Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention [1 ed.] 9783428411115, 9783428011117


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German Pages 263 [270] Year 1966

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Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention [1 ed.]
 9783428411115, 9783428011117

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KARL JOSEF PARTSCH

Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention

Die Recllte und Freiheiten der europäischen Menscllenrechtskonvention

Von

Dr. iur. Karl Josef Partsch Ordentlicher Professor der Rechte an der Johaunee Guteoberg-Univenität zu Mainz

DUNCKER&HUMBLOTIBERLIN

Sonderdruck aus dem Handbuch "Die Grundrechte", Bd. I

Alle Rechte vorbehalten

@ 1966 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1966 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin .61 Printed in Germany

Meinem verehrten Lehrer ERICH KAUFMANN

in Erinnerung an die Lehrjahre 1950-1955

Inhaltsü hersieht•

Abkürzun~en

5

1. Absdmitt: Einführung I. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

11. Geschichte des Konventionswerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Anhang: Ratifikationstabelle- Stand August 1965 . . . . . . . . . . . . . . . .

19

III. Arbeitsmaterial (Dokumente, Entscheidungen, Literatur) . . . . . . . . . . . 20 1. Amtliche Publikationen der Straßburger Organe . . . . . . . . . . . . . . . .

2. 3. 4. 5.

Die Texte der maßgeblichen Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlagen über die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Straßburger Spruchpraxis und nationale Judikatur . . . . . . . . . . . . . Die Literatur zum Konventionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 22 22 23 24

2. Absdmitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung I. In der Völkerrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ihr Vertragscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Stellung der Konvention zu den anderen Rechtsquellen des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Art der durch die Konvention begründeten Verpflichtungen (a) Staatenverpflichtungen und Individualrechte (S. 32), (b) Die Festlegung ·eines Mindeststandards (S. 34)

27 27 29 32

• Die Artikelangaben ohne Zusatz beziehen sich auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK oder "Konvention"). Die nur mit dem Namen (oder mit Namen und einem Schlagwort) zitierten Arbeiten sind in das Schriftenverzeichnis (S. 245) aufgenommen. Die für Dokumente und Publikationsorgane benutzten Abkürzungen ergeben sich aus dem Abkürzungsverzeichnis (S. 5). Die in dem Beitrag erläuterten Artikel der Konvention sind jeweils zu Beginn der ihnen gewidmeten Ausführungen in der maßgeblichen Fassung und in deutscher "Obersetzung wiedergegeben.

Inhaltsübersicllt

2

11. Der Standort der Konvention in der staatlichen Rechtsordnung . . . .

37

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Aus der Konvention herzuleitende Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 (a) Art. 13 (S. 37), (b) Art. 57, Das Berichtssystem (S. 43), (c) Art. 25 Abs. 1 (S. 44) 3. Das nationale Recht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (a) Allgemeines (S. 46), (b) Bundesrepublik Deutschland (S. 47), (c) Übersicht über das Recht der anderen Vertragsstaaten (S. 51)

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen I. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Der räumliche Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Der persönliche Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Der sachliche Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Der zeitliche Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

11. Geltungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. Die Spezialität der Schrankenstufung (Art. 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Vorbehalte (Art. 64) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notstandsklausel (Art. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sonderbehandlung von Ausländern (Art. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sicherung gegen Freiheitsfeinde (Art. 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 70 72 78 79

III. Auslegungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Wortlaut und Sprachenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Charakter und Zweck der Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Heranziehung von Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 85 87

IV. Das Diskriminierungsverbot (Art. 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. 3. 4. 5.

f . Abschnitt: Die einzelnen Rechte und Freiheiten

I. Die Hauptkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines (Art. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Recht auf das Leben (Art. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Torturverbot (Art. 3) .. .. ........ . .. . . . ... . ... ....... . ...... 4. Das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit (Art. 4) . . . . . . . . . . . . (a) Sklaverei (S. 112), (b) Zwangsarbeit (S. 112), (c) Die Ausnahmen des Abs. 3 (S. 114)

96 96 99 106 110

Inhaltsübersicht

3

5. Die persönliche Freiheit (Art. 5) . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 117 (a) Entstehungsgeschichte (S. 120), (b) Wirkung der Garantie (S. 120), (c) Inhalt der Garantie (S. 122), (d) Vom Gericht angeordnete Freiheitsentziehung - Abs. 1 lit. a (S. 124), (e) Abs. 1 lit. b (S. 125), (f) Abs. 1 lit. c und Abs. 3 (S. 130), (g) Der Anspruch auf fristgerechte Aburteilung (S. 131), (h) Abs. 1 lit. d und e (S. 134), (i) Abs. 1 Lit. f (S. 135), (k) Würdigung des Abs. 1 (S. 135), (1) Abs. 2 (S. 136), (m) Abs. 4 (S. 136), (n) Abs. 5 (S. 137) 6. Das Recht auf gerechtes gerichtliches Verfahren (Art. 6) ........ 138 (a) Obersicht (S. 140), (b) Entstehung (S. 141), (c) Anwendungsbereich (S. 141), (d) Rechtsweggarantie (S. 149), (e) Die allgemeinen Prozeßprinzipien (S. 150), (f) Die Unabhängigkeit und Unparteiischkeit der Gerichte (S. 155), (g) Der Anspruch auf ein fristgerechtes Urteil (S. 156), (h) Die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (S. 157), (i) Die Rechte des Angeklagten gem. Abs. 2 und 3 (S. 158), (k) "in dubio pro reo" - Abs. 2 (S. 159), (1) Die Einzelrechte gem. Abs. 3 lit. a-e (S. 161), (m) Unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 6 (S. 167), (n) Auswirkungen des Art. 6 (S. 168). 7. Das Verbot rückwirkender Strafgesetze (Art. 7) ....... . ........ .. (a) Entstehungsgeschichte in den VN (S. 170), (b) Entstehungsgeschichte im Europarat (S. 173), (c) Art. 7 im Deutschen Bundestag (S. 173), (d) Straßburger Praxis (S. 174). 8. Der Schutz des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Nachrichtenverkehrs (Art. 8) ....... . ................. . ... ... (a) Entstehungsgeschichte (S. 180), (b) Verhältnis zum deutschen Recht (S. 180), (c) Die Einschränkungen nach Abs. 2 (S. 181), (d) Die Intimsphäre des einzelnen (S. 182), (e) Der Schutz des Familienlebens (S. 184), (f) Das Recht auf Achtung der Wohnung und des Briefver kehrs (S. 188). 9. Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9) . .. . . . (a) Bedeutung (S. 191), (b) Inhalt (S. 193), (c) Formen der Ausübung (S. 194), (d) Einschränkungen (S. 196) 10. Die Meinungsfreiheit (Art. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorarbeiten und Inhalt (S. 200), (b) Einschränkungen (S. 203), (c) Straßburger Praxis (S. 205). 11. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11) .......... (a) Inhallt (S. 209), (b) Versammlungsfreiheit (S. 209), (c) Vereinigungsfreiheit (S. 209), (d) Koalitionsfreiheit (S. 210), (e) Einschränkungen (S. 211), (f) Sonderbestimmung für besondere Gewaltverhältnisse (S. 211). 12. Das Recht der Familiengründung (Art. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das neue Recht (S. 213), (b) Inhalt (S. 214), (c) Besondere Gewaltverhältnisse und Ausländer (S. 215).

169

179

190 198 208

212

11. Das 1. Zusatzprotokoll . ... . . . . ............ .... .. . . .. .. . ........ . ... 217 1. Eigentum (Art. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (a) Herkunft (S. 219), (b) Vorbild (S. 219), (c) Vorarbeiten der Beratenden Versammlung (S. 220), (d) Vorarbeiten des Ministerkomitees (S. 221), (e) Die Regelung von Art. 1 (S. 223), (f) Gesamtbild (S. 225), (g) Auswirkungen auf das nationale Recht (S. 226), (h) Gegenstand (S. 227), (i) Formen der Inanspruchnahme (S. 228), (k) Die Entschädigungsfrage (S. 229).

Inhaltsübersicht

4

2. Das Recht auf Erziehung und das Elternrecht (Art. 2) . . . . . . . . . . . . 231 (a) Vorbemerkung (5. 231), (b) Entstehungsgeschichte in der Ber. Vers. (5. 233), (c) Entstehungsgeschichte im Ministerkomitee, (5. 235), (d) Inhalt der Garantie (5. 237). 3. Das Recht auf freie Wahlen (Art. 3) ............................ 241 (a) Vorgeschichte (5. 241),. (b) Rechtscharakter (5. 243), (c) Inhalt (5.244).

Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Entscheidungsregister • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Sachregister

. . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . 259

Abkürzungen a.A. AA Abg. AG AG AG AHK Ann. AöR ArbG Art. AS

B

BayObLG BayVerfGH BayVerwBl. Bd. BDH BDO belg. Ber. Beschl. BFH BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BRAO BRD British Institute BSHG

BT

BV BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE

= anderer Ansicht = Auswärtiges Amt = Abgeordneter = Aktiengesellschaft = Amtsgericht = Ausführungsgesetz = Alliierte Hohe Kommission = Annuaire (vgl. Schrifttum/Sammelwerke) = Archiv für öffentliches Recht = Arbeitsgericht =Artikel = Conseil de l'Europe, Assemblee Consultative, Documents de Seance (mit Angabe der Sitzungsperiode, also (1) = 1949, (2) = 1950, (3) = 1951, (4) = 1952 usw. und der Nummer der Dokumente = Beschwerde an die Europäische Menschenrechtskommission (s. S. 21) = Bayerisches Oberstes Landgericht = Bayerischer Verfassungsgerichtshof = Bayerische Verwaltungsblätter =Band, Bände = Bundesdisziplinarhof = Bundesdisziplinarordnung = belgisch =Bericht =Beschluß = Bundesfinanzhof = Bürgerliches Gesetzbuch = Bundesgesetzblatt = Bundesgerichtshof = Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen = Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen = Bundesrechtsanwaltsordnung = Bundesrepublik Deutschland = vgl. Schrifttum/Sammelwerke = Bundessozialhilfegesetz =Bundestag = Beratende Versammlung des Europarats = Bundesverfassungsgericht = Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts = Gesetz über das Bundesverfassungsgericht = Bundesverwaltungsgericht = Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

6 CEDH CM Colloque Strasbourg Colloque Vienne Convention CR

DDR DH Diss. DiszO DJT DÖV DRiZ Drs., Drucks. DVBl. DVO E

E (mit Datum)

ECHR EG EGKS Einl. Entw. EPG ER ES EWG FamRZ FG FGG FürsPflVO G GBl. GG GS GVBl. GVG HogeRaad IAO i. d. F. JBL JböffR JGG

JIR JZ KG

Abkürzungen = vgl. Schrifttum/Sammelwerke = Council of Ministres (Ministerkomitee des Europarates = vgl. Schrifttum/Sammelwerke = vgl. Schrifttum/Sanunelwerke = Convention Europeenne des Droits de l'Honune et des Libertes fondamentales = Conseil de l'Europe, Assemblee Consultative, Compte rendu des debats (mit Angabe der Sitzungsperiode und Seitenzahl der zweisprachigen Ausgabe) = Deutsche Demokratische Republik = Droits de l'Homme = Dissertation = Disziplinarordnung = Deutscher Juristentag = Die öffentliche Verwaltung = Deutsche Richterzeitung = Drucksache = Deutsches Verwaltungsblatt = Durchführungsverordnung = Entscheidung = Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission (s. S. 21) = vgl. CEDH = Einführungsgesetz = Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl = Einleitung =Entwurf = Europäische Politische Gemeinschaft = Europarat = Entscheidungssammlung = Europäische Wirtschaftsgemeinschaft = Zeitschrift für das gesamte Familienrecht = Finanzgericht = Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit = Fürsorgepflichtverordnung =Gesetz = Gesetzblatt = Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland = Gesetzessammlung = Gesetz- und Verordnungsblatt = Gerichtsverfassungsgesetz = Nederlands Hoge Raad (Oberster Gerichtshof) = Internationale Arbeitsorganisation = in der Fassung = Juristische Blätter = Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart = Jugendgerichtsgesetz = Jahrbuch für Internationales Recht = Juristenzeitung = Kammergericht

Abkürzungen Konvention LG Manuel MDR MRK MRVO

7

= Menschenrechtskonvention

= Landgericht

= vgl. Schrifttum/Sammelwerke

= Monatsschrift für Deutsches Recht = Menschenrechtskonvention

= Militärregierungsverordnung

=

Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge = niederländisch Ndl. Nederlands Tijdschrift = Nederlands Tijdschrift vor international Recht = NeueFolge NF = Nederlands Jurisprudentie NJ NJW = Neue Juristische Wochenschrift Nr. =Nummer ÖJZ = Österreichische Juristenzeitung OLG = Oberlandesgericht österr. ZöR = Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht = Oberverwaltungsgericht OVG Par. = Paragraphe = Pasicrisie Beige - Recueil glmeral de la jurisPasicrisie prudence de cours et tribunaux et du Conseil d'Etat de Belgique = Permanent Court of International Justice PCIJ PolG = Polizeigesetz Prot. =Protokoll = Polizeiverwaltungsgesetz PVG Rec. = Recueil (s. Schrifttum/Sammelwerke) = Conseil de l'Europe, Assemblee Consultative, Res. Resolutions adoptees (Mit Angabe der Sitzungsperiode und laufender Nummer) RC = Recueil des Cours de l'Academie de Droit International RDP = Revue du Droit public et de la science politique Recommandation = Conseil de l'Europe, Assemblee Consultative, Recommandations au Comite des Ministres (mit Angabe der Sitzungsperiode u. laufender Nummer) RuStAG = Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz s. =Seite Semaine de Bruges = vgl. Schrifttum/Sammelwerke Sess. =Session s. 0. =siehe oben s.u. = siehe unten SR = Summary Report (Bei UN-Dokumenten) StAZ = Zeitschrift für Standesamtswesen Sten.Ber. = Stenographische Berichte StGB = Strafgesetzbuch StiGH = Ständiger Internationaler Gerichtshof StPO = Strafprozeßordnung Strupp-Schlochauer,Wör·= Strupp- Schlochauer, Wörterbuch des Völkerterbuch rechts, Berlin, Bd. I 1960, Bd. II 1961, Bd. III 1962 UN = United Nations UN-Convenant 1948 = Entwurf der Menschenrechtskommission der VN = ND

2 Partsch

8

Abkürzungen UN Doc. E/CN 4/95 Annex B

UN-Convenant 1949

= desgleichen: UN Doc E/1371- E/CN. 4/327

UN-Convenant 1950

= desgleichen: UN Doc. E/1691 -

UN-Convenant 1951 UN-Convenant 1952 UN-Convenant 1953 UN-Convenant 1954 UNDoc. UNDoc.A UNDoc.E Urt.

v.

Verf. VerfGH Verh. VerwRspr. VG VGH vgl. VN VN-Erklärung

vo

VOBl. VVDStL VwGO WP WRV ZaöRV ZfF ZfS ZPO ZStrW ZStW

v. 19. 5.1949

E/CN. 4/507 v.29.5. 1950 = desgleichen: UN Doc E/1992- E/CN. 4/640 v.24.5. 1951 = desgleichen: UN Doc. E/2256- E/CN. 4/669 v.27.6. 1952 = desgleichen: UN Doc. E/2447- E/CN. 4/689 v.6.6. 1953 = desgleichen: UN Doc E/2573- E/CN. 4/705 v. April1954 = United Nations Documents = United Nations Documents, General Assembly = United Nations Documents, Economic and Social Council =Urteil =vom =Verfassung = Verfassungsgerichtshof = Verhandlung = Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland = Verwaltungsgericht = Verwaltungsgerichtshof = vergleiche = Vereinigte Nationen = Universal Declaration on Human Rights approved by the General Assembly of the United Nations = UN Doc. A Res. 217 (III) 10. Dec. 1948 =Verordnung = Verordnungsblatt = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Verwaltungsgerichtsordnung = Warking Papers (bei Urkunden des Europarats) = Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. 8. 1919 = Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht = Zeitschrift für das gesamte Familienrecht = Zeitschrift für Sozialhilfe = Zivilprozeßordnung = Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft = Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Erster Abschnitt•

Einführung I. Gegenstand Seitdem am 4. November 1950 in Rom die Vertreter der damaligen Mitgliedstaaten des Europarates die "Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" unterzeichneten, sind mehr als 15 Jahre verstrichen und das Vertragswerk hat nicht nur für die Beziehungen der an ihm beteiligten Staaten, sondern auch für die Gestaltung ihrer inneren Rechtsordnung grundlegende Bedeutung gewonnen, wenn sich auch nicht alle Hoffnungen erfüllt haben, die seine Schöpfer zu einer Zeit hegen durften, als ein engerer Zusammenschluß der europäischen Staaten der freien Welt in greifbare Nähe gerückt schien. Immerhin hat das Vertragswerk aber über den europäischen Kontinent hinaus gewirkt, indem die in ihm garantierten Rechte und Freiheiten zum Vorbild für die Verfassungen zahlreicher neuer Staaten in anderen Kontinenten wurden. Eine Darstellung des Konventionsrechts, die sich in erster Linie an deutsche Juristen wendet, hat vor allem darüber Aufschluß zu geben, welche Bedeutung und welchen Inhalt die materiellrechtlichen Bestimmungen der Konvention haben und wie sie einerseits in der Völkerrechtsordnung, anderseits aber in der eigenen staatlichen Rechtsordnung stehen. Wenn dieser Beitrag der Aufgabe gerecht werden soll, die Probleme umfassend zu behandeln1, ist auf eine vollständige Darstellung • Der Verfasser hat zahlreichen Stellen zu danken, die ihn mit Material unterstützten, insbesondere dem Kanzler des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg, Dr. Heribert Golsong. Auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die ihm Aufenthalte in Straßburg und Heidelberg ermöglichte, gilt sein Dank, ebenso dem Direktor des Max-Planck-Institutes für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Professor Dr. H. Mosler. Seine Assistenten Dr. K. F. Arndt und Dr. D. Tsatsos haben ihn unermüdlich unterstützt. Er erinnert sich gern daran, daß er die Arbeit im Jahre 1952 begann, als er bei seinem verehrten Lehrer Erich Kaufmann, damals Rechtsberater des Auswärtigen Amtes, lernte, Probleme des internationalen Rechts mit Realismus zu sehen. Er widmet ihm nun seinen Beitrag in der völlig veränderten Form. - Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum 31. 12. 1965 berücksichtigt. 1 Vgl. das Vorwort der Herausgeber zu Bd. II (1954) S. V.

10

1. Abschnitt: Einführung

aller durch das Vertragswerk aufgeworfenen Fragen zu verzichten und diese auf die für seine Anwendung durch deutsche Rechtsanwendungsorgane wesentlichen Fragen zu konzentrieren. Das Hauptgewicht ist daher auf die Behandlung der einzelnen Rechte und Freiheiten der Hauptkonvention und des ersten Zusatzprotokolls gelegt (Vierter Abschnitt), dem der Versuch vorausgeht, den Standort der Konvention in der Rechtsordnung zu bestimmen (Zweiter Abschnitt),·die allgemeinen materiellrechtlichen Fragen zu klären (Dritter Abschnitt). Hingegen ist bewußt auf eine Behandlung der von der Konvention geschaffenen oder eingeschalteten Straßburger Organe - der Europäischen Menschenrechtskommission, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Ministerkomitees des Europarates und seines Generalsekretärs -, ihrer Struktur und Verfahrensweise verzichtet worden. Dieser beschränkten Zielsetzung entsprechend ist der Titel des Beitrages neugefaßt2 • Er schließt sich an die amtliche Bezeichnung der Konvention an3 • Durch die neutrale Fassung "Rechte und Freiheiten" soll nicht zu der Frage Stellung genommen werden, ob die in der Konvention ausgesprochenen Garantien - und welche von ihnen - rechtlich als "Menschenrechte", "Grundfreiheiten" oder gar "Grundrechte" zu qualifizieren sind. Wenn unter "Menschenrechte" nur naturrechtlich begründete, unter "Grundfreiheiten" aber auch von einer konkreten Gemeinschaft bewußt und ohne Rücksicht auf transzendente Bindungen eingeräumte Befugnisse des Individuums zu verstehen sind, dann kann weder der Katalog der Konvention als ganzer noch können die einzelnen Garantien eindeutig der einen oder anderen Kategorie zugewiesen werden. In den meisten von ihnen finden sich Elemente von beiden. Die Bezeichnung "Grundrechte" vermeidet zwar eine Unterscheidung nach naturrechtlichem Gehalt oder bewußter Rechtsschöpfung, sie wird aber überlieferungsgemäß für Garantien in staatlichen Verfassungen verwandt. 2 Er lautete in den Vorankündigungen der Bände II (1954) und III (1958): "Die europäischen Grundrechte." Einen Beitrag mit dieser Themenstellung hat der Verfasser 1953 abgeliefert und damals als Habilitationsschrift der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bann vorgelegt. Teile dieser Arbeit wurden unter dem Titel "Die Entstehung der europäischen Menschenrechtskonvention" in ZaöRV Bd. 15 (1954) 5. 631-660 (hier als "Entstehung" zitiert) und "Die europäische Menschenrechtskonvention vor den nationalen Parlamenten" in ZaöRV Bd. 17 (1956) 5. 93-132 (hier als "Ratifikation" zitiert) veröffentlicht. Das inzwischen aus der Praxis der Straßburger Instanzen und der nationalen Gerichte angefallene Material sowie die literarischen Äußerungen aus 12 Jahren erlaubten, nur bescheidene Teile der ursprünglichen Arbeit für diesen Beitrag zu verwenden. Seit Bd. IV/1 (1960) wird der Beitrag unter dem Titel "Die Grundrechte der europäischen Menschenrechtskonvention" angekündigt. 1 Dort heißt es freilich "Menschenrechte und Grundfreiheiten", aber in Art. 1 der Konvention wird der Ausdruck "Rechte und Freiheiten" verwandt.

II. Geschichte des Konventionswerkes

11

11. Geschichte des Konventionswerkes Die Konvention verdankt ihre Entstehung unterschiedlichen Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen. In der allgemeinen Völkerrechtsgemeinschaft läßt sich seit mehreren Jahrzehnten das Bestreben beobachten, auf dem Gebiete des Schutzes der Individualrechte den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Einzelstaaten einzuschränken und dadurch eine gegenseitige Angleichung der einzelnen Rechtsordnungen zu erreichen4 • Diese Bestrebungen wurden von den Vereinigten Nationen aufgenommen. Nach ihrer Satzung hat die Weltorganisation die Aufgabe, sich des Schutzes der Menschenrechte anzunehmen. Die Generalversammlung nahm am 10. Dezember 1948 in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (hier zitiert als VN-Erklärung) an, die freilich nur den Rahmen für eine künftige vertragliche Sicherung absteckt5 • Der seit 1948 in den Organen der Vereinigten Nationen verfolgte Versuch, den Inhalt der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in verpflichtende Rechtssätze umzugießen6 , hat einen wesentlichen Einfluß auf die Ausgestaltung der Konvention gehabt. Die Erörterungen und Ergebnisse der Menschenrechtskommission der VereinigtenNationen haben für die Arbeiten in den Gremien des Europarats nicht nur als Vorbild gedient, sondern es sind insbesondere von den Arbeitsgremien des Ministerkomitees in großem Umfange die im Jahre 1950 vorliegenden Arbeitsergebnisse für den Menschenrechtspakt (UN-Covenant) übernommen worden, so daß die zugänglichen Unterlagen über diese Arbeiten7 überall dort als Erkenntnisquelle für Tragweite und Bedeutung von Formulierungen der Konvention dienen können, wo diese aus den Entwürfen eines Menschenrechtspaktes übernommen sind. Es kann dabei völlig dahingestellt bleiben, ob die Europäische Konvention nur als regionale Verwirklichung der noch immer nicht abgeschlossenen ' Grundlegend H. Lauterpacht, International Law and Human Rights, London 1950; P. N. Drost, Human Rights as Legal Rights, Leyden 1950 und die 3379 Titel umfassende Bibliographie des UN-Generalsekretariats, UN Doc. E/CN 4/540 vom 20. 4. 1950 für die Jahre 1939-1950. 5 Grundlegend dazu R. Cassin, La Declaration Universelle des Droits de l'Homme, RC 1951 II, 237-367; N. Robinson, The Universal Declaration on Human Rights, Institute of Jewish Affairs New York 1958; A. Verdoodt, Naissance et signification de la Declaration universelle des Droits de l'Homme, Louvain I Paris 1964; M. S. McDougl- G. Bebr, Die Menschenrechte in den Vereinten Nationen, dieses Handbuch, Bd. I/2 (1966). 8 Vgl. vor allem die Berichte über die 5. Sitzung der Menschenrechtskommission der VN, 1949 UN Doc. E/1371, UN Yearbook on Human Rights for 1949, S. 330-353; über die 6. Sitzung 1950, UN Doc. E/1681, UN Yearbook on Human Rights for 1950, S. 458. 7 Nicht nur die in der vorigen Anm. genannten Berichte, sondern auch die einzelnen Dokumente und Sitzungsberichte der Menschenrechtskommission.

12

1. Abschnitt: Einführung

Arbeiten der Arbeitsgremien der Vereinigten Nationen8 oder aber als eigenständige europäische Schöpfung anzusehen ist, da inhaltlich vieles wörtlich übernommen wurde, ohne die Diskussionen in den Arbeitsgremien der Vereinigten Nationen zu wiederholen; eingehende eigene Erörterungen haben häufig nur dort stattgefunden, wo noch keine Vorschläge der UN-Menschenrechtskommission vorlagen. Freilich kann sich die These von der Eigenständigkeit der Konvention darauf berufen, daß die europäischen Einigungsbestrebungen neben der Entwicklung des allgemeinen Völkerrechts und den Bemühungen der Vereinigten Nationen entscheidend zum Zustandekommen der Konvention beigetragen haben. Die Staaten des freien Europas, durch eine lange gemeinsame Geschichte, ihre geographische Lage und enge wirtschaftliche Verflechtungen eng miteinander verbunden, besitzen ein weitgehend übereinstimmendes Rechtsbewußtsein und sind unter dem Eindruck der gemeinsamen Bedrohung ihrer Kultur und Zivilisation vom Osten her näher aneinander gerückt. Der Plan, die ihren Rechtsordnungen gemeinsamen individuellen und staatsbürgerlichen Rechte mit einer kollektiven Garantie zu versehen, stammt in der Tat schon aus der Zeit vor der Annahme der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinigten Nationen. Er wurde im Mai 1948 auf dem 1. Kongreß der europäischen Bewegung in Den Haag proklamiert und dabei auch schon die Forderung erhoben, einen europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu errichten, der Einzelpersonen zugänglich sein solle9 • Nachdem in der Europäischen Bewegung bereits Entwürfe für eine derartige Konvention ausgearbeitet worden waren, verpflichteten sich die Gründerstaaten des Europarates in dessen Statut, daß jede Person, die ihrer Herrschaftsgewalt unterliegt, der Menschenrechte und Grundfreiheiten teilhaftig werden muß10 und erhoben darüberhinaus die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu einer Voraussetzung für die Mitarbeit im Europarat (Art. 4 und 8 des Statuts), deren Nichtbeachtung zum Ausschluß aus der Gemeinschaft führen kann11• Die Beratende Versammlung hat bei ihrem ersten Zusammentreten im Jahre 1949 die Aufgabe in Angriff genommen, den Inhalt der Menschenrechte und Grundfreiheiten in einer besonderen Konvention festzulegen und ein zwischenstaatliches Rechtsschutzsystem aufzubauen. s So H. Martin, Human Rights and World Politics, Yearbook of World Affairs 1951, 52; dagegen H. Golsong, JahrbuchS. 125. ' K. J. Partsch, Entstehung, S. 633 ff. (mit Nachweisen). 10 Art. 3 des Statuts vom 5. 5. 1949, BGBl. 1950, 263. 11 W. Wengler, Die MRK- Anfang eines europäischen Staatsrechts? Hess. Hochschulwochen f. staatswiss. Fortbildung, 1964 S. 2 weist allerdings darauf hin, daß ein derartiges Ausschlußverfahren "bisher noch nicht eingeleitet worden ist und vermutlich auch nie eingeleitet werden wird."

II. Geschichte des Konventionswerkes

13

Ihr Rechts- und Verwaltungsausschuß formulierte auf der Grundlage der in der europäischen Bewegung geleisteten Vorarbeiten den ersten Entwurf12, durch den der Katalog der zu schützenden Rechte und in wesentlichen Grundzügen auch das Rechtsschutzsystem festgelegt wurden. Freilich enthielt dieser Entwurf noch keine eigene Formulierung der einzelnen Grundrechte, sondern beschränkte sich auf eine internationale Garantie des nationalen Rechtsstandards hinsichtlich der Achtung der klassischen liberalen Freiheitsrechte. Allerdings sollten Einschränkungen dieser lediglich schlagwortartig bezeichneten Rechte und Freiheiten nur auf der Grundlage eines nationalen Gesetzes zulässig sein, welches das Diskriminationsverbot und die sonstigen allgemeinen Rechtsgrundsätze der Kulturvölker achtet und in einer demokratischen Gesellschaft mit Rücksicht auf die Rechte anderer, die öffentliche Moral, Ordnung und Sicherheit, nicht aber nur auf die Staatsräson gerechtfertigt ist. Es war also nur ein bescheidener Versuch gemacht, einen eigenen Rechtsstandard zu fixieren13• Eine Kommission sollte von jedem Vertragsstaat und jeder Einzelperson-letzterenach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel - als Schlichtungsinstanz angerufen werden können, die auch das Recht haben sollte, den Fall nach Scheitern der Schlichtung einem aus neun Richtern bestehenden Gerichtshof vorzulegen. Am 8. 9. 1949 machte das Plenum der Beratenden Versammlung sich diese Vorschläge zu eigen und legte sie dem Ministerkomitee vor14• Nach dieser stürmischen Initiative der Parlamentarier- ihre Beratungen dauerten vom 19. 8. bis 9. 9. 1949, also knapp 3 Wochen- nahm sich das Ministerkomitee geraume Zeit. Es ließ die Empfehlung der Beratenden Versammlung im Februar 1950 durch ein Sachverständigengremium, das aber nur zu alternativen Lösungsskizzen gelangte, und im Juni 1950 von einem Ausschuß der Regierungsvertreter (Conference des Hauts Fonctionnaires) prüfen, die nachdrücklich damit beauftragt wurden, die Arbeiten in den Gremien der Vereinigten Nationen zu verwerten. Das führte dazu, daß nun der Schritt zu einer eigenen Definition der für die demokratische Grundordnung wesentlichen Freiheitsrechte getan wurde, wobei aber nicht durchweg das vor allem von der amerikanischen Delegation in der Menschenrechtskommission der Vereinigten Nationen befürwortete System mit breitem Pinsel umschriebener Generalklauseln angewandt, sondern zum Teil detaillierte Einzeldefinitionen mit einer kasuistischen Aufzählung aller zulässigen Eingriffsmöglich12 AS (1) 77 v. 5. 9. 1949 nach dem Berichterstatter, dem ehern. franz. Justizminister P . H. Teitgen, "Teitgen-Bericht" genannt. u K. J. Partsch, Entstehung, S. 643. 14 Recommandation Nr. 28 AS (1) 108 S. 261 ff.; deutsche Übersetzung bei C. Weiss, S. 40.

14

1. Abschnitt: Einführung

keiten vorgezogen wurden, wie sie die Vertreter europäischer Staaten auch in New York befürwortet hatten15• Das von der Beratenden Versammlung entworfene Rechtsschutzsystem wurde erheblich verwässert: sowohl die Zulassung der Beschwerden von Einzelpersonen an die Kommission wie auch die Errichtung des Menschenrechtsgerichtshofs wurden davon abhängig gemacht, daß die Unterzeichnerstaaten den beiden Maßnahmen durch gesondert abzugebende Erklärungen zustimmen. Schließlich hat sich das Ministerkomitee auch nicht entschließen können, drei wesentliche Rechtsgarantien- für das Eigentum, das Elternrecht und das Recht auf freie Wahlen- in den Katalog der Hauptkonvention aufzunehmen, sondern hat sie für ein 1. Zusatzprotokoll zurückgestellt, die erst ein Jahr später zustande kam18• In den Verhandlungen während der Ausarbeitung von Konvention und Zusatzprotokoll, die zwischen der Beratenden Versammlung und ihrem Ausschuß einerseits und dem Ministerkomitee und seinen Arbeitsgremien anderseits hin- und hergingen, hat die Beratende Versammlung stets die Initiative behalten; ihrem Drängen ist es nicht nur zu verdanken, daß diese Aufgabe ··- ....., _ in Angriff genommen, sondern daß sie auch durchgeführt wurde und auf ihr Wirken ist auch vieles in der Ausgestaltung der Konvention zurückzuführen. Obwohl der Konventionsplan von den politischen Gruppen getragen wurde, die in den nationalen Parlamenten über starke Mehrheiten verfügten, sind von der Unterzeichnung der Konvention in Rom am 4. November 1950 bis zur Ratifikation durch die gern. Art. 66 Abs. 2 notwendigen zehn Regierungen fast drei Jahre verstrichen17 ; das 1. Zusatzprotokoll trat erst am 18. Mai 1954 in Kraft. Von den Unterzeichnerstaaten ratifizierten die Hauptkonvention und das 1. Zusatzprotokoll noch nach dem Inkrafttreten die Türkei und die Niederlande (1954), Belgien und Italien (1955), später traten die neuen Europaratsmitglieder Österreich (1958) und Cypern (1962) hinzu. Frankreich hat als einziger Unterzeichnerstaat die Konvention und das Protokoll bisher noch nicht ratifiziert. Es war daran zunächst durch die Schwierigkeiten mit Algerien gehindert. Aber auch seitdem diese überwunden sind, blieben alle Versuche, das parlamentarische Ratifikationsverfahren zu Ende zu führen, ohne Erfolg18• Von den neuen Europaratsmitgliedern steht auch noch die Ratifikation durch die Schweiz aus. Die A

1s Vgl. den Stammbaum der einzelnen Artikel bei A. H. Robertson im UNYearbook on Human Rights for 1950 (1952), S. 418, stark vergröbert wiedergegeben bei C. Weiss, S. 17. 1e Abgeschlossen in Paris am 20. März 1952; Text und Übersetzung in BGBl. 1956 II S. 1880. 17 Vgl. die Ratifikationsübersicht, Ann. I, 56. 18 Vgl. die Debatte in der Assemblee Nationale vom 2. 12. 1960 mit den Erklärungen des franz. Außenministers, Ann. III, 535 ff.

II. Geschichte des Konventionswerkes

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Frage, welche Normen des schweizer Rechts etwa abgeändert werden müßten, wurde diskutiert, ohne daß bisher schon abzusehen wäre, wann diese Diskussion abgeschlossen sein wird19• Die Kommission ist am 18. 5. 1954 gebildet worden und hat ihre Tätigkeit aufgenommen, nachdem Schweden, Irland, Dänemark, Island und zuletzt Belgien und die Bundesrepublik Deutschland (am 5. 7. 1955) die gemäß Art. 25 notwendigen Erklärungen abgegeben haben, um der Kommission die Entscheidung über Individualbeschwerden zu ermöglichen. Später haben sich auch noch Norwegen, die Niederlande, Luxemburg und Österreich der Entscheidung über Individualbeschwerden unterworfen, vor kurzem - am 14. 1. 1966 - auch das Vereinigte Königreich20• Die ersten Staatenbeschwerden machte Griechenland am 7. 5. 1956 und 17. 7. 1957 gegen das Vereinigte Königreich wegen des britischen Vorgehens auf Cypern anhängig21 • Seitdem ist lediglich am 11. 7. 1960 eine weitere Staatenbeschwerde Österreichs gegen Italien wegen der Verurteilung von Südtirolern bei der Kommission erhoben worden22 • Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Kommission liegt jedoch eindeutig bei der Entscheidung über Individualbeschwerden23• Da die Kommission ihre Tätigkeit aufnahm, als der Gerichtshof noch nicht gebildet war - das geschah erst am 21. 1. 1959 - konnte sie anfangs nicht die Funktion einer diesem vorgeschalteten Vor- und Schlichtungsinstanz wahrnehmen; sie gewöhnte sich daran, in_die Zulässigkeitsprüfung der Beschwerden gern. Art. 27 weitgehend auch Fragen ihrer 19 Vgl. dazu einerseits 0. K. Kaufmann, Frauen, Italiener, Jesuiten, Juden und Anstaltsversorgte - Vorfragen eines Beitritts der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention, St. Galler Festgabe (1965), S. 245; anderseits Ed. ZeHweger, La Suisse peut-elle et doit-elle adherer a la Convention .. ., Congres 1964 de l'Union Europeenne Suisse, Bern, November 1964. zo Die Gründe für das lange Zögern der Regierungen des Vereinigten Königreichs - Rücksichten auf die Unabhängigkeit der Gerichte und vor allem auf die überseeischen Verantwortungen- schildert Lord Shawcross, United Kingdom pratice on the European Convention on Human Rights, Revue belge de droit international 1965, S. 297 ff. (304 f.). 11 Vgl. Ann. I, 128; die Entscheidungen (E.) der Kommission vom 2. 6. 1956, über B. Nr. 176/56 und vom 12. 10. 1957, über B. Nr. 299/57 sind mit den Resolutionen des Ministerkomitees (59) 2 und (59) 32 veröffentlicht in Ann. Il, 175 ff. u Vgl. die Resumees in Ann. III, 168 und Ann. IV, 112 sowie E. v. 11. 1. 1961 über B. Nr. 788/60, Ann. IV, 117; weitere Informationen mit einem Auszug aus dem Bericht der Kommission und der Entscheidung des Ministerkomitees, Resolution (63) DH 3 vom 23. 10. 1963 in Ann. VI, 740 ff. zs In den Jahren 1955-1963 wurden 2095 Beschwerden eingereicht und über 1587 Beschwerden entschieden. Zunächst richteten sich 90 °/o dieser Beschwerden gegen die BRD, deren Anteil jedoch stark zurückging, seitdem Österreich im Jahre 1958 die Erklärung gern. Art. 25 abgegeben hat. 1963 lag der Anteil der BRD nur noch bei 44 Ofo - also unter ihrem Anteil an der Bevölkerung der Staaten, welche sich der Entscheidung über Individualbeschwerden durch die Kommission unterwarfen (54,9 Ofo).

