal 2 § 64 Anm. 3b, 11c).

erben würde aber dann Gesellschafter sein und der Gesellschaftsvertrag müßte

dann nach Z 3 Nr. 4 Ges. die hier fehlende Angabe der von jedem von ihnen auf das Stammkapital zu leistenden Einlage einzeln enthalten. Die ab­ weichende Absicht Staub-Hachenburgs (1 d ju § 2), daß bei der Gründung einer Gesellschaft ein Stammanteil von mehreren Personen gemeinsam über­

nommen werden könnte, ist mit Stuttgart (Jahrb. 22 D S. 23) nicht zu billigen, da das Gesetz außer durch § 3 Nr. 4 auch durch die im § 5 gegebenen Be­ stimmungen, daß die Stammeinlage jedes Gesellschafters mindestens 500 Mark betragen und in Mark durch 100 teilbar fein muß, die besondere Auswerfung der Stammeinlage jedes Gesellschafters verlangt und sie auch in den §§ 19 ff.

Ges. voraussetzt. Daß nach den §§ 17, 18 im Falle der Veräußerung und Verwertung eine Teilung der Geschäftsanteile möglich ist, läßt einen Rück­ schluß auf die Gründung der Gesellschaft nicht zu, weil bei dieser das Gesetz zwecks Sicherung der Einlage des gesamten Stammkapitals besondere Be­ stimmungen für erforderlich gehalten hat. B. d) Erbrecht des märkischen Ehegatten gegenüber einem Testament. Kammergericht, III. ZS. Urteil v. 15. Februar 1907. Der Beklagte hat das von seiner am 5. August 1904 in Berlin ver­

storbenen Frau mit ihrem früheren (zweiten) Ehemann errichtete gemeinschaft­ liche Testament vom 23. März 1891 formgerecht und rechtzeitig angefochten, weil er als pflichtteilsberechtigter überlebender Gatte in diesem Testament

Übergängen ist. Die Frage, ob anzunehmen ist, daß die Erblafferin auch bei Kenntnis der Sachlage jenes Testament errichtet haben würde (§ 20792), hat das Landgericht bejahend entschieden und demgemäß sestgestellt, daß der Be­

klagte nicht Miterbe seiner Frau geworden sei. Diese Entscheidung erweist sich indessen als rechtsirrtümlich, weil der Beklagte, der unstreitig mit seiner Frau den ersten (und einzigen) Ehewohnsitz

in Berlin gehabt hat, als märkischer Witwer ohne Rücksicht auf das Testament

Art. 200

an ihrem Nachlasse

EG. z. BGB.

sind

erb- und pflichtteilsberechttgt ist. Nach die erbrechtlichen Wirkungen des Güter­

standes der Ehe des Beklagten, die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB.

bereits bestand — die Ehe ist im Jahre 1898 geschloffen —, nach Maßgabe

der bisherigen Gesetze bestehen geblieben.

Auf Grund der Ermächtigung

13. Rechtshilfe.

GVG. §§ 157 ff.

325

des Art. 218 EG. sind diese erbrechtlichen Folgen durch Art. 46 preuß. Ausf.-Ges. z. BGB. zum Teil neu geordnet. Danach steht das statutarische Erbrecht dem Testamente

überlebenden zu,

durch

märkischen

welches

ein

Ehegatten anderer

auch als

gegenüber

Erbe

einem

eingesetzt

ist,

sofern nicht dem Ehegatten gegenüber ein Enterbungsgrund vorliegt. Das Erbrecht hat insofern die Natur eines Pflichtteilsrechts und bleibt nach § 2 Art. 46 a. O. bestehen, jedoch mit der in § 5 bestimmten Maßgabe, daß den

Miterben das Recht beigelegt ist, dem Ehegatten, falls er mit der Ausübung seines statutarischen Wahlrechts zögert, durch das Nachlaßgericht mit der

gleichen Wirkung wie bei der gesetzlichen Erbfolge eine Frist setzen zu lassen (vgl. die Begründung zum preuß. Ausf.-G., Heymannsche Ausgabe S. 148).

Im vorliegenden Falle hat der Beklagte sein Wahlrecht durch die Er­ klärung, die Hälfte des von seiner Frau hinterlassenen Vermögens beanspruchen zu wollen, bereits dem Nachlaßgerichte gegenüber ausgeübt und erklärt sich auch bereit, der gesetzlichen Vorschrift gemäß sein eigenes Vermögen bei der

Teilung mit einzuwerfen.

Daß er bereits in der Verhandlung vom 5. Oktober

1905 vor dem Nachlaßgericht erklärt hat,

er habe zur Zeit des Todes der Erblafferin keine Grundstücke besessen, und jetzt ferner angibt, überhaupt

kein eigenes Vermögen zu besitzen, ist für die rechtliche Beurteilung feines Anspruchs in diesem Rechtsstreite ohne Belang. Z.

18 a) Rechtshilfeerfache« einer Disziplinarbehörde. OLG. Posen, V. ZS. Beschluß v. 14. Januar 1907. Zur Beschaffung einer Grundlage dafür, ob gegen den Assistenten X.

ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist, hat die Eisenbahndirektion auf Grund des § 38 V. vom 2. Januar 1849 um möglichst eidliche Vernehmung von Zeugen das Amtsgericht ersucht. Die Beschwerde über die Ablehnung dieses Ersuchens ist begründet. Den Vorstehern der Disziplinarbehörden, zu denen nach 81 Ges. v. 17. Juni 1880 auch die Präsidenten der Eisenbahndirektionen gehören, sind strafrechtliche Funktionen übertragen, nämlich die Befugnis, die ihnen unterstellten Beamten zu bestrafen und ein Disziplinarverfahren gegen sie einzuleiten.

Ihre Er­

suchen um Vernehmung von Zeugen zur Beschaffung einer Grundlage für ein

eventuell einzuleitendes Disziplinarverfahren charakterisieren sich demnach als Ersuchen um Rechtshilfe. Auch ist das OLG. zu der Entscheidung über die Beschwerde zuständig, da hier die §§ 157 ff. GVG. anwendbar sind (Jahrb. 10 S. 3, dagegen Entsch. d. RG. in Straff. 19 S. 438). Die V. v. 2. Januar

1849 stellt im § 38 nur den Rechtsgrundsatz fest, daß Verwaltungsbehörden und Gerichte sich gegenseitig Unterstützung leisten sollen, sagt aber nichts über

das dabei einzuschlagende Verfahren.

Auch die Disziplinargesetze geben keine

Vorschriften über das Rechtshilfeverfahren.

Da jedoch diese Gesetze nur einige

besondere, jedenfalls keineswegs erschöpfende Bestimmungen über das Dis-

13. Rechtshilfe.

GVG. §§ 157 ff.

325

des Art. 218 EG. sind diese erbrechtlichen Folgen durch Art. 46 preuß. Ausf.-Ges. z. BGB. zum Teil neu geordnet. Danach steht das statutarische Erbrecht dem Testamente

überlebenden zu,

durch

märkischen

welches

ein

Ehegatten anderer

auch als

gegenüber

Erbe

einem

eingesetzt

ist,

sofern nicht dem Ehegatten gegenüber ein Enterbungsgrund vorliegt. Das Erbrecht hat insofern die Natur eines Pflichtteilsrechts und bleibt nach § 2 Art. 46 a. O. bestehen, jedoch mit der in § 5 bestimmten Maßgabe, daß den

Miterben das Recht beigelegt ist, dem Ehegatten, falls er mit der Ausübung seines statutarischen Wahlrechts zögert, durch das Nachlaßgericht mit der

gleichen Wirkung wie bei der gesetzlichen Erbfolge eine Frist setzen zu lassen (vgl. die Begründung zum preuß. Ausf.-G., Heymannsche Ausgabe S. 148).

Im vorliegenden Falle hat der Beklagte sein Wahlrecht durch die Er­ klärung, die Hälfte des von seiner Frau hinterlassenen Vermögens beanspruchen zu wollen, bereits dem Nachlaßgerichte gegenüber ausgeübt und erklärt sich auch bereit, der gesetzlichen Vorschrift gemäß sein eigenes Vermögen bei der

Teilung mit einzuwerfen.

Daß er bereits in der Verhandlung vom 5. Oktober

1905 vor dem Nachlaßgericht erklärt hat,

er habe zur Zeit des Todes der Erblafferin keine Grundstücke besessen, und jetzt ferner angibt, überhaupt

kein eigenes Vermögen zu besitzen, ist für die rechtliche Beurteilung feines Anspruchs in diesem Rechtsstreite ohne Belang. Z.

18 a) Rechtshilfeerfache« einer Disziplinarbehörde. OLG. Posen, V. ZS. Beschluß v. 14. Januar 1907. Zur Beschaffung einer Grundlage dafür, ob gegen den Assistenten X.

ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist, hat die Eisenbahndirektion auf Grund des § 38 V. vom 2. Januar 1849 um möglichst eidliche Vernehmung von Zeugen das Amtsgericht ersucht. Die Beschwerde über die Ablehnung dieses Ersuchens ist begründet. Den Vorstehern der Disziplinarbehörden, zu denen nach 81 Ges. v. 17. Juni 1880 auch die Präsidenten der Eisenbahndirektionen gehören, sind strafrechtliche Funktionen übertragen, nämlich die Befugnis, die ihnen unterstellten Beamten zu bestrafen und ein Disziplinarverfahren gegen sie einzuleiten.

Ihre Er­

suchen um Vernehmung von Zeugen zur Beschaffung einer Grundlage für ein

eventuell einzuleitendes Disziplinarverfahren charakterisieren sich demnach als Ersuchen um Rechtshilfe. Auch ist das OLG. zu der Entscheidung über die Beschwerde zuständig, da hier die §§ 157 ff. GVG. anwendbar sind (Jahrb. 10 S. 3, dagegen Entsch. d. RG. in Straff. 19 S. 438). Die V. v. 2. Januar

1849 stellt im § 38 nur den Rechtsgrundsatz fest, daß Verwaltungsbehörden und Gerichte sich gegenseitig Unterstützung leisten sollen, sagt aber nichts über

das dabei einzuschlagende Verfahren.

Auch die Disziplinargesetze geben keine

Vorschriften über das Rechtshilfeverfahren.

Da jedoch diese Gesetze nur einige

besondere, jedenfalls keineswegs erschöpfende Bestimmungen über das Dis-

ziplinarverfahren enthalten, muß der Gesetzgeber den Willen gehabt haben, daß die allgemeinen Bestimmungen des jedesmaligen Strafverfahrens er­

gänzend angewendet werden, soweit sie mit den Disziplinargesetzen und dem von ihnen verfolgten Zwecke im Einklänge stehen.

Andernfalls würde ein Disziplinarverfahren in den weitaus meisten Fällen undurchführbar sein. Es

hat denn auch früher, wie die Motive zum Gesetz vom 9. April 1879 hervor­ heben, keinem Bedenken unterlegen, die allgemeinen Vorschriften des Strafprozesses, soweit sie mit dem Wesen und dem Zwecke des Disziplinarverfahrens

vereinbar sind, in diesem Verfahren anzuwenden.

Von demselben Gesichts­

punkte, heißt es weiter, sei auch das Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873

bei Regelung des Disziplinarverfahrens ausgegangen.

Mit den allgemeinen

Vorschriften des gewöhnlichen Strafverfahrens stehen in engem, innerem Zu­

sammenhänge die §§ 157 ff. GVG.

Auch sie müssen sonach als allgemeine

Vorschriften des Strafverfahrens und als mit dem Wesen und dem Zwecke des Disziplinarverfahrens vereinbar in diesem Verfahren zur Anwendung gelangen.

Daraus ergibt sich nach § 160 die Zuständigkeit des jetzt ent­

scheidenden Gerichts, zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Das Begehren um Zeugenvernehmung ist berechtigt und zulässig.

Zwar

ist der Fall einer Rechtshilfe begrifflich dann ausgeschlossen, wenn die Hand­

lung, um deren Vornahme ersucht wird, sich als eine solche darstellt, die das ersuchende Gericht oder die ersuchende Behörde nach gesetzlicher Bestimmung selbst vorzunehmen berufen und in der Lage ist; es kann auch nicht verkannt werden, daß die Eisenbahndirektion vorliegend die Zeugen selbst vernehmen

kann.

Allein diese Behörde ist nicht in der Lage, Privatpersonen zum Er­

scheinen und zur Aussage zu zwingen; ferner wird eine möglichst eidliche

Vernehmung — d. h. sofern solche gesetzlich zulässig ist — begehrt, zu dieser ist aber die ersuchende Behörde, weil ein Disziplinarverfahren noch nicht eingeleitet ist, nicht zuständig. E.l.

b) Weigerung des ersuchten Gerichts, zur vollftr. Ausfertigung des vo« ihm aufgenommene« Uuterhaltsversprechens des Schwängerers den Gerichtsschreiber nnznwrisen. OLG. Colmar, I. ZS.

Beschluß v. 7. November 1906.

Ob das Amtsgericht Metz dem den Rechtshilfeverkehr einleitenden Er­ suchen des Amtsgerichts Berlin um Vernehmung des Kindesoaters über Er­

füllung seiner Unterhaltspflicht stattgeben durfte (vgl. den Beschluß des RG. vom 28. April 1904 in ElsLthrZ. 29 S. 499), ferner ob aus der in Erledigung

dieses Ersuchens mit dem Kindesvater ausgenommenen Verhandlung überhaupt eine Zwangsvollstreckung stattfindet (§ 794 Nr. 5 ZPO. i. v. „innerhalb der

Grenzen seiner Amtsbefugnisse"), ferner ob das demnächstige Ersuchen der Gerichtsschreiberei Berlin an diejenige von Metz um Rechtshilfe zulässig war (Rsp. US. 336), endlich ob zweckmäßigerweise (Rsp. 2 S. 393 oben) die Vor­

münderin einer vollstreckbaren Ausfertigung jener Verhandlung bedurfte, um die vom Vater für das Kind hinterlegten 1000 Mark zu erlangen — dies

alles braucht nicht entschieden zu werden.

Denn dem ersuchten Gericht steht keine Nachprüfung darüber zu, ob das dem streitigen Ersuchen vorausgegangene

Verfahren des ersuchenden Gerichts an wesentlichen Mängeln (Rsp. 9 S. 439) leidet. Aber auch die zwischen den beiden Gerichten allein streitige Frage, ob der

Gerichtsschreiber des Vormundschaftsgerichts Berlin oder derjenige von Metz zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung der vom letzteren Gerichte beurkundeten Verhandlung zuständig ist, bedarf hier keiner Prüfung.

In

welchem Sinne nämlich auch die Beantwortung dieser Frage ausfallen möge

(ogl. Samml. des Bayer. Ob.LG. 3 S. 565, 1068), jedenfalls kann sie nicht im Wege des vorliegenden Rechtshilfeverfahrens ausgetragen werden. Und zwar zunächst deshalb nicht, weil das in den §§ 157 ff. GVG. vorgesehene Ver­ fahren nur der von Gericht zu Gericht leistenden Rechtshilfe dient.

Hier

aber handelt es sich um ein in Wirklichkeit nicht von dem Gericht in Berlin, sondern um einen von einer Privatperson, der Vormünderin, an das Gericht in Metz geleiteten Antrag, hinsichtlich dessen das erstere Gericht nicht als

„ersuchende" Behörde, sondern als bloßes Beförderungsmittel für den zwar bei ihm angebrachten, aber für das Gericht in Metz bestimmten Antrag figuriert (Rsp. 1 S. 194). Außerdem steht beit Erledigung des Ersuchens des

Amtsgerichts Berlin folgendes Hindernis entgegen.

Die Rechtshilfe ist kein

Mittel, eine solch« Weigerung eines Gerichts zur Vornahme einer Amts­ handlung zu überwinden, zu deren Überwindung die Prozeßordnung ein in ihr geregeltes Verfahren darbietet.

Obgleich nämlich die Urkunde,

deren

vollstreckbare Ausfertigung in Frage steht, im Wege der freiwilligen Gerichts­ barkeit ausgenommen ist, betrifft der Streit, welchem der beiden Gerichts­ schreiber die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung obliegt — als ein sich auf die Vorbereitung der Zwangsvollstreckung beziehender —, eine An­

gelegenheit der streitigen Gerichtsbarkeit.

Da hierüber weder im FrGG. noch

im elsaß-lothr. Ausf.-G. vom 6. November 1899, noch in der Novelle vom 13. Februar 1905 eine Bestimmung getroffen worden ist, kommt die ZPO. zur Anwendung.

Nach deren § 7971 wird die vollstreckbare Ausfertigung

gerichtlicher Urkunden von dem Gerichtsschreiber desjenigen Gerichts erteilt, welches die Urkunde ausgenommen hat. Nach § 5761 ist die Entscheidung des Prozeßgerichts nachzusuchen, wenn die Änderung einer Entscheidung des Selbst angenommen nun, daß das Ersuchen des Amtsgerichts Berlin an dasjenige in Metz um Anweisung des Gerichts­ Gerichtsschreibers verlangt wird.

schreibers zur Erteilung der Ausfertigung auf einem Antrag der Vormünderin beruhte (worüber die Akten keinen Aufschluß geben) und daß insofern der erste Schritt zur Hinwegräumung der Weigerung des Gerichtsschreibers gemäß dem § 5761 getan worden ist, so blieb nach Ablehnung dieses Antrags durch

die Entscheidung des Amtsgerichts Metz als einziger Weg zur Abhilfe gemäß

§ 5762 die Beschwerde übrig, welche nach 8 577 a. E. von diesem Amtsgericht dem vorgesetzten Landgerichte (Seuffert S. 116, 117), nicht, wie in der

Rechtsmittelschrift des Amtsgerichts Berlin vom 24. Oktober 1906 in irrtüm-

sicher Anwendung des § 160 Satz 1 GVG. beantragt worden, dem Ober­ landesgericht vorzulegen war.

Dem Rechtsmittel kann daher diesseits nicht

stattgegeben werden.

Frdthl.

c) Rechtshilfe in Grundbuch-, Registersachen. a) OLG. Cassel, II. ZS.

Beschluß v. 31. Dezember 1906.

Das Amtsgericht Eisenach hatte das Amtsgericht Cassel ersucht, den Gläubiger einer Hypothek, deren Tilgung der Eigentümer behauptete, darüber zu vernehmen, ob er in Löschung der Hypothek willige. Das Ersuchen wurde abgelehnt, weil eine Rechtshilfe in nicht streitigen Angelegenheiten bei solchen Verfahren, die nur auf Parteiantrag einzuleiten seien, besonders in Grund­ buchsachen, wenn es sich darum handele, die Unterlagen für eine Eintragung

im Grundbuch zu schaffen, nicht stattfinde. Das ersuchende Gericht hat nun die Entscheidung über die Verpflichtung zur Leistung der Rechtshilfe nach­

gesucht.

Allein mit Recht macht daS Amtsgericht Cassel geltend, daß auf

§ 2 FrGG. eine Verpflichtung zur Rechtshilfe in Grundbuchsachen nicht ge­ stützt werden kann. Rach Art. 1 der Übereinkunft zwischen Preußen und dem

Großh. Sachsen vom 23./29. 3Jlärj 1852 haben sich zwar die Gerichte beider

Staaten alle Rechtshilfe zu leisten, welche sie den Gerichten des Inlandes nicht verweigern dürfen, allein es fehlt an jeder Vorschrift, nach welcher das OLG. zur Entscheidung bei Verweigerung der Rechtshilfe zuständig wäre.

Es war deshalb auf die Frage, ob vorliegend ein zulässiges Ersuchen um Rechtshilfe vorliegt, nicht einzugehen. Fs. /?) OLG. Frankfurt, I. ZS. Beschluß v. 22. Mär, 1906. Nachdem 3E. sein Handelsgewerbe in Schweinfurt aufgegeben und sich zur Einsendung einer Notariatsurkunde außerstande erklärt hatte, ersuchte das

Amtsgericht, den 3£. vorzuladen und seinen Löschungsantrag nach § 12 HGB. an Stelle des Registergerichts entgegenzunehmen. DaS ersuchte preuß. Amts­ gericht lehnte ab. Die Beschwerde hierüber ist begründet. Der Entsch. des RG. 58 S. 94, daß in Fällen wie der vorliegende die Voraussetzungen der Rechtshilfe nach den reichsgesetzlichen Bestimmungen (§ 2 FrGG. mit §§ 159 f. GVG.) nicht gegeben sind, ist beizutreten und auch der weiterhin dagegen erhobene Angriff zu verwerfen, wonach der § 2 FrGG. jedenfalls deshalb anwendbar sei, weil daS Ersuchen in einer Registersache,

also in einer gemäß § 125 durch Reichsgeseh den Gerichten übertragenen Angelegenheit, erging.

Denn nicht lediglich darauf kommt es an, auS welcher

Angelegenheit heraus das Ersuchen erging, sondern darauf, was den Gegen­ stand des Rechtshilseersuchens bildete.

recht die Rechtshilfe gewährt.

Hiernach ist zu prüfen, ob das Landes­

Maßgebend ist für die preuß. Gerichte unter­

einander der § 87 Ausf.-G. zum GVG. und im Verkehr verschiedener Bundes­

staaten untereinander die zwischen diesen abgeschloffenen Staatsverträge (§ 46 Ges. v. 21. Juni 1869, Art. 56 EG. zum BGB.), hier also die Übereinkunft vom 4./30. Oktober 1819 (Kamptz, Jahrbuch 14 S. 200) und die MinErkl.

vom 17. Mai 1834 (GS. 71)....

Wenn es daselbst auch an einer aus-

drücklichen diesbezüglichen Bestimmung mangelt, wird doch eine tatsächlich

geübte Rechtshilfe auch in Sachen der freiw. Gerichtsbarkeit insofern voraus­ gesetzt, als das Kastenwesen für diese Rechtshilfe eingehend geregelt und an

Stelle des früher üblichen diplomatischen Verkehrs der direkte Verkehr der Gerichte eingeführt wird. Aus dieser Tatsache in Verbindung mit dem Um­ stande, daß sich auch gegenwärtig die preußischen und die bayerischen Gerichte auch in den durch Landesgesetz übertragenen Angelegenheiten tatsächlich Rechts­ hilfe gewähren, glaubt das Gericht bis auf weiteres entnehmen zu müssen,

daß, solange und soweit diese Gegenseitigkeit besteht, in ihr eine stillschweigende Einigung zwischen den beiden Staaten dahin enthalten ist, daß die Rechts­

hilfe zwischen ihren Gerichten unter den gleichen Voraussetzungen zu gewähren ist, unter denen sie zwischen den Gerichten jedes einzelnen Staates selbst ge­

währt wird.

Demgemäß ist dem vorliegenden Ersuchen stattzugeben.

Allerdings wird

vielfach verneint, daß Gegenstand der Rechtshilfe die Vermittelung einer Rechtshandlung sein kann, die aus der eigenen Initiative und auf besonderen

Antrag der Partei selbst vorzunehmen ist.

Allein diese Auffassung ist nicht

zutreffend. Entscheidend einerseits ist, daß es zweifellos zu den Aufgaben des ersuchenden Gerichts gehört, die Übereinstimmung des Handelsregisters mit der Wirklichkeit zu überwachen und von allen ihm zu diesem Zwecke zu

Gebote stehenden Mitteln Gebrauch zu machen, besonders auch selbst der Partei zwecks Protokollierung des Löschungsantrags in einem Termin Ge­

legenheit zu gellen.1 Nichts anderes als diese Handlung an Stelle des Registerrichters selbst vorzunehmen, wird vom ersuchten Gericht verlangt. Daß anderseits die Entgegennahme jener Anmeldung — ohne Ausübung eines Zwanges zum Erscheinen im Termin — zu den Aufgaben deS ersuchten Richters gehört, kann nach den unbeschränkten Vorschriften in Art. 31, 40 ff.,

60 preuß. FrG. nicht zweifelhaft sein. /) OLG. Frankfurt, I. ZS.

Beschluß v. 6. November 1906.

Das Amtsgericht A. ersuchte das Amtsgericht B., den N. darüber zu

hören, ob er anerkenne, der von ihm geschwängerten X. für den Fall, daß er fie nicht heirate, eine persönliche Entschädigung von 1000 Mark zu ver­

schulden und ob er fich dieserhalb der Zwangsvollstreckung unterwerfe.

Ersuchen ist zu Unrecht abgelehnt worden.

Wenn

Dieses

die Vernehmung des

1 Bon diesem Gesichtspunkt ans muß es namentlich in Grundbuchsachen als durchaus zulässig und deshalb in den Rahmen dieser Angelegenheiten fallend angesehen werden, wenn der Grundbuchrichter dem Antrag eines bei der Löschung einer Hypothek beteiligten Jnteteffeilten entsprechend dem andern bei diesem Akte beteiligten Interessenten einen Termin

bekannt gibt, in welchem diesem ohne Ausübung eines Zwangs die Gelegenheit gegeben wird, das zur Herbeiführung der Eintragung seinerseits Erforderliche zu tun.

Ist diese Voraus­

setzung aber gegeben, dann ist auch das an ein anderes Gericht gestellte Ersuchen des Grund­ buchrichters, ihn in Erledigung einer solchen Maßnahme zu unterstützen, als «in Ersuchen um

Rechtshilfe anzusehen (Beschluß desselben ZS. v. 10. Januar 1S08, Rundschau SS S. 2S7).

Bgl. Rsp. 4 S. 220 und dagegen Rsp. 2 S. 236, 9 S. 374.

330

13. Rechtshilfe.

GBG. § 160. — 14. Handelsgesetzbuch § 4.

Schwängerers über die Anerkennung seiner der Kindesmutter gegenüber be­ stehenden Verpflichtungen auch keine reine Bormundschaftssache ist, so steht sie doch mit der Führung der Vormundschaft über das der Schwängerung

entsprossene Kind im engsten Zusammenhänge, wird zulässiger- und zweckmäßiger­

weise von dem Vormundschaftsgericht mitbetrieben. Die Ablehnung erscheint aber auch deshalb ungerechtfertigt, weil die Handlung, um deren Vornahme ersucht

ist, jedenfalls nicht verboten ist.

Denn ein Recht des Amtsgericht B., den

Schwängerer vorzuladen und ihn, falls er erscheint und sich äußert, zu ver­ nehmen, kann nicht bezweifelt werden.

Zurzeit nicht zu erörtern ist die von

der Frage nach der Zulässigkeit der beantragten Amtshandlung verschiedene Frage, ob ein Gerichts- und Zeugniszwang vorliegend besteht.

R.

d) Beschwerde wegen Gebührcnerstattnng. OLG. Hamburg, V. ZS.

Beschluß v. 15. März 1907.

Dem Ersuchen, den B. als Sachverständigen zu vernehmen, hat das Amtsgericht Hamburg nicht entsprochen, sondern unter Bezugnahme auf das Übereinkommen betr. Erstattung der Rechtshilfekosten ersucht, den B. mit der Erstattung des Gutachtens gemäß § 411 ZPO. direkt zu beauftragen, eventuell

das Ersuchen auf dessen Beeidigung und Aushändigung der Akten an ihn zu beschränken.

Dem eventuellen Anträge gemäß ist verfahren worden.

In

gleicher Weise ist, nachdem an Stelle des B. der Sachverständige M. getreten war, das Ersuchen in der Weise gestellt worden, daß gebeten ist, ihn zu be­ eidigen und ihm zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens die Akten auSzuhändigen. Danach hat sich die Tätigkeit des Amtsgerichts Hamburg ge­ mäß dem gestellten Ersuchen darauf beschränkt, die Beeidigung des Sachver­ ständigen vorzunehmen und ihm zwecks Erledigung des vom Amtsgericht A. erteilten Auftrages zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens die Akten

auszuhändigen. Sollte ein schriftlicher Auftrag des Amtsgerichts A. dem Sachverständigen nicht direkt übersandt sein, so würde in der Aushändigung der Akten eine Übermittlung des Auftrags zu erblicken sein, als Auftraggeber wäre aber auch in diesem Falle das Amtsgericht A. anzusehen. Unter diesen Umständen sind die durch Erstattung des schriftlichen Gutachtens erwachsenen Kosten von der Hamburgischen Staatskasse nicht zu tragen. Die Beschwerde des Amtsgerichts A. wegen Rückerstattung dieser Kosten ist daher zwar zu­ lässig (Entsch. des RG. 24 S. 1), aber unbegründet. M. M.

14 a) Minderkaufleutr können keine Firma führen und keine offene Handelsgesellschaft zum Betriebe eines Kleingewerbes gründe«. — Maß­ gebend für die Eintragbarkeit ist der Umfang des Geschäfts zur Zeit der Anmeldung. Kammergericht, L ZS.

Beschluß v. 20. September 1906.

Zunächst ist die Ansicht der Beschwerdeführer, daß Kleingewerbetreibende zwar nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt seien, ihre Firma eintragen

330

13. Rechtshilfe.

GBG. § 160. — 14. Handelsgesetzbuch § 4.

Schwängerers über die Anerkennung seiner der Kindesmutter gegenüber be­ stehenden Verpflichtungen auch keine reine Bormundschaftssache ist, so steht sie doch mit der Führung der Vormundschaft über das der Schwängerung

entsprossene Kind im engsten Zusammenhänge, wird zulässiger- und zweckmäßiger­

weise von dem Vormundschaftsgericht mitbetrieben. Die Ablehnung erscheint aber auch deshalb ungerechtfertigt, weil die Handlung, um deren Vornahme ersucht

ist, jedenfalls nicht verboten ist.

Denn ein Recht des Amtsgericht B., den

Schwängerer vorzuladen und ihn, falls er erscheint und sich äußert, zu ver­ nehmen, kann nicht bezweifelt werden.

Zurzeit nicht zu erörtern ist die von

der Frage nach der Zulässigkeit der beantragten Amtshandlung verschiedene Frage, ob ein Gerichts- und Zeugniszwang vorliegend besteht.

R.

d) Beschwerde wegen Gebührcnerstattnng. OLG. Hamburg, V. ZS.

Beschluß v. 15. März 1907.

Dem Ersuchen, den B. als Sachverständigen zu vernehmen, hat das Amtsgericht Hamburg nicht entsprochen, sondern unter Bezugnahme auf das Übereinkommen betr. Erstattung der Rechtshilfekosten ersucht, den B. mit der Erstattung des Gutachtens gemäß § 411 ZPO. direkt zu beauftragen, eventuell

das Ersuchen auf dessen Beeidigung und Aushändigung der Akten an ihn zu beschränken.

Dem eventuellen Anträge gemäß ist verfahren worden.

In

gleicher Weise ist, nachdem an Stelle des B. der Sachverständige M. getreten war, das Ersuchen in der Weise gestellt worden, daß gebeten ist, ihn zu be­ eidigen und ihm zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens die Akten auSzuhändigen. Danach hat sich die Tätigkeit des Amtsgerichts Hamburg ge­ mäß dem gestellten Ersuchen darauf beschränkt, die Beeidigung des Sachver­ ständigen vorzunehmen und ihm zwecks Erledigung des vom Amtsgericht A. erteilten Auftrages zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens die Akten

auszuhändigen. Sollte ein schriftlicher Auftrag des Amtsgerichts A. dem Sachverständigen nicht direkt übersandt sein, so würde in der Aushändigung der Akten eine Übermittlung des Auftrags zu erblicken sein, als Auftraggeber wäre aber auch in diesem Falle das Amtsgericht A. anzusehen. Unter diesen Umständen sind die durch Erstattung des schriftlichen Gutachtens erwachsenen Kosten von der Hamburgischen Staatskasse nicht zu tragen. Die Beschwerde des Amtsgerichts A. wegen Rückerstattung dieser Kosten ist daher zwar zu­ lässig (Entsch. des RG. 24 S. 1), aber unbegründet. M. M.

14 a) Minderkaufleutr können keine Firma führen und keine offene Handelsgesellschaft zum Betriebe eines Kleingewerbes gründe«. — Maß­ gebend für die Eintragbarkeit ist der Umfang des Geschäfts zur Zeit der Anmeldung. Kammergericht, L ZS.

Beschluß v. 20. September 1906.

Zunächst ist die Ansicht der Beschwerdeführer, daß Kleingewerbetreibende zwar nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt seien, ihre Firma eintragen

14. Handelsgesetzbuch § 4.

zu lassen, als rechtsirrtümlich zurückzuweisen.

331

Sie haben weder eine Pflicht

Nach § 4 Abs. 1 gilt für sie insbesondere nicht die Vorschrift des § 17 HGB.; die Firma ist also für sie nicht der Name, unter noch ein Recht hierzu.

welchem sie im Handel Geschäfte treiben.

Der Minderkaufmann darf eine

Firma, d. h. einen von seinem bürgerlichen Namen abweichenden Geschäfts­

namen, nicht führen.

Wenn ein Minderkaufmann eine von seinem bürger­

lichen Namen verschiedene (eingetragene oder nichteingetragene) Firma führt,

die sich mit seinem bürgerlichen Namen nicht deckt, so ist das ein Mißbrauch,

welchem das Registergericht nach § 37 Abs. 1 HGB. entgegenzutreten hat, um das Publikum vor Irreführung über Art und Umfang des Geschäfts zu schützen.

Das Handelsregister ist der Eintragung einer solchen Firma ver-

Ist die Eintragung doch erfolgt, so ist sie gemäß § 142 FrGG. Amts wegen zu löschen (KGJ. 31 S. 143, 147; Lehmann-Ring

schlofsen.

von

Nr. 7 zu 8 4, Staub Anm. 12 zu 8 4, Goldmann Nr. II 1

zu 8 4,

Düringer-Hachenburg Nr. Va zu 8 4 HGB.).

Minderkaufleute können infolgedessen auch keine offene Handelsgesellschaft zum Betriebe eines Klein­

gewerbes gründen, weil diese Gesellschaftsform nach § 105 Abs. 1 einen Gewerbebetrieb unter einer gemeinschaftlichen Firma voraussetzte, d. h. unter einer vom Gesetz anerkannten Firma, wie sie eben nur für ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe

geführt

werden

kann

(Lehmann-Ring

Nr. 10 a. £).;

Düringer-Hachenburg Nr. Vb a. O.; Staub Anm. 11 zu 8 105, Gold­ mann Anm. 18c zu 8 105 HGB.). Somit ist den Beschwerdeführern die Eintragung ihrer Gesellschastsfirma mit Recht versagt, wenn ihr Gewerbe­ betrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht. Ferner hat sich aber da- Landgericht auch zutreffend auf den Rechts­ standpunkt gestellt, daß für die Frage der Eintragung des Handelsgewerbes

der Beschwerdeführer lediglich dessen derzeitiger Charakter (als Klein- oder Vollhandelsgewerbe) maßgebend ist und nicht sein etwaiger zukünftiger von Das Handelsregister ist nicht dazu bestimmt, die bloße Möglichkeit dereinst entstehender Rechtsverhältnisse anzukündigen; vielmehr

ihnen angestrebter.

sollen in ihm Verhältniffe, welche bereits begründet sind oder mindestens mit der Anmeldung begründet werden, als solche durch die Eintragung und deren Bekanntmachung kundgegeben werden.

Durch die Anmeldung erklärt der

Anmeldende, daß er ein Handelsgewerbe, deffen Betrieb über den Umfang

des Kleingewerbes hinausgehe, betreibe, nicht aber, daß er es erst in Zukunft betreiben werde.

Der Registerrichter hat also auch, ehe er dem Eintragungs­

antrag stattgeben kann, zu prüfen, ob jene Tatsache richtig ist (Entsch. des RG. 22 S. 59; Staub Anm. 8 zu 8 29, Goldmann Nr. II 1 zu 8 29, Düringer-Hachenburg Nr. III zu 8 29 HGB.).

Nun wird allerdings

naturgemäß ein Gewerbebetrieb in seinem Beginn zumeist nicht diejenige

Ausdehnung haben, wie in seiner vollen Entfaltung.

Das rechffertigt aber

nicht den Schluß, daß ein Kleingewerbebetrieb, von dem die Beteiligten

wollen und erwarten, daß er sich in Zukunft zu einem Vollbetrieb entwickeln

werde, schon zum voraus als ein solcher anzusehen und zu behandeln ist; denn die maßgebende Frage, ob ein Gewerbebetrieb über den Umfang des

Kleingewerbes hinausgeht, ist offensichtlich nach objektiven Momenten, nicht aber nach dem subjektiven Bestreben der Beteiligten zu beantworten. Auch bei einem Vollhandelsgewerbe ist es freilich nicht erforderlich, daß es von

vornherein in allen seinen Beziehungen die Merkmale eines Großbetriebes

zeigt, um als solches anerkannt zu werden. Namentlich wird eS von Anfang an sehr häufig vorkommen, daß die den eigentlichen Gewinn bringenden Weiterveräußerungsgeschäfte zunächst einen nur geringen, hinter vielen Klein­ betrieben zurückbleibenden Umfang haben; gleichwohl kann dann aber aus der Höhe des zur Verfügung gestellten Betriebskapitals, aus dem Umfange

des Warenlagers oder den erheblichen Anschaffungsgeschäften unter Berück­

sichtigung der begleitenden Umstände konkret hervorgehen, daß es sich um Geschäfte eines Vollkaufmanns handelt und daß der Betrieb im ganzen als ein vollkaufmännischer anzusehen ist.

Wo es jedoch an derartigen äußeren

Momenten fehlt, reicht der bloße Wille der Beteiligten nicht aus, um ihren

Betrieb sofort über das Niveau des Kleingewerbes hinauszuheben; vielmehr

muß es der Zukunft überlaffen bleiben, ob es Urnen gelingt, ihr Klein­ gewerbe zum Vollgewerbe umzugestalten, so daß sie nunmehr berechtigt werden, die Eintragung in das Handelsregister zu verlangen. b) Zweigniederlassung tm Stone des tz 13 HEB.

Kammergericht, I ZS.

2.8.

Beschluß v. 5. Juni 1905.

Das Kammergericht hat in ständiger Rechtsprechung, welche sich an die­ jenige deS Reichsoberhandels- und Reichsgerichts anschließt (vgl. die Zu­ sammenstellung in KG. Jahrb. 28 S. 209 sRsp. 11 S. 375]), von einem an einem anderen Orte befindlichen Nebengeschäft, welches als Zweigniederlassung

im Sinne des § 13 HGB. gelten soll, Selbständigkeit gegenüber dem Haupt­ geschäft hauptsächlich in folgenden Beziehungen verlangt: Es müssen von ihm

aus selbständige Geschäfte gemacht werden, und zwar nicht bloß neben­ sächliche, nicht bloße Vorbereitungs-, Vermittlungs- und Ausführungsgeschäfte oder nach genau gegebenen Anweisungen schematisch zu erledigende, sondern auch für das gewerbliche Unternehmen wesentliche, mit einer gewissen Freiheit der Entschließung für die Leiter der Filiale. Es muß bei ihm

eine äußerlich selbständige Leitung vorhanden sein, ein nach innen ge­ sondertes Geschäftsvermögen, mit welchem es ausgestattet ist, und eine

besondere Buchführung.

Die Organisation muß somit im ganzen eine

derartige sein, daß das Nebengeschäft auf Grund seines Geschäftsbetriebs

beim Wegfalle der Hauptniederlaffung als eigene Handelsniederlassung fort­

bestehen könnte.

L.s.

c) Keine Nachprüfung der Errichtung oder Abänderung einer Attieugesellschaft durch den Richter der Zweigniederlassung nach Ein­ tragung in das Hauptregtster. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 15. November 1906.

14. Handelsgesetzbuch §§ 13. 201. 277*.

333

Es ist daran festzuhalten, daß aus dem in § 13 Abs. 1 HGB. aufgestellten Grundsätze, daß die für die Eintragungen in das Handelsregister erforder­ lichen Anmeldungen bei dem Gerichte einer Zweigniederlassung in der gleichen

Weise wie bei dem Gerichte der Hauptniederlassung zu bewirken sind, die Regel zu entnehmen ist, daß das Prüfungsrecht des Registergerichts der Zweigniederlassung in gleicher Weise wie für das Gericht der Hauptnieder­ lassung besteht. Gleichzeitig geht jedoch aus den Eingangsworten des 8 13 („soweit nicht in diesem Gesetzbuch ein anderes vorgeschrieben ist") hervor, daß

besondere gesetzliche Vorschriften eine abweichende Beurteilung ausnahms­ weise rechtfertigen können (KG. Jahrbuch 23 S. 94, 27 S. 213, 29 S. 93,

31 S. 179).

Solche Ausnahmen finden sich beispielsweise in §§ 33 Abs. 2,

201 Abs. 2, 234 Abs. 2, 286, 296 Abs. 2, 333 Abs. 1 HGB.

Derartige ab­

weichende Vorschriften müssen jedoch nach allgemeinen Grundsätzen im Gesetze nicht ausdrücklich gegeben sein, vielmehr können sie sich auch aus dem Auf­ bau des Gesetzes und dem Zusammenhang« der verschiedenen einschlägigen

gesetzlichen Bestimmungen ergeben (Holdheim, Monatsschrift für Handels­ recht 12 S. 260; Recht 1901 S. 495 Nr. 2053). Auf diesen Standpunkt hat sich das Kammergericht bereits für den Fall gestellt, daß ein Unternehmer, dessen Firma gemäß § 2 HGB. in das Handelsregister eingetragen ist, eine Zweigniederlassung zur Eintragung anmeldete, indem es dann dem für die

letztere zuständigen Registergerichte das Recht der Prüfung verweigerte, ob das gewerbliche Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und in dieser Beziehung den Inhalt des Registers der Hauptniederlassung als allein entscheidend ansah (Jahrb. 27 S. 210; RIA. 4 S. 159; Staub 8. Aufl. Anm. 6, 8 zu 8 13 HGB ).

Als

maßgebend erschien dabei der Gesichtspunkt, daß ein gewerbliches Unternehmen durch die Eintragung im Falle des 8 2 die rechtliche Eigenschaft eines kauf­ männischen erlangt. Der Unternehmer wird durch diese rechtserzeugende Ein­ tragung im Register der Hauptniederlassung Kaufmann im Sinne des 8 1 Abs. 1 HGB. und ist somit für die Frage der Eintragung in das Handels­ register der Zweigniederlassung als solcher zu behandeln, ohne daß es einer

weiteren Prüfung in dieser Beziehung bedarf. Daraus wurde hergeleitet, daß das Registergericht der letzteren das Vorliegen der Voraussetzungen des 8 2 für „die von ihm vorzunehmende Eintragung nicht selbständig zu prüfen, sich vielmehr insofern mit dem Nachweis der Eintragung in das Register der

Hauptniederlassung zu begnügen hat". Es fällt aber sofort ins Auge, daß die rechtliche Bedeutung einer Ein­ tragung aus 8 2 eine große Ähnlichkeit mit derjenigen der Errichtung einer Aktiengesellschaft und einer Abänderung ihres Gesellschaftsvertrags hat.

Vor

der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die

Aktiengesellschaft als solche nicht (8 200 Abs. 1 Satz 1).

Eine Abänderung

des Gesellschaftsvertrags hat keine Wirkung, bevor sie bei dem Gericht, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister ein-

Es handelt, sich also hier (wie bei dem Erwerb der Kaufmannseigenschaft gemäß § 2) nur um Rechtsakte, deren

getragen worden ist (§ 277 Abs. 3).

Rechtswirksamkeit absolut von der gleichfalls rechtserzeugenden Eintragung in das Handelsregister abhängig ist.

Es kann aber hierfür zweifelsohne nur eine Eintragung, und zwar allein die in das Register der Hauptniederlassung

maßgebend sein.

Das entspricht der Natur der Sache und wird auch durch

„Soweit es sich um Rechtsakte handelt, deren Wirksamkeit nicht bloß relativ, sondern unbedingt die Denkschrift z. E. HEB. S. 29 bestätigt, wo es heißt:

von der Eintragung in das Handelsregister abhängt, wie die Errichtung der Aktiengesellschaft, die Änderung des Statuts einer solchen

u. dergl. m., kann selbstverständlich nur der Inhalt eines einzigen Registers,

und zwar desjenigen der Hauptniederlassung entscheiden." Über diese ausschlaggebende Bedeutung der bezüglichen Eintragungen im

Register der Hauptniederlassung herrscht wohl auch in der Wissenschaft und Praxis allseitige Übereinstimmung (KG. Jahrb. 27 S. 213, 31 S. 178;

Lehmann-Ring Nr. 2 zu 8 201, Nr. 5 zu 8 277;

Staub Anm. 3, 7 zu

8 201, Anm. 2 zu 8 277; Goldmann Anm. 3 zu 8 201, Anm. 10 zu 8 277; Makower Nr. IV zu 8 201 und Nr. IV zu 8 277 HGB.; Lehmann, Recht

der Aktiengesellschaften 1904 2 S. 498; Schultze-Görlitz, Handelsregisters 1893 S. 36).

Führung

des

Hieraus ist, wie im Falle des 8 2, so auch hier der Schluß zu ziehen, daß die Prüfung des Gesellschastsvertrags und seiner nachträglichen Änderungen allein dem Gerichte der Hauptniederlassung, nicht aber dem­ jenigen der Zweigniederlassung zusteht.

Diese wesentlichen Grundlagen einer

Aktiengesellschaft können bei ihren einzelnen Niederlassungen unmöglich ver­ schieden sein; ihre Übereinstimmung und notwendige Einheitlichkeit darf durch

abweichende Rechtsauffaffungen der mehreren beteiligten Registergerichte nicht

gefährdet werden (Lehmann-Ring Nr. 2 zu 8 201; Pinner Nr. VI 4 zu Dem­

8 201; Lehmann 1898 1 S. 303 Anm.; Schultze-Görlitz S. 26).

entsprechend sind auch im Falle der Anmeldung der Gesellschaft beim Gerichte der Zweigniederlaffung nach 8 201 Abs. 2 Urkunden und Erklärungen nach Maßgabe des § 195 Abs. 2, 3 nicht beizubringen, weil nur das Gericht der Hauptniederlaffung über die Erfüllung der Gründungsvorschriften zu wachen hat.

Diese Auffassung wird auch durch die Entstehungsgeschichte des 8 201

Er ist aus Art. 212 D. HGB. heroorgegangen; nach deffen Abs. 3 in Verbindung mit Art. 179 Abs. 2 bedurfte es für die Anmeldung einer bestätigt.

