Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428516261, 9783428116263

Seit dem berühmten "Holzmüller"-Urteil des BGH ist heftig umstritten, ob es "ungeschriebene Hauptversamml

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German Pages 241 Year 2005

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Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428516261, 9783428116263

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 184

Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft Von Markus Brauer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS BRAUER

Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 184

Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft

Von Markus Brauer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Wintersemester 2003 / 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 739 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-11626-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit hat im Wintersemester 2003/2004 der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation vorgelegen. Für die Veröffentlichung sind Rechtsprechung und Literatur bis Ende Mai 2004 berücksichtigt. Die GelatineEntscheidung des BGH (NJW 2004, 1860) konnte nur noch im Fußnotenbereich einbezogen werden. Mein Dank geht zuerst an meinen Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jan Wilhelm, der mich zur Aufnahme der Arbeit motiviert und ihre Entstehung engagiert gefördert hat. Sein fachlicher Rat und seine persönliche Unterstützung sind mir eine unverzichtbare Hilfe gewesen. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Professor Dr. Holger Altmeppen für die zügige und engagierte Zweitkorrektur. Besonderen Dank schulde ich weiter meinen Eltern, die mir in meiner gesamten Ausbildungszeit in vielfältiger Weise zur Seite gestanden haben und somit ebenfalls wesentlichen Anteil am Entstehen dieser Arbeit haben. Die VG Wort hat die Publikation der Arbeit mit einem sehr großzügigen Druckkostenzuschuss gefördert. Passau, im Juni 2004

Markus Brauer

Inhaltsverzeichnis A. Der Börsengang und der Börsenrückzug als wirtschaftlich, kapitalmarktrechtlich und gesellschaftsrechtlich bedeutsame Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . B. Börsengang und Börsenrückzug – Klärung der Begriffe, der tatsächlichen und der rechtlichen Aspekte der Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Begriff, Ablauf und zu den Rechtsfolgen des Börsengangs in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftlicher Hintergrund und Ablauf des Börsengangs in der Praxis a) Wirtschaftlicher Hintergrund des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschiedene Phasen des Börsengangs in der Praxis . . . . . . . . . . . . . 3. Die rechtliche Seite des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Erfüllung der börsenrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen durch den Emittenten, die Erteilung der Zulassung und die Börseneinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Weg der im Rahmen des Börsengangs emittierten Aktien zum neuen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verkauf von „Altanteilen“ und Kapitalerhöhung; Emission von Stamm- oder Vorzugsaktien; Namensaktien als bevorzugte Aktienart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übernahme der Anteile durch die Emissionsbanken . . . . . . . . . 4. Die wesentlichen an den Börsengang geknüpften Rechtsfolgen . . . . . . a) Anwendbarkeit des Kapitalmarktrechts als wesentliche Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vorbörslichen Veröffentlichungspflichten und die daran anknüpfende Haftung, §§ 44 ff. BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufnahme neuer Anteilseigner; Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . d) Publizität der Rechnungslegung; Zwischenberichte . . . . . . . . . . . . . . e) Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verbot von Insidergeschäften, §§ 12 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Weitere Zulassungsfolgepflichten bzw. Rechtsfolgen des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Steuerliche Folgen des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Begriff, Ablauf und zu den Rechtsfolgen des Börsenrückzugs . . . . . 1. Begriff des Börsenrückzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftlicher Hintergrund und Ablauf des Börsenrückzugs; die an den Börsenrückzug geknüpften Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

C. Die innergesellschaftlichen Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die „einstufige“ Entscheidung beim Delisting im Gegensatz zum „mehrstufigen“ Prozess Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die unzutreffende Gleichsetzung der Entscheidungen über eine Kapitalerhöhung bzw. über den Verkauf von Aktien durch Altaktionäre mit der Entscheidung über den Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die unzutreffende Gleichsetzung der Entscheidung über den Abschluss des „Übernahmevertrags“ mit der Entscheidung über den Börsengang . . . IV. Gleichsetzung der Entscheidungen über die Beantragung der Börsenzulassung und der Grundsatzentscheidung über den Börsengang . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die den I. II.

Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen über Börsengang und über den Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die grundsätzliche Zuständigkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fehlen einer exklusiven Kompetenz des Aufsichtsrates; mögliche Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Ausschluss der Zuständigkeit der Hauptversammlung mit Blick auf den „Normzweck des AktG“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Fehlen einer originären, geschriebenen Kompetenz der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine faktische Satzungsänderung durch den Börsengang oder das Delisting; Unzulässigkeit eines „Börsenverbots“ oder eines „Delistingverbots“ in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzulässigkeit sonstiger satzungsmäßiger Gestaltungen in Bezug auf den Börsengang und den Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Kompetenz der Hauptversammlung aus § 121 I Var. 3 AktG; keine originäre Zuständigkeit aus sonstigen aktiengesetzlichen Kompetenznormen in direkter Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Kompetenz der Hauptversammlung aus Art. 14 I GG . . . . . . . . . a) Die Macrotron-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Fehlen von Erörterungen zur kapitalmarktrechtlichen Regelung des Börsenrückzugs in § 38 IV BörsG . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Zweifelhaftigkeit des dogmatischen Ansatzes . . . . . . . . . . . (3) Die Zweifelhaftigkeit der verfassungsrechtlichen Argumentation in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vorlage der Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug an die Hauptversammlung nach § 119 II AktG . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 119 II AktG und die Auslegung der Vorschrift in der richtungweisenden Holzmüller-Entscheidung des BGH (BGHZ 83, 122) . . . . . . . . 2. Klärung von Aussagegehalt und Reichweite der Holzmüller-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Zusammenfassung des Sachverhalts; Klageziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Urteilsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung zur Betriebsübertragung aufgrund aktienrechtlicher Kompetenznormen zugunsten der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dogmatischer Ausgangspunkt und Kriterien des BGH für die Beteiligungsrechte der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die erforderliche Mehrheit bei der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . (4) Die Wirksamkeit der Ausgliederung des Betriebes, unabhängig von der Erteilung der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Präzisierung des Aussagegehaltes: Reichweite der Entscheidung über den konkreten Fall hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ablehnung ausdrücklich normierter Beteiligungsrechte der Hauptversammlung durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zweifelhaftigkeit des dogmatischen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Zweifelhaftigkeit der materiellen Kriterien für die Zustimmungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufnahme und Weiterführung der Holzmüller-Grundsätze durch die Literatur zum Börsengang und zum Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . a) b) c) d)