16

1. Abschnitt: Einführung

Begründetheit einzubeziehen. Zuweilen ist sie in eine Erörterung sehr komplizierter Rechtsfragen eingetreten, um nach deren Erörterung dann festzustellen, daß die Beschwerde "offensichtlich unbegründet" und daher unzulässig sei, obwohl diese Entscheidung doch keine Erörterung diffiziler Rechtsfragen notwendig gemacht haben dürfte24. In den letzten Jahren scheint die Kommission diese Praxis allerdings zu ändern25. Die Errichtung des Gerichtshofs hat längere Zeit in Anspruch genommen. Gern. Art. 56 war der Gerichtshof erst zu bilden, nachdem 8 Mitgliedstaaten die Erklärung über die Anerkennung seiner Gerichtsbarkeit abgegeben hatten. Diese Erklärungen gingen nur zögernd ein. Nach Irland (1953), den Niederlanden (1954), Belgien und der BRD (1955) und Dänemark (1957) erkannten 1958 zunächst Luxemburg und dann am 3. 9. 1958 Island und Österreich die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs an und schufen damit die Voraussetzungen seiner Errichtung28• Diese Staaten haben bisher ihre Erklärungen auch erneuert, es sind aber bis zum Januar 1966 über die Mindestzahl keine weiteren Staaten hinzugetreten27. Diese Zurückhaltung hat verschiedene Gründe. Zu rechtfertigen war ein neuer Gerichtshof neben dem Internationalen Gerichtshof im Haag nur, wenn er nicht nur den Mitgliedstaaten zugänglich war, sondern - wenn auch mittelbar über die Kommission - auch Einzelpersonen28. So war es verständlich, daß die Staaten zunächst abwarteten, bis die Kommission gebildet war und die Zuständigkeit erworben hatte, Individualbeschwerden entgegenzunehmen und über sie zu entscheiden. Es lag auch nahe, vor der Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit die Erfahrungen mit der Kommission abzuwarten28• Freilich zogen zunächst mehrere Staaten grundsätzlich eine politische Klärung durch das Ministerkomitee einer gerichtlichen Entscheidung vor10• 14 Zur Kritik vgl. H. Moster, Kritische Bemerkungen zum Rechtsschutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention, Festschrift H. Jahrreiss (1965), S. 289 ff.; W. Wengter, a .a.O. (Anm. 11), S. 22. 11 Während sie in den Jahren 1955-1962 nur 13 Beschwerden den betroffenen Regierungen zur Stellungnahme vorlegte und sieben Beschwerden für zulässig erklärte, hat sie allein im Jahre 1963 32 Beschwerden den Regierungen zugeleitet und 20 Beschwerden für zulässig erklärt. Ann. VI, 67. Auch 1964 und 1965 läßt sich diese von der bisherigen 'Obung abweichende Tendenz erkennen, über diese Jahre liegen aber noch keine Statistiken vor. Die neuere Entwicklung w iderlegt aber offenbar die bitteren Bemerkungen von W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 21. 18 Vgl. die Ratifikationstabellen, Ann. I, 54 und Ann. II, 94. !7 Vgl. die Ratifikationstabelle, Ann. VI, 36. 18 Vgl. K. J. Partsch, Entstehung, S. 645. " Vgl. die Proposition des schwedischen Königs an den Reichstag vom 2. 3. 1951 Bihang till rigsdagens protokoll 1951 isaml. Nr. 165 und dazu K. J . Partsch, Ratifikation, S. 98. 10 So die Erklärungen verschiedener britischer Regierungen im Unterhaus am 26. 11. 1958, 27. 4. 1958, 25. 6. 1959, Ann. II, 546 ff.; am 23. 5. 1960, Ann. III, 598 ff. (606) ; am 31. 5. 1962, Ann. V, 352. Ähnlich die Erklärungen des ital. Außenministers vor dem Senat am 25. 2. 1961, Ann. IV, 596 f.

II. Geschichte des Konventionswerkes

17

Am 14. Januar 1966 hat jedoch die Regierung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland diese Haltung revidiert und die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erklärt31 und dadurch das Prestige der Gerichtsinstanz entscheidend vermehrt. Zeitweise hat sicher auch der Gang der europäischen Integration auf die Haltung der Staaten eingewirkt. Die Errichtung der europäischen Gemeinschaften mit einem eigenen Gerichtshof, die Pläne zur Errichtung einer europäischen politischen Gemeinschaft und nicht zuletzt auch die im Rahmen des Europarats selbst verfolgten Bestrebungen, eine einheitliche europäische Gerichtsbarkeit zu schaffen, ließen das Problem des Rechtsschutzes im Rahmen europäischer Institutionen zeitweise in einem anderen Lichte erscheinen als zur Zeit der Unterzeichnung der Konvention von Rom. Seit seiner Errichtung am 21. 2. 1959 hat der Gerichtshof nur zwei Fälle entschieden: den Fall Lawless gegen Irland32 und den Fall de Becker gegen Belgien33• Ein dritter Fall- die Beschwerden belgiseher Eltern über die Sprachenfrage in belgiseben Schulen - liegt ihm vor und es ist nicht ausgeschlossen, daß auch zwei Beschwerden gegen die Bundesrepublik Deutschland zu Verfahren vor dem Gerichtshof führen werden34 • In den ersten sechs Jahren seines Bestehens hat jedoch der Gerichtshof nicht die Wirksamkeit entfalten können, welche ihm wohl zugedacht warss. Die Konvention sollte nur die erste Maßnahme sein, um eine kollektive Garantie gewisser in der Universellen Erklärung verkündeter Rechte sicherzustellen38• Der zweite Schritt war das erste Zusatzprotokoll vom 20. 3. 1952, in dem freilich nur in geringem zeitlichem Abstand nachgeholt wurde, was eigentlich schon in der Hauptkonvention zu unternehmen geplant war (s. u. Vierter Abschnitt/li). Der nächste erfolgte erst am 16. 9. 1963 durch die Unterzeichnung eines 4. Zusatzpro'1

S.l.

Nouvelles du Conseil de l'Europe, 16. Jahrgang (1966), Nr. 2 (März 1966)

s2 CEDH serie A, Affaire "Lawless" (exceptions preliminaires et questions de procedure) arret du 14 nov. 1960; desgl. arret du 7 avril 1961; desgl. (Fond) arret du 1er juillet 1961. 33 CEDH serie A, Affaire "De Becker", arret du 27 mars 1962. u Vgl. die E. vom 2. 7. 1964 und 28. 9. 1964 über die für zulässig erklärte B.Nr. 2122/64 (K. H. Wemhoff gegen BRD), Rec. 14, 29 und Rec. 15, 1: Beschwerde gegen die übermäßige Dauer der Untersuchungshaft im Zusammenhang mit dem Thyssen-Prozeß. Eine Unterkommission ist mit der sachlichen Prüfung betraut. Nouvelles du CdE v. März 1965. Außerdem E. der Kommission v. 23. 4. 1965 über B.Nr. 2299/64 (Albert Grandrath gegen BRD), Rec. 16, 41: Es handelt sich um eine Beschwerde eines Angehörigen von Jehovas Zeugen gegen die Heranziehung zum Ersatzdienst als Wehrdienstverweigerer. Auch hier wurde eine Unterkommission eingesetzt: Nouvelles du CdE v. Mai 1965. 35 Dazu H. Mosler, a.a.O. (Anm. 24). 36 Abs. 5 der Präambel.

18

1. Abschnitt: Einführung

tokolls37 zur Sicherung gewisser zusätzlicher über die in der Konvention und dem 1. Zusatzprotokoll hinaus gewährten Rechte38• Dieses 4. Zusatzprotokoll geht auf eine Initiative der Beratenden Versammlung im Jahre 1960 zurück, die thematisch weiter gespannt war. Über die in das 4. Zusatzprotokoll aufgenommenen Rechte hinaus erstrebte sie auch breit angelegte Garantien für das Recht auf Anerkennung als Rechtsperson, auf allgemeine Gleichheit vor dem Gesetz und auf den Schutz nationaler Minderheiten39• Damit wäre freilich das bisher verfolgte System, scharf begrenzte einzelne Rechte zu gewähren, verlassen worden. Insbesondere aus einem allgemeinen Gleichheitsgebot, das in die Konvention bewußt nicht aufgenommen, sondern dort auf ein Diskriminierungsverbot beschränkt worden ist (Art. 14), könnten leicht weitere Rechte und Freiheiten hergeleitet werden. Das 4. Zusatzprotokoll ist noch nicht in Kraft getreten und wird daher nicht in die Darstellung einbezogen40 • In die Zeit zwischen der Unterzeichnung des ersten und der weiteren Zusatzprotokolle, welche die Konvention unmittelbar ergänzen sollen, fallen außerdem die Arbeiten an der Europäischen Sozialcharta, die auch dem Ziele dient, von der Universellen Erklärung der Menschenrechte ausgesprochene Ziele zu verwirklichen. Insoweit besteht eine enge Verbindung zur Menschenrechtskonvention. Die Sozialcharta ist jedoch nicht nur ein getrenntes Vertragswerk, sondern sie verfolgt ihr Ziel auch mit anderen Mitteln und Methoden. Deshalb soll hier ein Hinweis genügen'1• 37 Das 2. Zusatzprotokoll vom 6. 5. 1963 über die Zuständigkeit des Gerichtshofes, Gutachten zu erstatten und das 3. Zusatzprotokoll vom 6. 5. 1963 zur Abänderung der Art. 29, 30 und 34 der Konvention betrafen nur Verfahrensfragen, sind auch noch nicht in Kraft, da sie der Annahme durch sämtliche Konventionsstaaten bedürfen. Texte Ann. VI, 3 und 9. 38 Es untersagt Freiheitsentziehungen zur Vollstreckung vertraglicher Verpflichtungen (Art. 1), garantiert die innerstaatliche Freizügigkeit (Art. 2 Abs. 1) und gewährt Teilrechte der zwischenstaatlichen Freizügigkeit, indem es das Recht zum Verlassen jedes Landes (Art. 2 Abs. 2), zum Betreten des eigenen Landes (Art. 3 Abs. 2) und das Verbot der Ausweisung aus dem eigenen Lande (Art. 3 Abs. 1) statuiert. Außerdem verbietet es Kollektivausweisungen von Ausländern und verwirklicht einen Teil der insbesondere von deutscher Seite erhobenen Forderung, das Recht auf die Heimat zu garantieren. 3' Text Ann. VI, 15 ff. Vgl. dazu K. Vasak, Convention, S. 80. 40 Dazu W. P. Pahr, Das vierte Zusatzprotokoll zur MRK, JBl. 86 (1964) s. 187 ff. 41 Zu Entstehungsgeschichte, Inhalt, Grundsätzen und Verfahren der am 18. 10. 1961 in Turin von 13 Mitgliedstaaten des Europarats - u. a. auch der BRD und Frankreich- unterzeichneten und am 26. 2. 1965 in Kraft getretenen europäischen Sozialcharta A. H. Robertson, Human Rights, S. 14G-150; Text im BGBl. 1964, Teil II S. 1261-1268; Bekanntmachung v. 9. 8. 1965 BGBl. 1965 Teil II S. 1122. Im übrigen vgl. G. Barile, La charta sociale europea e il diritto internazionale, Rivista di diritto internazionale, Bd. 44 (1961) S. 624 bis 644; H. Wiebringhaus, La Charte sociale europeenne, Annuaire Francais

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II. Geschichte des Konventionswerkes

Ratiftkationstabelle• (Stand August 1965) Konvention

Erklärung Erklärung gern. Art. 25 gem.Art.46

-

-

1. Zusatzprotokoll

Unterzeichnung

4. 11. 1950

in Kraft seit

········ ...........

3. 9.1953

5.7.1955

... .. ...........

14. 6.1955

30.6. 1964 (5 Jahre)

BRD ...... ... ..........

5. 12. 1952

1. 7. 1961 (5 Jahre)

13. 2. 1957

··· ······· ...

13. 4. 1953

7. 4. 1962 (5 Jahre)

13. 4.1953

Belgien

Dänemark

Frankreich .. . .......... Griechenland Irland

··· ······· .. ... .. ..... ..... ... .. . ···········

28. 3.1953

-

25. 2. 1953

...... ........... Luxemburg . ... ····· ···

26.10.1955

-

Niederlande . .. ......•..

31. 8. 1954

Norwegen ..............

15. 1. 1952

. ............

3. 9. 1958

Schweden ..............

4. 2. 1952

Italien

Malta .... . . .. . .. ... . ...

Österreich

Schweiz ................ Türkei ..... .. .......... Vereinigtes Königreich Zypern

............ ....

3. 9. 1953

-

18. 5. 1954 8. 3. 1951 6. 10. 1962

3.9.1964 (5 Jahre)

-

28.4. 1961 (5 Jahre)42 a

-

I

-

31. 8. 1964 (5 Jahre) 9.12.1964 29.6.1967

30.6.1964

I (3 Jahre)

3. 9. 1964 (3 Jahre) 4.2.1952

-

28. 3. 1953 25. 2. 1953

25. 2. 1953 25.3.1960

18. 5.1954

29. 6. 196042 14. 6. 1955 (5 Jahre)

I I

-

29. 6. 1953

Island

3.9.1958

20. 3.1952

_43

29. 6. 1953 26.10.1955 3. 9. 1953

-

31. 8. 1954 18.12.1952 3. 9. 1958 22. 6. 1953

-

-

-

--43

-43

3. 11. 1952

-

-

6.10.1962

18. 5. 1954

• Quelle: Etat des d~pöts des ratlßcatlons des Conventlons et Accords du Conseil de l'Europe, hrsg. v. d. Directlon des Affalres juridiques, August 1965.

de Droit International Bd. 9 (1963) S. 709-721; F. M. van Asbeck, La charte sociale europeenne: sa portee juridique, la mise en oeuvre, Melanges H. Rolin (1964) S. 427 bis 448; D. J. Harris, The european social charter, International and Comparative Law Quarterly Bd. 13 (1964) S. 1076-1087. u Die Erklärung ist am 6. 12. 1965 für zwei Jahre erneuert worden. c!a Die Erklärung ist am 28. 4. 1966 für 5 Jahre erneuert worden. 43 Das Vereinigte Königreich hat beide Erklärungen am 14. 1. 1966 für 3 Jahre abgegeben, Schweden die Erklärung gern. Art. 46 am 13. 5. 1966 für 5 Jahre.

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1. Abschnitt: Einführung

Iß. Arbeitsmaterial (Dokumente, Entsclleidungen, Literatur) 1. Amtliche Publikationen der Straßburger Organe

Das wichtigste Material für die Arbeit mit der Konvention ist von der Menschenrechtsdirektion des Europarates in den Jahrbüchern der europäischen Menschenrechtskonvention veröffentlicht worden''; die jetzt durchgehend in beiden Amtssprachen - englisch und französisch -veröffentlichten Jahrbücher sind in drei Teile gegliedert. Der erste Teil enthält die grundlegenden Texte der Konvention (Bd. I), der Zusatzprotokolle, der auf die Konvention bezüglichen Resolutionen des Ministerrats, Erklärungen der Mitgliedstaaten mit einer Ratifikationstabelle und außerdem allgemeine Informationen über die Zusammensetzung und Arbeit von Kommission und Gerichtshof sowie sonstige Nachrichten aus dem Berichtsjahr. Der zweite Teil enthält Entscheidungen der Kommission, des Gerichtshofes und des Ministerrats mit überblicken über die Tätigkeit der Organe. Die Entscheidungen der Kommission sind nur in Auswahl veröffentlicht mit Angabe der maßgebenden Sprache, in der sie abgefaßt sind. Hinzugefügt ist von Bd. II ab ein systematischer überblick über den Inhalt der in dem Bande veröffentlichten Entscheidungen45• Auf diese Weise ist ein rascher Überblick über die Ergebnisse der Spruchpraxis zu einzelnen Fragen zu gewinnen. Da die Jahrbücher in erheblichem zeitlichen Abstand vom Berichtsjahr erscheinen, gibt der Europarat seit Januar 1960 eine hektographierte "Collection of Decisions I Recueil de Decisions" in unregelmäßigen Abständen - etwa 2 bis 3 mal im Jahr - heraus, welche gewisse wichtige Entscheidungen der Kommission - aber nur einsprachig - schon vor dem Erscheinen der Jahrbücher zugänglich machen48• Die meisten der dort veröffentlichten Entscheidungen - aber nicht alle - werden später mit einer Übersetzung in die andere Amtssprache in den Jahrbüchern veröffentlicht47• 44 Erschienen sind bisher 6 Bd. im Verlag Martinus Nijhoff in Den Haag, der erste Bd. 1959 unter dem Titel "European Convention of Human Rights I Commission Europeenne des Droits de l'Homme- Documents and I et Decisions 1955-1956--1957", die weiteren Bd. unter dem Titel "Yearbook of the European Convention on Human Rights - The European Commission and European Court of Human Rights I Annuaire de le Convention Europeenne des Droits de l'Homme - Commission et Cour Europeenne des Droits de l'Homme", und zwar Bd. II für die Jahre 1958-1959 (1960); Bd. III für das Jahr 1960 (1961); Bd. IV für das Jahr 1961 (1962); Bd. V für das Jahr 1962 (1963); Bd. VI für das Jahr 1963 (1965). Auch wenn ein Band erst im größeren zeitlichen Abstand von dem Berichtsjahr erscheint, wird später angefallenes Material nicht aufgenommen. Zitierweise: "Ann." mit Bd. (römische Ziffer) und Seitenzahl. ' 5 Der überblick in Bd. II, S. 474 umfaßt auch die in Bd. I veröffentlichten Entscheidungen. 48 Zitierweise: "Rec." mit Nr. und von Nr. 6 ab vorher waren die Hefte nicht durchpaginiert - Seitenzahlen. In der Zeit von Januar 1960 bis November 1965 erschienen 16 Hefte, und zwar Nr. 1-3 (1960), Nr. 4-6 (1961), Nr. 7-8 (1962), Nr. 9-11 (1963), Nr. 12-13 (1964), Nr. 14-16 (1965).

III. Arbeitsmaterial (Dokumente, Entscheidungen, Literatur)

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Ein erheblicher Teil der Entscheidungen der Kommission wird nicht veröffentlicht. Neben zahlreichen Entscheidungen, in denen nur früher schon gewonnene Ergebnisse wiederholt werden, befinden sich allerdings auch einige rechtlich bedeutsame Entscheidungen. Zitiert werden die Entscheidungen der Kommission hier mit dem Datum, der Beschwerdenummer mit hinzugefügtem Jahr des Eingangs, dem Namen des Beschwerdeführers, falls dieser ausnahmsweise bekannt gegeben sein sollte, dem Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet und der Fundstelle, also z. B. "E. v. 23. 4. 1965 über B. Nr. 2299164 (Albert Grandrath gegen BRD), Rec. 16, 41" = Entscheidung der Kommission vom 23. 4. 1965 über die unter der Nummer 2299 im Jahre 1964 registrierte Beschwerde des Albert Grandrath gegen die Bundesrepublik Deutschland, veröffentlicht im "Recueil de Decisions" Nr. 16 vom November 1965, Seite 41.

Die Unterlagen über die Tätigkeit des Gerichtshofes sind in den Jahrbüchern nicht vollständig enthalten, doch wird über sie berichtet. Von den 3 Entscheidungen in der Sache "Lawless" sind in den Jahrbüchern nur zwei48 veröffentlicht, das Urteil in der Sache "de Becker" nur auszugsweise48 • Doch werden sowohl die Urteile mit evtl. Sondervoten wie das gesamte Prozeßmaterial in einer gesonderten Veröffentlichungsreihe des Gerichtshofes publiziertso. Das Material über die Verfahren vor dem Ministerrat ist nur in den Jahrbüchern zugänglich, wobei aber die Unterlagen über das Verfahren eines freundschaftlichen Ausgleichs unveröffentlicht blieben und deswegen auch die Berichte der Kommission nur auszugsweise wiedergegeben werden51• Der dritte Teil der Jahrbücher ist der Anwendung der Konvention in der innerstaatlichen Ordnung der Vertragsstaaten gewidmet. Dort wird Material über die Behandlung des Konventionsrechts in den Parlamenten der Vertragsstaaten veröffentlicht sowie Nachweise über die Entscheidungen der nationalen Gerichte zum Recht der Konvention sowie Auszüge aus den wichtigsten von ihnen in französischer und englischer Übersetzung. 47 Nach der Aufnahme in das Jahrbuch sind hier die Entscheidungen nur mit der Fundstelle im Jahrbuch zitiert. 48 Ann. III, 492: Urt. v. 14. 11. 1960; Ann. IV, 438: Urt. v. 1. 7. 1961. 48 Ann. V, 320. 50 "Publications de la Convention Europeenne des Droits de l'Homme I Publications of the European Court of Human Rights" (= CEDH/ECHR) Serie A: Arret et Decisions I Judgements and Decisions; Serie B: Memoires, Plaidoiries et Documents I Pleadings, Oral Arguments and Documents, hrsg. von der Greffe de la Cour (Selbstverlag- Vertrieb in der BRD durch Verlag Dr. Hans Heger, Bad Godesberg). Bisher erschienen in serie A: Affaire "Lawless" (Exceptions preliminaires et questions de procedure), Arret du 14 nov. 1960; Affaire "Lawless", Arret du 7 avril 1961; Affaire "Lawless" (Fond) Arret du 1er juillet 1961; Affaire "De Becker", Arret du 27 mars 1962. In serie B erschienen die Bände 1960161 (Affaire "Lawless") und 1962 (Affaire "De Becker"). 51 Vgl. das Material über die beiden Beschwerden Griechenlands gegen das Vereinigte Königreich wegen Cypern: Ann. I, 128 ff.; Ann. II, 175 ff. Beschwerde Osterreichs gegen Italien wegen Südtirol: Ann. III, 168 ff., Ann. IV, 112 ff., Ann. V, 54 ff., Ann. VI, 740 ff. Beschwerde Nielsen gegen Dänemark, Ann. IV, 490 ff.; Beschwerden Ofner und Hopfinger gegen Österreich, Ann. IV, 676 ff.; Beschwerden Pataki und Duoshirn gegen Österreich, Ann. VI, 714 ff.

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1. Abschnitt: Einführung 2. D i e T e x t e d e r m a ß g e b I i c h e n D o k u m e n t e

Die Texte der Konvention und sämtliche mit ihr in Zusammenhang stehende Verträge und Dokumente finden sich in den maßgeblichen Fassungen in den Jahrbüchern, die der Konvention und des 1. Zusatzprotokolls auch in den gängigen Sammlungen des Völkervertragsrechts52. Den Veröffentlichungen der Konvention, des 1. Zusatzprotokolls und der Verfahrensordnungen der Kommission und des Gerichtshofs im Bundesgesetzblatt53 sind amtliche Übersetzungen in die deutsche Sprache beigefügt54. Es gibt auch amtliche Übersetzungen der Konvention in die deutsche Sprache aus dem Saarland55 und aus österreich58, die sich nicht unerheblich von der im deutschen Bundesgesetzblatt veröffentlichten Fassung unterscheiden. Schließlich wird von dem Sekretariat der Kommission in Straßburg den deutschsprachigen Beschwerdeführern ein Text der Konvention in englischer, französischer und auch in deutscher Fassung zugesandt. Die dort wiedergegebene deutsche Übersetzung lehnt sich an die amtliche Österreichische Fassung an, ist aber an einigen Stellen unter Verwertung der in der Literatur zur Konvention geübten Kritik an den amtlichen Fassungen überarbeitet. Der Europarat hat ihr jedoch keinen amtlichen Charakter verliehen57• 3. U n t e r I a g e n ü b e r d i e E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e Die Entstehungsgeschichte der Konvention vollzog sich einerseits in den Organen der Vereinigten Nationen58, anderseits in der Beratenden Versammlung des Europarats59• Die Arbeitsgremien des Ministerkomi62 Ein Handexemplar aller Texte unter dem Titel "Collected Texts/ Recueil de Textes", in 3. Aufl. nach dem Stande vom 1. Sept. 1964 wird als Arbeitsmittel in dem Sekretariat des Europarates benutzt. 63 Konvention: BGBl. 1952 II, 685;1. Zusatzprotokoll: BGBl. 1956 II, 1879; Verfahrensordnung der Kommission i. d. F. vom 1.-5. 8. 1960, BGBl. 1963 II, 333; Verfahrensordnung des Gerichtshofs i. d. F. vom 24./25. 10. 1960, BGBl. 1963 II, 351. 54 Sie sind auch zusammenhängend abgedruckt bei C. Sartorius, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Bd. II: Europarecht und andere internationale Verträge (1965) unter den Nr. 42--42e. 55 Amtsblatt des Saarlandes 1952, 641 ff. 58 BGBl. Nr. 210/1958. 57 In diesem Beitrag ist den Erörterungen der einzelnen Bestimmungen der Konvention jeweils deren Wortlaut in der Fassung der amtlichen deutschen Übersetzung sowie in den maßgeblichen Fassungen vorangestellt. Zur Kritik an der amtlichen deutschen Übersetzung s. u. Dritter Abschnitt III/1, S. 84 f. 58 Dazu die oben Anm. 5 zitierten Werke zur Universellen Erklärung der Menschenrechte von R. Cassin, N. Robinson und A. Verdoodt und die Berichte der Menschenrechtskommission der VN. n Vgl. dazu die Übersicht über die Dokumente in Ann. I, 262 ff. - Die Zitierweise ergibt sich aus dem Abkürzungsverzeichnis.

III. Arbeitsmaterial (Dokumente, Entscheidungen, Literatur)

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teesarbeiteten freilich hinter geschlossenen Türen und das Material aus diesen Beratungen ist bisher noch nicht öffentlich zugänglich gemacht wordeneo. Ein Vergleich zwischen dem veröffentlichten Material der Beratenden Versammlung und dem ebenfalls zugänglichen Material aus den Beratungsgremien der Vereinigten Nationen läßt häufig einen Schluß darauf zu, was wohl in den Gremien des Ministerkomitees geschehen sein mag. Auch in den Parlamenten der Mitgliedstaaten ist einiges über Erwägungen berichtet worden, die dort angestellt worden sind. 4. S t r a ß b u r g e r S p r u c h p r a x i s und nationale Judikatur Schärfere Konturen haben die in der Konvention garantierten Rechte und Freiheiten durch ihre Anwendung auf den verschiedenen Ebenen erhalten. Bei der Auswertung der Entscheidungen der'Kommission über die Zulässigkeit von Individualbeschwerden81 ist freilich zu berücksichtigen, daß sie unter einem ganz begrenzten Teilaspekt gefällt werden: zunächst ist nur über die Zulässigkeit der Beschwerden zu entscheiden, wobei die Kommission allerdings mit Rücksicht auf die Bestimmung, daß eine Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist (Art. 27 Abs. 2), in eine vorläufige Prüfung der Begründetheit eintreten muß, dabei aber häufig die Grenzen einer vorläufigen Prüfung erheblich überschritten hat62• Diesem Umstande ist es freilich eo Freilich sind einzelne überlegungen aus diesen Beratungen in Entscheidungen der Kommission und des Gerichtshofes bekanntgegeben worden und es gibt auch literarische Äußerungen von Autoren, die den Straßburger Organen oder ihren Sekretariaten nahe stehen und darüber berichtet haben, wie Gordon L. Weil (1963). 01 Übersichten über die Straßburger Spruchpraxis bieten das von dem Generalsekretariat des Europarates im Juli 1963 herausgegebene .,Manuel", das auch unveröffentlichte Entscheidungen heranzieht, sowie A. B. McNultyM. A. Eissen, Die europäische Kommission für Menschenrechte: Verfahren und Rechtsprechung, Journal der Internationalen Juristenkommission 1 (1958) S. 814 ff.; K. Vasak, Cour et Commission Europeenne des Droits de l'Homme in: Juris-Classeur de Droit International, Paris 1961 fase. 155 f.; K. Vasak J. F. Lalive, Chronique de Ia jurisprudence de Ja Commission et de la Cour Europeenne des Droits de l'Homme, Journal du Droit International 1962, S. 238 ff.; eine Gesamtwürdigung gibt jetzt U. Scheuner, Die Grundrechte der MRK in ihrer Anwendung durch die Organe der Konvention, JahrreissFestschrift (1965) S. 355 ff. 62 Vgl. z. B. die E. v. 24. 9. 1963 über B.Nr. 1169/61 (gegen BRD), Ann. VI, 520--591, in der sich die Kommission bei der Zulässigkeilsprüfung intensiv mit schwierigen Fragen des deutschen Mietpreisrechts auseinandersetzte, dann aber betätigte, daß die durch die Beschwerde aufgeworfenen Probleme .,d'une extreme complexite" seien, der Beschwerdeführer zwar beachtliche Argumente angeführt habe, denen freilich die mindestens ebenso überzeugenden Argumente der Gegenseite gegenüberstünden, um die Beschwerde "pour defaut manifeste de fondement" -diese ungewöhnliche Formulierung weicht wohl nicht zufällig von Art. 27 Abs. 2 ab- als unzulässig zu erklären. Die E. v. 20. 7. 1957 über B.Nr. 250/57 (Max Reimann, Walter J.. isch und KPD 3 Partseil

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1. Abschnitt: Einführung

zu verdanken, daß zahlreiche Auslegungsfragen von der Kommission auch bei Zulässigkeitsprüfungen geklärt werden konnten. Breiter angelegt und daher rechtlich ergiebiger sind die Berichte der Kommission an den Gerichtshof oder den Ministerrat63• Bei den Entscheidungen nationaler Gerichteu steht naturgemäß stark die Frage des Verhältnisses des Rechts der Konvention zu dem nationalen Recht im Vordergrund. Während die Straßburger Organe unmittelbaren Zugang zu der Frage haben, ob ein in der Konvention geschütztes Recht des Beschwerdeführers durch eine Maßnahme eines Vertragsstaates verletzt ist, nachdem sie die Frage der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel geprüft haben, können die nationalen Gerichte in die Prüfung dieser Frage erst eintreten, nachdem sie bejaht haben, daß das Recht der Konvention generell innerstaatlich für anwendbar erklärt ,ist, ihnen- im Falle einer Divergenz zwischen nationalem Recht und Konventionsrecht-ein Recht zur Prüfung des natiolen Rechts am Maßstab der Konvention zusteht und auch die konkrete Bestimmung der Konvention, welche angewandt werden soll, nach den für das entscheidende Gericht verbindlichen Maßstäben als unmittelbar anwendbar anzusehen ist. Dennoch haben vor allem die Gerichte aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Belgien und den Niederlanden wesentliche Beiträge zur Anwendung der Konvention geleistet.

5. D i e Li t e r a t u r z um K o n v e n t i o n s r e c h t Die Literatur zur Konvention ist außerordentlich umfangreich und allmählich nur noch zu schwer überschaubar85• Von den früh erschienenen Gesamtdarstellungen haben die Aufsätze von M. Merle und H. A. Robertson66 nicht nur historisches Interesse. Im übrigen aber veralten die Arbeiten über die Konvention in verhältnismäßig kurzer Zeit mit dem Hinzutreten neuer Erkenntnisquellen, mit der Entwicklung der gegen BRD), Ann. I, 222 erklärte hingegen ohne ausreichende Darlegung der maßgebenden Gesichtspunkte die Beschwerde für unzulässig. Vgl. dazu unten S. 81 bei Erläuterung von Art. 17. 83 Nachweise s. o. Anm. 51. 64 Vgl. die Übersichten von W. Morvay, S. 89-112 und S. 316-347; G. Janssen-Pevtschin - J. Velu - A. Vanwelkenhuysen, La Convention .. . et le fonctionnement des juridictions belges, Chronique de politique etrangere. Bd. 15 (1962) S. 199-246; Menno van Emde Boas, S. 226-266 und neuerdings Th. Buergenthal, Colloque de Vienne H/Coll. (65) 15. 85 Vgl. die Bibliographien jeweils am Schluß von Ann. I-VI sowie E. Friesenhahn, in Strupp - Schlochauer, Wörterbuch Bd. II, S. 520. 68 Marcel Merle, S. 705-725; H. A. Robertson, British Year Book, S. 145 bis 163. Ergänzt durch weitere Berichte in British Yeark Book 1951 (1952), s. 359-365; 1952 (1953), s. 452 ff.

III. Arbeitsmaterial (Dokwnente, Entscheidungen, Literatur)

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Staatspraxis und vor allem der Straßburger Spruchpraxis. Die vor 1959 - also vor dem Erscheinen der Jahrbücher - geschriebenen Darstellungen sind daher weitgehend überholt67• Von denneueren Gesamtdarstellungen sind in erster Linie zu nennen in deutscher Sprache die Arbeiten von H. Golsong88, in englischer Sprache das Buch von A. H. Robertson89 und in französischer Sprache die Arbeit von K. Vasak70 • Wesentliche Beiträge sind in monographischen Aufsätzen zu Einzelfragen enthalten, auf die unten jeweils verwiesen wird. Doch sei hier immerhin auf die Kongreßberichte der Kolloquien in Straßburg im Jahre 196071, in London 196472, in Brügge im Jahr 196573 sowie im Oktober 1965 in Wien74 hingewiesen, die wertvolles Material enthalten. 67 Das gilt für die in deutscher Sprache erschienenen Werke: C. Weiss, Die europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Dokumente, hrsg. v. der Forschungsstelle für Völkerrecht an der Universität Hamburg, Heft XV), Frankfurt 1954; H. Guradze, Der Stand der Menschenrechte im Völkerrecht, Göttingen 1956; H. Wiebringhaus, Die Rom-Konvention für Menschenrechte in der Praxis der Straßburger Menschenrechtskommission, Saarbrücken 1959. Das gilt aber auch für den umfangreichen Kommentar von H. Schorn, Die europäische Konvention ... und ihr Zusatzprotokoll in Einwirkung auf das deutsche Recht - Text und Kommentar Frankfurt 1965, 464 S., der sich nur auf deutschsprachige Dokumente und Literatur stützt und die Spruchpraxis der Straßburger Organe fast nur nach den nicht immer verständlichen Zitaten bei Wiebringhaus wiedergibt, die keine Fundstellen enthalten. Im einzelnen vergleiche die Besprechung von H. Golsong, ZaöRV Bd. 26 (1966), S. 234 ff. 68 Die europäische Konvention . . . Entstehung, Inhalt, Anwendung Jböfffi NF Bd. 10 (1961) S. 123-180; seine selbständig erschienene Schrift Das Rechtsschutzsystem der EMK, Karlsruhe 1958 ist nur dem Verfahrensrecht gewidmet, dafür aber auch jetzt noch sehr wertvoll. 69 Zitiert oben Anm. 41, das die Tätigkeit des Europarates auf dem Gesamtgebiet der Menschenrechte einbezieht und einen reichhaltigen und sachkundig ausgewählten Dokumentenanhang enthält, so daß es als Handexemplar zur täglichen Arbeit von allen Schriften am geeignetsten erscheint. -Die Darstellung von Gordon L. Weil, The European Convention on Human Rights, Leyden 1962, dringt nicht genügend in die Problematik ein. 70 La Convention Europeenne des Droits de l'Homme, Bibliotheque Constitutionelle et de Science Politique, Paris, Bd. 10 (1964). Das Buch zeichnet sich durch seine sehr freimütige Kritik an der Spruchpraxis der Kommission aus. Das Buch von F. Monconduit, La Commission Europeenne des Droits de l'Homme (Aspects Europeens, serie E no. 4), Paris 1965, erschien erst nach Abschluß des Manuskriptes. 71 La Protection Internationale des Droits de l'Homme dans le Cadre Europeen (Annales de la Faculte de Droit et des Seiences Politiques et Economiques de Strasbourg) Bd. 10, Paris 1961 (zitiert als "Colloque Strasbourg"). 72 The European Convention on Human Rights, The British Institute of International and Comparative Law, Series No. 5 (1965) (zitiert als "British Institute"). 73 Semaine de Bruges 1965 Droit Communautaire et Droit National, Cahiers de Bruges, hrsg. vom College d'Europe, NS 14, Brügge 1965 (zitiert als "Semaine de Bruges"). 74 Beiträge von Th. Buergenthal, W. J. Ganshof van der Meersch, H. Guradze, R. Marcic, M. S0rensen, A. Verdross (bisher nur hektographiert).

3*

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1. Abschnitt: Einführung

Der Verfasser mußte sich- schon aus Raumgründen-bei der Auseinandersetzung mit literarischen Äußerungen sehr stark zurückhalten, ohne daß darin ein Werturteil über diese gesehen werden dürfte7s.

75 Auch zahlreiche Dissertationen liegen über das Recht der Konvention vor: E. Erhun, La Convention Europeenne des droits de l'Homme, These Paris 1953; C. Hodler, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das Grundgesetz, Diss. Göttingen 1953; B. Waldmann, Die Entwicklung der Rechtsidee der Humanitas und ihre Ausgestaltung in der europäischen Menschenrechtskonvention, Diss. Freiburg 1955; Vl. R. Paunovic, Die Verfassungsgarantien des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten im deutschen Strafverfahrenrecht, Diss. Münster 1956; R. Herzog, Grundrechtsbeschränkung nach dem Grundgesetz und Europäische Menschenrechtskonvention, Diss. München 1958; D. L. de Moura, La protection juridictionnelle des Droits de l'Homme et les Organisations regionales, These de doctorat d'Universite, Paris 1958; E. Meide!, Das Armenrecht im öffentlichrechtlichen Verfahren, Diss. Würzburg 1960; E. Appel, Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Bedeutung für das deutsche Strafrecht und Strafverfahrenrecht, Diss. Marburg 1961; L. Wiesler, Die Rechtsschutzeinrichtungen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, Diss. Tübingen 1961; H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehung. Eine Untersuchung zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur MRK (Neue Kölner rechtswiss. Abhandlungen, Heft 27) Berlin 1963; G. Droensch, Der Rang der MRK im deutschen Normensystem, Diss. Göttingen 1964; W. Escher, Die Geltung der MRK gegenüber den drei europäischen Gemeinschaften, Diss. Saarbrücken 1964.

Zweiter Abschnitt

Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung I. In der Völkerrechtsordnung 1. Ihr Vertragscharakter

Das Thema der Konvention und die wichtigsten Grundsätze hat die Beratende Versammlung des Europarates bestimmt - ein quasiparlamentarisches Gremium ohne Entscheidungsbefugnis, das zur Zeit der Beratung der Konvention aus Staatsvertretern bestand, die "nach einem von der Regierung selbst gewählten Verfahren ernannt" wurden (Art. 25 a der Europaratssatzung). Sie waren zwar durchweg von den Parlamenten designiert worden, doch war ihre Legitimation als Volksvertreter nicht statutenmäßig verankert. Das Ministerkomitee und die von ihm eingesetzten Gremien haben die Konvention im einzelnen ausgearbeitet. Im Rahmen des Ministerkomitees des Europarates hat auch der Abschluß der Konvention durch dfe Mitgliedstaaten und -Iänder des ER stattgefunden. Es ist zwar häufig versucht worden, den staatlichen Charakter der engeren europäischen Gemeinschaften darzutun, von dem Europarat kann aber angesichts seiner Befugnisse nicht ernstlich behauptet werden, er sei ein Staat oder ein staatliches Gebilde76 • So gehören die Beziehungen der in ihm zusammengeschlossenen Staaten :durchaus dem internationalen Recht an. ' Das Dokument selbst bezeichnet sich als "Konvention" und seine Präambel beginnt mit den Worten: "Les Gouvernements Signataires, Membres du Conseil de l'Europe77 ." Gern. Art. 66 Abs. 2 tritt die Konvention 76 C. Weiss spricht allerdings S. 10 von einem ,.überstaatlichen Gesetzgeber" und S. 31 von einer übernationalen Staatengemeinschaft mit übernationaler Rechtsprechungsgewalt Zutreffend R. Echterhölter, Die MRK im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, JZ 1955, 692 Anm. 50. Es ist etwas anderes, wenn B. Moser, Konvention S. 481 darauf hinweist, der ER habe durch die Konvention überstaatliche Elemente erhalten. 77 Diese Fassung hat es von dem Ministerrat erhalten, die Beratende Versammlung sprach in ihrem Entwurf von den Staaten als solchen. Vgl. AS (2) 93 Präambel.