Zweigniederlaffung nicht des Nachweises, daß die für die Eintragung des

Gesellschastsvertrags bei dem Gerichte der Hauptniederlassung in Art. 210 vorgeschriebeuen Erfordernisse beobachtet waren. Die Bedeutung dieser Be­

stimmung wurde durch die Begründung zum Aktiengesetz vom 18. Juli 1884 (Reichstagsdrucksachen 1884 Nr. 21 S. 217)

noch

ausdrücklich

dahin klar­

gestellt, es solle damit jeder Zweifel darüber abgeschnitten werden, daß der Registerrichter (der Zweigniederlassung)

rücksichtlich

der

erfolgten

14. Handelsgesetzbuch § 16.

Eintragung der Hauptniederlassung in keine

335

Untersuchung ein­

zutreten habe, ob auch die für diese vorgeschriebenen Erforder­ nisse beobachtet seien.

In dem gleichen Sinne haben sich ausgesprochen: KG. Jahrb. 13 S. 43; Ring, Aktiengesetz Art. 179 Anm. 4. In diesem Punkte hat aber das neue HEB.

von dem alten unbedenklich nicht abweichen wollen (KG. Jahrb. 31 S. 179). Was aber in dieser Beziehung von der Eintragung der Aktiengesellschaft selbst in das Register der Zweigniederlassung gilt, muß auch von derjenigen einer Änderung ihrer Statuten gelten. Der gleichartige rechtliche Charakter

beider Eintragungen, wie er oben erörtert ist, und die angezogene Bemerkung

der Denkschrift lassen daran keinen Zweifel, wennschon

es im Gesetze an

einer bezüglichen Vorschrift — abgesehen von dem besonderen Falle der Er­ höhung des Grundkapitals im § 286 — fehlt.

Der aus der letzteren Vor­

schrift schon früher abgeleitete Grundsatz, daß der Registerrichter der Zweig­

niederlassung nach erfolgter Eintragung der Erhöhung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft im Register der Hauptniederlassung deren Gesetzmäßigkeit

für die von ihm vorzunehmende Eintragung nicht mehr nachzuprüfen hat, stellt sich sonach nicht als eine Ausnahme, sondern als ein besonderer An­

wendungsfall der allgemeinen Regel dar, daß dem Registerrichter der Zweig­ niederlassung diese Nachprüfung bei allen im Register der Hauptniederlasiung eingetragenen Änderungen des Gesellschastsvertrags versagt ist. Das war offensichtlich auch bereits der Standpunkt des von der Beschwerdeführerin an­

gezogenen kammergerichtlichen Beschluffes, wenngleich entsprechend der damals

zu treffenden Entscheidung diese Schlußfolgerung dort nicht gezogen worden

ist. Danach muß aber die weitere Beschwerde als begründet anerkannt werden: Es handelt sich hier um einen Generalversammlungsbeschluß auf Abänderung des Gesellschaftsvertrags. Nachdem der Beschluß in das Register der Haupt­ niederlassung eingetragen ist, hat das Registergericht der Zweigniederlaffung

nicht mehr zu prüfen, ob er ordnungsmäßig zustande gekommen ist; ins­ besondere nicht, ob bei dem unter § 275 Abs. 3 fallenden Beschlusse die dort gegebenen Vorschriften für die Abstimmung beachtet sind; vielmehr muß ihm

die Tatsache der Eintragung in jenes Register genügen. — Eine andere für die hier zu treffende Entscheidung belanglose Frage ist die, ob ein derartiger Mangel dieses Beschluffes noch zur Löschung der im Register der Hauptniederlaffung (entweder gemäß § 144 Abs. 2 FrGG. oder nach § 271 HGB. in Verbindung mit § 33 d. Allg. JMV. vom 7. November 1899) führen kann,

sowie ob diese Löschung dann diejenige der Eintragung im Register der Zweigniederlaffung nach sich ziehen muß.

Letzteres dürfte nach den obigen

Ausführungen zu bejahen sein; die erstere Löschung ist jedoch nach Lage der Sache hier wohl kaum zu gewärtigen, da die Voraussetzung des § 144, daß

sie im öffentlichen Jntereffe liegt, schwerlich zutrifft, und die Frist des § 271 für die Anstellung der Anfechtungsklage nur einen Monat beträgt. B. d) Registercintragung ans Projchverglcichcu.

14. Handelsgesetzbuch § 16.

336

Kammergericht, I. ZS.

Beschluß x>. 21. März 1907.

Der § 16, der das Verhältnis des Prozeß- zum Registerrichter regelt, ist hier überhaupt nicht anwendbar.

Denn da er ausdrücklich eine Ent­

scheidung des Prozeßgerichts verlangt, so erscheint seine Anwendung auf andere, eine Entscheidung nicht enthaltende vollstreckbare Titel ausgeschlossen. Ein Prozeßvergleich

ist

aber keine „Entscheidung" (Staub, Düringer-

Hachenburg II 1, Goldmann I 2a zu 8 16).

Auch abgesehen hiervon

würde ein Ersuchen des Prozeßrichters um Eintragung der durch den Ver­ gleich hinsichtlich der Vertretung der Gesellschaft vereinbarten Änderung dem

Registerrichter für die Vornahme der Eintragung nicht ausreichen. Denn nach § 16 kann durch die gerichtliche Entscheidung immer nur die zur Ein­

tragung erforderliche Anmeldung der unterlegenen Partei ersetzt werden, es bedarf aber zur Eintragung noch immer der Anmeldung der obsiegenden Partei und diese Anmeldung ist unbedingtes Erfordernis für die Eintragung gemäß der ergangenen Entscheidung.

Das Prozeßgericht kann weder die Ein­

tragung anordnen noch darum ersuchen (vgl. Jahrbuch 4 S. 36). Es kann sich hiernach nur darum handeln, ob in den im Protokolle be­ urkundeten Erklärungen der Gesellschafter A. und B. eine den gesetzlichen Er­

fordernissen entsprechende und mit der vereinbarten Rechtsänderung im Einklang

stehende Anmeldungserklärung zu finden ist. Nach § 12 HGB. müssen die Anmeldungen, soweit sie nicht persönlich bei dem Registergerichte oder zu Protokoll dessen Gerichtschreibers (§ 128 FrGG.) bewirkt werden, in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden. Dazu ist nach § 129 BGB. schrift­ liche Abfassung der Erklärung und Beglaubigung der Unterschrift der Er­ klärenden durch die zuständige Behörde oder den zuständigen Beamten oder

Notar erforderlich; doch wird die öffentliche Beglaubigung durch die gericht­

liche oder notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt. Darunter wird lediglich eine Beurkundung durch den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit verstanden. Wird aber ein Rechtsgeschäft, daS nach dem bürgerlichen Recht der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedarf, in der prozessualischen Form des Vergleiches vorgenommen, so hat die Beurkundung nach den Formen der ZPO. zu erfolgen (Denkschrift zum FrGG. zu § 167). Dies ergeben die Art. 32, 33 EG. Dennoch fehlt es sowohl im BGB. als auch int EG. an

einer ausdrücklichen Vorschrift, daß eS künftig unmöglich sein sollte, Rechts­

geschäfte, die nach dem BGB. einer besonderen Form bedürfen, als Bestand­ Vorausgesetzt ist aber dabei,

teile eines gerichtlichen Vergleichs vorzunehmey.

daß es sich um Rechtsgeschäfte oder Erklärungen handelt, welche als Be­ standteile des Prozeßvergleichs anzusehen sind, d. h. daß sie einen wesent­

lichen Bestandteil des beiderseitigen Nachgebens selbst bilden und nicht etwa nur gelegentlich mit beigefügt worden sind (Entsch.des RG. 48 S. 186).

Denn

nur die Beurkundung der zur Beilegung eines Rechtsstreites vor Gericht ge­ schlossenen Vergleiche gehört zur Zuständigkeit des Prozeßgerichts.

Zur Be­

urkundung anderer außerhalb des Vergleichs liegender, gelegentlich desselben

337

14. Handelsgesetzbuch § 16.

mit vorgenommener Rechtsgeschäfte fehlt dem Prozeßgericht die Zuständigkeit, und die trotzdem vom Prozeßgerichte vorgenommene Beurkundung derartiger Rechtsgeschäfte würde nicht geeignet sein, die nach anderen Gesetzen für diese

Rechtsgeschäfte vorgeschriebene gerichtliche oder notarielle Form zu ersetzen. In dem Rechtsstreit, zu deffen Erledigung hier der Vergleich geschlossen wurde, handelte es sich um den Erlaß einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Mitgesellschafter B. vorläufig von der Geschäftsführung und von

der Vertretung der offenen Handelsgesellschaft Paul W. ausgeschlossen werden

sollte. Wenn die Parteien sich in diesem Rechtsstreite im Sinne des ge­ stellten Antrages geeinigt und ihre Rechte und Pflichten während des verein­ barten Provisoriums näher geregelt haben, so handelte es sich dabei durchweg

um Abreden, die wesentliche Bestandteile des zur Erledigung dieses Rechts­ streits geschloffenen Vergleichs waren. Beide Parteien hatten aber auch ein erhebliches Interesse daran, die vereinbarte Änderung eingetragen zu sehen,

damit der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft unbeeinträchtigt blieb.

Denn da

nach der Eintragung beide Gesellschafter nur gemeinschaftlich vertretungs­ berechtigt waren, so würde die Durchführung der Abrede, daß künftig der

Mstgesellschafter A. allein vertretungsberechtigt sein sollte, ohne entsprechende Eintragung in das Handelsregister schwer zu verwirklichen und zu erwarten gewesen sein, daß die Vertretungsmacht des A. von Dritten beanstandet und dadurch der Geschäftsgang erheblich beeinträchtigt worden wäre. An einem möglichst ungestörten Geschäftsgang hatten aber beide Gesellschafter ein gleich­

mäßiges Interesse. Daher bestand auch für beide Parteien ein Interesse an der beiderseitigen Abgabe der zur Eintragung der vereinbarten Änderung erforderlichen Erklärungen, um durch Einreichung einer Ausfertigung des Ver­ gleiches die Änderung im Handelsregister sofort herbeiführen zu können. Die Abgabe dieser die Anmeldung der Änderung zum Handelsregister bezweckenden

Erklärungen bildete daher ebenfalls einen integrierenden Bestandteil des Prozeßvergleiches, und diese durch das Prozeßgericht beurkundeten Erklärungen warm daher an sich eine geeignete Grundlage, um eine entsprechende Ein­ tragung in das Handelsregister vorzunehmen. Trotzdem ist die Vornahme der beantragten Eintragung mit Recht ab­ gelehnt worden, weil der Antrag auf Eintragung der Änderung ohne zeit­

liche Beschränkung gerichtet war, während die Abrede nur für die Dauer des zwischen den Parteien anhängigen Prozesses gelten sollte. Die Ein­ tragung dem Anträge gemäß würde daher die Rechtslage unrichtig wieder­

geben; anderseits durste sie nicht abweichend vom Antrag erfolgen.

In der

Beschwerdeschrift hatte Rechtsanwalt M. allerdings die Eintragung mit der zeitlichen Beschränkung beantragt. Zur Änderung des Antrags bedurfte es aber einer der Form des § 12 HGB. entsprechenden Erklärung beider Ge­

sellschafter, oder Rechtsanwalt M. hätte selbst die Erklärung in öffentlich beglaubigter Form abgeben und eine in gleicher Form auf ihn ausgestellte Vollmacht beider Gesellschafter vorlegen müssen. LLKRiv. XIV.

F.

22

14. Handelsgesetzbuch § 18.

338

e) Ramcnsfirma mit Ortsbezeichnnng als Zusatz. OLG. Dresden, II. ZS.

Urteil v. 28. Januar 1907.

Die Klage richtet sich gegen den Gebrauch der eingetragenen Firma

„Cast Bauer, Emil H.", und zwar wegen des darin enthaltenen Familien­ namens der Kläger, Bauer. Die Firma läßt eine doppelte Auslegung zu.

Man kann erstens im Worte „Bauer" die Namensfirma, in „Cast" einen Zusatz im Sinne von § 182, d. h. den Namen desjenigen sehen, der das unter

der Firma „Cafe Bauer" betriebene Handelsgeschäft durch einen Rechtsakt

erworben hat, der ihn zur Fortführung der Firma berechtigt.

Diese Aus­

legung liegt bei zusammengesetzten Firmen der gegenwärtigen Art besonders nahe und müßte zur Verurteilung des Beklagten führen, weil ihm ein Er­

werbsakt i. S. von § 22 zweifellos nicht zur Seite steht. Zweitens aber kann man dessen Firma dahin deuten, daß lediglich „Emil H." die Namensfirma und „Cafe Bauer" zusammen den Zusatz des § 182 bilden. Hier­ Seit seiner Erbauung vor 16 Jahren wird das Grundstück fast ausschließlich zum Betriebe eines Wiener Cafes benützt.

für spricht entscheidend folgendes.

Die Größe und Eleganz seiner Räume, die reiche Ausstattung der hohen Säle haben das Grundstück von vornherein zu einer Sehenswürdigkeit ge­

macht.

Die Allgemeinheit hat sich lebhaft mit ihm beschäftigt; jeder Orts­

bewohner hat es schon besucht; Fremde werden ausdrücklich darauf hingewiesen. Die Art seines Betriebes ist großzügig und modern; wesentliche Änderungen

im Stile seiner Bewirtschaftung sind nicht vorgekommen. So hat das Grund­ stück die Bedeutung eines charakteristischen Bauwerks erlangt, der Name aber, unter dem sein Ruf ihm anhaftet, ist „Cafe Bauer". Der Grund dafür ist ein historischer, ist das Ergebnis eines rein tatsächlichen Vorganges. Gleich nach der Erbauung des Hauses ist unter dem ersten Wirte M. Bauer auf

dem Dache, an der Front und an zwei der großen Fenster des Erdgeschosses „Cast Bauer" angebracht worden; auch unter den späteren Wirten bis jetzt sind die Schilder so geblieben. Diese Aufschriften nun sind weithin sichtbar, auch bei Dunkelheit, da sie zum Teil wenigstens elektrisch beleuchtet werden. Die Folge von alledem ist, daß sich die Bezeichnung „Cafe Bauer" beim

Publikum sehr rasch eingebürgert hat und daß in demselben Maße, wie das Etablissement mit dem Verkehrsleben der Stadt verwuchs, auch der Name

„Cast Bauer" dafür üblich geworden ist, dergestalt, daß er nunmehr schon seit längerer Zeit die allgemein verständliche und gebrauchte Bezeichnung für das Hausgrundstück ist.

Bereits bei der Ermietung des Cafes durch

den Beklagten war also der Name „Cast Bauer" Ortsbezeichnung ge­ worden. Daraus ergibt sich, daß seine Verwendung als Bestandteil der Firma des Beklagten nur die Bedeutung eines Zusatzes nach § 182, mithin einer näheren Bezeichnung des Gewerbebetriebes haben kann und er wird als Be­ standteil der Firma auch vom Publikum zweifellos nur im Sinne eines solchen Zusatzes aufgesaßt. — Dieser Zusatz ist auch nach § 18® Satz l nicht deshalb un­ zulässig, weil er geeignet wäre, den Klägern gegenüber eine Täuschung über die

Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbeizuführen. In der ersten Zeit nach Be­

gründung des 3E.ei Cafes mag ein Teil des Publikums infolge öffentlicher Ankündigungen oder Besprechungen oder auch nur des Ansehens, in dem das

schon längere Zeit bestehende Berliner Cast Bauer stand, dieses in Zu­ sammenhang mit dem 3E.er Unternehmen gebracht haben.

Schon seit ge­

raumer Frist ist indes von einer solchen Annahme keine Rede mehr.

An

geschäftliche oder sonstige Beziehungen zwischen dem Inhaber des X.er Ge­

schäfts und dem Berliner Cast Bauer oder den Klägern denkt niemand, so wenig wie jemand von der Annahme beherrscht wird, daß das Geschäft des Beklagten von dem früheren Inhaber Bauer unmittelbar oder mittelbar auf

den Beklagten übergegangen sei. Vielmehr ist das Gegenteil allgemein bekannt. Danach ist der Beklagte berechtigt, sich des Firmenzusatzes „Cast Bauer"

zu bedienen; nicht minder ist er befugt, beim Betriebe seiner Wirtschaft, auch abgesehen von der Firma, die gleiche Bezeichnung anzuwenden. Zur Entfernung der Schilder aber fehlt es an seiner passiven Legitimation, da

sie Bestandteile des ihm nicht gehörigen Hauses und schon vor seiner Miet­ zeit angebracht worden sind, also seiner Verfügungsgewalt nicht unterstehen. Auf § 12 BGB. läßt sich der Klaganspruch ebenfalls nicht stützen; denn

einmal kommt die Bezeichnung „Cast Bauer" nicht mehr als Name, sondern nur als Ortsbenennung in Frage, sodann wird aber dadurch -auch ein Jnter-

effe der Kläger nicht verletzt, da, wie dargelegt, im Publikum und bei den irrige Auffassungen, an deren Beseitigung die Kläger ein rechtlich zu schützendes Interesse hätten, nicht hervorgerufen werden. Aus dem nämlichen Grunde können die Kläger auch nicht auf § 8 Ges. vom 27. Mai 1896 Bezug nehmen. Die Bezeichnung

mit dem Beklagten verkehrenden Geschäftsleuten

„Cast Bauer" ist weder darauf berechnet noch geeignet, Verwechslungen mit dem Namen oder der Firma der Kläger herbeizuführen. Dr. v. F.

f) Bedeutung der Firmenbezeichnung „Bank". Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 21. Dezember 1906. In das Handelsregister war 1906 die offene Handelsgesellschaft „Land­ wirtschaftliche Handelsbank N.LO." mit den beiden Gesellschaftern eingetragen. Aus Anregung der Handelskammer benachrichtigte das Amtsgericht die Ge­

sellschafter von der Absicht, die Firma von Amts wegen zu löschen, weil sie geeignet sei, eine Täuschung über die Art und den Umfang des Geschäfts

herbeizuführen.

Der Widerspruch der Gesellschafter blieb erfolglos.

Gründe:

Gesetze und Ver­ waltungsnormen nehmen ihn als einen anderweit gegebenen hin. So handelt Der Begriff der „Bank" ist gesetzlich nicht festgelegt.

das Bankgesetz vom 14. März 1875 überall von „Banken". So gedenkt der § 1808 BGB. bei der Erörterung der Anlegung von Mündelgeld einer „inländischen Bank".

So sprechen die Art. 76, 85 preuß. Ausf.-G. z. BGB.

bei der gleichen Erörterung und bei der Regelung des Hinterlegungswesens

So ist z. B. in der Ausf.-Bck. des Finanz­ ministers zum StStG. unter Nr. 15 B von „Banken" die Rede. 22* von „preußischen Privatbanken".

Mangels einer sonstigen festen Handhabe für die Begriffsbestimmung

muß auf die Ansicht eingegangen werden, die sich im Handelsverkehr über die Bedeutung des Wortes „Bank" gebildet hat. Als übereinstimmender Inhalt der aus Anlaß des vorliegenden Falles über diese Frage von der Handelskammer und der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin eingeholten

Gutachten, sowie einer gutachtlichen Äußerung der Handelskammer zu Frank­

furt a. M. (Frankfurter Handelsgebräuche 1906 S. 15) ergibt sich, daß der Handelsverkehr bei einer „Bank" ein Unternehmen mit einem bedeutenden

Kapital im Sinne hat, wie es regelmäßig nur in den Rechtsformen der Aktien-, der Kommanditaktien-, auch der Gesellschaft m. b. H. zusammengebracht wird, zu denm noch die Genoffenschaft und die Kolonialgesellschaft treten.

Allen diesen Gesellschaftsbildungen ist gemeinsam, daß bei ihnen die Ent­

stehung einer juristischen Person angenommen wird. Sie sind grundsätzlich auf einen Wechsel in der Mitgliedschaft angelegt, im Gegensatz besonders zu den Einzelkausleuten und den offenen Handelsgesellschaften, bei denen der Fortfall von Firmeninhabern eine vollständige Änderung der Verhältniffe Die beteiligten Kreise unterstellen also nach Maßgabe der Gut­ achten des Handelsstandes bei einer „Bank" eine gewisse Ständigkeit des Unternehmens, wie sie bei den juristischen Personen des Handelsrechts regel­

herbeiführt.

mäßig vorhanden ist,

Dieser dem Handelsverkehre geläufigen Vorstellung

einer Loslösung der mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Vereine des Handels­

rechts von den Personen der Mitglieder hat das Gesetz dadurch Rechnung

getragen, daß die danach maßgebende sachliche Grundlage des Unternehmens, ihre Kapitalskraft, tunlichst in das Licht der Öffentlichkeit gerückt ist. So ist bei den Aktienvereinen und den Gesellschaften m. b. H. das Grund- oder

Stammkapital aus dem Handelsregister ersichtlich, so muß bei den Aktien­ vereinen und Genossenschaften alljährlich namentlich die Bilanz bekannt ge­ macht werden, wie das letztere ebenso von den Gesellschaften m. b. H. gilt, bei denen der Gegenstand des Unternehmens im Betriebe von Bankgeschäften besteht. Auch diese Publizität der Verhältniffe wird ohne Zweifel von dem Handelsverkehre bei Unternehmungen vorausgesetzt, die sich als „Bank" bezeichnen. Es mag zugegeben werden, daß unter besonderen Umständen nicht an der Begriffsbestimmung zu haften ist, nach der sich als „Bank" ein mit großem Kapital ausgestattetes, in einer handelsrechtlichen Form der juristischen Person betriebenes Unternehmen im Bereiche des Bankiergewerbes darstellt.

Einer­

seits wird nicht ausnahmslos auf die Beträchtlichkeit der kapitalistischen Grund-

lage entscheidendes Gewicht zu legen sein.

noffenschaftlichen Vorschußvereine zu

Dies hat namentlich für die ge-

gelten.

Für diese kommt jedoch in

Betracht, daß die Firma, selbst wenn sie die Bezeichnung „Bank" enthält, nach zwingender Vorschrift den Betrieb in Form der eingetragenen Genossen­

schaft durch einen Zusatz klarstellen muß (§ 31 GenG.).

Bei den allbekannten

wirtschaftlichen Zielen der Genossenschaften wird durch diesen Zusatz ver-

14. Handelsgesetzbuch § 19.

341

mieden, daß die beteiligten Kreise unter dergleichen „Banken" Unternehmungen

auf breiter kapitalistischer Basis verstehen. Anderseits wird vielleicht auch in Fällen, in denen ein überaus bedeutendes Bankgeschäft von einem Einzel­

kaufmann, einer offenen Handelsgesellschaft oder einer einfachen Kommandit­ gesellschaft betrieben wird, wegen der Größe des Geschäftskapitals die Auf­

nahme der Bezeichnung „Bank" in die Firma nicht zu beanstanden sein (vgl. Staub, HGB. 8. Aust. § 18 A. 12a).

Von solchen und ähnlichen Aus­

nahmefällen abgesehen muß aber nach der in den Gutachten der Handels­

vertretungen dargelegten Auffassung des Verkehrs darauf gehalten werden,

daß ein Unternehmen nur dann als „Bank" firmieren darf, wenn eS der gedachten Begriffsbestimmung entspricht (vgl. Rießer im Bankarchiv 1902 S. 84 f.). Hierbei kann nicht von Bedeutung sein, ob früher Unternehmungen, obschon sie nicht mit großen Kapitalien ausgestattet waren und nicht von einer juristischen Person des Handelsrechts betrieben wurden, ohne weiteres als „Banken" in das Handelsregister gelangt sind. Zutreffend weisen die Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin auf den allmählichen Wandel der

Derkehrsauffassung infolge der modernen Entwicklung des Bankwesens hin. Entscheiden kann hier lediglich, was der Verkehr jetzt unter einer „Bank" E.

begreift.

g) Recht einer geschiedenen Ehefrau, unter dem Familienname« ihres

bisherige« Mannes ihr Geschäft znm Register anzumelven. Kammergericht, L Ferien-ZS.

Beschluß v. 19. Juli 1906.

Die Beschwerdeführerin betreibt seit Jahren unter dem Namen Anna N.

Die im Jahre 1906 erfolgte Anmeldung dieser Firma zur Eintragung in das Handelsregister wurde abgewiesen, weil der den Familien­ ein Putzgeschäft.

namen N. führende Ehemann der Beschwerdeführerin die Führung seines

Namens untersagt hatte, nachdem 1905 die Ehe geschieden und die Be­ schwerdeführerin allein für schuldig erklärt worden. Gründe: Erst durch die Eintragung der Firma erwächst dem Kaufmann ein Recht auf Firmenschutz. Dies ergibt die Vorschrift des § 30 HGB., wonach sich jede neue, d. h. an dem betreffenden Ort noch nicht eingetragene Firma, von allen an demselben Ort bereits bestehenden und eingetragenen Firmen — erforderlichenfalls durch einen beizufügenden Zusatz — deutlich unterscheiden

muß. Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, besteht hiernach keinerlei Gewähr dafür, daß die Firma unverändert fortgesührt werden kann. Sie

muß vielmehr behufs Durchführung des der Firma schutzlos

Grundsatzes der Ausschließlichkeit

eingetragenen Firma gegenüber weichen,

mag letztere vor oder nach ihr entstanden sein. Hieraus folgt, daß auf die nicht­ eingetragene Firma auch nicht die den Rechtsschutz und damit die Eintragung jeder

der Firma voraussetzende Vorschrift des § 21 HGB. angewendet werden

kann.

Zu Unrecht glaubt die Beschwerdeführerin mithin durch die Fühmng

der nicht eingetragenen Firma ein Recht auf die Führung dieser Firma er­

worben zu haben.

Sie ist vielmehr nur zur Führung einer solchen Firma

befugt, welche den Erfordernissen des § 18 HGB. entspricht, Familiennamen enthält.

also ihren

L.s.

h) Unterscheidung der Firmen (§ 30 HGB.). Zusätze „& Co." und „iu Liqn." Keine Beschwerde der Beteiligte«. OLG. Hamburg, L ZS. Beschluß v. 8. Februar 1907. Wie der Beschluß vom 13. Juni 1906 ausführt, war die gegen die Ein­ tragung der Firma Gebr. Wal & Co. erhobene sofortige Beschwerde der Firma Gebr. Wal unzulässig, weil in der Eintragung keine Verfügung im Sinne § 19 FrGG. gefunden werden kann.

Sie war auch deshalb unzulässig, weil

durch die Eintragung ein im Beschwerdeweg verfolgbares Recht der Beschwerde­ führer nicht beeinträchtigt wurde.

Dies ergibt sich daraus, daß der § 301

HGB. im öffentlichen Interesse gegeben und die Sorge für die Verhütung von Zuwiderhandlungen nach §37 dem Registergericht und nach § 143 FrGG. dem diesem im Jnstanzenzug vorgesetzten Gericht als eine von Amts wegen

zu beobachtende Pflicht anvertraut ist.

Ein Recht eines, wenn auch an der

Sache interessierten Privaten, wegen Nichtbeobachtung dieser Pflicht Beschwerde

Das Landgericht konnte deshalb in der Beschwerde nur eine Anregung finden, nach Maßgabe des § 143 FrGG. zu verfahren, und auf diesem Wege zu der Anordnung der Löschung der Ein­ zu führen, ist im Recht nicht begründet.

tragung gelangen. Korrekt verfahren ist es auf diesem Wege nicht, weil es das durch § 142 FrGG. vorgeschriebene Widerspruchsverfahren nicht ein­ geleitet hat. Muß schon dies zur Aufhebung seines Beschluffes führen — wobei zu bemerken ist, daß an der Zulässigkeit der Beschwerde nach § 143 FrGG. kein Zweifel besteht —, so ist aber auch abgesehen davon dieser Be­ schluß nicht zu Recht ergangen, weil ihm eine unrichtige Auffassung des § 301 HGB. zugrunde liegt. Einmal legt das Landgericht mit Unrecht dem Umstande keine Bedeutung bei, daß die unter der Firma Gebr. Wal eingetragene Handelsgesellschaft in Liquidation getreten ist. Allerdings hat sich die Entsch. des RG. 29 S. 68 dahin ausgesprochen, daß der einer Firma

beigefügte Zusatz „in Liquidation" keine genügende Unterscheidung von einer im übrigen gleichlautenden Firma bilde. Allein wenn wie hier die zuletzt eingetragene Firma nicht mit der früher eingetragenen gleichlautend ist, so trägt der Umstand, daß diese letztere in Liquidation befindlich ist und des­

halb nur von den Liquidatoren mit dem Zusatz „in Liquidation" gezeichnet werden darf (§ 153 HGB.), allerdings zu der Unterscheidbarkeit der beiden Firmen bei.

Auch abgesehen hiervon begründet aber der Zusatz „& Co."

eine deutliche Unterscheidbarkeit beider Firmen. Auch wenn der Umstand in Betracht gezogen wird, daß es sich um Geschäfte von Viehkommissionären

handelt, ist die Erheblichkeit des Zusatzes „& Co." so allgemein bekannt, daß die Firma „Gebr. Wal & Co." von der Firma „Gebr. Wal" für jedermann erkennbar unterschieden ist.

Die vom Landgericht angezogene Entsch. des RG.

steht dieser Auffaffung nicht entgegen, weil sie nur ausspricht, daß bei einer Klage auf Löschung einer unberechtigterweise geführten Firma „kleine Ab-

weichungen in Nebenpunkten, wie z. B. in den Vornamen, wohin hier auch die Beifügung des Zusatzes,& Co/ zu rechnen ist, nicht in Betracht kommen". Über die Bedeutung des Zusatzes „& Co." im Sinne der Begründung einer

deutlichen Unterscheidbarkeit spricht diese Entscheidung nicht. Der angefochtene Beschluß mußte daher aufgehoben werden, und zwar ohne daß ein anderer Be­ schluß an die Stelle gesetzt zu werden brauchte. Es bleibt demgemäß bei der vor­

genommenen Eintragung, wodurch natürlich etwaigen anderweitig begründeten Rechten der Beschwerdeführer aus § 37^ HGB. nicht präjudiziert wird. M.M. i) Verschiedenheit der beiderseitigen Kündigungsfristen. OLG. Stuttgart, III. ZS. Urteil v. 11. Dezember 1906. ... Der § 133aa GewO, will verhindern, daß die Möglichkeit der

Lösung des Dienstverhältnisses für die beiden Vertragsteile ungleich bestimmt werde. Eine Ungleichheit liegt namentlich vor, wenn für den einen ein Recht der Kündigung besteht, während es für den anderen ausgeschlossen wird,

oder wenn für den einen das Kündigungsrecht auf längere Zeit ausgeschlossen wird, als für den anderen. Auch in diesen Fällen besteht zwar nicht wört­ lich, aber der Sache nach eine Verschiedenheit der Kündigungsfristen im Sinne des § 133 aa GewO. (vgl. Staub, HGB. § 67 Anm. 1; Landmann,

GewO, zu § 122 Anm. 2 a).

Da nun für die Beklagte das Kündigungsrecht

auf ein Jahr ausgeschloffen worden ist, während dem Kläger nach GewO. § 133 a das Recht zusteht, auf den Schluß jedes Kalendervierteljahres sechs

Wochen vorher zu kündigen, so liegt in der Tat eine unter § 133 aa GewO, fallende Ungleichheit der Kündigungsfristen vor, die nach Abs. 4 die Nichtig­ keit des Ausschlusses der Kündigung zur Folge hat. Unerheblich ist hierbei, daß eine Verschiedenheit zuungunsten der Beklagten, der Arbeitgeberin, ver­

einbart worden ist.

Zwar wird für den wörtlich gleichlautenden § 67 HGB.

mit Rücksicht auf seinen Zweck, den Schutz der Arbeitnehmer gegen ungünstige Vertragsbedingungen herbeizuführen, die Nichtigkeit nur dann angenommen (vgl. Staub S. 313 Anm. 7; Makower S. 119; Düringer-Hachenburg S. 218), wenn die Verschiedenheit dem Arbeitnehmer ungünstig sei. Allein diese Ansicht, der auf dem Gebiete des Handelsrechts bereits Goldschmidt (HGB. 1 S. 326) entgegengetreten ist, hat im Gesetz keinen Ausdruck ge­ funden.

Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen Beredungen, die dem

Arbeitnehmer günstig sind und solchen, die ihm ungünstig sind; es erklärt

jede Verschiedenheit in der Festsetzung der Kündigungsfristen gleichmäßig für nichtig.

Für die Auslegung der GewO, kommt hinzu, daß im Reichtstage

(Prot. 1898 S. 3533 ff.) beantragt war, die dem Arbeitnehmer günstigen Be­ redungen von der Nichtigkeit auszunehmen, daß aber sowohl ein Bundesrats­ bevollmächtigter als ein Abgeordneter der ungleichen Behandlung des Arbeit­

nehmers und des Arbeitgebers widersprachen und daß hierauf der Antrag zurückgezogen worden ist. Gerade mit Rücksicht auf diese Entstehungsgeschichte

wird von Schicker und von Landmann angenommen, daß jede Verschieden­ heit der Kündigungsfristen, auch wenn sie dem Arbeitnehmer günstig sei.

unter ß 133 aa Abs. 4 falle. Daher ist vorliegend die Vereinbarung, daß das Kündigungsrecht der Beklagten auf ein Jahr ausgeschlosfen sei, nichtig; auch für die Beklagte tritt das gesetzliche Kündigungsrecht ein (vgl. auch Staub

H.

Anm. 6)....

k) Gchaltspfäudung als Entlassnngsgrund. OLG. Colmar, I. ZS.

Urteil v. 9. November 1906.

Die Beklagte hält eine Pfändung des erst nach Zustellung des Pfändungs­ und Überweisungsbeschlusses fällig gewordenen Gehaltes deshalb nicht für

gültig, weil er lediglich von Gehalt, nicht aber von künftigem Gehalt spreche. Der § 832 ZPO. faßt aber den Anspruch auf Gehaltszahlung als Ganzes

auf, das nur in Beziehung auf die Erfüllung in Raten zerfällt. Die Wir­ kungen der Pfändung erstrecken sich daher nicht bloß auf die zur Zeit der Pfändung bereits fälligen, sondern auch auf die erst später fällig werdenden

Bezüge, die in demselben Rechtsverhältnis ihren Grund haben.

Es ist dem­

nach nicht erforderlich, einen Hinweis auf die künftigen Teilzahlungen in den

Pfändungsbeschluß aufzunehmen....

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 70 könnte darin gefunden werden, daß das Gehalt eines in einem größeren Handelshause gegen hohe Vergütung angestellten Kassierers, durch dessen Hände täglich erhebliche Geldsummen fließen,

zu einem großen Teil gepfändet wird.

Vorliegend aber war S. mit dem für

eine solche Stellung geringfügigen Gehalt von 120 Mark monatlich angestellt;

trotzdem erachtete ihn die Beklagte für zuverlässig genug, ihm die Führung der Kasse anzuvertrauen. Daß diese Zuverlässigkeit lediglich dadurch abge­

schwächt worden ist, daß S. auf 40 Mark im Monat zugunsten des Klägers verzichten mußte, ist nicht anzunehmen. Da nun die sofortige Kündigung die Auflösung des Vertrages nur dann zur Folge hat, wenn sie gerechtfertigt ist, für den gegenteiligen Fall aber wirkungslos ist (Staub 11 zu tz 70 HGB.), so dauert das Vertragsverhältnis zwischen S. und der Beklagten vorläusig und zwar bis dahin fort, wo eine

anderweitige rechtsgültige Auflösung erfolgt. Daher bestand auch der Anspruch des S. auf Zahlung seines Gehaltes weiter, und zwar bis zu dem ersten Termin, zu dem die Beklagte rechtsgültig kündigen durfte. Der Gehalts­ anspruch eines unter Berufung auf einen wichtigen Grund zu Unrecht ent­ lassenen Handlungsgehilfen ist nämlich begründet, auch ohne daß er seine

Dienste dem Prinzipal besonders anbietet, da ein tatsächliches Angebot zur Leistung der Dienste darin zu erblicken ist, daß der Gehilfe durch den vor der Entlassung erfolgten Antritt der Stellung bereits seine Bereitwilligkeit kund­

gegeben hat, die Dienste dem genannten Schuldverhältnis gemäß zu leisten (Staub a. O. Anm. 12).

Der Umstand, daß sich S. nachträglich mit der

Kündigung einverstanden erklärte, konnte als eine nach der Pfändung über die gepfändete Forderung vorgenommene Verfügung dem Kläger als Pfand­

gläubiger gegenüber von der Beklagten als Drittschuldnerin nicht entgegen­

gehalten werden.

Frdthl.

14. Handelsgesetzbuch § 70.

345

1) Keine Anwendung der vom § 70 zugunsten des Prinzipals abweichenden ausländischen Bestimmungen. OLG. Dresden, VII. ZS. Urteil v. 25. Januar 1907. Übernimmt wie hier ein Deutscher durch einen im Ausland geschlossenen und zu erfüllenden Vertrag im Ausland die Stellung eines Handlungsgehilfen,

so ist ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, daß auch er in Ansehung

des Dienstverhältnisses dem ausländischen Rechte sich stillschweigend vertrags­ mäßig unterworfen habe. Das danach anwendbare englische Recht enthält keine ähnlichen Bestimmungen, wie der § 67 HGB. Nach Art. 30 EG. zum BGB. ist jedoch, wenn das ausländische Gesetz gegen den Zweck eines deutschen

Rechtssatzes verstößt, das an sich jenem unterworfene Rechtsverhältnis nach deutschem Gesetze zu beurteilen.

Der deutsche Richter soll nicht gezwungen

sein, Entscheidungen zu fällen, die deutschem Rechtsempfinden und deutschen Rechtsgrundlagen direkt widersprechen.

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Geht

man von der (dargelegten) Entstehungsgeschichte des § 67 aus, so tritt die grundlegende Natur dieser Bestimmungen unzweideutig hervor. Sie geben unter Ausschluß jeder anderweiten Regelung dem Dienstvertrag zwischen

Handlungsgehilfen und Handlungsherrn klare Maße und dienen dem aus­ gesprochenen Zwecke, die wirtschaftliche Lage eines nicht unbedeutenden Teiles der Bevölkerung zu heben und dessen Standesintereffen zum Wohle des

Ganzen zu wahren. Allerdings werden im § 68 Dienstverträge von Gehilfen, die mehr als 5000 Mark Gehalt beziehen oder die für außereuropäische Handelsniederlassungen angestellt werden, der ausschließlichen Regel des § 67 nicht unterstellt. Beide Fälle bedeuten aber nicht eine Beschränkung oder Außerachtlassung des den § 67 charakterisierenden, sozialpolitischen Grund­ gedankens, den wirtschaftlich Schwachen im Kampfe um ihre Existenz Rück­ halt zu geben. Denn einerseits ist, wie die Begründung schon hervorhebt,

ein Gehilfe, der über 5000 Mark Verdienst hat, diesen, besonderen gesetzlichen Schutz bedürfenden Personen überhaupt nicht zuzurechnen. In dem anderen der beiden Fälle aber ist der Zweck des § 67 auf einem anderen Wege voll­ kommen dadurch erreicht, daß dem Prinzipal die Ausbedingung sofortigen Kündigungsrechts nur dann gestattet ist, wenn er zugleich vertragsmäßig die Kosten der Rückreise übernimmt. Schon diese erheblichen Geldopfer werden den Prinzipal davon abhalten, ohne wichtigen Grund von seinem so­

fortigen Kündigungsrechte Gebrauch

zu machen,

anderseits bewahrt diese

Klausel gleichfalls den Gehilfen bei plötzlichem Verluste seiner Stellung da­ vor, im Auslande unterhaltslos und in seiner Existenz gefährdet zu werden. Der Gesetzgeber hat also mit § 68 weder gewollt noch tatsächlich herbei­

geführt, daß der wichtige sozialpolitische Grundsatz des § 67 durchbrochen oder außer acht gelassen werde....

Hat hiernach der deutsche Gesetzgeber dem § 6714 exklusive Tragweite beigelegt, so hat er auch für die Geschäfts­

und Lebensverhältnisse im Auslande, obwohl diese möglicherweise in tatsäch­ licher wie rechtlicher Beziehung von den in Deutschland bestehenden völlig

verschieden sein und die Stellung der Handlungsgehilfen zu einer ganz anders gearteten machen können als hier, die Gleichstellung der letzteren mit ihren Prinzipalen hinsichtlich der Dauer des Dienstvertrags und der Kündigungs­

fristen als soziale Forderung aufgestellt. Demnach hat der deutsche Richter, soweit Ansprüche aus einem dem ausländischm Recht unterliegenden Engage­ ment eines Handlungsgehilfen vor seinem Forum erhoben werden, dem aus­

ländischen Recht, das eine solche Gleichstellung verneint, die Berücksichtigung wenigstens gegenüber deutschen Staatsangehörigen zu versagen.

M.z.

m) Haudluugsagent oder Handlungsgehilfe? Kammergericht, VIII. ZS. Urteil v. 24. November 1906. Die Stellung des Klägers war nicht die eines selbständigen, der Be­ klagten gegenüber gleichberechtigten Kaufmanns, welche die §§ 84 ff. dem

Handlungsagenten deutlich zuweisen (Denkschrift S. 67 ff.; Rsp. 7 S. 318, 8 S. 388, 12 S. 423).

Denn der Kläger hat den selbständigen Betrieb

eines Gewerbes als Handlungsagent weder bei der Polizei noch bei der

Steuerbehörde angemeldet, dagegen sich wiederholt der Beklagten gegenüber als deren Angestellten bezeichnet. Freilich hat er in seiner Wohnung, die vom Geschäftslokale der Beklagten weit entfernt ist, für die geschäftlichen Besuche eine besondere Sprechzeit bestimmt, dorthin auch Fernsprechverkehr

eingerichtet, sogar auf seiner Visitenkarte ohne Anführung der Beklagten sich lediglich als „Generalvertreter der Zigarettenfabrik X." bezeichnet, auch sämtliche

durch ihn veranlaßte Bestellungen von Kunden an sich, nicht an die Beklagte richten lassen. Allein alle diese Umstände sind ebensowenig entscheidend, wie die Bezeichnung des Klägers als „Generalvertreter" auf den ihm gelieferten

Bestellungsformularen oder „Erstklassiger Vertreter bei fast sämtlichen Berliner Zigarettengeschäften", wie sich der Kläger bei Aufgabe seiner früheren Stellung in einer Zeitungsnummer bezeichnet. Denn diese Umstände entsprechen der Eigentümlichkeit des Handels mit Zigaretten als einem Fabrikat, das zur Erzielung eines lohnenderen Absatzes eine möglichst bekannt gewordene „Marke" führen muß, deren Vertreter den Händlern leichter zugänglich ist als der Fabrikant, damit über die Ausstattung, den Aufdruck und die Ver­

packung je nach Wunsch der einzelnen Kunden verschiedene Vereinbarungen

getroffen und der Rabatt nach der Kreditwürdigkeit oder sonstigen Umständen

Darüber, daß der Gegenkontrahent des Kunden nicht der Kläger, sondern die durch ihn vertretene Fabrik sei, konnte verschieden bemessen werden kann.

der Kunde nicht im Zweifel sein, erfuhr es jedenfalls durch die von der

Fabrik aus erfolgende Zusendung der Ware und Rechnung. Unteragenten zu halten, würde allerdings mit der Stellung eines Handlungsgehilfen nicht vereinbar sein, allein der Kläger hat solche nicht gehalten. Überhaupt ist die

Vertragsbestimmung besonders zu beachten, die dem Kläger ein zehnjähriges Weiterengagement für den Fall zusicherte, daß er im Probejahr einen be­ stimmten Umsatz erzielen werde. Gute Behandlung und Rücksichtnahme auf die Wünsche des Klägers waren bei Aussicht auf ein Zusammenarbeiten von

14. Handelsgesetzbuch § 85.

347

so langer Dauer ebenso natürlich, wie auf feiten des Klägers möglichste

Anstrengung und selbst Tragung von Geschäftsunkosten (für Droschken, Auto­ mobile rc), denn es handelt sich auf beiden Seiten um Erzielung beträchtlicher

Gewinne in der Zukunft. Ausschlaggebend für die Streitfrage ist hiernach außer dem Mangel der

Selbständigkeit des Klägers die Festsetzung eines festen Monatsgehalts.

Zwar

ergibt sich aus dem Eingang des § 88, daß solche Vereinbarung nicht aus­ geschloffen ist, allein sie wird im § 88 als Ausnahme von der Regel be­

handelt, nach welcher die Vergütung für dessen Tätigkeit in der Form einer Provision für jedes einzelne zur Ausführung gelangte Geschäft gezahlt zu werden pflegt, und dem Gericht ist auch aus seiner Praxis die fast aus­ schließliche Herrschaft dieser Regel im Berliner Geschäftsleben ebenso bekannt,

wie die Tatsache, daß umgekehrt Handlungsgehilfen nur selten allein gegen Provision, regelmäßig dagegen gegen festes Gehalt (ohne oder mit einer ge­ ringen Provision) angestellt zu werden pflegen. Dr. P.

n) Gelte« nach ß85 HGB. auch Abwicklnngsgeschäftc bei Still» schweigen des Grschastsherr« als genehmigt'? Kammergericht, XI. ZS. Urteil v. 29. Januar 1907. a) Nach § 84 ist der Handlungsagent entweder damit betraut, für das Handelsgewerbe des Geschäftsherrn Geschäfte zu vermitteln („Vermittlungs­ agent"), oder er ist ermächtigt, Geschäfte im Namen des Geschäftsherrn ab­ zuschließen („Abschlußagent"). Hat der Agent Abschlußvollmacht, so finden auf ihn, wie Staub (8., Exkurs zu § 85 Note 1) zutreffend bemerkt, die all­ gemeinen Vorschriften über Handlungsbevollmächtigte (§§ 54 ff.) Anwendung, soweit nicht besondere Vorschriften (§§ 86, 87) gegeben find (Denkschr. S. 75).

Der „Abschlußagent" hat daher entsprechend der Regel des § 54 nur Voll­ macht zum Abschluß von Geschäften, die der Betrieb des Handelsgewerbes des Geschäftsherrn gewöhnlich mit sich bringt. Dazu gehört bei einem Handels­ gewerbe, das wie hier in der Veräußerung von Waren besteht, der Abschluß von Verkäufen, also die Eingehung von neuen Verkaufsgeschäften, aber

nicht der Abschluß eines Vergleichs über eine Streitigkeit, die anläßlich der Abwicklung eines schon abgeschloffenen Berkaufsgeschäfts entstanden ist. Der § 84 spricht allerdings schlechthin von „Geschäften", mit deren Abschließung ein Agent betraut ist. Dieser Ausdruck bedeutet aber nicht, daß ein „Ab­ schlußagent" alle Arten von Verträgen, auch solche, die der Betrieb des Handelsgewerbes des Prinzipals nicht gewöhnlich mit sich bringt, für den

Geschäftsherrn abschließen könnte.

Der allgemeine Ausdruck „Geschäfte" ist

dazu bestimmt, erkennen zu lassen, daß es sich nicht nur um den Absatz von

Waren, sondern auch um die Versicherungs-, Auswanderungs-, Transport- und sonstigen Agenten handelt (Staub 8 zu 84; Denkschr. S. 73, 74). Daß auch ein „Abschlußagent" nicht ermächtigt ist, den Geschäftsherrn allgemein bei der Abwicklung bereits abgeschloffener Verkäufe zu vertreten, ergeben die §§ 86,

87, welche unterscheiden, ob der Agent zugleich Handlungsreisender ist oder

nicht. Im ersteren Falle ist er nach 8 55" ermächtigt, den Kaufpreis ein­ zuziehen :c; er ist aber nicht befugt, wie die Denkschrift (S. 55 ff.) hervorhebt,

das abgeschlossene Geschäft abzuändern. Hier aber soll der Agent G. dem Beklagten gegen. Empfang von 587 Mark den ganzen Rest von 374 Mark vergleichsweise erlassen haben; dazu wäre selbst ein Abschlußagent, der zu­

gleich Handlungsreisender ist, nicht ermächtigt gewesen....

b) Der § 85 behandelt den Fall,- daß ein Agent keine Abschlußvollmacht hat, also nur mit der Vermittlung von Geschäften betraut ist, gleichwohl aber

— mithin ohne Vollmacht — ein Geschäft namens des Geschäftsherrn ab­ geschlossen hat.

In diesem Falle muß der Geschäftsherr unverzüglich nach

erlangter Kenntnis vom Abschluß dem Dritten die Ablehnung des Geschäfts

mitteilen, sonst gilt das Geschäft als genehmigt; es wird mithin ebenso be­ handelt, wie wenn der Agent kein „Vermittlungs-" sondern „Abschlußagent" wäre. Der § 85 kann daher nicht auf Geschäfte bezogen werden, zu denen selbst ein „Abschlußagent" nicht befugt ist, besonders nicht auf Geschäfte, die

das Handelsgewerbe des Geschästsherrn nicht „gewöhnlich mit sich bringt".

Alles dasjenige, was unter a) über die Begrenzung der Handlungsvollmacht

des „Abschlußagenten" ausgeführt ist, greift auch Platz, wenn im Falle des 8 85 das Geschäft des Vermittlungsagenten wegen Stillschweigens des Ge­ schäftsherrn einem solchen gleichgestellt wird, das ein Abschlußagent vor­ genommen hat. Geschäfte, zu denen selbst ein „Abschlußagent" gesetzlich nicht ermächtigt wäre, fallen hiernach nicht unter 8 85. Dafür, daß sich der 8 85 nicht aus Rechtshandlungen des Agenten bei der Abwicklung eines bereits abgeschloffenen Geschäfts bezieht, spricht wieder der 8 86, welcher sich sowohl

auf Abschluß- als auch aus Vermittlungsagenten bezieht.

auch und noch oder

Indem der 8 85

dem Vermittlungsagenten die Befugnis zur Annahme von Zahlungen zur Bewilligung von Zahlungsfristen vorenthält, schließt er zugleich die weit mehr den Geschäftsherrn gefährdende Vornahme von gänzlichem teilweisem Erlaffen der Forderung des Geschäftsherrn aus. Der 8 85

regelt hiernach die Frage nach der Befugnis des Agenten zur Mitwirkung bei der Abwicklung abgeschloffener Geschäfte in einem die Vertretungsmacht des Agenten sehr einengenden Sinne; nur Mängelanzeigen, Zurversügung-

stellungen und ähnliche Erklärungen kann der Agent entgegennehmen (8 S62),

aber nicht etwa gutheißen.

Für die Anwendung des 8 85 kommen hiernach

nur neue Geschäfte, welche der Vermittlungsagent (ohne Vollmacht) abschließt,

in Betracht.... Auch das RG. (Entsch. 60 @.187) hat ausgeführt, daß der 8 85 nicht etwa analog anwendbar sei, wenn der Agent nur eine bindende Offerte des Dritten entgegennehme, daß der 8 85 vielmehr nur den Abschluß eines Ge­

schäfts durch den Agenten betreffe; und dieser Ausführung ist mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut des 8 85 und auf die Denkschrift zu § 85 bei­

zupflichten.

F.

o) Haftung des Handelsmaklrrs. OLG. Hamburg, III. ZS.

HGB. § 98.

Urteil v. 14. Februar 1907.

14. Handelsgesetzbuch § 105.

349

Im Interesse eines ehrlichen Geschäftsverkehrs wird jeder, der als Handelsmakler auftritt, beiden Parteien, die er einander zuführt, haftbar und zwar nach § 98 für durch Verschulden entstehenden Schaden. Der Art. 81 HGB. sprach das nicht so deutlich aus, die Gerichtspraxis hat aber von jeher darauf bestanden und die Denkschrift zum HGB. S. 76 betont das Es kann also nicht darauf ankommen, ob der Makler nur von einer der in Vertragsverhandlungen eintretenden Parteien beauftragt worden

ausdrücklich.

ist, oder ob die von ihm angegangene andere Partei sich ihrerseits wieder einer als Makler bezeichneten Zwischenperson bedient, auch nicht darauf, ob er seine Maklercourtage von beiden Parteien oder nur von einer bezieht.

Die ausdrückliche Vorschrift des § 98: „haftet jeder der beiden Parteien" wäre

ganz zwecklos, wenn der einseitig beauftragte oder bezahlte Makler davon

ausgenommen wäre, wenigstens dann, wenn die Gegenseite auch einen Makler

hat.

Dem Urteil Rsp. 10 S. 238 kann also nicht zugestimmt werden.

Es

soll gerade um der Sicherheit im Verkehr willen jeder Handelsmakler (der

ja weit mehr ist als der Makler des BGB.) beiden Parteien haften. Der ihn beauftragenden Partei gegenüber wäre das nicht nötig gewesen auszu­ sprechen, gerade dem Gegner gegenüber tritt die Bedeutung dieser gesetzlichen Haftung hervor, weil mit ihm kein Vertragsverhältnis begründet wird, sondern

nur ein vertragsähnlicher Geschäftsverkehr, welcher Vertrauen erfordert. Anders wäre es nur, wenn ein einseitig Beauftragter an die Gegenpartei

mit einer Offerte so herantritt, daß diese erkennen muß, er handle nur als Bevollmächtigter des Offerenten und nicht als Vermittler (Makler). Das ist ein Ausnahmefall und Beklagte, die sich stets als Schiffsmakler bezeichnet,

hat nicht unternommen, diese Ausnahme zu substantiieren.

Sie konnte das

auch nicht; denn hier hat sie obendrein vom Kläger 4 °/0 Courtage gefordert

M. M.

und erhalten.

p) Haftung bei Vorstellung als «euer Sozius. OLG. Dresden, VII. ZS. Urteil v. 24. November 1906. Wenn sich der Beklagte dem Reisenden der Klägerin als „neuer Teil­ haber" oder „weiterer Mitinhaber" oder „neuer Sozius" der Firma vor­ stellen ließ, so konnte das der Reisende sowohl wie die von ihm darüber unterrichtete Prinzipalin nur dahin verstehen, der Beklagte sei als Gesellschafter in die offene Handelsgesellschaft eingetreten.

Keiner von beiden hatte Anlaß,

an der Ernstlichkeit dieser Erklärung und daran zu zweifeln, daß der Klägerin gerade mit Rücksicht auf ihre Geschäftsbeziehungen zu der Handelsgesellschaft

der Eintritt des Beklagten in diese bekannt gegeben werde. Insbesondere konnte sie aus dem gebrauchten Ausdrucke nicht schließen, daß der Beklagte nur als stiller Gesellschafter beteiligt sei.

Das Charakteristische der stillen

Gesellschaft besteht darin, daß das Handelsgeschäft, an dem er sich beteiligt, für den stillen Gesellschafter ein fremdes ist. Wer deshalb so auftritt und sich so äußert, als ob ihm das Geschäft eines Dritten oder einer offenen Handelsgesellschaft mit gehöre, als ob er in derselben Weise daran beteiligt

fei, wie die sonstigen Geschäftsinhaber, gibt sich als offener Gesellschafter aus. Jenes tut aber jeder, der sich schlechthin als Sozius, Teilhaber oder Mit­ inhaber einer Firma bezeichnet oder widerspruchslos Dritten als solcher be­ zeichnen oder vorstellen läßt.

Im kaufmännischen Verkehr wird allgemein

eine solche Bezeichnung in der dargelegten Auffaffung verstanden; wer bloß

bekannt geben will, daß er an einer Firma irgendwie beteiligt sei, ohne zu

den Geschäftsinhabern zu gehören, pflegt dies ausdrücklich hervorzuheben und

jedenfalls sich solcher allgemeiner Bezeichnungen wie der hervorgehobenen zu enthalten. Der Klägerin lag auch eine Pflicht zu weiteren Erkundigungen nicht ob; sie hatte mindestens zunächst keinen Anlaß, an der Richtigkeit der

Anzeige und daran zu zweifeln, daß die Mitteilung in dem Sinne zu ver­ stehen sei, in dem sie jeder unbefangene Kaufmann verstehen mußte. Die Haftung des als Gesellschafter auftretenden Dritten hat aber außerdem ihre Ursache nicht in einer betrüglichen Vorspiegelung oder einer fahrlässigen Jrrtumserregung durch ihn, sondern folgt aus dem Grundsätze, daß im Geschäftsverkehr jeder zu seinen Erklärungen demjenigen gegenüberstehen muß, dem er sie abgibt. Des­

halb schließt nur die Kenntnis des anderen Teils von der wahren Sachlage die Haftung des Dritten aus. Dieser kann sich nicht darauf berufen, daß jenen der Vorwurf eines eigenen Verschuldens insofern treffe, als er nicht weitere Erkundigungen eingezogen habe. M.z.

q) Wirkt eia der Gesellschaft erklärter Verzicht1 *für ausgeschiedcne Gesellschafter? OLG. Königsberg, II. ZS.

Urteil v. 12. Mai 1906.

Der Kläger hatte seiner Schuldnerin, der offenen Handelsgesellschaft A., erklärt: „Nach Beftiedigung der fremden Gläubiger sind die Schulden der

Gesellschaft an die Verwandten der Gesellschafter zu begleichen; reicht die Liquidationsmaffe zur Deckung der zurücktretenden Forderungen nicht aus, so erkläre ich mich mit anteilsweiser Befriedigung einverstanden."

Eine Dar-

lehnsforderung des Klägers war bereits vor dem Ende 1899 erfolgten Aus­

scheiden des Beklagten aus der offenen Handelsgesellschaft entstanden und wurde nunmehr gegen ihn gemäß § 159 HGB. geltend gemacht.

Aus den

Gründen:

Ob der einer Handelsgesellschaft erklärte Verzicht das ganze Schuld­

verhältnis aufhebt oder nur der Gesellschaft gegenüber wirkt, ist eine Tat­ frage, deren Beurteilung sich der Richter nicht entziehen kann, auch wenn in der Urkunde nichts darüber ausdrücklich bestimmt ist. Enthält der Vertrag nur eine Verzichterklärung einem Schuldner gegenüber, so kann dies ebenso­

wohl bedeuten, daß der Verzicht das ganze Schuldverhältnis aufheben sollte, wie, daß der Verzicht nur einem Schuldner gegenüber wirken sollte. Es

handelt sich also lediglich um Auslegung,

wobei auch mündliche Neben­

abreden verwertet werden können (IW. 1901 S. 1429; Gruchot 49 S. 883). 1 Der außergerichtliche Akkord deS Wechselakzeptanten wirkt nicht ohne weiteres für den Wechselaussteller (Entsch. des RG. vom 23. Juni 1906 VII 556/04).

14. Handelsgesetzbuch §§ 241. 249.

351

Es wird sich hiernach immer in erster Reihe fragen, wie der von den beider­ seitigen Verwandten der Gesellschaft gegenüber erklärte Verzicht auszulegen ist.

Zwar meint der Kläger, daß ein Verzicht überhaupt nicht in Frage

steht, da er nur darein gewilligt hätte, daß einige Hauptgläubiger vor ihm

Befriedigung erhielten.

Indes kann in den Schlußworten nur ein, wenn

auch vielleicht nur bedingter Verzicht oder Erlaß erblickt werden.

Für dessen

Auslegung kommt hier in Betracht, daß es sich um eine Gesellschaft handelt, welche keine juristische Person

ist.

Subjekt dieser Gesellschaft sind immer Verbindlichkeiten der

die Gesellschafter in ihrer Zusammenfassung als solche.

Gesellschaft sind solche der Gesellschafter; werden sie daher der Gesellschaft erlassen, so werden sie den Gesellschaftern als solchen erlassen. Wenn daher Litthauer-Mosse (zu ß 128 HGB.) ausführt, durch einen mit der Gesellschaft vereinbarten Erlaß würden auch die Gesellschafter befreit, so wird man zum allermindesten im Zweifel annehmen müssen, daß der Erlaß auch für die Gesellschafter befteiende Wirkung hat.

Daß nun gar ein ausgeschiedener Ge­

sellschafter in weiterem Umfange haften solle wie die noch vorhandenen, wider­

spricht offenbar der Verkehrsanschauung und findet weder im Gesetz noch

sonst irgendwo eine Grundlage.

Im Zweifel wird daher davon auszugehen

sein, daß, wenn einer offenen Handelsgesellschaft eine Schuld erlassen wird, dadurch nicht allein die gegenwärtigen, sondern auch die ausgeschiedenen be­ freit werden. Wenn der Kläger gleichwohl den ausgeschiedenen Gesellschafter belangt, so verlangt er etwas Ungewöhnliches und hat deshalb die Be­ weislast. Th.

r) Auskunft, Haftung des Borstandes und Aufsichtsrats. «) OLG. Hamburg, IV. ZS. Urteil v. 16. November 1906. Es ist durchaus selbstverständlich, daß der Vorstand und Aufsichtsrat einer Gesellschaft bei ungünstigem Geschäftsstande nur diejenigen Mitteilungen machen wird, zu denen er durch das Gesetz und das Jntereffe der Aktionäre verpflichtet ist, und daß er auf Anfragen, die dann ein Aktionär über den Bericht hinaus in öffentlicher Versammlung stellt, zwar der Wahrheit gemäß, aber in knappster und positivster Weise antworten wird, weil er stets be­ fürchten muß, durch überflüssige Mitteilungen über eine ungünstige Geschäfts­

lage der Gesellschaft zu schaden. Deshalb hat Beklagter nicht wider Treu und Glauben gehandelt, wenn er auf die Frage des 9E. [ob große Kontrakte in Baumwollsaaten beständen, die Verluste befürchten ließen] der Wahrheit gemäß, aber unter genauer Beschränkung auf deren Gegenstand [mit nein] antwortete. Übrigens ist auch der Kläger durch die Antwort auf keinen Fall geschädigt, denn wenn Beklagter weit umfassendere Auskunft gegeben und den

Stand der Gesellschaft ungünstig dargestellt hätte, so wäre dadurch dem

Kläger nicht die Möglichkeit erwachsen, seine Aktien mit einem mäßigen Schaden zu veräußern, weil die Auskunft sofort öffentlich wurde und des­

halb, je ungünstiger sie gelautet hätte, ein desto tieferes Sinken des Kurses der Aktien verursacht haben würde....

M. M.

ß) OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 8. März 1907. Die Haftung des Vorstandes und des Aufsichtsrats einer Aktiengesell­ schaft nach §§ 241, 249 besteht nur gegenüber der Gesellschaft.

Fahrlässige

Verletzung der von ihnen bei ihren Obliegenheiten anzuwendenden Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vermag demnach keine Regreßansprüche

für einzelne Aktionäre zu erzeugen.

Wer im Vertrauen auf die Richtigkeit der veröffentlichten, aber unrichtigen Geschäftsberichte, Bilanzen re Aktien gekauft hat oder früher gekaufte behalten oder solche wieder veräußert hat,

ist, dafern nicht besondere Vereinbarungen in Betracht kommen, auf die all­ gemeinen Grundsätze über Haftung wegen außerkontraktlichen Verschuldens beschränkt (Rsp. 12 S. 433;" IW. 1906 S. 32, 464; Entsch. des RG. 62 S. 29), ebenso wie anderseits der Vergleich des Verwalters im Konkurse

einer Aktiengesellschaft mit deren Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern in

Ansehung der Rückgriffsverbindlichkeit auch gegenüber den Aktionären wirkt (vgl. Rsp. 11 S. 385; IW. 1906 S. 33).

Dr. v. F.

s) Ein ohne vorherige Ankündigung gefatzter Generalversammlungs-

bcfchlutz ist nicht schlechthin ««gültig, sondern nur anfechtbar. Kammergericht, L ZS.

Beschluß v. 14. März 1907.

Die auf den 3. November 1906 einberufene Generalversammlung der

Aktionäre beschloß, wie es in dem Protokolle heißt, „außerhalb der ange­

kündigten Tagesordnung einstimmig durch Zuruf", den von der Gewinn­ verteilung handelnden § 27 des Gesellschaftsvertrags in den näher bezeichneten

Punkten abzuändern. Die Eintragung dieser Abänderung wurde abgelehnt. Die weitere Beschwerde hatte Erfolg. Gründe: Im § 256- handelt es sich, insoweit die vorgängige Ankündigung der Tagesordnung überhaupt und für sie die Innehaltung einer bestimmten Frist vor der Generalversammlung verordnet ist, um Normen des zwingenden Rechts. Die „«Zollvorschrift des Absatz 1 ist in einem offenbaren Gegen­ satz zu den „Muß"vorschriften des Absatz 2 gebracht. Dabei ist hier ohne

Bedeutung, daß es im § 2741 heißt: „In der nach § 256 Abs. 1, 2 zu erwirkenden Ankündigung soll die beabsichtigte Änderung des Gesellschafts­ vertrags nach ihrem wesentlichen Inhalt erkennbar gemacht werden. Durch diese „Sollvorschrift wird nicht etwa daran gerührt, daß auch bei der be­ absichtigten Abänderung des Gesellschaftsvertrags die Ankündigung des Be­ schlußgegenstandes nach Maßgabe des § 256- erfolgen muß. Vielmehr hat der § 274- nur die Bedeutung einer erweiterten Bestimmung dahin, daß bei

Abänderung des Gesellschaftsvertrags nicht eine allgemeine Bekanntgabe dieses Beschlußgegenstandes genügen, die Ankündigung vielmehr die geplanten Ände­ rungen in verständlicher Weise, deutlich und vollständig bezeichnen soll (Denk­ schrift S. 154).

Schon unter der Herrschaft des Aktienges. von 1884 trat die bisher zu­ meist festgehaltene Ansicht hervor, daß in jedem Einzelfalle das Schutzmittel

gegen Verstöße wider das Gesetz bei Ankündigung der Tagesordnung das

geordnete Recht der Anfechtung von Beschlüssen sei und daß mangels Ver­ folgung dieses Rechts dem Registergericht der Beruf fehle, dem Gesetz über den Willen der Beteiligten hinaus Geltung zu schaffen (Jahrbuch 2 S. 37,

vgl. auch 31 S. 161).

Nach erneuter Erwägung mußte an dieser Auffassung

auch für die vorliegende Sache festgehalten werden.

Die Vorschriften über

die vorgängige Ankündigung der Tagesordnung sind im Interesse der Aktio­

näre gegeben.

Bereits bei der Beratung des alten HGB. kam zur Sprache,

wie bedenklich es sei, „zuzulassen, daß ohne alle Vorbereitung des Vorstandes und der Aktionäre von einzelnen Mitgliedern oder von solchen, die im Stillen eine Maßregel verabredet hätten, die wichtigsten Dinge zur Sprache gebracht, und der Beschlußfassung unterstellt würden." „Um gegen solche Über­ stürzungen in Beschlüssen zu schützen", wurde im Hinblick auf die Praxis der Aktiengesellschaften die im preußischen Entwürfe nicht vorgesehene Bestimmung getroffen, daß Beschlüsse über Gegenstände, deren Verhandlung bei der Be­

rufung nicht angekündigt sei, nicht gefaßt werden könnten (Prot. S. 1067 ff.). In den Motiven zum Aktienges. von 1884 kehren entsprechende Erwägungen

wieder: Die Frist müsse „eine genügende Vorbereitung der Aktionäre ermög­ lichen und eine Überraschung derselben verhüten", und „in gleicher Weise" eine Minimalfrist für die Ankündigung der Beschlußgegenstände vorgesehen werden. Das neue HGB. hat denn gerade diese Bestimmungen weiter aus­

gebaut.

Die Erstreckung der Ankündigungsfrist für Gegenstände, über die

nicht mit einfacher Stimmenmehrheit befunden werden kann, ist damit be­ gründet: Da es sich hierbei durchweg um besonders wichtige Fragen handle, so erscheine es angemessen, „wenn den Aktionären hier eine geräumigere Frist gewährt wird, um sich über den Zweck der Generalversammlung näher zu unterrichten und wegen der Teilnahme an der Versammlung die geeigneten

Entschließungen zu faffen". Damit jeder Aktionär in der Lage sei, „sich das Recht zur Teilnahme an der Generalversammlung zu wahren", ist der Fall

der für die Berechnung Nach dieser des Gesetzes

Ausübung des Stimmrechts vorgesehenen Aktienhinterlegung bei der Ankündigungsfrist besonders beachtet (Denkschrift S. 45). Entwicklung sind es, wenn von dem insoweit nach jetziger Lage (§ 271*) nicht besonders schutzbedürftigen Vorstand abgesehen wird,

die Aktionäre, die durch die Normen über die Ankündigung der Tagesordnung vor Überraschungen behütet werden sollten. Daß beabsichtigt gewesen wäre,

weitere Kreise, die Allgemeinheit durch diese Normen zu schützen, tritt nirgends

hervor. Den Aktionären ist nun im § 271, wiederum im Anschluß an das Aktiengesetz von 1884, das Recht der Anfechtung von Beschlüffen wegen Ver­ letzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages im Klagewege verliehen. Hierbei hat das Gesetz gerade den Fall des Verstoßens gegen die Normen über die Ankündigung der Tagesordnung in Rücksicht gezogen.

Denn im

§ 2713 ist auch dem nicht erschienenen Aktionär das Anfechtungsrecht aus­ nahmsweise auf Grund des Vorbringens zugestanden, „daß die Berufung der Versammlung oder die Ankündigung des Gegenstandes der Beschlußfassung CflfflfRfp. XIV.

23

nicht gehörig erfolgt sei".

Die Bestimmung beruht nach den Motiven zum

Aktienges. von 1884 darauf, daß, wenn auch im allgemeinen angenommen

werden müsse, daß ein nicht erschienener Aktionär sich im voraus den Be­ schlüssen der Generalversammlung unterworfen und damit auf ein Anfechtungs­ recht verzichtet habe, diese Annahme gegen einen ausgebliebenen Aktionär

insoweit nicht Platz greifen könne, als die Berufung nicht ordnungsmäßig

bewirkt oder der

Gegenstand

nicht gehörig angekündigt

war.

Somit ist

einmal auch vom Gesetze selbst klargestellt, daß die Normen über die „gehörige" („ordnungsmäßige", § 256®), d. h. die den bestehenden Vorschriften entsprechend

zu bewirkende Ankündigung der Tagesordnung dem Schutze der Aktionäre dienen; weiter aber unverkennbar zum Ausdruck gebracht, daß das Schutz­ mittel gegen eine Verletzung dieser Norm das gesetzlich gegebene und begrenzte Anfechtungsrecht der §§ 271 f. ist. Daß daneben das Registergericht zum Wächter über die Beobachtung dieser Normen gesetzt sein sollte, ist dem Ge­

setze nicht zu entnehmen. Für das Gegenteil sprechen sonstige Vorschriften des HGB. und deffen Begründung. Da die Anfechtungsklage des 8 271® nur binnen einem Monat erhoben werden kann und diese Frist, wie unbestrittenen Rechtens ist, für erschienene

wie nichterschienene Aktionäre vom Tage der Beschlußfassung an läuft, liegt das Bedenkm nahe, daß der Aktionär, der im Vertrauen auf die Innehaltung der angekündigten Tagesordnung fern blieb, durch unvorgesehene Beschlüffe bei bloßer Beschränkung auf die Anfechtungsklage in seinen Rechten übermäßig verkürzt werde. Dieses Bedenken erscheint indes nicht durchgreifend. Die Kommission zur Beratung des HGB. hat gerade auf Aktionäre, die sich in den Generalversammlungen nicht einfinden wollen

oder können, Rücksicht

genommen. Nach einem von ihr beschloffenen Paragraphen (jetzt § 257) kann jeder Aktionär, der eine Aktie bei der Gesellschaft hinterlegt, die be­ sondere Mitteilung durch eingeschriebenen Brief über die Berufung, über die

öffentlich bekannt gemachten Gegenstände der Verhandlung und über die gefaßten Beschlüffe verlangen. Daß die Mitteilung von dem zur Vertretung und Leitung der Gesellschaft berufenen Vorstand unverzüglich zu machen ist, erscheint selbstverständlich. Ist die Pflicht zur Mitteilung verletzt, so wird der Aktionär Schadensersatzansprüche auch gegen die Gesellschaft aus 8 bl

BGB. erheben können.

Der Aktionär hat es also, selbst wenn er fern zu

bleibm gedenkt, völlig in der Hand, sich die Kenntnis der Tagesordnung, der

Beschlüsse und damit die Anfechtung der Beschlüsse wegen nicht gehöriger Bekanntgabe der Tagesordnung zu sichern. Unterläßt er, von dieser Sicherungs­ maßregel Gebrauch zu machen, so trägt er im Falle des Verlusts des An­

fechtungsrechts nur die Folgen seines unvorsichtigen Verhaltens.

Ihm den

Schutz des Registergerichts zu gewähren, kann nicht dem Sinne des Gesetzes entsprechen. Hätte das Registergericht in der Tat, soweit seine Mitwirkung in Betracht kommt, die Beobachtung wenigstens der zwingenden, im Interesse

der Aktionäre getroffenen Normen des Gesetzes schlechthin zu überwachen, so

14. Handelsgesetzbuch § 288.

355

wäre für ein großes und wichtiges Gebiet das Anfechtungsrecht der Aktionäre Auch der erschienene Aktionär

mit allen seinen Schranken ausgeschaltet.

brauchte alsdann gegen den unter Verletzung solcher Normen gefaßten Be­

schluß nicht Widerspruch und demnächst Klage zu erheben.

Er könnte den Be­

schluß schweigend hinnehmen, ja ihm selbst zustimmen und sich unbekümmert um den Verlust seines Anfechtungsrechts darauf beschränken, das Register­

gericht auf die Ungültigkeit hinzuweisen.

Der ganze Zweck der Anfechtungs­

frist wäre damit für dieses Gebiet verfehlt.

den Motiven zum Aktienges. von 1884

Die kurze Befristung erschien „unabweislich geboten, um die Un­

gewißheit über die Gültigkeit oder Anfechtbarkeit des Beschlusses zu beseitigen und den Vorstand in die Lage zu setzen, den Umständen entsprechend über die Ausführung oder die Sistierung des Beschlusses zu befinden". Der Vorstand muß dagegen gefichert sein, daß nach Ablauf der Anfechtungsfrist der Beschluß auf Grund von Verstößen, die nur die Interessen der Aktionäre berühren und

von ihnen nur durch die Anfechtungsklage zu rügen find, vom Handelsregister ausgeschlossen oder gar nachträglich aus ihm entfernt wird. Die Denkschrift zum HGB. (S. 152) läßt auch erkennen, daß das Gesetz dem Registergerichte

kein so weit gehendes Beanstandungsrecht einräumen wollte.... Die in der Literatur heroorgetretene Ansicht, daß Beschlüsse über Anträge außerhalb der

angekündigten Tagesordnung nicht bloß nach Maßgabe der §§ 271 f. anfecht­ bar, sondern schlechthin ungültig seien (Goldmann § 256 Nr. 8; Staub § 256 Art. 5, vgl. aber das. Art. 5 am Schluffe; auch OLG. Dresden in Holdheims Monatsschrift 4 S. 188), verstößt gegen die klare Vorschrift des § 2713, wo gerade die Verletzung der Vorschriften über die Ankündigung der Tagesordnung als Grund der Anfechtungsklage sestgesetzt ist (vgl. auch Behrend, Lehrbuch § 123 Art. 32; Esser, Aktiengesetz § 256 Art. 6; Lehmann, HGB. § 271 Nr. 10, § 273 Nr. 8; Makower § 256 IV, § 273 Vb; Pinner, Aktienrecht § 256 III). Dr. G. M. t) Herabsetzung des Grundkapitals durch Einziehung geschenkter, voll oder nicht voll bezahtter Aktie«. «) Bayer. Oberstes Landesgericht, I. ZS. Beschluß v. 27. September 1906. Die 3E. - Aktiengesellschaft, deren Aktien nach dem Statut mittels An­ kaufs oder Schenkung eingezogen werden können, hat 100 Aktien für Sach­ einlagen ausgegeben; weitere 100 Aktien hat A. übernommen und darauf

30°/, gezahlt. Da er die eingeforderten weiteren 25°/, nicht entrichtete, wurde er seiner Anteilsrechte verlustig erklärt, worauf die Gesellschaft, die eine beträchtliche Unterbilanz hatte, eine Herabsetzung des Grundkapitals in

Aussicht nahm, wobei die A.schen Aktien eingezogen werden sollten. Zu diesem

Behufe wurden die bisherigen Anteilsrechte des A. öffentlich versteigert und vom Erwerber M. der Gesellschaft als Geschenk zur Einziehung angeboten.

Die Generalversammlung beschloß einstimmig die Annahme dieser Schenkung sowie die Einziehung der geschenkten Aktien und setzte das danach verbleibende Grundkapital auf 25000 Mark durch Zusammenlegung der vollbezahlten 23*

14. Handelsgesetzbuch § 288.

356

Aktien im Verhältnis von 4:1 herab. Die Eintragung dieser Herabsetzung wurde abgelehnt, die weitere Beschwerde hatte Erfolg. Gründe: Der Beschluß, die geschenkten Aktien einzuziehen, bildet einen Bestandteil des auf Herabsetzung des Grundkapitals gerichteten Beschlusses und mußte gemäß § 2888 zugleich festsetzen, zu welchem Zwecke sie stattfindet. Der im Beschluß festgesetzte Zweck, die Unterbilanz durch Abschreibungen zu beseitigen,

erstreckt sich auf die 45000 Mark, die nicht nur als Guthaben an aus­

ständigen Einlagen für die Aktien Nr. 101 bis 200 zu den Aktiven der Ge­ sellschaft gehörten, sondern als Bestandteil des Grundkapitals nach § 261 Nr. 5 auch unter die Passiva aufzunehmen war und sowohl bei den Aktiven als bei den Passivm abgeschrieben werden sollen.

Soweit es sich um Minderung

der Aktiva um 45000 Mark handelt, kann dem LG. darin nicht beigetreten werden,

daß die Herabsetzung des Grundkapitals die Befreiung der zur

Leistung von Einlagen Verpflichteten, von denen bei der Zahlungsunfähigkeit

des A. nur M. in Betracht kommt, bezwecke.

Die Haftung des M. wird

nicht durch die Herabsetzung des Grundkapitals mittels Einziehung der von ihm erworbenen Aktien, sondern durch deren Annahme als Schenkung aus­ geschlossen. Erwirbt die Gesellschaft nicht vollbezahlte eigene Aktien, so kann sie von ihrem Bormanne nicht die Leistung einer Einzahlung verlangen, die sie selbst zu machen hat, gleichviel ob sie noch Eigentümerin der Aktien ist oder sie

weiter veräußert hat und von ihren Nachmännern die Einzahlung nicht zu erlangen vermag. Da sie durch solchen Erwerb den Anspruch auf künftige Einzahlungen verliert, ist im § 2268 bestimmt, daß sie dergleichen Aktien im regelmäßigen Geschäftsbetriebe nicht erwerben kann. Ein Erwerb außerhalb desselben ist nicht ausgeschlossen und ein solcher ist der Erwerb durch Schen­ kung, sofern sie nicht bezweckt, den Aktionär von der Leistung ausständiger

Einlagen zu befreien und sich deshalb als Umgehung des § 221 darstellt. Die Herabsetzung des Grundkapitals, soweit sie durch Abschreibung der 45 000 Mark erfolgen soll, hat hiernach nur den Zweck, die Erhöhung der Unterbilanz auszu­ gleichen, die sich daraus ergibt, daß der Anspruch auf die rückständigen Einlagen

durch die Annahme der geschenkten Aktien wegfällt und diese nicht an dessen Stelle treten, weil sie eingezogen werden. Der Zweck der Herabsetzung ist daher im Generalversammlungsbeschluffe richtig und vollständig angegeben. D.

ß) OLG. Braunschweig, I. ZS.

Beschluß v. 2. Mai 1907.

Das neue Statut der 1865 gegründeten Aktiengesellschaft gestattet die Einziehung von Aktien mittels Ankaufs.

Nachdem die Generalversammlung

beschlossen hatte, daß diejenigen Aktien, die der Gesellschaft im Wege der Schenkung mit der Absicht und Wirkung des Untergangs des Aktienrechts

übertragen würden, eingezogen, das Grundkapital entsprechend herabgesetzt

und der Betrag von dem Verlust des letzten Geschäftsjahres und von anderen Konten abgeschrieben werden sollten, meldete der Vorstand die Herabsetzung

des Grundkapitals um 40 geschenkte Aktien an. Die Eintragung ins Handels­ register wurde abgelehnt. Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

Mit Unrecht vermißt allerdings das Landgericht eine dem § 2271 ge­ nügende Gestattung der Einziehung im Statut. Ob die Vorschrift, daß die Einziehung von Aktien mittels Ankaufs gestattet sei, für bestimmt genug an­

gesehen werden dürfte, um den Vorstand zur Einziehung mittels Ankaufs zu ermächtigen, darf dahingestellt bleiben. Hier handelt es sich nicht um Kauf, sondem um Schenkung. Obgleich das Gesetz als Beispiel der freiwilligen Amortisation nur den Ankauf erwähnt, läßt es doch unbestrittenermaßen auch die Amortisation auf Grund einer Schenkung, letztwilligen Verfügung, eines

Vergleichs rc zu.

Für derartige Rechtsgeschäfte, die außerhalb des gewöhn­

lichen Verkehrs liegen, können Bestimmungen über ihren Inhalt der Natur der Sache nach im voraus nicht getroffen werden. Daher ist anzunehmen, daß Aktien, die die Gesellschaft durch ein solches Geschäft, besonders durch Schenkung erwirbt, auch dann amortisiert werden können, wenn das Statut der Amortisation überhaupt nicht gedenkt.

Anderseits ist auch nicht richtig,

wenn das Amtsgericht meint, bei einer Einziehung von Aktien werde das Grundkapital nicht herabgesetzt.

Das wird zwar mitunter in der Literatur

gelehrt, widerstreitet aber dem Begriffe des Grundkapitals. Hierunter ist ein einheitlicher Geldbetrag zu verstehen, der der Summe der Nennbeträge der einzelnen Aktien gleichkommt. Die Einziehung einer Aktie hat ihren Unter­ gang zur Folge, und logischerweise muß sich mit dem Wegfall einer Aktie die Summe der Nennbeträge mindern. Gleichwohl ist dem Amtsgericht im Ergebnis beizutreten. Würde als Folge der Amortisation lediglich die Herab­ minderung eingetragen, so wären die Gläubiger der Gesellschaft auf das äußerste gefährdet. Das Grundkapital, dessen unversehrte Erhaltung in ihrem Interesse ein Hauptprinzip des Gesetzes ist (vgl. §§ 213, 215, 217, 241, 249), könnte auf solche Weise unter der Hand verschwinden. Es wäre schlechter­ dings nicht zu begreifen, warum in § 289 strenge Vorschriften für die Kapital­ herabsetzung erfassen sind — vorgängige Eintragung des Beschluffes in das Handelsregister, Aufforderung an die Gläubiger zur Anmeldung ihrer For­ derungen, Abwartung der einjährigen Sperrfrist — wenn dieselbe Wirkung

durch Einziehung der Aktien ohne weiteres erreicht werden könnte. Daher erklärt denn auch die Denkschrift S. 138, es „verstehe sich von selbst", daß in den Fällen des § 227 entweder das unveränderte Grundkapital oder neben dem verminderten Kapital ein dem Nennbeträge der amortisierten Aktien ent­ sprechender besonderer Posten unter die Passiven aufzunehmen sei.

Dem hat sich die herrschende Meinung angeschloffen (vgl. Lehmann-Ring, Esser, Goldmann zu § 227; Simon, Bilanzen S. 220; Lehmann, Aktiengesell­

schaften 2 S. 139, 618 und im Ergebnis Makower zu § 227; Cosack,

Lehrbuch 6. Ausl. S. 625).

Die gegenteilige Ansicht Staubs

ist

zwar

in der 8. Aust, des HGB. (§ 227 Anm. 13) noch festgehalten, von Hachen­

burg aber in der Bearbeitung des Ges. m. b. H. (§ 34 Anm. 19) fallen ge­

lassen.

H.g.

u) Übergang einer inländischen Aktiengesellschaft au eine ans-

Kindische. Keine Grsamtrechtsnachfolge trotz Eintragung -er Fusion ins Handelsregister. Bayer. Oberstes Landesgericht, I. ZS. Beschluß v. 20. Oktober 1906. Die hiesige Aktiengesellschaft 31., die als Eigentümerin von Grundstücken eingetragen ist, hat 1905 mit der Luxemburger Soci6t6 anonyme B. einen Fusiönsoertrag geschlossen, nach dem ihr Vermögen als Ganzes gegen Ge­ währung von Aktien dieser Gesellschaft ohne Liquidation auf diese Gesellschaft

übergehen sollte.

Nachdem der Vertrag von den Generalversammlungen beider

Gesellschaften genehmigt worden war> hat das Amtsgericht am 27. April 1906

die Auflösung der Aktiengesellschaft A. und die Luxemburgische Aktiengesell­ schaft mit der infolge der Fusion geänderten Firma als Inhaberin einer Zweigniederlaffung in das Handelsregister eingetragen.

Im August 1906

stellte die Luxemburgische 3lktiengesellschast an das Grundbuchamt den Antrag, die durch den Übergang deS Vermögen- der aufgelösten Aktiengesellschaft auf sie unrichtig gewordene Eintragung im Grundbuche dahin zu berichtigen, daß

nunmehr sie Eigentümerin der Grundstücke sei.

Der Antrag wurde zurück­

gewiesen. Gründe: Das BGB. gewährt nicht die Möglichkeit, daß jemand sein Vermögen als Ganzes auf einen anderen überträgt, so daß der Erwerber wie der Erbe

Gesamtrechtsnachfolger wird, die Veräußerung eines Vermögens im ganzen kann nur dadurch bewirkt werden, daß die sämtlichen einzelnen Vermögens­

Für Aktiengesellschaften hat dagegen das In diesen Fällen bedarf es nicht der bei der Auslösung einer Aktiengesellschaft nach § 294 im Interesse der Gläubiger vorgeschriebenen Liquidation; für den Fall der Übertragung des Vermögens auf eine andere Aktien- oder eine gegenstände übertragen werden.

HGB. in den §§ 304, 305 bestimmt begrenzte Ausnahmen zugelassen.

Aktienkommanditgesellschaft sind im § 306 Vorschriften getroffen, die den Gläubigern der aufgelösten Gesellschaft einen die Liquidation ersetzenden Schutz gewähren. Außer den in den §§ 304, 305 bestimmten Fällen kann auch eine Aktiengesellschaft ihr Vermögen im ganzen nur in der Weise ver­

äußern, daß die einzelnen Vermögen-gegenstände auf den Erwerber übertragen werden, wobei Liquidation stattfinden muß und die besonderen Vorschriften de- § 303 zur Anwendung kommen. Wie der § 304 die einheitliche Über­ tragung des Vermögens nur für den Fall zuläßt, daß das Deutsche Reich rc der Erwerber ist, so versteht der § 305 unter der das Vermögen als Ganzes über­ nehmenden Aktiengesellschaft eine inländische Gesellschaft der bezeichneten Art. Das HGB. ordnet diesen Fall der Abänderung des Gesellschaftsvertrags der einen und der Auflösung der andern Gesellschaft ebenso wie die Abänderung

des Gesellschaftsvertrags und die Auflösung der Gesellschaft überhaupt nur für die seinem Geltungsbereich angehörenden Gesellschaften, nur bei diesem

vermag es den Gläubigern den im § 306 bestimmten, die Liquidation ent­ behrlich machenden Schutz zu gewähren. Eine ausländische Aktiengesellschaft kann daher ebenso wie eine (schon bestehende) inländische Gesellschaft m. b. H.

14. Handelsgesetzbuch § 340.

359

oder eine inländische offene Handelsgesellschaft das Vermögen einer inländischen Aktiengesellschaft nur nach Maßgabe des § 303 erwerben, ein Übergang des

Vermögens als Ganzes findet in Ermangelung einer ihn zulassenden Vorschrift nicht statt (vgl. Jahrbuch 21 S. 294; Staub 1 zum § 305; Makower le

zu § 305; Lehmann-Ring Nr: 2 zu 8 305, Nr. 1 zu 8 306). Die Be­ schwerdeführerin konnte demnach das Eigentum an den zum Vermögen der Aktiengesellschaft A. gehörenden Grundstücken nur gemäß 88 873, 925 BGB.

durch Auflassung und Eintragung erlangen und ist, da diese nicht erfolgt sind, nicht Eigentümerin der Grundstücke geworden. Hieran vermag auch die Eintragung der Auflösung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister nichts zu ändern. Wäre die Übertragung des Ver­

mögens der Gesellschaft als Ganzes auf die Beschwerdeführerin möglich, so würde sie nach 8 3045 und 8 3061 HGB. mit dieser Eintragung eingetreten sein, die rechtlich nicht mögliche Gesamtrechtsnachfolge gilt aber nicht deswegen

als eingetreten, weil die Eintragung in das Handelsregister erfolgt ist.

Eine

Vorschrift, die der Eintragung solche Wirkung beilegt, besteht nicht, ins­ besondere kann der 8 lo2 HGB. nicht in diesem Sinne verstanden

Samml.

werden.

v) Büchereinstcht nach aufgelöster stiller Gesellschaft. OLG. Marienwerder, II. ZS.

Urteil v. 1. Dezember 1906.

Dem Kläger steht das Recht aus Einsichtnahme der Bücher rc, soweit

diese die Zeit betreffen, in der er stiller Gesellschafter des Beklagten war, auch noch nach Auflösung der stillen Gesellschaft zu. Weder das HGB. noch das BGB. bestimmt hierüber; deshalb kommen die allgemeinen Rechtsgrund­ sätze zur Anwendung. Danach gilt der Grundsatz, daß ein einmal entstandenes

Recht so lange fortbesteht, bis ein sein Erlöschen herbeiführendes Ereignis eintritt. Der bloße Umstand, daß der stille Gesellschafter mit einem bestimmten Zeitpunkte ausscheidet, kann als ein solches Ereignis deshalb nicht angesehen werden, weil es regelmäßig noch nicht die Rechtsverhältniffe zwischen den Be­ teiligten erledigt. Es hat in der Regel eine Auseinandersetzung zu erfolgen und diese kann nur wiederum an der Hand der Geschäftsbücher als den maßgebenden Grundlagen der gegenseitigen Rechte erfolgen. Daß in solchem Falle sämt­ liche Beteiligte berechtigt sind, die Bücher, soweit sie das gegenseitige Ver­ hältnis betreffen, also für die Zeit des Bestehens der Gesellschaft, einzusehen und zu benutzen, liegt in der Natur der Sache, da ihnen die Mittel und

Grundlagen für die Auseinandersetzung zugänglich sein und bleiben müssen,

wie dies auch die Entsch. des RG. 15 S. 82 anzunehmen scheint. Wenn hier auch eine eigentliche Auseinandersetzung auf der Grundlage der Bücher deshalb nicht zu erfolgen hat, weil sich die Beteiligten auf eine Pauschal­ summe verglichen haben, so ändert das doch an der rechtlichen Lage hinsicht­ lich der späteren Büchereinsicht an sich nichts; denn auch in diesem Falle wäre

das etwa infolge des Vergleichs herbeigeführte Erlöschen des Rechts auf

spätere Büchereinsicht nicht eine Folge des Ausscheidens des einen Gesell-

schafters, sondern höchstms des im Vergleiche etwa zu findenden Verzichts. Anderseits gebietet die Natur derartiger Verhältnisse und das geschäftliche Interesse deS das Geschäft fortsetzenden Gesellschafters, daß dies Recht der

Büchereinsicht nur in angemessener Weise ausgeübt wird, ebenso wie der stille Gesellschafter auch während Bestehens der Gesellschaft gewisse Rücksichten bei Ausübung seines Rechtes nehmen muß.

Er darf daher die Einsicht nur

dann verlangen, wenn er wirklich ein Jntereffe daran hat und wenn nicht etwa schon eine unverhältnismäßig lange Zeit seit dem Ausscheiden verstrichen

ist (in diesem Falle könnte man von einem stillschweigenden Verzicht sprechen).

Da vorliegend Doppelbilanzen vorhanden sind, die der Kläger vor dem Aus­

scheiden nicht gesehen hat, so sind möglicherweise die ihm tatsächlich vor­

gelegten Bilanzen in dem einen oder andern Punkte weniger richtig als die Doppelbilanzen, so daß der nach dem Vertrage zu berechnende Gewinn sich für ihn günstiger stellen würde, wenn diese Doppelbilanzen mitberücksichtigt würden....

H.

------------------

15 a) Die Statute« dürfe« «icht bestimme«, datz der Gevoffenschaft das Geschästsgathaben verstorbener Mitglieder verbleibt. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 28. Februar 1907.