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

erst nach Hinterlegung von zehn Ratifikationsurkunden in Kraft. Der Vertragscharakter des Werkes ist also auch in der Konvention selbst mit aller Deutlichkeit betont. Angesichts dessen mag es erstaunlich klingen, wenn der Abgeordnete H. L. Brill in der 217. Sitzung des deutschen Bundestages am 10. Juni 195278 die Konvention als "das erste europäische Gesetz" bezeichnete und wenn ein deutsches Mitglied der Beratenden Versammlung sogar von einem "Teil der europäischen Verfassung" sprach7D. Auch der britische Abgeordnete Foster nannte sie "first legislative act" 80, während andere Mitglieder der Beratenden Versammlung bei der Qualifikation wesentlich vorsichtiger formulierten: "something in the nature of specific legislation" 81 oder "almost a legislative act". "It is the nearest approach to a legislative act of anything that the Council of Europe will have done" 82• Hingegen nannte der konservative Abgeordnete Duncan Sandys die Konvention im englischen Unterhaus schlicht "a binding treaty"a3. Die Verschiedenheit der Bezeichnungen ist dadurch zu erklären, daß die Urheber teils auf die Entstehungsart, teils aber auf die Funktion der Konvention abstellten84 • Wenn man als "Gesetz" jede Rechtsnorm ansieht, so kann auch ein Vertrag, der über die Regelung eines Einzelfalles hinaus allgemeine Rechtsnormen enthält, "Gesetz" sein, ohne seinen Charakter als Vertrag zu verlieren. Freilich wird er dadurch noch kein Gesetzgebungsakt und bleibt bei der Auslegung und Anwendung - allenfalls mit gewissen seiner Eigenart Rechnung tragenden Modifikationen- als Vertrag zu behandeln. Es hat sich insbesondere in den anglo-amerikanischen Ländern eingebürgert, multilaterale Abkommen normativen Inhalts als "international legislation" zu bezeichnen, ohne damit ihren Vertragscharakter leugnen zu wollen85• Nur in diesem Stenographischer BerichtS. 9510. Abg. Becker am 16. 8. 1950 CR (2) 537. 8° CR (2) 522, vgl. M. Merle, S. 724. st Lord Layton am 14. 8. 1950 CR (2) 348. 82 Sir David Maxwell Fyfe am 14. 8. 1950 CR (2) 328. 83 480 H. C. Deb. 5s., S. 1412. 84 Treffend kennzeichnet das M. Merle, S. 724, "C'est la 78 79

ran~on du procede d'elaboration du traite - impose par la nature des rapports de droit international". Dabei nennt auch er die Konvention .,legislation", die gemeinsames

europäisches Recht schaffen soll. Der Vertreter der belgiseben Regierung vor der Kommission zog allerdings daraus, daß die Konvention auf einen Akt der internationalen Gesetzgebung zurückgehe, weitergehende Folgerungen: CEDH. Serie B, 1962, p. 51. 85 Vgl. vor allem M. 0 . Hudson, International Legislation Bd. I (1929) S. XIV und Bd. V (1936), S. VIII. Die rechtssoziologische Schule Frankreichs geht allerdings so weit, diesen Abkommen den Vertragscharakter abzusprechen und sie völlig den innerstaatlichen Gesetzgebungsakten gleichzustellen. Vgl. G. Scelle, Cours de droit international public (1948). S. 598 ff.

I. In der Völkerrechtsordnung

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Sinne kann der Konvention Gesetzescharakter zugesprochen werden. Das erste europäische Gesetz ist sie dann aber auf keinen Fall. Denn "international legislation" im funktionellen Sinne war auch schon das Statut des Europarats86• Im formellen Sinne ist die Konvention jedoch ein internationaler Vertrag. 2. D i e S t e 11 u n g d e r K o n v e n t i o n z u d e n anderen Rechtsquellen des Völkerrechts Mit der Feststellung, das Konventionsrecht besitze Vertragscharakter, ist aber noch nicht sein Verhältnis zu den anderen Rechtsquellen des Völkerrechts eindeutig geklärt. Denn ein völkerrechtlicher Vertrag kann sowohl Völkergewohnheitsrecht wie auch allgemeine von den zivilisierten Nationen anerkannte Rechtsprinzipien im Sinne von Art. 38 Abs. 1 (c) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs kodifizieren. Es besteht zwar wohl allgemeine Übereinstimmung darüber, daß diejenigen Bestimmungen der Konvention, welche ein besonderes europäisches Rechtsschutzsystem schaffen (Abschnitte II bis IV) und das allgemeine Verhältnis zwischen den Mitgliederstaaten regeln (Abschnitt V), ausschließlich auf Vertragsrecht beruhen, doch ist es heftig umstritten, ob und in welchem Umfang die Verbürgungen der Rechte und Freiheiten in Abschnitt I (Art. 2-18) auf einer Kodifikation von Rechtssätzen beruhen, die unabhängig von den vertraglichen Verpflichtungen bereits bindende Kraft haben87• So wird zwischen Bestandteilen der Freiheitsgarantien unterschieden, die (a) zum Kernbestand der elementaren Menschenrechte zählen und jeder Rechtsordnung - und auch der Völkerrechtsordnung - vorgegeben sind, (b) einem über diesen Kernbestand hinausgehenden europäischen Mindeststandard zuzurechnen sind, ss C. Weiss, S. 30 will aus der Tatsache, daß sich die Bundesrepublik in einer Note an den Generalsekretär des Europarates über die Verletzung von Menschenrechten im Saargebiete bereits vor dem Inkrafttreten der Konvention auf diese berufen habe, den Schluß ziehen, die Konvention sei also doch nicht nur ein Vertrag, sondern habe eventuell wenigstens teilweise gleichzeitig Gesetzescharakter. Die materiellen Bestimmungen der Konvention seien vom Ministerkomitee in Ausübung seiner Entscheidungsbefugnis hinsichtlich innerer Angelegenheiten (Art. 16 des Statuts) erlassen worden. Das kann nicht überzeugen. Weder gehört die Bestimmung so weittragender Konkretisierungen des Inhalts des Statuts zu den Aufgaben des Ministerkomitees noch hat dieses als solches überhaupt gehandelt. Verpflichtet haben sich durch die Unterzeichnung die Unterzeichnerstaaten und nicht das Ministerkomitee, das deshalb in der Präambel überhaupt nicht genannt ist. Wenn ein Staat in einer politischen Auseinandersetzung sich auf einen formell noch nicht in Kraft getretenen, sondern erst unterzeichneten Vertrag beruft, dann benützt er die moralische Autorität, welche dieses Dokument schon besitzt. Irgendwelche Rückschlüsse auf den Zeitpunkt, in dem die formellen Verpflichtungen entstehen, können daraus nicht gezogen werden. 87 übersieht über den Streitstand bei F. Klein, S. 149 ff. allerdings unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsrechts der Bundesrepublik.

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

der dem allgemeinen Völkerrecht angehört, und schließlich (c} einem Rest von Normen, die auf die vertragliche Bindung zurückzuführen seien88• Freilich ist noch niemals der Versuch gemacht worden, im einzelnen anzugeben, welche Teile des Kataloges der Rechte und Freiheiten zu den drei Rechtsmassen gehören89• Die Unterscheidung ist praktisch schwerlich verwertbar, wenn die einzelne Freiheitsverbriefung, die auf den Einzelfall nur unter Berücksichtigung der in ihr zugelassenen Einschränkungen anwendbar ist, nur als Grundsatznorm dem überpositiven Kernbestand oder aber dem Völkergewohnheitsrecht zugewiesen wird, während aber "die Einzelbestimmungen, die Voraussetzungen und Umfang der Einschränkbarkeit dieser Rechte regeln", auf Vertragsrecht beruhen sollen90• Denn zur anwendbaren Rechtsnorm wird die Freiheitsgewähr erst durch die Definition ihrer Grenzen und zulässigen Schranken, die sich die Konvention gerade zur Aufgabe gesetzt hat. Vielmehr enthält die Konvention nur die Kodifikation einiger weniger Normen des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts wie z. B. das Sklavereiverbot des Art. 4 Abs. 1, das aber schon das Verbot der Zwangsarbeit des Art. 4 Abs. 2 nicht mitumfaßt91 • Andere Freiheitsverbriefungen lassen sich auf gewohnheitsrechtliche Regelungen des Fremdenrechts zurückführen und haben in ihnen ihr Vorbild (habeas corpus, Verbot des deni de justice, Eigentumsgarantie). Deshalb darf aber nicht auch ihre Erstreckung auf das Verhältnis zwischen den Konventionsstaaten und ihren eigenen Staatsangehörigen auf Völkergewohnheitsrecht zurückgeführt werden. Denn es ist gerade das Neuartige und keinesfalls auf alte Traditionen zu stützende Element der Konvention, daß sie es unternimmt, das Verhältnis der Staaten zu ihren eigenen Angehörigen zu regeln und dafür völkerrechtliche Regeln aufzustellen, welche alle samt und sonders Durchbrechungen der bisher als allgemeine Regeln des Völkerrechts geltenden Grundsätze der alleinigen Zuständigkeit der Staaten für ihre "domestic jurisdiction" und des Ver88 So H. Meyer-Lindenberg, Die Menschenrechte im Völkerrecht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Heft 4 (1961), S. 84 ff. (122, 129 f.). 89 H. Meyer-Lindenberg hat seine eigenen sehr globalen Zuweisungen in der Diskussion revidiert. Nach seinem Leitsatz 1/5 (S. 120) enthält das allgemeine Völkerrecht nur "gewisse Ansatzpunkte für einen internationalen Menschenrechtsschutz", gemäß Leitsatz Ill/2 (S. 122) enthält der Katalog der MRK ,.aber auch Bestimmungen, die als allgemeine Regeln des universellen oder für den freien Teil Europas geltenden Völkerrechts" anzusehen sind; in seinem Schlußwort (S. 129) nahm er hingegen "die meisten (nicht alle) Menschenrechte, die die Konvention schütze", als "europäische Rechtsgrundsätze" für den "Menschenrechts-Mindeststandard als allgemeine Regel" in Anspruch. Darauf weist auch U. Scheuner, S. 373 hin. W. Wengler, a .a.O. (Anm. 11), S. 12 meint sogar, eine Untersuchung der faktischen Übung würde ergeben, es dürfe "nur von ganz wenigen Sätzen über Menschenrechte gesagt werden können, daß sie diese Prüfung bestehen". 9o So F. Klein, S. 176. 91 Vgl. H. Bülck, Stichworte "Sklavenhandel" und "Zwangsarbeit" in Strupp- Schlochauer,.Wörterbuch Bd. III S. 275 und S. 893 f.

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botes der Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten darstellen. Es soll hier nicht angezweifelt werden, daß diese Durchbrechungen zulässig waren. Sie haben ihre Grundlage in der Vertragsgewalt. Aber diese neuartigen Durchbrechungen allgemeiner Regeln des Völkerrechts können nicht ihrerseits auf einer allgemeinen Regel des Völkerrechts beruhen - eines Rechtsgebietes, für das 20 Jahre eine kurze Zeit sind. Vielmehr läßt sich allenfalls sagen, daß - seit 1945 - eine Bewegung im Gange ist, den internationalen Schutz der Menschenrechte zu einem Bestandteil der allgemeinen Völkerrechtsordnung zu machen92 und daß als Ergebnis dieser Bemühungen die allgemeine Regel ausgebildet wurde, daß nun - im Gegensatz zu dem bis 1945 geltenden Rechtszustand - die Staaten für die Behandlung aller ihrer Jurisdiktionsgewalt unterstehenden Personen völkerrechtlich verantwortlich sind93• Die Ausbildung des von den Staaten dabei zu beachtenden Standards für die Behandlung ihrer eigenen Staatsangehörigen ist aber noch im Gange und vollzieht sich gegenwärtig unter Begründung vertraglicher Verpflichtungen- und zwar schrittweise. Es bedeutet einen unzulässigen Vorgriff auf ein zwar angestrebtes aber noch nicht erreichtes Ergebnis, wenn die in der Konvention und ihrem Zusatzprotokoll verbrieften Rechte und Freiheiten schon jetzt als Bestandteile des Völkergewohnheitsrechts bezeichnet werden. Die Verfasser der Konvention sind offensichtlich davon ausgegangen, daß sie vertragliche Verpflichtungen begründen, nicht aber bereits bestehende Verpflichtungen lediglich kodifizieren. Andernfalls hätte in der Vertragsklausel über die Einlegung von Vorbehalten (Art. 64) darauf Rücksicht genommen werden müssen, daß gewisse Verpflichtungen der Konvention Vorbehalten nicht zugänglich sind94 • Auch die Notstandsregel des Art. 15 läßt sich schwerlich mit dieser Auffassung vereinbaren, der Kernbestand aller oder der meisten Rechte und Freiheiten sei vorgegeben oder sogar unabdingbar95 • Schließlich aber ist in einer Einzel82 Die eindrucksvollsten Zeugnisse dieser Bestrebungen sind die Schriften von H. Lauterpacht, und P. N. Drost, a .a .O. (Anm. 4). 83 So C. Th. Eustathiades, Colloque Strasbourg, S. 225. 84 Dazu H . Guradze, Stand, S. 174; F. Klein, S. 175. Beide halten auch die Kündigungsklausel des Art. 65 für unvereinbar mit einer Kodifikation ohnehin geltenden Rechts. Das ist nicht überzeugend. Durch die Kündigung wird nur die vertragliche Bindung beseitigt, auf anderem Geltungsgrund bestehende Bindungen bleiben erhalten. 85 Dann hätte mindestens auch die Religions- und Gewissensfreiheit für notstandsfest erklärt werden müssen. - Den Einwand E. Friesenhahns, Berichte der Dt. Gesellschaft für Völkerrecht, Bd. 4 (1961) S. 127, damit werde im Sinne der Methode Carl Schmitts die Norm vom Ausnahmezustand her interpretiert, halte ich nicht für überzeugend; es handelt sich hier nicht darum, wer über den Normenbestand verfügt, sondern über welchen Normenbestand verfügt werden kann.

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

bestimmung - der Eigentumsgarantie (Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls) - deren Verhältnis zu einer Norm des Völkergewohnheitsrechts ausdrücklich geregelt. Ein Entschädigungsschutz wird dort dem ernzeinen im Verhältnis zu seinem eigenen Staat nicht gewährt. Der europäische Mindeststandard bleibt also unter dem fremdenrechtliehen Standard. Dieser wird ausdrücklich aufrechterhalten - allerdings nur für die Adressaten des gewohnheitsrechtlich geltenden Konfiskationsverbotes, nämlich die Fremden96 • Diese einzelnen Bestimmungen der Konvention werden hier nur zur Bestätigung dafür angeführt, daß die Schöpfer der Konvention sich bewußt waren, im wesentlichen neuartige vertragliche Verpflichtungen zu formulieren, nicht aber einen vorgegebenen Normenbestand zu kodifizieren. 3. D i e A r t d e r d u r c h d i e K o n v e n t i o n begründeten Verpflichtungen (a) Staatenverpflichtungen und Individualrechte Internationale Verträge begründen in der Regel nur Verpflichtungen zwischen den an ihr beteiligten Staaten. Sollen darüber hinaus unmittelbar Rechte und Pflichten von Individuen begründet werden, muß sich dies aus dem Vertragswerk deutlich ergeben, wobei allerdings nicht genügt, daß die vertragsschließenden Parteien den Willen äußern, mit unmittelbarer Wirkung Rechte und Pflichten von Individuen zu begründen, sondern der Vertrag, welcher dieses Ziel verfolgt, auch so gefaßt sein muß, daß aus ihm Rechte und Pflichten von Individuen hergeleitet werden können, ohne daß die Vertragsstaaten noch eine besondere Ausführungsgesetzgebung erlassen müssen. Es versteht sich, daß damit die Frage der Notwendigkeit eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehles nicht angeschnitten ist. Sie regelt sich nach dem einzelstaatlichen Verfassungsrecht, worauf noch zurückzukommen sein wird. In der Konvention ist die Absicht, nicht nur eine Staatenverpflichtung zu Achtung der in ihr garantierten Freiheitsrechte zu schaffen, sondern darüber hinaus mit unmittelbarer Wirkung Individualrechte zu begründen, mehrfach zum Ausdruck gekommen. Die Vertragsschließenden sind entschlossen, - heißt es im letzten Absatz der Präambel - die ersten geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die kollektive Garantie gewisser Rechte, die in der Universellen Erklärung verkündet sind, 86 Zur Auslegung von Art. 1 Zusatzprotokoll s. u. S. 223 ff. unter IV/II e-k und K. J. Partsch, Semaine de Bruges, S. 324.

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sicherzustellen97 • In Art. 1 ist der Kreis der ins Auge gefaßten Adressaten bezeichnet: .,alle der Herrschaftsgewalt der Vertragsstaaten unterstehende Personen"; ihnen werden Rechte und Freiheiten zugesichert, nicht etwa sichern die Vertragsstaaten sich gegenseitig zu, daß sie diese Rechte und Freiheiten achten werden. Der von dem Regierungsvertreterausschuß entworfene Text war in dieser Hinsicht nicht ganz eindeutig und hatte nur davon gesprochen, daß die Staaten "s'engagent d reconnaitre". Auf einen Hinweis von Sir David Maxwell Fyfe, daß dies der juristischen Bedeutung der Konvention nicht gerecht werde98, hat das Ministerkomitee die Präsensform "reconnaissent" hergestellt, um deutlich zu machen, daß mit dem Inkrafttreten die vollen Rechtswirkungen der Konvention eintreten sollen, ohne daß es noch eines gesonderten Unterwerfungsaktes und vor allem einer Ausführungsgesetzgebung durch die einzelnen Staaten bedürfe. Freilich ist das im englischen Text nicht mit derselben Klarheit zum Ausdruck gekommen. Das futurische "shall secure" klingt schwächer. Aber auch dort sind als Adressaten die einzelnen genannt99 • In den einzelnen Freiheitsgarantien ist durch die Formulierung immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß als Adressat der Rechte "jedermann" anzusehen ist100. Die Rechte und Freiheiten dieses "jedermann" sind in allen Einzelheiten und in einem ähnlichen Stil, wie er sonst in staatlichen Verfassungen befolgt wird, umschrieben und schließlich ist in Art. 13 die Beziehung zwischen den in der Konvention gewährten Rechten und ihren Trägern deutlich bezeichnetl01. Einzelpersonen, nichtstaatliche Organisationen oder Personengruppen können Opfer von Rechtsverletzungen durch die Vertragspartner sein (Art. 25 Abs. 1 Satz 1), wie denn überhaupt das von der Konvention n Die deutsche Übersetzung "die ersten Schritte auf dem Wege zu einer kollektiven Garantie" schwächt die zum Ausdruck gebrachte Absicht ab:

,.Steps for the collective enforcement" I ,.mesures propres d assurer la garantie" ist stärker.

98 Vgl. sein Schreiben vom 24. 6. 1950 an den Präsidenten des Ministerkomitees AS (2) 6 Annexe 5 Ziffer (a) S. 530 und dazu H. Rolin am 25. 8. 1950 vor der Beratenden Versammlung CR (2) 915 sowie den ebenfalls von H. Rolin stammenden Bericht des Auswärtigen Ausschusses des belgiseben Senats vom 29. 10. 1953 - Senatsdrs. Nr. 502 (Session de 1952/53) und dazu H. Schermers, Semaine de Bruges 1965, S. 357. 88 K. Döhring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht (1963), S. 14 f. meint, der englische Text zeige deutlich, "daß mit dem Vertrag nur eine Staatenverpflichtung gewollt war". Dagegen spricht die schon in ZaöRV, Bd. 15 (1954), S. 650 geschilderte Entstehungsgeschichte, die nach allgemeinen Auslegungsregeln hier zu berücksichtigen ist, um den nur mit unterschiedlicher Deutlichkeit ausgedrückten Inhalt von Art. 1 zu ermitteln. Vgl. A. H. Robertson, Human Rights, S. 15. 10° So ist in den Art. 2, 5, 6, 8, 9, 10 und 11 "everyone" I "toute personne" als Träger der Rechte genannt, in den Art. 3, 4 und 7 hingegen "no one" I "nul".

101 "Everyone whose rights and freedoms are violated ... " I "Toute personne dont les droits et libertes ... ont ete violt?s ..." Die deutsche Fassung läßt das

nicht erkennen.

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

geschaffene Rechtsschutzsystem mit dem unmittelbaren Zugang der Individuen zu einer internationalen Kontrollinstanz als wichtigster Beleg dafür angeführt werden kann, daß nicht nur Staatenverpflichtungen durch die Konvention geschaffen, sondern Individualrechte eingeräumt worden sind102• Wenn die einzelnen Rechte behandelt werden, wird jeweils auf die Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit zurückzukommen sein. Das kann hier nicht im einzelnen behandelt werden. b) Die Festregung eines Mindeststandards

Die Feststellung, daß die Konvention den von ihr ins Auge gefaßten Adressaten unmittelbar Rechte und Freiheiten einräumt, bedarf allerdings einer Einschränkung. Sie erhebt nicht den Anspruch, die Grundrechtsverbürgungen der nationalen Verfassungen zu ersetzen und damit zu beseitigen, sondern sie statuiert für diese nur einen Mindeststandard. Soweit diese über den Mindeststandard der Konvention hinausgehen, bleiben die Grundrechtsverbürgungen in den nationalen Verfassungen unberührt und dasselbe gilt für das internationale Vertragsrecht auf dem Gebiete des Schutzes der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 60). Art. 60 lautet in deutscher Übersetzung: "Keine Bestimmung dieser Konvention darf als Beschränkung oder Minderung eines der Menschenrechte und grundsätzlichen Freiheiten ausgelegt werden, die in den Gesetzen eines Hohen Vertragsschließenden Teils oder einer anderen Vereinbarung, an der er beteiligt ist, festgelegt sind*." 102 Vgl. K. J. Partsch, Stichwort "Individuum im Völkerrecht" in Strupp Schlochauer, Wörterbuch, Bd. II, S. 14; im wesentlichen übereinstimmend A. Süsterhenn, L'application de Ia Convention sur le plan du droit interne, Colloque Strasbourg (1961) S. 305 ff. sowie H. Gotsong, Die MRK vor den natio-

nalen Gerichten, DVBI. 1958, 810 und Jahrbuch S. 128 mit ausführlichen Nachweisen. Für die Einräumung von Individualrechten kann allerdings nicht die Tatsache angeführt werden, daß der Ausschuß der Regierungsvertreter die Absicht aufgab, in die Konvention eine feierliche Erklärung aufzunehmen,

"selon laqueHe ta legislation interne des Hautes Parties Contractantes donne plein effet aux dispositions de la Convention" und dies folgendermaßen begründete: "En effet, en l'absence d'une disposition contraire, taut Etat signataire est cense donner plein effet aux dispositions de ta Convention des le moment de son adhesion." Denn sowohl die erwogene Klausel wie die Be-

gründung für ihre Ablehnung können sich auch auf bloße Staatenverpflichtungen beziehen. So jetzt auch M. S"rensen, Obligations of a State party to a treaty in respect of municipal law, Colloque Vienne, Bericht H / Coll (65) 11 S. 12. - Auch den weitgehenden Folgerungen H. Gotsongs aus der Einräumung einer Rekursmöglichkeit in Art. 13 vermag ich nicht zu folgen. Darauf ist zurückzukommen. * Zur Übersetzungs. S. 35 Anm. 104.

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In den maßgeblichen Fassungen lautet er: Nothing in this Convention shall be construed as limiting or derogating from any of the human rights and fundamental freedoms which may be en.sured under the laws of any High Contracting Party or under any other agreement to which it is a Party. Aueune des dispositions de la presente Convention ne sera interpretee comme limitant ou portant atteinte aux Droits de l'homme et aux libertes Iondamentales qui pourraient lUre reconnus conformement aux lois de taute Partie Contraetanie ou d taute autre Convention d laquelle cette Partie Contractante est partie.

Stellt man sich bildlich den Grundrechtsstandard der einzelnen Staaten als Wellenlinien vor, die aufeinander gelegt werden, so zieht die Konvention etwa am unteren Rande - aber keineswegs am untersten - einen geraden Strich, der einige Wellenlinien als nicht mehr betretbares Gebiet kennzeichnet10a. Soweit der staatliche Standard des Schutzes der Grundfreiheiten aber höher liegt als der der Konvention, bleibt dieser erhalten. Das soll auch für. Grundrechtsverbürgungen gelten, die erst nach Inkrafttreten der Konvention in das nationale Recht eingeführt werden104• Nicht geregelt ist in Art. 60 der Konvention das Verhältnis zu dem ungeschriebenen Recht, das innerstaatlich gilt. Soweit z. B. in einer nationalen Verfassung - wie im Grundgesetz der BRD - kein Notstandsrecht vorgesehen ist, aber die Befugnis zur Suspension gewisser Grundrechte aus dem ungeschriebenen Recht des übergesetzlichen Notstandes hergeleitet werden können sollte105, müßte angenommen werden, daß dennoch die nach der Konvention notstandsfesten Rechte (Art. 2-4 und 7) unberührt zu bleiben haben und hinsichtlich der übrigen Rechte die in Art. 15 vorgesehenen Meldepflichten zu erfüllen sind. Der Vorbehalt für die weitergehenden Verpflichtungen aus internationalen Abkommen ist nicht nur dann von praktischer Bedeutung, falls zwischen den Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen doch noch ein Menschenrechtspakt zustandekommen und dessen Garantien über die europäische Konvention hinausgehen sollte, sondern z. B. auch für die Genfer Rot-Kreuz-Abkommen hinsichtlich der Behandlung der I03 Dazu U. Scheuner, S. 368, das Recht der Konvention bestätige, ergänze und ändere - freilich nur in Ausnahmefällen - das nationale Recht. Mißverständlich aber S. 377, die Konvention wolle die nationalen Verbürgungen nicht erweitern. Freilich räumt er S. 377 unten ein, Art. 6 greife am nachdrücklichsten in das nationale Recht ein, das noch gewisse Mängel zeige. 104 Die deutsche Übersetzung von Art. 60 ist hier mangelhaft. Es müßte am Schluß heißen: "festgelegt sind oder festgelegt werden". 105 Vgl. Erich Kaufmann, Rechtsgutachten zum Vertrage über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und zum Deutschlandvertrag (August 1952), S. 30 f.

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unter der Jurisdiktion eines Vertragsstaates befindlichen Einwohner besetzter Gebiete10'. Ungeregelt blieb auch die Frage, ob die Konvention den Menschenrechtsstandard berührt, der auf allgemeinen Regeln des Völkerrechts beruht. Daraus, daß in Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls ein ausdrücklicher Vorbehalt für das fremdenrechtliche Konfiskationsverbot ausgesprochen wurde107, darf nicht geschlossen werden, daß andere fremdenrechtliehe Garantien des Gewohnheitsrechts im Verhältnis zwischen Konventionsstaaten obsolet geworden seien108• Denn das allgemeine Ziel der Konvention ist, den Menschenrechtsstandard zu heben, ihn aber auf keinen Fall zu senken oder dem Staate Eingriffe in Individualrechte zu gestatten, die nach der bisherigen Rechtsordnung - beruhe sie nun auf geschriebenem oder ungeschriebenem Rechte- als unzulässig anzusehen wären. Kein Staat kann auf die Konvention das Recht zum Eingriff in Individualrechte stützen, die bisher nicht zulässig waren109• Hingegen kann aber das Individuum sich auf die in der Konvention gewährleisteten Rechte berufen, um bisher nach nationalem Recht zulässige Eingriffe abzuwehren. Das ist auch nicht davon abhängig, daß der Staat, welcher in die Individualrechte eingreift, den Zugang von Einzelpersonen zur Kommission anerkannt hat. Freilich hängt es wie zu zeigen sein wird - von dem nationalen Recht des jeweiligen Staates ab, ob die nationalen Rechtsanwendungsorgane gehalten sind, die Berufung auf den Mindeststandard der Konvention zu beachten. Dieser Mindeststandard hat in dem Sinne objektiven Charakter, daß die Vertragsstaaten mit dem Beitritt zur Konvention verpflichtet sind, ihn gegenüber "Jedermann" zu achten und daß es nicht darauf ankommt, in welchem Umfange und von welcher Zeit an andere Vertragsstaaten an diesen Mindeststandard gebunden sind. Auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit kann sich daher ein Vertragsstaat, der wegen Verletzung der Konvention zur Verantwortung gezogen wird, nicht berufen110• 1 oe Zum gegenseitigen Verhältnis zwischen Konvention und den Genfer Abkommen vgl. K. Vasak, La Convention Europeenne des Droits de l'Homme, complement utile des Conventions de Geneve, Revue internationale de la Croix Rouge, Bd. 47 (1965) S. 365 ff. 107 s. o. s. 32. 108 Vgl. Teitgen, 4. Sitzung v. 16. 8. 1950 CR (2) 505 und den Maxwell FyfeBericht AS (2) 93 Ziff. A/5 der Begründung. 109 Dazu sehr kritisch W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 28. 110 So die Kommission in ihrer E. v. 11. 1. 1961 über B.Nr. 788/60 (Österreich gegen Italien), Ann. IV, 117 (139 ff.) unter Berufung auf das Ziel der Konvention, einen "ordre public communautaire des libres democraties d'Europe" festzulegen: "il en resulte que les Obligations souscrites par les Etats Contractants dans la Convention ont essenti~llement un caractere objectif, du

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ll. Der Standort der Konvention in der staatlichen Rechtsordnung 1. Allgemeines Die durch internationale Vertragsverpflichtungen gebundenen Staaten sind grundsätzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die nationalen Rechtsanwendungsorgane - wozu aus der Sicht des Völkerrechts auch die Gesetzgebungsorgane zu rechnen sind - die von dem Staat übernommenen Verpflichtungen achten. Im allgemeinen ist es den Staaten aber freigestellt, in welcher Weise sie dieses Ziel erreichen, ob sie also entweder eigene Gesetze erlassen, um den Vertragsverpflichtungen Rechnung zu tragen, oder aber die Rechtsanwendungsorgane verpflichten, den Vertrag unmittelbar anzuwenden111 • 2. A u s d e r K o n v e n t i o n h e r z u 1 e i t e n d e R e g e 1 n Es ist freilich möglich, daß Staaten sich vertraglich verpflichten, gewisse Schritte zu unternehmen, um einem internationalen Vertrag auch innerstaatliche Geltung zu sichern; das bedarf aber einer besonderen Vereinbarung, die aus dem Recht auf eine wirksame nationale Beschwerdeinstanz (Art. 13), aus dem vorgesehenen Berichtssystem (Art. 57) und aus der Regelung der Aktivlegitimation für die Ein1egung von Beschwerden an die Kommission (Art. 25 Abs. 1) hergeleitet wird.

a) Art.13 Deutsche Übersetzung:

Artikel13 Sind die* in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt worden, so hat der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Maßgebliche Fassungen: A rti cl e 13 Everyone whose rights and freedoms as set forth in this Convention are violated shall have an effective remedy before a national authority notwithstanding that the violation has been committed by persans acting in an official capacity.

fait qu'elles visent d proteger les droits fondamentaux des particuliers contre les empietements des Etats Contractants, plutot qu'd creer des droits subjectifs et reciproques entre ces derniers" und dazu K. Vasak, a.a.O. (Anm. 106), S. 376. 111 Vgl. K. J. Partsch, Bericht, S. 32 ff. (mit Nachweisen). * Zur Übersetzung s. o. Anm. 101.

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Art i c 1 e 13 Toute personne dont les droits et libertes reconnus dans la presente Convention ont ete violes, a droit a l'octroi d'un recours effectif devant une instance nationale, alors meme que la violation aurait ete commise par des personnes agissant dans l'exercice de leurs fonctions officielles. Verschiedentlich ist vor allem in letzter Zeit behauptet worden, aus Art. 13 der Konvention sei die vertragliche Verpflichtung herauszulesen, die materiellrechtlichen Bestimmungen der Konvention zu innerstaatlich anwendbarem Recht zu erklären und dadurch die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane zur Anwendung dieser Bestimmungen zu verpflichten. Denn ein wirkungsvoller Behelf (an effective remedy / un recours effectif) i. S. des Art. 13 sei nur gegeben, wenn die Staatsorgane, die über den Behelf zu entscheiden hätten, verpflichtet seien, das materielle Recht der Konvention anzuwenden112• Ist dieser erste Schritt getan, werden leicht noch weitere Folgerungen aus Art. 13 gezogen: er verpflichte den nationalen Gesetzgeber, dem Recht der Konvention Vorrang vor dem nationalen Recht einzuräumen und stehe einer Bindung von Gerichten an eine authentische Auslegung völkerrechtlicher Verträge durch das Außenministerium im Wege113, ja selbst eine Rechtspflicht zur Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit mit Normenkontrolle, der alle Rechtsnormen unterworfen sind, wird aus Art. 13 hergeleitet114• Dabei wird mit dem Argument gearbeitet, wirkungsvoll werde der garantierte Behelf erst, wenn alle geschilderten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Garantie des Art. 13 setze aus Gründen der Logik voraus, daß die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane gehalten seien, das materielle Recht der Konvention anzuwenden. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte vermag dieses Argument zu entkräften. Die Garantie geht letzten Endes auf Art. 8 der VN-Erklärung zurück, wo freilich in Anlehnung an das mexikanische Recht eine regel112 So H. Golsong, Rechtsschutzsystem, S. 8; Jahrbuch, S. 129; B. V. A. Röling, N. J . 1960 Nr. 483 (zu dem Urt. des nieder!. Hoge Raad v. 24. 2. 1960); A. Süsterhenn, Colloque Strasbourg, S. 318; T. Wald, The European Human

Rights Convention and Norway, Legal Essays (Castberg-Festschrift) 1963, S. 353 ff. ; zuletzt Th. Buergenthal, British Institute, S. 82; ders.,- allerdings zurückhaltender im Bericht H/Coll. (65) 5 S. 43 für d. Colloque Vienne; auch das OLG Bremen v. 16. 5. 1962, NJW 1962, 1735, hat das Argument übernommen; immerhin erwägend W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 24. A. A. sehr entschieden K. Vasak, Convention, S. 234; ders., L'application des Droits de l'Homme ... par les juridictions nationales, Bericht für die Semaine de Bruges 1965 S. 339; M. Serensen, a.a.O. (Anm. 102), S. 13. 113 So A. J . P. Tammes, The Obligation to provide local remedies, Festgabe van der Molen (1962) S. 12. 114 0 . K. Kaufmann, a.a.O. (Anm. 19), S. 253 sieht darin eine der wichtigsten Schwierigkeiten für eine Ratifikation der Konvention durch die Schweiz.

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rechte Rechtsweggarantie im Fall der Verletzung der von der innerstaatlichen Verfassung oder vom innerstaatlichen Recht garantierten Grundrechte gewährt ist115• Im Entwurf eines UN-Covenant 1948 wird diese Rechtsweggarantie auf den Fall einer Verletzung des Covenant bezogen, aber zur Garantie eines Beschwerderechts abgeschwächt, das allerdings im weiteren Verlauf zu einer gerichtlichen Nachprüfung führen muß. Im Entwurf von 1950, der gleichzeitig mit der Konvention ausgearbeitet wurde (Art. 1 Abs. 3), ist die gerichtliche Nachprüfung fallen gelassen worden und wurde präzisiert, daß über die Beschwerde eine politische, administrative oder Gerichtsbehörde zu entscheiden habe116• Freilich sehen die Entwürfe für einen UN-Covenant generell nicht vor, daß die in ihnen formulierten Freiheitsgarantien unmittelbar von innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen anzuwenden, sondern die Vertragsstaaten lediglich verpflichtet sein sollen, ihre innerstaatliche Rechtsordnung in angemessener Zeit anzupassen117• Die These, die Einräumung eines Beschwerderechts setze logisch voraus, daß die Beschwerdeinstanz an das Konventionsrecht gebunden sei, hat daher in der Entstehungsgeschichte keine Grundlage, sondern wird von ihr sogar widerlegt. Der den Gremien des Ministerkomitees vorliegende Entwurf der Beratenden Versammlung118 schloß sich eng an das Vorbild der VN-Entwürfe an und übernahm lediglich eine Staatenverpflichtung, eine Beschwerde an eine nationale Instanz zu gewähren, wobei allerdings zunächst eine nachfolgende gerichtliche Kontrolle vorgesehen werden sollte, was aber schon in einem frühen Stadium der Arbeiten aufgegeben wurde119• Erst in den Verhandlungen zwischen dem Rechts- und Vgl. N. Robinson, S. 112; A. Verdoodt, S. 118. Allerdings hatten sich die Vertreter des Vereinigten Königreichs in der VN-Menschenrechtskommission dafür eingesetzt, die gerichtliche Nachprüfung beizubehalten: UN Doc. E 1681 - E/CN. 4/507, S. 25 (Comments by the representative of the United Kingdom zu Art. 1). 117 Art. 1 Abs. 2 UN-Covenant 1950 vom 29. 5. 1950: "(2) Where not already 115

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provided for by existing legislative or other measures, each State undertakes to take the necessary steps, in accordance with its constitutional processes and with the provisions of this Covenant, to adopt within a reasonable time such legislative or other measures as may be necessary to give effect to the rights recognized in this Covenant." Auch in Art. 1 Abs. 3, der die Garantie

für das Beschwerderecht enthält, ist durch die Formulierung eindeutig klargestellt, daß es sich um eine Staatenverpflichtung, nicht aber um ein Individualrecht handelt. Er beginnt: "Each State Party hereto undertakes to

ensure .. ."

Recommandation Nr. 28 AS (2) 108 v. 8. 9. 1949. Bis zum Juni 1950 lautete die Formel in den Gremien des Ministerkomitees: "Les Hautes Parties Contractantes s'engangent d assurer l'octroi 118

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d'un recours effectif devant une instance nationale d taut individu dont les droits et libertes definis dans la presente Convention auront ete violes, alors meme que la violation aurait ete commise par des personnes agissant dans l'exercice de leurs fonctions officieHes." 4 Partsch

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

Verwaltungsausschuß der Beratenden Versammlung und dem Ministerkomitee, welche auf das Schreiben von Sir David Maxwell Fyfe vom 24. 6. 1950 an den Präsidenten des Ministerkomitees folgten, wurde gleichzeitig mit der Neuformulierung von Art. 1 (s. o. S. 33) - das Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 von einer Staatenverpflichtung zu einem Individualrecht verstärkt. Offensichtlich geschah dies in dem Bestreben, in der Konvention - soweit wie möglich von nationalen Rechtsinstanzen anwendbare Individualrechte zu statuieren und den Kreis der möglichen Adressaten des Vertragsrechts über den Kreis der Vertragsstaaten hinaus auf ihre Rechtsanwendungsorgane und die ihrer Herrschaftsgewalt unterworfenen Individuen zu erweitern. Es ist bezweifelt worden, daß die Umformung von Art. 13 die beabsichtigte Wirkung erzielt habe. Denn ein Individualrecht auf einen wirksamen Beschwerdeweg könne nur in den Vertragsstaaten durchgesetzt werden, deren Rechtsordnung einen derartigen Beschwerdeweg bereits vorsehe. Soweit das nicht der Fall sei, bedürfe es einer staatlichen Ausführungsgesetzgebung, um einen solchen zu eröffnen. Ein subsidiärer Zugang zu einer bestimmten Behörde - wie in Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten - sei nicht vorgesehen und daher sei Art. 13 eine lex imperfecta, welche die Vertragsstaaten lediglich verpflichten könne, einen Beschwerdeweg zu eröffnen. Als Individualrecht sei Art. 13 hingegen unvollziehbar120• Richtig an dieser Argumentation ist, daß die Garantie für einen wirksamen Beschwerdeweg nicht in vollem Umfang als Individualrecht vollziehbar ist. Soweit kein Beschwerdeweg eröffnet ist, bedarf es einer staatlichen Ausführungsgesetzgebung. Soweit aber ein Beschwerdeweg eröffnet ist, - wie z. B. nach dem Recht der BRD durch die Generalklausel für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG - wird diese Regelung durch eine völkerrechtliche Garantie in der Weise verstärkt, daß die Versperrung dieses Beschwerdeweges eine Verletzung des Individualrechtes bedeutet, die von dem Individuum vor den europäischen Instanzen geltend gemacht werden kann. Wo an sich ein Zugang des einzelnen zu Gerichten oder Verwaltungsbehörden eröffnet ist, ohne daß die genügenden Garantien für dessen Wirksamkeit gegeben sind, könnte Art. 13 auch eine Grund~ Iage dafür bieten, daß die Beschwerdemöglichkeit von den nationalen Instanzen selbst- insbesondere von Gerichten- in der Weise weiter entwickelt und ausgebaut wird, daß sie den Anforderungen des Art. 13 entspricht, indem diese z. B. das Recht für sich in Anspruch nehmen, no So insbesondere W. Morvay, S. 320; F. Münch, Zur Anwendung der MRK in der BRD, JZ 1961, 154.

II. Der Standort der Konvention in der Staatlichen Rechtsordnung

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einen Akt der Exekutive nicht nur für rechtswidrig zu erklären, sondern auch seiner Wirksamkeit zu entkleiden121 • Art. 13 hat also eine Doppelnatur: Er begründet einerseits - soweit ein Beschwerdeweg eröffnet ist - ein Individualrecht, diesen zu benutzen und nicht wieder einzubüßen. Soweit ein Beschwerdeweg fehlt, sind die Staaten verpflichtet, ihn einzurichten. Angesichts dieser Doppelnatur von Art. 13 verbietet es sich jedoch, aus der Garantie eines wirksamen Beschwerdeweges auch die Rechtsverpflichtung der Staaten herzuleiten, daß die von ihnen vorgesehenen Beschwerdeinstanzen ein bestimmtes Recht - das der Konvention - anwenden müssen. Durch die Erweiterung des Kreises der Adressaten dieser Verpflichtung hat sich ihr materieller Inhalt nicht verändert. Als nur die Staaten verpflichtet waren, hatten sie in bestimmter Weise ausgestaltete - nämlich wirksame- Beschwerdeinstanzen zur Verfügung zu stellen. Welches Recht sie anzuwenden hatten, blieb offen. Durch die Erweiterung des Kreises der Adressaten hat sich der Inhalt dieser Verpflichtung nicht geändert. Sie sind nun völkerrechtlich verpflichtet, den Individuen nichts in den Weg zu legen, die ihnen eröffneten Beschwerdewege zu benutzen. Aber daraus kann nicht die Verpflichtung hergeleitet werden, den Beschwerdeinstanzen auch die Beachtung des Konventionsrechtes aufzuerlegen. Diese Frage blieb unter der früheren Fassung offen und bleibt es auch nach der neuen Fassung. Wie die Staaten ihre Rechtsverpflichtung erfüllen, die Beachtung der Konvention innerstaatlich zu sichern, ist ihnen überlassen. Die Kommission hatte bei der Prüfung der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel einen Anlaß, sich zur Bedeutung von Art. 13 vor den innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen zu äußern. So hat sie entschieden, daß das Recht auf eine nationale Beschwerdeinstanz keinen Weg zu einem Verfassungsgericht über die ordentliche Gerichtsbarkeit hinaus eröffne122 und auch den Zugang zur Kommission nicht 121 Das gilt z. B. in Griechenland für die Befugnis des Staatsrates, Staatsakte zu annulieren, die zwar eine Grundlage in der Verfassung hat, deren Modalitäten aber durch den Staatsrat selbst entwickelt wurden. Th. Tsatsos, Das Rechtsmittel des Annulierungsantrags vor dem Staatsrat, Athen 2. Aufl. (1953) S. 278, § 231 (griechisch) sieht es als einen Vorteil dieser forensischen Rechtsfortbildung an, daß sie den praktischen Notwendigkeiten besser gerecht zu werden vermag als eine gesetzliche Regelung. 122 Vgl. E. v. 7. 7. 1959 über B. Nr. 436/58 (gegen BRD), Ann. III, 386 (389); E. v. 4. 1. 1961 über B. Nr. 778/60 (gegen BRD), Rec. 5; dazu BGH, 20. 7. 1964, NJW 1964, 2119: "Art. 13 ... gibt nicht selbständig ein Beschwerderecht gegen eine nach deutschem Recht nicht mehr anfechtbare Entscheidung". Das ist so allgemein weder der E. v. 7. 7. 1959 noch den in DÖV 1959, 743 veröffentlichten Leitsätzen der E. v. 7. 7. 1959, auf die sich der BGH aber beruft, zu entnehmen.

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garantiere123• Im übrigen stand für sie im Vordergrund, daß das Recht auf eine nationale Beschwerdeinstanz keine neuen materiell-rechtlichen Vertragsverpflichtungen schaffe, sondern nur eine verfahrensmäßige Sicherung der in der Konvention garantierten Rechte und Freiheiten darstelle, also akzessorischen Charakter besitze124. Hingegen haben Urteile nationaler Gerichte dem Recht auf eine nationale Beschwerdeinstanz lediglich den Charakter einer Staatenverpflichtung zugeschriebent2s. Die Anforderungen, welche an eine wirksame nationale Beschwerdeinstanz zu stellen sind, hat die Kommission noch nicht umrissen. Es dürfte sicher zu weit gehen, nur eine Beschwerdeinstanz als wirksam anzusehen, welche- wie die deutschen Verwaltungsgerichte- in der Lage sind, eine behördliche Maßnahme für unwirksam zu erklären. Es muß auch genügen, wenn die nationale Instanz wegen der Rechtsverletzung einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen in der Lage ist. Eine gerichtliche Instanz kann m. E. nicht verlangt werden126, sondern auch ein Verwaltungsverfahren hat als ausreichend zu gelten, welches die getroffene Maßnahme aufzuheben oder dem Verletzten einen Schadensausgleich zu gewähren in der Lage ist. Hingegen dürfte es kaum genügen, wenn dem Verletzten nur die Möglichkeit offen bleibt, Gegenvorstellungen bei der Behörde zu er123 In E. v. 17. 3. 1958 über B. Nr. 300/57 (gegen BRD) -unveröffentlichthat die Kommission bestätigt, das deutsche Recht eröffne dem Verletzten eine Fülle wirksamer Beschwerdemöglichkeiten vor verschiedenen nationalen Instanzen. Es sei der Zweck von Art. 13, "d'assurer d taute personne allegant

qu'une violation des droits et libertes garantis par la Convention avait ete commise d son egard, un recours effectif devant une instance nationale",

womit aber über die Art und den Adressaten der Rechtsverpflichtung nichts ausgesagt ist. 124 Vgl. die E. v. 29. 8. 1957 über B. Nr. 276/57 (gegen BRD) Ann. I, S. 171: Anspruch auf Wiedergutmachung; E. v. 8. 1. 1960 über B. Nr. 472/59 (gegen BRD), Ann. III, S. 206: Recht auf Entschädigung für Auslandsvermögen; E. v. 8. 1. 1960 über B. Nr. 528/59, 529/59 und 533/59 (alle gegen Österreich) - unveröffentlicht- hinsichtlich der von dem österr. Vorbehalt zu Art. 1 des Zusatzprofokolls erfaßten Besatzungs- und Requisitionsschäden; E. v. 8. 5. 1962 über B. Nr. 1092/61 (gegen Österreich), Ann. V, S. 212 : durch Art. 6 und 8 der Konvention nicht geschützte Rechte. 1!5 Vgl. das Urteil des nieder!. Hoge Raad v. 24. 2. 1960, N. J. 1960, 1121 = Nederlands Tijdschrift 1961, 285, wonach Art. 13 lt!diglich eine Staatenverpflichtung enthalten und keine Grundlage für den Anspruch auf eine Beschwerdeinstanz gewähren soll sowie den Beschluß des OLG Linz v. 20. 12. 1961, das unter Berufung auf eine Entscheidung der österr. VerfGH v. 16. 1. 1960 - B 242-244/49-3 - zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt. 128 So aber J. Mühlenhöver, Die Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die europäische Neuordnung in Menschenrechte in christlicher Sicht, Freiburg 1953, S. 56 Anm. 20 und H. v. Weber, Die Durchsetzung der Grundrechte der Menschenrechtskonvention in der innerdeutschen Strafrechtspflege, MDR 1955, 389; auch der VerfGH RheinlandPfalz, 16. 3. 1959 E Bd. 7 S. 214 (217) = DÖV 1959, 578 "neigt dazu, diese Frage zu bejahen". ohne sie allerdings zu entscheiden.

li. Der Standort der Konvention in der Staatlichen Rechtsordnung

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heben, von welcher der Eingriff ausging oder aber eine Petition an ein Parlament zu richten, das keine Möglichkeit hat, seinerseits Abhilfe zu schaffen127•

b) Das Berichtssystem (Art. 57) Auch die im übrigen angeführten Argumente für eine aus der Konvention herzuleitende Verpflichtung, den materiellen Bestimmungen der Konvention unmittelbare Geltung vor den innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen zu verleihen, sind nicht stichhaltig. Art. 57 der Konvention lautet in deutscher Übersetzung:

"Nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung durch den Generalsekretär des Europarates hat jeder Hohe Vertragschließende Teil die erforderlichen Erklärungen abzugeben, in welcher Weise sein internes Recht die wirksame Anwendung aller Bestimmungen dieser Konvention gewährleistet." Maßgeblicher Wortlaut: On receipt of a request from the Secretary-General of the Council of Europe any High Contracting Party shall furnish an explanation of the manner in which its internallaw ensures the effective implementation of any of the provisions of this Convention. Taute Haute Partie Contractante fournira sur demande du Secretaire General du Conseil de l'Europe les explications requises sur la maniere dont son droit interne assure l'application effective de toutes les dispositions de cette Convention. Statuiert ist eine Berichtspflicht. Daraus ist nicht zu folgern, daß die Konvention innerstaatlich in allen Fällen unmittelbare Wirkungen entfaltet und alle ihre Bestimmungen von den nationalen Rechtsanwendungsorganen anzuwenden seien128 ; denn wenn das richtig wäre, bedürfte es der Berichte nicht. Auf der anderen Seite kann daraus aber auch nicht hergeleitet werden, die Konvention erlege den Vertragsstaaten lediglich die Verpflichtung auf, ihre innerstaatliche Rechtsord127 Es mag hingegen fraglich erscheinen, ob die Möglichkeit ausreicht, sich mit seinem Anliegen an einen Parlamentsbeauftragten zu wenden, der zur Achtung der Grundrechte bestellt ist. So hat die schwedische Regierung allerdings den Art. 13 verstanden. In ihrer Proposition Nr. 165 v. 2. 3. 1951 wurde auf die Einrichtung des "justitieombudsman" gemäß Art. 96 der schwedischen Verfassung hingewiesen, eines vom Parlament für die Dauer der Legislaturperiode gewählten angesehenen Juristen, der über die Wahrung der Verfassung durch das Parlament selbst und durch die Regierungs- und Verwaltungsbehörden zu wachen hat. 128 So aber B. Moser, Konvention, S. 450 und der Beschwerdeführer gern. E. v. 29. 8. 1959 über B. Nr. 473/59 (gegen Österreich), Ann. II, 400 (403).

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nung den Vorschriften der Konvention anzupassen129, ohne aber innerstaatlich unmittelbar anwendbares Recht zu schaffen130 ; vielmehr kann darin lediglich eine Bestätigung dafür gesehen werden, daß die Schöpfer der Konvention sich des Problems bewußt waren, daß die Konvention den Vertragsstaaten nicht die Rechtsverpflichtung aufzuerlegen vermag, dieser vor den nationalen Rechtsanwendungsorganen dieselbe Rechtsgeltung zu verleihen, die sie vor den europäischen Rechtsschutzorganen besitzt und daß es nach den unterschiedlichen Verfassungsvorschriften der Vertragsstaaten unterschiedliche Formen gibt, "die wirksame Anwendungen der Bestimmungen der Konvention zu sichern". Auf diese unterschiedlichen Formen wird noch einzugehen sein131•

c) Art. 25 Abs. 1 Deutsche Übersetzung:

Artikel 25 (1) Die Kommission kann durch ein an den Generalsekretär des Europarats gerichtetes Gesuch jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personenvereinigung angegangen werden, die sich durch eine Verletzung der in dieser Konvention anerkannten Rechte durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile beschwert fühlt*, vorausgesetzt, daß der betreffende** Hohe Vertragschließende Teil eine Erklärung abgegeben hat, wonach er die Zuständigkeit der Kommission auf diesem Gebiete*** anerkannt hat. Die Hohen Vertragschließenden Teile, die eine solche Erklärung abgegeben haben, verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts in keiner Weise zu behindern.

Maßgebliche Fassungen: Ar ti c 1 e 25 (1) The Commission may receive petitions addressed to the Secretary-General of the Council of Europe from any person, non-governmentaLorganisation or group of individuals claiming tobe the victim of a violation by one Diese Verpflichtung bejaht W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 5 aus Art. 57. So die österr. Bundesregierung in ihrer Vorlage Nr. 60 an den Nationalrat vom 23. 9. 1959 (Beilage zu den Steno.Prot. IX. GP. 8. 9/10.) und dazu H. Golsong, Jahrbuch S. 132 f. 131 s. u. unter II/3 (S. 46 ff.). • "Claiming to be the victim I qui se pretend victime" heißt nicht "die sich beschwert fühlt", sondern "die beschwert zu sein behauptet". ** Der betreffende Teil ist der vertragschließende Teil, gegen den sich die Beschwerde richtet ("the ... Party against which the complaint has been lodged"). Die franz. Fassung, der die deutsche Übersetzung folgt, ist unscharf. *** "Auf diesem Gebiete" (..dans cette matiere") läßt an eine sachliche Zuständigkeit denken. Es handelt sich um die Zuständigkeit, "to receive such petitions". Hier war englisch die Arbeitssprache. 120

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of the High Contracting Parties of the rights set forth in this Convention, provided that the High Contracting Party against which the complaint has been Iodged has declared that it recognises the competence of the Commission to receive such petitions. Those of the High Contracting Parties who have made such a declaration undertake not to hinder in any way the effective exercise of this righ t. Article 25 1. La Commission peut etre saisie d'une requete adressee au Secretaire General du Conseil de l'Europe par toute personne physique, toute organisation non gouvernementale ou tout groupe de particuliers, qui se pretend victime d'une violation par l'une des Hautes Parties Contractantes des droits reconnus dans la presente Convention, dans le cas ou la Haute Partie Contractante mise en cause a declare reconnaitre la competence de la Commission dans cette matiere. Les Hautes Parties Contractantes ayant souscrit une teile declaration s'engagent a n'entraver par aucune mesure l'exercice efficace de ce droit. Schließlich ist aber auch nicht überzeugend, die Unterwerfung unter das individuelle Beschwerderecht gern. Art. 25 der Konvention führe eine Bindung der innerstaatlichen Rechtsanwendungsinstanzen an das materielle Konventionsrecht herbei. Unterwirft sich ein Staat dem individuellen Beschwerderecht, ohne gleichzeitig seine innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane zur Beachtung der Konvention zu verpflichten, dann verkürzt sich der Weg des Zugangs zur Kommission, da weniger innerstaatliche Rechtsmittel erschöpft zu werden brauchen, an dem innerstaatlichen Rechtszustande ändert sich aber nichts. Denn der in Art. 25 der Konvention eingeräumte Rechtsbehelf - die Individualbeschwerde an die Kommission - ist kein Rechtsbehelf des nationalen, sondern des internationalen Rechts132• Aus der Konvention ist über das Verhältnis des Konventionsrechts zum internen Recht der Mitgliedstaaten nur zu entnehmen, daß das Vertragswerk darauf angelegt ist, durch einen Rechtsanwendungsbefehl seitens eines Mitgliedstaates auch für die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane verbindlich gemacht werden zu können. Eine vertragliche Verpflichtung dazu, diesen Rechtsanwendungsbefehl zu erteilen, enthält die Konvention nicht. Ob er erteilt wird und erteilt werden kann, in welcher Weise dies geschieht und welche Auswirkungen dieser Rechtsanwendungsbefehl für die Geltungskraft des Konventionsrechtes im innerstaatlichen Bereich hat, - all das zu regeln ist Sache des nationalen Rechts. Die Vertragsstaaten haben nur dafür zu sorgen, daß das Konventionsrecht im Ergebnis beachtet wird133• 13z So überzeugend Sir Humphrey Waldock in seinem Plädoyer als Präsident der Kommission vor dem Gerichtshof in der Sache "Lawless" am 10. 4. 1961 CEDH Serie B, 1960-1961, S. 413. . 133 Auch aus der Tatsache, daß die Konvention einen "ordre public euro-

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3. D a s n a t i o n a 1 e R e c h t d e r M i t g 1 i e d s t a a t e n a) Allgemeines Unter den Gesichtspunkten der innerstaatlichen Anwendbarkeit des Konventionsrechts und seines Verhältnisses zum internen Recht der Mitgliedstaaten werden die Konventionsstaaten in drei Gruppen eingeteilt: Die Gruppe der unter dem Einfluß des angelsächsischen Rechts stehenden Staaten, welche dem Konventionsrecht keine innerstaatliche Geltung zuerkennen, zu der das Vereinigte Königreich, Irland und die skandinavischen Staaten Dänemark, Norwegen, Schweden und Island gehören; 2. die Gruppe der kontinentaleuropäischen Staaten, welche der Konvention zwar unmittelbare Geltung im innerstaatlichen Recht zuerkennen, aber keinen Vorrang vor dem innerstaatlichen Gesetzesrecht; dazu gehören Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Italien und die Türkei und 3. schließlich eine dritte Gruppe von Staaten, die der Konvention einen Vorrang vor dem innerstaatlichen Gesetzesrecht einräumen: die Niederlande, Luxemburg, Österreich und auch Cypern. Diese Gruppeneinteilung134 kann aber nur mit gewissen Vorbehalten hier übernommen werden. Während aus Belgien und der Bundesrepublik Deutschland eine umfangreiche Judikatur zur Konvention vorliegt, sind die Zeugnisse dafür, daß die Konvention auch in Griechenland, Italien und der Türkei als Rechtsquelle ernst genommen wird, eher spärlich. Auch die dritte Gruppe besteht aus heterogenen Staaten. Während aus den Niederlanden eine sehr umfangreiche Judikatur der nationalen Gerichte vorliegt, welche die Konvention als Rechtsquelle anwenden, liegen aus Luxemburg nur wenige Zeugnisse vor; in Österreich bedurfte es erst eines besonderen gesetzgeberischen Aktes, um die einer Anwendung der Konvention wenig geneigten Gerichte zur Beachtung der Konvention zu verpflichten, wobei es aber durchaus noch nicht sicher ist, welchen Erfolg dieser Schritt gehabt hat. peen" geschaffen hat (s. o. Anm.llO), kann m. E. nichts über ihr Verhältnis zum nationalen Recht entnommen werden. So aber J. Velu, Le bilan politique de la Convention Europeenne des Droits de L'Homme, Cahiers de Droit Europeen 1965, S. 99 (118 ff.) unter Berufung auf die Behauptung, das Konventionsrecht sei aus einer eigenständigen Rechtsquelle hervorgegangen ("issue d'une source autonome"), was nicht überzeugend ist. Ähnlich W. J. Ganshof van der Meersch, S. 44 f. Zutreffend dagegen Lord Shawcross a.a.O. (Anm. 20), S. 299. 134 Die Einteilung in die drei Gruppen übernehme ich von Th. Buergenthal, British Institute, S. 79 (84); - doch scheinen mir jetzt Österreich und Zypern zur 3. Gruppe zu gehören, was bei der Einzelbehandlung zu begründen sein wird. U. Scheuner, S. 372, rechnet auch die skandinavischen Staaten zur 2. Gruppe.

II. Der Standort der Konvention in der Staatlichen Rechtsordnung

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Das nationale Recht der Konventionsstaaten ist in letzter Zeit so eingehend untersucht worden135, daß es angezeigt erscheint, über die Ergebnisse kurz zu berichten und hier nur das Recht der Bundesrepublik Deutschland eingehender darzustellen. b) Das Recht der Bundesrepublik Deutschland

Die Konvention ist ein Vertrag, der sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht und der daher ein Zustimmungsgesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG erfordert. Dieses ist für die Hauptkonvention am 7. 8. 1952 (BGBI. li, S. 685), für das 1. Zusatzprotokoll am 20. 12. 1956 (BGBl. li, S. 1879) ergangen. Die beiden Zustimmungsgesetze unterscheiden sich dadurch, daß das Gesetz vom 7. 8. 1952 in Art. li Abs. 1 verfügt, die Konvention werde "mit Gesetzeskraft" veröffentlicht, während eine ähnliche Bestimmung in dem Gesetz vom 20. 12. 1956 fehlt. Ungeachtet dessen besteht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß die beiden Zustimmungsgesetze für die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane verbindliche Rechtsanwendungsbefehle für die Verträge, auf die sie sich beziehen, erteilen. Meinungsverschiedenheiten bestehen nur darüber, welche Wirkungen diese Rechtsanwendungsbefehle haben, ob sie den internationalen Vertrag in Bundesrecht umwandeln (transformieren) oder aber seine Anwendung als Völkerrechtsnorm gebieten, ohne seine Rechtsqualität zu ändern130. In den Erkenntnissen der deutschen Gerichte schlagen sich diese unterschiedlichen Auffassungen nieder. Während einige Urteile die Konvention schlicht als Bundesrecht137, gültiges innerdeutsches Recht138 oder sogar als "in deutsches Recht umgeformtes Recht139 " bezeichnen, nehmen andere diese Qualifikation vorsichtiger- und m. E. zutreffender- vor, indem sie nur von "unmittelbar die deutschen Gerichte bindendem Recht" 140, "in der Bundesrepublik geltendem Recht" 141, "Recht mit Gesetzeskraft"142 oder von "Vorschriften bundesrechtlicher Art" sprechen143, um 135 Vgl. vor allem A. Süsterhenn, a.a.O. (Anm. 102), S. 303 ff.; P. Modinos, Effects and repercussions of the European Convention on Human Rights, The International and Comparative Law Quarterly, Val. 11 (1962), S. 1097 (1101); K. Vasak, Convention, S. 235-247; Th. Buergenthal, Domestic Status, S. 356 ff.; ders., British Institute, S. 79 ff. und Bericht für das Colloque Vienne. 138 Zur Frage: K. J. Partsch, BerichtS. 48 ff. 137 BVerwG, 23. 9. 1957 NJW 1958, 35; BayVerfGH, 19. 6. 1959 E. 12 II, 71; OLG Bremen, 17. 2. 1960 JZ 1960, 260. 138 BVerwG, 29. 6. 1957 JZ 1958, 287; OLG Bremen, 16. 5. 1962 NJW 1962, 1735; OLG Köln, 11. 6. 1963 NJW 1963, 1749. 139 Württ.-Bad. VGH (Karlsruher Senat), 10. 1. 1956, VerwRspr. 8, 861. 140 OVG Münster, 25. 11. 1955 NJW 1956, 1374 überhaupt das eingehendste und wichtigste Urteil zu der Frage; KG, 14. 9. 1961 NJW 1961, 2210. 141 BayVerfGH, 3. 7. 1961 NJW 1961, 1619. 142 BVerwG, 20. 10. 1961 DVBI. 1962, 490. 143 BVerwG, 15. 12. 1955 E. 3, 58.

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deutlich zu machen, daß sie zwischen innerstaatlichen Normen und innerstaatlich für vollziehbar erklärten Verträgen unterscheiden. Jedenfalls aber ist keine gerichtliche Entscheidung zu verzeichnen, in der generell die Bindungswirkung der Konvention geleugnet wird, was nicht ausschließt, daß einzelne Bestimmungen der Konvention als nicht unmittelbar anwendbar angesehen werden, worauf bei Behandlung der Einzelgrundrechte jeweils einzugehen sein wird144. Auf der anderen Seite klingt aber in vereinzelten Entscheidungen doch immerhin der Gedanke an, die Konvention könne im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht nicht nur gemäß Art. 59 Abs. 2 GG denselben Rang wie ein Bundesgesetz genießen, sondern einen darüber hinausgehenden, sei es als Kodifikation unveräußerlicher Menschenrechte, die dem positiven Recht vorgegeben sind, oder allgemein anerkannter Grundsätze des Völkerrechts145. Dabei werden Lehren aufgenommen, die zunächst in der Praxis des Bundestages bei der Ratifikationsdebatte146 geäußert und dann von der Doktrin immer wieder zu untermauern versucht worden sind. Den Gedanken, die Freiheitsverbriefungen der Konvention genössen als Konkretisierungen der in Art. 1 Abs. 2 GG erwähnten "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte" Verfassungsrang, hat R. Echterhölter 141 verfochten, ohne Zustimmung zu finden 148• Seine These ist auch schwerlich zu halten. Denn die beiden ersten Abs. von Art. 1 GG enthalten keine Aussagen über den Rang der naturrechtliehen Normen, zu denen sich "das deutsche Volk bekennt". Erst im Abs. 3 des Art. 1 ist gesagt, woran die Gesetzgebung gebunden ist und das sind nur die nachfolgenden Grundrechte des Abschnitts I und in den weiteren Abschnitten, nicht aber die zuvor beschworenen unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte. Zwischen den Bekenntnissen der beiden ersten Absätze des Art. 1 und seinem dritten Absatz tut sich die schwer überbrückbare Kluft zwischen Naturrecht und positivem Recht auf, hier kommt es Übersicht bei H. Golsong, Jahrbuch, S. 131 Anm. 41. Beides erwog der BayVerfGH, 26. 10. 1955, E. 8 (1955) II, 78, verwarf es dann aber, da die in der Konvention geschützten Menschenrechte durchweg auch in der bayerischen Verfassung enthalten und als Grundrechte geschützt seien, was aber ohne detaillierte Einzelprüfung kaum entschieden werden kann. Davon, daß die Grundrechte der Konvention zu den unveräußerlichen Menschenrechten gehören, spricht auch die Entscheidung des LG Mannheim, 12. 8. 1955 NJW 1956, 384, während das OLG Bremen, 16. 5. 1962 NJW 1962, 1735 erwägt, ob das Zustimmungsgesetz zur Hauptkonvention etwa Verfassungsrang besitze, worauf es aber im Verhältnis zur Strafprozeßordnung nicht ankomme. ue Vgl. den Bericht des Ausw. Ausschusses des BT v. 10. 6. 1952 BT-Drs., Nr. 3338/49 und dazu die E. d. BVerfG 18. 11. 1954 E. 4, 111. 147 a.a.O. (Anm. 76), S. 689 ff. 148 (Maunz -)Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Erl. 58 zu Art. 1 Abs. II GG (mit Nachweisen). 144

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aber nur darauf an, welche Rechtsnormen unter Abs. 3 fallen. Und dazu gehört eben die Konvention nicht. Auch der Versuch, den materiellen Bestimmungen der Konvention generell, in ihrem Kernbestand oder überwiegend den Charakter von allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG beizulegen, muß als gescheitert angesehen werden149• Das Ergebnis ist unbefriedigend150• Das Ziel der Konvention kann nur voll erreicht werden, wenn die Konventionsstaaten nicht nur völkerrechtlich, sondern auch innerstaatlich an ihre Normen gebunden sind. Das ist aber für die Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall. Wenn sie sich auch den von der Konvention selbst vorgesehenen Sanktionen aussetzen würde, so ist sie doch in der Lage, der Konvention widersprechendes Recht zu setzen, das die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane - Gerichte und Verwaltungsbehörden - zunächst anzuwenden hätten. Das Bedenklichste dabei wäre, daß ein Zweifel an der Übereinstimmung dieses neuen Rechts mit der Konvention in foro domestico nicht nachprüfbar wäre. Dafür stünden nur die von der Konvention selbst geschaffenen Straßburger Institutionen zur Verfügung. Außerdem aber nimmt der Einfluß der Konvention von Jahr zu Jahr ab. Jedes neu erlassene Gesetz, jede in neuer Fassung publizierte Kodifikation entzieht sich ihrem unmittelbaren Einfluß151 • Da die Konvention nur mit schlichtem Gesetzesrang in der Bundesrepublik Deutschland anwendbares Recht geworden ist, hat sie die Wirkung, daß sie vor ihrem Inkrafttreten erlassenes Recht der gleichen Stufe und Recht niederer Stufen- Bundesverordnungsrecht, Satzungsrecht der Bundesorgane und Bundesanstalten, Landesverfassungsrecht, Landesgesetzes- und Verordnungsrecht - überlagert und mit ihr unvereinbares Recht entweder nicht mehr152 oder doch nur unter Berücksichtigung der über das bisherige deutsche Recht hinausgehenden Anforderungen der Konvention angewandt werden darf153• Davon gehen m Dazu s. o. S. 29 ff. 15o So auch F. Münch, a.a.O. (Anm. 120), S. 155. Die erste Studienkommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht hat sich mit einem Vorschlag befaßt, de lege ferenda im Grundgesetz vorzusehen, gewissen grundlegenden Vertragswerken Vorrang vor dem Gesetzesrecht einzuräumen, ihn aber abgelehnt; K. J. Partsch, Bericht S. 101-104. Den Gedanken greift W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 6 und S. 11 auf. 15 1 So auch W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 14 f. 152 Beispiele dafür werden bei der Behandlung der einzelnen Rechte und Freiheiten gebracht werden. Der EGH f. Rechtsanwälte beim BGH, 20. 7. 1964, NJW 1964, 2119 f., hat allerdings auch die BRAO v. 1. 8. 1959 (BGBl. I, 565) am Maßstabe der Konvention geprüft und nur darauf hingewiesen, die BRAO sei "übrigens später als die Konvention erlassen und in Kraft getreten". 153 So ist z. B. bei der Ausweisung von Ausländern auf Grund der Ausländerpolizeiverordnungen das Verbot unmenschlicher Behandlung gern. Art. 3 der Konvention zu beachten: VGH Stuttgart v. 2. 9. 1955, VerwRspr.

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

auch die deutschen Gerichte aus. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei aber weder der Abschluß der Konvention noch auch das Datum des Zustimmungsgesetzes, an dem die Konvention "mit Gesetzeskraft" verkündet wurde, sondern das Datum ihres völkerrechtlichen Inkraftretens, also der 3. September 1953154 • Das Konventionsrecht kann aber nicht die Grundlage dafür abgeben, eine Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht einzulegen, da es weder zum integrierenden Bestandteil des GG erhoben ist noch auch denselben Rang wie das GG besitzt. Das BVerfG hat diese Auffassung mehrfach bestätigt und sie kann auch nicht mit dem Argument widerlegt werden, sie werde dem besonderen Rang nicht gerecht, den die Rechte durch ihre Aufnahme in die MRK genössen. Denn das BVerfG ist durch den§ 90 BVerfGG zur Kontrolle der Einhaltung eines ganz fest umrissenen Normenbestandes bestellt, zu dem nun einmal die MRK nicht gehört, sondern der sich auf die im GG verbrieften Rechte und Freiheiten beschränkt155• In ähnlicher Lage befinden sich die Verfassungsgerichte derjenigen deutschen Länder, in denen ein der Verfassungsbeschwerde entsprechender Rechtsbehelf vorgesehen ist, da die Konvention nicht Landesverfassungsrecht isttss. Das schließt freilich weder aus, daß die Verfassungsgerichte Verstöße gegen die Konvention nachprüfen, welche gleichzeitig Verstöße gegen dasjenige Verfassungsrecht darstellen, welches sie zugrunde zu legen haben157, noch auch, daß sie im Verfahren der Verfassungsbeschwerde, Bd. 8, S. 355 (358); das Gebot der Achtung des Familienlebens: BVerwG v. 25. 10. 1956, DVBI. 1957, 57 und BayVerwGH v. 24. 3. 1959, BayVerwBI. 1959, 256. 154 So eindeutig BVerfG v. 10. 5. 1957 E 6, 389 (440); BayObLG, 21. 9. 1960, NJW 1961, 270; OLG Bremen, 16. 5. 1962, NJW 1962, 1735; mißverständlich OLG Köln, 11. 6. 1963, NJW 1963, 1749, wo das Datum des Zustimmungsgeset-

zes genannt ist. Kein genaues Datum nennen die Entscheidungen des OVG Münster, 24. 6. 1955, NJW 1956, 157; LG Heidelberg, 3. 10. 1958, NJW 1959, 1932 und OLG Bremen, 17. 2. 1960, JZ 1960, 260. 156 BVerfG v. 18. 11. 1954 E 4, 110 (111); BVerfG v. 14. 1. 1960 E 10, 271 (274). - Zustimmend W. K. Geck, Die Erschöpfung der "domestic remedies" gern. Art. 26 der MRK, DVBl. 1957, 43; F. Münch, a .a.O. (Anm. 120), S. 134 (mit Nachweisen); H. Golsong, Jahrbuch, S. 145; E. Friesenhahn, in: Verfassungsgerichtsbarkeit in der Gegenwart, hrsg. v. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (1962), S. 162; U. Scheuner, S. 371. 158 Dazu im einzelnen W. K. Geck, a.a.O. (Anm. 155), S. 47 f. zu BayVerfGH v. 26. 10. 1955 E 8 NF (1955) II. Teil, S. 74; seitdem die Entscheidungen desselben Gerichts v. 19. 6. 1959 E 12 NF (1959) II. Teil, S. 64; v. 24. 11. 1959 BavVerwBl. 1960, 117 f.; v. 3. 7.1961, NJW 1961, 1619 f.; v. 18. 1.1963, BayVerwBL 1963, 351.

157 Insoweit gehört die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde auch zu einer Erschöpfung des Rechtsweges im Sinne von Art. 27 Abs. 3 der Konvention: E. v. 31. 5. 1956 über B. Nr. 27/55, Ann. I, 138 = DVBl. 1957, 55 mit Anm. von W. K. Geck, a .a.O. (Anm. 155), S. 41; E. v. 17. 3. 1958 über B. Nr. 302/57 und dazu H. Golsong, Jahrbuch, S. 145; F. Münch, a.a.O. (Anm. 120). S. 154.

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die auf Verletzung von Grundrechten des Grundgesetzes oder einer Landesverfassung gestützt ist, den Einfluß der Konvention auf Gesetzesrecht nachprüfen, wenn dies für das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung erheblich ist158• In diesem Fall hat das Recht der Konvention für die Verfassungsgerichte dieselbe aktuelle Bedeutung wie für die Gerichte der ordentlichen, allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn sie die Geltungskraft einer Norm des innerstaatlichen Rechts anzuwenden haben. Schließlich aber kommt dem materiellen Recht der Konvention vor den Rechtsanwendungsorganen der BRD auch noch eine weitere Bedeutung zu. Wo in der deutschen Rechtsordnung Begriffe verwandt werden, welche dort nicht definiert sind, kann auf das Recht der Konvention zurückzugreifen sein. So hat sich die Rechtsprechung z. B. für eine nähere Definition des Begriffs der "Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit" an dem Katalog der Rechte und Freiheiten der Konvention orientiert159 und als "politisch Verfolgte" i. S. von Art. 16 Abs. 2 GG angesehen, wer "im Sinne der Konvention ... beeinträchtigt wird oder solche Beeinträchtigungen verständigerweise befürchten muß" 160•

c) Obersicht über das Recht der anderen Vertragsstaaten Im Gegensatz zu dem Recht der Bundesrepublik Deutschland können die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane der Länder der ersten Gruppe - in der Reihenfolge der Ratifikation der Konvention: Vereinigtes Königreich, Norwegen, Schweden, Irland, Dänemark und Island - das Recht der Konvention nicht anwenden; soweit dieses im Widerspruch zu einem Rechtssatze des innerstaatlichen Rechts steht, 158 So BVerfG.I, v. 10.5.1957 E 6, 389 (440 f.)- Prüfung der§§ 175, 175a StGB - und dazu E. Friesenhahn, a.a.O. (Anm. 155), S. 162 mit Anm. 251. Neuestens Walter, DÖV 1966, S. 380. 159 So hinsichtlich der §§ 3 und 11 des Bundesvertriebenengesetzes v. 19. 5. 1953 (BGBI. I, S. 201): BVerwG v. 23. 9. 1957, NJW 1958, 35: "Die Konvention ... enthält einen Katalog der Menschenrechte, deren Inhalt unbedenklich zur Klärung der Begriffsbildung herangezogen werden kann." Ähnlich VG Bremen vom 8. 10. 1959 hinsichtlich desselben Begriffs in § 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. 5. 1951 (BGBI. I, S. 307). Es hat dabei allerdings Art. 2 der Konvention so verstanden, als beziehe er sich nicht nur auf das Verhältnis zwischen Obrigkeit und Individuum, sondern auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. Vgl. dazu aber die Ausführungen im Dritten Abschnitt I/3 (S. 64 ff.). 160 BGHSt v. 12. 7. 1955, BGHSt Bd. 8, 59 (64); ähnlich BVerwG v. 12. 8. 1958 E Bd. 6, 271 (272): Abhören des Senders Frankfurt in Mitteldeutschland und Mitsingen des Deutschlandliedes als Ausübung des in Art. 10 der Konvention geschützten Rechts auf freie Meinungsäußerung, das in einer demokratischen Gesellschaft jedenfalls nicht derart eingeschränkt werden darf, daß diese Form der Ausübung unzulässig wäre (Art. 10 Abs. 2).

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnun g

muß dieses durch einen Gesetzgebun gsakt an das Recht der Konvention angeglichen werdentet. Ungeachtet dessen ist die innerstaatlic he Rechtsordnu ng insbesondere in den skandinavisc hen Staaten bei der parlamentar ischen Behandlung der Konvention sorgfältig und eingehend darauf untersucht worden, ob sie mit dem Recht der Konvention übereinstimm e und infolgedesse n sind teilweise Korrekturen am innerstaatlic hen Recht vorgenomme n, teilweise aber Vorbehalte für das von der Konvention abweichende Recht erklärt worden162. Einzelne Versuche, sich ungeachtet der Verfassungslag evor den nationalen Gerichten dieser Staaten auf die Konvention zu berufen, wurden mehr oder weniger deutlich zurückgewiesen163. 181 Zum Rechtszustan d im Vereinigten Königreich vgl. Lord ShawcToss, a.a.O. (Anm. 20), S. 299 f. 18! Zum norwegischen Vorbehalt für das Jesuitenverbo t vgl. K. J. PaTtsch, Ratifikation, S. 96; er wurde nach Aufhebung des Verbots durch eine königliche Verordnung vom 30. 11. 1956 zurückgezoge n und am 4. 12. 1956 dem Generalsekretär des Europarates notifiziert, Ann. I, 42. Zu den schwedischen Vorschriften über die Staatskirche und das Elternrecht vgl. K. J. PaTtsch, Ratifikation, S. 97 f.; zur dänischen Sozialgesetzg ebung vgl. K. J. PaTtsch, Ratifikation, S. 107; Irland legte einen Vorbehalt hinsichtlich Art. 6 Abs. 3 lit (c) hinsichtlich der Pflicht zur Beiordnung von Pflichtverteid igern im Strafverfahre n ein: K. J. PaTtsch, Ratifikation, S. 106; in Island wurde festgestellt, das heimische Recht stimme mit dem Recht der Konvention überein: K. J. PaTtsch, Ratifikation, S. 110. - Die Bemerkung von W. WengleT, a.a.O. (Anm. 11). S. 14, in keinem Konrventions staat sei die geltende Gesetzgebung auf ihre Übereinstimm ung mit der Konvention überprüft worden, ist jedenfalls unberechtigt. 183 Am deutlichsten von dem irischen Obersten Gerichtshof in der Sache The State (O'Laighleis) v. O'Sullivan and the Minister of Justice vom 3. 12. 1957 Ann. II, 608 und dazu H. Golsong, a.a.O. (Anm. 102), S. 809 (812) und Jahrbuchs. 130; Th. BueTgenthal, Domestic Status, S. 374 f.; ders., British Institute, S. 84. Ähnlich deutlich das Stadtgericht (Municipal Court) von Reykjavik, 28. 6. 1960, Ann. III, 642 (646) und dazu Th. BueTgenthal, British Institute, S. 84. Freilich hat der isländische Oberste Gerichtshof in der Sache G. G. Islaifssen v. the Executive Power - Nr. 66/1963 - vom 25. 6. 1963 bei der Prüfung, ob die Aufbringung eines englischen Schiffes wegen des Verdachtes, es habe sich einer Kontrolle durch ein isländisches Überwachung sschiff entzogen, zulässig sei, zunächst die Grundlage des isländischen Rechts bezeichnet und dann unterstützend auch auf die Eigentumsga rantie des Zusatzprotok olls mit den Worten hingewiesen: "c. f. also notification of Tatification of the EuTopean Convention ... No. 11/1954 Appendix 11 ATt. 1 infine". Darin liegt aber wohl nur ein Hinweis darauf, daß die isländische Gesetzgebung mit Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotoko lls vereinbar sei, keine Anwendung dieser Bestimmung selbst. Auch der norwegische Supreme Court hat in der Sache Public Prosecutor v. S. A. Iversen vom 16. 12. 1961, Norsk Retstidende 126 arg. 1961 S. 1350 f. das Recht der Konvention nicht angewandt. Dazu Th. BueTgenthal, British Institute, S. 85 und T. Wold. a.a.O. (Anm. 112), S. 353 ff., der freilich die norwegischen Gerichte als verpflichtet ansieht, das Recht der Konvention anzuwenden; auch das schwedische Appellationsg ericht (Svea Hovrätt) vom 6. 2. 1963, Nytt Juridiskt Arkiv 1963, 284 verwies lediglich auf das Verbot rückwirkende r Strafgesetze in Art. 7, ohne die Bestimmung anzuwenden. Immerhin liegen doch aber in derartigen Hinweisen Zeugnisse für die Autorität, welche die Konvention auch in diesen Staaten genießt.