Aus § 18 GenGes. geht hervor, daß das Gesetz den Genossen grund­ sätzlich die Regelung ihrer genoffenschaftlichen Angelegenheiten int Wege der Beschlußfassung oder Vereinbarung nicht freigegeben, sondern ihnen ein Ab­ weichen von den gesetzlichen Bestimmungen nur in gewissen, genau festgesetzten Punkten gestattet hat. Das ist von vornherein und auch weiterhin der Standpunkt der preußischen und reichsrechtlichen Genoffenschaftsgesetzgebung gewesen (§ 8 preuß. Ges. vom 27. März 1867, § 9* Bundesges. vom 4. Juli 1868, § 18 Reichsges. vom 1. Mai 1889). Die Genossenschaften müssen sich für die zu erlangende Rechtsfähigkeit die Unterwerfung unter gewisse Normativ­ bestimmungen gefallen lassen, von denen sie nicht abgehen dürfen (Parisius, Genoffenschaftsgesetze 1876 S. 242, KommBer. Nr. 25 der Drucks, des AbgH. 1866 S. 7). Wenn daher im Einzelfalle die Zulässigkeit einer bezüglichen Statutsbestimmung in Frage steht, so wird immer zunächst zu prüfen sein,

ob sie einen Gegenstand betrifft, der im GenGes. geregelt ist, und, sobald dies

zutrifft, ferner zu untersuchen sein, ob sie mit der gesetzlichen Regelung im Einklang steht oder aber, insoweit letzteres nicht der Fall ist, ob im Gesetze eine Abweichung ausdrücklich zugelassen ist (Entsch. d. RG. 13 S. 26).

In

diesem Sinne ist also jede Vorschrift des GenGes., welche das Rechtsverhältnis

der Genossen zur Genossenschaft regelt, zwingender Natur, ohne daß es weiterer besonderer Anhaltspunkte hier bedarf.

Diese Regel ist auch nicht

etwa auf den zweiten Abschnitt des Gesetzes zu beschränken; vielmehr gilt fie nach dem klaren Wortlaut des § 18 Satz 2 auch für seinen sonstigen Inhalt, soweit er diese Rechtsverhältniffe behandelt (vgl. noch Entsch. des RG. 30 S.81, 33 S.66; Jahrbuch 11 S.46; Parisius-Crügerll zu § 18; Maurer-

schafters, sondern höchstms des im Vergleiche etwa zu findenden Verzichts. Anderseits gebietet die Natur derartiger Verhältnisse und das geschäftliche Interesse deS das Geschäft fortsetzenden Gesellschafters, daß dies Recht der

Büchereinsicht nur in angemessener Weise ausgeübt wird, ebenso wie der stille Gesellschafter auch während Bestehens der Gesellschaft gewisse Rücksichten bei Ausübung seines Rechtes nehmen muß.

Er darf daher die Einsicht nur

dann verlangen, wenn er wirklich ein Jntereffe daran hat und wenn nicht etwa schon eine unverhältnismäßig lange Zeit seit dem Ausscheiden verstrichen

ist (in diesem Falle könnte man von einem stillschweigenden Verzicht sprechen).

Da vorliegend Doppelbilanzen vorhanden sind, die der Kläger vor dem Aus­

scheiden nicht gesehen hat, so sind möglicherweise die ihm tatsächlich vor­

gelegten Bilanzen in dem einen oder andern Punkte weniger richtig als die Doppelbilanzen, so daß der nach dem Vertrage zu berechnende Gewinn sich für ihn günstiger stellen würde, wenn diese Doppelbilanzen mitberücksichtigt würden....

H.

------------------

15 a) Die Statute« dürfe« «icht bestimme«, datz der Gevoffenschaft das Geschästsgathaben verstorbener Mitglieder verbleibt. Kammergericht, I. ZS.

Beschluß v. 28. Februar 1907.

Aus § 18 GenGes. geht hervor, daß das Gesetz den Genossen grund­ sätzlich die Regelung ihrer genoffenschaftlichen Angelegenheiten int Wege der Beschlußfassung oder Vereinbarung nicht freigegeben, sondern ihnen ein Ab­ weichen von den gesetzlichen Bestimmungen nur in gewissen, genau festgesetzten Punkten gestattet hat. Das ist von vornherein und auch weiterhin der Standpunkt der preußischen und reichsrechtlichen Genoffenschaftsgesetzgebung gewesen (§ 8 preuß. Ges. vom 27. März 1867, § 9* Bundesges. vom 4. Juli 1868, § 18 Reichsges. vom 1. Mai 1889). Die Genossenschaften müssen sich für die zu erlangende Rechtsfähigkeit die Unterwerfung unter gewisse Normativ­ bestimmungen gefallen lassen, von denen sie nicht abgehen dürfen (Parisius, Genoffenschaftsgesetze 1876 S. 242, KommBer. Nr. 25 der Drucks, des AbgH. 1866 S. 7). Wenn daher im Einzelfalle die Zulässigkeit einer bezüglichen Statutsbestimmung in Frage steht, so wird immer zunächst zu prüfen sein,

ob sie einen Gegenstand betrifft, der im GenGes. geregelt ist, und, sobald dies

zutrifft, ferner zu untersuchen sein, ob sie mit der gesetzlichen Regelung im Einklang steht oder aber, insoweit letzteres nicht der Fall ist, ob im Gesetze eine Abweichung ausdrücklich zugelassen ist (Entsch. d. RG. 13 S. 26).

In

diesem Sinne ist also jede Vorschrift des GenGes., welche das Rechtsverhältnis

der Genossen zur Genossenschaft regelt, zwingender Natur, ohne daß es weiterer besonderer Anhaltspunkte hier bedarf.

Diese Regel ist auch nicht

etwa auf den zweiten Abschnitt des Gesetzes zu beschränken; vielmehr gilt fie nach dem klaren Wortlaut des § 18 Satz 2 auch für seinen sonstigen Inhalt, soweit er diese Rechtsverhältniffe behandelt (vgl. noch Entsch. des RG. 30 S.81, 33 S.66; Jahrbuch 11 S.46; Parisius-Crügerll zu § 18; Maurer-

15. Genossenschaften.

361

Birkenbihl 6 zu 8 5, 2 zu § 18; Joel 1890 II zu 8 18; Sicherer 1872

S. 205; Parisius a. O. S. 357).

Daß die Eintragung von Satzungs­

vorschriften, welche gegen zwingende Gesetzesnormen verstoßen, vom Register­ gerichte abzulehnen ist, liegt in der Natur der Sache und ergibt sich aus

8 15* Bek. vom 1. Juli 1889. Die Auseinandersetzung ausgeschiedener Genossen, sowie im Falle ihres

Todes auch ihrer Erben, mit der Genossenschaft ist nun aber in 88 73, 77 um­

fassend geregelt.

Insbesondere ist danach das in bestimmter Weise zu er­

mittelnde Geschäftsguthaben des Genossen an dessen Erben auszu­

zahlen, wogegen der Genoflenschaft ein Anspruch auf Zahlung des den Ge­ noffen treffenden Anteils an einem etwaigen Fehlbetrag gewährt ist. Dem gegenüber ist für eine anderweitige Ordnung durch die Statuten nur insofern Raum, als eine solche im Gesetze ausdrücklich offen gelassen ist.

Das ist aber lediglich der Fall bei der Berechnung des Anteils des Ausscheidenden an dem erwähnten Fehlbetrag (8 732 Satz 2). Weitere Abweichungen sind sonach den Satzungen nicht gestattet, besonders nicht die hier fragliche. Die Sache liegt hier ähnlich wie bei der statutenmäßigen Festsetzung eines Austritts­ geldes, die für unzulässig erklärt ist (Entsch. des RG. 33 S. 66, 42 S. 81). Im übrigen entspricht es auch nicht dem vom Gesetze gewollten wirtschaftlichen

Charakter der Genossenschaften, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezwecken sollen, daß sie deren Geschäftsguthaben, und sei es auch nur im Falle ihres Todes, an sich zu ziehen

und so ein von diesen wirtschaftlichen Zwecken unabhängiges Vermögen anzu­ sammeln versuchen. Wenn nach 8 20 festgesetzt werden kann, daß der Gewinn nicht gemäß 8 19 verteilt wird, sondern dem Reservefonds zugeschrieben wird, so ist damit offenbar die äußerste zulässige Grenze der Begünstigung

der Genoffenschaft auf Kosten der Genoffen angegeben. Eine darüber hin­ ausgehende Entziehung des Geschäftsguthabens der Genoffen für den Todes­ fall kann durch das Statut nicht angeordnet werden. Der 8 913, wonach durch das Statut die Verteilung des Vermögens der Genossenschaft aus­ geschlossen oder ein anderes Verhältnis für die Verteilung bestimmt werben kann, hat mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun, weil er die Auflösung

Somit ist die beantragte Ein­ tragung aus den vorerörterten Gründen öffentlich-rechtlicher Art abzulehnen. Es bedarf danach keines Eingehens mehr auf die Frage, ob der einzutragende und Nichtigkeit der Genossenschaft behandelt.

Beschluß etwa auch in unzulässiger Weise in die privaten Sonderrechte der­

jenigen Genossen eingreist, welche in der betreffenden Generalversammlung der Genoffenschaft nicht zugegen gewesen sind und ihm somit auch nicht zu­

gestimmt haben, sowie ob daraus ein Grund für die Ablehnung der bean­ tragten Eintragung zu entnehmen ist (vgl. Parisius-Crüger II1 zu 816 und zu 8 43; Maurer-Birkenbihl 3 zu 8 41; Jahrbuch 12 S. 37). B. b)

Anfechtung des Genossenschastsbeschlusses. OLG. Posen, IV. ZS.

Urteil v. 10. Dezember 1906.

Der Generalversammlungsbeschluß, der den Geschäftsanteil auf 500 Mark erhöht, begründet für den Beklagten, der Genosse ist und nur 20 Mark ein­

gezahlt hat, die dem Klagebegehren entsprechende Pflicht.

Die gegen seine

Gültigkeit vorgebrachten Einwendungen werden sämtlich durch § 51 Gen Ges.

geschlagen.

War der Beklagte zu der Versammlung nicht rechtzeitig geladen,

war sie nicht satzungsgemäß bekannt gemacht, war der Beschluß nicht mit der

erforderlichen Dreiviertelmehrheit gefaßt: immer kann sich der Beklagte auf

diese Tatsachen nur dann stützen, wenn er den Beschluß binnen Monatsfrist

durch Klage oder Widerklage anficht. Das gleiche muß auch für den Einwand der durch Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung herbeigeführten Unzulässigkeit des Beschlusses gelten; denn ein Generalversammlungsbeschluß kann wegen Verletzung des Gesetzes nur im Wege des § 51 angefochten werden; der Beklagte stützt aber seine Behauptung der Unzulässigkeit auf an­

gebliche Verstöße gegen §§ 99, 140, 148 Nr. 2 GenGes.

Diese letzte Einwendung ist ferner deshalb unerheblich, weil in dem Sanierungsversuch — als solcher stellt sich der Beschluß dar — noch kein Verstoß gegen die angeführten Bestimmungen erblickt werden kann (Parisius-

Crüger II 2 zu 8 16). Anderseits ist gemäß § 134 BGB. ein General­ versammlungsbeschluß, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nur dann nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt; vor­ liegend sind aber die Folgen eines Verstoßes gegen 88 99, 140 GenGes. durch das Gesetz selbst bestimmt. Die Mitglieder des Vorstands sind strafbar (§ 148 Nr. 2) und der Genossenschaft schadensersatzpflichtig (§ 992). Aus der Hervorhebung dieser Folgen erhellt, daß das Gesetz an die Übertretung weitere Folgen nicht hat knüpfen wollen, besonders nicht die der Nichtigkeit.

E.l.

c) Handel« für die künftige Gesellschaft m. b. H. OLG. Dresden, I. ZS. Urteil v. 13. November 1905. Nur ein wirklicher Auftrag zu künftigem Handeln, sei es nun ein ausdrücklicher oder stillschweigender, kann die Haftung aus § IP begründen,

nicht, wie der Kläger meint, auch ein nachträgliches Genehmigen voraus­

gegangenen Tuns. Das letztere hat rechtliche Bedeutung in Fällen, wo der Handelnde für einen Dritten abgeschlossen, in dessen Namen gehandelt hat. Vorliegend ist jedoch von B. gerade nicht für einzelne Personen, sondern für die mangelnden Eintrags halber rechtlich nicht zur Entstehung gelangte Gesell­

schaft m. b. H. gehandelt worden, und die Haftung der einzelnen Personen

läßt sich eben nicht auf allgemeine Rechtsgrundsätze gründen, sondern nur auf die besondere Vorschrift von §11, die den Charakter einer Strafoor-

schrift trägt. Als Handelnder im Sinne einer solchen Strafbestimmung kann jemand nimmermehr nur aus dem Grunde angesehen werden, weil er

später ausdrücklich oder stillschweigend fremdes, der Vergangenheit ange­ hörendes Tun gebilligt hat. Von Bedeutung würde ein solches Genehmigen nur unter dem Gesichtspunkte eines gleichzeitigen Auftrages zu weiterem

Handeln sein.

Dr. W.

15. Gesellschaften m. b. H.

363

d) Abtretung eines Teils des GeschSstsantetls. «) OLG. Hamburg, I. ZS.

Urteil v. 26; Oktober 1906.

Daß die in § 15 für die Abtretung eines ganzen Geschäftsanteils ge­ gebene Bestimmung auch auf die Abtretung eines Teils Anwendung finden

muß, ist nach Sinn und Zweck der Bestimmung selbstverständlich (Entsch.

des RG. 43 S. 138).

Es mußte also ein notarieller Vertrag errichtet werden,

durch welchen der Gesellschafter den abzutretenden Teil des Geschäftsanteils auf einen anderen überträgt. Dieser Voraussetzung entspricht die Anlage

keineswegs.

Nach Inhalt dieser Urkunde teilt die Klägerin mit, daß sie sich

mit Zahlung eines Teils ihrer Forderung an X. mittels Anteile an der

Plantagen-Gesellschaft m. b. H. begnügt, die „nötige Anzahl Anteile" erhalten habe, und damit voll befriedigt sei. Die Abtretung war also bereits vor­

aufgegangen, und die Anlage ist nichts weiter als eine Quittung — welche Bezeichnung sie auch trägt — über einen gar nicht näher angegebenen Teil des Geschäftsanteils des X.

Das Gesetz verlangt aber, daß die Abtretung

selbst in notarieller Form erfolgen müsse, und zwar in der Weise, daß der

abgetretene Teil einen Mindestnennbetrag von 500 Mark habe und durch 100 teilbar sei.

Da die Form nicht gewahrt ist, liegt eine zu Recht be­

stehende Abtretung nicht vor.

M.M. ß) OLG. Cassel, II. ZS. Urteil v. 20. Dezember 1906. Der Kläger erachtet den notariellen Vertrag, durch den er einen Teil

des Geschäftsanteils deS Beklagten gegen Zahlung von 40000 Mark über­ nommen hat, deshalb für nichtig, weil es an einem Beschlusse der Gesell­ schafter über die Teilung des Geschäftsanteils fehle. Über die Frage, ob die Genehmigung der Gesellschaft int Sinne des § 17 rechtswirksam erteilt ist, wenn die Geschäftsführer die Genehmigung erteilt haben, ohne daß die Gesell­ schafter die Bestimmung im Sinne des §47 Ziff.4 getroffen haben, sind die Ansichten geteilt (vgl. Förtsch 1 zu § 47 S. 112 und Neukamp in Gold­ schmidts Z. 42 S. 516; dagegen Staub 18 zu §46; Birkenbihl 4 zu

§ 47 S. 260; Parisus-Crüger 5 zu § 47 S. 200). Der Senat schließt sich der Ansicht der zuletzt genannten Schriftsteller an, die sich für ihre Auslegung auf den Ausspruch der Motive, den ganzen Charakter der Forschrift, ihre

Stellung int System und die Möglichkeit der Abänderung durch Gesellschafts­ Es handelt sich hier nicht um eine gesetzliche Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer. Dies ergibt sich aus § 462; vertrag berufen.

danach finden in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschafts­ vertrags die §§ 47—52 Anwendung. Sie sollen also nur die mangelnden Festsetzungen des Gesellschaftsvertrags ersetzen, sie gelten als Inhalt des Statuts nur dann nnd insoweit, als dieses letztere nicht etwas Abweichendes bestimmt; sie sind also im letzten Grunde nicht auf das Gesetz, sondern auf

den Willen der Gesellschafter zurückzuführen (vgl. Neukamp S. 517 f.).

Es

kann ihnen daher keine andere rechtliche Bedeutung zukommen als den Fest­

setzungen des Gesellschaftsvertrags selbst.

Für diese ist aber im § 372 be-

stimmt, daß sie, sofern sie eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer aussprechen, gegen Dritte keine rechtliche Wirkung haben. Der neue Erwerber ist aber vor Genehmigung des Teilungsaktes noch nicht Gesellschafter, sondern ein Dritter int Sinne des § 37*

Der Vertrag der

Parteien ist also aus diesem Grunde nicht nichtig. Wohl aber ist er deshalb nichtig, weil die Genehmigung nicht der durch

8 17* vorgeschriebenen Form entspricht.

Die von den Geschäftsführern unter

der Firma der Gesellschaft erteilten Genehmigungen lauten dahin:

„M. zu

L. verkaufte zufolge uns vorliegenden notariellen Urkunden an G. zu N. von seinem Stammanteil bei unserer Gesellschaft den Betrag von 40000 Mark.

Diese Veräußerung wird hiermit genehmigt und nach erfolgter Bezahlung

auf Stammanteilkonto unserer Gesellschaft verbucht." Diese Genehmigung bezeichnet also nicht den Betrag, der von der Stammeinlage des ungeteilten Geschäftsanteils auf jeden der durch die Teilung entstehenden Geschäftsanteile entfällt; denn den dem M. verbleibenden Teil der Stammeinlage des un­

geteilten Geschäftsanteils bezeichnet sie nicht.

Sie bezeichnet nicht einmal die

Höhe der Stammeinlage des M. (vgl. Staub 17 zu tz 17; IW. 1896 S.323). Die ohne formgerechte Genehmigung erfolgte Veräußerung ist aber unwirksam.

Von einer Bestätigung des hiernach nichtigen Vertrags über Abtretung eines Teils des Geschäftsanteils des M. kann keine Rede sein, weil eine Be­

stätigung die Kenntnis von der Nichtigkeit, also den Willen des Klägers, sich

zu verpflichten, voraussetzt.

Die Bestätigung hat nur rechtliche Wirkung,

wenn und soweit sie sich als erneute, allen Erforderniffen gerecht werdende Errichtung eines Rechtsgeschäfts von gleichem Inhalt darstellt. Kläger glaubte aber hier, durch den Abtretungsvertrag verpflichtet zu sein.

Auch kann durch

konkludente Handlung allein ein formell nichtiger Vertrag nicht gültig werden. Er kann nur dadurch bestätigt werden, daß er in der gesetzlichen Form von neuem abgeschlossen wird. Fs. e) Stammeinlage« im Konto kurrent -er Gesellschaft. Klagäuderuugk OLG. Colmar, I. ZS. Urteil v. 12. April 1907.

Die Belastung des Beklagten mit der von ihm übernommenen Stamm­ einlage war unzulässig, weil die Stammeinlagen nicht Gegenstand eines zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern bestehenden Kontokurrents

sein können. Denn die in die laufende Rechnung eingestellten beiderseitigen Ansprüche verlieren dadurch ihre Selbständigkeit und nehmen die Natur von

Rechnungsposten

an;

ferner

werden

sie gestundet und

am

Schlüsse der

Rechnungsperiode durch eine Gesamtaufrechnung bis zum Betrage des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen. Stun­ dung von Stammeinlagen ist aber durch § 19* ausdrücklich untersagt, und auch die Aufrechnung ist insofern für die Stammeinlagen besonders geregelt,

als das Gesetz dem Gesellschafter verbietet, gegen seine Einlageschuld auf­ zurechnen.

Die Selbständigkeit der Stammeinlagen muß gewahrt werden, da

ihre Verrechnung in laufender Rechnung zu einer Verschleierung der Bilanz

15. Gesellschaften m. b. H.

führen würde; denn in diesem Falle wäre nicht ersichtlich, wieviel auf das

Stammkapital noch nicht eingezahlt ist (Staub-Hachenburg 48 zu § 42;

RGStrafs. 26 S. 104).

Sind hiernach die Belastungen

von

2500

und

7500 Mark zu streichen, so steht dem Kläger, selbst wenn der Kontokurrent­ auszug im übrigen richtig sein sollte, ein Anspruch aus laufender Rechnung

gegen den Beklagten nicht zu.

Die Klage ist daher, insofern sie sich auf einen

Kontokurrentvertrag stützt, unbegründet. Insofern sie jetzt auf die Übernahme einer Stammeinlage gegründet wird, greift der Einwand der Klagänderung durch.

Die ursprüngliche Klage

ist auf Anerkennung und Zahlung eines vom Kläger einseitig gezogenen Saldos

gerichtet; der Rechtsgrund ist also die beiderseitige Feststellung des Saldos, wodurch ein Zurückgreifen auf die einzelnen, ihm zugrunde liegenden Posten

ausgeschlossen wird, so daß in solchem Falle eine Klagänderung vorliegt, wenn die Klage nachträglich mit einer einzelnen Forderung begründet wird (Staub 28 zu § 355 HGB.). Ähnlich liegt aber hier das Verhältnis. Der Rechtsgrund der ursprünglichen Klage ist der Kontokurrentvertrag, der nicht

Diese kommen Nur insofern der Kläger die Richtigkeit dieser Posten nachzuweisen hat, muß auch bei der einen Anspruch auf Zahlung der Einzelforderungen begründet.

vielmehr nur als Posten der Gesamtrechnung in Betracht.

Klage auf Zahlung eines nicht anerkannten Saldos auf die einzelnen Debet­ posten des Beklagten zurückgegangen werden. Es liegt daher eine Änderung der Klage vor, wenn diese, anstatt auf den Saldo einer die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen umfassenden laufenden Rechnung, auf eine einzelne darin aufgenommene Förderung gestützt wird (ROHG.^ S. 102). Frdthl. f) Haftung des Gesellschafters für Fehlbeträge einer II. Emission, an der er keinen Anteil «ahm.

OLG. Karlsruhe, IV. ZS.

Urteil v. 20. April 1906.

Die Frage, ob für den an den beiden Geschäftsanteilen der II. Emission

Nr. 11 und 12 entstandenen Ausfall sämtliche übrigen Gesellschafter, zu welchen

der Beklagte gehört, haftbar sind, oder nur die Erwerber jener Geschäfts­ anteile, zu denen der Beklagte nicht gehört, ist im ersteren Sinne zu be­ antworten. Maßgebend ist die Auslegung des § 24, dessen Wortlaut: „Die übrigen Gesellschafter" für haftbar erklärt. Das Gesetz selbst unterscheidet nicht, ob der Fehlbetrag, für den die übrigen Gesellschafter haften, von bis­ herigen oder neu geschaffenen Geschäftsanteilen herrührt. Der Wortlaut

spricht daher schon dafür, daß unter den „übrigen Gesellschaftern" alle

zeitigen Mitgesellschafter ohne Unterschied haftbar sein sollen für Ausfälle, die dadurch entstehen, daß Einzahlungen auf die Stammeinlagen nicht zu erlangen sind. Für diese Auslegung spricht auch der Grund der Bestimmung. Während das Gesetz bei der Aktiengesellschaft sowohl zum Schutz der Aktien­ erwerber als auch im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zahlreiche Garantien

geschaffen hat, sind solche bei der Gesellschaft m. b. H. nicht in gleichem Um­ fang gegeben.

Als Ersatz hat das Gesetz hier eine Gesamthaftung der

15. Gesellschaften m. b. H.

366

Gesellschafter dafür eingeführt, daß das im Gesellschaftsvertrag bestimmte

Stammkapital voll zur Einzahlung gelangt und auch während des Bestehens

der Gesellschaft erhalten bleibt

Der Durchführung dieses Prinzips entspricht

es aber nur, wenn alle zeitigen Mitgesellschafter für Fehlbeträge haftbar erklärt werden. Wenn sich nun auch nicht verkennen läßt, daß diese Aus­

legung eine gewisse Härte enthält, so kommt doch in Betracht, daß sie in­ sofern wieder gemildert wird, als den haftbar erklärten Mitgesellschaftern ein Äquivalent für ihre Mehrauswendung dadurch gewährt ist, daß der Aus­

geschloffene am Gewinn und Vermögen der Gesellschaft keinen Anteil mehr hat, ferner den Mitgesellschaftern für die Beträge, die sie zur Deckung des

Ausfalls zahlen müssen, der Rückgriff auf den Ausgeschloffenen zusteht, und

endlich, daß der § 24 nur gilt, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag selbst

die Zustimmung sämtlicher Teilnehmer zu einer die Erhöhung des Stamm­ kapitals betreffenden Änderung für notwendig erklärt, den Gesellschaftern

also durch Einfügung entsprechender Bestimmungen ein genügendes Schutz­

mittel gegen die drückenden Konsequenzen ihrer Teilnahme zu Gebote steht. Die Stellung des § 24 im Gesetz zwingt auch keineswegs zu der An­ nahme, daß dadurch nur der Fall der Haftung für die bei der Gründung

übernommenen Stammeinlagen geregelt werden sollte. Was bei der Gründung

gilt, muß auch bei späterer Kapitalserhöhung gelten, denn das Gesetz bezweckt in § 24 die Sicherung des Stammkapitals, und dieses wird aus der Summ« der Stammeinlagen gebildet, Stammeinlage aber ist, was von den Gesell­ schaftern bei der Gründung oder später infolge Beschlusses der Gesellschafts­ versammlung einbezahlt wird. Dr. E.r. g) Bestellung eine- Geschäftsführers aus tz 29 BGB. hierüber. Kammergericht, I. ZS.

Beschwerde

Beschluß v. 7. März 1907.

Die ^-Gesellschaft m. b. H. wird durch zwei Geschäftsführer vertreten.

Das Stammkapital beträgt 50000 Mark, davon stehen den beiden einzigen

Gesellschaftern A. und B., die zugleich Geschäftsführer sind, je 25000 Mark

Am 31. August 1906 teilte A. dem B. mit, daß er die Geschäftsführung niedergelegt habe. Am 3. September erklärte er sich bereit, bis ein zweiter Geschäftsführer ernannt und eingetragen sei, offiziell für die Gesellschaft noch zu.

die erforderlichen Zeichnungen vorzunehmen.

B. erklärte sich hiermit ein­

verstanden und beantragte, da sich seine Verhandlungen mit A. wegen eines

zweiten Geschäftsführers hinzogen, bei dem Amtsgerichte auf Grund des § 29 BGB. zur Anstellung von Klagen, und zur gerichtlichen Vertretung

gegen den Geschäftsführer A. die Bestellung eines Geschäftsführers. solcher wurde bestellt.

Die weitere Beschwerde des A. ist begründet.

Ein

Dem

einzelnen Gesellschafter als solchen steht zwar in Registerangelegenheiten einer Gesellschaft m. b. H. regelmäßig ein Antrags- und Beschwerderecht nicht zu Für den besonderen Fall der Stellung von Anträgen aus § 29 BGB. ist jedoch eine Ausnahme zugelassen.

(Beschluß vom 28. Februar 1907 Y 1434/06).

15. Gesellschaften m. b. H.

367

Diese Vorschrift hat gerade den Fall im Auge, daß es der Körperschaft an einer geordneten gesetzlichen Vertretung fehlt. Man wird also zu den Be­ teiligten im Sinne des § 29, welchen ein entsprechendes Antragsrecht verliehen ist (abgesehen von dritten Berechtigten), nicht allein die etwa vorhandenen

Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer, sondern auch die bloßen Mitglieder des Vereins oder der Gesellschaft m. b. H. rechnen massen (Altmann, Ver­

einsrecht 1905 S. 101; Staudinger III 2b, Planck 2b zu § 29).

Die Dar­

legung, daß dieses Recht auf Bestellung der erforderlichen Vorstandsmitglieder

oder Geschäftsführer durch die Entscheidungen der Vorinstanzen beeinträchtigt

sei, wird also zur Rechtfertigung der Beschwerdebefugnis ausreichen (§ 20 FrGG.). Umgekehrt wird man aber der Natur der Sache nach auch dem einzelnen Gesellschafter, der der erfolgten Bestellung eines solchen Vertreters widerspricht, weil dadurch seine Gesellschafterrechte beeinträchtigt würden, ein Beschwerderecht zum Zwecke einräumen müssen, um diese Bestellung wieder rückgängig zu machen; denn es kann ihm nicht zugemutet werden, diese seine

Rechte durch einen nicht ordnungsmäßig bestellten Vertreter wahrnehmen zu

lassen.

Schon unter diesem Gesichtspunkte ist also das Beschwerderecht des

A. zu bejahen.

Außerdem ist es ihm aber in seiner Eigenschaft als ein­

getragener Geschäftsführer zuzubilligen, und zwar auch unter Berücksichtigung

des Umstandes, daß eine Kollektivvertretung hier angeordnet ist. Allerdings liegen hier wohl gewiffe Bedenken dagegen vor, ob A. überhaupt materiell noch zu Recht als Geschäftsführer eingetragen ist. Nach dem klaren Wort­ laute des Briefes vom 31. August hat er sein Amt niedergelegt. Darin lag eine Kündigung seiner Stellung, welche trotz der bestehenden Kollektivvertretung nach § 352 Gesetz m. b. H. durch Erklärung an den anderen Geschäftsführer

in ausreichender Weise erfolgte. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen vermochte A. nicht durch einen späteren (übrigens auch nur teilweisen) Wider­

in dem. Briefe vom 3. September ungeschehen zu machen oder aufzuhalten; vielmehr konnte er seine Bestellung als Gesellschafter nur durch einen neuen formgerechten Beschluß der Gesellschafter wiedererlangen (Jahrbuch 29 S. 98, Staub-Hachenburg 57 ff. zu § 35). A. ist demgemäß ruf seiner Kündigung

tatsächlich noch als Geschäftsführer eingetragen; er ist demnach als solcher für legitimiert zu erachten (§ 15 HGB).

Auch insofern ist also sein Be­

schwerderecht anzuerkennen. In der Sache ist zunächst an der bereits früher anerkannten subsidiären Geltung vor allgemeinen Vorschriften des BGB. über Vereine für die juristischen Personen des Handelsrechts, besonders sür die Gesellschaften m.b.H. festzuhalten (Jahrbuch 23 S. 105, RIA. 3 S. 25, Rsp. 4 S. 256, D.JZ. 7

S. 53; vgl. Lehmann-Ring 3 vor § 178 HGB.; Staudinger 2 zu tz 29 BGB.; Gierke, bürg. Archiv 19 S. 132; Lemon in Goldschmidt Z. 49 S. 13; Staub-Hachenburg Einl. 2—5, 4. 43 zu § 35 und 12 zu § 66; Diese Geltung kommt namentlich bei

Liebmann 22 zu 8 1 G. m. b. H.).

§ 29 BGB. in Betracht.

Sie ist jedoch grundsätzlich dann auszuschließen.

wenn das Gesetz m.b.H. selbst eine bezügliche Sonderregelung enthält, wie dies beispielsweise in § 66 für den Fall der Ernennung von Liquidatoren bei Konflikten im Kreise der Gesellschafter nach erfolgter Auflösung der Ge­

sellschaft zutrifft,

während beim Fehlen solcher in dringenden Fällen die

§§ 29, 48 BGB. anzuwenden sind (Jahrbuch 23 S. 110). Ganz ähnlich liegt aber die Sache für die Bestellung von Geschäfts­ führern bei bestehender Gesellschaft. Auch für diesen Fall hat jenes Gesetz

beim Vorliegen innerer Gesellschaftsstreitigkeiten (im Gegensatz zum Fehlen eines Geschäftsführers in einem dringenden Falle) ausreichende Vorkehrungen

getroffen, um der Gesellschaft die zu deren Austragung etwa erforderliche Vertretung zu verschaffen. Es ist hier zunächst auf § 46 Nr. 8 hinzuweisen.

Diese Vorschrift gilt unbedenklich nicht bloß für die daselbst erwähnte Geltend­ machung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer zustehen, sondern ganz allgemein für sämtliche gegen Geschäftsführer anzustrengende Prozeffe, auch wenn ste dabei der Gesellschaft als Dritte gegenüberstehen (Entwurf des Gesetzes 1891

S. 99). — Eine bezügliche Beschlußfassung wird aber auch nicht etwa dadurch

unmöglich gemacht, daß jedem der Gesellschafter die Hälfte der Gesellschafts­ einlagen zusteht; denn für diesen Konfliktsfall ist durch § 47* Abs. 4 Ges. Abhilfe zu schaffen. A. wird also bei der Beschlußfaffung über die An­ stellung oder Weiterführung von Prozessen der Gesellschaft gegen ihn nicht

mitstimmen können. — Allerdings kann es nun auf den ersten Blick so scheinen, als ob der Beschlußfaffung über diesen Punkt dadurch unüberwind­ liche Schwierigkeiten erwachsen könnten, daß nach § 491 die Berufung der Versammlung der Gesellschafter durch die Geschäftsführer, d. h. im Falle einer Kollektiovertretung durch die mehreren Geschäftsführer geschehen muß, da A. möglicherweise seine Mitwirkung zur Berufung ablehnt. Dem gegenüber ist jedoch auf § 50 hinzuweise», wonach Gesellschafter, deren

Geschäftsanteile zusammen mindestens */io des Stammkapitals betragen, die Berufung der Versammlung durch die Geschäftsführer, ev. selbst veranlassen können. Der vorliegende Konflikt im Schoße der Gesellschaft kann also im Rahmen der Bestimmungen des Gesetzes glatt gelöst werden. Dr. G.M.

h) Haftung der Gesellschaft m. b. H. «ach 8 31 BGB. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 8. Oktober 1906.

Da der Kläger zur Zeit seines Unfalls nicht im Betriebe der Beklagten tätig war, so steht ihrer Inanspruchnahme auf den ihm erwachsenen und

nicht schon von der Berufungsgenossenschaft zu ersetzenden Schaden der § 135 GUVG. vom 5. Juli 1900 nicht entgegen, vielmehr haftet gemäß § 140 das. die Beklagte nach den allgemeinen Vorschriften.

Als Gesellschaft m. b. H.

gilt sie nach § 133 (Begründung des Ges. betr. das Flaggenrecht, Sten. Berichte des Reichst. 1898 II. Anlageband S. 1291) als Handelsgesellschaft im Sinne des HGB., wie auch die Aktiengesellschaft eine solche ist, mit der ste in ihrer rechtlichen Gestaltung im wesentlichen übereinstimmt, nämlich darin, daß sie.

wie diese eine von den Gesellschaftern verschiedene Rechtspersönlichkeit ist, die selbständig ihre Rechte und Pflichten hat, und daß die veräußerlichen und

vererblichen Anteile der Gesellschafter nur Ansprüche obligatorischer Natur gegen die Gesellschaft erzeugen (Seuffert 55 Nr. 119).'

Ihrem rechtlichen

Wesen nach ist sie gleich der Aktiengesellschaft als Verein im Sinne des BGB. aufzufassen (Planck vor § 21 BGB.; D. JZ. 11 S. 823). sich ihre Haftung nach §§31, 831 BGB.

Daher bestimmt

Danach aber erscheint sie ver­

pflichtet, dem Kläger dessen Schaden zu ersetzen, soweit nicht — § 140 GUVG.

und § 45 des BauUVG. — die Entschädigungspflicht der BaugewerbsBerufsgenossenschaft begründet ist, die jedenfalls insoweit nicht Platz greift, als es sich um den in § 847 BGB. zugelassenen Ersatz von nicht vermögens­

rechtlichem Schaden handelt....

M. M.

i) Anspruch eines Gesellschafters aus Abschriften. OLG. Jena, I. ZS.

Urteil v. 20. März 1905.

Den Anspruch des Klägers auf Mitteilung einer Abschrift der Bilanz

nebst Gewinn- und Verlustberechnung für 1902 erkannte die Beklagte an, bestritt aber die Verpflichtung, diese Abschriften auf ihre Kosten anzufertigen und machte deren Mitteilung von Erstattung der Kosten durch den Kläger abhängig. Hierzu ist sie berechtigt. Denn die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung für 1902 ist in der Generalversammlung der Gesellschafter

im März 1903 vorgelegt worden. Wenn der Kläger trotzdem keine Kenntnis davon erlangt hat, so liegt dies daran, daß er zur Generalversammlung nicht geladen werden konnte, weil der Beklagten sein damaliger Aufenthalt durch seine Schuld unbekannt war. Er hatte nach Unterschlagung von Gesellschafts­ geldern und Bücherfälschung die Flucht ergriffen und hielt sich verborgen. Die Beklagte tat ein übriges, indem sie Nachforschung nach seinem Aufenthalt anstellte, um ihm die Einladung zur Generalversammlung zuzustellen.

blieben indeffen erfolglos.

Diese Trägt aber der Kläger selbst die Schuld daran,

daß besondere Aufwendungen nötig wurden, um ihm Kenntnis von den Ergebniffen des Geschäftsbetriebs von 1902 zu verschaffen, so hat er diese, in seinem Sonderinteresse nötig werdenden Kosten zu bestreiten.

Ist es, wie er

behauptet, im Geschäftsverkehr üblich, Erstattung von Schreibkosten in bet»

artigen Fällen nicht zu beanspruchen, so kann es sich dabei nur um einen Akt der Kulanz handeln,

kann.

zu dem die Beklagte nicht gezwungen werden Gr.

k) Feststellungsklage, daß der Kläger nicht mehr Liquidator sei. Beendigung der Liquidatto«. OLG. Hamburg, H ZS. Urteil v. 5. Juli 1906. Geklagt ist auf die Feststellung, daß das bisherige Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als dem gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft und deren Gläubigern, welche den Kläger als solchen Vertreter in Anspruch genommen,

sogar zur Leistung des Offenbarungseides geladen und in­ zwischen auch dazu genötigt haben, nicht mehr besteht. Daran, daß dies insbesondere

OLGRsp. XIV.

24

alsbald festgestellt werde, hat der Kläger ein rechtliches Interesse, weil er nach den bisherigen Vorkommnissen und dem Verhalten der Beklagten damit

rechnen muß, daß diese, sei es auf Grund des Urteils vom 1. Juli, sei es auf Grund anderer Titel gegen die Gesellschaft m. b. H. den Kläger als Liquidator in Anspruch nehmen werden, und weil es für das von ihm zu

beobachtende Verhalten von Bedeutung ist, ob er von den Gerichten als Liquidator angesehen wird oder nicht. Die Klage ist aber nicht begründet.

Der Kläger hat sein Amt als

Liquidator nicht niedergelegt bzw. gekündigt, sondern am 7. März 1904 zum Handelsregister angemeldet, daß die Liquidation der Gesellschaft und damit

seine Vertretungsbefugnis beendet sei.

Es kommt daher darauf an, ob die

Liquidation der Gesellschaft beendigt worden ist, eine Frage, die durch die

Veröffentlichung der, Anmeldung nicht endgültig erledigt ist. Solche Ein­ tragung hat zwar die Vermutung der Richtigkeit für sich, sie wirkt aber — von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen

abgesehen

(vgl. z. B.

HGB. § 304) — nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch.

Wie das

Reichsgericht (Entsch. 41 S. 95) für die Aktiengesellschaft ausführt, — und

das gilt ohne weiteres auch für eine Gesellschaft m. b. H., da für ihre Liqui­ dation verwandte, aber nicht strengere Vorschriften (§§ 66 ff.) Platz greifen — besteht die Gesellschaft, bis jedes vermögensrechtliche Substrat beseitigt ist, fort und kann so lange als solche verklagt werden. Vorliegend konnte der Kläger, als er am 7. März 1904 anzeigte, darüber nicht im unklaren sein, daß die Liquidation nicht beendet war. Zwar hat er am selben Tage zu Protokoll eines Notars erklärt, daß er hiermit alle der Gesellschaft noch zustehenden Rechte mit allen Klagen an 3E. abtrete und den Gegenwert

empfangen habe. Er sagt aber weder etwas darüber, worin der Gegenwert bestanden hat, noch vor allem, was er mit ihm gemacht hat. Die Erklärung entbehrt aber auch jeglicher überzeugenden Kraft, denn als der Kläger am 25. August 1905 als Liquidator den Offenbarungseid leistete, hat er an­ gegeben, daß die Gesellschaft noch Vermögen besitze....

M. M.

1) verkauf einer Gesellschaft m. b. H. mit Geschäft und Firma. OLG. Dresden, VI. ZS.

Beschluß v. 15. Oktober 1906.

Die K.-Fabrik A. N. G. m. b. H. in Dresden war in Liquidation ge­

treten.

Die Liquidatoren hatten das Geschäft mit allen Aktiven und Passiven

und einschließlich der Firma, jedoch ausschließlich eines Bankguthabens und

einiger

Außenstände verkauft.

In einer Gesellschaftsversammlung

wurde

der § 1 des Gesellschaftsvertrags dahin abgeändert, daß die Firma nunmehr:

K.-Fabrik Dresden-L. G. m. b. H. in Liquidation lauten solle.

Die Ein­

tragung sowohl des Firmenübergangs auf den Käufer, als auch der neuen

Firma wurde abgelehnt.

Die weitere Beschwerde ist begründet.

Allerdings

schließt die Veräußerung der Firma unter Annahme einer neuen Firma zu­

gleich eine Abänderung des Gesellschaftsoertrags in sich; aber eine solche ist auch dann, wenn die Gesellschaft bereits aufgelöst ist und daher nur noch

zum Zwecke der Liquidation fortbesteht, mindestens insoweit zulässig, als sich

nicht aus dem Wesen der Liquidation ein anderes ergibt (§ 69).

Das ist in

Ansehung einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags zum Zweck der Ver­

äußerung des Geschäfts im ganzen nebst der Firma nicht anzuerkennen. Dr. B.

16 a) Stillschweigende Unterwerfung unter die „Allgemeine« Bertragsbedingnngen" eines Betriebsnnternehmers. «) Kammergericht, XII. ZS.

Urteil v. 3. November 1906.

1. Die beklagte Gesellschaft befördert gewerbsmäßig Reisegepäck von und nach den Bahnhöfen und sie unterhält auf jedem Bahnhof zu B. eine An­ nahmestelle.

In ihren gedruckten „Beförderungsbestimmungen" sind besondere

Bedingungen enthalten, unter welchen sie sich dem Publikum gegenüber bereit

erklärt, diesen Reisegepäckverkehr auszuführen.

An den Annahmestellen be­

finden sich Plakate, die auf starker Pappe aufgezogen, dort aufgehängt und

bestimmt sind, das Publikum über jene Bedingungen des Gepäckverkehrs zu unterrichten. Bei der Auflieferung eines Gepäckstückes erhält der Reisende von dem Angestellten, der es annimmt, eine Quittung, die durch Ausfüllung

eines Formulars ausgestellt wird; der Rückseite ist der hier fragliche Teil der Bedingungen ausgedruckt; auf der Vorderseite ist durch ein „Bitte wenden" auf den Aufdruck der Rückseite verwiesen.

Der Kläger hat der Beklagten

auf dem A.-Bahnhof einen Reisekoffer mit dem Auftrag übergeben, ihn in seine Wohnung zu befördern. Er hat die formularmäßige Quittung erhalten. Da der Koffer verloren gegangen ist, verlangt er Ersatz des Schadens von 570 Mark, während sich die Beklagte nach ihren Beförderungsbestimmungen nur zum Ersätze von 100 Mark für verpflichtet hält. Daß der Kläger an diese Bestimmungen gebunden wäre, wenn sie ihm bei Abschluß des Vertrages

bekannt gegeben wären oder wenn ihm wenigstens Gelegenheit geboten worden

wäre, sich vor der Auftragserteilung mit ihnen bekannt zu machen, kann keinem

Zweifel unterliegen. Das setzte voraus, daß er vor der Erklärung seines BertragSwillens von ihnen Kenntnis erhielt. Die Quittung aber bekam er ftühestens Zug um Zug mit dem Gepäckschein, dessen Übergabe die Erklärung

seines Bertragswillens enthielt.

In dem Augenblicke, in welchem der Kläger

frühestens den Inhalt der Quittung erfahren konnte, war der Vertrag bereits geschlossen und da im Zweifel das Gesetz den ausgesprochenen Parteiwillen

ergänzt, war der Anspruch des Klägers auf Ausführung der Beförderung und

eventuell vollen Schadensersatz begründet. Wäre aber auch der Kläger bei normaler Abwickelung des Geschäftes in der Lage und nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, die Quittung zu

lesen, während sich der Abschluß des Geschäftes noch in der Schwebe befand, so würde ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden können, daß er von dem Willen des Beklagten, nur beschränkt haften zu wollen, nicht zu einem Zeit­ punkt Kenntnis erhielt, als er noch die Freiheit des Entschlusses hatte. 24*

Die

zum Zwecke der Liquidation fortbesteht, mindestens insoweit zulässig, als sich

nicht aus dem Wesen der Liquidation ein anderes ergibt (§ 69).

Das ist in

Ansehung einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags zum Zweck der Ver­

äußerung des Geschäfts im ganzen nebst der Firma nicht anzuerkennen. Dr. B.

16 a) Stillschweigende Unterwerfung unter die „Allgemeine« Bertragsbedingnngen" eines Betriebsnnternehmers. «) Kammergericht, XII. ZS.

Urteil v. 3. November 1906.

1. Die beklagte Gesellschaft befördert gewerbsmäßig Reisegepäck von und nach den Bahnhöfen und sie unterhält auf jedem Bahnhof zu B. eine An­ nahmestelle.

In ihren gedruckten „Beförderungsbestimmungen" sind besondere

Bedingungen enthalten, unter welchen sie sich dem Publikum gegenüber bereit

erklärt, diesen Reisegepäckverkehr auszuführen.

An den Annahmestellen be­

finden sich Plakate, die auf starker Pappe aufgezogen, dort aufgehängt und

bestimmt sind, das Publikum über jene Bedingungen des Gepäckverkehrs zu unterrichten. Bei der Auflieferung eines Gepäckstückes erhält der Reisende von dem Angestellten, der es annimmt, eine Quittung, die durch Ausfüllung

eines Formulars ausgestellt wird; der Rückseite ist der hier fragliche Teil der Bedingungen ausgedruckt; auf der Vorderseite ist durch ein „Bitte wenden" auf den Aufdruck der Rückseite verwiesen.