II. Der Standort der Konvention in der Staatlichen Rechtsordnung

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In den Ländern der zweiten Gruppe gleicht die Situation in Belgien am ehesten der in der Bundesrepublik Deutschland. Die Konvention hat Gesetzesrang, aber keinen Vorrang vor den Gesetzen. Vor lokrafttreten der Konvention erlassenes belgisches Gesetzesrecht wird mit unmittelbarer Wirkung durch die Konvention abgeändert, während diese aber der Anwendung später erlassenen Gesetzesrechts nicht im Wege steht. Es liegt eine ausgedehnte Rechtsprechung der Gerichte aller Stufen vor, über die bei der Behandlung der materiellen Bestimmungen der Konvention zu berichten sein wird184. Darunter finden sich auch Urteile, in denen belgisehe Gerichte anstelle früheren belgischen Gesetzesrechts das Recht der Konvention anwenden oder zusätzliche Rechtsverpflichtungen aus der Konvention herleiten185. In den drei anderen Staaten, in denen die Verfassungslage an sich ähnlich ist- Griechenland, Italien und der Türkei- ist doch die tatsächliche Situation grundverschieden. Das mag damit zusammenhängen, daß die drei Staaten die Zuständigkeit der Kommission zur Entscheidung von Individualbeschwerden nicht anerkannt haben. Obwohl die innerstaatliche Anwendbarkeit der Konvention rechtlich nicht davon abhängt, daß diese Zuständigkeit anerkannt wird, geht die Konvention doch offenbar stärker in das Rechtsbewußtsein der Einwohner und der gesamten Juristenwelt eines Staates ein, wenn der Weg zur Kommission offensteht und es wird sich daher eher auf sie berufen, ganz abgesehen davon, daß die Gerichte auch eher geneigt sein werden, dieser Berufung statt zu geben, wenn sie Gefahr laufen, daß eine ablehnende Entscheidung hinterher von der Kommission in Straßburg auf ihre Übereinstimmung mit dem Recht der Konvention geprüft wird. Das hat sich besonders deutlich in Griechenland gezeigt, wo zwar grundsätzlich die Anwendbarkeit der Konvention durch die innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane anerkannt ist, die höchstrichterliche Rechtsprechung dieser aber - u. a. durch eine eindeutig konventionswidrige Auslegung der Notstandsklausel des Art. 15 - ausweicht188. Nicht viel anders ist die tatsächliche Lage in Italien. Wenn auch der italienische Kassationshof grundsätzlich anerkannte, die Konvention sei 164 Nachweise bei Th. Buergenthal, Domestic Status, S. 36~366; ders., British Institute, S. 86; eingehend G. Janssen-Pevtschin, J. Velu et A. Vanwelkenhuysen, a.a.O. (Anm. 64), S. 199-246. 165 So vor allem die Entscheidung der Commission de reclamation de l'O.N.E., Brüssel v. 13. 3. 1962, Journal des Tribunaux, Bd. 77 (1962) S. 267 f. = Ann. V, 364 über die Verpflichtung eines Angehörigen mosaischen Glaubens zur Arbeit am Sabbath und dazu unten vierter Abschnitt I/9 (S. 195 f.). 188 Nachweise bei Th. Buergenthal, Domestic Status, S. 371-374; ders., British Institute, S. 87 f. und unten vierter Abschnitt I/5, 9, 11. Dazu auch E. Kyriacopoulos, Zur Einwirkung der MRK auf die Verfassung Griechenlands, in Grundprobleme des internationalen Rechts (1957), S. 285 (304--306).

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2. Abschnitt: Der Standort der Konvention in der Rechtsordnung

in Italien unmittelbar anwendbar167, so hat er selbst doch keine Konsequenzen aus dieser Entscheidung gezogen. Die Entscheidung des Appelationsgerichtshofs Mailand168, welche nicht nur die Konvention, sondern auch die VN-Erklärung unmittelbar anwendet, ist ausgesprochen wirklichkeitsfremd und kann kaum als repräsentativ für die italienische Judikatur angesehen werden. Spärlich sind schließlich auch die Zeugnisse für eine lebendige Wirkung des Konventionsrechts in der Türkei. Aus der Entscheidung des Türkischen Verfassungsgerichtshofs über die Vereinbarkeit der Todesstrafe mit der Konvention169 kann über ihre innerstaatliche Anwendbarkeit nichts geschlossen werden. Sie zieht das Recht der Konvention nur dafür heran, daß das türkische Recht nicht unter dem europäischen Standard liegtno. Für die dritte Gruppe der Staaten, in denen die Konvention einen Vorrang vor dem Gesetzesrecht genießt, sind beispielhaft der Rechtszustand und die Rechtspraxis in den Niederlanden aufgrund der Verfassungsrevisionen von 1953 und 1956. Dort hat die Konvention nicht nur Vorrang vor den Gesetzen, sondern auch vor der Verfassung171• Freilich sind die niederländischen Gerichte nicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ermächtigt, und dies hatte auch einen gewissen Einfluß auf ihre Entscheidungen über die Vereinbarkeit des niederländischen Rechtes mit der Konvention. Obwohl sie an sich verpflichtet sind, dem Rechte der internationalen Verträge Vorrang von dem internen Recht ihres Landes einzuräumen, waren sie verhältnismäßig zurückhaltend bei der Anerkennung des unmittelbar bindenden Charakters der Konvention und so haben sie z. B. die Bestimmungen der Konvention, daß Einschränkungen von Rechten und Freiheiten nur zulässig seien, soweit sie in einer demokratischen Gesellschaft als angemessen angesehen werden könnten, nicht als unmittelbar anwendbar bezeichnet, da diese Entscheidung nur dem Gesetzgeber zustände172• Luxemburg wird auch zu der dritten Gruppe von Staaten gezählt, da sein Staatsgerichtshof173 eine Bestimmung der Konvention als VerE. v. 6. 2. 1962 Foro Italiano, Bd. 87 (1962) Teil II S. 315. v. 8. 9. 1964 Centro italo-statunitense di studi giudiziari- 16th anniversary of the Universal Declaration of Human Rights -. 169 v. 1. 7. 1963, Ann. VI, 820; vgl. dazu unten im Vierten Abschnitt I/2 (S. 104). no vgl. dazu Th. Buergenthal, British Institute, S. 88 f. 171 Zum Rechtszustand in diesem Lande grundlegend und allseitig informierend M. van Emde-Boas, S. 226 (mit Nachweisen) und Th. Buergenthal, Domestic Status, S. 381-384 und British Institute, S. 91-93. 172 Nachweise bei Th. Buergenthal, British Institute. S. 92 f. 173 Cour Superieure de Justice, E. v. 25. 1. 1958, Pasicrisie Luxernbourgeoise - Recueil General de la Jurisprudence Luxernbourgeoise en matiere civil, commercial, criminelle, de droit public, fiscal, administrative et notarielle, Bd.17, S. 248. 167

168

II. Der Standort der Konvention in der Staatlichen Rechtsordnung

55

fassungsrecht anwandte. Daß sich später anderseits ein Landgericht des Großherzogtums gegen die Anwendung der Konvention aussprach174, dürfte nicht wirklich ins Gewicht fallen. Zu dieser dritten Gruppe wird nun aber auch die Bundesrepublik

Österreich gerechnet werden müssen, nachdem sie durch das Verfas-

sungsgesetz vom 4. 3.1964175 der Konvention Verfassungsrang verlieh. Dies geschah, nachdem der Österreichische Verfassungsgerichtshof die beiden über das bisherige Österreichische Recht hinausgehenden Bestimmungen der Art. 5 und 6 der Konvention als nicht unmittelbar anwendbar erklärt hatte176• Aus der Einreihung Österreichs in die dritte Gruppe von Staaten mag schon entnommen werden, daß die bisher getroffenen Entscheidungen durch das neue Gesetz als überholt angesehen werden. Schließlich gehört zu der dritten Gruppe auch die Repulblik Cypern, welche die Konventionen am 6. 10. 1962 ratifiziert hat. Bei Cypern liegt insofern eine besondere Lage vor, als es einers~its völkerrechtlich an die Konvention gebunden ist und dieser Staat den völkerrechtlichen Verträgen- ähnlich wie die Niederlande- Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht- auch gegenüber der Verfassung einräumt, während anderseits die Bestimmungen der Konvention in seine Verfassung eingegangen sind und auch als Verfassungsnormen die zypriotischen Rechtsanwendungsorgane binden177.

E. v. 24. 10. 1960, Ann. IV, 622. BGBl. Nr. 59/1964 und dazu G. Kunst, Die MRK als Bestandteil der Bundesverfassung, ÖJZ 1964, 197. 178 Die Problematik dieser beiden Entscheidungen wird später bei den einschlägigen Bestimmungen der Konvention zu erörtern sein und dort soll auch erst dargelegt werden, welche Bedeutung das neue Verfassungsgesetz für die Anwendbarkeit der Konvention in Österreich besitzt. Vgl. die Ausführungen im vierten Abschnitt I/5 und 6. 177 Dazu K. Vasak, Convention, S. 244; irrig Th. Buergenthal, British Institute, S. 94, der annimmt, die zypriotische Verfassung sei insgesamt mit Rücksicht auf den Bürgerkriegszustand suspendiert; von einer Außerkraftsetzung der ganzen zypriotischen Verfassung kann allerdings nicht die Rede sein; vgl. dazu: President Makarios' Proposals to amend the Cyprus Constitution, Nicosia, 30. 11. 1963, wo Makarios (S. 3) von Revision der Verfassung spricht, keines seiner "Proposals" betrifft die Grundrechte; vgl. ferner Th. Tsatsos, Bemerkungen zu der Verfassung Zyperns, Athen 1965 (griechisch), der zu zeigen versucht, daß die souveränitätsfeindlichen Bestimmungen als verfassungswidrige Verfassungsnormen nicht gelten; zu diesen gehören aber keineswegs die Grundrechtsbestimmungen. 174

175

5 Partsch

Dritter Abschnitt

Allgemeine materiellrechtliche Fragen I. Geltungsbereich Die Frage des Geltungsbereichs des Konventionsrechts stellt sich unter mehreren Gesichtspunkten: 1. Wo ist die Ausübung öffentlicher Gewalt durch das Recht der Konvention gebunden (räumlicher Geltungsbereich)? - 2. Wer hat durch die Konvention Individualrechte erworben (persönlicher Geltungsbereich)? - 3. Gegen wen können die in der Konvention garantierten Rechte und Freiheiten geltend gemacht werden - nur gegen die Mitgliedstaaten und ihre Organe, auch gegen Individuen, auch gegen Staatengemeinschaftsorgane und gegebenenfalls gegen welche: die Organe des Europarates selbst oder auch gegen die Organe von Internationalen Gemeinschaften, an denen nur ein Teil der Mitgliedstaaten beteiligt ist, z. B. die engeren europäischen Gemeinschaften (sachlicher Geltungsbereich)? - und schließlich 4. Seit wann können Rechte aus der Konvention geltend gemacht werden (zeitlicher Geltungsbereich)? 1. Der räumliche Geltungsbereich (a) Die erste Frage ist generell aus Art. 1 zu beantworten: Räumlicher Geltungsbereich der Konvention ist das Gebiet, in dem die Vertragsstaaten, welche der Konvention in Übereinstimmung mit Art. 66 beigetreten sind, Staatsgewalt ausüben178• Der räumliche Geltungsbereich ist also variabel, aber nur beschränkt variabel, da die Konvention nur den Mitgliedern des Europarates zum Beitritt offensteht (Art. 66 Abs. 1) und die Mitgliedschaft im Europarat auf gewisse europäische Staaten beschränkt ist1 79 • Der Beitritt zur Konvention steht allerdings nicht nur Vollmitgliedern des Europarates, sondern auch den assoziierten Mitgliedern offen, welche keine volle außenpolitische Handlungsfreiheit genießen180• s. o. die Ratifikationstabelle nach dem Stande vom August 1965 (S. 19). Vgl. Art. 4 der Satzung des Europarates vom 5. 5. 1949, BGBl. 1950, 253. Vgl. Art. 5 des Statuts und dazu K. Carstens, Das Recht des Europarates (1956) S. 54 ff. Die assoziierten Mitglieder sind zwar, da sie dem Minister178

170

180

I. Geltungsbereich

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Nichtmitgliedern des Europarates steht der Beitritt nicht offen und die Konvention kann auf sie auch nicht erstreckt werden181 • Vertragsstaaten der Konvention sind nach dem Stande vom 31. 12. 1965 alle Mitglieder des Europarates außer Frankreich, der Schweiz (Mitglied seit 6. 5. 1963) und Malta (Mitglied seit 25. 1. 1965). (b) Die Konvention enthält allerdings in Art. 63 eine Sonderregelung für die Gebiete, "für deren internationale Beziehungen (ein Vertragsstaat) verantwortlich ist". Diese Klausel - mißverständlicherweise als "Kolonialklausel" bezeichnet - war bei der Ausarbeitung der Konvention heftig umstritten. Dabei trat die traditionelle Auffassung, daß Kolonialherrschaft ihrem Wesen nach Herrschaft ohne Grundrechte sei, in Gegensatz zu der modernen Forderung, die rechtliche Differenzierung zwischen Kolonialherren und Objekten der Kolonialgewalt aufzuheben. Die Beratende Versammlung wollte- ihr entsprechend- keine Sonderbestimmung für Kolonialgebiete aufnehmen, sondern nur gewisse Modifikationen hinsichtlich der Verpflichtung zur Abhaltung freier Wahlen zulassen, allenfalls den Vertragsstaaten die Möglichkeit einräumen, die Geltung der Konvention durch ausdrückliche Erklärung in gewissen Gebieten auszuschließen182 • Das Ministerkomitee hingegen sträubte sich zunächst sogar gegen die Einräumung einer Erstreckungsmöglichkeit der Konvention über das Mutterland hinaus. So ist die endgültige Fassung eine ausgesprochene Kompromißformel mit allen Nachteilen, die einer solchen anhaften. Art. 63 unterstellt, daß die Konvention nur für das Staatsgebiet der Vertragsstaaten gilt und daß eine Ausdehnung auf andere Gebiete, deren internationale Beziehungen der Vertragsstaat wahrnimmt, einer komiteenicht angehören (Art. 5 lit. a S. 3), nicht an der Wahl der Mitglieder der Kommission beteiligt, wohl aber wirken ihre Vertreter in der Beratenden Versammlung an der Wahl der Richter im Gerichtshof mit. Hinsichtlich der materiellen Geltung der Konvention besteht zwischen Vollmitgliedern und assoziierten Mitgliedern kein Unterschied. 181 Schon daran scheiterte der Vorschlag des Abg. Gerstenmaier vom 15. 6. 1954, die Konvention auf die baltischen Länder zu erstrecken, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 14. 8. 1954 Nr. 151

s. 1350.

1 8 2 Vgl. K. J. Partsch, Entstehung, S. 650 f. und insbesondere das Schreiben von Sir David Maxwell Fyfe AS (2) 6 annex 5 S. 53, dessen Bericht AS (2) 93 Ziff. VI und seine Ausführungen am 25. 8. 1950 in der 17. Sitzung CR (2) 1942; Sir David drang mit einem Vermittlungsversuch in der Beratenden Versammlung nicht gegen die scharfen Kritiken der afrikanischen Abgeordneten Silvandre (in der 9. Sitzung v. 18. 6. 1950 CR (2) 501) und Senghor (in der 17. Sitzung v. 25. 8. 1950 CR (2) 939) durch, die u. a. unterstützt wurden von H. Rolin (in der 16. Sitzung v . 25. 8. 1950 CR (2) 913), Lannung (in der 6. Sitzung v. ]4. 8. 1950 CR (2) 236) und Persico CR (2) 349, der sich auf die Bestimmung über Grundrechte in dem Treuhandschaftsvertrage zwischen Italien und nen Vlli bezüglich des Somalilandes berief. Vgl. dazu A. Martin, a.a.O. (Anm. 8), S. 53.

s•

58

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

besonderen Erklärung bedarf. Das gilt nicht nur für koloniale, sondern auch für alle Gebiete, die als Protektorate, Schutzgebiete, Mandate oder auf sonst irgendeine Weise in einer loseren Verbindung zu dem Schutzstaat stehen. Welchen Grad von Eigenregierung diese Gebiete erlangt haben, ist unerheblich. Es kommt nur darauf an, ob ihre internationalen Beziehungen von einem Vertragsstaat wahrgenommen werden. Unklar ist jedoch, wie diejenigen Gebiete zu behandeln sind, die zwar keine unmittelbare geographische Verbindung zum Mutterland besitzen, sondern z. B. durch das Meer von ihm getrennt sind, ihm aber rechtlich gleichgestellt sind. Kurz nachdem Dänemark am 13. 4. 1953 die Konvention nebst Zusatzprotokoll unbefristet auf Grönland erstreckt und auch die Erklärung gern. Art. 25 für Grönland abgegeben hatte, wurde dieses am 5. 6. 1953 "Bestandteil des Mutterlandes" und die Erklärung daher offenbar als obsolet angesehen183. Anderseits hat aber die Kommission das Vorbringen belgiseher Siedler aus dem Kongo, dieser sei bis zum 1.7. 1960 integrierender Bestandteil des nationalen Gebietes gewesen und daher komme es nicht darauf an, ob Konvention und Zusatzprotokoll auf den Kongo erstreckt worden seien, mit der Behauptung zurückgewiesen, Art. 63 gelte nicht nur für Kolonien, sondern für die verschiedenartigsten Gebiete mit Sonderstatus und es erübrige sich daher zu prüfen, ob der Kongo bis zum 1. 7. 1960 integrierender Teil des belgiseben Nationalgebiets gewesen sei18' . Diese Abgrenzung ist nicht überzeugend. Einen Sonderstatus können auch Gebiete des Mutterlandes (z. B. in Italien die Regionen Sizilien und Sardinien) haben. Wenn Vertragsstaaten Gebiete, die ihrer Herrschaftsgewalt unterstehen, zum Bestandteil des Mutterlandes machen, dann können sie - selbst wenn diese Gebiete in Übersee liegen - nicht die Sonderbehandlung erfahren, die in Art. 63 vorgesehen ist. Die Erklärung kann entweder für alle Gebiete gemeinsam oder auch einzeln abgegeben werden, und zwar entweder bei der Ratifikation oder auch später (Abs. 1), damit die Schutzstaaten die Konvention alsbald ratifizieren können und nicht abzuwarten brauchen, bis die Volksvertretungen der unter ihrem Schutze stehenden Gebiete befragt worden sind. Ist die Erklärung gern. Art. 63 einmal abgegeben, kann sie nur unter den Voraussetzungen zurückgenommen werden, die für die Kündigung der Konvention gelten (vgl. Art. 65 Abs. 4). Formlos zurückgenommen 183 K. Vasak, Convention, S. 255. In den Ratifikationstabellen in Ann. I, 54, Ann. II, 94, Ann. III, 94, Ann. IV, 64 ist die Erklärung mit dem Zusatz "Greenland became part of metropolitan Denmark on 5 June 1953" vermerkt. Von Ann. V, 14 an wird die Erklärung überhaupt nicht mehr erwähnt. 184 E. v. 30. 5. 1961 über B. Nr. 1065/61 (gegen Belgien), Ann. IV, 261 (267).

Allerdings hatte Belgien bei der Ratifikation der Konvention und des Protokolls am 14. 6. 1955 angekündigt, eine Erstreckung auf weitere Gebiete werde erwogen und die Regierung werde der Erklärung gern. Art. 63 möglicherweise gewisse durch die örtlichen Notwendigkeiten gebotene Vorbehalte beifügen (Ann. I, 51), nachdem im belgischen Parlament eine Erstreckung auf den Kongo als verfrüht bezeichnet worden war (dazu Ann. IV, 265).

I. Geltungsbereich

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werden kann hingegen die Erklärung hinsichtlich der Erstreckung des Zusatzprotokolls auf Gebiete, deren internationale Beziehungen ein Staat wahrnimmt (Art. 4 Abs. 2 des Zusatzprotokolls). Mit Rücksicht auf das in dem Zusatzprotokoll garantierte Recht auf freie Wahlen kann die auf das Zusatzprotokoll bezügliche Erklärung auch auf einzelne Bestimmungen beschränkt werden183, was bei der Erklärung hinsichtlich der Konvention nicht zulässig ist186• Sollen die Einwohner der Gebiete, auf die die Konvention erstreckt worden ist, berechtigt sein, Individualbeschwerden an die Kommission einzulegen, muß dies besonders erklärt werden (Art. 63 Abs. 4). Diese Erklärung setzt nicht die Zulassung der Individualbeschwerden für das Mutterland voraus. Ein Klagerecht vor dem Gerichtshof kann diesen Gebieten aber nicht eingeräumt werden. Maßnahmen der Vertragsstaaten in den Schutzgebieten können daher nur auf dem Umwege über die Kommission an den Gerichtshof gelangen oder aber wenn ein anderer Vertragsstaat sie aufgreifen sollte187• Während ein besonderes Verfahren zur Erstreckung der Konvention auf diese Gebiete sich dadurch rechtfertigen läßt, daß z. Z. des Abschlusses der Konvention viele von ihnen einen gewissen Grad von Selbstregierung erlangt hatten und ihre parlamentarischen Vertretungskörperschaften vor der Erstreckung zu befragen waren, erweckt es berechtigte Bedenken, daß die Konvention in diesen Gebieten nur "unter Berücksichtigung der örtlichen Notwendigkeiten" anzuwenden sein soll (Art. 63 Abs. 3)188, zumal dieser Vorbehalt nicht etwa auf politische Bürgerrechte beschränkt istl89, sondern seine Formulierung eher darauf hinweist, es solle einer Diskrepanz zwischen Ortssitte und dem Mindeststandard der Konvention Rechnung getragen werden. 163 Art. 4 Abs. 1: " ... une d«klaration indiquant la mesure dans laquelle il s'engage d ce que les dispositions ... s'appliquent d tels territoires ...". 188 Vorbehalte hinsichtlich einzelner Vorschriften läßt die Staatenpraxis aber zu: vgl. den ndl. Vorbehalt hinsichtlich Art. 6 Abs. 3 (c) - amtliche Bestellung von Verteidigern in Strafsachen - bei Erstreckung der Konvention auf Surinam und die ndl. Antillen. Note v. 29. 11. 1965, Ann. I, 45 sowie die generellen Erklärungen der ndl. und belg. Regierungen, sie würden bei der Erstreckung der Konvention gegebenenfalls Vorbehalte erklären, welche den örtlichen Notwendigkeiten Rechnung tragen. Diese Erklärungen wurden bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden abgegeben und sind in Protokolle aufgenommen, die auch von dem Generalsekretär des Europarats unterzeichnet eind. Vgl. Protokolle v. 31. 8. 1954 (Niederlande) Ann. I, 53 und v. 14. 6. 1955 (Belgien) Ann. I, 51. 187 Vgl. den bei K. Vasak, Convention, S. 257 f. geschilderten Fall des Besuches des Parteipolitikers Chiume aus Nyassaland in Reykjavik am 1. 9. 1960, um die isländische Regierung dazu zu bewegen, eine Beschwerde gegen das Vereinigte Königreich an die Kommission wegen der Verhaftung des Führers der Unabhängigkeitsbewegung im Nyassaland, Dr. Banda, einzulegen. Banda wurde freigelassen, bevor eine Beschwerde eingelegt werden konnte. 188 Übereinstimmend C. Weiss, S. 28. 189 so auch die Praxis der VN in den Treuhandgebieten. Dazu H. Rolin in der BV, 19. Sitzung v. 25. 8. 1950 CR (2) 913.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

Außer Dänemark190 haben das Vereinigte Königreich und die Niederlande Erklärungen gern. Art. 63 abgegeben191 • Belgien und Italien haben es hingegen nicht getan. Ein großer Teil der durch das Vereinigte Königreich vorgenommenen Erstreckungen der Konvention ist allerdings dadurch außer Kraft gesetzt worden, daß die Territorien die Unabhängigkeit erreichten. (c) Das materielle Recht der Konvention strahlt über die unter (a) und (b) genannten Gebiete hinaus. Als so bedeutende Staaten wie Nigeria und Malaysia - um nur zwei Beispiele zu nennen - die Unabhängigkeit erwarben, wurde der Katalog der Rechte und Freiheiten der Konvention zum Vorbild der Grundrechtsteile ihrer Verfassungen und sowohl afrikanische wie amerikanische Staaten verfolgen den Plan, der europäischen Menschenrechtskonvention vergleichbare regionale Konventionen abzuschließen192 • 2. D e r p e r s ö n l i c h e G e 1 t u n g s b e r e i c h Das allgemeine Völkerrecht erlegt jedem Staat die Verpflichtung auf, den Angehörigen eines anderen Staates in gewissem Umfang zu schützen und seine Rechte zu achten, will er nicht den Staat, dem der Fremde angehört, verletzen. Die Konvention, welche nicht die Rechte der Staaten, sondern der Menschen zu schützen bestimmt ist, mußte bei der Abgrenzung des Kreises der Personen, denen ihr Schutz zugute kommen soll, anders vorgehen. Sie konnte nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, wenn sie ihrem Ziel treu bleiben wollte. Sie knüpft im Gegensatz zu einem der Entwürfe193 auch nicht an den Wohnsitz an, sondern stellt allein darauf ab, ob einer der Vertragsstaaten zu einem "Jedermann" in eine Rechtsbeziehung eingetreten ist, indem er nämlich ihm gegenüber seine Herrschaftsgewalt ausgeübt hat (Art. 1). Das ist nicht so zu verstehen, als werde ein dauerndes personenrechtliches Verhältnis zwischen dem Vertragsstaat und dem Trä190

s. 0. s. 58.

Das Vereinigte Königreich am 23. 10. 1953 für 42 Territorien in Europa, Afrika, Asien und Amerika (Text Ann. I, 46 und BGBl. 1954 II, 14) nur hinsichtlich der Konvention und auch nicht für alle in Betracht kommenden Territorien. Dazu K. Vasak, Convention, S. 255 ff.; die Niederlande am 1. 12. 1955 für Surinam und die nieder!. Antillen für Konvention und Zusatzprotokoll (zum Vorbehalt s. o. S. 59). Ein individuelles Beschwerderecht haben weder das Vereinigte Königreich noch die Niederlande eingeräumt. 192 Dazu eingehender A. H. Robertson, Human Rights, S. 171-178; K. Vasak, Convention, S. 260-272; ders., De la Convention Europeenne a la Convention Africaine des Droits de l'Homme, Revue Juridique et Politique d'Outre-mer 1962, S. 59-76. Dokumentenmaterial zu den Entwicklungen und Ausstrahlungen auf Cypern und Nigeria, Ann. III, 676---743; weitere Berichte Ann. IV, 654-657. tua Entwurf der Beratenden Versammlung gern. Recommandation Nr. 38 v. 8. 9. 1949 und dazu K. Vasak, Convention, S. 77. 191

I. Geltungsbereich

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ger der Konventionsrechte vorausgesetzt194, es genügt vielmehr, daß der Träger der Konventionsrechte entweder persönlich oder mit Vermögensgegenständen - beides auch nur vorübergehend - in den Herrschaftsbereich des Staates gerät und sich dadurch einem Zugriff auf seine Rechte und Freiheiten seitens des Staates aussetzt. Das ist darunter zu verstehen, wenn die Kommission die Wendung gebraucht, die Garantien der Konvention seien nur in den den Vertragsstaaten gezogenen Grenzen von Zeit und Raum wirksam195 ; sie verweist damit auf die räumlichen Grenzen, welche der Ausübung der Staatsgewalt gesetzt sind. Diese bisher aus Art. 1 gewonnene Abgrenzung bedarf freilich noch einer Bestätigungto&. In gewissem Sinne ist diese in der Regelung der Antragsberechtigung bei Einzelbeschwerden zu sehen. Denn da der Beschwerdeführer gern. Art. 25 Abs. 1 geltend machen muß, selbst in seinen ihm von der Konvention garantierten Rechten und Freiheiten verletzt zu sein, ist der Schluß erlaubt, die Antragsberechtigung könne nur solchen Rechtssubjekten eingeräumt sein, die mindestens Träger von in der Konvention gewährten Rechten und Freiheiten sein können. Es darf daraus allerdings nicht auch geschlossen werden, daß allen Antragsberechtigten auch alle Rechte zuständen und ebensowenig, daß nur die Antragsberechtigten als Träger dieser Rechte und Freiheiten in Betracht kämen. Denn der Rechtsschutz braucht nicht notwendig allen Rechtsträgern zugute zu kommen. Abgesehen von den Vertragsstaaten selbst, die hier nicht interessieren, sind gern. Art. 25 natürliche Personen, nichtstaatliche Organisationen oder Personenvereinigungen antragsberechtigt. Welche Staatsangehörigkeit sie besitzen oder unter dem Rechte welcher Staaten eine juristische Person organisiert ist, wo die natürlichen oder juristischen Personen ihren Wohnsitz oder Sitz haben, ist unerheblich197 • Die Ver194 Das läßt die deutsche Übersetzung von Art. 1: "allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen" vermuten. "Everyone within their jurisdiction" ist weniger. Besser hieße es auf deutsch: "allen ihrer Herrschaftsgewalt unterworfenen Personen". 195 E. v. 30. 5. 1961 über B. Nr. 1065/61 (gegen Belgien), Ann. IV, 261 (269). 195 In der Konvention fehlt eine dem Art. 19 Abs. 3 GG entsprechende Vorschrift. In den einzelnen Freiheitsverbriefungen ist immer von "Jedermann" die Rede, in Art. 1 des Zusatzprotokolls jedoch von "jeder natürlichen oder juristischen Person", als sei damit etwas anderes gemeint. 197 Die Straßburger Instanzen werden in beträchtlichem Umfang von Beschwerdeführern in Anspruch genommen, welche dem Staate, gegen dessen Maßnahmen sie sich wenden, nicht angehören. Im Jahre 1963 wurden 18,2 Ofo der Beschwerden von Ausländern erhoben. In d en Jahren 1955-1963 kamen 11,2 Ofo der Beschwerden von den Angehörigen von Nichtvertragsstaaten oder von Staatenlosen, nur 1 Ofo von Angehörigen von Vertragsstaaten, welche das individuelle Beschwerderecht nicht anerkannt hatten. Unter den Angehörigen der Nichtvertragsstaaten überwiegen die Angehörigen von Oststaaten und

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

letzung der Rechte und Freiheiten braucht nicht im Staatsgebiet erfolgt zu sein19s. Als Beschwerdeführer sind außer natürlichen Personen EinwohnergruJ?pen199, Handelsgesellschaften mit und ohne Rechtspersönlichkeit200, Berufs- und Interessenverbände201 , politische Parteien202 und schließlich auch eine christliche Kirche aufgetreten203. In keiner Entscheidung ist die Frage der Antragsberechtigung näher diskutiert worden, während die Frage, ob die Personenmehrheiten oder juristischen Personen als solche betroffen waren, hier nicht interessiert. Im großen und ganzen ist die Kommission bei der Prüfung der Antragsberechtigung so großzügig vorgegangen204, daß sich aus ihrer die Staatenlosen. Vgl. die statistischen Angaben in Ann. VI, 674. - Auch die Regelung des Armenrechts für die Verfahren vor den Straßburger Instanzen nimmt auf die Staatsangehörigkeit keine Rücksicht, obwohl die Mittel aus dem Haushalt des Europarates-also von den Vertragsstaaten- kommen; Entschließung des Ministerkomitees Nr. 18 (63) v. 25. 10. 1963, Ann. VI, 23 ff. = NJW 1964, 394 f. - Die Kommission hat über zahlreiche Beschwerden entschieden, welche vom Auslande aus gegen einen Vertragsstaat eingelegt wurden, ohne dabei auf Wohnsitz oder Sitz des Beschwerdeführers abzustellen. Vgl. z. B. die Beschwerde eines franz. Generals gegen BRD, ihm seien während des Krieges von einer deutschen Verwaltungsstelle Kunstschätze entführt worden: E. v. 15. 7. 1957 über B. Nr. 220/56, Ann. I, 157; eines staatenlosen ehemaligen polnischen Offiziers mit Wohnsitz in der BRD gegen Schweden, dem die Einreise nach Schweden zum Besuche seiner Frau verwehrt wurde: E. v. 20. 12. 1957 über B. Nr. 172/56, Ann. I , 211 ; eines angeblich deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der BRD gegen Belgien wegen Maßnahmen der Feindvermögensverwaltung: E. v. 30. 4. 1959 über B. Nr. 347/58, Ann. II, 407; der schweiz. Retimag AG mit Sitz in Zürich gegen die BRD wegen der Einziehung von Vermögen in der BRD: E. v. 16. 12. 1961 über B. Nr. 712/60, Ann. IV, 385 ff. 198 Vgl. den Fall des Lehrers an einer deutschen Auslandsschule in Spanien, der sich gegen Maßnahmen eines deutschen Generalkonsulats in Spanien beschwert: E. v. 5. 3. 1962 über B. Nr. 1197/61, Ann. V, 89 ff. 101 E. v. 5. 3. 1964 über B. Nr. 1677/62 (gegen Belgien) und über B. Nr. 1691/62, Rec. 14, S. 1; E. v. 5. 3. 1964 über B. Nr. 1994/63 (gegen Belgien) Rec. 13, 104; E. v. 15. 12. 1964 über B. Nr. 2209/64 (gegen Belgien), Rec. 15, 24. 200 E. v. 20. 12. 1960 über B. Nr. 511/59 (G. Gudmundsson ./. Island), Ann. III, 394; E. v. 16. 12. 1961 über B. Nr. 712/60 (Retimag AG ./. BRD), Ann. IV, 384. 201 E. v. 20. 12. 1957 über B. Nr. 245/57 (Kriegsbeschädigtenverband ./. BRD und Saarland), Ann. I, 183; E. v. 29. 8. 1959 über B. Nr. 473/59 (Verband der Besatzungsgeschädigten ./. Österreich), Ann. II, 400; E. v. 16. 12. 1963 über B. Nr. 1167/61 (Berufsorganisation des Zeitungsvertriebsgewerbes ./. BRD), Ann. VI, 204. 202 E. v. 20. 7. 1957 über B. Nr. 250/57 (KPD ./. BRD), Ann. I, 222. 203 Allerdings geht aus der Entscheidung nicht hervor, in welcher Rechtsform diese organisiert ist, ob sie insbes. den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt: E. v. 14. 12. 1963 über B. Nr. 1497/62 (Reformierte Kirche ./. Niederlande), Ann. V, 286. 20' Es hätte z. B. nahe gelegen, zu prüfen, ob eine Kirchenorganisation das Recht auf Gewissensfreiheit für sich (und nicht nur für ihre Mitglieder) in Anspruch nehmen kann. Eine Aktiengesellschaft kann sicher nicht das Recht auf Eheschließung beanspruchen. Diese Beispiele zeigen deutlich, daß nicht ungeprüft bleiben darf, welche Rechte und Freiheiten juristische Personen "ihrem Wesen nach" für sich in Anspruch nehmen können. •

I. Geltungsbereich

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Spruchpraxis kein Anhalt dafür ergibt, welche Rechte und Freiheiten ein Rechtssubjekt für sich in Anspruch nehmen können sollte, dem nicht auch das Recht eingeräumt ist, eine Beschwerde an die Kommission einzulegen. So kann in der Tat davon ausgegangen werden, daß materiellrechtlich diejenigen Rechtssubjekte aus der Konvention Rechte herleiten können, die gern. Art. 25 für beschwerdeberechtigt erklärt sind. 3. D e r s a c h 1 i c h e G e 1 t u n g s b e r e i c h Berechtigungssubjekt des Konventionsrechts kann sein, wer der Herrschaftsgewalt einer der Vertragsstaaten unterworfen ist (Art. 1)205• Folglich können durch die Konvention Pflichten nur für die Inhaber dieser Herrschaftsgewalt - die Vertragsstaaten - begründet werden. Die Konvention regelt also nur die Rechtsverhältnisse zwischen den Vertragsstaaten und den möglichen Berechtigungssubjekten, nicht aber auch die Rechtsverhältnisse zwischen den Berechtigungssubjekten untereinander. Dieses Ergebnis wird durch die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems bestätigt. Denn Individualbeschwerden können sich nur gegen Vertragsstaaten richten (Art. 25), nicht aber gegen Individuen. Die Kommission hat daher folgerichtig nicht nur solche Beschwerden als unzulässig behandelt, die formell gegen ein Individuum gerichtet waren, sondern auch gegen Vertragsstaaten gerichtete, in denen eine Verletzung der Konventionsrechte durch Einzelpersonen gerügt wurde, für die ein Vertragsstaat nicht verantwortlich gemacht werden konnte206• Freilich ist aus dieser Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems kein absolut zwingender Schluß darauf zu ziehen, daß auch die vor der Kommission allein passiv legitimierten Vertragsstaaten durch die Konvention verpflichtet werden207• Denn es ist durchaus denkbar, daß die Kons. o. s. 60 ff. So z. B. wenn der Beschwerdeführer beanstandete, er sei durch seinen Anwalt nicht genügend unterstützt worden: E. v. 17. 3. 1958 über B. Nr. 300/57 (gegen BRD) - unveröffentlicht; auch durch einen amtlich bestellten Pflichtverteidiger: E. v. 29. 6. 1963 über B. Nr. 1251/61 (gegen österr.) - unveröffentlicht; wenn er behauptete, durch Wettbewerber in unlauterer Weise geschädigt worden zu sein: E. v. 29. 3. 1960 über B. Nr. 517/59 (gegen BRD) - unveröffentlicht; oder durch die Speditionsfirma bei einem Umzug nach Ausweisung aus einem baufälligen Haus: E. v. 16. 7. 1957 über B. Nr. 215/56 (gegen BRD) - unveröffentlicht; oder auch durch hartnäckige Mieter, die ein Räumungsurteil nicht befolgen: E. v. 29. 8. 1959 über B. Nr. 496/59 (gegen österr.) -unveröffentlicht; auch einen Rechtsanspruch darauf, daß gegen einen Dritten ein Strafverfahren eingeleitet werde, erkennt die Kommission nicht an: E. v. 10. 3. 1962 über B. Nr. 864/60 (gegen österr.), Rec. 9, 17; E. v. 5. 9. 1962 über B. Nr. 1237/61 (gegen österr.), Ann. V, 96; E. v. 16. 1. 1963 über B. Nr. 1599/62 (gegen österr.), Ann. VI, 348; und mehrere unveröffentlichte Entscheidungen aus letzter Zeit. 207 so aber H. Golsong, Rechtsschutzsystem, S. 57. 205 208

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

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vention Pflichten begründet, die aber nicht vor den von ihr geschaffenen Organen geltend gemacht werden können, wohl aber vor innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen208. In der Tat haben Gerichte in der Bundesrepublik - offensichtlich unter dem Eindruck der für das GG entwickelten Lehre von der "Drittwirkung der Grundrechte" - auch aus der Konvention entnehmen zu können geglaubt, die dort garantierten Rechte und Freiheiten seien nicht nur gegen einen Eingriff von hoher Hand geschützt, sondern auch im Verhältnis zu mit Herrschaftsgewalt nicht ausgestatteten Individuen209, ohne dies freilich näher zu begründen. Auch in der Literatur - und zwar nicht nur in der deutschen, sondern vor allem in der belgiseben und niederländischen - gewinnt die Lehre an Boden, durch die Konvention würden generell nicht nur die Vertragsstaaten, sondern auch Individuen zur Achtung der in ihr garantierten Rechte und Freiheiten verpflichtet210. Die hierfür aus einer Analyse der Konvention gewonnenen Argumente sind jedoch nicht überzeugend und halten einer kritischen Prüfung nicht stand211 . Die schon 1951 von M. Merle 212 getroffene Feststel208 So zutreffend M. A. Eissen, S. 230 (233), und H. Guradze, Die Schutzrichtung der Grundrechtsnormen der EMK, Festschrift für H. C. Nipperdey, Bd. II (1965), S. 761 f. 209 Sehr vorsichtig BGH, 20. 5. 1958, BGHZ 27, 284 ff. (285 f.); hingegen leitete das LG Mannheim, 12. 8. 1955, NJW 1956, 384 aus Art. 10 der Konvention einen Rechtsanspruch eines durch eine Pressemeldung Betroffenen auf Abdruck einer von ihm verfaßten Gegendarstellung her. Der BayVerfGH, 26. 10. 1955 ließ die Frage offen. Dazu W. Morvay, S. 318 und K. Vasak, Convention, S. 249 f. 210 Vgl. die Nachweise bei M. A. Eissen, Duties, S. 247 Anm. 6 und seitdem K. Vasak, Convention, S. 77 ff., 249 ff. und neuerdings a.a.O. (Anm. 106), S. 378. 211 So im Ergebnis auch H. Guradze, a.a.O. (Anm. 208), S. 761 f., der sich freilich nur mit einem kleinen Teil der z. B. von M. A. Eissen, Duties, vorgebrachten Argumente auseinandersetzt Daß in den Einschränkungsklauseln der Art. 8-11 auch Gesetze für zulässig erklärt sind, die zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer erlassen werden (Eissen, Duties, S. 234), sagt nichts aus, da es sich dabei nicht um die von den Konvention geschützten Rechte und Freiheiten zu handeln braucht, sondern z. B. auch um den Ehrenschutz des Strafgesetzbuches handeln kann. - Daß in Art. 17 Staatengruppen und Personen auf eine Stufe gestellt werden (Eissen, Duties, S. 235), ist nicht beweiskräftig, da offen bleibt, wem gegenüber sie tätig werden. So zwingt Art. 17 nicht dazu, den einzelnen als "sujet passif" zu betrachten. Er behält auch noch einen Sinn, wenn er nur das Verhältnis des einzelnen und der Gruppen zum Staat in Betracht zieht. - Daß Art. 13 (Eissen, Duties, S. 236) hier kein zwingendes Argument liefert, hat schon W. Morvay, S. 319 f. überzeugend nachgewies,en. Auch H. Guradze, a.a.O. (Anm. 208), S. 764, weist darauf hin, der mit "notwithstanding" beginnende Halbsatz sei nur dadurch veranlaßt, daß der Staat nach angelsächsischem Recht nicht ohne weiteres für die Handlungen seiner Beamten hafte. Das hat R. Herzog, a.a.O. (Anm. 75), S. 26, verkannt, der die EMK überhaupt wie ein innerstaatliches Gesetz auslegt und so zu unhaltbaren Ergebnissen kommt. Daß schließlich die einzelnen Rechte und Freiheiten als subjektive Rechte formuliert sind (Eissen, Duties, S. 237), sagt nichts darüber aus, gegen wen sie geltend gemacht werden können. Nicht alle subjektiven Rechte wirken erga omnes.

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s. 710.

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lung, die Rechte der Konvention seien implizit oder explizit gegen den Staat proklamiert, d. h. nur gegen eine Intervention seiner Organe und Agenten geschützt, isttrotzallen aufgewandten Scharfsinns bisher nicht widerlegt worden. Wenn nur die Vertragsstaaten Pflichtsubjekte der Konvention sind, dann können nur ihre Organe sie verletzen. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob sie auf dem Staatsgebiet gehandelt haben. Ist ein Vertragsstaat berechtigt, auf dem Gebiet eines anderen Staates Hoheitsrechte auszuüben z. B. durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertretungen, bei der Grenzund Zollkontrolle oder aufgrund eines bilateralen Truppenstationierungsvertrages - so ist er auch dabei an die Bestimmungen der Konvention gebunden. Anderseits kann aber ein Vertragsstaat nach der Konvention nicht für alle auf seinem Staatsgebiet ausgeübte Hoheitsgewalt verantwortlich gemacht werden, sondern nur für die von seinen Organen ausgeübte, zu denen freilich auch die Organe der in ein bundesstaatliches Staatswesen eingegliederten Gliedstaaten sowie von Gebietskörperschaften und sonstigen Körperschaften gehören, nicht aber auf dem Staatsgebiet tätige internationale Organe213 • Schwierige Probleme wirft die Ausübung von Hoheitsgewalt durch Staatengemeinschaftsorgane auf. Da die Konvention eine Grundlage im Statut des Europarates hat214, sind die Organe des Europarates selbst an die Konvention gebunden. 213 Die Frage ist von der Kommission hinsichtlich des US Court of Restitution Appeals in E. v. 8. 3. 1957 über B. Nr. 182/56 (gegen BRD), Ann. I, 167 und hinsichtlich des Obersten Rückerstattungsgerichts behandelt worden, das gemäß Art. 6 des 3. Teils des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. 5. 1952 (BGBl. II, S. 405) errichtet wurde, in E. v. 10. 6. 1958 über B. Nr. 235/56 (gegen BRD), Ann. II, 257. Dazu eingehend H. Golsong, Rechtsschutzsystem, S. 63, andererseits K. Vasak, Convention, S. 100 ff., der die Frage stellt, ob die Besatzungsmächte in Deutschland deutsche oder eigene Hoheitsgewalt ausgeübt hätten. Wenn die deutsche These richtig sei, daß der deutsche Staat 1945 nicht untergegangen wäre, dann hätten die Besatzungsmächte deutsche Staatsgewalt ausgeübt. Die durch den Überleitungsvertrag errichteten internationalen Organe - wie z. B. das Oberste Rückerstattungsgericht - übten von der BRD abgeleitete Rechtsprechungsgewalt aus. Für die Besatzungsgerichte ist die Rechtslage m. E. klar. Auch wenn die Besatzungsmächte deutsche Rechtsprechungshoheit sequestriert haben, handelten ihre Organe und nicht Organe des deutschen Staates. Hinsichtlich der durch die Banner und Pariser Verträge geschaffenen internationalen Organe kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß die ERD durch die Verträge erst wieder in die "volle Macht eines souveränen Staates" hineinwuchs (Art. 1 Abs. 2 Generalvertrag). Daß der Überleitungsvertrag nichts anderes sei als ein "simple accord interne (!) sur l'amenagement de l'exercice du pouvoir en Allemagne" (K. Vasak, Convention, S. 103), ist nicht richtig. Er ist Bestandteil eines internationalen Vertrages und das Oberste Rückerstattungsgericht hat den Charakter eines internationalen Gerichts (so die Kommission a.a.O., S. 289 f.). 214 s. 0. s. 12.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

Beschließt das Ministerkomitee des Europarates z. B. aufgrund von Art. 32 Abs. 3 der Konvention mit Mehrheit, auf welche Weise seine Entscheidung vollstreckt werden soll, ist es dabei an das Konventionsrecht gebunden. Denn ein Konventionsorgan - und das ist auch das Ministerkomitee, wenn es aufgrund der Konvention tätig wird215 kann nicht außerhalb des Rechtes der Konvention handeln216. Im übrigen ist aber schwerlich ein Fall von unmittelbaren Eingriffen von Organen des Europarates in Rechte des Individuums denkbar. Eher kann ein Organ der drei europäischen Gemeinschaften in die Lage kommen, in die von der Konvention geschützten Rechte und Freiheiten217 einzugreifen. In den genannten Verträgen fehlt sowohl ein ausdrücklicher wie auch ein verdeckter Verweis auf das Konventionsrecht218. Selbst wenn alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaften auch Vertragsstaaten der Konvention wären (was aber nicht der Fall ist, da Frankreich die Konvention nicht ratifiziert hat), wären die Gemeinschaften als solche vertraglich nicht gebunden, da sie nicht Hoheitsgewalt der Vertragsstaaten ausüben, sondern die einer eigenen von den Vertragsstaaten geschaffenen Organisation, in deren Recht die Konvention nicht aufgenommen ist. Allein die Absicht der Konventionsstaaten, in der Konvention einen europäischen Mindeststandard für das Gebiet des Schutzes der individuellen Rechte und Freiheiten zu setzen, hat noch keine automatische Wirkung und vermag allenfalls eine Verpflichtung zu erzeugen, diese Absicht beim Abschluß späterer internationaler Verträge weiter zu verfolgen219. · 215 Ebenso H. Golsong, Rechtsschutzsystem, S. 33; a. A. G. Langer, Die Entscheidungsbefugnis des Ministerausschusses des Europarates gemäß Art. 32 MRK, NJW 1965, 2235; H. Mosler, a.a.O. (Anm. 24), S. 290 sagt nur, das Ministerkomitee sei "keine besondere Einrichtung" der MRK. 216 a. A. W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 25 unter Berufung auf Art. 61 der Konvention. 217 z. B. die Eigentumsgarantie des Art. 1 Zusatzprotokoll, aber auch die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit des Art. 11 und das Recht auf ein ungestörtes Familienleben gern. Art. 8. 218 Ein ausdrücklicher Verweis fand sich in den Entwürfen für die geplante Europäische Politische Gemeinschaft; vgl. Entschließung Nr. 2 (Abschnitt E Ziff. 26) der 3. Sitzungsperiode vom 15. bis 20. 12. 1952 - Leitfaden und amtliche Dokumente des Verfassungsausschusses der Sonderversammlung für die Gründung einer EPG (Dezember 1952). - Ein verdeckter Verweis stand in Art. 3 § 1 des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, wo bestimmt war, daß die Gemeinschaft "die Grundrechte des einzelnen wahrt". Nach der amtlichen Begründung Bundestagsdrucksache Nr. I/3501 Anl. 2 S. 13 sollten damit die verfassungsmäßigen Grundrechte der jeweiligen Angehörigen der Mitgliedstaaten gemeint sein, die auch nur "tunlichst" gewahrt werden sollten. E. Kaufmann, a.a.O. (Anm. 105), S. 62 ff. hat jedoch überzeugend dargetan, daß in dieser Bestimmung ein Verweis auf die Konvention liegt. Der Fouchet-Plan von 1961 enthält keinen Verweis auf die Konvention; dazu J. Velu, Le bilan politique de la Convention Europeenne des droits de l'homme, Cahiers du droit europeen (Bruxelles) 1965, S. 99 ff. 219 So auch W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S. 26 f.

I. Geltungsbereich

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Die dem neueren allgemeinen Völkerrecht angehörige Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten, schafft noch keine Bindung an die detaillierten und ins einzelne gehenden Normen des Konventionsrechtes. Auch der Versuch eines Nachweises, daß die Konvention in ihrer Gesamtheit eine Kodifizierung der von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsregeln i. S. von Art. 38 Abs. 1 (c) des Statuts des internationalen Gerichtshofs darstelle220, kann nicht als gelungen angesehen werden221 • So unerfreulich dieses Ergebnis ist222 , bedarf es doch wohl einer ausdrücklichen Unterwerfung der Gemeinschaftsorgane unter das Konventionsrecht, die nur auf vertraglichem Wege herbeizuführen ist223 • Zusammenfassend ist also zu sagen, daß nur die Vertragsstaaten und die Organe des Europarates an das Recht der Konvention gebunden sind. 4. D e r z e i t 1 i c h e G e 1 t u n g s b e r e i c h Die Bindung an das Konventionsrecht beginnt nach einem dem allgemeinen Völkerrecht angehörigen Grundsatz, daß völkerrechtliche Verpflichtungen nicht zurückwirken, mit dem Zeitpunkt, zu dem die Konvention für den Staat, dessen Hoheitsgewalt ausgeübt wurde, in Kraft getreten ist. Das ist für die ersten 10 Staaten, welche bis zum 3. 9. 1953 ratifizierten, dieses Datum, für die später hinzugetretenen das Datum ihrer Ratifikation224 • Nur nach diesem Zeitpunkt vorgenommene Handlungen der Vertragsstaaten sind an der Konvention zu messen, vorher vorgenommene Handlungen hingegen nicht. Zu welchem Zeitpunkt aber ein Eingriff als vorgenommen anzusehen ist, kann insbesondere bei Eingriffen mit Dauerwirkungen zweifelhaft sein. Das Urteil, welches den Angeklagten lebenslänglich ins Zuchthaus sendet, hat ebenso für den Betroffenen eine Dauerwirkung wie die vor Jahren ausgespr0chene Einziehung von Vermögen. Selbst wenn diese Akte dem Recht der Konvention nicht entsprachen, werden sie ihm nicht nachträglich unterworfen. Anders 220 Vgl. M. Waelbroeck, La Convention europeenne des Droits de l'Homme lie-t-elle les Communautes Europeennes? - Semaine de Bruges, S. 305 ff.

(317).

221 Vgl. aus der Diskussion des Berichtes die kritischen Beiträge von van der Goes van Naters (Semaine de Bruges S. 319), K. Vasak (S. 320) und- vor allem H. Golsong (S. 330) auch zu den schwierigen verfahrensrechtlichen Fra-

gen, auf die hier nicht eingegangen werden kann. 222 Vgl. auch die Diskussionen der Berichte von G. Erler und W. Thieme über das Grundgesetz und die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften, VVDStL 18 (1960), S. 81 ff. 223 So die Forderung des niederländischen Abgeordneten Van der Goes van Naters, Semaine de Bruges, S. 319 f. Auch schon H. Golsong, Rechtsschutzsystem, S. 67. 224 Vgl. die Ratifikationstabelle oben S. 19.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtlich1:! Fragen

wurde die Rechtslage nur dann beurteilt, wenn der Betroffene zwar durch einen vor Inkrafttreten der Konvention vorgenommenen Hoheitsakt zu einer Strafe verurteilt wurde, er aber durch ein Gesetz wegen dieser Verurteilung für dauernd eines in der Konvention geschützten Rechtes beraubt wird225. Die Frage des zeitlichen Geltungsbereichs wirft im übrigen eine Fülle verfahrensrechtlicher Fragen auf, die hier nicht vertieft werden können228.

II. Geltungsschranken227 Da die Konvention nur ein erster Schritt ist, die in einem demokratischen Rechtsstaat unerläßlichen Rechte und Freiheiten des Individuums mit einer internationalen Garantie zu versehen, mußte jede einzelne Verbriefung von Rechten und Freiheiten eigenständig formuliert werden und dem entspricht auch das System der Definition der Schranken, welche den Rechten und Freiheiten gesetzt sind: Grundsätzlich sind diese Schranken für jedes einzelne Recht besonders bezeichnet und auf die Eigenart dieses Rechtes abgestimmt. In der Formulierung dieser Schranken228 besteht insofern ein Unterschied, als diese teilweise kasuistisch229, teilweise abstrakt230 vorgenommen ist. Zwischen den abstrakt gefaßten Definitionen der Schranken der Art. 8-11 bestehen gewisse 225 So die E. v. 9. 6. 1958 über B. Nr. 214/56 (De Becker ./. Belgien), Ann. II, 215 und Bericht der Kommission vom 8. 1. 1960 CEDH, serie B 1962, S. 4~9. De Becker war am 14. 6. 1947 von dem Militärgerichtshof Brüssel wegen Zusammenarbeit mit dem Feind rechtskräftig zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt worden, mit der ipso facto der Verlust nicht nur der bürgerlichen Ehrenrechte, sondern auch erhebliche Einschränkungen der Berufsund Meinungsfreiheit verbunden waren (Art. 123 sexies des belg. StGB). Die belg. Regierung vertrat zwar die Auffassung, auch diese Einschränkungen der Meinungsfreiheit seien zur Zeit des Urteils verhängt worden und seien daher ratione temporis nicht an der Konvention zu messen, die Kommission schrieb dem Art. 123 sexies StGB aber eigenständige Bedeutung zu und hielt die Beschwerde für zulässig. Vgl. den Vergleich zwischen dieser Entscheidung und E. v. 6. 7. 1959, über B. Nr. 369/58 (gegen Belgien), Ann. II, 376 bei K. Vasak, Convention, S. 91 f. 228 dazu H. Golsong, Rechtsschutzsystem, S. 81; K. Vasak, Convention, S. 90 ff.; M. A. Eissen, Jurisprudence de la Commission Europeenne . . . relative a sa competence ratione temporis, Ann. Franc;ais de Droit International, Bd. 9 (1963) S. 722 ff. 227 Spezialschrifttum: R. Herzog, a.a.O. (Anm. 75); Heumann, Les Droits garantis par la convention ... : Etudes des delimitations de ces droits, Colloque Strasbourg (1961) S. 143 ff. 228 W. J. Ganshof van der Meersch, Colloque Vienne, S. 75, unterscheidet zwischen Ausnahmen (exceptions) und Einschränkungen (restrictions), ohne daß ein sachlicher Unterschied zwischen den beiden Kategorien festgestellt werden könnte. 229 So bei den Art. 2, 4 Abs. 3, 5 und 6. 230 So bei Art. 7-11.

II. Geltungsschranken

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Gemeinsamkeiten. Überall muß die Beschränkung auf einer nationalen Rechtsnorm (Gesetz im materiellen oder formellen Sinne) beruhen und mit bestimmten Motivationen in einer demokratischen Gesellschaft unerläßlich sein. Die zulässigen Motivationen sind aber je nach der Eigenart und dem Wert der einzelnen Rechte deutlich untereinander abgestuft. Diese Unterschiede werden bei der Behandlung der einzelnen Freiheiten zu behandeln sein. Bezeichnend ist z. B., daß sich ein allgemeiner Vorbehalt für das öffentliche Wohl und das Gemeininteresse nur bei der Vermögensgarantie (Art. 1 Zusatzprotokoll) findet und das wirtschaftliche Wohl des Landes nur zur Einschränkung des Rechtes auf Achtung der privaten Sphäre (Art. 8) legitimiert, während anderseits der Katalog der zulässigen Motive bei der Beschränkung der Ausübung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9) am sparsamsten gefaßt ist. Allgemeine Einschränkungsvorbehalte wie in Art. 19 GG fehlen in der Konvention. Immerhin sind in den Art. 15-18 und 64 einige allgemeine Einschränkungsregeln gegeben, von denen der Art. 18 nur die Spezialität der einzelnen Abstufungen untermauert (1), während Art. 64 den Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, bei der Ratifikation der Konvention gewisse Vorbehalte gegenüber den garantierten Rechten zu erklären (2), Art. 15 eine Kriegs- und Notstandsklausel (3), Art. 16 eine Ermächtigung enthält, die politische Tätigkeit von Ausländern auf gewissen Gebieten zu beschränken (4) und schließlich Art. 17 den Grundsatz ausspricht, daß den Feinden der Freiheit keine Freiheit zu gewähren sei (5). 1. Die Spezialität der Schrankenstufung (Art. 18)

Deutsche Übersetzung:

Artikel 18

Die nach der vorliegenden Konvention gestatteten Einschränkungen dieser Rechte und Freiheiten dürfen nicht für andere Zwecke als die vorgesehenen angewandt werden. Maßgeblicher Wortlaut: Ar ti c I e 18 The restrictions permitted under this Convention to the said rights and freedoms shall not be applied for any purpose other than those for which they have been prescribed.

Art i c I e 18 Les restrictions qui, aux termes de Ia presente Convention, sont apportees auxdits droits et libertes ne peuvent etre appliquees que dans le but pour lequel elles ont ete prevues.

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

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Obwohl diese Bestimmung schlicht als "Platitude" bezeichnet wurde231 , enthält sie doch immerhin einen rechtsverbindlichen Hinweis darauf, daß die Abstufungen der Eingriffsmöglichkeiten auf die einzelnen Rechte und Freiheiten abgestimmt, nicht austauschbar und die in den einzelnen Freiheitsverbürgungen genannten zulässigen Motive ernst zu nehmen sind232• Die Kommission hat aus Art. 18 auch geschlossen, daß Notstandsmaßnahmen gern. Art. 15 über die Dauer des tatsächlichen Notstandes hinaus nicht ausgedehnt werden dürfen, da dann kein legitimer Zweck mehr vorliege233 • Unter den von der Konvention für zulässig erklärten Einschränkungen der garantierten Rechte und Freiheiten, die nicht zweckentfremdet werden dürfen, sind die den Formulierungen beigefügten Definitionen der Schranken der Freiheitsrechte zu verstehen, nicht aber die konkreten Maßnahmen, die von einzelnen Staaten zur Einschränkung der Freiheiten getroffen wurden234 • 2. V o r b e h a 1 t e ( A r t . 6 4 ) Deutsche Übersetzung:

Artikel 64 (1) Jeder Staat kann bei Unterzeichnung dieser Konvention oder bei Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde bezüglich bestimmter Vorschriften der Konvention einen Vorbehalt machen, soweit ein zu dieser Zeit in seinem Gebiet geltendes Gesetz nicht mit der betreffenden Vorschrift übereinstimmt. Vorbehalte allgemeiner Art sind nach diesem Artikel nicht zulässig. (2) Jeder nach diesem Artikel gemachte Vorbehalt muß mit einer kurzen Inhaltsangabe des betreffenden Gesetzes verbunden sein. M . Merle, S. 714: "simple truisme". Vgl. E. v. 5. 8. 1960 über B. Nr. 753/60 (gegen österr.), Ann. III, 310 (318): "since under article 18 of the Convention such restrictions shall not be applied for any purpose other than those for which they have been prescribed." K. Vasak, Convention, S. 68, will daraus sogar die Geltung des Satzes "in dl,Lbio pro libertate" ableiten. 233 Bericht in der Sache "De Becker" v. 8. 1. 1960 CEDH Serie B 1962, p. 133. Das hat die irische Regierung in ihrem Counter-Memoire vom 27. 8. 1960 in 231 232

der Sache "Lawless" aufgegriffen, um die Grenzen der Prüfungsbefugnis der Kommission nachzuweisen: CEDH, Serie B, 1960--61, p. 227. 234 Deshalb ist der Nachweis des nieder!. Hoge Raad, E. v. 19. 1. 1962, Ann. IV, 640 (646) abwegig, die vom nationalen Gesetzgeber verfügten Einschränkungen der Prozessionsfreiheit hätten seit 1848 demselben Zweck gedient. Es kommt nur darauf an, ob diese Einschränkungen zur Zeit ihrer Beurteilung durch ein nationales Rechtsanwendungsorgan noch als in einer modernen demokratischen Gesellschaft legitime Einschränkungen anzusehen waren, nicht, ob sie im Laufe der Zeit eine andere Zweckrichtung erhielten. Das hatte die Vorinstanz wohl zu recht bezweifelt (dazu M. van Emde Boas, S. 257).

II. Geltungsschranken

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Maßgeblicher Wortlaut: Article 64 (1) Any State may, when signing this Convention or when depositing its instrument of ratification, make a reservation in respect of any partiewar provision of the Convention to the extent that any law then in force in its territory is not in conformity with the provision. Reservations of a general caracter shall not be permitted under this Article. (2) Any reservation made under this Article shall contain a brief statement of the Law concerned. Article 64 1. Tout Etat peut au moment de la signature de la presente Convention ou du depöt de son instrument de ratification, formuler une reserve au sujet d'une disposition particuliere de la Convention, dans la mesure ou une loi alors en vigueur sur son territoire n'est pas conforme a cette disposition. Les reserves de caractere general ne sont pas autorisees aux termes du present article. 2. Toute reserve emise conformement au present article camporte un bref expose de la loi en cause. Es widerspricht an sich dem Ziele, einen europäischen Mindeststandard festzulegen, daß die einzelnen Vertragsstaaten berechtigt sind, ihr unter diesem Standard liegendes Recht aufrecht zu erhalten, indem sie einen Vorbehalt erklären. Zwar muß sich dieser auf eine bestimmte Vorschrift der Konvention beziehen und darf nicht allgemein gehalten sein. Durch die weitere Bestimmung, daß jeder Vorbehalt mit einer Inhaltsangabe des unter dem Standard der Konvention liegenden Gesetzes, das aufrecht erhalten werden soll, verbunden sein muß, erhält das Verfahren den Charakter einer Selbstanprangerung235 • Der Rechtsausschuß hatte vorgeschlagen, daß die Vorbehalte der Annahme durch eine qualifizierte Mehrheit der Teilnehmerstaaten bedürfen, mindestens aber begründet sein müßten. Außerdem hatte er in Anlehnung an die Praxis der Internationalen Arbeitsorganisation ein periodisches Bezas Vgl. aber den Wortlaut der österr. Vorbehalte zu den Art. 5 und 6, Ann. li, 88 (in deutscher Sprache), die diesen Anforderungen in keiner Weise entsprechen, indem sie lediglich eine Rahmenvorschrift (und ohne Angabe ihres Inhaltes!) nennen, deren Tragweite erst erkennbar wird, wenn man intensive Quellenforschungen betreibt. Vgl. dazu unten S. 121 f. und S. 158 und F. Ermacora, Die Bedeutung von Entscheidungen der MRK für die Österreichische Rechtsordnung, JBl. 1962, 622 zur E. v. 15. 12. 1961 über B. Nr. 1047/61 (gegen österr.), Ann. IV, 357, die den österr. Vorbehalt gegen Art. 5 für zulässig erklärte. Vgl. auch E. v. 29. 8. 1959 über B. Nr. 473/59 (gegen Österr.), Ann. II, 400 zum österr. Vorbehalt gegenüber Art. 1 des Zusatzprotokolls im Interesse der Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Staatsvertrages über die Liquidation des deutschen Auslandsvermögens in Österreich. - Vorbildlich aber der schwed. Vorbehalt zu Art. 2 des Zusatzprotokolls, der vollen Aufschluß über die Rechtslage gewährt: Ann. I, 44. Die übrigen Vorbehalte, die von den Vertragsstaaten eingelegt wurden, sind Ann. I, 40--45 und Ann. II, 88-91 veröffentlicht. 6 Partsch

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

richtssystem über die Angleichung des von der Konvention abweichenden Rechts verlangt238 • Obwohl das Sachverständigengremium sich diese Forderung wenigstens teilweise zu.eigen gemacht hatte, wurden schließlich Vorbehalte unbeschränkt und ohne Berichts- oder Angleichungspfl.ichten zugelassen, was scharfe Kritik erfahren hat237• Die bisherige Praxis ist nicht geeignet, die geäußerten Befürchtungen völlig zu zerstreuen238• 3. N o t s t a n d s k 1 a u s e I ( A r t . 1 5 ) Deutsche Übersetzung:

Artikel 15 (1) Im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht, kann jeder der Hohen Vertragsschließenden Teile Maßnahmen ergreifen, welche die in dieser Konvention vorgesehenen Verpflichtungen in dem Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, und unter der Bedingung außer Kraft setzen*, daß diese Maßnahmen nicht in Widerspruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen. (2) Die vorstehende Bestimmung gestattet kein Außerkraftsetzen des Artikels 2 außer bei Todesfällen, die auf rechtmäßige Kriegshandlungen zurückzuführen sind, oder der Art. 3, 4 (Abs. 1) und 7.

(3) Jeder Hohe Vertragsschließende Teil, der dieses Recht der Außerkraftsetzung ausübt, hat den Generalsekretär des Europarats eingehend über die getroffenen Maßnahmen und deren Gründe zu unterrichten. Er muß den Generalsekretär des Europarats auch über den Zeitpunkt in Kenntnis setzen, in dem diese Maßnahmen außer Kraft getreten sind und die Vorschriften der Konvention wieder volle Anwendung finden.

Maßgebliche Fassungen: Art i c I e 15 In time of war or other public emergency threatening the life of the nation any High Contracting Party may take measures derogating from its Obligations under this Convention to the extent strictly required by the exigencies of the situation, provided that such measures are not inconsistent with its other obligations under internationallaw. (1)

238 Vgl. AS (2) 6 annexe 5 S. 534 (Schreiben von Sir David Maxwell Fyfe an den Vorsitzenden des Ministerkomitees vom 24. 6. 1950); ähnlich der dänische Vorschlag zur UNO-Konvention gern. UN Doc. E/CN 4/636. 237 Vl'(l. M. Merle, S. 725: "le dangereux systeme des reserves" und L. C. Green, S. 440. 238 Erstaunlich milde K. Vasak, Convention, S. 69. • Zur übersetzung s. u. S. 76.

II. Geltungsschranken

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(2) No derogation from Article 2, except in respect of death resulting from lawful acts of war or from Articles 3, 4 (paragraph 1) and 7 shall be made under this provision. (3) Any High Contracting Party availing itself of this right of derogation shall keep the Secretary-General of the Council of Europe fully informed of the measure which it has taken and the reasons therefor. It shall also inform the Secretary-General of the Council of Europe when such measures have ceased to operate and the provisions of the Convention are again being fully executed.

Ar ti c 1 e 15 1. En cas de guerre ou en cas d'autre danger public mena!;ant la vie de la nation, toute Haute Partie Contractante peut prendre des mesures derogeant aux obligations prevues par la presente Convention, dans la stricte mesure ou la situation l'exige et a la condition que ces mesures ne soient pas en contradiction avec les autres Obligations decoulant du droit international. 2. La disposition precedente n'autorise aucune derogation a l'article 2, sauf pour le cas de deces resultant d'actes licites de guerre, et aux articles 3, 4 (paragraphe 1) et 7. 3. Toute Haute Partie Contractante qui exerce ce droit de derogation tient le Secretaire General du Conseil de l'Europe pleinement informe des mesures prises et des motifs qui les ont inspirees. Elle doit egalement informer le Secretaire General du Conseil de l'Europe de la date a laquelle ces mesures ont cesse d'etre en vigueur et les dispositions de la Convention re!;oivent de nouveau pleine application.

In der Notstandsklausel, die wohl nicht zu Unrecht eine der wichtigsten der ganzen Konvention genannt worden ist239, zeigt sich "das antinomische Verhältnis von Freiheit und individueller Staatsräson" 240• Sie darf sicher auch für die allgemeine Würdigung der Konvention herangezogen werden, ohne sich deswegen dem Vorwurf auszusetzen, nach dem Vorbilde von Carl Schmitt Rechtsnormen vom Ausnahmezustand her auszulegen241• Aus Art. 15 ist z. B. ein Argument dafür herzuleiten, daß die Konvention positivrechtliche Verpflichtungen schafftm. Es stellt sich aber auch die Frage, ob diese in der Konvention gewährleisteten Rechte und Freiheiten wirklich, soweit sie nicht für notstandsfest erklärt wurden, als Kodifikationen allgemeiner Regeln des Völkerrechts angesehen werden dürfen, obwohl eine Regierung es in der Hand hat, diese dann von der Konvention nur anerkannten aber ohnehin geltenden Rechte durch eine schlichte Notifikation an den Generalsekretär des Europarats, für die noch nicht einmal eine Frist vorgesehen ist, außer ! 3D C. H. M. Waldock am 3./4. 10. 1960 vor dem Gerichtshof in der Sache Lawless CEDH, Serie B, 1960/61, S. 235 f. uo H. Huber, Der Hauptentscheid des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Sache Lawless, ZaöRV 21 (1961), S. 665. ! 41 So aber E. Friesenhahn, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 4 (1962), S. 127. 242 So P. Modinos, Les enseignements de Ia Convention, Colloque Strasbourg, S. 339.

s•

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

Kraft zu setzen. Läßt sich angesichts dieser Regelung die Auffassung vertreten, die Vertragsstaaten hätten die Absicht verfolgt, sich gegenseitig die Rechtsverpflichtung aufzuerlegen, auch ihre innerstaatlichen Rechtsanwendungsorgane an das Recht der Konvention zu binden, obwohl die Ausübung der Notstandsbefugnisse keine innerstaatliche Verkündung des Notstands voraussetzt243? Bei Ausarbeitung der Konvention ist darauf hingewiesen worden, eine derart allgemeine Klausel passe nicht in das System der Einzeldefinition der Grundrechte und sei auch gar nicht nötig, da in den Art. 6 und B-11 ausdrückliche Vorbehalte für die nationale Sicherheit enthalten seien. Den Ausschlag gab dann aber die Erwägung, daß die Befugnisse der Vertragsstaaten im Ausnahmezustand nur in einer generell gefaßten Klausel wirksam begrenzt werden können. Diese Begrenzung liegt darin, daß gewisse Grundrechte für notstandsfest erklärt sind und eine allgemeine Meldepflicht statuiert ist. Das erste ist zweifellos wirkungsvoll. Wie stark die Pflicht zur Meldung von Maßnahmen im Ausnahmezustand wirkt, hängt freilich von der Ausgestaltung des Verfahrens ab und ist nicht zuletzt auch davon abhängig, wie stark das Gefühl der internationalen Verantwortung bei den Vertragsstaaten entwickelt ist. Internationale Verantwortung heißt hier auch internationales Prestige. Selbst dem Gewaltherrscher ist das Gefühl dafür nicht fremd. Es in den Dienst des Schutzes der Menschenrechte zu stellen, war sicher eine kluge Maßnahme. Von der Möglichkeit der Suspension der Rechte gern. Art. 15 ist nicht selten Gebrauch gemacht worden. Der Präsident der Kommission zählte schon im Oktober 1960 zwölf Fälle244 • Dazu kamen 1961 bis 1963 fünf weitere245 • Die meisten bezogen sich allerdings auf überseeische Gebiete, die inzwischen selbständige Staaten wurden. Auf europäisches Mutterland bezogen sich nur die Erklärungen bezüglich Irlands, Nordirlands und der Türkei248 • Die Notifikationen erfolgten zum Teil viele Jahre nach Verhängung der Notstandsmaßnahmen, einige sogar nach ihrer Aufhebung247 • t43 So der Gerichtshof CEDH, serie A, Affaire "Lawless" (Fond) arret du 1er juillet 1961, S. 62. Es war sogar umstritten, ob der Generalsekretär gehalten sei, die Regierungen der anderen Vertragsstaaten von der Notifikation eines Notstandes zu unterrichten. Das Ministerkomitee bejahte dies in der Res. (56) 16 und dazu A. H. Robertson, Colloque Strasbourg, S. 367. 244 Vgl. die Notifikationen Irlands und des Vereinigten Königreichs, Ann. I, 47-51; Ann. II, 84 f.; Ann. III, 68---91. 245 Des Vereinigten Königreiches und der Türkei: Ann. IV, 38---63; Ann. V, 8---11; Ann. VI, 28---33. : 48 Irische Notifikation v. 20. 7. 1957, Ann. I, 47; Notifikation des Vereinigten Königreiches bezüglich Nordirlands vom 27. 6. 1957, Ann. I, 50; türkische Notifikationen vom 27. 2. 1961, Ann. IV, 54 und vom 28. 5. 1963, Ann. VI, 29. 247 Vgl. die Notifikationen des Vereinigten Königreichs hinsichtlich der Notstandsmaßnahmen in Uganda in der Zeit vom 30. 11. 1953 bis 31. 3. 1954 vom

II. Geltungsschranken

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Es gibt wenige Bestimmungen der Konvention, zu denen aus Straßburg so reichhaltiges Material vorliegt, wie gerade zu Art. 15. Schon die erste Staatenbeschwerde vor der Kommission gab Anlaß, Bedeutung und Tragweite der Bestimmung zu klären248• In dem ersten Verfahren vor dem Gerichtshof - in der Sache G. R. Lawless gegen Irland stand die Frage der Auslegung und Anwendung von Art. 15 im Mittelpunkt des ganzen Verfahrens249 • Es ist bemerkenswert, daß die Konvention im Gegensatz zur VN-Satzung und den Entwürfen für einen UN-Covenant, den Krieg erwähnt und damit einräumt, daß es noch einen völkerrechtlich zulässigen Krieg geben kann. Es wird allerdings davon auszugehen sein, daß es sich nur um einen Verteidigungskrieg handeln darf und daß es sich auch um eine bewaffnete Auseinandersetzung handeln muß, deren Ausmaß das Leben der Nation bedroht. Wenn eine Großmacht einem Zwergstaat formell den Krieg erklärt, ist das doch kein Fall des Art. 15. Den Begrüf des Notstandes ("pubZic emergency/cas de danger pubZic"), der in der Konvention nur dadurch charakterisiert ist, daß er 4. 5. 1954, Ann. I, 48; in Singapur seit 23. 10. 1953 vom 11. 5. 1960, Ann. III, 74; in Kenya seit 23. 10. 1953 vom 21. 9. 1960, Ann. III, 82. Auch die Türkei ließ 9 Monate verstreichen, bis sie dem Generalsekretär den Belagerungszustand im Zusammenhang mit dem Umsturz am 27. 5. 1960 notifizierte: Notifikation vom 27. 2. 1961, Ann. IV, 54. Der griechische Staatsrat hat am 28. 3. 1954 Themis Bd. 65 (1954) S. 566 und sogar noch 1961 (Plenarentscheidung 35/1961) Verbannungen gern. Art. 15 für zulässig erklärt, obwohl Griechenland niemals einen Notstand notifiziert hat. m E. v. 2. 6. 1956 über B. Nr. 176/56 (Griechenland gegen Vereinigtes Königreich wegen Zyperns), Ann. I, 182 ff.; vgl. auch E. v. 30. 8. 1958 über B. Nr. 332/57 (Lawless gegen Irland), Ann. II, 308; der Bericht der Kommission in der Sache De Becker gegen Belgien v. 8. 1. 1960 CEDH, Serie B Kapitel III S. 130 ff. und die E. v. 27. 7. 1961 über B. Nr. 493/59 (eines Sinn-Fein-Führers gegen Irland), Ann. IV, 302. m Vgl. dazu vor allem das Urteil zur Sache: Affaire Lawless (Fond), Arret du 1er juillet 1961 CEDH, Serie A (1960/61), die in der vorigen Anm. zitierte Entscheidung über B. Nr. 332/57 und die Prozeßunterlagen in CEDH, Serie B (1960/61), Affaire "Lawless". - Das Urteil des Gerichtshofes vom 1. 7. 1961 ist eingehend gewürdigt worden u. a. von P. 0. Higgins, The Lawless-Case, The Cambridge Law Journal 1962, 234; H. Huber, a.a.O. (Anm. 240), S. 649-666; J. F. Lalive, Chronique de la Jurisprudence (de la Commission et) de la Cour Europeenne des Droits de l'Homme, Journal du droit international 89. Bd. (1962) S. 275-289; R. Pelloux, L'arret de la Cour Europeenne dans l'affaire Lawless, Ann. Fran~ais de Droit International 1961, 251-266; H. Porter, The Lawless-Case - A Beachhead for Civil Rights, American Bar Journal 49 (1963) S. 79-82; A. H. Robertson, Lawless versus the Government of Ireland (Second Phase), British Year Book 1961, 536; A. H. Robertson, Human Rights, S. 112-139; E. Suy, "De Zaak Lawless" voor het Europese Gerechtshof voor de Mensenrechten, Nederl. Tijdschrift 1962, 273 ff.; D. G. Valentine, The European Court of Human Rights - The Lawless Case. The International and Comparative Law Quarterly 10 (1961) S. 899 ff.; K. Vasak, Convention S. 187-191; H. Woesner, Die erste Entscheidung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, NJW 1963, 694---697; J. Wolf, L'affaire Lawless devant Ia Cour Europeenne des Droits de l'Homme, Journal des Tribunaux 75. Jg. s. 735.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

das Leben der Nation bedrohen müsse, hat der Gerichtshof definiert als .,eine Situation der Krise oder außergewöhnlicher und unmittelbarer Gefahr, die die gesamte Bevölkerung trifft und eine Bedrohung der Organisation des Gemeinschaftslebens im Staate schafft" 250• Ist der Fall des Krieges oder Notstandes i. S. des Art. 15 gegeben, dann darf der Vertragsstaat bei gesetzgeberischen und exekutivischen Maßnahmen das Recht der Konvention- soweit es nicht für notstandsfest erklärt ist - außer Acht lassen. Er braucht das Recht der Konvention nicht ausdrücklich außer Kraft zu setzen251. Die Maßnahmen der Vertragsstaaten dürfen jedoch keine anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen (z. B. aus dem Neutralitätsrecht) verletzen, sie haben auch bestimmte von der Konvention gewährleistete Rechte unberührt zu lassen, so das Recht auf das Leben gern. Art. 2252, das Torturverbot des Art. 3, das Verbot der Knechtschaft und Sklaverei gern. Art. 4 Abs. 1, nicht hingegen das Verbot der Zwangsarbeit253• Auch das Verbot rückwirkender Strafgesetze (Art. 7) ist notstandsfest. Der Kreis der notstandsfesten Rechte und Freiheiten ist aber enger gezogen als z. B. nach den UN-Covenant-Entwürfen, nach denen auch die Religions- und Gewissensfreiheit im Notstande nicht beeinträchtigt werden dürfen254• 2so Affaire Lawless (Fond), Arret du 1er juillet 1961 CEDH Serie A (1960/61), S. 56 (Übersetzung von H. Huber, a.a.O., S. 663). Von den 14 Mitgliedern der Kommission waren allerdings nur 7 Mitglieder der Meinung, daß im Juli 1957 in Irland eine derartige Notstandssituation bestand. Vgl. in CEDH, Serie B (1960/61) die bejahenden Voten der Mitglieder Waldock, Berg, Faber, Crosbie und Erim, Serensen und Skarphedinsson (S. 81), die auf die Existenz illegaler Organisationen, die Aktivitäten der I.R.A.-Gruppen und die darin liegende Bedrohung des Lebens der Nation abstellten, während die Mitglieder Eustathiades (S. 90), Süsterhenn (S. 94), Dominedo (S. 98), Frau Janssen-Pevtsehin (S. 100) und Ermaeora (S. 101) die Voraussetzung nicht als erfüllt ansahen, daß das Leben der Nation bedroht gewesen sei. Diese Voten zeigen, welche Auslegungsmöglichkeiten die gegebene Definition offen läßt. 251 Das scheint die deutsche Übersetzung zu fordern; a. A. der Gerichtshof, s.o. S. 74 Anm. 243. 252 Allerdings dürfen rechtmäßige Kriegshandlungen in das Recht auf das Leben eingreifen. .,Kriegshandlungen" sind nur Maßnahmen gegenüber dem Gegner. Exekutionsmaßnahmen gegenüber eigenen Staatsangehörigen im Falle von Meuterei oder Überlaufen im Gefecht sind dadurch ebenso wenig gedeckt wie Exekutionen von Angehörigen besetzter Gebiete, die ohnehin durch die Genfer Konventionen von 1949 untersagt sind. 253 Kritisch dagegen C. Weiss, S. 18. Auch der Sehrödersehe Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung d·e s Grundgesetzes Art. 115a Abs. 4 Ziff. 2 (a) will eine Grundlage für die Einschränkung der Berufsfreiheit gern. Art. 12 GG schaffen und auch der gegenüber Grundrechtseinschränkungen sehr zurückhaltende Bundesrat will die Bundesregierung ermächtigen, "die Bewohner der Bundesrepublik über das nach Art. 12 Abs. 2 (GG) zulässige Maß hinaus zu zivilen Diensten oder Werkleistungen heranzuziehen" (Das Gesetz in der Stunde der Not - Materialien zur Auseinandersetzung über ein Sicherheitserfordernis - hrsg. v. Bundesministerium des Inneren, 1961, S. 93 und 101). Im übrigen geht dieser Entwurf aber davon aus, die einschränkbaren Rechte einzeln zu nennen. 25' Dort ist notstandsfest ferner das Verbot der Schuldhaft und das Recht