Der Kläger hat der Beklagten

auf dem A.-Bahnhof einen Reisekoffer mit dem Auftrag übergeben, ihn in seine Wohnung zu befördern. Er hat die formularmäßige Quittung erhalten. Da der Koffer verloren gegangen ist, verlangt er Ersatz des Schadens von 570 Mark, während sich die Beklagte nach ihren Beförderungsbestimmungen nur zum Ersätze von 100 Mark für verpflichtet hält. Daß der Kläger an diese Bestimmungen gebunden wäre, wenn sie ihm bei Abschluß des Vertrages

bekannt gegeben wären oder wenn ihm wenigstens Gelegenheit geboten worden

wäre, sich vor der Auftragserteilung mit ihnen bekannt zu machen, kann keinem

Zweifel unterliegen. Das setzte voraus, daß er vor der Erklärung seines BertragSwillens von ihnen Kenntnis erhielt. Die Quittung aber bekam er ftühestens Zug um Zug mit dem Gepäckschein, dessen Übergabe die Erklärung

seines Bertragswillens enthielt.

In dem Augenblicke, in welchem der Kläger

frühestens den Inhalt der Quittung erfahren konnte, war der Vertrag bereits geschlossen und da im Zweifel das Gesetz den ausgesprochenen Parteiwillen

ergänzt, war der Anspruch des Klägers auf Ausführung der Beförderung und

eventuell vollen Schadensersatz begründet. Wäre aber auch der Kläger bei normaler Abwickelung des Geschäftes in der Lage und nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, die Quittung zu

lesen, während sich der Abschluß des Geschäftes noch in der Schwebe befand, so würde ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden können, daß er von dem Willen des Beklagten, nur beschränkt haften zu wollen, nicht zu einem Zeit­ punkt Kenntnis erhielt, als er noch die Freiheit des Entschlusses hatte. 24*

Die

Quittung sollte ihm in erster Linie als Ausweis dafür dienen, daß der An­ nehmende Gepäck und Fracht erhalten und die Adresse richtig ausgeschrieben

habe; hierauf hatte er also in erster Linie sein Augenmerk zu richten. Daß die Beklagte die Quittung daneben benutzte, um dem Publikum von ihren, sür dieses wichtigsten Vertragsbedingungen Kenntnis zu geben, war nicht zu

vermuten und brauchte trotz der Worte „Bitte wenden" auf der Vorderseite

dem Kläger bei Aufwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht zu einem Zeitpunkt bekannt zu werden, in welchem er noch die Wahl hatte, ob

er sich mit der Beklagten einlaffen solle oder nicht. Es könnte sich also nur fragen, ob durch das ausgehängte Plakat dem Kläger die Haftungsbeschränkung bekannt geworden ist oder hätte bekannt

sein müssen.

Eine gehörig erfolgte öffentliche Bekanntmachung ihrer Ver­

tragsbedingungen würde allerdings der Beklagten gestatten, sich dem Kläger gegenüber darauf zu berufen. Es gibt geschäftliche Unternehmungen, und zwar sowohl öffentliche wie private, bei welchen es üblich ist, die besonderen dem Zwecke und der Betriebsweise angepaßten, von den gesetzlichen meistens

abweichenden Bedingungen des Vertragschluffes öffentlich bekannt zu machen. Ist dies gehörig erfolgt, würde es gegen Treu und Glauben verstoßen, wollte sich derjenige, der auf Grund des öffentlichen Angebots der Vertragsleistungen

diese beanspruchte, auf die Unkenntnis der bekannt gemachten Bedingungen

berufen.

Es darf angenommen werden, daß jeder, der am Verkehrsleben

teilnimmt, die darin herrschenden Gewohnheiten und Gebräuche kennt und berücksichtigt (RGBl. 1894 S. 70; Staub § 346 Anm. 15; DüringerHachenburg 2 S. 218). Das Unternehmen der Beklagten ist unbedenklich

denen zuzuzählen, bei welchen der Verkehr damit rechnen muß, daß sie ihre Leistungen nicht ohne besondere Vertragsbestimmungen anbieten. Die Art und der Umfang des Betriebes schließen eine Individualisierung des Vertrags­ inhalts aus, während sie anderseits ein den Verhältniffen des Betriebes angepaßtes besonderes Vertrag-recht unentbehrlich machen. Solche besonderen Bedingungen sind gleichmäßig im Interesse des Publikums, der prompten

Abwickelung deS Verkehrs, wie auch der Rentabilität des Betriebes notwendig. Die Bekanntmachung der Bestimmungen ist aber vorliegend nicht gehörig erfolgt. Die Anwendung jener Bestimmungen stellt eine Bevorzugung dar, die der Beklagten sowohl in der Art der Veröffentlichung wie in der Fassung

des Inhalts besonders strenge Pflichten auferlegt. Das angeführte Urteil von 1894 hatte eine Bekanntmachung durch einen jedermann sichtbaren Aus­ hang in ihren Abnahmestellen für genügend erklärt; daran ist festzuhalten.

Es muß aber auch tatsächlich der Aushang so angebracht sein, daß er unter Berücksichtigung eines Verkehrsandranges, wie er auf den Bahnhöfen die Regel bildet, jedermann in die Augen fällt.

Nach der Beweisaufnahme

bleibt zweifelhaft, ob dies für den fraglichen Tag zutrifft.

Jedenfalls war

die ausgehängte Bekanntmachung in dem hier in Betracht kommenden Teil

nicht deutlich genug.

Aus ihrer Faffung konnte der Kläger nicht mit Sicher-

heit entnehmen, daß die Beklagte nicht für den vollen Schaden haften wolle....

Das Verlangen der Beklagten, daß die von ihr bekannt gemachten Be­ dingungen für jeden bindend sein müßten, der ihre Dienste in Anspruch nehme,

kann nur insoweit anerkannt werden, als die Bekanntmachung für jedermann ohne weiteres verständlich ist.

Dieses Erfordernis ist um so dringender zu

stellen bei einem Geschäftsverkehr, wie er hier vorliegt. Die Reisenden haben

bei der Eile und dem Andrange, unter dem sich gerade auf den B.er Bahn­ höfen der Verkehr vollzieht, ein besonderes Interesse, mit klaren und jeden Zweifel ausschließenden Ausdrücken Kenntnis davon zu erhalten, welches die Bedingungen sind, denen sie sich unterwerfen sollen.

K.

/?) Kammergericht, XII. ZS. Urteil v. 8. Dezember 1906. Der Beklagte hatte der Klägerin im April 1904 den Transport Stab­ eisen von Hamburg bis B. durch Schlepper zu 1,64 Mark für 100 kg über­

tragen.

Da jedoch der Wasserstand

der Elbe so niedrig wurde, daß die

Tagessätze für den Flußfrachtverkehr wesentlich in die Höhe gingen, erklärte

die Klägerin auf Grund der sog. Wafferstandsklausel der Allgemeinen Be­ dingungen des Vereins Hamburger Spediteure ihren Vertrag für aufgehoben. Aus den Gründen: Es ist im Handelsverkehr bei gewissen Geschäftsbetrieben, zu welchen besonders auch die Transportunternehmungen zu zählen sind, üblich, daß die Unternehmer allgemeine Bestimmungen, welche für die von ihnen abzu­ schließenden Verträge maßgebend sein sollen, aufstellen und den Interessenten

bekannt machen. Es ist auch Verkehrssitte und nach Treu und Glauben geboten, daß die Empfänger solcher Mitteilungen sich mit deren Inhalt be­ kannt machen. Kommt es dann zu einem Abschluß, ohne daß der Interessent einen Vorbehalt macht, so sind nach § 157 BGB. die allgemeinen Be­ stimmungen Bertragsinhalt geworden. Es muß angenommen werden, daß sich dem Unternehmer gegenüber der andere Vertragsteil jenen Bestimmungen

stillschweigend unterworfen hat (Entsch. des RG. 13 S. 76).

Vorliegend

hat die Klägerin sowohl bei dem Geschäftsverkehr mit der Beklagten 1903, wie auch im April 1904 ein Formular benutzt, welches linksseitig in Quer­ druck den Vermerk trägt, daß sämtliche Transporte auf Grund der Allgemeinen Bedingungen des Vereins Hamburger Spediteure geschehen. Durch den Gebrauch dieser Formulare hatte die Klägerin in einer im Handelsverkehr üblichen, hinreichend deutlichen Weise zum Ausdruck gebracht, daß sie auch den hier fraglichen Vertrag nur unter Anwendung jener Allgemeinen Be­ dingungen abzuschließen beabsichtige. Da diese ihr bekannt waren, muß sie nach Treu und Glauben deren Anwendung gegen sich gelten lassen, wenn und soweit dies nicht bei den Vertragsverhandlungen ausgeschlossen worden

ist.

Das ist nicht geschehen.

Die Beklagte hat für die von ihr zu ver­

gebenden Transporte besondere Bedingungen ausgearbeitet und diese am 12. April 1904 der Klägerin mitgeteilt, die sie angenommen hat. Dadurch sind aber die Vereinsbedingungen nicht ohne weiteres beseitigt. Die Klägerin

hat vielmehr die verkehrsüblich erklärte Absicht, das Rechtsverhältnis den

Vereinsbedingungen zu unterstellen, durch die Annahme der von der Beklagten ausgearbeiteten Bedingungen nur insoweit aufgegeben, als diese eine Ab­ änderung jener Vereinsbedingungen enthielten, wie dies z. B. in Ansehung des Erfüllungsortes und der Fälligkeit der Vergütung geschehen ist. Aus

dem Umstand, daß die Klägerin bereit gewesen ist, einzelne der für sie günstigen Vereinsbedingungen preiszugeben, kann nicht geschlossen werden und durfte auch die Beklagte nicht folgern, daß die Klägerin auf die An­ wendung der Vereinsbedingungm überhaupt verzichtet habe.

Die von der

Beklagten aufgestellten Bedingungen ließen nun aber die in den Vereins­ bedingungen unter Nr. 5 enthaltene sog. Wasserstandsklausel unberührt. K.r. b) Wirkung der Abrechnung beim eigeutlichen und uneigcutlichen Kontokurrent. Beweislast wegen irrtümlich weggelafsener Poste«.

OLG. Bamberg, I. ZS.

Urteil v. 17. November 1906.

Ein Bierbrauer und ein Gastwirt standen lange Zeit in Geschäfts­ verbindung; ersterer lieferte Bier, letzterer Gerste. Von Zeit zu Zeit fand Abrechnung statt. Als der Bierbrauer dann seinen Saldo einklagte, wurde

ihm eine angeblich bei der letzten Abrechnung Ende 1903 nicht berücksichtigte

Aus den Gründen: Es sind viele Anhaltspunkte dafür gegeben, daß hier zwischen den Streit­ teilen ein stillschweigend durch tatsächliche Übung begründetes Kontokurrent­ Gerstelieferung aus 1902 zur Aufrechnung gestellt.

verhältnis im Sinne des § 355 bestanden hat, bei welchem die Saldofest­ stellung die Wirkung hat, daß alle bisherigen Einzelforderungen, gleichviel ob sie in die Schlußrechnung ausgenommen sind oder nicht, als abgetan gelten und nur eine neue auf selbständigem Verpflichtungsgrund (Novation) be­ ruhende Forderung, das Saldoguthaben, besteht.

Ein Zurückgreifen auf

frühere angeblich nicht verrechnete Forderungen ist sonach unzulässig (Staub

§ 355 Anm. 12, 27). Allein es kann hier dahingestellt bleiben, ob ein eigentliches Kontokurrent­

verhältnis vorlag; jedenfalls bestand eine gewöhnliche laufende Rechnung, ein

uneigentliches Kontokurrent.

Ein solches

wird regelmäßig da ange­

nommen, wo bei dauernder Geschäftsverbindung der eine Teil kreditiert, der

andere zahlt.

Auch hierbei kann ein Saldo gezogen und anerkannt werden,

eine bestimmte Form ist hierzu nicht erforderlich, da ein Anerkenntnis auf

Grund einer Abrechnung (§ 782 BGB.) vorliegt.

Auch hier hat die Aner­

kennung eines gezogenen Saldos rechtliche Wirkungen; Einwendungen gegen die Richtigkeit der einzelnen Posten oder gegen die Vollständigkeit der anerkannten Rechnung allgemeiner Natur, sowie auch die bloße Darlegung der

Unrichtigkeit oder der Weglassung einzelner bestimmter Posten sind nicht statt­ haft, da nicht bloß ein Zugeständnis, sondern ein Anerkenntnisvertrag und

eine Novation vorliegt.

Eine Anfechtung dieses Anerkenntnisses kann nur

unter den Voraussetzungen der Kondiktion (§§ 812, 821) oder des Irrtums, Betrugs, Zwangs (§§ 119ff. BGB.) erfolgen (Staub § 357 Exkurs Anm. 1,

16. Kauf.

HGB. §§ 373 ff.

375

4, 9; § 355 Anm. 29). An solcher Anfechtung fehlt es hier. Unrichtig ist die Ansicht, daß den Kläger bezüglich der Verrechnung des fraglichen Postens die Beweislast treffe.

Da das Saldoanerkenntnis nur durch Anfechtung be­

seitigt werden kann und der Beklagte hier als Anfechtungsgrund Irrtum an­

gibt, trifft ihn, nicht den Kläger, hierüber die Beweislast (Planck § 119 Ziff. 4). Es hätte also der Beklagte dem Kläger den Eid über die Weg­

lassung des Postens bei der Abrechnung zuschieben müssen.

c) Sackmiete.

Sch.

Einfluss längerer Richtforderung.

OLG. Hamburg, IV. ZS. Urteil v. 8. Februar 1907. Im Getreidehandel ist die Berechnung von Sackmiete allgemein üblich.

Das Landgericht nimmt deshalb mit Recht an, daß sich der Beklagte durch die widerspruchslose Entgegennahme der mit dem Vordruck über die Sack­ mieteberechnung versehenen klägerischen Rechnungen stillschweigend dieser Ver­ Allein die Kläger sind, solange die Ge­ schäftsverbindung der Parteien bestand, niemals zur Einforderung verfallener

tragsbedingung unterworfen hat.

Sackmiete geschritten, mit diesen Ansprüchen vielmehr erst hervorgetreten, als

Beklagter aufgehört hatte, Waren von ihnen zu beziehen. Man könnte in der fortgesetzten Nichtgeltendmachung der verfallenen Sackmiete die Erklärung der Kläger sehen, daß die in den Fakturen enthaltene Sackmietebedingung im Verhältnisse der Parteien keine Geltung haben solle, worin dann zugleich ein Verzicht auf die bereits verfallenen Beträge liegen und wodurch auch für die Zeit nach Beendigung der Geschäftsverbindung dem Ansprüche die vertrags­ mäßige Grundlage entzogen sein würde. Die Verbindung der Parteien hat jedoch nur 2*/4 Jahre lang bestanden, und diese Zeit ist zu kurz, um einen stillschweigenden Verzicht der Kläger auf die in den Rechnungen immer von

neuem wiederholte Sackmietebedingung anzunehmen. Ein solcher Verzicht ist auch in den früheren Entscheidungen ähnlicher Fälle nicht lediglich deshalb angenommen, weil die Berechnung der Sackmiete bis zum Abbruche der Ge­ schäftsverbindung unterblieben war, vielmehr hat man je nach Lage des Falles entschieden. So legt das Urteil (Bolze 18 Nr. 447) Gewicht darauf, daß der Lieferant vierteljährlich Abrechnungen über seine Forderungen erteilt hatte, ohne jemals die Sackmiete mit aufzunehmen. Im Urteil (Bolze 17 Nr. 468) halte der Käufer bei Eingehung der Geschäftsverbindung erklärt, daß er auf die in den Fakturen enthaltene Kondition über Sackmiete nicht eingehe, und dann war in 7 jähriger Geschäftsverbindung niemals Sackmiete beansprucht

worden.

Im Urteil (Seuffert 50 Nr. 156) endlich hatte etwa in der Mitte

der 8 Jahre umfassenden Verbindung eine förmliche Abrechnung über die bis dahin nicht zurückgelieferten Säcke stattgefunden, und der Käufer die rück­ ständigen Säcke bezahlt, ohne daß der Lieferant etwas von Sackmiete sagte:

auf Grund dessen hat das Reichsgericht auch für den Rest der Verbindung trotz der auf den Fakturen immer wiederholten Sackmietevorschrist keine Sack­

miete zugesprochen, weil „die gegebene Sachlage zu der Annahme führt, daß die Klägerin bei der fortgesetzten Saumseligkeit des Beklagten nicht schweigen

durfte, wenn sie einen Anspruch auf Sackmiete erheben wollte".

Sache hier nicht....

So liegt die

Dagegen ist dem zuletzt ausgedrückten Gedanken, daß

der Lieferant bei fortgesetzter Saumseligkeit seines Abnehmers nicht schweigen dürfe, auch hier in gewissem Umfange Rechnung zu tragen.

In der Tat

verstößt es gegen die Vertragstreue, daß der Lieferant seinen Abnehmer durch

fortgesetzte Nichtgeltendmachung der verfallenen Sackmietebeträge zu der An­ nahme, es werde damit nicht so genau genommen werden, und dadurch zu

immer weitergehender Saumseligkeit verleitet.

Es ist vielmehr aus dem Ge­

sichtspunkte, daß — zumal ein kaufmännischer Verkehr hier vorliegt — jeder

Kontrahent dem andern zur Wahrung einer gewiffen Ordnung verpflichtet ist, für die Zeit, solange die Parteien in laufender Geschäftsverbindung mit­ einander gestanden haben, in der Nichtgeltendmachung der verfallenen Be­

träge innerhalb angemessener Frist nach Rücklieferung jeder einzelnen Partie eine Vertragsverletzung der Klägerin zu erblicken, die den Ausschluß des Rechts auf Sackmiete für diese Partie zur Folge hat.... Hiernach scheiden die 16 ersten Posten der Klagaufstellung, weil alle diese Säcke bis zum Ab­ bruche der Geschäftsverbindung bereits zurückgegeben waren, ohne daß der

Kläger Sackmiete berechnet hatte, als unbegründet aus. Die 6 übrigen Posten sind dagegen an sich begründet. Denn mit dem Abbruche der Geschäftsver­

bindung erwuchs für den Beklagten die Pflicht, auf prompteste Abwicklung aller noch schwebender Verbindlichkeiten bedacht zu sein. Insbesondere fiel jetzt di« Verpflichtung für die Kläger, ihre Ansprüche sofort zu erheben, fort, und das vertragsmäßige Recht auf Sackmiete hing deshalb nicht mehr von der rechtzeitigen Aufstellung einer Sackmieterechnung ab. Zur Anwendung der Verjährungsfrist des § 196 Nr. 6 BGB. ge­ nügt der von den Parteien gebrauchte Name „Sackmiete" für sich allein nicht

(vgl. auch ROHG. 19 S. 307, Bolze 18 Nr. 435, Hans. GZ. 1893 Nr. 3);

vielmehr kommt es darauf an, ob wirklich Ansprüche auf Mietzins (BGB. §§ 535, 557) vorliegen. Bei den Säcken aber, in denen der Verkäufer das Getreide liefert, handelt es sich nicht um die Gewährung des Gebrauchs der Säcke für eine bestimmte Zeit und gegen die Bezahlung von Mietzins, viel­ mehr gibt der Verkäufer die Säcke lediglich deshalb aus der Hand, weil das Getreide darin transportiert wird, und ein sofortiges Entleeren nicht immer Die Gewährung der Säcke zum Gebrauche bildet also nicht den eigentlichen Zweck der Hergabe, und es fehlt zunächst wenigstens an der Ver­ pflichtung zur Bezahlung eines Mietzinses. Entsteht aber auf Grund der tunlich ist.

Vertragsbedingungen später der Anspruch auf Zahlung der „Sackmiete", so kann nicht mehr von einer Mietzeit die Rede sein, da der Inhaber der Säcke

von jetzt an gerade nicht mehr berechtigt ist, die Säcke noch für bestimmte Zeit zu behalten, vielmehr auf Verlangen des Verkäufers jeden Augenblick entweder die erhaltenen Säcke selbst oder eine gleiche Anzahl anderer gleich­ wertiger Säcke herausgeben oder endlich sie bezahlen muß.

Darin aber, daß ihm diese Befreiungsmöglichkeiten noch neben derjenigen durch Rückgabe der

Säcke selbst gewährt sind, liegt eine weitere wichtige Abweichung von der Miete, die den Mieter eben nur durch Rückgabe der Mietsache selbst frei

werden läßt.

Der Begriff des Mietzinses paßt also nicht, vielmehr müssen

die klägerischen Ansprüche als Unterforderungen aus dem der Hergabe der

Säcke zugrunde liegenden Kaufverträge aufgefaßt werden. Damit aber fallen sie unter Nr. 1 § 196 BGB. (vgl. auch Wolf D.JZ. 1905 S. 1159). M. M.

d) Bedeutung des § 377.

Prüfung von Schmtedelohlen.

«) OLG. Hamburg, VI. ZS. Urteil v. 15. Januar 1907. Mangels anderweiter Beredungen war Hamburg der Ablieferungsort der

Ware, an dem ihre Untersuchung vorzunehmen gewesen wäre. Der Umstand, daß die Ware nach dem Jnlande weiter verschifft und dort eingelagert werden sollte, bietet keinen Anhalt für die Annahme, daß nach dem Willen der Par­

teien die Untersuchung erst dort erfolgen sollte. Denn hier ist der Geschästssitz der Beklagten und von hier wollte diese selbst die Ware weiter verschiffen lassen, um sie dort an ihre Abnehmer abzugeben.

Der Auffaffung der Be­

klagten, die Eigenschaft einer Kohle als Schmiedekohle kaffe sich erst im Ge­

brauch feststellen und könne demnach erst nach ihrer Weiterveräußerung an die Konsumenten in deren Betriebe geprüft werden, eine Prüfung des Händlers

sei weder angängig noch üblich, ist nicht zuzustimmen. Freilich wird eine Untersuchung der Kohlen auf ihre Eigenschaften, soweit sie nicht äußerlich er­ kennbar sind, von dem hiesigen Importeur in der Regel nicht vorgenommen werden, dies rührt aber daher, daß die ausländischen, besonders die eng­ lischen Kohlen durchgehends mit Zertifikaten der Grubengesellschaften versehen und diese für den Inhalt der Schiffsladungen maßgeblich sind. Damit ist aber die gesetzliche Verpflichtung des Käufers zur Prüfung der Ware nicht ausgeschaltet und sie erweist sich jedenfalls dann als notwendig, wenn der Käufer swie hier) sich besondere Eigenschaften der Ware ausbedungen hat und

das Vorhandensein dieser sich aus den Zertifikaten nicht ergibt.

Nimmt der

Käufer im Vertrauen auf die Zusagen des Verkäufers die ihm obliegende Prüfung nicht vor, so muß er damit rechnen, daß die Ware dem gesetzlichen Präjudize gemäß für genehmigt gilt. Vorliegend hätten die Beklagten sonach die Ware nicht bloß äußerlich auf ihre Siebung, ihr Aussehen usw. unter­ suchen, sondern auch sich durch einen Versuch überzeugen müssen, ob die

Kohlen wirklich erstklassige Schmiedekohlen waren.

Daß dies, wenn auch

unbequem und ungewöhnlich, so doch nicht unmöglich gewesen wäre, ist sicher. Die Ware war vom 21. bis Ende April hier, ohne Störung oder Aufenthalt

des Transports hätten eine oder mehrere Proben durch einen Schlosser oder einen Schmied sehr wohl auf Unterhitze probiert und die Qualität festgestellt werden können; es bedurfte nicht erst der Ablieferung der Kohlen an die

letzten Abnehmer, um ihre Brauchbarkeit klaiyustellen.

$ OLG. Braunschweig, I. ZS.

M. M.

Urteil v. 12. April 1907.

Den Geschäften des Klägers, der als Landwirt mangels Eintragung im

Handelsregister kein Kaufmann ist (§ 3), kommt der Charakter der Handels-

378

geschäfte nicht zu (§§ 343, 344). Die in der Theorie aufgetretenen Bestrebungen, den § 377 über seinen Wortlaut hinaus auf den Fall auszudehnen, wenn zwar nicht der Lieferant, wohl aber der Empfänger Kaufmann ist, sind zurüchuweisen (Entsch. des RG. 49, S. 157). Bei dieser Rechtslage könnte die Replik

des Klägers nur dann Erfolg haben, wenn eine Verkehrssitte nachzuweisen wäre, die beim Verkauf von Früchten an Konservenfabriken eine unverzügliche Beanstandung erheischte (vgl. BGB. § 157), oder wenn sich das Verhalten der Beklagten als Genehmigung der Ware, als Verzicht auf die Gewähr­ leistungsrechte darstellte.

Keines von beiden trifft zu.

kehrssitte ist nicht behauptet.

Eine besondere Ver­

Was aber den Verzicht betrifft, so sind nicht

nur die Lieferungen vom 14. und 16. Juli, bei denen der Kläger es zu­

gesteht, sofort gerügt; auch bei der vom 20. Juli, die am 21. morgens bei

der Beklagten eintraf, hat W. sofort telephonisch die Mängel mit der Er­ klärung angezeigt, die Ware könne nicht als vollwertig angenommen werden. Wenn dann wenige Stunden später noch eine letzte Lieferung einging, die

genau dieselben Mängel wie die soeben gerügte aufwies, so läßt sich darin,

daß die Rüge nicht noch einmal ausgesprochen wurde, der Ausdruck eines Verzichtwillens nach Treu und Glauben nicht erblicken. H.g.

e) Verzögerte Anzeige von Ouantitätsmängeln. «) Kammergericht, XVI. ZS.

Urteil v. 19. April 1906.

Von dem vereinbarten Kaufpreise will der Beklagte 40 Mark abziehen, weil die gelieferten Bretter um 3—5 cm zu kurz gewesen seien. Damit wird ein Qualitätsmangel der Ware behauptet. Denn der Beklagte beanstandet

das Maß der gelieferten Hölzer, das vorliegend für die Beschaffenheit und Brauchbarkeit der Ware von wesentlicher Bedeutung ist. Die vereinbarte Länge bildete eine zugesicherte Eigenschaft und ihr Fehlen ist ein Mangel im

Sinne des § 377 (Bolze 15 S. 240 Nr. 372ff.). Der Beklagte, ein Kauf­ mann, mußte also der Klägerin unverzüglich nach der Ablieferung und Untersuchung Anzeige von dem hierbei sofort erkennbaren Mangel machen und kann, da er dies versäumt hat, jetzt mit seiner verspäteten Mängelrüge nicht Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man annimmt, der Beklagte habe nur die Menge der gelieferten Ware bean­ standet und damit einen reinen Quantitätsmangel geltend gemacht. Denn

mehr gehört werden.

auch für diesen Fall sieht der § 378 die Notwendigkeit rechtzeitiger Rüge vor.

Freilich ist die Bedeutung des § 378 nicht unbestritten. Nach Ansicht von Düringer-Hachenburg 3 S. 303, der auch Litthauer und Schneider (Goldschmidts Z. 54 S. 92) beitreten, hat bei der Lieferung einer zu geringen Menge die Versäumung der Rügepflicht die Wirkung, daß der Käufer die Lieferung nicht wegen Unvollständigkeit zurückweisen kann und

nicht etwa auf Grund des § 320 BGB. seine Gegenleistung verweigern darf; dagegen habe die Unterlassmtg der rechtzeitigen Bemängelung danach nicht

den Erfolg, daß der Käufer auch das Manko der Ware bezahlen müsse; denn für diejenige Quantität, die der Verkäufer nicht geliefert habe, könne er auch

16. Kauf.

keine Gegenleistung beanspruchen.

HGB. § 378.

379

So im wesentlichen auch Cosack, Handels­

recht S. 164, der den § 378 nur auf die Fragen anwendet, ob der Käufer

Teilleistungen und unbestellte Ware annehmen muß, Fragen, mit denen sich § 378 überhaupt nicht befaßt. Dagegen führen Lehmann-Ring 2 S. 174 und mit ihnen OLG. Stettin (Goldschmidts Z. 54 S. 90), anscheinend auch Hamburg (Rsp. 10 S. 341) aus, daß infolge verspäteter oder ausgebliebener

Mängelrüge auch das Manko der Ware als genehmigt gilt.

Dieser letzteren,

dem Erfordernis einer glatten und raschen Abwicklung der Handelsgeschäfte

entsprechenden Ansicht muß beigetreten werden. Der Gesetzgeber hat, wie die Ausführungen in der Denkschrift ergeben, die Fälle der vertragswidrigen

Lieferung in den Fällen der jetzigen §§ 377 und 378 völlig miteinander gleich­ stellen wollen, indem er heroorhebt, daß eine Unterscheidung hinsichtlich des Erfordernisses einer Bemängelung bei Qualitäts- und Quantitätsmängeln der sachlichen Begründung entbehre.

Ebenso wie der Käufer bei verspäteter Rüge

das Recht verliert, die Mängel der Ware zu beanstanden, soll er in solchem Falle gegen die berechnete Menge der Ware nicht noch nachträglich Ein­ wendungen erheben dürfen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein be­ stimmter Gesamtpreis oder ein Einsatzpreis vereinbart ist, aus dem der Ge­ samtpreis erst durch Berechnung gefunden wird.

Die Denkschrift setzt nämlich

der obigen Begründung hinzu: „Es ist daher erklärlich, daß die Entscheidungen der Gerichte, welche je nachdem der von dem Käufer gerügte Mangel der einen oder der andern Art von Vertragswidrigkeiten zugezählt wird, den Einwand der verspäteten Mängelanzeige für erheblich oder unerheblich erklären, den Eindruck einer gewissen Willkürlichkeit machen." Gerade der vorliegende Fall aber lehrt, daß die gegnerische Ansicht unhaltbar und mit dem in der Denk­ schrift ausgesprochnen und von der bisherigen Praxis geforderten Zwecke des Gesetzes

unvereinbar

wäre.

Denn gesetzt,

der gegenwärtige Rechtsstreit

wäre nach dem alten HGB. zu beurteilen und die erste Instanz nähme an,

daß es sich um Quantitätsmängel handelte, hielte deshalb den Einwand der verspäteten Mängelrüge für unerheblich und stellte durch Beweisaufnahme

Minderwert der tatsächlich gelieferten und verbauten Brettermenge 40 Mark fest, so würde es die Klägerin mit 40 Mark abweisen; wenn dann

als

aber das Berufungsgericht die Ansicht verträte, daß ein Qualitätsmangel

vorliege, so würde es, weil der Einwand der verspäteten Mängelrüge durch­ greift, die Ware für genehmigt halten und den Beklagten zur Zahlung des vollen Kaufpreises verurteilen.

Gerade dieses mißliche, den Anschein der

Willkür erweckende Ergebnis soll durch den neuen § 378 beseitigt werden. Sowohl bei Fehlern in der Eigenschaft der Ware als bei Fehlern in der bedungenen Menge der Ware soll, wenn die Rüge des Fehlers verspätet ist,

die Ware als genehmigt gelten, d. h. nach dem klaren Wortlaut, der

Sinn und Zweck der Bestimmung durchaus deckt: „Wie im Falle des § 377

bei verspäteter Mängelrüge die Ware trotz etwaiger tatsächlicher Mängel der Beschaffenheit als in vertragsmäßiger Eigenschaft geliefert gilt, und der

Käufer den vollen Kaufpreis bezahlen muß, so gilt nach § 378 trotz etwaigen

Mankos bei verspäteter Rüge die Ware als in der vertragsmäßigen Menge geliefert, und der Käufer muß den vollen Kaufpreis der vertragsmäßigen Menge der Ware bezahlen, sofern nicht die Voraussetzungen des Schlußsatzes

gegeben sind, also die Abweichungen so erheblich waren, daß der Verkäufer die Genehmigung als ausgeschlossen erachten mußte. Letztere Ausnahme liegt aber hier nicht vor, da die Differenz etwa den 24. Teil der fakturierten Kauf­ preissumme beträgt.

Dr. R.

O OLG. Hamburg, I. ZS.

Urteil v. 3. Oktober 1906.

Der Kläger hat auf Bestellung Butter in Fässern geliefert.

Beklagter

behauptet, an Bruttogewicht sei weniger geliefert als fakturiert und an Tara weniger fakturiert als die Fäffer wirklich gewogen hätten.

Auf solche Fälle

ist der § 378 anzuwenden; das zu liefernde Gewicht, die zu liefernde Menge ist als bedungen im Sinne des § 378 auch dann anzusehen, wenn wie hier die Ware faßweise gehandelt wird und beide Parteien darüber einverstanden sind, daß die zu liefernden Fässer eine bestimmte Größe haben, deren Brutto­ gewicht im Rahmen nur ganz geringer Differenzen schwankt und der Preis

für die gelieferte Ware unter Zugrundelegung eines Preises für eine Gewichts­ einheit nach dem gelieferten Gesamtgewicht zu berechnen ist.

In solchen

Fällen herrscht von vornherein Einverständnis, daß das nach Ansicht des

Verkäufers wirklich gelieferte Gewicht in der Faktura anzugeben oder zu spezifizieren, und von vornherein ist dieses Gewicht als „die bedungene Menge" anzusehen. Die Ausdehnung der nur auf die Beschaffenheit der Ware bezüglichen Bestimmungen des Art. 347 HGB. auf die Art und die Menge der gelieferten Ware in § 378 bezweckt auch nach diesen Richtungen hin das Rechtsverhältnis des Verkäufers zum Käufer bezüglich der gelieferten Ware

mit tunlichster Beschleunigung klar zu stellen, und es würde diesem Zwecke nicht entsprechen, Einwendungen gegen die Berechnung des Kaufpreises zu-

zulassen, soweit sie sich auf die Geltendmachung der Lieferung einer geringeren, als der dem Käufer in der übersandten Faktur aufgeführten und der Preis­

berechnung zugrunde gelegten Gewichtsmenge gegründet werden.

Es enthält

in solchen Fällen die Faktur, was die Gewichtsangabe angeht, keine Ab­

weichung von der Vertragsvereinbarung, sondern sie ist lediglich die Spezi­ fikation der von vornherein bedungenen Menge, die im Vertrage nur nach

einer anderen Einheit bezeichnet ist.

Wird die Rügepflicht nach § 377 versäumt, so gilt die Ware als ge­

nehmigt; die Vorschrift findet nach § 378 auch dann Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Menge von Waren geliefert ist; d. h. der Käufer kann nicht nachträglich geltend machen, er habe die bedungene Menge von

Waren

nicht erhalten;

die Beklagte kann also nicht nachträglich geltend

machen, sie habe weniger Butter erhallen als ihr fakturiert ist. Diese Folge ergibt sich aus dem oben angegebenen Zwecke des § 378 und steht mit dem Wortlaut völlig in Einklang.

Die gleiche Ansicht ist von Lehmann-Ring 2

16. Kauf.

HGB. §§ 378. 380.

381

S. 174, vom OLG. Stettin in Goldschmidts Z. 54 S. 90 und OLG. Hamburg IV. ZS. in Sache Busche gegen Sartorisio vertreten. M. M.

/) OLG. Hamburg, V. ZS.

Urteil v. 28. März 1906.

Der § 378 erklärt den § 377 nur dann für anwendbar, andere als die bedungene Menge von Waren geliefert ist.

wenn eine Hier aber hat

der Beklagte keine andere als die bedungene Menge geliefert, vielmehr ist zu­

gegeben, daß die fünf Faß die zu liefernden fünf Säue tatsächlich enthalten haben; bestritten wird nur die vom Beklagten zur Berechnung des Preises aufgestellte Behauptung, daß die in vertragsmäßiger Menge gelieferte Ware

ein Gewicht von 1724 Pfd. gehabt habe. Dadurch, daß diese Behauptung sich auf der mitübersandten Faktura befand und vom Kläger angeblich nicht sofort als unrichtig gerügt ist, hat die Sachlage keine Veränderung erfahren, denn

die auf Fakturen einseitig aufgestellten Behauptungen des Verkäufers sind für den Käufer unverbindlich und brauchen von ihm nicht sofort bestritten oder richtig gestellt zu werden.

Auch mangels sofortiger Rüge bestand deshalb

für den Käufer keine Verpflichtung, ein höheres Gewicht, als Beklagter tat­

sächlich geliefert hatte, zu bezahlen. Hat der Kläger aber bei Einlösung der Dokumente und im Vertrauen darauf, daß die Gewichtsangabe in der ihr übersandten Faktur richtig war, den Preis für 126 Pfd. Fleisch bezahlt, die ihm hinterher tatsächlich nicht geliefert sind, so hat der Beklagte jenen Be­ trag auf Kosten des Klägers ohne rechtlichen Grund erlangt und ist ihm nach § 812 BGB. zu dessen Herausgabe verpflichtet. Eine Preisminderung kommt

hier nicht in Frage, denn der Kläger verlangt keineswegs Herabsetzung des vereinbarten Preises. M. M.

f) Gilt die Emballage al- mitverkaust'k OLG. Hamburg, I. ZS. Urteil v. 13. Februar 1907. Es ist davon auszugehen, daß der Käufer an sich nur die Ware kauft und nicht außerdem noch die Emballage; daher wird grundsätzlich ihm auch nur das Eigentum an der Ware übertragen und nicht auch nebenher

das an der Emballage. Anders liegt die Sache freilich, wenn die Kosten der Emballage in Rechnung gestellt werden, und anders regelmäßig auch dann, wenn die Emballage, namentlich im Verhältnis zu der darin verpackten Ware,

nur erheblichen Wert hat, wenn sie durch den einmaligen Gebrauch ganz oder fast ganz wertlos wird, oder wenn sie endlich nicht so sehr zur Verpackung,

als vielmehr zur Ausstattung der Ware dient und damit nach der Anschauung des Verkehrs geradezu als Teil der Ware gilt. Behält aber wie hier das Verpackungsmaterial auch nach der Versendung seinen bleibenden Wert und

ist dieser Wert verhältnismäßig hoch, so bleibt es Eigentum des Verkäufers,

sofern nicht die Vereinbarungen der Kontrahenten oder für sie maßgebliche Usancen etwas anderes ergeben. Daraus, daß die Beklagte die Korkabfälle in Säcken „brutto für netto" gekauft hat, folgt nicht, daß sie in dem Preis

der Ware auch die Emballage mitbezahlte.

Denn nach den Sachverständigen

bedeutet im Handel mit Korkabfällen jene Klausel weiter nichts, als daß die

Ware nach dem Bruttogewicht bezahlt wird. Der Sachverständige B. meint allerdings, daß' im allgemeinen Handel bei einem Kauf „brutto für netto"

der Käufer auch das Verpackungsmaterial erwerbe; das gleiche müsse daher auch

für den Handel mit Korkabfällen gelten, weil eine entgegenstehende

Usance in diesem Geschäftszweige nicht nachzuweisen sei. Allein die Frage, ob

„Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte" eine von den gesetz­ lichen Vorschriften abweichende Beurteilung eines BertragSverhältnisses recht­ fertigen, kann immer nur nach der konkreten Sachlage entschieden werden.

Daher ist auch vorliegend von der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften nur dann abzusehen, wenn in concreto eine abweichende Verkehrssitte nach­ gewiesen wird.

Die in dieser Beziehung bestehenden Zweifel gehen also zu

Lasten der Beklagten, welche eine Abweichung für sich beansprucht. Im übrigen

sind alle drei Sachverständigen darüber einig, daß jedenfalls eine Usance,

nach welcher der Käufer von Korkabfällen die Säcke, in denen er die Abfälle bekommt, behalten kann, nicht besteht. Verschiedener Meinung sind sie nur

darüber, ob eine Usance besteht, die ihn in Ermangelung anderer Abreden

zur Rückgabe verpflichtet. Einer Stellungnahme des Gerichts bedarf es nicht: auch wenn entgegen dem einen Gutachter die Usance zu verneinen ist, ist der Anspruch auf Herausgabe der Säcke begründet.

M. M.

g) Zur Auslegung des § 381 Abs. 2 HGB. OLG. Marienwerder, II. ZS. Urteil v. 16. November 1906.

... Demnach finden auf den vorliegenden Werklieferungsvertrag nach § 3812 die Vorschriften über den Handelskauf Anwendung. Allerdings versteht Staub 2 zu 8 381 den Abs. 2 dahin, daß ein solcher Werklieferungs­ vertrag Handelskauf schlechthin ist, dies besonders deshalb, weil die an­ zuwendenden §§ 376, 380 auf einen echten Kauf zugeschnitten seien.

Dieser

Auffassung, die auch Hamburg (Rsp. 9 S. 274) und Karlsruhe (Bad. Rechtspr. 1901 S. 209) teilen, kann jedoch nicht beigetreten werden. Nach dem Wortlaute des § 3812 findet der Abschnitt über den Handelskauf, also die §§ 373—380 Anwendung. Damit wird aber der Vertrag selbst nicht schlecht­ weg zum Handelskauf gemacht.

Demnach sind subsidiär nicht (wie Staub

will) die Vorschriften des BGB. über den Kauf anzuwenden, sondern die

über Werkvertrag (§ 651) und es ist der Minderungsanspruch nicht nach

8 462, sondern nach § 634 BGB. zu beurteilen. Ebenso Goldmann, Lehmann-Ring, Makower zu § 381; Gareis, Lehrbuch S.523; Kammer­ gericht (D. JZ. 1904 S. 322), Jena („Recht" 1905 S. 22) und Breslau

(das. 1902 S. 560).

H.

h) Keine Rechenschaft des Kommisfiouiirs «ach vollständiger Ab­ rechnung und Abwicklung des Geschäfts. OLG. Gaffel, II. ZS.

Urteil v. 10. Januar 1907.

Die bloße Möglichkeit einer Rechenschaftsablage und Belegvorlage kann nach vollständiger Abrechnung und Abwicklung des in Auftrag gegebenen

Geschäfts

die Nachforderung auf Legung einer Rechnung und Vorlegung

-er Belege nicht begründen dergestalt, daß der Beauftragte genötigt wäre, um sich derselben ganz oder teilweise zu entziehen, die ganze oder teilweise Unmöglichkeit

nachzuweisen.

Dies

würde dem Zwecke der ausdrücklichen

oder stillschweigenden Anerkennung, die einen Verzicht auf weitere Rechnungs­

ablage enthält, widersprechen.

Dieser Gedanke liegt auch den insoweit maß­ Ein Zurückkommen auf die durch

gebenden 88 371, 397a BGB. zugrunde.

Willenseinigung erledigte Rechnungs- und Vorlegungspflicht muß jedenfalls nach jetzigem Recht durch Anfechtung der Akte, in denen diese Willenseinigung

Ausdruck gefunden hat, begründet werden. Dem Kläger liegt also ob, darzutun, daß er bei Abwicklung der Geschäfte und bei Erteilung der Saldo­ anerkenntnisse geirrt hat oder hierzu durch arglistige Täuschung seitens des Beklagten bestimmt worden ist.

Fs.

i) Pfandrecht des Spediteurs und Lagerhalters. Guter Glaube über die Berfügungsbefugnis des Einlagerers. Verwirklichung des Pfandrechts. Kammergericht, VIII. ZS.

Urteil v. 28. November 1906.

Der Beklagte hatte auf Grund einer ihm gegen den Ehemann der Klägerin für Speditions- und Lagerkosten zustehenden vollstreckbaren Forderung

die Sachen, die ihm der Schuldner zur Beförderung von seinem bisherigen

Wohnorte nach Berlin und zur Einlagerung übergeben hatte, pfänden und auf Grund der §§ 1228 ff. BGB. versteigern lassen. Die Klägerin verlangt den Erlös, weil die Sachen ihr Vorbehaltsgut seien und dies bei der Ein­ lagerung oder später dem Beklagten mitgeteilt worden sei. Sie wurde jedoch abgewiesen. Gründe: Der § 1257 BGB. findet auf die Entstehung des gesetzlichen Pfand­ rechts

keine Anwendung (Rsp. 2 S. 219; 4 S. 329; KGBl. 1902 S. 73),

es sei denn, daß besondere Vorschriften bestehen, und das ist hier gemäß 8 366 HGB. der Fall. Gleichgültig ist nach 8 366s, ob der Verpfänder

Kaufmann ist oder nicht (Rsp. 6 S. 97). Der Beklagte befand sich im guten Glauben, wenn er keine Umstände kannte oder kennen mußte, aus denen sich die Nichtberechtigung des Mannes der Klägerin zur Erteilung des Speditions­ auftrags und zur Einlagerung ergab.

Das Vorbringen der beweispflichtigen

Klägerin gibt für jene Annahme keinen Anhalt.

Der Beklagte war sehr wohl zu der Meinung berechtigt, daß der Mann dm Umzug besorgen und dabei auch seine Frau vertreten dürfe, auch wenn die Sachen zu ihrem

Vorbehaltsgute gehörten, und dem Beklagtm dies bei der Einlagerung mit­ geteilt worden wäre. Selbst wenn diese Mitteilung den Beklagten darauf Hinweisen sollte, daß der Mann über die Sachen nicht verfügen dürfe, so ist diese Absicht nicht zum Ausdruck gekommen, und der Beklagte konnte deshalb als Zweck der Erklärung den annehmen, daß er als Lagerhalter über die

Eigentumsverhältnisse für den Fall von Pfändungen Dritter aufgeklärt werden sollte. War er sonach bei der Übergabe der Sachen im guten Glauben darüber, daß der Mann der Klägerin über ihre Sachen in der

geschehenen Weise verfügen dürfe, so kommt es auch auf seine etwaige

frühere oder spätere Kenntnis des Eigentums der Klägerin nicht an.

Es bleibt deshalb nur noch zu prüfen,

ob der Beklagte durch die

Pfändung und die Versteigerungen sein gesetzliches Pfandrecht verwirklicht

hat, denn wäre letzteres nicht der Fall, so läge nur eine gewöhnliche Pfändung auf Grund eines vollstreckbaren Titels vor, und diese wäre der Klägerin als Eigentümerin gegenüber unzulässig.

Soweit die Versteigerung auf Grund

der §§ 1228 ff. BGB. erfolgt ist, hat der Beklagte sein gesetzliches Pfandrecht verwirklicht.

Das ist aber auch der Fall bezüglich der auf Grund der

Pfändung erfolgten Versteigerung (Rsp. US. 311).

Dr. P.

k) Verpflichtungen des das Gut von einem anderen Frachtführer

abnehmende« Frachtführers. OLG. Hamburg, VI. ZS.

Zwischenurteil v. 12. Januar 1907.