II. Geltungsschranken

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Die den Vertragsstaaten zugestandenen Maßnahmen dürfen nicht weiter gehen, als es "die Lage unbedingt erfordert". Hier tritt also die Frage der Adaequanz der Notstandsmaßnahmen auf und es war im Falle Lawless umstritten, ob diese Voraussetzung erfüllt war. Die Mehrheit der Kommission, die dies bejahte, war noch knapper als bei der Bejahung des Notstandsfalles255• Bei der Beantwortung dieser Frage wird weitgehend der feste juristische Boden verlassen. Denn es kann schwerlich objektiv entschieden werden, ob eine Regierung gerade der von ihr ergriffenen Maßnahmen bedurfte, um einen Notstand zu bewältigen. Eine nachträgliche Prüfung der von einem Vertragsstaat getroffenen Entscheidungen wird kaum über die Prüfung hinausgehen dürfen, ob vertretbare Anhaltspunkte dafür vorlagen, so zu handeln, wie gehandelt wurde. Damit ist eine Verfahrensfrage berührt, die außerhalb des Themas dieser Untersuchung liegt, aber dennoch entscheidend für die Effektivität der Kriegs- und Notstandsklausel des Art. 15 ist. Wer entscheidet darüber, ob seine Voraussetzungen vorliegen und wer kann diese Entscheidung nachprüfen? Zunächst tut es der Vertragsstaat. Der Generalsekretär des Europarats, der die Notifikation entgegennimmt, kann weder prüfen, ob ein Notstandsfall vorlag noch ob die getroffenen Maßnahmen adaequat waren. Er hat noch nicht einmal eine Grundlage für die Prüfung, ob die Notifikation rechtzeitig erfolgte, ganz zu schweigen von der Befugnis, nachzuprüfen, ob die Verhältnisse es nötig machten, die getroffenen Maßnahmen zeitlich so weit auszudehnen, wie dies geschehen war256 • Immerhin kann aber darauf hingewiesen werden, daß Kommission und Gerichtshof die Kompetenz für sich in Anspruch nahmen, sowohl das Vorliegen eines Notstandsfalles wie auch die Adaequanz der im Notstande getroffenen Maßnahmen nachzuprüfen, und dabei nicht vor dem Anspruch des Vertragsstaates zurückwichen, dies aus eigener Machtvollkommenheit und unkontrolliert zu tun, wenn sie ihm auch eine gewisse Entscheidungsmarge bei dieser Entscheidung zuerkannten257 • auf "recognition as a person", vor allem gilt bei dem Recht auf das Leben im Notstand kein Sonderrecht. Da der Covenant-Entwurf keine Kriegsklausel kennt, ist das durchaus folgerichtig. Die Regelung der Konvention ist allerdings wirklichkeitsnäher. 255 Nämlich acht zu sechs: CEDH, Serie B (1960/61) S. 113. Vgl. die be:ahenden Voten von Waldock (S. 114), S~Jrensen (130), Berg, Petren, Crosbie und Skarphedinnson (S. 133), Faber (S. 133) und die verneinenden von Eustathiades (S. 134) und Ermacora (S. 155), Süsterhenn (S. 142) und Frau JanssenPetvschin (S. 154), Dominedö (S. 154) und Erim (S. 154). W. Wengler, a.a.O. (Anm. 11), S . 8 kritisiert die Kürze der Ausführungen, mit denen der Gerichtshof die Voraussetzungen von Art. 15 bejahte. 258 Darauf wies schon L. C. Green, S. 443 hin: Das japanische St atut e of Public Security von 1925 aus Anlaß des Erdbebens von 1923 habe die Handhabe zur dauernden Knebelung der öffentlichen Meinung gegeben. 257 Vgl. die vorzügliche Untersuchung von J. Velu, Le Contröle des Organes

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

4. D i e S o n d e r b e h a n d 1 u n g v o n A u s 1 ä n d e r n ( A r t . 1 6 ) Deutsche Übersetzung:

Artikel 16 Keine der Bestimmungen der Art. 10, 11 und 14 darf so ausgelegt werden, daß sie den Hohen Vertragsschließenden Parteien verbietet, die politische Tätigkeit von Ausländern Beschränkungen zu unterwerfen. Maßgebliche Fassung: A rti c 1 e 16 Nothing in Art. 10, 11 and 14 shall be regarded as preventing the High Contracting Parties from imposing restrictions on the politica1 activity of aliens.

Art i c 1 e 16 Aueune des dispositions des art. 10, 11 et 14 ne peut etre consideree comme interdisant aux Hautes Parties Contractantes d'imposer des restrictions a l'activite politique des etrangers. Während im allgemeinen bei der Regelung des persönlichen Geltungsbereiches der Konvention nicht auf die Staatsangehörigkeit abgestellt wird258 , stellt Art. 16, der erst von dem Sachverständigengremium des Ministerkomitees eingefügt worden ist, einen Rückfall in die Gedankenwelt des Fremdenrechts dar. Die Bestimmung gestattet es, die politische Tätigkeit von Ausländern zu beschränken, indem der Ausübung ihres Rechts zur freien Meinungsäußerung, auf Versammlungsund Vereinigungsfreiheit Grenzen gesetzt werden können. Insoweit ist das Diskriminationsverbot des Art. 14 außer Kraft gesetzt2511• Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch Art. 16 nicht von Europäerrechten zu Rechten der Bürger europäischer Staaten umgeprägt. Denn der Vorbehalt - mehr ist Art. 16 nicht - betrifft nur die politische Tätigkeit der Angehörigen anderer Staaten und auch der Staatenlosen. Sie bietet dem Aufenthaltsstaat eine Handhabe, die Fremden daran zu hindern, sich in seine inneren Angelegenheiten einzumischen und von seinem Staatsgebiet aus eine politische Tätigkeit zu entfalten, die sich nach außen richtet und die Verantwortlichkeit des Aufenthaltsstaates gegenüber anderen Staaten auszulösen vermag (z. B. zur Auflösung von prevu par la Convention Europeenne des Droits de l'Homme sur le but, le motif et l'objet des mesures d'exception dero.geant a cette Convention, Melanges H. Rolin (1964) S. 462--478. 258 s. o. s. 60 ff. 259 Aber nur in bezug auf die in den Art. 10 und 11 garantierten Rechte. Das Diskriminierungsverbot des Art. 14 für die Garantien des status privatus wird durch Art. 16 nicht aufgehoben. Im Ergebnis ähnlich C. Hodler, a.a.O. (Anm. 75), S. 39 f. u. B. Moser, Konvention, JBl. 1954, 453.

li. Geltungsschranken

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Emigrantengruppen, die gegen den Staat, den sie verließen, agitieren)260. "Politische Tätigkeit" kann freilich auch ein Wirken für die Ziele der Konvention sein, und es stellt sich die Frage, ob auf Art. 16 auch Maßnahmen gestützt werden dürfen, die der Verwirklichung dieser Ziele abträglich sind. Mit dem Geiste der Konvention wäre es schwerlich vereinbar, etwa - gestützt auf Art. 16 - die Angehörigen von Vertragsstaaten daran zu hindern, sich in einem anderen Vertragsstaat für die Verwirklichung der Ziele der Konvention oder für die europäische Einigungsbewegung einzusetzen. Jedenfalls ist der Begriff der "politischen Tätigkeit" eng zu fassen. Nicht jede Betätigung der Meinungsfreiheit "ohne Rücksicht auf Landesgrenzen" ist "politische Tätigkeit". Als Instrument zur Abschnürung des allgemeinen geistigen Lebens eines Vertragsstaates von dem anderer Länder darf Art. 16 nicht benutzt werden261 . In der Straßburger Praxis hat bisher Art. 16 keine Rolle gespielt. 5. D i e S i c h e r u n g g e g e n F r e i h e i t s f e i n d e ( A r t . 1 7 ) Deutsche Übersetzung: Artikel 17 Keine Bestimmung dieser Konvention darf dahin ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit* auszuüben oder eine Handlung* zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt. Maßgebliche Fassungen: Article 17 Nothing in this Convention may be interpreted as implying for any State, group or person any right to engage in any activity or perform any act aimed at the destruction of any of the rights and freedoms set forth herein or at their Iimitation to a greater extent than is provided for in the Convention. Article 17 Aueune des dispositions de la presente Convention ne peut etre interpretee comme impliquant pour un Etat, un groupement ou un individu, un droit quelconque de se livrer a une activite ou d'accomplir un acte visant a la uo Zu eng H. Schorn, S. 292.

281 So rechtfertigt Art. 16 z. B. nicht die Vorkehrung, daß nur Inländer verantwortliche Herausgeber periodischer Zeitschriften sein dürfen. So aber die Prop. des schwedischen Königs vom 2. 3. 1951, Bihang till riksdagens Protokoll 1951 i. saml. Nr. 165. Das kann nur für politische Zeitschriften gelten. * Zur übersetzung s. u. S. 80 Anm. 263.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

destruction des droits ou libertes reconnus dans la presente Convention ou limitations plus amples de ces droits et libertes, que celles prevues a ladite Convention.

a des

Art. 17 ist in eine Auslegungsregel gekleidet, scheint aber doch eine materielle Schranke für die Ausübung der in der Konvention gewährleisteten Rechte und Freiheiten zu bezeichnen: Die Feinde der Freiheit sollen aus der Konvention kein Recht herleiten dürfen, die Freiheitsordnung zu untergraben262 • Es ist nur die Frage, wie sie daran gehindert werden sollen. Das Vorbild für Art. 17 ist der fast wörtlich mit ihm übereinstimmende Art. 30 der VN-Erklärung und der entsprechenden Bestimmungen der UN-Covenant-Entwürfe263 • Dort hatte diese Bestimmung ihren guten Sinn. Denn sowohl die Erklärung wie die Covenant-Entwürfe gingen davon aus, daß die Staaten verpflichtet sein sollten, die gewährleisteten Rechte und Freiheiten so abzugrenzen, daß ein Mißbrauch durch Freiheitsfeinde ausgeschlossen sei, so wie dies z. B. im Grundgesetz durch die Art. 18 und 21 GG geschehen ist, die besondere Sanktionen vorsehen: Grundrechtsverwirkung und Parte.iverbot264• Bei der Ausarbeitung der Konvention ist der Gedanke, eine Sicherung gegen Freiheitsfeinde einzubauen, schon verhältnismäßig früh aufgetaucht, aber zunächst wieder fallen gelassen worden265 • Der Sachverständigenausschuß des Ministerkomitees hat den Text von Art. 30 der VN-Erklärung in der Fassung der Entwürfe für einen UN-Covenant in einem verhältnismäßig frühen Stadium der Arbeiten in seinen Entwurf übernommen und lediglich erkennen lassen, diese Bestimmung sei für Staaten von Bedeutung, welche restriktive Vorschriften für eine extreSo immerhin erwägend H. Huber, a.a.O. (Anm. 240), S. 661. Bei ihrer Formulierung wurde betont, "activity" bedeute jedes Wirken im weitesten Sinne einschließlich der Beeinflussung der öffentlichen Meinung; "act" hingegen nur ein aktives Tun, allerdings einschließlich Versuch und Konspiration. Vgl, dazu UN Doc A/C 3/SR 155 S. 6 f. und N. Robinson, S. 143 sowie A. Verdoodt, S. 272 ff. Das Begriffspaar "Tätigkeit" - "Handlungen" läßt diesen Unterschied nicht deutlich hervortreten. - Die amerikanische Vertreterin- Mrs. Roosevelt- lehnte den Gedanken überhaupt als zu vage und ungenau ab. 264 C. Weiss, S. 22, stellt Art. 17 der Konvention zu Unrecht mit Art. 18 GG auf die gleiche Ebene. Sie sind nur in der Tendenz vergleichbar. W. W engler, a.a.O. (Anm. 11), S. 8 nennt Art. 17 präzis·e r gefaßt als Art. 18 GG; das kann wohl aber nur für die Voraussetzungen gelten, nicht für die Sanktionen. 26$ Schon am 29. 8. 1949 hatte P. H. Teitgen vorgeschlagen, den Art. 30 der VN-Erklärung in die Europäische Konvention zu übernehmen, was dann aber am nächsten Tage abgelehnt wurde. Der Vorschlag von L. Benvenuti in der 18. Sitzung vom 8. 9. 1949 CR (1) S. 1235 ff., den auch die KPD-Entscheidung der Kommission (v. 20. 7. 1957, Ann. I, 224) zitiert, zielt ausschließlich in die Richtung, die Vertragsstaaten an einer Durchlöcherung der gewährleisteten Rechte und Freiheiten zu hindern, denkt aber nicht daran, der Ausübung der in der Konvention garantierten Rechte eine Grenze zu setzen. Der Vorschlag wurde nur erwähnt, aber formell niemals eingebracht. 282

263

II. Geltungsschranken

81

mistische Propaganda erlassen hätten. Nach Unterzeichnung der Hauptkonvention ist auch mehrfach bei den Diskussionen über das Elternrecht darauf hingewiesen worden, diese Bestimmung könne eine Handhabe bieten, um kommunistische Eltern daran zu hindern, das Elternrecht dazu zu mißbrauchen, daß ihre Kinder in öffentlichen Schulen im Geiste des Kommunismus erzogen werden müßten. Aber darüber, welche Sanktionen zur Verfügung stehen, um dem Art. 17 in einer Konvention, welche auch von innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen anzuwenden ist, zu einer praktischen Bedeutung zu verhelfen, bestand keine Klarheit. Diese Unklarheit schlägt sich auch in der Straßburger Spruchpraxis nieder. Auf der einen Seite erwecken die Formulierungen der Entscheidung über das deutsche KPD-Verbot den Eindruck, als seien die Kräfte, welche die Freiheitsordnung untergraben, schlechthin rechtlos und vogelfrei288• Auf der anderen Seite haben aber sowohl Kommission wie Gerichtshof es abgelehnt, die Beschwerden des irischen Terroristen G. R. Lawless und des belgischen Kollaborateurs De Becker deswegen als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerdeführer zu dem Kreise der Freiheitsfeinde gehörten287 • Die Beschwerdeführer seien im Genusse der persönlichen Rechtsgarantien der Art. 5 und 6 geblieben. Ein später 288 E. v. 20. 7. 1957 über B. Nr. 250/57, Ann. I, 222 (224): "In Anbetracht des Vorhergehenden ergibt sich, daß die Beschwerde der KPD sich auf keine Bestimmung der Konvention, insbesondere nicht auf die Bestimmungen der Art. 9, 10 und 11 stützen kann." Sie wurde deshalb gern. Art. 27 Abs. 2 für unzulässig erklärt, da Art. 17 anzuwenden sei. Zustimmend H. Golsong, Die Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission über die Beschwerde der KPD, NJW 1957, 1349 ff. und Jahrbuch, S. 141 f., kritisch K. Vasak, Convention, S. 72. Gerade im Falle der Beschwerde einer politischen Partei gegen ein Parteiverbot hätte es der Kommission offengestanden, darauf hinzuweisen, daß die Konvention kein Parteienprivileg kennt, Art. 11 aber eine Einschränkung der Vereinigungsfreiheit zulasse, deren Grenzen unter Heranziehung von Art. 17 auszulegen seien. Auch auf diesem Wege hätte sie im Stadium der Zulässigkeitsprüfung dazu gelangen können, die Beschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. 267 Im Verfahren gegen Lawless ist dies von der irischen Regierung mit Nachdruck geltend gemacht worden: vgl. Counter Memorial der irischen Regierung v. 27. 8. 1960 CEDH, Serie B, S. 209 ff. und Bemerkungen der irischen Regierung v. 31. 1. 1961, a.a.O., S. 338 ff. Der Präsident der Kommission vertrat in seinem Plädoyer vom 8. 4. 1961 CEDH, Serie B, S. 400 ff. die Gegenansicht, der Freiheitsfeind werde nicht völlig rechtlos gestellt, sondern nur daran gehindert, sich auf gewisse Rechte der Konvention - insbesondere die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit - zu berufen, um seine subversiven Ziele zu verfolgen (a.a.O., S. 402 f.). Er bleibe aber hinsichtlich seiner persönlichen Rechte geschützt. Dem ist der Gerichtshof gefolgt: Affaire "Lawless" (Fond), Am~t du 1er juillet 1961, CEDH, Serie A, 1960/61, S. 45. - Im Falle De Becker bezog sich die Kommission in ihrem Bericht v. 8. 1. 1960 auf ihre Entscheidung im Falle Lawless und stellte fest, der Beschwerdeführer stelle gegenwärtig keine Gefahr für die freiheitliche Ordnung dar und werde dessen auch von der belg. Regierung nicht bezichtigt: CEDH, Serie B, 1962, S. 137 f. Übereinstimmend A. Verdross, Der europäische Schutz der Menschenrechte Österr. Zeitschrift für Außenpolitik Jg. 1 (1960/61), S. 97. '

82

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

vor die Kommission gelangter Fall268, welcher die Eigentumsgarantie betraf, kam leider zu keiner Entscheidung in der Sache. Im Ergebnis läuft die neuere Straßburger Praxis darauf hinaus, daß Art. 17 doch so zu verstehen ist, wie er gefaßt ist: Die einzige Sanktion dafür, daß die Freiheitsfeinde an dem Mißbrauch der in der Konvention gewährleisteten Rechte und Freiheiten gehindert werden, liegt darin, daß die Einschränkungsklauseln der Rechtsgarantien so auszulegen sind, daß dem Gedanken Rechnung getragen wird, die Freiheitsfeinde genössen selbst keine volle Freiheit, die Freiheit zu bekämpfen. Wo Einschränkungen der in der Konvention gewährten Rechte und Freiheiten nur dann für zulässig erklärt sind, wenn sie dem Lebensstil der demokratischen Gesellschaft entsprechen, ist darunter eine militante demokratische Gesellschaft zu verstehen, die gegenüber dem Versuch, die freiheitliche Ordnung zu untergraben, keine Toleranz übt, sondern sich mannhaft behauptet. Mehr braucht auch in diesen Artikel nicht hineingelegt zu werden. Die Formulierungen der Entscheidung über das KPD-Verbot liegen schon hart jenseits der Grenze des in einem Rechtsstaat vertretbaren.

m.

Auslegungsfragen

1. Wortlaut und Sprachenfrage

Die Auslegung internationaler Verträge wirft eine Fülle schwieriger Fragen auf, die hier nicht einmal erwähnt werden können268• Sie unterscheidet sich von der Auslegung innerstaatlicher Gesetze weniger dadurch, daß dem subjektiven Willen der Vertragspartner eine größere Bedeutung zuzumessen wäre- die Praxis der internationalen Gerichte hat die Feststellung des Parteiwillens außerhalb des Vertragstextes sehr stark zurückgedrängt270 - als vielmehr dadurch, daß der internationale Vertrag in einer anderen Rechts- und Lebensordnung steht als das staatliche Gesetz: nämlich in der Völkerrechtsordnung. Dabei ist allerdings der Charakter der besonderen Völkerrechtsordnung zu berücksichtigen, in welche ein konkreter Vertrag gestellt ist. Hier handelt es 268 E. v. 16. 12. 1961 über B. Nr. 712/60 (Retimag AG gegen BRD) Ann. IV, 384 f.: die Beschwerde wurde mangels Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel für unzulässig erklärt. 260 G. Dahm, Völkerrecht, Bd. III (1961), S. 42 ff.; H. Bülck, Stichwort: Vertragsauslegung, Strupp-Schlochauer, Wörterbuch III (1962), S. 547; R. Bernhardt, Die Auslegung internationaler Verträge insbes. in der Rechtsprechung internationaler Gerichte, Beiträge zum Ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 40 (1963). A. Verdross, Völkerrecht, unter Mitarbeit von St. Verosta und K . Zemanek, 5. Aufl. (1964), S. 172 ff. 270 R. Bernhardt, a.a.O. (Anm. 269), S. 58 ff.

III. Auslegungsfragen

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sich um einen internationalen Vertrag, der im Rahmen einer internationalen Organisation abgeschlossen wurde, die sich eine gegenseitige Integration ihrer Mitglieder auf einem bestimmten Gebiete zum Ziele setzt. Der Grundsatz, daß in Zweifelsfällen diejenige Auslegung vorzuziehen ist, welche die staatliche Freiheit nicht einschränkt, kann bei diesen Verträgen nicht in demselben Umfange angewandt werden wie bei Verträgen im Bereich der nichtorganisierten Völkerrechtsgemeinschaft. Da die internationale Gerichtspraxis die Auslegung des Textes aus sich heraus ganz stark in den Vordergrund stellt, kommt der Sprachenfrage eine entscheidende Bedeutung zu. Die Konvention ist in englischer und französischer Sprache abgeschlossen, "wobei die beiden Texte in gleicher Weise maßgebend sind" 271 • Das heißt also, daß sich der Sinngehalt einer Bestimmung der Konvention nur aus der Fassung in den beiden Vertragssprachen entnehmen läßt und im Falle einer Divergenz grundsätzlich der Sinngehalt gilt, welcher von beiden Fassungen umfaßt wird272• Läßt sich allerdings im Falle einer Divergenz klar nachweisen, daß der Text zunächst in einer der beiden Vertragsstaaten entworfen und diskutiert wurde, darf auf die sog. "Arbeitssprache" zurückgegriffen werden. Dieser Ermittlung stehen bei der Konvention angesichts ihrer Entstehungsgeschichte erhebliche Schwierigkeiten im Wege. Sie wurde in den verschiedenen Entwurfsstadien laufend zweisprachig ausgearbeitet. über die Verhandlungen der beiden Gremien des Ministerkomitees liegen keine Wortprotokolle vor und auch die Dokumente, Ergebnisprotokolle und Berichte sind nicht öffentlich zugänglich. Schließlich aber sind auch die wichtigsten Vorbilder des Konventionstextes - nämlich die VN-Erklärung, die UN-Covenant-Entwürfe von 1949 und 1950 sowie der englisch-franz. Abänderungsentwurf dazu - in beiden Sprachen abgefaßt und es läßt sich bei ihnen - obwohl eingehende Verhandlungsprotokolle öffentlich zugänglich sind - nur schwer ermitteln, in welcher Sprache eine Klausel dieser Dokumente zunächst abgefaßt wurde, da nämlich die Delegationen Frankreichs und des Vereinigten Königreichs in den Organen der UNO sehr eng zusammen arbeiteten und sich nicht selten die Situation ergab, daß sie entweder gemeinsame Vorlagen machten oder von dem Delegierten des einen Staates zunächst gegebene Anregungen dann von dem Delegierten des anderen aufgegriffen und formuliert wurden. 171

So die Schlußklausel der Konvention. In den maßgebenden Sprachen:

"Done ... in English. and French., both. texts being equally auth.entic" f "Fait ..., en francais et en anglais, les deux textes faisant egalement foi". - Das-

selbe gilt nicht für die Staatenkorrespondenz mit den Konventionsorganen. Zur Auslegung eines österr. in deutscher Sprache eingelegten Vorbehaltes griff die Kommission auf den maßgebenden deutschen Text zurück: E. v. 15. 12. 1961 über B. Nr. 1047/61, Ann. IV, 356. z72 PCIJ., series A No. 2 S. 19 (Mavrommatis); zur Sprachenfrage eingehend J. Hardy, The interpretation of plurilingual treaties by international Courtsand Tribunals, British Year Book Bd. 37 (1961) S. 72-155.

84

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

In Einzelfällen kann jedoch der Rückgriff auf die Arbeitssprache helfen273 • Nun ist allerdings die maßgebliche Fassung im englischen und französischen mit einer beigefügten deutschen Übersetzung publiziert, die dort auch als "Übersetzung" gekennzeichnet ist274 • Diese Tatsache ist für die Straßburger Organe unbeachtlich. Für sie existieren die Übersetzungen in andere als die maßgeblichen Sprachen nicht275• Es wird zwar die Auffassung vertreten, dieser deutschen Übersetzung komme wenigstens vor den innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen rechtliche Bedeutung zu. Denn wenn man davon ausgehe, daß die Konvention in deutsches Recht transformiert werde, dann sei der Inhalt der Konvention in deutscher Sprache Bestandteil des deutsc..~en Rechts geworden. Deutsches Recht könne nur in deutscher Sprache erlassen werden278 • Selbst wenn man von der Auffassung ausgeht, der Rechtsanwendungsbefehl habe die Wirkung einer Transformation in deutsches Recht - und mache nicht Völkerrecht in der Bundesrepublik Deutschland vollziehbar -, ist diese Auffassung nicht überzeugend. Denn transformiert wird auch die Schlußklausel des Vertrages, in der die Fassungen in englischer und französischer Sprache für maßgebend erklärt worden sind277 • Die Konsequenz dieser Auffassung ist, daß die deutschen Rechtsanwendungsorgane die deutsche Übersetzung nur als Hilfsmittel benutzen dürfen, um den in den maßgeblichen Fassungen zum Ausdruck gekommenen Sinngehalt der einzelnen Bestimmungen der Konvention zu ermitteln. Wichtig ist das vor allem deswegen, da die deutsche Übersetzung durchaus nicht zuverlässig ist und an zahlreichen Stellen bereits zur Kritik Anlaß gab278 • Der deutsche Richter darf auch nicht etwa 273 s. o. S. 33 das Beispiel von Art. 1, wo allerdings nur ein Unterschied hinsichtlich der Deutlichkeit des ausgedrückten zwischen der franz. und engl. Fassung besteht. 274 BGBl. 1952 II, 686; In den Textsammlungen pflegt dieser H inweis zu unterbleiben. Z75 E. v. 8. 1. 1959 über B. Nr. 222/56 eines FDJ-Führers gegen BRD, Ann. II, 344 (351), wo bei Prüfung der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel es handelt s ich um die Frage, ob Beschwerde zum BVerfG erhoben werden mußte - eine Berufung des Beschwerdeführers auf die mißverständliche Übersetzung von "all domestic remedies I voies de recours internes" durch "der innerstaatlichen Rechtsmittelverfahren" in Art. 26 kurzerhand mit den Worten zurückgewiesen wurde, es genüge, darauf hinzuweisen, daß die einzigen maßgeblichen Texte der Konv ention der engl. und franz. seien. 278 Immerhin erwägend H. Wiebringhaus, S. 20. 277 Dazu eingehend K. J. Partsch, Bericht, S. 117-128. z78 In der folgenden Darstellung wird laufend über diese Kritik berichtet und eigene Kritik geübt werden müssen. Es haben sich bereits so viele Fehler herausgestellt, daß die Zeit gekommen scheint, eine revidierte Fassung der deutschen Übersetzung zu veröffentlichen, um zu verhindern, daß die deutschen Gerichte weiterhin mit einem unzulänglichen Hilfsmittel zur Erkenntnis des Konventionsrechts ausgerüstet sind. Vgl. insbes. die Textkritik von H. Wiebringhaus, S. 20, der einen eigenen deutschen Text abdruckt.

III. Auslegungsfragen

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abwarten, bis Zweifel am deutschen Text laut geworden sind279, sondern hat von Amts wegen den Sinngehalt einer Konventionsnorm aus den maßgeblichen Sprachen zu ermitteln. 2. C h a r a k t e r u n d Z w e c k d e r K o n v e n t i o n Bei der Auslegung ist sowohl dem Charakter der Konvention wie ihrem Zweck Rechnung zu tragen2B0 • Sie ist zwar ein Vertrag, aber ein multilateraler Vertrag statutarischen Charakters, durch den eine der wesentlichen Mitgliedsschaftspflichten im Europarat näher bestimmt wird. Sir David Maxwell Fyfe hat den Charakter der Konvention treffend gekennzeichnet: "These are the rules of our club by which we are prepared to be bound"!81• Dieser Charakter spricht für eine objektive Auslegung seiner Bestimmungen. Ziel und Zweck der Konvention sind vor allem in der Präambel bezeichnet. Nach einem Verweis auf die VN-Erklärung vom 10. 12. 1948, welche darauf hinziele, die universelle und wirksame Anerkennung und Einhaltung der in ihr erklärten Rechte zu sichern, betont diese, die positiv-rechtliche Garantie (sauvegarde) der Menschenrechte und Grundfreiheiten wie auch ihre Weiterentwicklung sollen dem Ziele dienen, eine engere Einheit zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates, der das gleiche Ziel habe, zu verwirklichen282• Darin liegt ein deutlicher Hinweis auf die Integrationsfunktion der Gewähr von Menschenrechten und Grundfreiheiten, die ja auch in Bundesstaaten selbst dort zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen geführt haben, wo dies bereits in den Gliedsstaatsverfassungen geschehen war. Schließlich aber folgt in dem Schlußabsatz die Feststellung, die von den Erwägungen der vorhergehenden Absätze deutlich abgehoben ist, die Regierungen der europäischen Staaten seien entschlossen, die ersten Maßnahmen zu ergreifen, um die kollektive Garantie gewisser in der ! 78 So H. Mosler, Das Völkerrecht in der Praxis der deutschen Gerichte, Schriftenreihe der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 32/33 (1957) S. 30 für den Fall, daß die Landessprache zu den maßgeblichen Vertragssprachen gehört. Das ist aber hier nicht der Fall. 280 Zu den verschiedenen von der Konvention verfolgten politischen Zielen vgl. J. Velu, a.a.O. (Anm. 218), S. 99 ff. 281 CR (2) S. 888, 16. Sitzung vom 25. 8. 1950. 282 In den maßgeblichen Fassungen: Considering that the aim of the Council of Europe is the achievement of greater unity between its Members and that one of the methods by which that aim is to be pursued is the maintenance and further realisation of Human Rights and Fundamental Freedoms. Considerant que le but du Conseil de l'Europe est de realiser une union plus etroite entre ses Membres, et que l'un des moyens d'atteindre ce but est la sauvegarde et le developpement des Droits de l'homme et des libertes fondamen tales.

86

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

VN-Erklärung (nur) erklärter Rechte sicherzustellen. Eine Rechtfertigung finde dieser Entschluß darin, daß die europäischen Staaten vom gleichen Geiste beseelt seien und ein gemeinsames Erbe an geistigen Gütern, politischen Überlieferungen, an Achtung der Freiheit und des Vorranges des Rechtes besäßen28a. Eine kollektive Garantie soll also sichergestellt werden. Das greift auf frühe Erörterungen der europäischen Bewegung und in der Beratenden Versammlung zurück, in denen häufig der Gedanke ausgesprochen wurde, die Mitgliedsstaaten des Europarates könnten nur dann unbesorgt eine engere Verbindung untereinander eingehen, wenn ein verbindlicher Mindeststandard für ihre innere Verfassungsordnung normiert sei284 • Der Entschluß zur kollektiven Garantie umschließt die Bereitschaft dazu, den eigenen Rechtsstandard zu heben285 • Er umschließt auch die Bereitschaft dazu, die Intervention aller Partner dieser Interessengemeinschaft zu dulden. Deshalb dürfen die Rechte und Freiheiten der Konvention nur mit größter Vorsicht restriktiv zur Wahrung der "domestic jurisdiction" der Einzelstaaten ausgelegt werden. Denn es ist ein Ziel der Konvention, auf dem Gebiete des Schutzes der individuellen Rechte und Freiheiten einen gemeinsamen Standard durch eine kollektive Garantie zu schaffen. Die Ziele der Konvention stehen hingegen nicht im Wege, den Grundsatz anzuwenden, daß möglichst allen Vertragsbestimmungen und Worten eine sinnvolle Bedeutung zuzuweisen ist2as. 283 Im maßgeblichen Text lautet der Schlußabsatz: Being resolved, as the Governments of European countries which are likeminded and have a common heritage of political traditions, ideals, freedom and the rule of law, to take the first steps for the collective enforcement of certain of the Rights stated in the Universal Declaration. Resolus, en tant que gouvernements d'Etats europeens animes d'un meme esprit et possedant un patrimoine commun d'ideal et de traditions politiques, de respect de la liberte et de preeminence du droit, a prendre les premieres mesures propres a assurer la garantie collective de certains des droits enonces dans la Declaration Universelle. Da die deutsche Übersetzung das konkrete Anliegen, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, nicht deutlich hervortreten läßt (s. o. S. 33), ist versucht, den Gedanken dieses Schlußabsatzes im Text zu umschreiben. 284 Vgl. in der 6. Sitzung der BV v. 14. 8. 1950: Lord Layton CR (2) 350 ff.; Silvandre mit einem Zitat von Bonnefous, 9. Sitzung v. 16. 8. 1950 CR (2) 501; Hedlund, CR (2) 532. 285 Dieser Gesichtspunkt ist in den Parlamenten der skandinavischen Staaten sehr deutlich zum Ausdruck gekommen. Vgl. K. J. Partsch, Ratifikation, S. 107 ff. (Dänemark), a. A. freilich H. v. Weber, Bedeutung, S. 346 und H. H. Jescheck, Die MRK, NJW 1954, 784, welche die Konvention so auslegen wollen, daß sie keine über das Recht der Mitgliedsstaaten hinaus gehenden Verpflichtungen enthält. 288 Sondervotum von D. Anzilotti in dem Leuchtturmstreit PCIJ series A/B Nr. 62 S. 31 und dazu R. Bernhardt, a.a.O. (Anm. 269), S. 80. In E. v. 29. 8. 1959 über B. Nr. 473/59 (gegen Österr.), Ann. II, 400 (405) hat die Kommission diesen Grundratz allerdings nicht bei der Auslegung der Konvention selbst,

III. Auslegungsfragen

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3. D i e H e r a n z i e h u n g v o n V o r a r b e i t e n Es ist ein von der internationalen Rechtsprechung allgemein befolgter Grundsatz, daß die Vorarbeiten zu einem internationalen Vertrag nur dann zur Auslegung herangezogen werden dürfen, wenn der Vertragstext aus sich heraus nicht gedeutet werden kann287• Ihn hat sich auch der Europäische Gerichtshof in der Sache "Lawless" zu eigen gemacht, als es um die Auslegung des Art. 5 ging und die beklagte Regierung geltend machte, ein Rückgriff auf die Vorarbeiten sei geeignet, den Sinn dieser Bestimmung zu erhellen288. Bei der Erörterung der Sprachenfrage ist die besondere Quellensituation bei der Entstehung der Konvention schon dargelegt worden28D, Es ist außerdem zu beachten, daß nicht alle gegenwärtigen Konventionsstaaten an der Ausarbeitung der Konvention beteiligt waren290• Soweit ihnen die Materialien nicht vor ihrem Beitritt zur Konvention zugänglich gemacht worden sind291 , können sie ihnen gegenüber auch nicht zur Auslegung der Konvention herangezogen werden292 • Ferner sind bei einer Heranziehung der Materialien aus den Organen der VN, die an sich allgemein zugänglich sind, doch einige besondere sondern eines österr. Vorbehalts zu Art. 1 Zusatzprotokoll angewandt: "que, d'autre part, selon les principes generaux de droit international public, quand une clause peut avoir deux sens, il faut lui donner celui avec lequel eile peut avoir quelque effet, plutot que le sens avec lequel eile ne peut en produire aucun .... " Dieser Grundsatz könnte aber auch für die Auslegung der Konvention von Bedeutung werden. 287 Eingehend R. Bernhardt, a.a.O. (Anm. 269), S. 109 ff. (mit Belegen). 288 CEDH, Serie A, Affaire "Lawless" (Fond), Arret du 1er juillet 1961 S. 50: "... que la Commission a fait valoir avant tout qu'il n'etait pas admissible, en vertu d'une regle bien etablie relative d l'interpretation des traites internationaux, d'avoir recours aux travaux preparatoires lorsque le sens des dispositions d interpreter est clair et sans equivoque", und S. 52: "Que, ayant ainsi constate que le texte de l'article 5, paragraphe 1er litt. (c) et 3 est en lui-meme suffisamment clair et precis ..., la Cour n'a pas, eu egard d un principe d'interpretation des traites. internationaux generalement reconnu, d recourir aux travaux preparatoires." - Die Kommission war vorsichtigerweise dennoch auf die Auslegung eingegangen, die von der irischen Regierung aus den Materialien hergeleitet wurde. 289

s. o.

s. 83.