Die Beklagte übernahm [mit dem Abschluß des Frachtvertrags) zugleich die Verpflichtung, da sie den Kläger bei der Annahme des Frachtguts von

der Eisenbahn vertrat, alle diejenigen Obliegenheiten wahrzunehmen, die eine solche Empfangnahme mit sich brachte und die auch der Kläger selbst wahr­ genommen haben würde, wenn er selbst die Kisten empfangen hätte. Dahin

gehörte natürlich vor allem, daß sie sich davon überzeugte, in welcher Be­ schaffenheit das Gut war und daß sie, wenn äußerlich eine Beschädigung oder Minderung deS Gutes erkennbar war, die Annahme verweigerte. Denn die

Fracht war bereits bezahlt, und mit Annahme des Guts ging anderenfalls gemäß § 438 der Anspruch gegen die Eisenbahn (der Ausnahmefall des Abs. 5 vorbehalten) für ihren Auftraggeber verloren. — Es kann nicht in Betracht kommen, daß eine ausdrückliche Bestimmung, die solches festsetzte, abweichend

von dem entsprechenden, für Spediteure geltenden § 407, für den Frachtführer fehlt.

Regelmäßig wird der Frachtführer das von ihm zu transportierende

Gut von dem Absender direkt, nicht wie hier in seinem Auftrage von einem

Dritten entgegennehmen. Auch mag im Einzelfalle ein Frachtführer, z. B. etwa ein gewöhnlicher Fuhrmann, zur Wahrnehmung der nach § 438 not­ wendigen Handlungen des Empfängers für seinen Auftraggeber nicht ver­ pflichtet erscheinen. Eine entsprechende Auslegung des hier über alle Trans­ porte des Klägers mit der Beklagten als einer großen Speditionsfirma ge­ schlossenen Vertrags würde aber der Vertragsabsicht beider Parteien nicht

gerecht werden (vgl. auch § 4881 ZPO.)....

M. M.

l) Zur Auslegung vo« §§ 568,595 HGV. OLG. Hamburg, V. ZS. Urteil v. 14. Dezember 1906. Die Beklagte, die „as fast as the custom of the port will admit“ zu löschen hatte, glaubt, daß durch diese Klausel die Dauer der Löschzeit nicht

im Sinne des § 595 festgesetzt sei, und beruft sich auf ROHG. 25 Nr. 37. Diese Entscheidung befaßt sich aber gar nicht mit dem § 595, sondern mit § 569, der korrespondierend mit § 596 vorschreibt, daß die Überliegezeit ohne

weiteres beginnt, wenn die Dauer der Ladezeit... durch Vertrag bestimmt

ist, während andernfalls der Beginn der Überliegezeit von einer entsprechenden

Erklärung des Verfrachters abhängt.

Das ROHG. führt aus, daß diese

Erklärung nur für die Fälle vorgeschrieben sei, in denen die Dauer der Lade­ zeit entweder überhaupt nicht oder nicht derartig bestimmt sei, daß ihr Ende

nicht durch einfache Berechnung und durch bloßen Einblick in den Kalender

ermittelt werden könne, sondern nach den Umständen des einzelnen Falles zu arbitrieren sei und die Ansichten der Beteiligten über den Ablauf der Lade­ zeit auseinandergehen könnten; eine solche Unsicherheit über Berechnung der Zeit sei nur ausgeschloffen, wenn eine „fixe Ladezeit" oder „ein fixer

Ladungstermin" festgestellt sei.

Diese an der Hand der Entstehungsgeschichte

des HGB. gegebenen Gründe treffen vollauf zu für die §§ 569, 596, nicht aber für die §§ 568, 595, die sich auch in ihrer Fassung von den §§ 569, 596 unterscheiden und lediglich bestimmen, daß, soweit vertragliche Abmachungen nicht vorliegen, die örtlichen Verordnungen, eventuell der Ortsgebrauch, und,

wenn auch ein solcher nicht besteht, die Angemessenheit entscheiden sollen, eine Bestimmung, die auch für andere Verhältniffe gesetzlich häufiger getroffen ist

Diese Bedeutung der 88 569, 596 lassen auch die Protokolle S. 2078ff., 2115 erkennen. Die Hamburgische Löschordnung kommt demnach hier nicht zur Anwendung. M. M. m) Unreinlichkeit des Schiffes als vom Verfrachter z« vertreten­

(z. B. 88 612, 632 BGB.).

der Mangel? OLG. Hamburg, I. ZS.

Urteil v. 13. Juli 1906.

Die Holzladung der Beklagten ist auf dem „Emil" durch Kohlenreste

einer Vorreise beschmutzt worden. Der hierauf gestützte Einwand ist erheb­ lich. Der Reeder hat zur Ausführung und Erfüllung eines Frachtvertrags

das Schiff in solchem Stande zu stellen, daß es die konkrete Reise ohne Ge­ fährdung von Schiff und Ladung zu bestehen vermag. Der Rumpf des Schiffes muß nicht nur den voraussehbaren nicht anormalen Seegefahren zu trotzen vermögen, sondern das Schiff muß auch im Innern so beschaffen sein, daß keine Beschädigung der Ladung zu befürchten ist, denn es ist Sache des Ver­ frachters, die Ladung in derselben good order and condition am Bestimmungs­ ort abzuliefern, in welcher sie erhalten zu haben der Kapitän im Konnossement bescheinigt hat. Der gleiche Gedanke ist ausgeführt in Hans. GZ. 1897 S. 225 (Tee hatte den Geruch von Petroleum angenommen, das das Schiff auf einer 1 Hat der Kapitän im Konnossement bescheinigt, das Weißholz „gut und wohlbeschaffen empfangen zu haben", während es zur Hälfte Bläue zeigte, so kann der Empfänger den Minderwert, welchen blaues Weißholz gegenüber blanker Ware hat, nicht beanspruchen, weil angebläutes Weißholz keine verdorbene Ware darstellt, sondern einen regelmäßigen Handels­

artikel bildet (OLG. Hamburg, II. ZS. Urteil v. 4. Oktober 1906). — Sind mehrer« Order­

konnossementsexemplare ausgestellt, so kann die Bersicherungsgesellschast, die den Befrachter auf Grund des mit ihm geschlossenen Bersicherungsvertrags wegen Beschädigung des Guts

entschädigt, als sein Rechtsnachfolger den Verfrachter wegen Verletzung des mit diesem abge­

schloffenen Frachtvertrags nur belangen, wenn sie die mehreren Konnossemente besitzt und auf Verlangen vorlegt (Urteil desselben ZS. v. 13. April 1907).

OLBRs». XIV.

25

Vorreise geladen gehabt) und 1900 S. 298 (hier hatte Weizen den Geruch von darüber gelagertem Tabak angenommen). Das Landgericht erachtet da­ her mit Recht einen Fall der relativen Seeuntüchtigkeit des „Emil" als ge­ geben, aber zu Unrecht den Kläger als exkulpiert.

der „Emil" sorgfältig gereinigt worden.

Nach dem Gutachten ist Es fällt schon auf, daß gar keine

Angaben darüber gemacht sind, ob das Garnier der Vorreise abgeschroben und dahinter gereinigt ist, oder ob ein Garnier auf der Vorreise gar nicht vorhanden war. Aber wie dem auch sei; sicher ist dem Gutachten darin zu

folgen, daß auch bei sorgfältiger Reinigung eines Seglers nach Löschung einer Kohlenladung Grus und Schmutz im Schiff zurückbleibt, der sich nicht sofort beseitigen läßt.

Der Kläger hat das auch gewußt und macht sogar der Beklagten den Vorwurf, daß sie es nicht auch gewußt habe, da im Charter stehe, daß der „Emil" zur Zeit in Sunderland läge, von wo nur Kohlen exportiert würden.

Dieser Vorwurf aber ist unbegründet, denn der

Befrachter hat über die Möglichkeiten, wie der Verfrachter sein Schiff reinigt, nicht denselben Überblick und dieselbe Erfahrung, wie sie der Verfrachter

M. M.

haben muß....

n) Auslicferungspflicht gegenüber dem Konnossementsinhaber. Teil­ weiser Verlust. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 5. April 1907.

Die Ansprüche des Klägers als legitimierten Konnoffementsinhabers über

das in Hamburg als Löschungshafen auszuliefernde Frachtgut gegen die eben­ falls hier wohnende Reederei des verfrachteten Seeschiffes sind nach Deutschem Rechte zu beurteilen. Denn das Konnossement soll seiner Bestimmung nach über die Auslieferung und Empfangnahme der Güter im Löschungshafen be­ stimmen, mithin muß es als Absicht der Kontrahenten angesehen werden,

daß deutsches Recht über die hierbei entstehenden) Streitfragen

entscheide.

Infolgedessen kommt auch die Harter-Act, der die vorliegende Verschiffung

nach einer besonderen Klausel des Konnossements unterworfen ist, nur als

Vertragsabmachung, die gleichberechtigt neben allen anderen Abmachungen steht, in Betracht (vgl. Hans.GZ. 1905 Nr. 101). Nach § 645 hat der Schiffer im Löschungshafen dem legitimierten Konnossementsinhaber „die Güter" auszuliefern. Die Ablieferung erfolgt nach dem Inhalte des laut § 6511 für das Rechtsverhältnis zwischen dem Ver­ frachter und dem Empfänger „der Güter" maßgebenden Konnossements, doch folgt es aus der Natur des auf Beförderung der abgeladenen Güter ge­ richteten Frachtvertrags und entspricht es der Ausdrucksweise des sowohl hier wie im § 645 von den „Gütern" redenden Gesetzes, daß die Ablieferungs­ verpflichtung nicht generischer Natur ist, sondern die bestimmten, auf dieses

Konnossement abgeladenen Güter zum Gegenstände hat. Nur muß der Schiffer nach § 652 für die Richtigkeit der im Konnossement enthaltenen Bezeichnung, d. h. der Benennung nach Art und Gattung, einstehen, er kann sich also, wenn die Güter dieser Bezeichnung nicht entsprechen, nicht seinerseits durch

den Nachweis befreien, daß das angebotene Gut das abgeladene sei.

Die Auslieferungsverpflichtung beruht aber nicht mehr auf dem Rezeptum des gemeinen Rechts, sondern, der Fassung des § 611 HGB. entsprechend, auf den durch

das Konnossement und gemäß dessen Bestimmungen auf den Konnossements­ Hiernach kann der

inhaber übergegangenen Rechten aus dem Frachtvertrags.

Konnossementsinhaber vom Schiffer zunächst auf Grund des Konnossements diejenigen Güter ausgeliefert verlangen, zu deren Übernahme und Auslieferung der Schiffer sich im Konnossement bekannt hat.

Er kann aber, darüber hinaus­

gehend, wenn das Konnossement Zweifel bezüglich der Identität der zur Aus­ lieferung angebotenen mit den nach seiner Behauptung abgeladenen Gütern offen läßt, auf Grund des Frachtvertrags diejenigen Stücke fordern, die für ihn abgeladen sind, nur muß er in diesem Falle die Grundlage seines An­ spruchs, daß also andere Güter als die angebotenen für ihn abgeladen seien,

beweisen. Im hier vorliegenden Konnossement hat der Schiffer sich zur Übernahme von 41 Ballen sweepings bekannt, und er hat durch den Zusatz „said to be marked and numbered as per margin“ zu erkennen gegeben, daß er für eine bestimmte Markierung dieser Ballen nicht einstehen wolle. Trotzdem

kann er sich nicht durch die Auslieferung von 41 beliebigen Ballen sweepings befreien, sondern seine Verpflichtung geht auf eben die gegen dieses Konnossement abgeladenen 41 Ballen. Da der Kläger aber von den seinem Ewer­ führer übergebenen 41 Ballen die hier fraglichen 13 mit der Behauptung zurückweist, daß dieses nicht die für ihn abgeladenen Ballen mit der Marke P. W. 208/220 seien, so muß er beweisen, daß tatsächlich andere 13 Ballen mit dieser Markierung auf das Konnossement abgeladen worden sind. Zur Führung

solchen Beweises kann er sich nicht auf die Harter-Act berufen, da deren Bestimmung, daß das Konnossement einen prima facie Beweis für die Ab; ladung der darin bezeichneten Güter erbringe, hier durch die gleichwertige Klausel, daß der Schiffer die Haftung für die angegebene Markierung ab­ lehne, insofern gegenstandslos geworden ist. Anderseits steht ihm die vor­ behaltlose Quittung seines Ewerführers nicht entgegen. Denn bei der Nicht­ ablieferung der 13 Ballen handelt es sich, weil sie im Konnossement neben zwei anderen durch besondere Markierung gekennzeichneten Partien gesondert aufgesührt sind, nicht um einen teilweisen Verlust im Sinne des § 609 HGB. und des § 8 des Hamb. Ausf.-G., sondern um den Verlust einer als einheit­

liches Ganze anzusehenden besonderen Sendung.

Es ist eben lediglich ein

gemeinschaftliches Konnossement über drei einzelne Sendungen ausgestellt, die weiter nichts gemeinsames haben, als daß sie von demselben Absender herrühren und zu gleichem Frachtsätze an denselben Empfänger abgeladen sind....

o) Anspruch ans Distanzfracht. OLG. Hamburg, L ZS.

M. M.

HGB. § 630. Urteil v. 15. März 1907.

Der § 630 sagt nicht, daß der Befrachter für die Distanzfracht nur mit

den Gütern haftet, sondern bestimmt, daß der Befrachter die Distanzfracht 25*

zu zahlen hat, und beschränkt diese Verpflichtung lediglich der Höhe nach auf den geretteten Wert der Güter.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus

den Prot. 2399; dort ist die Beschränkung der Höhe, nicht der Art nach da­

mit gerechtfertigt, daß die Güter dem Empfänger an einem anderen Orte angeboten würden, als wohin sie bestimmt gewesen seien und für welchen die Interessenten die Aufwendung der Fracht als angemessen erachtet hätten, daß die Güter aber an einem solchen Ort zu der betreffenden Zeit vielleicht nur einen ganz geringen Wert hätten.

Das Prinzip ist daher, daß der Befrachter

für die Distanzfracht persönlich haftet, daß er sich aber ganz oder teilweise

durch den Nachweis befreien kann, daß der Wert der Güter an dem Orte, wohin sie gerettet sind, abzüglich der Kosten der Rettung, gleich Null oder doch geringer als die Distanzfracht ist.

M.M.

P) Seeverficherungsklausel. „Partikularschadrn". OLG. Karlsruhe, II. ZS. Urteil v. 6. Oktober 1906. Die Bestimmung der Police: „Deckladungen von England nach Rotterdam sind mitversichert, jedoch gelten sie nur gegen Wurf und Spülen und frei

von Partikularschäden gedeckt", deckt sich nicht mit einer der im HGB. (Titel 4 Abschn. 10) erwähnten Klauseln, gehört auch nicht zu den gedruckten all­

gemeinen und besonderen Polieebedingungen; sie ist schriftlich beigefügt. Für ihre Auslegung ist deshalb in erster Reihe der zu erforschende Parteiwille von Bedeutung. Nun geht aus dem Schreiben des Angestellten X. der Be­ klagten jedenfalls soviel hervor, daß der Kläger bei der Vorbesprechung im

Hinblick auf einen früheren, ähnlich gelagerten Schadensfall (Leerlaufen von auf Deck beförderten Fässern) Gewicht darauf legte, durch den neu ab­ zuschließenden Vertrag sich gegen diese Gefahr zu sichern. Es war daher

Sache der Beklagten, der Bestimmung eine Fassung zu geben, durch welche ihr etwa vorhandener Wille, die Gefahr nicht zu übernehmen, unzweideuttg ausgedrückt wurde. Nahm sie in die Police eine Klausel auf, in der der

Kläger bei ungezwungener Auslegung eine Zustimmung zu seinem Verlangen

erblicken konnte, so muß sie sich seine Auffassung als maßgebend gefallen lassen. Der Kläger konnte aber sehr wohl zu der Ansicht gelangen, daß die Beklagte auf seinen Vorschlag eingegangen sei. Während in den gedruckten Bedingungen von „Überbordspülen" die Rede ist, lautet die geschriebene Be­

dingung auf „Spülen", worunter auch das Spülen der Wellen gegen die noch an Bord befindlichen Fäffer und Faßteile gebracht werden kann. Der Sinn des Ausdruckes „Partikularschaden" ist aber keinesfalls unbedingt fest­ er ist (im Gegensatz zu „Partialschaden") überhaupt kein see­ versicherungstechnischer (vgl. Voigt, Servers. S. 636, 514 Anm. 1) und stehend;

unterliegt deshalb im einzelnen Fall der freien Auslegung.

Nach dem Wort­

laute durfte ihn aber der Kläger dahin verstehen, daß er sich lediglich auf teilweise Beschädigung der einzelnen versicherten Gegenstände, nicht aber auf das gänzliche Leerlaufen der zu nahezu wertlosen Stücken zertrümmerten Fässer beziehen sollte.

Dr. E.r.

q) Zusammenstoß von Schiffen. OLG. Hamburg, I. ZS.

HGB. § 901 Rr. 2.

Urteil v. 25. Juni 1906.

. . . Das schadenbringende Ereignis ist das Anrennen des Segelschiffs Pan gegen den Leitdamm, und das beim Schwoien des Schiffs erfolgte Gegenschlagen seines Klüverbaums gegen die auf dem Leitdamm stehende Bake gewesen.

In diesem Vorgang liegt kein „Zusammenstoß von Schiffen"

im Sinne des § 901 Nr. 2, der damit nichts anderes hat bezeichnen wollen, als was im zweiten Titel: „Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen" (§§ 734 ff.), darunter verstanden wird.

Danach liegt ein Zusammenstoß von Schiffen nur dann vor, wenn zwei oder mehr als zwei Schiffe miteinander zusammenstoßen, nicht aber dann, wenn ein Schiff mit einem Gegenstand, der

nicht Schiff ist, zusammstößt. Allerdings genügt es, wenn ein Zusammenstoß von Schiffen voraufgegangen und infolgedessen der Pan mit dem Leitdamm zusammengestoßen wäre (Hans. GZ. 1905 Nr. 37, 1906 Nr. 5). Ein solcher

Zusammenstoß hat tatsächlich stattgefunden in der Weise, daß der Pan beim

Treiben mit ihrer Steuerbordseite an der des Fels vorbeigescheuert ist.

Es fehlt jedoch die weitere Voraussetzung, daß dieser Zusammenstoß das Auf­ käufen des Pan zur Folge hatte.... M. M. r) Berleguug des Hetmotsorts eines Schiffes als Folge des Eigen­

tumswechsels. Kammergericht, I. ZS. Beschluß v. 11. April 1907. A. hatte seinen Oderkahn, der in O. seinen Heimatsort hatte, an B. veräußert, und B. hatte auf Grund der eidesstattlichen Versicherung, daß er in dem außerhalb des Registerbezirks O. belegenen G. seinen Wohnsitz habe und dort auch zur Einkommen- und zur Gewerbesteuer veranlagt sei, und mit der

Erklärung, daß er von G. aus die Schiffahrt mit dem erkauften Kahne zu betreiben beabsichttge, beantragt, die Verlegung des Heimatsorts des Kahnes nach G. in das Schiffsregister einzutragen. Die von A. bewilligte Eintragung wurde jedoch abgelehnt, weil die Verlegung des Heimatsorts den tatsächlichen

Beginn des Schiffahrtsbetriebs von dem neuen Orte aus voraussetze, die Erklärung der Absicht eines solchen Betriebs also nicht genüge. Die weitere Beschwerde ist begründet. Durch die eidesstattlichen Versicherungen des A. und B. ist zunächst glaub­

haft gemacht, daß A. den Kahn durch mündlichen Vertrag an den Beschwerde­ führer verkauft und übergeben hatte, d. h. auf ihn das Eigentum an dem Kahne übergegangen war, ohne daß es dafür der Eintragung der Eigentums­ änderung in das Schiffsregister bedurfte (Begründung S. 127; Mittelstein 2. Aufl. IIIc zu § 119; Foertsch vor § 120). Da ferner A. die Eintragung der Verlegung des Heimatsorts aus dem Registerbezirk bewilligt, und der Be­ schwerdeführer an Eidesstatt versichert hatte, daß er die Schiffahrt (nämlich mit dem erkauften Kahne) von G. aus zu betreiben beabsichtige, so ergab sich

daraus, daß die Schiffahrt jedenfalls nicht mehr von O. aus mit dem über­ eigneten Kahne betrieben wurde, also O. nicht mehr deffen Heimatsort war.

Als neuer Heimatsort galt daher, falls ein anderer nach § 6112 BSchG.

nicht festzustellen war, derjenige Ort, wo der neue Schiffseigner zur Gewerbe­

oder Einkommensteuer veranlagt wird (Abs. 3); dies ist aber das nicht im

Amtsgerichtsbezirk O. belegene G., wo er zur Einkommensteuer veranlagt ist, auch seinen Wohnsitz hat. Wenn er gleichzeitig erklärte, daß er die Schiffahrt von G. aus zu betreiben beabsichtige, so ergibt sich daraus nur, daß zu der

Zeit, als diese Absicht verwirklicht, die Schiffahrt von dort aus betrieben wurde, G. Heimatsort gemäß Abs. 1 wurde, während es bis dahin Heimats­

ort nach Abs. 3 blieb; Heimatsort deS Kahns war es also, da der Beschwerde­ führer die Schiffahrt von keinem andern Orte aus betreibt, in jedem Fall

(vgl. auch Mittelstein lb zu § 6). Die Auffassung des Amtsgerichts, die sich auf Foertsch stützt, beruht anscheinend auf einer irrigen Auslegung von deffen Ausführungen in Bem. 6

zu § 127 (jetzt § 126). Danach liegt eine Verlegung des Heimatsorts nicht schon dann vor, wenn der Eigentümer beabsichtigt oder erklärt, daß er die Schiffahrt fortan von einem andern Orte aus betreiben wolle, sondern erst dann, wenn der Betrieb von dem andern Orte aus begonnen hat.

Diese

Erörterung trifft also nur den Fall, daß der Eigentümer des Schiffes nicht

wechselt, sondern nur den Heimatsort seines ihm nach wie vor gehörigen Fahrzeugs verlegen will. Vorliegend liegt aber gerade ein Wechsel des Eigentümers und eine dadurch veranlaßte Verlegung des Heimatsorts vor. Die Eintragung der Verlegung des Heimatsorts des Schiffes aus dem Registerbezirk hat daher zu erfolgen (§§ 40, 30 der Allg. Verf. vom 11. Dezem­ ber 1899), desgleichen die Schließung des Registerblattes, und nach § ll2 das., da mit der Verlegung des Heimatsorls ein Eigentumswechsel verbunden war, vom Amtsgericht O. auch die Eintragung des neuen Eigentümers. Das weitere Verfahren (Übersendung an die neue Registerbehörde) ist in § 1264 BSchiffG. und § ll1 der erwähnten Verf. geregelt, und die Eintragungen

durch das neue Registergericht haben daraufhin von Amts wegen zu erfolgen (Jahrbuch 26 S. 8, 28 S. 243; Mittelstein 5 zu tz 126). S. s) Fälligkeit des Liegegeldes. OLG. Hamburg, II. ZS.

Urteil v. 6. April 1907.

Rach dem maßgebenden Ladescheine: «Rach so geschehener Beförderung

und Ablieferung erhalte ich die einschließlich aller Kosten und Zölle bedungene Fracht von x. M." war der klagende Schiffer verpflichtet, vorzuleisten. Nach Ablauf der Löschzeit und der vereinbarten Überliegezeit war er nicht verpflichtet, auf die Löschung noch länger zu warten; vielmehr durste er nach Maßgabe §§ 51, 52 verfahren. Wäre die Sache so verlaufen, daß er unter richtiger

Beobachtung der §§ 51, 52 die Löschung selbst vorgenommen hätte, so wäre

er nach beendigter Löschung berechtigt gewesen, Zahlung der Fracht zu ver­ langen. Im Ladescheine heißt es aber weiter: „Zur Löschung meiner Ladung

räume ich

den Empfängem

zehn volle Werktage von der Ankunft und

Meldung ein und verpflichte mich unter Beibehaltung der Bedingungen auf

Verlangen der Empfänger weitere acht Tage für 15 Mark tägliche Ent­ schädigung liegen zu bleiben." Da sich der Kläger am 14. August gemeldet hat, so lief die vereinbarte Überliegezeit mit dem 2. September ab und war vom 3. September ab Liegegeld zu zahlen.

führer Liegegeld für jeden Tag,

Nach § 49 gebührt dem Fracht­

um den infolge der Nichtabnahme der

Ladung die Löschzeit überschritten wird.

Für die Auffassung der Beklagten,

daß Zahlung des gesetzlichen Liegegeldes nicht etwa täglich, sondern erst nach Beendigung des Überliegens mit Recht gefordert werden könne, gewährt die

Fassung des § 49 keinen Anhalt; sie spricht vielmehr dafür, daß das Liege­ geld von Tag zu Tag fällig wird. Die Sachverständigen haben überein­ stimmend geäußert, daß der Schiffer das gesetzliche Liegegeld von Tag zu Tag verlangen darf; es werde zwar in Hamburg regelmäßig erst nach Be­ endigung des Überliegens in einem Gesamtbeträge bezahlt, es bestehe aber keine Rechtsübung, nach der der Schiffer als nicht berechtigt behandelt würde,

Zahlung des gesetzlichen Liegegeldes täglich zu fordern.

M. M.

t) Zusammenstoß deutscher Schiffe in österreichischem Gebiet. OLG. Hamburg, I. ZS. Urteil v. 12. November 1906.

Auch wenn dem Reichsgericht (Hans. GZ. 1896 Nr. 90) beizustimmen

wäre, das bei einem Kollisionsfalle den Einwand der in Hamburg domi­

zilierten Beklagten, daß sie für eine durch ihren Dampfer auf der Havel einem fremden Schiff zugeführte Kollisionsbeschädigung nicht nach damaligem

Hamburgischen Gesetz haste, zugelassen und das ALR. für maßgebend erklärt hat, so liegt doch der vorliegende Fall insofern anders, als es sich hier um die Anwendung des BSchG. auf einen Kollisionsfall handelt, der sich zwar auf österreichischem Gebiet, aber zwischen zwei Schiffen ereignet hat, deren Eigentümer im Deutschen Reich ansässig sind und demgemäß hier ihren Gerichtsstand haben, bei dem die vorliegende Klage erhoben ist. Es fehlt an einem genügenden Rechtsgrunde, und es erscheint unzweckmäßig,

bei Kollisionsfällen zwischen deutschen Schiffen, auch wenn sie sich außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs ereignen, fremdes Recht anzuwenden, das den Beteiligten in den meisten Fällen nicht einmal bekannt sein wird, und gewiß hat keine Partei Grund zur Beschwerde, wenn über ihre Rechte und

Pflichten nach ihrem heimatlichen Rechte entschieden wird.

M. M.

17 a) Verspätete Prämienzahlung.

Unrichtige Auskunft des Geueral-

ageute«. OLG. Frankfurt, I. ZS.

Urteil v. 2. Mai 1907.

Nach der Police erloschen die Rechte aus einer Lebensversicherung des Gemeinschuldners, falls die Prämie nicht binnen 30 Tagen nach der Fällig­

keit entrichtet wurde.

Die am 10. Juli fällige Prämie wurde am 10. August

von einem Bruder des Gemeinschuldners vergeblich angeboten. Der Klage des Verwalters auf Feststellung der Rechtsbeständigkeil des Versicherungs­ vertrages wurde entsprochen.

Gründe:

Verlangen der Empfänger weitere acht Tage für 15 Mark tägliche Ent­ schädigung liegen zu bleiben." Da sich der Kläger am 14. August gemeldet hat, so lief die vereinbarte Überliegezeit mit dem 2. September ab und war vom 3. September ab Liegegeld zu zahlen.

führer Liegegeld für jeden Tag,

Nach § 49 gebührt dem Fracht­

um den infolge der Nichtabnahme der

Ladung die Löschzeit überschritten wird.

Für die Auffassung der Beklagten,

daß Zahlung des gesetzlichen Liegegeldes nicht etwa täglich, sondern erst nach Beendigung des Überliegens mit Recht gefordert werden könne, gewährt die

Fassung des § 49 keinen Anhalt; sie spricht vielmehr dafür, daß das Liege­ geld von Tag zu Tag fällig wird. Die Sachverständigen haben überein­ stimmend geäußert, daß der Schiffer das gesetzliche Liegegeld von Tag zu Tag verlangen darf; es werde zwar in Hamburg regelmäßig erst nach Be­ endigung des Überliegens in einem Gesamtbeträge bezahlt, es bestehe aber keine Rechtsübung, nach der der Schiffer als nicht berechtigt behandelt würde,

Zahlung des gesetzlichen Liegegeldes täglich zu fordern.

M. M.

t) Zusammenstoß deutscher Schiffe in österreichischem Gebiet. OLG. Hamburg, I. ZS. Urteil v. 12. November 1906.

Auch wenn dem Reichsgericht (Hans. GZ. 1896 Nr. 90) beizustimmen

wäre, das bei einem Kollisionsfalle den Einwand der in Hamburg domi­

zilierten Beklagten, daß sie für eine durch ihren Dampfer auf der Havel einem fremden Schiff zugeführte Kollisionsbeschädigung nicht nach damaligem

Hamburgischen Gesetz haste, zugelassen und das ALR. für maßgebend erklärt hat, so liegt doch der vorliegende Fall insofern anders, als es sich hier um die Anwendung des BSchG. auf einen Kollisionsfall handelt, der sich zwar auf österreichischem Gebiet, aber zwischen zwei Schiffen ereignet hat, deren Eigentümer im Deutschen Reich ansässig sind und demgemäß hier ihren Gerichtsstand haben, bei dem die vorliegende Klage erhoben ist. Es fehlt an einem genügenden Rechtsgrunde, und es erscheint unzweckmäßig,

bei Kollisionsfällen zwischen deutschen Schiffen, auch wenn sie sich außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs ereignen, fremdes Recht anzuwenden, das den Beteiligten in den meisten Fällen nicht einmal bekannt sein wird, und gewiß hat keine Partei Grund zur Beschwerde, wenn über ihre Rechte und

Pflichten nach ihrem heimatlichen Rechte entschieden wird.

M. M.

17 a) Verspätete Prämienzahlung.

Unrichtige Auskunft des Geueral-

ageute«. OLG. Frankfurt, I. ZS.

Urteil v. 2. Mai 1907.

Nach der Police erloschen die Rechte aus einer Lebensversicherung des Gemeinschuldners, falls die Prämie nicht binnen 30 Tagen nach der Fällig­

keit entrichtet wurde.

Die am 10. Juli fällige Prämie wurde am 10. August

von einem Bruder des Gemeinschuldners vergeblich angeboten. Der Klage des Verwalters auf Feststellung der Rechtsbeständigkeil des Versicherungs­ vertrages wurde entsprochen.

Gründe:

Die Berufung auf die ausdrücklich auf 30 Tage (und nicht auf einen Monat) festgesetzte „Frist" würde keineswegs gegen Treue und Glauben ver­

stoßen, zumal es sich hierbei um eine „Respekt"frist handelt.

Der General­

agent der Beklagten jedoch hat im Briefe vom 23. Juli selber ausdrücklich den 10. August als den spätesten Zahlungstermin bezeichnet. Hiermit sollte zwar, wie aus der gangen Fassung des Schreibens erhellt, keine Verlängerung der Respektfrist dem Versicherten bewilligt werden; zur Gewährung einer der-

artigen Stundung wäre der Generalagent auch nicht befugt gewesen.

Vielmehr

liegt eine infolge einer Nachlässigkeit des Agenten von ihm unrichtig erteilte Auskunft über die Bedeutung der Verwirkungsklausel vor.

Zu einer derartigen Auskunftserteilung ist der Generalagent aber als berufen zu erachten, und für ein ihm hierbei unterlaufendes Verschulden muß die Gesellschaft ohne

weiteres aufkommen, selbst wenn der Agent als ihr Stellvertreter nicht an­ gesehen werden könnte, so daß sie schon aus dem Gesichtspunkte der Stell­ vertretung für das Verschulden ihres Vertreters einstehen müßte (Ehrenberg, Versicherungsrecht S. 225; Dernburg, Preuß. Private. 2 § 232°; Cosack,

Handelsr. § 130°). Es würde auch nicht den Gmndsätzen von Treue und Glauben ent­ Denn es würde nicht mit der Vertragstreue im Einklang stehen, wenn die Beklagte unter Hinweis auf die Verfallsklausel den Vertrag wegen verspäteter Zahlung der Prämie als aufgelöst betrachten wollte, obwohl diese Verspätung auf einen Irrtum des Versicherten zurückzuführen ist, in welchem dieser von einem berufenen Vertreter der Gesellschaft entschuldbar versetzt worden war. Ein sprechen, wollte sich die Beklagte auf die Verwirkungsklausel berufen.

solcher Irrtum liegt tatsächlich hier vor; es ist tatsächlich keineswegs an­

zunehmen, daß der Versicherte bzw. der Konkursverwalter bei der geschehenen Zahlung sich deren Verspätung bewußt gewesen wäre. Endlich durfte die Gesellschaft die Annahme der von einem andern als dem Versicherten angebotenen Prämie nicht verweigern. Denn für die Er­ füllung greifen die Grundsätze des § 267 BGB. ein, wonach auch ein Dritter die Leistung mit befreiender Wirkung für den Schuldner selbst ohne deffen Einwilligung bewirken kann. Eine Ablehnung der Zahlung durch die Be­

klagte hätte nur bei einem (tatsächlich nicht geschehenen) Widersprüche des

Gemeinschuldners

erfolgen

dürfen.

Die Zurückweisung

der Zahlung ist

indessen überhaupt nicht aus diesem Gesichtspunkte, sondern infolge der Ver­ spätung der Leistung erfolgt; die Beklagte könnte sich daher jetzt schon um deswillen auch nicht mehr auf eine dahingehende Befugnis stützen.

K.

b) Verschweigen von Umständen, die der versicherte für bedeutungs­

los hält. OLG. Celle, II. ZS.

Urteil v. 27. September 1906.

Der Kläger, der gegen Einbruch versichert und bei dem ein solcher ver­

übt ist, beansprucht Ersatz seines Schadens.

Die Beklagte beruft sich darauf,

daß der Kläger in seinem Anträge, inhaltlich deffen sein Schaufenster und

seine zwei Türen durch Rolläden und eiserne Gitter geschützt sind, ver­

schwieg,

daß die Rolladen nicht ganz haben hochgezogen werden können.

Allein nach § 5 tritt die vertragsmäßige Verwirkung des Entschädigungs­

anspruches nur ein, wenn der Versicherte die Angaben im Anträge wider

besseres Wissen gemacht hat. Vorausgesetzt wird also, daß der Versicherte sich der Unwahrheit seiner Antwort bewußt gewesen ist. Daß dies der Fall gewesen, muß die Beklagte beweisen, hat sie aber nicht bewiesen.

Zuzugeben

ist, daß die Anlage der Rolläden eine solche war, daß sie der Ausführung von Diebstählen eine gewisse Erleichterung bot.

Es hat sich dies jetzt heraus­

gestellt, es wäre auch wohl von dem Agenten der Beklagten, wenn er sich um die Einrichtung der Sicherung gekümmert hätte, bemerkt worden. Der Kläger hat den Zustand der Rolläden gekannt. Es fehlt aber an jedem Anhalt für die Annahme, daß er sich selbst gesagt hat, es liege hier ein die Gefahr des Einbruchs erleichternder Umstand vor, der ehrlicherweise der Beklagten nicht verschwiegen werden dürfe. Er hat die von ihm gemachte

Angabe offenbar für ausreichend gehalten; darauf, daß er eine genauere Beschreibung der Art der Rolläden zu geben habe, wies ihn nichts hin; er hat daran offenbar ebensowenig gedacht wie der gewiß erfahrenere Agent der Beklagten eine Befragung in dieser Hinsicht für nötig hielt. Auch die Beklagte selbst hat sich mit der Beantwortung der Frage, wie sie der Kläger gab, genügen lassen, obgleich ihr Vertrauen in die Richtigkeit der Antwort ihr doch nicht die Prüfung ermöglichte, ob die Rolläden und Gitter den Laden so schützten, wie sie es behufs Übernahme einer Versicherung für nötig

gehalten haben will.

H.ch.

c) Erstreckt sich die Rcisewaren-Berlustversicherung des Prinzipals aas Unterschlagungen seines Reisende«? OLG. Karlsruhe, II. ZS.

Urteil v. 21. April 1906.

Der Vertrag zählt in § 1 die Gefahren auf, gegen welche der Kläger

versichert, und in § 2 Fälle, in welchen er nicht versichert ist.

Die Unter­

schlagung ist darunter nicht aufgezählt; indeffen läßt sich aiß der Nicht­ erwähnung im § 2 nicht schließen, daß die Unterschlagung unter einer der in § 1 genannten Gefahren mitverstanden sei.

Wenn § 2 besagt: die Beklagte hafte nicht für Schaden, der durch Aufruhr, Kriegsereigniffe, Verfügungen

von hoher Hand, Eigenverderb entstanden ist, so will das z. B. heißen: In der Regel haftet die Beklagte gemäß § la für Beschädigung der Waren

auf dem Transport.

Bricht aber ein Krieg aus, und werden die Waren

durch Soldaten gestohlen, so haftet die Beklagte nicht. Ebensowenig haftet sie z. B., wenn die Waren durch innere Fehler — Eigenverderb — zugrunde

gehen.

Danach erläutert und beschränkt § 2 den § 1 in der Weise, daß er

Ausnahmen von der Haftung, die nach § 1 der Beklagten obliegen würde, aufstellt, und da in 8 l die Unterschlagung nicht erwähnt ist, war es folge­ richtig, daß auch § 2 davon nicht spricht.

Aus 8 2 kann also eine Haftpflicht

der Beklagten nicht abgeleitet werden.

Die Zusicherung der Haftung für

Unterschlagungen wäre zweifellos die gewagteste für die Beklagte, denn während ihr gegenüber anderen Gefahren, besonders gegen Eingriffe Dritter

eine gewisse Sicherheit durch die Wachsamkeit des Inhabers der Waren ge­ boten ist, bliebe sie gegen die von letzterem selbst drohende Gefahr ausschließ­ lich auf dessen Ehrlichkeit angewiesen.

die Beklagte,

Es wäre nun sehr auffallend, wenn

die doch die Versicherungsbestimmungen aufgestellt hat, die

Hauptgefahr nicht besonders benannt haben sollte, obwohl sie hätte dafür

haften wollen, und wenn der Kläger gegen diese Gefahr hätte versichert sein wollen, aber nicht verlangt hätte, daß die Unterschlagung mit ausgenommen

werde. Für diese Auslegung sprechen auch die Bedingungen, von deren Ein­

haltung in Z 1b und § 5 die Haftung abhängig gemacht ist.

Die Koffer des

klägerischen Reisendm H. befanden sich auf dem Stationsgebäude, als

Nach § lb haftet die Beklagte in solchem Falle z. B. für Diebstahl nur» wenn die Koffer verschlossen

die Waren daraus weggmommen wurden.

waren.

Der § 5 macht in einzelnen Fällen die Haftung sogar noch von dem

Vorhandensein von Sicherheitsschlössern an den Zimmertüren abhängig.

Die

bloße Obhut des Reisenden, der Bahnbeamten, Wirte genügte der Beklagtm

nicht, sie verlangte vielmehr noch die weitere Sicherheit, welche der Verschluß

der Koffer oder Zimmer gewährt. Für den Schadm, der durch Wegnahme der Waren aus unverschlossenen Koffern oder Zimmern entstehen konnte, wollte und sollte sie also nicht hastm. Gegenüber dem Besitzer der Schlüffe! und der Waren besteht keinerlei Schutz. Deshalb muß auch aus den 88 lb, 5 der Wille der Parteim gefolgert werden, daß die Beklagte nicht für die dem Kläger durch Unterschlagung zugefügtm Nachteile einzustehen haben sollte,

denn wer die Ware im Gewahrsam hat, dem steht der Zugriff jederzeit offen. H. besaß am 30. März noch den Willen und die Möglichkeit, auf die Koffer und die Waren einzuwirken, d. h. er hatte sie noch im „Gewahrsam". Er bewies dies durch seinen Eingriff. Solange er aber die Waren inne hatte, stahl er nicht, sondern unterschlug, und dafür hat die Beklagte nicht aufzu­

kommen. Sonach ist eS rechtlich unerheblich, ob der Anstellungsvertrag zwischen H. und dem Kläger mit der Entfernung des H. schon am 29. März zu Ende war. Vollzogen durch Preisgabe des Koffers war die Auflösung des Vertrags tatsächlich noch nicht, als H. die Ware aus dem Koffer nahm.

Für die Frage, ob H. unterschlagen hat, kommt es aber darauf an, ob dieser die Jnnehabung der Waren verloren hatte, und das war nicht Dr. E r.

der Fall.

d) Was bedeutet „Ruhen der Versicherung"?

Kein Gewohnheits­

recht, wonach die Versicherung gegen Gewerbeuvfälle erlischt, wenn der Erwerber sie nicht übernimmt.

OLG. Dresden, IV. ZS.

Urteil v. 10. Januar 1907.

Der Beklagte hat die Molkerei, für die er sich auf 5 Jahre bei der

Klägerin gegen Unfälle versichert hatte, an eine eingetragene Genossenschaft

veräußert, die die Aktiven und Passiven des Betriebs nicht übernommen hat Der Klage auf Prämien­

und die Aushaltung der Versicherung verweigert.

zahlung wurde stattgegeben.

Gründe:

In der Bestimmung „Wenn das versicherte Unternehmen den Besitzer

wechselt, ruht die Versicherung" bedeuten die letzten Worte im gerichtskundigen

Sprachgebrauch des Versicherungsverkehrs zumeist nur, daß die Haftung des Versicherers und nicht, daß auch die Pflichten des Versicherungsnehmers oder die Wirkungen des Vertrags überhaupt aussetzen. Das Wort „Versicherung" bedeutet zwar im weiteren Sinne den Versicherungsvertrag überhaupt und nach beiden Seiten, aber im engeren Sinne nur die Haftung des Versicherers

und die durch diese geschaffene sichere Rechtslage des Versicherungsnehmers. Der engere Sinn entspricht dem wirklichen Willen der Vertragschließenden

überall, wo eine willkürliche Handlung oder Unterlassung des Versicherungs­ nehmers den Grund zu einer Aussetzung der Versicherung bildet.

Denn es ist recht und billig, daß seine Willkür zwar seine Rechte, aber nicht seine

Pflichten schmälert.

Im Falle einer Besitzveränderung trifft dies mindestens

dann zu, wenn sie auf dem freien Entschluß und besonders auf einem Ver­ trage des Versicherungsnehmers beruht.

Allerdings hört mit dem Wechsel des Besitzers das versicherte Interesse des Versicherungsnehmers auf, nämlich

seine Haftpflicht wegen Tötung oder körperlicher Schädigung von Personen

durch Unfall in seiner Eigenschaft als Unternehmer des versicherten Betriebes, und mit dem Ende seiner Haftpflicht wird die Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz von Leistungen des Versicherungsnehmers (an Dritte) auf Grund

seiner Haftpflicht gegenstandslos und in diesem Sinne die dem Versicherer obliegende Leistung unmöglich. Hiermit ist aber die Frage noch nicht gelöst, ob der Versicherer den Anspruch auf die Gegenleistung (Prämie) ver­ liert oder behält. Er verliert oder behält ihn, je nachdem die ihm obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den a) weder er noch der andere Teil oder b) der andere Teil zu vertreten hat (§§ 323 \ 3241 BGB.). Eine Ersparnis oder ein Erwerb, den der Versicherer sich gemäß § 324 Satz 2 BGB. anrechnen lassen müßte, kommt nicht in Betracht; insbesondere nicht eine Ersparnis infolge der Befreiung von der Leistung (Versicherung),

weil es völlig ungewiß ist, ob ein Versicherungsfall eingetreten wäre, mit dem die Leistungspflicht des Versicherers erst ausgelöst wird.

Die Ver­

äußerung enthält nicht ohne weiteres Vorsatz oder Fahrlässigkeit, sondern beruht

im Zweifel

auf wichtigen und nicht versicherungsvertragswidrigen

Gründen. Allein der § 276 BGB. gilt nur, sofern nicht ein anderes be­ stimmt ist; er weicht also dem Vertrag. Vorliegmd hat aber der Ver­

sicherungsnehmer das Aufhören seiner Haftpflicht und seines Interesses infolge einer Veränderung im Besitztum durch deffen Veräußerung unter allen Um­ ständen zu vertreten. Die Bestimmung des Vertrags, daß bei einem Wechsel

des Besitzers von dem bisherigen und dem neuen Besitzer die Übertragung der Versicherung

auf den letzteren bei der Gesellschaft beantragt werden

„muß", kann und will natürlich nicht den am Versicherungsvertrag noch un­

beteiligten neuen Besitzer binden, wohl aber den Versicherungsnehmer dafür

einstehen lassen, daß nicht nur er, sondern auch der neue Besitzer den Antrag stellt. Der Fall seiner Weigerung wird im Vertrage nicht übersehen, sondern,

weil er fernliegt, dem Versicherungsnehmer zur Vertretung auferlegt, weil er

meist ohne Mühe und Opfer in der Lage sein wird, seinerseits den neuen Besitzer zur Übernahme der Versicherung und zur Stellung des Antrags zu

verpflichten, und weil er in den seltenen Ausnahmefällen, in denen er dies nicht durchzusetzen vermag, in den Vorteilen des Veräußerungsvertrags den

Ersatz für den Nachteil der weiteren Zahlung von Prämien ohne versichertes Interesse findet, deren Abwägung ihn nicht am Abschlüsse des Veräußerungs­ vertrags hindert.

Bei dieser Lage des Versicherungsnehmers verstößt die

Bestimmung weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten.

Sie hemmt besonders die Freiheit des Versicherungsnehmers in der Ver­ äußerung des versicherten Unternehmens nicht übermäßig.

Die Verhältnisse

liegen bei der Haftpflichtversicherung geschäftlicher Betriebe und bei deren

Veräußerung wesentlich anders als die Verhältnisse bei der Versicherung

gegen die Beschädigung oder den Verlust beweglicher Sachen, namentlich durch Feuer, welche z. B. von Vatke (Veröff. des Deutschen Vereins für Versicherung 2 S. 378) und von Dr. Prange (Betr. zum (1.) Entwurf des

Versicherungsvertr- S. 254 ff.) erörtert sind.

Denn die weit häufigere Ver­

äußerung einzelner Sachen wird durch die Fortdauer der Pflichten des Ver­

sicherungsnehmers nach dem Aufhören des versicherten Interesses viel schwerer gelähmt als die Veräußerung eines geschäftlichen Betriebes, sicherung nur ein Nebenpunkt ist.

dessen Ver­

Der Versicherer aber behält den Anspruch

auf die Gegenleistung und erlangt die Prämie nicht ohne rechtlichen Grund, sondern für seine vertragsmäßige Bereitschaft zur Übertragung der Ver­

sicherung auf den neuen Besitzer auf Antrag, und er verliert den Anspruch nur dann, wenn er die beantragte Übertragung ablehnt. Die Klägerin ver­

stößt also auch nicht wider Treu und Glauben im Vertragsverhältnis, indem sie diesen Anspruch geltend macht. Ein einschränkendes Gewohnheitsrecht besteht nicht.

Es wird auch

von den Schriftstellern (Gerber, Privatrecht § 202’; Ehrenberg, Versiche­

rungsrecht S. 394/5; Cosack, Handelsrecht § 131III, § 129 unter 6a) über­ haupt nicht oder doch nicht zweifellos auch für die Haftpflichtversicherung vertreten. Es ist vielmehr nur ein Jnteressenkampf zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern mit wechselndem Erfolg im Gange, der auf dem Gebiet

der Vertragsfreiheit ausgefochten wird.

Einen Erfolg von Versicherungs­

nehmern enthält § 8 der Normativbedingungen des deutschen Hapftpflicht- und

Versicherungs-Schutzverbandes von 1898.

Allein auch dieser Erfolg reicht

nicht so weit wie die vom Beklagten vertretene Auslegung, bei der der Ver­

trag mit dem Wechsel des Besitzers ohne weiteres aushört, und die Veräuße­ rung vom Versicherungsnehmer ohne jeden Nachteil

als Gelegenheit zur

Abschüttelung einer lästigen Versicherung mißbraucht werden kann, wiewohl diese kaum jemals der entscheidende Beweggrund zur Veräußerung sein wird.

Vielmehr verfällt die (vom Versicherungsnehmer auf die Versicherungsprämie

im voraus) gezahlte Prämie, während bei der Auslegung des Beklagten ihr auf die Zeit nach der Veräußerung fallender Teil folgerecht als ungerecht­ fertigte Bereicherung des Versicherers zurückgefordert werden könnte (8 812 BGB.). Ferner beschränkt sich jener Erfolg auf Versicherungsverträge zwischen

den Mitgliedern des Schutzverbandes einerseits und den Versicherungsaktien­ gesellschaften anderseits, welche mit dem Verband Verträge abgeschlossen und erneuert haben, in denen sie sich verpflichten, den Haftpflichtversicherungen der Verbandsmitglieder keine anderen als die Normativbedingungen zugrunde zu legen.

Zu diesen Gesellschaften gehört zwar die Klägerin; aber der Be­

klagte war beim Abschluß seines Vertrags nicht Mitglied deS Schutzverbandes. Der Erfolg reicht endlich nicht weiter, als die Macht des Verbandes, und

die Klägerin zieht hieraus mit Recht den Schluß, daß die Versicherungs­ bedingungen auch der mit dem Verband im Vertragsverhältnis stehenden Gesellschaften für nicht im Verband organisierte Versicherungsnehmer auch

beim Eigentumswechsel meist ungünstiger sein werden als § 8 der Normativ­ bedingungen. ... Auch die §§ 68—73 des ersten und in §§ 69—73, 148a des 2. Entwurfs eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag tun der Vertragsfreiheit noch

keinen Abbruch.

Denn sie sind noch nicht Gesetz, und ihre Begründung läßt

nirgends erkennen, daß sie ein Gewohnheitsrecht wiedergeben sollen.

Ferner

lassen auch sie den Versicherungsvertrag oder die Pflichten des Versicherungs­ nehmers nicht ohne weiteres mit der Veräußerung aufhören, sondern kraft

Gesetzes den Erwerber an Stelle des Veräußerers in die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers eintreten und den Veräußerer für die Prämie auf die zur Zeit des Eintritts laufende Versicherungsperiode (§ 9) neben dem Erwerber als Gesamtschuldner (§ 692), und wenn das Versicherungs­ verhältnis auf Grund des 8 70 vom Versicherer oder vom Erwerber gekündigt

Weiter sind diese Bestimmungen in erster Reihe auf den Schutz nicht des Veräußerers, sondern des Erwerbers, besonders gegen das gefährliche Ruhen der Versicherung bis zur Genehmigung des Eigentums­ wird, allein hasten.

wechsels durch die Gesellschaft berechnet (Begründung S. 1251 unten) und deshalb als zwingendes Recht nur zugunsten des Erwerbers, nicht auch des

Veräußerers (§ 72 und dessen Begründung) und nur bei der Veräußerung einer versicherten Sache, nicht eines Unternehmens bei der Haftpflichtversiche­

rung gedacht (8 1482 wo § 72 nicht angezogen ist, und die Begründung zu 8 1482 S. 1281 unten).

Die Bestimmung in 8 682, nach der dem Versicherer

(nur) die Prämie für die laufende Versicherungsperiode gebührt, wenn das Interesse, für welches die Versicherung genommen ist, nach dem Beginne der

Versicherung wegfällt, ist in 88 69—73, 1482 für den Wegfall durch Ver­ äußerung eingeschränkt, und auch sie ist als zwingendes Recht weder gekenn-

zeichnet (Begründung S. 1214 und zu § 68 S. 1251 ff.) noch etwa aus dem bereits abgelehnten Grunde anzusehen, weil eine Abweichung von ihr durch Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstoßen würde (Begründung S. 1215). Die Ausführung in der Begründung zu § 69: „an sich würde die Veräuße­ rung die Beendigung des Versicherungsverhältnifses zur Folge haben, da das Interesse des Versicherungsnehmers aufhört", hat eine Grundlage in § 682

des Entwurfs, aber nicht im geltenden Recht, wie gezeigt wurde. e)

Dr. E. S.

Zur Auslegung des § 19 KrvG. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Urteil v. 25. März 1907.

Mit Unrecht folgert die klagende Ortskrankenkasse aus § 19, daß ein

Mitglied der Ortskrankenkasse nur dann aus dieser ausscheiden und in eine

Hilfskaffe eintreten kann, wenn es eine Zeitlang vorher doppelt, nämlich bei DaS Gesetz verlangt nur, daß der Ver­ sicherungspflichtige vor dem Austritt nachweist, daß er Mitglied einer Hilfs­

beiden Kaffen verstchert gewesen ist. kaffe geworden ist.

Es genügt also nicht eine mehr oder weniger begründete

Aussicht auf den Erwerb, sondern es muß die Tatsache des geschehenen Er­

werbs vorliegen. Bon wann an die Mitgliedstechte und -pflichten in Kraft treten müssen, sagt das Gesetz nicht, sein erkennbares Ziel aber, der Ausschluß der Möglichkeit, daß ein Versicherungspflichtiger, wenn auch nur dem äußeren auf eine Austrittserklärung gestützten Schein nach, zeitweilig nicht versichert fei, führt dazu, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens jener Rechte und Pflichten

spätestens auf den Moment des Ablaufs der Versicherung in der Ortskranken­ kasse festzusetzen. Für die Annahme eines früheren Zeitpunkts liegt kein Grund vor. Die zwischen den Angestellten des Beklagten und der Hilfskaffe getroffene Vereinbarung, daß die Mitgliedsrechte und -pflichten der ersteren mit Anfang 1906 beginnen sollten, war daher zulässig und geeignet, voraus­

gesetzt, daß der Erwerb der Mitgliedschaft durch die Angestellten rechtzeittg gültig erfolgt und nachgewiesen war, ihr Ausscheiden aus der Ortskranken­ kaffe mit Ende 1905 herbeizuführen. Auch diese beiden Voraussetzungen sind erfüllt.

Besondere Vorschriften

für die Einrichtung der Mitgliederliste gibt es nicht, und es bestehen keine

Bedenken, die Kladde als eine Mitgliederliste anzunehmen. Sie verliert diese Eigenschaft auch nicht dadurch, daß zwei Personen, welche nach der Satzung wegen ihres Alters nicht mehr aufnahmefähig waren, ebenfalls in diese Liste eingetragen sind.

Es handelt sich dabei offenbar um ein Versehen, das im

Januar 1906 berichtigt ist, und deshalb kann aus dieser Tatsache und der Berichtigung nicht gefolgert werden, daß die Mitgliederaufnahme im Dezember

1905 nur provisorisch gewesen sei. — Die Angestellten haben ferner den

Geschäftsführer der Hilfskaffe beauftragt, ihre Aufnahmebescheinigung der Klägerin vorzulegen. Das ist geschehen: Diese Vorlage steht daher der Aus­ händigung der Bescheinigung an die Angestellten gleich.

Dagegen ist ihnen

damals ein Statutenexemplar an das auszunehmende Mitglied, wie sie der § 5 der Satzung vorschreibt, nicht ausgehändigt.

Wäre darin ein wesent-

licher Teil des Aufnahmeaktes zu erblicken, so würde der Mangel in einer für diesen Prozeß in Betracht kommenden Weise durch die im Januar 1906

nachgeholte Statutenaushändigung nicht geheilt sein, denn das Ausscheiden aus der Ortskrankenkaffe setzt voraus, daß bis zum Austritt die Aufnahme in eine Hilfskaffe nicht nur vollzogen, sondern auch nachgewiesen ist. So­ lange die Aufnahme nicht gültig erfolgt, ist ihr Nachweis ausgeschloffen und

wenn auch infolge nachträglicher Abstellung von Mängeln die Aufnahme als von Anfang an gültig angesehen werden mag, so wird dadurch doch die Tat­

sache nicht beseitigt, daß der Nachweis der Aufnahme nicht rechtzeitig geführt

ist.

Die Statutenbehändigung kann aber ihrer inneren Bedeutungslosigkeit

wegen nicht als Teil der Aufnahmehandlung, sondern nur als eine nebenher

zu beobachtende Ordnungsvorschrift erachtet werden; auf ihre Beobachtung kann unbeschadet der Wirksamkeit der Aufnahme verzichtet werden. Ein solcher Verzicht liegt darin, daß die Beteiligten in Kenntnis der Tatsache, daß die Statuten im Dezember 1905 noch nicht gedruckt waren, damals den­ noch die Aufnahme wünschten und betrieben. Übrigens haben die Angestellten

in der Beitrittserklärung die Satzungen der Hilfskasse als für sich rechts­ verbindlich anerkannt. M. M. f) PrivatUinik als Gewerbebetrieb. wendungen bet Richtnnweldnng. OLG. Hamburg, IV. ZS.

Begriff der Krankheit.

Auf­

Urteil v. 26. Oktober 1906.

Die Ausübung der vom Kläger betriebenen Spezialpraxis für Chirurgie und Orthopädie erfordert allerdings, die Kranken in dauernder ärztlicher Kontrolle zu haltm, und dies kann wieder zweckmäßig nur auf die Weise geschehen, daß der Arzt die Kranken in eigene Verpflegung nimmt. Doch ändert das nichts daran, daß die so entstehende Privatklinik, weil sie zur Be­ förderung der ärztlichen Praxis und damit des Gelderwerbes des Klägers dient, einen Betrieb bildet, bei dem das Erwerbsmoment im Vordergründe steht, der deshalb als gewerbemäßig zu bezeichnen ist, und der auch seiner

ganzen Art und Einrichtung nach ein solcher ist, wie ihn im Interesse der mit der Hand arbeitenden Klaffen das KrVG. voraussetzt. Der Kläger war daher zur Anmeldung des in diesem Gewerbebetriebe beschäftigten A. verpflichtet; er hat sie aber fahrlässigerweise unterlassen und muß deshalb die Aufwen­

dungen erstatten, welche in einem vor der Anmeldung durch den A. „ver­ anlaßten Unterstützungsfalle" gemacht sind. Die Gemeinde-Krankenversicherung hat zwar den A. erst vom 4. Oktober 1904 an unterstützt, aber deshalb ist noch nicht anzunehmen, daß der Unterstützungsfall erst um diese Zeit „ver­ anlaßt" worden sei. Veranlaßt ist er vielmehr durch die Erkrankung des

A. am 1. Oktober.

Damit ist der Fall des Gesetzes gegeben, denn die An­ Daß die Ursachen der Erkrankung

meldung ist erst am 24. Oktober erfolgt.

in eine ftühere Zeit und zwar noch vor den Beginn der Beschäftigung (1. April 1904) zurückzuverlegen sind, macht nichts aus, denn nicht die Ursachen der Erkrankung, sondern diese selbst, d. h. der Eintritt eines ärztliche Behänd-

lung erfordernden Zustandes ist es, auf den es ankommt. Daß dieser Zu­ stand aber keinenfalls vor dem 1. April 1904 eingetreten ist, geht aus dem

ältlichen Gutachten hervor.

Danach mag A. bereits vor dem Eintritt beim

Kläger entweder kleine unbemerkt gebliebene Brüche oder sogar eine weite

Bruchpforte gehabt haben, aber dieser Zustand hat, wie er ihm selbst un­

bemerkt

blieb,

keine

ärztliche Behandlung erfordert.

Diese ist vielmehr

srühestens in der Zeit der Tätigkeit des A. beim Kläger erforderlich geworden,

so daß der vom Gesetze vorausgesetzte ursächliche Zusammenhang des Unter­ stützungsfalles mit der Beschäftigung des Unterstützten bei dem meldepflichtigen Arbeitgeber (vgl. Petersen, KrBG. 5. Ausl. 12 b, d und ezu 8 50) offenbar vorliegt....

M. M.

g) Ist «ach § 581 gelingt, so ist die Sache der Verwaltungsbehörde

ganz, auch für die Vollstreckung, entzogen. OLG. Hamburg, III. ZS.

Beschluß v. 8. November 1906.

Dadurch, daß der X. [Kläger] von dem ihm nach § 581 zustehenden Rechte Gebrauch machte und den ordentlichen Rechtsweg beschritt, ist die

Entscheidung der Behörde für das Versicherungswesen hinfällig geworden. Für die Erledigung der Streitfrage war nunmehr allein das gerichtliche Urteil und nicht mehr der Spruch der Verwaltungsbehörde — auch wenn dieser mit dem gerichtlichen Urteile in Einklang stand — entscheidend. Die Klage im ordentlichen Rechtswege gemäß § 58 ist nicht als ein Rechtsmittel im

Sinne der ZPO. ausgestaltet, nach dessen Verwerfung die angefochtene Ent­ scheidung der Behörde für das Versicherungswesen wieder Geltung erlangt hätte und nunmehr eine geeignete Grundlage für das Vollstreckungsverfahren

bilden könnte; vielmehr ist nunmehr die ganze Streitsache der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde gänzlich entzogen und den ordentlichen Gerichten über­ wiesen. Da das in der Folge ergangene gerichtliche Urteil — wenn auch sachlich in Übereinstimmung mit der Verwaltungsbehörde — die Klage abwies, so

bildete dieses Urteil des Gerichts die Grundlage für die Zwangsvollstreckung. Mit Recht ist daher das rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts mit der Vollstreckungsklausel versehen worden.

Der Gerichtsvollzieher durfte mit­

hin auf Grund des mit der Vollstreckungsklausel

versehenen Urteils des

Amtsgerichts pfändm und — nach Bezahlung der Hauptforderung — wegen der verweigerten Kosten die Pfändung vornehmen. Wie das Pfändungs­ protokoll nachweist, handelte es sich hierbei um die Kosten der Zwangs­ vollstreckung, die gemäß § 788 ZPO. zugleich mit dem zur Zwangsvoll­ streckung stehenden Ansprüche beizutreiben waren, und nicht um die Voll­

streckung

der

amtsgerichtlichen

Kostenentscheidung,

irrtümlicherweise angenommen hat.

wie

das

Amtsgericht

Wegen der letzteren Kosten konnte am

20. September 1906 eine Pfändung allerdings nicht vorgenommen werden, weil ein vollstreckbarer Kostenfestsetzungsbeschluß nicht vorlag. Das Land­ gericht hat zwar mit Recht darauf hingewiesen, daß die gemäß § 724 zu

erteilende vollstreckbare Ausfertigung den Betrag erkennen lassen müsse, der

17.

Gewerbeunsallversicherung.

401

auf dem Wege der Vollstreckung beizutreiben gewesen sei. Diesem Erforder­ nisse war aber auch schon dadurch genügt, daß im ausgefertigten Urteil des Amtsgerichts die Entscheidung der Behörde für Versicherungswesen in Bezug genommen und diese Entscheidung bei Vornahme der Pfändung vorgelegt war. Auf die weitere Beschwerde mußte mithin der Beschluß des Land­

gerichts aufgehoben, der Beschluß des Amtsgerichts wiederhergestellt und die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung angeordnet werden. M. M. h) Übergang des Ersatzanspruchs bei Gewerbeunsällen. Berrech­

nungsart bet mitwirkendem eigenem Verschulden des Verletzte«. OLG. Dresden, II. ZS. Urteil v. 11. Februar 1907. Die Forderung des Klägers auf Ersatz des durch einen Unfall erlittenen Schadens ist nicht etwa um die Summe zu kürzen, die der Kläger von der

Berufsgenofsenschaft hätte erhalten können, wenn die Sachlage in dem gegen

sie gerichteten Verfahren richtig ermittelt und beurteilt worden wäre.

Nach

§ 140 GUVG. geht der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten nur in

Höhe der wirklich von der Genossenschaft geleisteten (oder doch nach ge­ troffener Feststellung zu leistenden Unterstützung) auf diese über. Die Be­ stimmung bezweckt neben der Verhütung der Bereicherung des Verletzten nur

den Schutz des Ersatzanspruchs der Genossenschaft gegen den Haftpflichtigen, nicht eine Beschränkung der ihm nach allgemeinen Rechtssätzen obliegenden

Ersatzpflicht (Entsch. des RG. 24, S.126). Ebensowenig besteht diese Pflicht im Verhältnis zur Verbindlichkeit der Genossenschaft lediglich aushilfsweise, so daß der Kläger zur Begründung des Klaganspruchs darlegen müßte, er habe die Genoffenschaft in Anspruch genommen und die ihm dafür gegebenen Rechtsbehelfe, z. B. den fraglichen Rekurs, benutzt oder doch ohne Verschulden Da der Beklagte nach § 140 den Schaden im Ergebnis auf alle Fälle zu tragen haben würde, hat er kein Jntereffe daran, auf einem

unbenutzt gelassen.

Umwege statt auf dem geraden Wege belangt zu werden. Die Rente wird zwar gewährt, um dem Verletzten für die gesamte in­ folge des Unfalls erlittene Einbuße eine gewiffe Deckung zu bieten, also auch insoweit, als im einzelnen Falle wegen eines den Verletzten treffenden Mit­

verschuldens diese Einbuße im Verhältniffe zwischen ihm und einem teilweise

haftpflichtigen Dritten auf dem ersteren selber haften bleiben würde (Sten. Ber. 1882 Nr. 19, 5 S. 213). Aus allgemeinen Erwägungen könnte man deshalb in einem Falle solcher Art sehr wohl darauf kommen (vgl. Riesen­

feld, besonderes Haftpflichtrecht S. 267), die Unsallversicherungsrente auf die vom Dritten und vom Verletzten selbst zu tragenden Beträge verhältnis­

mäßig zu verteilen. Der § 140 hat indessen eine andere Verrechnung vorgeschrieben; hiernach soll die dem Verletzten tatsächlich zustehende, unter Umständen nach § 254 BGB. bloß einen Teil des Schadens deckende Ersatz­

forderung gegen den Dritten in Höhe aller von der Genossenschaft auf Grund des UVG. geleisteten oder doch festgestelltermaßen zu leistenden Beträge auf sie übergehen und dem Verletzten die Forderung nur soweit OLSRiv- XIV.

26

verbleiben, als sie alle diese Beträge übersteigt.

Dem Verletzten wird durch

dieses Gesetz eine gewisse Rente gesichert, gleichviel ob und inwieweit er nach den sonstigen gesetzlichen Vorschriften vom Dritten Ersatz fordern könnte. Anderseits kommt eine solche Ersatzforderung dem Verletzten überhaupt nicht

zugute, falls sie den Rentenanspruch nicht übersteigt, und bildet ihr Be­ trag im Falle des Übersteigens die Höchstgrenze dessen, was der Verletzte

von der Berufsgenofsenschaft und dem Dritten verlangen kann.

Die Literatur hat sich mit dieser, auch bei § 57* KrVG. und § 54 JVG. auftauchenden, jedoch erst durch § 254 BGB. zu größerer Bedeutung gelangten

Frage nicht beschäftigt. Riesenfeld selbst gelangt zu keiner bestimmten Ansicht. Immerhin dürsten die Ausführungen Rosins (Recht der Arbeitewers. 2 S. 1043 unter 2, 8e) die hier vertretene Ansicht ergeben.

Die Entsch. des

RG. 62 S. 340 und 428 stehen damit mindestens nicht in Widerspruch. Auch läßt sich einmal die schärfere Fassung des § 135* UVG. für die Aus­

legung des § 140 das. verwerten, da grundsätzlich auch durch den Vorsatz

des Dritten die Anwendung des § 254 BGB. nicht ausgeschlossen wird (gegen Riesenfeld S. 266 vgl. Mot. z. BGB. 2 S. 24; Weinrich, Haftpflicht S. 193). Außerdem ist zu beachten, daß das eigene Verschulden des Ver­ letzten nicht allein bei der Entstehung eines Unfalls, sondem auch bei

der Verschärfung seiner Folgen in einem wohl die Haftpflicht des Dritten, nicht aber die Leistungspflicht der Genossenschaft beschränkenden Maße mitgewirkt haben kann (Weinrich S. 192) und daß folgerichtig auch in dieser Beziehung die hier abgelehnte Verrechnungsart zu Berechnungen führen würde, die den Geschäftsgang bei Berufsgenossenschaften sehr er­ schweren müßten und zu geradezu unentwirrbaren Erörterungen und Streit­ fragen Anlaß geben könnten.

Dr. v. F.

i) Bedeutung der tztz 135, 136 GUBV. a) OLG. Cassel, II. ZS.

Urteil v. 5. April 1907.

Hat die beklagte Stadt bzw. deren Angestellte durch Fahrlässigkeit den Unfall des Klägers verursacht, so wird sein Schadensersatzanspruch durch § 1351 GUVG. ausgeschlossen. In dieser Hinsicht macht es keinen Unter­ schied, ob sich die Ansprüche auf den damals zwischen den Parteien be­ stehenden Dienstvertrag, auf das Haftpflichtgesetz oder auf die Vorschriften

des BGB. über unerlaubte Handlungen besonders §§ 823, 836, 837 stützen, und ob sie ferner die dem Kläger angeblich erwachsene Schädigung in seiner Erwerbsfähigkeit in seiner früheren Beschäftigung als Laternenwärter oder

in seinen Nebenbeschäftigungen als selbständiger Dienstmann sowie als Heizer und Bälgetteter in der X.-Kirche betreffen. Denn der § 135 schließt, um alle Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über Entschädigungs­

ansprüche aus Betriebsunfällen zu beseitigen, alle Entschädigungsansprüche, die in Veranlassung eines solchen Unfalles gegen den Arbeitgeber erhoben

werden könnten, unterschiedslos aus. In den einschlagenden Bestimmungen ist der Grundsatz zu finden, daß gegen den Betriebsunternehmer und

17. Unfallversicherung.

403

bessert Angestellte, von dem Ausnahmefall der vorsätzlichen Beschädigung ab­ gesehen, alle Ansprüche auf Grund des allgemeinen Schadensersatz- und Haftpflichtrechts ausgeschlossen sind (vgl. Entsch. des RG. 60 S. 39).

Unerheblich ist endlich, ob die Beklagte den Unfall der Berufsgenossen­ schaft überhaupt oder nicht rechtzeitig anmeldete; denn diese Unterlassung

würde für den Kläger nicht den Verlust des Rentenanspruches, sondern gemäß § 1472 lediglich eine Strafe gegen die Beklagte zur Folge gehabt haben. Fs.

ß) OLG. Cassel, II. ZS.

Urteil v. 22. April 1907.

Wegen des Unfalls hat das RVersAmt dem Kläger eine Unfallrente zu­ gesprochen und damit anerkannt, daß der Kläger zu den durch das GUVG. versicherten Personen

gehört und daß ein Betriebsunfall vorliegt.

Diese

Entscheidung ist nach § 1853 für das ordentliche Gericht bindend.

Dann aber ist der erhobene Anspruch gegen die Beklagte als Betriebsunternehmerin ausgeschlossen.

Denn § 135 gewährt dem Versicherten gegen den Betriebs­

unternehmer einen Ersatzanspruch nur dann, wenn — was hier nicht vor­ liegt — durch strafgerichtliches Urteil rechtskräftig festgestellt ist, daß der Unternehmer den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Nach der Absicht des Gesetzes sollen abgesehen von diesem Fall alle Streitigkeiten zwischen dem Unternehmer und dem Versicherten wegen eines Unfalls ausgeschlossen fein,

und zwar nach der Novelle vom 30. Juni 1900, auch wenn sie einen An­ spruch auf Rente nicht haben. Abweichend vom landw. UVG. § 1463 ist damit auch jeder Anspruch für die ersten 13 Wochen nach dem Unfall, für welche eine Unfallrente nicht gewährt wird, ausgeschlossen, auch sofern er auf Grund anderer Gesetze als des GUVG. erhoben werden könnte, ins­

besondere auch der auf Schmerzensgeld (vgl. Woedtke-Caspar 5. Aufl. Note 1 zu 8 135; Laß-Meyer, Haftpflichtrecht S. 157, Entsch. des RG. 60 S. 39, Rsp. 10 S. 152). Während dieser ersten 13 Wochen trifft das Gesetz für den Verletzten in anderer Weise Fürsorge, indem es ihm nach

§ 121 vom Beginn der 5. Woche ab Anspruch auf erhöhtes Krankengeld

gewährt.

Sollte der Kläger nicht dem KrVG. unterliegen, so hat er nach

§ 122 GUVG. gegen den Beklagten Anspruch auf die im § 12L das. und in 88 6, 7 KrVG. bestimmten Leistungen. Dieser Anspruch ist jedoch nicht int vorliegenden Verfahren zu verfolgen; denn er ist nach 8 14 GUVG., 8 581 KrVG. zunächst bei der Aufsichtsbehörde geltend zu machen, gegen deren

Enffcheidung binnen 4 Wochen die Berufung auf dem Rechtsweg zusteht.

Fs.

k) Verhältnis der Kranken- und Unfallversicherung. OLG. Hamburg, III. ZS. Urteil v. 15. Dezember 1906.

Die Frage, ob der durch einen Betriebsunfall krank und erwerbsunfähig

gewordene Kläger über die 13. Woche nach Eintritt des Unfalls hinaus das satzungsmäßige Krankengeld von seiner Kasse verlangen kann, nachdem die Berufsgenoffenschaft die Fürsorge für den Verletzten übernommen hat, ist zu

verneinen (Hahn,

Arbeiterversorgung 1906 S. 301;

Olshausen, Zeit26*

schrift für praktische Arbeitervers. 1905 S. 361; Hilfe das. S. 363, sowie die Entsch. Arbeiterversorgung 1905 S. 491, 1906 S. 288, 314, 337). Jene

Auffassung beruht zum Teil auf dir Erwägung, daß es bei Erlaß des

UVG. von 1884 nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, dem Ver­ letzten die Ansprüche gegen die Berufsgenoffenschaft neben denjenigen gegen die Krankenkaffe zu gewähren; es habe sich nur darum gehandelt, von ihm die wirtschaftlichen Nachteile, welche durch den Unfall entstanden seien, abzuwenden,

nicht, ihm einen Gewinn zu verschaffen. Die Deckung der durch Betriebs­ unfälle herbeigeführten Schäden sei im Gesetze in der Weise verteilt worden, daß während der ersten 13 Wochen die Krankenkaffen, von da ab tröst eigener Verpflichtung die Berufsgenoffenschaften die Unterstützung zu gewähren

hätten.

Auf demselben Standpunkt stehe das GUVG. von 1900, nach dessen

§ 9 die Entschädigung vom Beginne der 14. Woche nach Eintritt des Unfalls

der Berufsgenoffenschaft obliege.

Hieran sei durch die Novelle zum KrVG.

von 1903, welche die Mindestdauer der Krankenunterstützung von 13 auf

26 Wochen erstreckt habe, nichts geändert worden. Diese Erwägungen er­ scheinen zutreffend. Allerdings ist eine ausdrückliche Bestimmung, daß das versicherte Krankenkaffenmitglied sich an seine Kaffe nicht mehr halten könne, nachdem

die

Berufsgenossenschaft

die

Fürsorge

übernommen

habe,

im

GUVG. oder im KrVG. nicht enthalten. Daß sie dem Willen des Gesetz­ gebers entsprach, folgt aber, von jenen Erwägungen allgemeiner Art abgesehen, namentlich daraus, daß nach § 25 Abs. 2—5 GUVG. den im Abs. 1 ge­

nannten Kassen für die von ihnen zu leistenden Unterstützungen ein Ersatz­ anspruch an die Berufsgenoffenschaft durch Überweisung von Rentenbeiträgen gewährt wird, was sich mit der Annahme einer durch das Eintreten der Berufsgenossenschaft nicht berührten fortlaufenden Verpflichtung jener Kassen nicht wohl vereinigen läßt, und es ergibt sich weiter besonders auch aus § 11, welcher die Berufsgenossenschaft befugt, der Kaffe die Fürsorge über den

Beginn der 14. Woche hinaus zu übertragen, was wiederum nicht verständ­ lich wäre, wenn der Kaffe für jene Zeit eine eigene Fürsorgepflicht obliegen würde. Ist aber hiernach davon auszugehen, daß nach Ablauf der ersten 13 Wochen die Entschädigung grundsätzlich der Berufsgenoffenschaft obliege, so wird hieran auch durch § 25 \ wonach die Verpflichtung der Kaffen durch

das GUVG. „nicht berührt werden soll, nichts geändert. Er kann nur so verstanden werden, daß jene Verpflichtung nicht mit Ablauf der 13. Woche

sofort erlöschen soll, woraus unter Umständen dem Verletzten Nachteile ent­ stehen können, wenn die fürsorgepflichtige BG. ihrer Verpflichtung nicht sofort nachkäme; sie darf aber nicht so verstandm werden, daß der Verletzte, auch wenn die BG. ihrer Unterstützungspflicht tatsächlich nachkommt, sich noch an

die Krankenkaffe halten könne; wenn und solange jenes geschieht, sind vielmehr die Ansprüche an die Kaffe in ihrer Durchführung gehemmt; sie werden erst wieder wirksam in dem Zeitpunkte, wenn die BG. den Verletzten nicht mehr

unterstützt.

Der Kläger meint endlich, daß jedenfalls die eingeschriebenen Hilfskassen, zu welchen die Beklagte gehört, ihren Mitgliedern das Krankengeld fort­

zuzahlen haben, solange ihre statutenmäßige Verpflichtung dauert.

Allein das

Gesetz unterscheidet, soweit das Verhältnis der BG. zu den Krankenkassen in

Frage kommt, nicht zwischen freien Hilfskassen und anderen Kassen, stellt sie vielmehr sämtlich einander gleich (§§ 25, 11 GUVG.). Das gilt auch in Ansehung der Rechte des Versicherten gegen seine Kaffe nach dem Eintreten

der BG.' Anders, wenn die Beklagte, wozu sie unzweifelhaft befugt gewesen wäre (Hahn a.O. S. 306), in ihren Statuten ihren Mitgliedern auch für den letzteren Fall den Fortbezug des Krankengeldes neben der Unfallentschädigung

zugesichert hätte.

M. M.

1) Abnützung von Garderobe als Koste« des Heilverfahrens. Kammergericht, XL ZS. Urteil o. 11. Mai 1906.

Die Gänge des Klägers zum Arzt erfolgten zu dem Zwecke und in der Hoffnung, Heilung für sein Leiden zu finden, die dadurch entstandenen Kosten gehörten daher zu den „Kosten des Heilverfahrens". Der Kläger muß sich zu jenen Gängen sauber und ordentlich kleiden; häufige Gänge zum Arzt

bedingen daher für ihn eine gesteigerte Abnutzung seiner Garderobe.

Daß er

nach der Bekundung zum Teil die Gänge mit seinen täglichen Spaziergängen

verbinden konnte, zu denen er ebenfalls seine bessere Kleidung anzulegen pflegte, kann wohl bei Bemessung der Höhe des zuzusprechenden Betrages be­ rücksichtigt werden, ist aber nicht geeignet, diesen Anspruch als gänzlich un­ begründet erscheinen zu lassen. Einerseits konnte der Kläger bei der Länge des Weges von der Wohnung des Klägers nach der Wohnung des Arztes stets nur einen Teil dieses Weges zu Fuß zurücklegen und zu dem vorgeschrie­

benen Spaziergange benutzen. Anderseits war die Möglichkeit, den Spazier­ gang mit dem Wege zum Arzt zu verbinden, von dem jeweiligen Wetter ab­ hängig. Die häufigen Wege zum Arzt haben daher auf jeden Fall eine gesteigerte Abnutzung der Garderobe des Klägers zur Folge gehabt. Der Anspruch erscheint auch für die Dauer der Badereise des Klägers

als begründet. Denn nicht nur wird die Kleidung durch die lange Reise in erhöhtem Maße angegriffen, sondern der Kläger war auch genötigt, im Bade­

orte selbst bei dem ihm verordneten vielen Aufenthalt im Freien sich besser zu kleiden, als er dies zu Hause getan haben würde und nötig gehabt hätte. Der Beklagte bestreitet zwar auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen, daß die Badereise irgendwelche Heilungszwecke gehabt habe oder habe haben können.

Indessen hatte der behandelnde Arzt ausweislich seines Attestes die

Badereise zur Erzielung einer Besserung oder wenigstens eines Stillstandes des Leidens notwendig bezeichnet. Der Kläger durfte daher die Badereise als zu Heilungszwecken erforderlich betrachten und die ihm dadurch ent­ standenen Aufwendungen sind daher als zweckmäßig

aufgewendete Kosten eines Heilverfahrens anzusehen, auch wenn dieses Verfahren tatsächlich keinen

Heilerfolg gehabt hat.

F.

m) Im Dienste erlittener Betriebsunfall. OLG. Celle, II. ZS.

Urteil v. 12. Juli 1906.

Ende 1901 hat der Erblasser der Kläger, Oberpostassistent A., als er von seiner Wohnung nach dem Bahnhöfe ging, um die Post in einem dort

abgehenden Zuge zu begleiten, dadurch einen Unfall erlitten, daß er auf der

Straße infolge der Glätte zu Fall kam; eine Woche später verstarb er. Als ein im Dienste erlittener Betriebsunfall kann jedoch der Unfall nicht an­

gesehen werden.

Zweifelhaft ist schon, ob der Unfall erlitten ist, während

Er befand sich auf dem Wege zum Bahnhof.

Erst

dort begann — jedenfalls im gewöhnlichen Sinne — sein „Dienst".

Be­

A. „im Dienste" war.

reits den Hinweg

als Dienst im Sinne des Fürsorgeges. anzusehen, ist

nicht unbedenklich. Verläßt man die Grenze des eigentlichen Dienstantritts als den Beginn des Dienstes, so ist eine andere Grenze schwer zu finden. Die Frage kann aber auf sich beruhen, namentlich auch die Bedeutung des

Umstandes, daß der Verstorbene dienstlich verpflichtet war, amtliche Formulare zum Bahnhöfe und einen kleinen Bestand von Briefmarken von seiner Wohnung aus mitzubringen. Denn keinenfalls kann der Unfall ein „Betriebsunfall" genannt werden. Der Begriff erfordert zwar nicht, daß der Unfall infolge der mit dem Betriebe verbundenen besonderen Gefahren eingetreten ist, und zur Ver­ neinung eines Betriebsunfalles genügt nicht die Erwägung, daß ein solcher

Unfall, wie er eingetreten ist, auch jedem anderen bei dem Betriebe nicht Beschäftigten zustoßen kann. Aber erforderlich ist ein ursächlicher Zusammen­ hang des Unfalls mit dem Betriebe; der Unfall muß aus einer Gefahr ent­ standen sein, die mit dem Betriebe — hier mit dem der Postverwaltung — verbunden ist. Die Entsch. des RG. 52 S. 76 hat die Gefahr der Verletzung durch Blitzschlag für einen Briefträger als eine mit dem Postbetriebe in Zusammenhang stehende Gefahr bezeichnet, weil der Briefträger genötigt sei,

seinen Weg auch über freie Plätze oder unter hohen Bäumen zu nehmen. Um dergleichen handelt es sich aber hier nicht. Die Gefahr, auf glattem Wege auszugleiten, ist für einen Oberpostasfistenten, der sich zum Antritt seines Dienstes nach der Dienststätte begibt, keine solche, die mit dem Be­

triebe der Postverwaltung zusammenhängt, es ist für ihn vielmehr ledig­ lich eine Gefahr des gewöhnlichen Lebens. Daran kann auch die Tat­ sache nichts ändern, daß der Verletzte eine Handtasche oder bergt mit den

für die Ausübung seines Dienstes nötigen Kleidungsstücken bei sich hatte.

Dieser Umstand hat mit dem Sturze nichts zu tun. Veranlassung war nur die Glätte. Auch der Umstand, daß A. zu bestimmter Zeit auf dem Bahn­ höfe sein mußte, hat keine Bedeutung; denn er bedingt an sich durchaus nicht eine besondere Eile. Daß A. nach dem Unfälle sich zum Bahnhöfe

weiter begeben und sich dort erst krank gemeldet hat, könnte höchstens dann für die Charakterisierung eines Unfalls als eines Betriebsunfalles in Frage

kommen, wenn etwa diese Fortsetzung des Weges den Zustand des A. erst so verschlimmert hätte, daß der Tod als Folge des Stures eintrat....

H.ch.

n) Rechtsweg für Ansprüche eines Kommunalbeamten ans Uns fallsrente?

OLG. Breslau, I. ZS.

Beschluß v. 16. November 1906.

Die Stadt B. hatte dem Gelderheber A. auf Grund des § 13 des Für-

sorgeges. für Beamte und des hierzu erlassenen Ortsstatuts eine Unfallrente zugebilligt.

Nachträglich hat sie sie ihm wieder entzogen, weil er den Unfall

absichtlich herbeigeführt habe.

Daraufhin hat A. eine einstw. Verfügung auf

Zahlung der Rente beantragt. vom 30. Juli 1899

hat über

Allein nach § 7 des Kommunalbeamtenges. streitige vermögensrechtliche Ansprüche der

Kommunalbeamten, besonders auf Pension, der Bezirksausschuß zu beschließen. Als Pension im Sinne dieses Gesetzes ist auch die streitige Unfallsrente an­ zusehen.

Ein solcher Beschluß des Bezirksausschusses ist noch nicht ergangen,

die Beschreitung des ordentlichen Rechtswegs ist daher zurzeit unzulässig. G.d.

o) Haftung ans den für den Garanticsonds eines Berficherungsvereins gezeichnete» Anteilscheine« «ad Wechsel«. OLG. Braunschweig, II. ZS.

Urteil v. 21. Dezember 1906.

Der Kläger, ein Lebensversicherungsverein auf Gegenseitigkeit, hat zur Sicherung des Geschäftsbetriebes einen Garantiefonds von 300000 Mark durch Ausgabe von 500 auf den Namen der Darleiher lautenden Anteil­ scheinen zu 600 Mark aufgebracht; hiervon sind 25%, also 150 Mark auf jeden Anteilschein bar eingezahlt; der Rest ist durch Solawechsel ä 450 Mark

gedeckt.

Der Beklagte, auf Bezahlung seines Solawechsels belangt, hält sich

zum Widerruf seiner Zahlungsverpflichtung für berechtigt, nachdem die Auf­ sichtsbehörde den Geschäftsbetrieb dem Kläger untersagt hat und dieser in­

folgedessen in Liquidation getreten ist.

Diese Verteidigung ist jedoch un­

begründet. Der Grund der Wechselausstellung liegt in der mit der Zeichnung des Anteilscheins übernommenen Verpflichtung des Garanten, welcher Ver­ einsmitglied nicht zu sein braucht, sich an dem gesetzlich und statutarisch vor­ geschriebenen Garantiefonds in Höhe der gezeichneten Summe zu beteiligen und den garantierten Betrag dem Kläger durch Barzahlung und im Falle

des Bedarfs durch Einlösung der ausgestellten Sichtwechsel zur Verfügung zu stellen. Daß sich der Verein statutarisch verpflichtet hat, die bar ein­ gezahlten Beträge zu verzinsen und die Anteilscheine aus den Jahresein­

nahmen entsprechend dem Anwachsen eines Reservefonds zu amortisieren, kann

die rechtliche Natur des Garantiefonds als eines Darlehns ebensowenig be­ gründen, wie die in der Satzung sich findende Definition des Garantiefonds als eines unkündbaren Darlehns. Denn der eigentliche Zweck der Anteils­ zeichnung, Barzahlung und Wechselausstellung ist nicht kreditgeschäftlicher Natur, sondern besteht in der Bildung eines obligatorischen, zur Organisation

des Vereins nötigen Fonds zur Sicherung der Vereinszwecke, besonders zur eventuellen Deckung der Ansprüche der Versicherten. Diesem wirtschaftlichen

Grundgedanken würde es wenig entsprechen, wenn gestattet würde, daß sich

der Garant der durch sein Versprechen übernommenen Verpflichtung zur Auf-

bringung der nötigen Mittel zu einer Zeit entziehen dürfte, zu welcher der

Verein infolge seiner Auflösung und der dadurch bedingten Liquidation des garantierten Fonds behufs Abwicklung seiner Verbindlichkeiten am nötigsten bedarf. Daß der Garant mit einer gedeihlichen Entwicklung des Unter­ nehmens gerechnet und die Barzahlung als eine vorteilhafte Kapitalanlage

betrachtet hat, darf nicht dahin führen, seine Haftung gerade für den Fall auszuschließen, für den er sie übernahm.

Ganz gleichgültig ist es, auf welche

Gründe die Auslösung des Vereins zurückzuführen ist, insbesondere kann die Haftung nicht deshalb abgelehnt werden, weil, wie hier, die Auflösung aus

§ 67 PrivatVG. erfolgt ist, wonach die Aufsichtsbehörde den Geschäftsbetrieb untersagen kann, wenn die Unternehmung fortgesetzt den ihr obliegenden Pflichten zuwiderhandelt, oder wenn sich schwere Mißstände der angegebenen

Art ergeben oder der Geschäftsbetrieb den guten Sitten widerspricht.

Denn

der Zweck des Garantiefonds wird durch den Grund der Auflösung nicht berührt.

Nur insoweit würde der Garant die Erfüllung verweigern können,

als nach der Satzung seiner Haftung die Schuldentilgung durch Beiträge der

Vereinsmitglieder vorauszugehen hat.

Das ist hier nicht der Fall.

Ebensowenig kann der Beklagte den Nachweis verlangen, daß der ein­

geklagte Betrag zur Schuldendeckung notwendig sei.

Durch Ausstellung des

Sichtwechsels hat er seine Verpflichtung zur Zahlung lediglich auf eine durch den Ablauf von 4 Wochen seit Präsentation des Wechsels bestimmte Zeit sixiert. Dieser abstrakten Verpflichtung gegenüber hätte dem Beklagten ob­ gelegen, etwaige Einwendungen, daß der Garantiefonds nicht zu Liquidations­ zwecken verwandt werden solle, zu begründen und zu beweisen H.g.

a) Erfordernisse des Wechsels.

18 Art. 4 Ziff. 3 WO.

Kammergericht, XIII. ZS. Urteil v. 7. März 1907. Der Klagewechsel enthält an der Stelle, wo die Bezeichnung des Remit­

tenten zu stehen pflegt, nur die Worte „an eigene", auf der Rückseite trägt

er das Indossament des Ausstellers. Allein der Art. 43 erfordert den Namen

der Person, an welche oder an deren Order gezahlt werden soll. Daß eine ungenaue Bezeichnung des Remittenten nicht schlechthin schädlich ist, hat die Rechtsprechung stets angenommen, dagegen hat sie nicht von der Bezeichnung

des Remittenten überhaupt absehen können und z. B. die Bezeichnung „an Order von ... selbst" für unwirksam erachtet.

Ebenso unvollständig wie die letztgenannte ist aber auch die vorliegende Bezeichnung. Sie bedarf nicht

nur einer Auslegung und Erklärung, sondern einer Ergänzung durch das

Wort „Order" oder ein gleichartiges Wort, um verständlich zu sein.

Eine

solche Ergänzung, etwa mit Rücksicht auf das Indossament des Ausstellers, ist aber bei dem Charakter des Wechsels als einer Skripturobligation nicht zulässig, was als Wechselinhalt gelten soll, muß in der Wechselurkunde nieder­

geschrieben sein.

v. W.

bringung der nötigen Mittel zu einer Zeit entziehen dürfte, zu welcher der

Verein infolge seiner Auflösung und der dadurch bedingten Liquidation des garantierten Fonds behufs Abwicklung seiner Verbindlichkeiten am nötigsten bedarf. Daß der Garant mit einer gedeihlichen Entwicklung des Unter­ nehmens gerechnet und die Barzahlung als eine vorteilhafte Kapitalanlage

betrachtet hat, darf nicht dahin führen, seine Haftung gerade für den Fall auszuschließen, für den er sie übernahm.

Ganz gleichgültig ist es, auf welche

Gründe die Auslösung des Vereins zurückzuführen ist, insbesondere kann die Haftung nicht deshalb abgelehnt werden, weil, wie hier, die Auflösung aus

§ 67 PrivatVG. erfolgt ist, wonach die Aufsichtsbehörde den Geschäftsbetrieb untersagen kann, wenn die Unternehmung fortgesetzt den ihr obliegenden Pflichten zuwiderhandelt, oder wenn sich schwere Mißstände der angegebenen

Art ergeben oder der Geschäftsbetrieb den guten Sitten widerspricht.

Denn

der Zweck des Garantiefonds wird durch den Grund der Auflösung nicht berührt.

Nur insoweit würde der Garant die Erfüllung verweigern können,

als nach der Satzung seiner Haftung die Schuldentilgung durch Beiträge der

Vereinsmitglieder vorauszugehen hat.

Das ist hier nicht der Fall.

Ebensowenig kann der Beklagte den Nachweis verlangen, daß der ein­

geklagte Betrag zur Schuldendeckung notwendig sei.