So nicht die Bundesrepublik Deutschland an der Ausarbeitung der Hauptkonvention, wohl aber der verschiedenen Zusatzprotokolle; nicht die Bundesrepublik Österreich und Zypern an Hauptkonvention und 1. Zusatzprotokoll. 291 Das war hinsichtlich der Hauptkonvention bei der BRD jedenfalls nicht der Fall. Der deutsche Regierungsvertreter ist erst bei der Schlußdebatte des Ministerkomitees hinzugezogen worden, während er an der vorbereitenden Sitzung der Ministerstellvertreter am Vortage noch nicht teilnahm. 202 Dieser Grundsatz wurde hinsichtlich der Verwertung der Vorarbeiten zum Versailler Vertrag gegenüber dem deutschen Reich von dem Ständigen Internationalen Gerichtshof (StiGH) im Falle der internationalen Oderkommission (PCIJ series A Nr. 23 S. 42), entwickelt; weitere Nachweise bei Bernhardt, a.a.O. (Anm. 269), S. 118 f. 200

7 Partsch

3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

88

Umstände zu berücksichtigen: Die VN und der Europarat haben nicht nur unterschiedliche Mitglieder, sondern auch unterschiedliche Ziele. Die Bereitschaft, unter den Staaten "eine engere Einheit" herzustellen, besteht zwischen den Mitgliedstaaten der VN nicht. Nicht nur die VNErklärung, die nur den Rahmen für die Begründung von Rechtsverpflichtungen absteckt, sondern auch die den Europaratsstaaten bei Ausarbeitung der Konvention vorliegenden Entwürfe für einen UN-Covenant gehen von einer anderen Gesamtkonzeption aus als die Konvention. Die Entwürfe wollten Staatenverpflichtungen begründen aber kein zur unmittelbaren Anwendung durch innerstaatliche Rechtsanwendungsorgane geeignetes Recht. Schließlich aber darf nicht übersehen werden, daß trotz der in der Präambel zu der VN-Erklärung geschlagenen Brücke, trotz des Auftrages an die Arbeitsgremien des Ministerkomitees, die Vorarbeiten in den Gremien der VN soweit wie möglich zu benutzen undtrotzder engen Anlehnung im Wortlaut- selbst dort, wo dieselben Worte gebraucht werden- die Wertbegriffe nicht immer übereinstimmen. Dies sei an einem Beispiel erläutert: In den Gesetzesvorbehalten der Art. 8, 9, 10 und 11 der Konvention ist bestimmt, daß gewisse Eingriffsbefugnisse nur insoweit zulässig sind, als sie in einer "demokratischen Gesellschaft" für unerläßlich angesehen werden. Das stammt aus Art. 29 Abs. 2 der VN-Erklärung. In der Menschenrechtskommission293 und in dem 3. Ausschuß der Generalversammlungu4 wollte der Vertreter der UdSSR statt "eine demokratische Gesellschaft" sagen "der demokratische Staat", wodurch die Bestimmung einen völlig anderen Sinn bekommen hätte. Die Vertreter Frankreichs und des Vereinigten Königreichs haben darauf bestanden, hier von der "demokratischen Gesellschaft" und nicht vom "demokratischen Staat" zu sprechen, damit das öffentliche Leben auf allen seinen Stufen einschließlich der Gemeinden einbegriffen werde. Es steht zwar zwischen den Zeilen der Berichte, daß die Franzosen und Engländer auch hier mit der "demokratischen Gesellschaft" einen bestimmten Wertbegriff gemeint haben. Sie haben es aber mit Rücksicht auf die anwesenden Russen nicht gesagt, sondern eine formale und wenig überzeugende Erklärung gegeben. Es erscheint völlig ausgeschlossen, diese politisch unfreie Auseinandersetzung in einem Organ der VN der Auslegung eines wesentlichen Wertbegriffs in der Europakonvention zugrunde zu legen. Wenn darin nur die in einer demokratischen Gesellschaft für unerläßlich gehaltenen Einschränkungen der Grundrechte für zulässig erklärt werden, so handelt es sich dabei nicht um eine demokratische Gesellschaft, die auch die volksdemokratische mitumfaßt, sondern um die rechtsstaatliche und freiheit2ua 294

Vgl. UN Doc E/CN 4/SR 74, S. 14 f. Vgl. UN Doc A/C/SR 150, S . 7.

IV. Das Diskriminierungsverbot (Art.14)

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liehe demokratische Gesellschaft, wie sie unter den Europaratsstaaten verstanden wird. Es mag erstaunlich erscheinen, daß trotz dieser Skepsis die Vorarbeiten in den Organen der VN hier in so großem Umfang herangezogen werden. Das ist aber von der Sache her berechtigt. Auch wenn alle die Faktoren berücksichtigt werden, die zur Vorsicht mahnen, kann es aufschlußreich sein, woher eine Vorschrift kommt und welche Funktion sie in der Rechtsordnung erfüllen sollte, für die sie formuliert war. Bei der Auslegung der Konvention wird häufig mit dem Argument gearbeitet, eine Bestimmung müsse logischerweise diese oder jene Bedeutung haben, sonst sei sie innerlich widerspruchsvoll. Gerade dieses Argument kann gelegentlich durch die Entstehungsgeschichte widerlegt werden, wenn die für den Covenant formulierte Bestimmung z. B. dort eben die Bestimmung haben würde, die sie aus logischen Gründen nicht haben können soll. Dazu kommt aber ein anderes. Die Situation, in der ein Gericht die Bedeutung einer Rechtsnorm zu ermitteln sucht, um sie auf einen praktischen Fall anzuwenden, ist grundverschieden von der Lage des einer aktuellen Rechtsanwendungsaufgabe enthobenen Interpreten, der aus dem Wachstum einer Rechtsnorm ihre Anatomie zu erfassen versucht. Er darf manchmal weiter zurückgreifen als der auf seine Gegenwartsaufgabe bezogene und damit beschränkte Richter. Das schließt nicht aus, daß auch der Interpret an die Grenzen denkt, die ihm bei der Erforschung von Herkunft und Vergangenheit einer Rechtsnorm gezogen sind.

IV. Das Diskriminierungsverbot (Art.l4) Deutsche Übersetzung:

Artikel 14 Der Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten muß ohne Unterschied* des Geschlechts, der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischen oder sonstigen Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status gewährleistet werden. Maßgebliche Fassungen: Art i c 1 e 14 The enjoyment of the rights and freedoms set forth in this Convention shall be secured without discrimination on any ground such as sex, race, colour,

* Zur 7•

übersetzung s. u. S. 91 f.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

language, religion, political or other opinion, national or social origin, association with a national minority, property, birth or other status. Article 14 La jouissance des droits et libertes reconnus dans Ia presente Convention doit etre assuree, sans distinction aucune, fondee notamment sur le sexe, la race, la couleur, Ia Iangue, Ia religion, les opinions politiques ou toutes autres opinions, l'origine nationale ou sociale, l'appartenance a une minorite nationale, la fortune, Ia naissance ou toute autre situation. Die Konvention ~ennt ~ein allgemeines Gebot, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, sondern nur ein auf die in der Konvention gewährleisteten Rechte beschränktes Verbot von Diskriminie-:rungen unter bestimmten Gesichtspunkten, die durch eine Reihe von Beispielen verdeutlicht werden. Es läßt sich aus der Entstehungsgeschichte, die sonst nicht sehr ergiebig ist, jedenfalls entnehmen, daß sich die Schöpfer der Konvention klar darüber waren, daß dieses Diskriminierungsverbot etwas anderes ist als das allgemeine Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz; denn in mehreren Stadien der Ausarbeitung der Konvention tauchte der Gedanke auf, auch ein allgemeines Gleichheitsgebot aufzunehmen, was aber immer wieder verworfen wurde, da dieses mit der beschränkten Zielsetzung der Konvention, zunächst nur einzelne besonders wichtige Rechte und Freiheiten zu garantieren, un-. vereinbar wäre295• Aus einem Vergleich zwischen den Formulierungen des Diskriminierungsverbotes in Art. 2 Abs. 1 VN-Erklärung, dem Entwurf der Beram Der Entwurf der Europäischen Bewegung nannte in Art. 1 (i) die Gleichheit vor dem Gesetz, in Art. 1 (j) ein Diskriminierungsverbot. Der Rechtsausschuß der Beratenden Versammlung beschränkte sich aber auf ein Diskriminierungsverbot, das in enger Anlehnung an Art. 2 Abs. 1 der VN-Erklärung (die daneben auch in Art 7 die Gleichheit vor dem Gesetz postuliert) formuliert war, wobei aber auf dänischen Wunsch (Ziff. 11 des Teitgen-Berichtes und die Ausführungen der dänischen Abg. Kraft, 8. Sitzung vom 19. 8. 1949 CR (1) 420 und Lannung, 6. Sitzung vom 14. 8. 1950 CR (2) 336) in den Katalog der unzulässigen Unterscheidungsmerkmale auch die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit aufgenommen wurde. In den Beratungen des Sachverständigen-Ausschusses des Ministerkomitees tauchte der Gedanke wieder auf, die "Gleichheit vor dem Gesetz" aufzunehmen. Der auf dem Enumerationsprinzip beruhende Entwurf enthielt es in Art. 14, nicht aber der auf dem Definitionsprinzip beruhende Entwurf, den der Ausschuß der Regierungsvertreter zur Grundlage seiner Beratungen machte. Viele Jahre später wurde der Plan wieder aufgegriffen. Die Beratende Versammlung empfahl am 22. 1. 1960, den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz und des gleichen Rechtsschutzes - allerdings in zwei Alternativfassungen - in ein Zusatzprotokoll aufzunehmen: Rec. 234 (1960) und dazu Bericht des Rechtsausschusses vom 17. 11. 1959 AS (11) 1057, in dem der Vorsitzende H. Lannung die Problematik der beiden Alternativvorschläge und auch das Verhältnis des allge5X1einen Gleichheitsgebotes zu dem Diskriminierungsverbot erläutert hat (S. 12 f.). Das Ministerkomitee hat den Gleichheitssatz aus dem 4. Zusatzprotokoll vom 16. 9. 1963, Ann. VI, 15, gestrichen.

IV. Das Diskriminierungsverbot (Art. 14)

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tenden Versammlung (Art. 5) und den entsprechenden Formulierungen der Covenant-Entwürfe einerseits und dem endgültigen Text des Art. 14 anderseits ergibt sich auch, daß seine Verfasser großen Wert darauf legten, den Anwendungsbereich von Art. 14 klar abzugrenzen: Er enthält nur eine Anwendungsregel für die in die Konvention aufgenommenen Rechte. Diskriminierungen hinsichtlich anderer Rechte und Freiheiten stellen daher keinen Verstoß gegen die Konvention dar. Beschwerden dagegen haben im Konventionsrecht keine Grundlage und werden als offenbar unbegründet zurückgewiesen296 • Da die Rechte der Konvention grundsätzlich nur gegenüber den Vertragsstaaten garantiert sind (s. o. S. 63), kommt auch eine Anwendung von Art. 14 im Verhältnis zwischen Individuen nicht in Betracht297 • Aus ihm können auch nicht - wie aus dem allgemeinen Gleichheitsgebot - neue Rechte und Freiheiten hergeleitet werden298• Während also das Anwendungsgebiet von Art. 14 eng begrenzt ist, sind die unzulässigen Unterscheidungsmerkmale nicht abschließend aufgeführt299 , obwohl der Katalog außerordentlich reichhaltig ist. Vergleicht man ihn mit dem Katalog des Art. 3 Abs. 3 GG, so können die in Art. 14 genannten Kriterien von Hautfarbe, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit und Geburt unschwer auch in die im Grundgesetz genannten Kriterien eingeordnet werden. Hingegen ist das nicht der Fall beim "Vermögen" (property/fortune) und der "sonstigen Stellung" (other status/autre situation), die sich auch schon in der VN29' So E. v. 16. 12. 1955 über B. Nr. 95/55 (gegen Belgien), Ann. I, 251: hinsichtlich des Rechts auf Zugang zu öffentlichen Ämtern; E. v. 16. 12. 1955 über B. Nr. 86/55 (gegen BRD), Ann. I, 198 und E. v. 29. 9. 1956 über B. Nr. 165/56 (gegen BRD), Ann. I, 203: Recht zur Berufs- und Gewerbeausübung; E. v. 7. 3. 1957 über B. Nr. 238/56 (gegen Dänemark) Ann. I, 205: Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung; E. v. 7. 7. 1959 über B. Nr. 436/58 (gegen BRD), Ann. III, 386: Recht auf bezahlten Urlaub; E. v. 8. 1. 1960 über B. Nr. 472/59 (gegen BRD), Ann. III, 206 und E. v. 31. 5. 1960 über B. Nr. 551/59 (gegen BRD), Ann. III, 252: Recht auf Lastenausgleichsentschädigung. Aus der Rechtsprechung nationaler Gerichte: E. der belg. Cour de Cassation vom 21. 9. 1959, Journal des Tribunaux 1960, 573 f. hinsichtlich der Freizügigkeit über die Landesgrenzen sowie das Erkenntnis des österr. VerfGH v. 12. 6. 1964 ÖJZ 1965, 247 hinsichtlich des Rechts auf Entschädigung für Entmilitarisierungsschäden. Das Gericht lehnte eine Anwendung von Art. 14 allerdings ab, da die Gleichheit vor dem Gesetz in der Konvention nicht gewährleistet sei. 297 A. A. H. Lannung in dem in der vorletzten Anmerkung zitierten BerichtS. 13. 298 A. A. H. Maier, Haftung der Bundesrepublik für Eingriffe fremder Mächte in Privateigentum? JZ 1954, 407, die annimmt, eine internationale Gewährleistung des Eigentumsschutzes sei durch die MRK auch schon vor Inkrafttreten des Zusatzprotokolls aufgrund des Gleichheitssatzes eingetreten. 291 Der deutsche Text läßt das nicht erkennen. Die Worte "on any ground such as I sans distriction aucune, fondee notamment" sind in ihm nicht zum Ausdruck gekommen. Darauf ist die Auffassung von H. Schorn, S. 282 zurückzuführen, die Aufzählung sei abschließend, "in der Wortfassung" - gemeint ist die deutsche übersetzung - komme das Gegenteil nicht zum Ausdruck.

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtliche Fragen

Erklärung finden. Die Beifügung dieser Kriterien, die offensichtlich auf Kodifikationsperfektionismus zurückzuführen ist, macht den ganzen Katalog problematisch. Das "Vermögen" ist wahrscheinlich in den Katalog aufgenommen worden, um die unbemittelte Bevölkerung zu schützen300• Ein Mittelloser darf nicht daran gehindert werden, sein Recht auf eine wirksame Beschwerde zu verwirklichen, da er einen Kostenvorschuß nicht aufbringen kann301 • Insoweit hat die Aufnahme dieses Kriteriums einen Sinn. Nach Art. 1 des Zusatzprotokolls ist aber auch die Erhebung von Steuern eine -allerdings zulässige - Eigentumsbeeinträchtigung. Es kann kaum angenommen werden, daß es als unzulässige Unterscheidung nach dem Vermögen zu gelten hat, wenn die staatliche Steuergesetzgebung aus sozialen Gründen progressive Steuersätze vorsieht. Am problematischsten ist aber die Aufnahme der "anderen Stellung" in den Katalog der unzulässigen Kriterien. Denn die Konvention selbst gestattet mehrfach Eingrüfe in die von ihr geschützten Rechte und Freiheiten mit Rücksicht auf eine "andere Stellung" 302• Dieser scheinbare Widerspruch ist nicht dadurch auszuräumen, daß Art. 14 nur als generelle Regelung angesehen wird, die vorbehaltlich abweichender Einzelregelungen gilt. Denn in dem einzigen Falle, in dem sich die Schöpfer der Konvention einer derartigen Abweichung von dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung bewußt waren - Art. 16 - ist Art. 14 ausdrücklich erwähnt, während das in den anderen Fällen unterblieben ist. Eine Lösung des scheinbaren Widerspruchs zwischen dem Wortlaut des Art. 14, der jede Unterscheidung ("discrimination on any ground/ sans distinction aucune") nach den genannten Kriterien zu untersagen scheint, und den scheinbaren Durchbrechungen dieses Verbots in der Konvention selbst ist vielmehr nur durch eine Auslegung dessen zu finden, was hier untersagt sein soll. Die französische Fassung spricht im Anschluß an die Formulierungen der VN-Erklärung und der CovenantEntwürfe von "distinctions". Im Entwurf der Beratenden Versammlung hieß es auch im englischen Text von Art. 5 noch "without any distinction". Im Verlauf der Arbeiten in den Gremien des Ministerkomitees ist dann aber an die Stelle davon der Ausdruck "discrimina300 H. Lauterpacht, S. 308 Anm. 29 formulierte dieses Kriterium sehr viel sachgerechter: "Discrimination on account of membership of a social class or

status associated with property".

301 Demselben Gedanken dient die Gewährung des Armenrechts bei Beschwerden an die Menschenrechtskommission gern. Entscheidung des Ministerkomitees Nr. 18 (63) vom 25. 10. 1963, Ann. VI, 23 = NJW 1964, 893 f. 302 z. B. Art. 51it. (e): Irrsinn, Trunksucht und Giftsucht; Art. 5 Abs. 1lit. (d): Minderjährigkeit; Art. 4 Abs. 3 lit. (a): Strafgefangenschaft; Art. 4 Abs. 3 lit. ('b) und Art. 11 Abs. 2 Satz 2: Wehr- oder Ersatzdienstverhältnis; Art. 12: Heiratsalter.

IV. Das Diskriminierungsverbot (Art. 14)

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tion" getreten und damit deutlich auf den aus dem amerikanischen Recht in das Völkerrecht eingegangenen Begriff der "Diskriminierung" hingewiesen worden303. Diskriminierung im Rechtssinn ist aber nicht jede beliebige Unterscheidung, sondern nur eine willkürliche Behandlung nach sachfremden Unterscheidungsmerkmalen3°4 • Nur in diesem Sinn kann das Verbot des Art. 14 verstanden werden. Die angeführten Unterscheidungsmerkmale bezeichnen typische Fälle willkürlicher Behandlung. Wenn eine unterschiedliche Behandlung nach Rasse, Sprache, Religion usw. stattfindet, besteht mindestens der Verdacht, daß Willkür im Spiele sei. Das schließt aber nicht aus, daß im Einzelfall eine Unterscheidung nach diesen typischen Kriterien doch von der Sache her gerechtfertigt ist, ohne daß darin eine Diskriminierung läge. Ein Musterbeispiel in der Konvention selbst ist die Regelung des Art. 16. Auf die Staatsangehörigkeit - auch einen sonstigen Status - darf bei Ausländern Rücksicht genommen werden, soweit es sich um die Betätigung der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit auf politischem Gebiet handelt. Denn da ist die Staatsangehörigkeit ein legitimes Unterscheidungskriterium, nicht aber bei der allgemeinen geistigen Betätigung von Ausländern. Ähnlich ist der besondere Status des Soldaten in der Konvention geregelt: nur sein Vereins- und Versammlungsrecht darf wegen dieses Sonderstatus beschränkt werden, die anderen Rechte nur, soweit die auch für andere Bürger gültigen Motive (nationale Sicherheit, Integrität oder Nachrichtenschutz) dies gebieten. Eine Einschränkung des Briefgeheimnisses, der Gedanken-, Religions- und Meinungsfreiheit rein aus Gründen der militärischen Disziplin ist unzulässig, da sachfremd. Die Straßburger Spruchpraxis schien sich bei der Auslegung von Art. 14 zwar zunächst in der Richtung der hier entwickelten Gedanken zu bewegen, indem sie zwischen Diskriminierung und Differenzierung unterschied305. Sie hat dann aber in mehreren Entscheidungen vom 303 Daß die franz. Fassung nicht angeglichen wurde, ist deswegen unerheblich, weil die franz. Fassung weitergeht als die englische, die deshalb als maßgeblich anzusehen wäre. Vor allem aber findet sich auch der Ausdruck "distinction" in völkerrechtlichen Diskriminierungsverboten. 304 G. Jänicke, Stichwort "Diskriminierung" in: Strupp- Schlochauer, Wörterbuch, Bd. I, S. 387 (mit Nachweisen). 305 Bei der Prüfung, ob es zulässig sei, nur die gleichgeschlechtliche Betätigung von Männern, nicht aber auch die von Frauen, unter Strafe zu stellen, führte sie in der E. v. 17. 12. 1955 über B. Nr. 104/55 (gegen BRD), Ann. I, 229 aus: Die Tatsache, daß Art. 14 es untersagt, unter dem Gesichtspunkt des Geschlechts zu diskriminieren, verschließe einem Vertragsstaat nicht die Möglichkeit, eine Differenzierung zwischen den Geschlechtern bei den Maßnahmen vorzunehmen, welche er hinsichtlich der Homosexualität zum Schutze der Gesundheit oder der Moral in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 2 der Konvention treffe. Dieselbe Formel kehrt wieder in E. v. 28. 9. 1956 über B. Nr. 167/56, Ann. I, 236 und E. v. 16. 12. 1957 über B. Nr. 261/57, Ann. I, 257 (beide gegen BRD); gern. Fußnote 1 in Ann. I, 286 sei auch im selben Sinne in der E. über B. Nr. 54/55 entschieden worden, § 181 Abs. 1 Ziff. 2 des deut-

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3. Abschnitt: Allgemeine materiellrechtLiche Fragen

Jahre 1960 an gezeigt, daß es ihr nicht auf diesen Unterschied zwischen Diskriminierung und Differenzierung ankam und daß sie nicht bereit war, daraus rechtliche Folgerungen zu ziehen, sondern daß sie vielmehr der Auffassung ist, eine Unterscheidung sei nach Art. 14 nur dann unzulässig, wenn die zu prüfenden Maßnahmen ohnehin einen Verstoß gegen eine materielle Garantie der Konvention darstelle, also von den Einschränkungsklauseln der Garantie nicht gedeckt sei. Innerhalb der Grenzen der Einschränkungsklauseln dürfe differenziert werden306• Erst in jüngster Zeit scheint sich eine Wandlung anzubahnen. Die Kommission hat eine auf Art. 14 gestützte Beschwerde für zulässig erklärt, obwohl der Beschwerdeführer nur geltend machen konnte, ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot sei im Rahmen der an sich nach der Konvention zulässigen Einschränkungen unterlaufen, was sie bis dahin immer für unbedenklich erklärte307• Damit würde die Kommission dem sehen StGB (Bestrafung der Ehegattenkuppelei nur bei Verkuppelung der Ehefrau, nicht aber des Ehemannes als schwere Kuppelei) sei mit Art. 14 vereinbar. Die Formel kann so ausgelegt werden, als komme es der Kommission in erster Linie auf die Unterscheidung zwischen Diskriminierung (discrimination) und Differenzierung (difterenciation) an. So H. Lannung, Bericht zum 2. (schließlich 4.) Zusatzprotokoll AS (11) 1057 vom 17. 11. 1959 S. 13: "that the Commission on Human Rights has already taken the view, in its decisions, that not all differentiation is discrimination". 808 Zuerst in E. v. 20. 12. 1960 über B. Nr. 511/59 (Gudmundsson gegen Island), Ann. III, 394 (424): Das wegen seines konfiskatorischen Charakters angegriffene isländische Gesetz zur Vermögensabschöpfung unterschied zwischen Personalgesellschaften und Kapitalgesellschaften. Diesen Unterschied hielt die Kommission für unerheblich, da Art. 14 ausdrücklich eine Diskriminierung nur hinsichtlich des Genusses der in Konvention und Protokoll gewährten Rechte und Freiheiten untersage; das von dem Beschwerdeführer in Anspruch genommene Recht (nämlich der Schutz gegen entschädigungslose Einziehung) sei aber von der Konvention nicht garantiert; deswegen komme eine Anwendung von Art. 14 nicht in Betracht. Ähnlich E. v. 28. 7. 1961 über B. Nr. 673/59 (gegen BRD), Ann. IV, 286 hinsichtlich der Vereinbarkeit der Hypothekengewinnabgabe mit Art. 14 i. V. mit Art. 1 ZusatzprotokolL Noch deutlicher tritt diese Auffassung in der Südtirol-Entscheidung v. 11. 1. 1961 über B. Nr. 788/60 (Österreich gegen Italien), Ann. IV, 116 (179) hervor. Die österr. Regierung hatte geltend gemacht, Italien habe Art. 5 und 6 wegen der Zugehörigkeit der jungen Leute aus Pfunders zu einer nationalen Minderheit verletzt. Die Kommission prüfte die gerügten Verstöße und schnitt dann eine Prüfung von Art. 14 mit der Bemerkung ab, dieser Gesichtspunkt stehe in so enger Verbindung mit den schon geprüften (d. h. mit den gerügten, aber nicht bejahten Verstößen gegen Art. 5 und 6), daß sich eine gesonderte Entscheidung erübrige. Ähnlich die E. v. 10. 4. 1961 über B. Nr. 911/60 (gegen Schweden), Ann. IV, 198 (223): Verletzung von Art. 14 i. V. m. den Art. 6, 8, 9 und 10. 807 E. v. 23. 4. 1965 über B. Nr. 2299/64 (A. Grandrath gegen BRD), Rec. 16, 14: Es handelt sich um ein Mitglied der Sekte Zeugen Jehovas, das zwar als Wehrdienstverweigerer anerkannt war, aber für sich in Anspruch nahm, es könne auch den zivilen Ersatzdienst verweigern, da es die Funktionen eines Geistlichen dieser Sekte i. S. von § 11 Abs. 1 Ziff. 3 des Wehrpflichtgesetzes von 1956 i. d. F. 25. 5. 1962 (BGBI. I, S. 349) ausübe, diese Definition verletze aber Art. 14. Die Antragsgegnerin hatte sich auf die Straßburger Spruchpraxis berufen und geltend gemacht, es sei kein von der Konvention ~teschütztes Recht verletzt, da Art. 4 Abs. 3 lit. (b) den zivilen Ersatzdienst für zulässig

IV. Das Diskriminierungsverbot (Art.14)

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Diskriminierungsverbot einen selbständigen Charakter zuerkennen, was sie bisher nicht getan hat, indem sie bei der Definition der Schranken eines garantierten Rechtes unterlaufene Unterscheidungen nach den für unanwendbar erklärten Kriterien für rechtlich unerheblich erklärte308• Sollte die Kommission diesen Schritt vollziehen, hätte sie im Einzelfall zu entscheiden, ob nach den für unzulässig erklärten Kriterien vorgenommene Differenzierungen - im Sinne der im Völkerrecht schon lange anerkannten Lehre von der Diskriminierung - als "Diskriminierungen" anzusehen sind. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich dazu bereit findet, dies zu tun. In den von ihr bisher entschiedenen Fällen hätte jedenfalls keine Schwierigkeit bestanden, zu einem vertretbaren Ergebnis zu kommen, wenn die völkerrechtliche Lehre von der Diskriminierung angewendet worden wäre.

erkläre und dieser auch im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 zulässig sei. Dennoch erklärte die Kommission, die Frage der Auslegung von Art. 14 i. V. m. den Art. 4 und 9 sei so komplex, daß eine Prüfung in der Sache erforderlich sei. Das steht entschieden in Widerspruch zu der bis dahin geübten Spruchpraxis und läßt immerhin die Vermutung zu, die Kommission wolle ihre Auffassung revidieren. 308 Dagegen W. Wengler, a .a.O. (Anm. 11), S. 8: Art. 14 gebiete, "daß bei den zulässigen gesetzlichen Einschränkungen der Menschenrechte keine Differenzierungen auf Grund dieser Kriterien gemacht werden dürfen".

Vierter Abschnitt

Die einzelnen Rechte und Freiheiten I. Die Hauptkonvention 1. Allgemeines (Art. 1)

Deutsche Übersetzung:

Artikel 1 Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden* Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte-und Freiheiten zu. Maßgeblicher Wortlaut: Article 1 The High Contracting Parties shall secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in Section I of this Convention. Article 1 Les Hautes Parties Contractantes recoiUllaissent a toute personne relevant de leur juridiction les droits et libertes definis au Titre I de la presente Convention.

Art. 1 spricht aus, daß die Konvention nicht nur Grundsätze und Richtlinien enthält, sondern positive Rechtsnormen von aktueller Bedeutung, die nicht nur die Vertragsstaaten binden, sondern Individuen unmittelbar berechtigen und geeignet sind, von innerstaatlichen Rechtsanwendungsorganen angewandt zu werden (s. o. S. 32 ff.). Er bestimmt den räumlichen Geltungsbereich des Konventionsrechtes (s. o. S. 56 ff.) und auch den Kreis der aus der Konvention Berechtigten (s. o. S. 60 ff.) und Verpflichteten sowie die Rechtsverhältnisse, auf welche die Konvention anzuwenden ist (s. o. S. 63 ff.). Außerdem enthält er den Grundsatz der Beschränkung auf bewußt ausgewählte einzelne Rechte und Freiheiten (s. o. S. 68). Die Deutung dieser durch Art. 1 aufgeworfenen Fragen steht in so engem Zusammenhang mit dem Standort der Konvention in der Rechts• Zur Übersetzung s. o. S. 61 Anm. 194.

I. Die Hauptkonvention (Art. 1)

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ordnung und ihren allgemeinen materiellrechtlichen Bestimmungen, daß sie nicht isoliert werden kann. Auf die vorangegangenen Abschnitte wird verwiesen. Hier mögen einige Bemerkungen über die Auswahl der garantierten Rechte und Freiheiten in dem Katalog von Konvention und Protokoll genügen. Der Katalog der Rechte und Freiheiten ist weit davon entfernt, vollständig zu sein und entzieht sich auch einer eindeutigen Charakteristik. Zwar gehören die meisten von ihnen zu den klassischen Freiheitsrechten des liberalen Zeitalters. Doch befinden sich unter ihnen auch einige, die in den letzten Entwürfen des UN-Covenant zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten gerechnet werden, wie das Recht zur Gewerkschaftsbildung des Artikel 11 Absatz 1 und das Elternrecht des Artikel2 des Zusatzprotokolls309 • Während das Definitionssystem, die Einzelabgrenzung und die Form des Rechtsschutzes im Laufe der Arbeiten an der Konvention mancherlei Wandlungen unterworfen waren, ist die Auswahl der Rechte von der ersten Liste der europäischen Bewegung an verhältnismäßig konstant geblieben. Zwar sind in der Konvention einige Rechte verselbständigt, die in der Brüsseler Liste in einer Sammelgarantie erscheinen, es ist aber keines ganz fortgelassen oder neu hinzugefügt worden, obwohl es an Anregungen dazu nicht gefehlt hat310• Diese Konstanz erklärt sich daraus, daß die Abgrenzung des Kreises der einzubeziehenden Rechte nicht unter einem theoretischen Gesichtspunkt getroffen wurde, sondern unter einem praktisch-politischen. Es sind die für die demokratische Grundordnung wesentlichen und gleichzeitig die justiziablen Rechte, die als gemeinsamer Besitz von allen am Europarat beteiligten Staaten in ihren Verfassungen geschützt werden. Es sind die Rechte, hinsichtlich deren die beteiligten Staaten bereit sind, eine Intervention der anderen Mitgliedstaaten hinzunehmen311 • Vgl. UN-Covenant 1952 annexe 1 A ArtikelS und Artikel14 Absatz 3. Vgl. vor allem den Antrag Rolin, Lord Layton und andere vom 7. 9. 1949 AS (1) 95. 311 Vgl. Teitgen-Bericht Ziffer 4; in der Beratenden Versammlung ist häufig versucht worden, die Abgrenzung eindeutig zu definieren. Die hier gegebene Umschreibung folgt den Ausführungen von Teitgen 9. Sitzung v. 16. 8. 1950 CR (2) 503; Foster 18. Sitzung v. 8. 9. 1949 CR (1) 1226 a .a.O., S. 644; Andre Philip 18. Sitzung v. 8. 9. 1949 CR (1) 1319 ("le petit nombre de droits, sur lesquels peut se faire entre nous et entre nos opinions publiques, un accord absolument unanime") und Lord Layton 6. Sitzung v. 14. 8. 1950 CR (2) 350 ("matters on which we couZd accept one anothers intervention if in any country there was a breach of those rights"). Die Darstellung von C. Weiss S. 11-17 ist unscharf. Auch J. Mühlenhöver, a.a.O. (Anm. 126), S. 59 stellt es ·SO dar, als sei das grundsätzliche Problem der Wahl zwischen klassischen und sozialen Grundrechten im Europarat ausgetragen worden. Die in diesem Zusammenhang zitierten Ausführungen des Verfassers in Recht und Freiheit 1951, S. 82 beziehen sich auf die Auseinandersetzungen in den Organen der Vereinigten Nationen. Dazu vgl. auch meinen Aufsatz "Internationale Grundrechte der Arbeit" im Recht der Arbeit 1951, S. 362 ff. 309

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4. Abschnitt: Die einzelnen Rechte und Freiheiten

Der rechtstechnische Gesichtspunkt bei der Auswahl der garantierten Rechte liegt in der Erkenntnis, daß nur eine gewisse Art von Rechten durch ein judizielles System geschützt werden kann, während dieses für eine andere ·Gruppe - nämlich vorwiegend die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte - ungeeignet erscheint312• Die Schöpfer der Konvention haben erkannt, daß die Sicherung dieser Rechte, die sie aus der Konvention fortließen, nicht durch die Gewährung einer Rechtsgarantie, sondern nur durch eine schrittweise Koordination der wirtschaftlichen und sozialen Ordnungen der verschiedenen Länder im Wege des Abschlusses von Einzelkonventionen erfolgen kann313• Wenn auch immer wieder betont wurde, daß die Auswahl keine Ausscheidung bedeutet, daß dadurch die aufgenommenen Rechte nicht als wichtiger hingestellt werden sollen als die ausgelassenen, sondern daß nur ein erster Schritt getan werde, dem weitere folgen sollen314, so liegt in dieser Auswahl doch eine Wertung. Diese ist allerdings nicht im Sinne eines ideologisch bedingten Manifestes des politischen Liberalismus zu verstehen. Die aufgenommenen Garantien sind nicht der einzige gemeinsame Nenner der Mitgliedstaaten des Europarates, der juristische Ausdruck ihrer Zivilisationsform315• Durch die Auswahl werden nicht etwa alle Regime, die auf der Priorität der sozialen Werte aufbauen, in das Reich der Finsternis verbannt. Dagegen hat sich Maurice Schumann3 16 zutreffend in einer der ersten Erörterungen dieses Planes gewehrt; Europa dürfe nicht von einem Clan europäischer Demokraten in Opposition zu einem anderen derartigen Clan aufgebaut werden. Der politische Gesichtspunkt bei der Auswahl dieser Rechte entstammt viel mehr der bitteren Erfahrung der letzten Jahrzehnte als einer ideologisch bestimmten Entscheidung: daß nämlich die moderne Diktatur vorzugsweise als Sozialstaat auftritt, daß die spezifische Gefahr des zivilisierten Menschen darin liegt, daß sich sein Freiheitsstreben durch soziale Leistungen und Versprechungen ersticken läßt, welche die Diktatur häufig leichter zu geben und einzusu Edberg 18. Sitzung v. 8. 9. 1949 CR (1) 204; G. Heraud, Les Droits garantis par la Convention, Colloque Strasbourg, S. 107 ff. 313 Vgl. Teitgen-Bericht Ziff. 5 und ganz grundsätzlich E. Turlington, The Human Rights Commission at the crossroads AJ 45 (1951), S. 534 ff. Die Kritik von H. U. Scupin, Die Menschenrechte im Völkerrecht, Laun-Festschrift (1953), S. 187 an der Beschränkung auf die "alten liberalen Freiheitsrechte", die einen Rückschritt gegenüber der VN-Erklärung von 1948 bedeute, verkennt sowohl den Unterschied zwischen einer lediglich programmatischen Erklärung und einer rechtlich bindenden Konvention, die in dieser Weise unvergleichbar sind, wie auch die rechtstechnischen Möglichkeiten einer Verbürgung sozialer Grundrechtsansprüche gegen den Staat. 314 Jacquet 8. Sitzung v. 19. 8. 1949 CR (1) 459, Foster 18. Sitzung v. 8. 9. 1949, Bidault 18. Sitzung v. 8. 9. 1949 a.a.O., S. 1323. 315 So Merle S. 709 ff. 318 18. Sitzung v. 8. 9. 1949 CR (1) 1315.

I. Die Hauptkonvention (Art. 2)

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lösen in der Lage ist als eine Demokratie, in der die Verfügung über die Überschüsse des Sozialprodukts nicht in das Befinden weniger Einzelner gestellt ist317•

2. Das Recht auf das Leben (Art. 2) Deutsche Übersetzung:

Artikel 2 (1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung* wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken. Maßgebliche Fassungen: Article 2 (1) Everyone's right to life shall be protected by law. No one shall be deprived of his life intentionally save in the execution of a sentence of a court following his conviction of a crime for which this penalty is provided by law. (2) Deprivation of life shall not be regarded as inflicted in contravention of this Article when it results from the use of force which is no more than absolutely necessary: (a) in defence of any person from unlawful violence; (b) in order to effect a lawfui arrest or to prevent the escape of a person lawfully detained; (c) in action lawfully taken for the purpose of quelling a riot or insurrection. 31 7 H . Bülck, Die Zwangsarbeit im Friedensvölkerrecht (1953), S. 178 Anm. 3 spricht von einer "Reaktionswirkung gegen den alten und neuen Arbeitszwang", die sich bei der Abfassung der Konvention wie auch im deutschen Verfassungsrecht der Nachkriegszeit ausgewirkt habe. • Zur Übersetzungs. u . S. 103.

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4. Abschnitt: Die einzelnen Rechte und Freiheiten Article 2

1. Le droit de taute personne a la vie est protege par la loi. La mort ne peut etre infligee a quiconque intentionellement, sauf en execution d'une sentence capitale pronQncee par un tribunal au cas ou le delit est puni de cette peine par la loi. 2. La mort n'est pas consideree comme infligee en violation de cet article dans les cas ou elle resulterait d'un recours a la force rendu absolument necessaire: a) pour assurer la defense de taute personne contre la violence illegale; b) pour effectuer une arrestation reguliere ou pour empecher l'evasion d'une personne regulit';!rement detenue; c) pour reprimer, conformement a la loi, uneerneute ou une insurrection.

(a) Der Katalog beginnt mit einer Garantie für das Recht auf das Leben. Dieses Recht ist durch die Rechtsordnung zu schützen (Art. 1 Satz 1). Das wird aber nicht näher ausgeführt. Auf den sehr allgemeinen Grundsatz folgt gleich die nüchterne Regel, niemand dürfe absichtlich des Lebens beraubt werden ("No one shall be deprived of his life", I "La mort ne peut etre infligee"), außer durch die Vollstreckung eines von einem Gericht ausgesprochenen Todesurteils wegen eines vom Gesetz mit dieser Strafe bedrohten Verbrechens (Abs. 1 Satz 2). Im Absatz 2 wird der Vorbehalt für die Todesstrafe näher erläutert, indem unter Aufnahme von Wendungen aus Abs. 1 Satz 2 ("deprived"- "deprivation", "inflige" - "infligee") drei Fälle bezeichnet werden, in denen der Tod verhängt, das Leben geraubt werden darf, falls eine Gewaltanwendung ("use of force" / "recours d la force") absolut notwendig ist: Notwehr (a), Vollzug einer Verhaftung oder Verhinderung einer Flucht (b), Unterdrückung von Aufruhr und Aufstand (c). (b) Es fällt auf, daß der Anfangssatz (Abs. 1 Satz 1) sich im Stil und in der Formulierung von den dann folgenden sehr präzise und detailliert gefaßten Regelungen des Abs. 1 Satz 2 und des Abs. 2 deutlich unterscheidet und daß diese beiden letzten Regelungen auch untereinander eng aufeinander abgestimmt sind, wie die schon erwähnte Aufnahme von Wendungen zeigt. Der Anfangssatz enthält einen allgemeinen Grundsatz und gebietet das Recht auf das Leben gesetzlich zu schützen, ohne schon selbst im einzelnen anzugeben, wie dies zu geschehen hat, während anschließend eine ins einzelne gehende Regelung für ein Teilgebiet folgt. Der ganze Artikel wirkt nicht wie aus einem Guß.

Dieser Eindruck wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Die Formulierung der einzelnen Teile des Art. 2 stammt aus verschiedenen Stadien der Arbeiten in der Menschenrechtskommission der Vereinigten Nationen an dem UN-Covenant. Dort war ursprünglich beabsichtigt, das Recht auf das Leben nicht nur gegen Eingriffe zu schützen, die von der öffentlichen

I. Die Hauptkonventi