Durch Ausstellung des

Sichtwechsels hat er seine Verpflichtung zur Zahlung lediglich auf eine durch den Ablauf von 4 Wochen seit Präsentation des Wechsels bestimmte Zeit sixiert. Dieser abstrakten Verpflichtung gegenüber hätte dem Beklagten ob­ gelegen, etwaige Einwendungen, daß der Garantiefonds nicht zu Liquidations­ zwecken verwandt werden solle, zu begründen und zu beweisen H.g.

a) Erfordernisse des Wechsels.

18 Art. 4 Ziff. 3 WO.

Kammergericht, XIII. ZS. Urteil v. 7. März 1907. Der Klagewechsel enthält an der Stelle, wo die Bezeichnung des Remit­

tenten zu stehen pflegt, nur die Worte „an eigene", auf der Rückseite trägt

er das Indossament des Ausstellers. Allein der Art. 43 erfordert den Namen

der Person, an welche oder an deren Order gezahlt werden soll. Daß eine ungenaue Bezeichnung des Remittenten nicht schlechthin schädlich ist, hat die Rechtsprechung stets angenommen, dagegen hat sie nicht von der Bezeichnung

des Remittenten überhaupt absehen können und z. B. die Bezeichnung „an Order von ... selbst" für unwirksam erachtet.

Ebenso unvollständig wie die letztgenannte ist aber auch die vorliegende Bezeichnung. Sie bedarf nicht

nur einer Auslegung und Erklärung, sondern einer Ergänzung durch das

Wort „Order" oder ein gleichartiges Wort, um verständlich zu sein.

Eine

solche Ergänzung, etwa mit Rücksicht auf das Indossament des Ausstellers, ist aber bei dem Charakter des Wechsels als einer Skripturobligation nicht zulässig, was als Wechselinhalt gelten soll, muß in der Wechselurkunde nieder­

geschrieben sein.

v. W.

b)

Domizilvermerk?

Erfordernisse des Wechselprotestes.

OLG. Rostock, I. ZS.

Urteil v. 24. September 1906.

Der Klagewechsel trägt den Vermerk: „zahlbar Reichsbanknebenstelle Br.", während als Wohnort des Bezogenen L. angegeben ist.

Aus dem Fehlen eines Verbindungswortes zwischen dem Worte „zahlbar" und den folgenden

Worten kann nicht gefolgert werden, daß es an der Benennung eines Domi­

ziliaten fehle, weil in Zweifel gelassen sei, ob der Bezogene im Lokale der

Nebenstelle selbst zahlen oder die Zahlung von der Bank erfolgen solle. Dem Erfordernisse der Benennung eines Domiziliaten wird dadurch genügt, daß deutlich eine andere Rechtspersönlichkeit als der Bezogene nach Namen oder

Firma bezeichnet ist, welche die Zahlung leisten soll. Nach den im Wechsel­ verkehr herrschenden Anschauungen ist dies durch den vorliegenden Vermerk

auch ohne ein Verbindungswort hinter „zahlbar" genügend geschehen.

Ein

Zweifel könnte nur hineingetragen werden durch Verbindungsworte rein ört­ licher Natur, wie „zahlbar auf dem Kontor der Bank", während ander­ seits selbst Zusätze örtlichen Charakters wie „zahlbar bei" und „zahlbar an der Kasse" im Verkehr und in der Rechtsprechung mit „zahlbar durch" und

„zahlbar durch die Kasse" als gleichbedeutend angesehen sind (vgl. Staub WO. §§ 7—10 zu Art. 24). Der Wechsel ist somit als eigentlicher Domizil­ wechsel anzusehen, und er war daher auch zur Erhaltung des wechselmäßigen

Anspruchs gegen den Akzeptanten bei dem Domiziliaten zu protestieren. Dies ist aber auch rechtsgültig geschehen. In der Protesturkunde erklärt der Notar,

daß er dem Bankdirektor 3E. als gesetzlichem Vertreter der Domiziliatin den Wechsel vorgelegt und ihn zur Zahlung aufgefordert habe, und daß der Bank­ direktor die Zahlung abgelehnt habe. Damit sind diejenigen Tatsachen, aus welche es für die Protesterhebung bei dem Domiziliaten ankommt, ganz unzwei­

deutig bekundet.

Sie werden auch durch den weiteren falschen Zusatz, daß

gegen den Bezogenen Protest erhoben werde, nicht wieder zweifelhaft ge­ macht. Dieser Zusatz ist eine ganz überflüssige Erklärung, der eine Bedeutung nicht zukommt, denn die Erklärung, Protest zu erheben, gehört überhaupt nicht zu den Erfordernissen des Wechselprotestes und ist daher nichts als eine leere Formel (Bolze 16 Nr. 291, 17 Nr. 307; IW. 1897 S. 87). Der

hier gegebenen Entscheidung widersprechen auch nicht die vom Beklagten zitierten Entscheidungen (Seuffert 55 Nr. 153, Rsp. 3 S. 414).

Chr.

c) Legitimation des Wechselinhabers, wen« ei« Indossament fällig oder widerrechtlich ausgrstricheu wurde. 1 Auch der unter der Adresse des Bezogenen befindliche Vermerk: „Zahlbar an Rostocker Bank, Agentur L., Otto S." enthält einen benannten Domiziliaten, nämlich den Inhaber

der Bankagentur Otto S. in L. (Urteil desselben ZS. v. 20. Dezember 1906). — „Direktion der Diskonto-Gesellschaft Berlin" ist die Firma einer allgemein bekannten, Bankgeschäfte be­ treibenden Aktiengesellschaft; der auf sie lautende Domizilvermerk enthält daher einen benannten

Domiziliaten.

Die Wechsel waren gegen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft zu pro­

testieren; in ihrer Abwesenheit brauchte der Notar nicht mit dem anwesenden Prokuristen zu

verhandeln (Entsch. des RG. v. 13. Februar 1907 I 16/06).

Kammergericht, XIII. ZS.

Urteil v. 11. März 1907.

Der Beklagte wird als Aussteller eines Wechsels an eigene Order be­

langt.

Auf dem Wechsel sind sämtliche Indossamente ausgeshichen, zur Zeit

des Protestes war dies nicht der Fall.

Der Kläger behauptet deshalb, den

Wechsel in dem früheren Zustande behufs Anstellung der Klage versandt zu

haben, auch der Prozeßbevollmächtigte habe die Indossamente nicht ausge­

strichen.

Dieser Nachweis ist aber unerheblich.

Das Indossament ist ein wechselrechtlicher Formalakt (Art. 11,12), die wechselrechtliche Wirkung der Übertragung des Wechsels ist an die Form

geknüpft und kann nicht ohne diese bestehen.

Ist zwar ein Indossament auf

den Wechsel gesetzt oder wieder ausgestrichen worden, so ist mit der Form

auch seine Wirkung vernichtet; ob die Zerstörung absichtlich geschah oder

nicht, ob sie von einem Berechtigten oder Unberechtigten ausging, macht hin­ sichtlich der Wirkungen keinen Unterschied. Die abweichende Ansicht, daß eine

zufällige Zerstörung des Wechselinhalts als Vernichtung der entsprechenden wechselmäßigen Erklärung nicht anzusehen sei, wird dem Charakter des Wechsels als einer Skripturobligation nicht gerecht. Das aus § 1004 ZPO. hergeleitete Bedenken, daß die Rechte au- abhanden gekommenen oder ver­

nichteten Wechseln durch das Aufgebotsverfahren gerettet werden können, und daher um so viel mehr der durch Zufall durchstrichenen aber noch kenntlichen Erklärung aus dem Wechsel ihre Wirkung müsse erhalten werden können, ist nicht stichhaltig. Dem Eigentümer eineS abhanden gekommenen Wechsels ist der Schutz gegen den Verlust seiner Rechte durch die ausdrückliche Vorschrift des Art. 73 verliehen worden, der § 1004 ZPO. hat diesen Schutz auch auf den Eigentümer des vernichteten Wechsels ausgedehnt, gegen die Folgen der Zerstörung einer einzelnen wechselmäßigen Erklärung ist ein solcher Schutz nicht gegeben und nicht etwa durch sinngemäße Anwendung zu erreichen, schon weil es an dem für den Fall des Verlustes oder der Vernichtung vor­

gesehenen Aufgebotsverfahren fehlt (ROHG. 19 S. 270). Daß unter Umständen auch ein durchstrichenes Indossament zum Nach­ teil des Inhabers berücksichtigt werden muß, steht nicht entgegen. Vor­ liegend handelt es sich um die streitige formelle Legitimation des Wechsel­ inhabers gemäß Art. 36.

sein, sie

reicht

Diese muß unter allen

Umständen vorhanden

aber nicht aus, wenn dem Verpflichteten der Nachweis

der mangelnden materiellen Legitimation des Inhabers gelingt, d. h. der

Nachweis, daß das Indossament nicht auf einem gültigen Begebungs­ vertrag beruht. Der Indossatar, der den von ihm indossierten Wechsel durch einen Zufall wieder in seine Hand bekommt, und sein Indossament unbefugt durchstreicht, ist formell, aber nicht materiell legitimiert, dies ist aber nicht die Folge davon, daß das Indossament als wirksam angesehen wird, sondern davon, daß er den Wechsel, nachdem er chn begeben hatte,

nicht durch einen neuen Begebungsakt wieder erlangt hat (vgl. Entsch. des

RG. 36 S. 98).

v. W.

18. Wechselordnung.

Art. 51.

411

d) Protestkosten. Entstehnngszeit. Girokonto. Abschreibung auf Grund eiues Schecks bei Konkurs des Scheckausstellers. a) OLG. Dresden, VII. ZS.

Urteil v. 11. Mai 1906.

A., der am 3. Juni in Konkurs ging, hatte ein Girokonto bei der klagenden Bank. Die Firma M. lieferte am 28. Mai bei dieser Bank einen zur

Verrechnung bestimmten Scheck des A. über 3000 Mark ein, er wurde sofort dem Konto des letzteren abgeschrieben, ist aber erst am 6. Juni dem Giro­ konto von M. zugeschrieben worden. Der Klägerin stehen aus Wechselakzepten

des A. 16000 Mark zu, dazu hat sie noch 150 Mark Wechselunkosten ge­ rechnet, die durch die Protestierung der erst nach der Konkurseröffnung fällig

gewordenen Wechsel entstanden sind; das Giroguthaben des A. betrug nach Abschreibung der 3000 Mark noch 14000 Mark, gegen welche die Klägerin ihre Forderung aufrechnet.

Der beklagte Konkursverwalter hält dagegen den

Anspruch auf die Wechselunkosten für unbegründet, auch erhöhe sich das Giro­ guthaben um die 3000 Mark des Schecks. Aus den Gründen: Der Anspruch auf die Wechselunkosten ist erst durch die Protestierung, also nach der Konkurseröffnung entstanden.

Es bestand nicht vorher eine

bedingte Forderung in Ansehung ihrer, vielmehr war da noch ungewiß, ob Protest erhoben werden würde, fest stand nur, daß, wenn ein solcher ordnungs­ mäßig erhoben werden sollte, die Wechselverpflichteten für deffen Kosten

aufzukommen hätten. Der Umstand, daß der Anspruch auf Ersatz dieser Kosten als Konkursforderung anerkannt ist, enthebt das Gericht nicht der Verpflichtung, selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen der vom Be­ klagten bekämpften Aufrechnung gegeben sind. Allerdings würden die dar­ gelegten Gründe dazu führen, dem Ansprüche die Eigenschaft einer Konkurs­

forderung zu versagen, durch die Feststellung der Tabelle ist aber nut diese Eigenschaft rechtskräftig ausgesprochen, aber die Frage nicht entschieden, ob die Forderung zur Aufrechnung dem Konkurse gegenüber verwendet werden

kann.... Der Auftrag des einen Girokunden zur Zahlung an einen anderen durch

enffprechende Buchungen auf den Girokonten wird von der Bank erst durch die Zuschreibung auf dem Konto des anderen ausgeführt. Vorher liegt eine Zahlung nicht vor, die Abschreibung auf dem Konto des Girozahlers ist nur ein vorbereitender Akt, der den Betrag noch nicht aus dem Ver­

mögen des letzteren ausscheidet und noch nicht in das Vermögen des Giroempfängers überträgt. Die Bank kann jederzeit die Buchung rückgängig

machen, ihr formelles Bestehen vermag daran nichts zu ändern, daß trotz

der Buchung der abgeschriebene Betrag im Vermögen des Girozahlers ge­ blieben ist, also auch, wenn Konkurs über ihn ausbricht, zur Konkursmasse gehört und dieser nicht mehr durch Zuschreibung auf den Giroempfänger entsprochen werden kann (Rsp. 6 S. 76).

aus § 231 KO.

Letzteres folgt ohne weiteres schon

Etwas anderes hat auch nicht zu gelten, wenn nicht ein ge­

wöhnlicher Auftrag des Girozahlers vorliegt, sondern dieser einen Scheck

ausgehändigt hat, der den Empfänger ermächtigen soll, die Zuschreibung von

der Girobank zu sordern.

Der Scheck ist eine Art der Anweisung (Entsch.

des RG. 44 S. 158; Annalen 21 S. 68, 24 S. 426; Seuffert 53 S.174). Ein Recht auf Zahlung dem Dritten gegenüber erwirbt aber der Empfänger

der Anweisung nur, wenn der Angewiesene sie angenommen hat (§ 784 BGB.;

Entsch. des RG. a. O. und US. 138).

Trotzdem wird die Ansicht ver­

treten, daß, da die Anweisung ein besonderes Rechtsinstitut sei, der An­

gewiesene auch nach der Konkurseröffnung zum Vermögen des Anweisenden die nichtangenommene Anweisung wirksam noch annehmen und honorieren Dem gegenüber könnte darauf hingewiesen werden, daß die An­

könne.

weisung ihrem inneren Wesen nach einen Auftrag enthalte, das Rechtsinstitut der Anweisung in der Tat sich auch im Anschluß an das des Auftrags ent­ wickelt habe; daß sie z. B. noch im § 1328 Sachs. BGB. als Auftrag be­ zeichnet werde, deshalb auch jetzt als eine besonders geregelte Abart des Auftrags

aufgefaßt werden dürfe und daher, mag immerhin der § 231 KO. unter Auf­

trag nur einen solchen i. S. der §§ 662 ff. BGB. verstehen, doch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die Anweisung aus deren innerem Wesen als Abart des Auftrags herzuleiten sei. Dem sei jedoch wie ihm wolle. Jedenfalls muß der § 8 KO. dazu führen, die Honorierung der Anweisung als dem Konkurse des Anweisenden gegenüber unverbindlich dann zu be­

handeln, wenn der Angewiesene vor der Konkurseröffnung dem Anweisungs­ empfänger zur Einlösung nicht verpflichtet war.

Der Angewiesene zahlt

regelmäßig für Rechnung des Anweisenden, sei es, um einen Anspruch des letzteren zu tilgen, sei es, um eine Forderung an ihn zu begründen.

Mit

der Leistung an den Anweisungsempsänger bewirkt er zugleich eine Leistung an den Anweisenden. Dieser kommt aber, falls sie nach der Konkurseröffnung

zur Tilgung einer Forderung des Gemeinschuldners erfolgte, nach § 8 dem

Konkurse gegenüber Rechtswirksamkeit nur dann zu, wenn das Geleistete in die Konkursmaffe gekommen ist.... M.z.

ß) Nachprüfung der Protestkoftcn Lurch Leu Judossauteu. Kammergericht, XIII. ZS.

Urteil v. 25. Juni 1906.

Das Landgericht hat die Mehrkosten abgesetzt, die dadurch entstanden sind, daß der Nachmann des klagenden Jndoffanten den in Steglitz zahlbaren

Wechsel nicht durch den dort wohnhaften, sondern durch einen Berliner Notar Allein der Jndoffant kann nach Art. 51 die ihm entstandenen Kosten beanspruchen, also auch die Protestkosten, die er gemäß hat protestieren lassen. Art.

50

seinem Nachmann

erstattet

hat.

Da

die

Regreßpflicht

einen

ordnungsmäßigen Protest voraussetzt, muß der Jndoffant prüfen, ob diese Voraussetzung vorliegt. Er ist aber nicht verpflichtet und meistens auch gar nicht in der Lage, zu prüfen, ob der Protest mit geringeren Kosten hätte

erhoben werden können, es kann ihm nicht zugemutet werden, daß er, falls Bedenken in dieser Beziehung obwalten, auf seine Gefahr die Einlösung ab­ lehnt und sich der Belastung mit Prozeßkosten, sowie der Schädigung seines

18. Wechselordnung.

Art. 51.

413

Sollte der Wechselschuldner nachweisen können, daß die er­ höhten Protestkosten mutwillig oder gar schikanös veranlaßt seien, so würde Kredits aussetzt.

er sich deshalb an den Protestanten halten können, ein Einwand gegen den Regressanten würde ihm nur zustehen, wenn auch diesem persönlich ein solcher Vorwurf gemacht werden könnte (Borchardt 590b zu Art. 51 WO.).

v.W.

e) Auslegung des Wechsels (Aval). Urteil v. 17. Mai 1906.

Kammergericht, XIII. ZS.

Der Kläger hat wegen der der ^-Gesellschaft m. b. H gelieferten Heiz­

anlage ein Akzept erhalten, das unter der Gesellschaftsfirma die Unterschriften der beiden beklagten Eheleute B. trug.

Er behauptet, daß die Unterschrift der

Frau B. ein Aval sei, welches ihm auf sein Verlangen nach einer persön­

lichen Wechselverpflichtung der Frau B. versprochen sei und nimmt diese persönlich in Anspruch, jedoch erfolglos.

Gründe: Die Unterschrift der Frau B. steht unmittelbar im Anschluß an das

Akzept und ist vermöge dieser Stellung als Aval anzusehen, wenn sie nicht zum Akzept selbst gehört. Ein Zweifel hierüber wird im allgemeinen nicht möglich sein, da das Akzept mit der Adresse übereinstimmen muß.

Die

Adresse des Klagewechsels enthält aber nur die Firma der bezogenen Gesell­ schaft ohne die Angabe ihrer gesetzlichen Vertreter, im Akzept ist diese Firma mechanisch hergestellt, sie wird also erst durch die hinzutretenden Unterschriften der Vertreter zur gültigen Willenserklärung. Es muß also mindestens eine der bei dem Akzept stehenden Unterschriften zu diesem gehören, dem äußeren Eindruck nach können es aber beide, und zwar sowohl die Unterschrift der Frau, bezüglich deren es streitig ist, wie die ihres Mannes, bezüglich deren es unstreitig ist. Da davon auszugehen ist, daß das Akzept von denjenigen

Vertretern gezeichnet worden ist, deren Zeichnung zur wechselmäßigen Ver­ pflichtung der Akzeptanten erforderlich war, ist zu prüfen, wie die Vertretungs­ verhältnisse der Bezogenen geordnet sind. Diese Prüfung ist zulässig, da die Vertretungsmacht nicht aus dem Wechsel hervoMgehen braucht, also, wo es sich um die Wirkungen der Handlungen des Vertreters handelt, anderweitig festgestellt werden muß (vgl. Staub Art. 95 § 9).

Der Gesellschaftsvertrag ist insofern unklar, als zunächst Theodor B. als Geschäftsführer bezeichnet, gleich daneben aber auch der Frau B. die Befugnis zur Vertretung der Gesell­ schaft eingeräumt ist. Nach § 6 des Ges. vom 20. April 1892 ist die Ver­

tretungsbefugnis der Geschäftsführer im Zweifel nur gemeinsam auszuüben, der Vertrag bestimmt keinenfalls ausdrücklich etwas Abweichendes und enthält auch sonst nichts, woraus auf eine selbständige Befugnis der beiden Vertreter

geschlossen werden könnte.

Das Registergericht ist offenbar auch davon aus­

gegangen, daß der Vertrag der Regel des § 6 gemäß auszulegen sei, da es keine abweichenden Bestimmungen eingetragen

hat.

Waren

hiernach

zur

wechselmäßigen Verpflichtung der Akzepten die Unterschriften beider Beklagten notwendig, so gehören beide Unterschriften zum Akzept, die Unterschrift der

Frau kann also nicht daneben eine selbständige wechselmäßige Verpflichtung

Daß zur Zeit der Akzeptation der Wechsel die Gesellschaft im Handelsregister noch nicht eingetragen war, also noch gar nicht bestand, ändert an dieser Auslegung des Wechsels nichts. Mögen die Beteiligten sich dieses darstellen.

Mangels nicht bewußt geworden sein oder angenommen haben, daß er durch die Eintragung geheilt werden würde, jedenfalls haben sie beabsichtigt, den Wechsel in der durch den Gesellschaftsvertrag vorgeschriebenen Form zu akzeptieren.

Unerheblich ist auch, ob der Kläger eine persönliche Verpflichtung der Frau verlangt und zugesagt erhalten hat.

Der Wechsel ist als Skriptur­

obligation seinem Inhalte nach auszulegen ohne Rücksicht auf den etwa ab­ weichenden wahren Willen der Beteiligten, dessen Erforschung dem späteren

Nehmer des zum Umlaufe bestimmten Papiers gar nicht möglich ist. Dies Gebot der materiellen Wechselstrenge greift auch durch, wenn wie hier im

ordentlichen Verfahren geklagt wird.

Darüber, ob Frau B. wegen ihrer

angeblichen Erklärungen gegenüber anderweitig haftbar gemacht werden kann,

ist nicht zu entscheiden, da die Klage auf die Wechsel gestützt ist.

v. W.

f) Protest außerhalb der Protrststunden. Kammergericht, XIII. ZS.

Urteil v. 19. März 1906.

Der Klagewechsel ist gegen die Domiziliatin Firma H. L. nach 6 Uhr nachmittags protestiert worden. Im Protest ist bezeugt, daß der Inhaber

der Firma Herr N. L. dazu seine Zustimmung erteilt habe.

Allein es ist

schon zweifelhaft, ob dieser Protest selbst unter der Voraussetzung, daß N. L. wirklich der Inhaber der Firma sei, als gültig angesehen werden könnte. Der Protest dient u. a. dazu, dem Regreßpflichtigen die Prüfung zu ermöglichen, ob der Regreßfall eingetreten sei. Dazu gehört, daß der Protest die landes­ gesetzlich (auch nach Erhebung der WO. zum Reichsgesetz) erforderliche Zustim­ mung feststellt, mithin, da die Zustimmung wirksam nur von dem Protestaten

ausgehen kann, erkennen läßt, daß und wie dessen Identität festgestellt sei. Während in gewöhnlichen Fällen der Protestbeamte nicht verpflichtet ist, die Identität der sich ihm unter unverdächtigen Umständen vorstellenden Person zu prüfen, liegt ihm, falls die Gültigkeit des Aktes von der Identität ab­ hängt, ob, eine solche Prüfung vorzunehmen und die Vornahme zu beur­ kunden. Ob diese Erwägungen schon dazu führen müssen, den Protest für ungültig zu

erklären,

ist

nicht zu erörtern,

da der Inhaber der Firma

H. L. nicht Herr N. L., sondern eine Frau L. war. Die Behauptung der Klägerin, daß ihr Prokurist Nathan L. mit dem Protestbeamten verhandelt habe, ist unerheblich. Ein Prokurist wäre befugt gewesen, die erwähnte Er­ klärung abzugeben, N. L. hat aber nicht als Prokurist, sondern als an­ geblicher Inhaber mit dem Protestbeamten verhandelt.

Außerdem geht die

Identität des Prokuristen Nathan L. mit N. L. aus dem Proteste nicht hervor.

Aus dem letzteren Grunde kann die Zustimmung des N. L. auch nicht deshalb für ausreichend erachtet werden, weil angeblich Nathan L. der wirk­ liche Geschäftsinhaber und Frau L. nur zum Schein als Firmeninhaberin im

Handelsregister eingetragen ist.

v. W.

18. Wechselordnung.

g)

Art. 88. 97.

415

Unrichtige Wechselabschrifl im Proteste. Kammergericht, XIII. ZS.

Urteil v. 24. Januar 1907.

Der Protest gab in der Wechselabschrift die Wechselsumme zwar neben

dem Datum mit 5000 Mark, im Text selber aber unrichtig auf Mark fünf

Allerdings hat nicht jede Inkongruenz zwischen Wechsel und Abschrift die Ungültigkeit des Protestes zur Folge; vielmehr sind geringere

Hundert an.

Ungenauigkeiten und Versehen daran unschuldig, wenn gleichwohl über die Identität des Wechsels und seine Beschaffenheit zur Zeit der Aufnahme des Protestes kein Zweifel besteht (Entsch.d. RG. 44 S. 122, IW. 1904 S. 56229). Die Klarheit des Protestes in diesem Sinne aber muß aus ihm selbst zu ent­ nehmen sein. Eine Ergänzung oder Berichtigung des Protestes, der beim Regreß gegen den Jndoffanten Solennitätsakt, nicht bloßes Beweismittel ist, durch andere Beweismittel ist unstatthaft.

Hier handelt es sich um eine Ab­

weichung, die durch eine andere Angabe der Wechselsumme den rechtlichen

Inhalt des Wechsels verändert (vgl. Staub 8 7 zu Art. 88; Bernstein,

WO. S. 379; Rehbein 4b zu Art. 87—90). Der Umstand, daß in der vorliegenden Wechselabschrift die Wechselsumme über dem Text in Zahlen, gleichlautend mit dem Klagewechsel auf 5000 Mark angegeben ist, läßt nicht erkennen, daß die ausgeschriebene Summe im Text, fünfhundert Mark, auf einem bloßen Schreibfehler beruht. Ein Wechsel des Inhalts, wie er in der Wechselabschrift wiedergegeben ist, würde nach Art. 5 als ein solcher über 500 Mark gültig sein. Das Vor­ handensein eines Schreibfehlers in der buchstabenmäßigen Summenangabe wird auch dadurch nicht klar, daß der in der Wechselabschrift wiedergegebene Stempel über mehr als 4000 bis 5000 Mark und die unter dem Protest stehende Kostenrechnung des Notars über einen Wertgegenstand von 5000 Mark

Denn die Möglichkeit liegt nahe, daß bei dem Aufkleben der Stempel­ marke und der Berechnung der Kosten im Wechsel selbst eine etwa vor­ handene Abweichung zwischen Buchstaben- und Ziffernbezeichnung der Wechsel­ summen nicht beachtet, vielmehr nur die ja gerade zur schnellen Orientierung bestimmte Zahl in der Überschrift ins Auge gefaßt wird. Sonach ist, wenn lautet.

man sich nur an die Protesturkunde hält, die Identität des protestierten mit dem eingeklagten Wechsel nicht zweifelsfrei. Die Berufung der Klägerin auf das Protestregister zur Berichtigung des der Wechselabschrift im Protest, ist hiernach unzulässig; auch ROHG. 8 S. 88 trifft den vorliegenden Fall nicht. Dort ist die Frage auf­ Fehlers

geworfen, ob die lückenhafte Wiedergabe des Wechsels in der dem Protest­ nehmer ausgehändigten Ausfertigung aus dem gerichtlichen Originalprotokoll ergänzt werden darf, mit Recht bejaht.

Hier ist aber gemäß Art. 62 des

preuß. FrG. dem Auftraggeber die Urschrift des Wechselprotestes ausgehändigt

und zum Protestregister eine beglaubigte Abschrift gefertigt worden.

h) Eigener Sichtwechsel mehrerer Anssteller. Ausgleichnngspflicht.

v. W.

Abrede« über deren

OLG. Braunschweig, II. ZS.

Urteil v. 3. Januar 1907.

Die Parteien, Mitglieder einer Genossenschaft, haben ihr zur Beschaffung neuen Kredits mit vier anderen Genossen einen von H. datierten Wechsel aus­ Da nach Art. 97 H. als Zahlungsort und als Wohnort aller Aussteller gilt, konnte der Wechsel an demselben Tage nicht bloß durch Frist­

gehändigt.

ablauf oder Klagerhebung, sondern auch durch Präsentation an alle Aussteller zur Fälligkeit gebracht werden.

Waren Geschäftslokale oder Wohnungen der

Aussteller auch durch Nachfrage bei der Ortspolizei oder auf sonst geeignete

Weise in H. nicht zu ermitteln, so war Protest „in den Wind" zu erheben

(Staub § 45 zu Art. 88; Entsch. des RG. 2 S. 59; IW. 1894 S. 122«; Seuffert 7 Nr. 238). übrigens würde eine Präsentation an alle Aussteller an demselben Tage auch dann möglich gewesen sein, wenn einer der Aus­

steller wirklich in B. wohnen und die Präsentaüon dort zulässig gewesen sein sollte (vgl. dazu Entsch. des RG. 62 S. 95). Der Ansicht des OLG. Marien­ werder, daß ein auf mehrere Personen gezogener Sichtwechsel deshalb un­

gültig sei, weil er den Bezogenen zu verschiedenen Zeiten vorgelegt werden könne, war nicht beizutreten. Auch die Entsch. des RG. 46 S. 138 geht

so weit nicht, sie läßt nur die Frage dahingestellt, ob ein gezogener Sicht­ wechsel rechtsunwirksam werde, wenn er den mehreren Bezogenen tatsäch­ lich an verschiedenen Tagen präsentiert worden sei. Die Frage bedarf hier keiner Entscheidung, da die Behauptung des Beklagten dahin geht, daß ihm der Wechsel überhaupt noch nicht präsenüert worden sei. Hier entsteht also nur noch die Frage, ob diese Unterlassung von Bedeutung ist. Da es sich hier um die Verpflichtung eines Ausstellers, nicht um einen Regreßfall handelt, und da nicht der Verzug, sondern nur der Verfalltag, der ja nur ein

und derselbe sein kann, festzustellen ist, ist die Frage zu verneinen.

Der

Verfalltag ist gegen alle Aussteller festgestellt, auch wenn der Wechsel nicht allen präsentiert worden sein sollte (Rehbein 3 zu Art. 30ff.). Der Wechsel ist hiernach als solcher gültig. Nachdem die Wechselschuld bis auf 5000 Mark bezahlt worden war, hat der Kläger diese Restschuld allein neu übernommen und mit 6*/2 % 8U ver­ zinsen versprochen. Namentlich diese Verzinsung spricht für die Annahme, daß er als Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers diesem gegen­

über eine neue Verbindlichkeit übernommen hat.

Da nun der Gläubiger ihm

den Wechselanspruch durch Erklärung auf dem Wechsel abgetreten und diesen übergeben hat, hat der Kläger die neue Verbindlichkeit an Erfüllungsstatt übernommen und dadurch den Gläubiger befriedigt (BGB. § 364*). Soweit ein Gesamtschuldner, also wie hier z. B. einer von mehreren Ausstellern eines

eigenen Wechsels, den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner aus ihn über (BGB. § 426Ob daneben noch für eine

rechtsgeschästliche Abtretung der Forderung Raum ist oder ob diese wenigstens

nur

unter

Berücksichtigung

des

Ausgleichungsverhältnisses

erfolgen

kann

18.

Wechselordnung.

Art. 97.

417

(Rsp. 5 S. 333), braucht hier nicht untersucht zu werden.

Soviel ist aber

gewiß, daß die übrigen Schuldner aus dem Ausgleichungsverhältnis eine

Einrede entnehmen können, wenn derjenige Gesamtschuldner, welcher den

Gläubiger befriedigt hat, auf Grund der rechtsgeschäftlichen Abtretung etwas beansprucht, was ihm nach dem Ausgleichungsverhältnis nicht zusteht (Entsch.

des RG. 52 S. 220; Seufsert 59 Nr. 154). Der Beklagte behauptet in dieser Beziehung, er habe bei der Unter­

zeichnung des Wechsels den Vorbehalt gemacht, daß er keine Haftung über­

nehme.

Damit kann natürlich nur der Ausschluß der Haftung im Verhältnis

der Wechselaussteller untereinander, nicht auch gegenüber dem Wechselgläubiger gemeint sein.... Hat der Beklagte seinen Mitausstellern B. und C. gegen­ über diesen Vorbehalt gemacht, so würde erst eine Vereinbarung zwischen ihm

und diesen beiden feststehen.

Den Kläger würde sie nicht berühren, selbst

wenn er sie bei dem Erwerb der Forderung gekannt hat, da er seinen An­ spruch nicht von B. oder C. ableitet.

Dagegen müßte er den Vorbehalt

gelten lassen, wenn er auch ihm gegenüber vereinbart worden.

Dies würde selbstverständlich dann der Fall sein, wenn er B. und C. beauftragt hätte, den Beklagten zur Unterschrift unter jenem Vorbehalt zu bewegen. Man muß jedoch noch weiter gehen. Der Wert des Wechsels wuchs durch die

Unterschrift des Beklagten nach außen selbst dann, wenn er den Ausschluß der Haftung im Verhältnis unter den mehreren Ausstellern vereinbarte. In­ sofern hatte der Kläger auch an der Unterschrift mit Vorbehalt ein Interesse. Solche Vorbehalte sind im Wechselverkehr auch nichts Ungewöhnliches.

Man

kann deshalb den vom Kläger an B. und C. etwa erteilten Auftrag un­ bedenklich so weit auslegen, daß er die Erlangung der Unterschrift des Be­ klagten auch mit jenem Vorbehalt umfaßte.

Folgeweis muß auch die

nachträgliche Genehmigung in diesem Sinne ausgelegt werden. Hat also der Kläger erfahren, daß B. und C. in seinem Namen den Beklagten zur Unter­ schrift bewogen haben, und hat er dies Handeln ohne Vertretungsmacht nach­ träglich als für ihn wirksam genehmigt, so ist auch der Vorbehalt des Haftungsausschlusses trotz seiner Unkenntnis von dieser besonderen Bestim­ mung gegen ihn wirksam.... Zu einer Verzinsung mit 6% °/0 ist der Beklagte nicht verpflichtet. Macht der Kläger die auf ihn übergegangene Forderung des Gläubigers

geltend, so ergibt sich von selbst, daß er nicht mehr als 6°/0 beanspruchen

kann. Aber auch dann, wenn er lediglich Ausgleichung verlangt, kann er nur 6°/0 Zinsen beanspruchen, denn wer den Gläubiger durch Hingabe an Erfüllungsstatt befriedigt, kann nicht mehr als den Wert der geschuldeten Leistung erstattet verlangen (v. Staudinger 7a und Planck 4 zu 8 426

BGB.).

Der § 2882 BGB. ist hier nicht anwendbar; denn da der Kläger

die Verzinsung zu dem höheren Zinsfüße schon bei und zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers zugesagt hat, kann sie keine Folge des Verzuges

des Beklagten gegenüber dem Ansprüche des Klägers sein. OLSMs». XIV.

H.g. 27

19 a) Reklame durch Jnseratennachdruck.

OLG. Dresden, IL ZS.

Urteil v. 15. Januar 1906.

Ob unbefugter Jnseratennachdruck unter § l4 fällt, entscheidet sich nach den Umständen des einzelnen Falles. Nicht jede unrichtige tatsächliche An­ gabe oder deren Verschleierung gilt als unerlaubte Reklame. Wie die un­ wahre Angabe geeignet sein muß, nach dem Gegenstände, auf den sie sich bezieht, das Angebot als ein im Verhältnisse zu Konkurrenzangeboten vor­ teilhafteres erscheinen zu lassen und dadurch zum Nachteile redlicher Mit­ bewerber Kunden anzulocken (Motive 1 zu § 1 *), so muß die Verschleierung (§ 14) sich als eine Veranstaltung kennzeichnen, darauf berechnet und geeignet,

die Stelle der unrichtigen Angabe selbst zu vertreten.

Die Veranstaltung aber

erfordert begrifflich eine in die äußere Erscheinung getretene Kundgebung

(IW. 1901 S. 255).

Dem Preßgewerbe, vor allem soweit es sich mit perio­

dischen Druckschriften i. S. des § 7 PreßGes. befaßt, ist aus geschäftlichen und technischen Rücksichten die Gepflogenheit nicht fremd, anderswoher unbestellte und unbezahlte Anzeigen (Füllinserate) aufzunehmen. Das Publikum weiß das auch und rechnet damit.

Hier aber sind die vom Beklagten aus der

Zeitung der Klägerin herübergenommenen Familienanzeigen so zahlreich, daß dem erwähnten statthaften Gebrauche und der Publikums der Boden entzogen ist.

berechtigten Annahme des War etwa ein Drittel aller Familien­

anzeigen der Beklagten aus der Zeitung der Klägerin ohne deren Zustimmung entlehnt, so lag darin der Ersatz der öffentlichen Kundgebung der Beklagten

an ihre Leser, die betreffenden Personen hätten in der bei solchen Anzeigen üblichen Weise sie gegen Entgelt mit deren Abdruck beauftragt.

Die Leser

mußten nach dem Willen der Beklagten annehmen, daß ihr Blatt eine sehr weit verbreitete, namentlich bei den besseren Ständen, deren Anzeigen sie sich

aus den anderen ausgesucht hatte, beliebte und darum besonders zu vorteil­ hafter Reklame geeignete Zeitung sei, die den Vorzug vor Konkurrenzblättern verdiene.

Der Einwand, den Lesern einer Zeitung seien die Inserate über­

haupt gleichgültig, widerstreitet der Erfahrung des täglichen Lebens.

Auch

kommt es nicht darauf an, welchen Sinn und Zweck die Beklagte im übrigen ihrem Verfahren beigelegt hat, sofern es nur darauf abzielte, eine vom Gesetz mißbilligte Reklame zu machen; sogar der gute Glaube an ihre Befugnis zu­

folge vorheriger Anfrage bei den Inserenten würde sie nicht entschuldigen, wenigstens nicht gegenüber der Klägerin, in deren Rechte sie eingriff. Hier­ nach ist der Klaganspruch auf Unterlaffung des gerügten Abdrucks ohne Her­

vorhebung des Umstandes, daß die Familienanzeigen aus einer anderen Zeitung entnommen seien, begründet (Sächs. OLG. 21 S. 48, 24 S. 399). Dr. v. F. b) Innung als Klägerin zum Schutze gegen uulautereu Wett­ bewerb. Begriff der Töpferei. OLG. Hamburg, II. ZS.

Urteil v. 1. Februar 1906.

Die klagende Innung ist eine Korporation öffentlichen Rechtes, allgemein

berufen zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mit­ glieder. Daß weder in der Gewerbeordnung bzw. ihrer Novelle, noch in dem

Statute der Innung vorgeschrieben ist, daß sie zur Geltendmachung von An­ sprüchen aus dem Wettbewerbgesetze berufen sei, ist ohne Bedeutung. Ihr Beruf hierzu ergibt sich aus dem Wettbewerbgesetze selbst.

Ist sie ein Ver­

band zur Förderung gewerblicher Interessen, und als Innung nur überhaupt

in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu klagen befugt, so ist damit ihre Legiti­ mation zur Klage nach § 1* ohne weiteres gegeben. Auch war angesichts

des § 92 b GewO, der Vorstand zur Klagerhebung kraft der ihm durch das

Gesetz allgemein erteilten Vollmacht legitimiert und Dritte sind nicht be­ rechtigt, ihm entgegenzusetzen, daß er seine Vollmacht überschritten habe, indem er den Prozeß, ohne zuvor den vermeintlich erforderlich gewesenen

Beschluß der Jnnungsversammlung herbeizuführen, angestrengt habe.

An

dieser Sachlage wird auch dadurch nichts geändert, daß der Beklagte Zwangs­ mitglied der Innung war; denn er steht hier dem Vorstande nicht als Mit-

glied der Innung, sondern wie jeder beliebige Dritte gegenüber, dem vorgeworfen wird, daß er sich des unlauteren Wettbewerbes schuldig ge­ macht habe. In der Sache darf sich der Beklagte nach Hamburger Sprachgebrauche

Töpfer nennen. Allein er hat sich hierauf nicht beschränkt, sondern seinen Betrieb als Töpferei, speziell Kunsttöpferei, bezeichnet und damit der Wahr­ heit zuwider ausgedrückt, daß er eine Betriebsstätte habe, in welcher Töpfer­ waren hergestellt werden. Indem er dies tat, hat er über geschäftliche Verhältniffe unrichtige Angaben tatsächlicher Natur gemacht, und zwar solche, die geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervor­

zurufen. Denn das Publikum wird durch diese Angabe zu der irrigen An­ nahme verleitet, daß der Beklagte ihm unter Ausschaltung des die Waren verteuernden Zwischenhandels Waren eigner Produktion zu verkaufen in der

Lage sei, daß es bei ihm unmittelbar an der Quelle zu kaufen die Möglich­ keit habe. M. M.

c) StaatSmrdaillei» für gewerbliche Leistungen. einzelne Fabrikate. OLG. Hamburg, VI. ZS.

Verwendung für

Urteil v. 5. Januar 1907.

1892 verlieh der preußische Handelsminister dem Fabrikanten M. die Erst später (1899) begann M. die

Medaille „für gewerbliche Leistungen".

Herstellung und den Vertrieb der jetzt streitigen Marke „Mora". 1902, nachdem

M. inzwischen seine Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hatte, schrieb ihr der derzeitige Minister, daß mit der Umwandlung die sich aus der Ver­

leihung der Staatsmedaille ergebenden Rechte erloschen seien, daß er aber

ihre Fortführung gestatte, weil die Firma auch jetzt noch dm Voraussetzungm

entspreche, die für die Verleihung der Medaille seinerzeit maßgebend gewesm. 27*

Somit ist die Auszeichnung auch auf die 1902 erfolgten gewerblichen Leistungen zu beziehen, mag man im übrigen von einer Neuverleihung der Medaille sprechen oder nicht.

Es kann sich daher ausschließlich darum handeln, ob mit der Aus­

zeichnung der gewerblichen Leistungen der Beklagten auch die Auszeichnung des damals bereits hergestellten und vertriebenen Fabrikats „Mora" gegeben war....

Dies ist die teuerste, also doch wohl die wertvollste Marke der Be­

klagten. Da aber die gewerblichen Leistungen einer Fabrik vornehmlich in ihren wesentlichen und besten Fabrikaten verkörpert sind, so muß die Aus­ zeichnung der ersteren notwendig auch die letzteren mitbegreifen.

Der vom

RG. behandelte Fall lag insofern anders, als die „Verdienst^" einer Firma auf irgend einem Gebiete der Prämiierung höchst würdig erscheinen

können, ohne daß damit gesagt zu sein braucht, daß ein bestimmter für sie patentierter Gegenstand auch nur irgendwie für eine Prämiierung in Betracht kommt. Ebensowenig würde die Beklagte berechtigt sein, irgend ein beliebiges ihrer Fabrikate öffentlich als mit der Medaille prämiiert zu bezeichnen.

Allein die „Mora" darf sie als in dieser Weise ausgezeichnet bekanntgeben. Es erscheint undenkbar, daß der Minister die Fortführung der Medaille, zumal

unter der angegebenen Erklärung, gestalten konnte, wenn die vornehmste ge­ werbliche Leistung der Beklagten als nicht auszeichnungswürdig oder als von der Auszeichnung nicht mit betroffen gedacht werden kann.

M. M.

d) Begriff der tatsSchltchen Behauptung. «) OLG. Braunschweig, I. ZS.

Urteil v. 26. Januar 1906.

Der Beklagte hat nicht lediglich und schlechthin behauptet, die vom

Kläger angewandte Tangentialführung tauge nichts und die von ihm in A. hergestellten Führungsschienen seien verschliffen oder eingefeilt; sondern der Beklagte hat, gestützt auf die Ausführungen eines Fachblattes, seine Ansicht,

die Tangentialführung im allgemeinen — nicht etwa deren dem Kläger patentierte spezielle Art — sei nur bedingt, nämlich bei nicht teleskopierten Gasbehältern zu empfehlen, geäußert und sich für die Richtigkeit dieser Ansicht auf den Gasometer in A. bezogen. Er hat ein fachmännisches Urteil ab­ gegeben und es mit den Erfahrungen an einem Spezialfalle begründet. Zwar liegt in dieser Begründung eine Behauptung tatsächlicher Art in bezug auf eine klägerische Leistung.

Allein nach dem für die Ermittlung des Zweckes

und des Sinnes dieser Behauptungen maßgebenden Zusammenhang« derselben

mit dem übrigen Inhalte des Gesprächs kann weder angenommen werden,

daß die Behauptung aufgestellt ist zu Zwecken des Wettbewerbs, noch daß sie geeignet gewesen ist, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des

Klägers zu schädigen. Als ein Mittel zu Wettbewerbszwecken würden die Äußerungen des Beklagten nur angesehen werden können, wenn seine Absicht

dahin gegangen wäre, den Wettbewerb der von ihm vertretenen Gasometer­ fabrik auf Kosten des Klägers zu fördern. Der Zweck seiner Äußerungen

ging aber nach deren Inhalt nur dahin, die Methode der Tangentialführung bei den Gasbehältern im allgemeinen einer Kritik zu unterziehen.

Sie

hatten lediglich ein rein sachliches Interesse für die Baukommission und über­ schritten diese Grenze nicht deshalb, weil der Beklagte sich zur Begründung

seiner theoretischen Ansicht eines Beispiels bediente, das aus dem Geschäfts­

verkehr des Klägers entnommen war.

Zwar würde hierin eine Herabsetzung

der klägerischen Leistung zu Wettbewerbszwecken liegen, wenn der Beklagte die Tangentialführung als eine Spezialität des Klägers hingestellt hätte. Das ist aber keineswegs der Fall gewesen; vielmehr war aus seinen Äußerungen zu entnehmen, daß jede der beiden Firmen auf Wunsch jede Konstruktion

liefere, wie dies nach den Behauptungen des Beklagten bei seiner Gasometerfabrik tatsächlich der Fall ist. Die an den Gasbehältern in A. geübte Kritik enthielt

daher zugleich eine Kritik der eigenen Herstellungsmethoden der Gasometer­ fabrik, und es kann in ihr nicht der Zweck gefunden werden, die Baukommission zu einer Bestellung an die Gasometerfabrik dadurch zu gewinnen, daß der Kläger durch eine Herabsetzung seiner Leistungen von dem Wettbewerbe zurückgedrängt wurde. Die Äußerungen des Beklagten, wenn ihnen Beachtung

geschenkt wäre, hätten daher auch nur den Erfolg haben können, auf die

Entschließungen der Baukommission in der Richtung einzuwirken, daß sie bei Bestellung des Gasometers die vom Beklagten befürwortete Konstruktion zur Bedingung gemacht hätte; sie konnten aber nicht dahin führen, und haben

auch nicht dahin geführt, bei der Bestellung selbst die vom Beklagten ver­ tretene Gesellschaft vor dem Kläger zu bevoqugen oder diesen von dem Wettbewerb gänzlich auszuschließen. H.g. ß) OLG. Colmar, HI. ZS. Urteil