Die Ansicht Grupps zum Börsengang und Börsenrückzug . . . . . . . . Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ansicht von de Vries zum Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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122 123 e) Die Ansicht von Schanz zum Börsengang; Stellungnahme . . . . . . . . 124 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 VI. Der (Analogie-)Schluss von den gesetzlich geregelten „Grundlagenkompetenzen“ der Hauptversammlung auf die Zustimmungsbedürftigkeit der Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug . . . . . 125 1. Die Erforderlichkeit einer Analogie zur Begründung einer etwaigen Hauptversammlungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Keine Kompetenz der Hauptversammlung beim Delisting analog §§ 68 II, 180 II AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Die Klassifizierung der Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug als „Strukturentscheidungen“ in Anlehnung an die gesetzlichen Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung 129 a) Die Entstehung der Lehre von den „Strukturentscheidungen“ oder „Strukturmaßnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Unvollständigkeit des Nachweises einer Gesetzeslücke durch die Literatur zu den „Strukturmaßnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Das Fehlen überzeugender Kriterien für die Einordnung einer Maßnahme als „Strukturmaßnahme“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

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Inhaltsverzeichnis d) Keine überzeugenden Kriterien für die Einordnung des Börsengangs bzw. des Börsenrückzugs als insbesondere der Umwandlung einer GmbH in eine AG bzw. der Umwandlung einer AG in eine GmbH vergleichbare „Strukturmaßnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Ansicht von Lutter und Drygala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der „einverständliche“ Börsengang als irrelevante Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Irrelevanz der Differenzierung zwischen Börsengängen mit und solchen ohne Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Strukturbegriff als untauglicher Maßstab für eine Hauptversammlungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Irrelevanz der Lockerung der „Treuebindungen“ . . . . . . . . . (e) Die fehlende Vergleichbarkeit des Börsengangs mit der Umwandlung einer GmbH in eine AG bzw. des Börsenrückzugs mit der Umwandlung einer AG in eine GmbH . . (f) Die Zweifelhaftigkeit des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Keine weitergehenden Argumente zur Zustimmungspflichtigkeit des Börsengangs und des Börsenrückzugs als „Strukturmaßnahmen“ aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Ansicht von Vollmer/Grupp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die eigene Klassifikation der gesetzlichen Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmung der maßgeblichen Kompetenznormen sowie der historischen Grundlagen dieser Normen für die Ermittlung eines einheitlichen Regelungsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur planwidrigen Gesetzeslücke bezüglich der Entscheidungen über den Börsengang sowie über den Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . (1) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die abschließende Regelung des Börsenrückzugs in § 38 IV BörsG und das Fehlen einer abschließenden börsenrechtlichen Regelung des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine abschließende Regelung der Hauptversammlungskompetenzen in § 119 I AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Keine abschließende Regelung in § 111 IV AktG . . . . . . . . . . . . (5) Kein Verstoß gegen Grundsätze des Rechts der Arbeitnehmermitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Keine abschließende Regelung der Hauptversammlungszuständigkeiten in den Grundlagenkompetenzen selbst . . . . . . . . . . . . . (a) Die Regelungsabsicht des Gesetzes: Vertragsänderungen als ein Grund für die Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Insbesondere: Satzungsänderungen, § 179 AktG . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (c) Insbesondere: Kapitalerhöhung und -herabsetzung, §§ 182 ff., 222 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Insbesondere: Auflösung kraft Hauptversammlungsbeschlusses (§ 262 I Nr. 2 AktG) und Fortsetzungsbeschluss (§ 274 I, II AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Insbesondere: Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens, § 179a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Insbesondere: Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten, § 221 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Insbesondere: Nachgründung, § 52 AktG . . . . . . . . . . . . . . . (h) Insbesondere: Ermächtigungen i. S. v. § 71 I AktG . . . . . . . (i) Insbesondere: Recht der Unternehmensverbindungen . . . . . (j) Die Erweiterbarkeit des Prinzips der „vertragsmäßigen Zuständigkeiten“ und die fehlende Erweiterbarkeit rechtspolitischer Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende „Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen“ mangels Übereinstimmung des Börsengangs mit dem ermittelten Prinzip . . . . . . . . . d) Das Fehlen einer abweichenden ratio legis innerhalb der Grundlagenkompetenzen, welcher sich der Börsengang zuordnen ließe . . VII. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Das Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten beim Börsengang und Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein Abfindungsanspruch aus Art. 14 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Abfindungsanspruch in Analogie zum Aktien- oder Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein „Fungibilitätsausgleich“ beim Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kein „Austrittsrecht aus wichtigem Grund“ infolge des Börsengangs oder des Börsenrückzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

A. Der Börsengang und der Börsenrückzug als wirtschaftlich, kapitalmarktrechtlich und gesellschaftsrechtlich bedeutsame Vorgänge Der Gesetzgeber hat das deutsche Kapitalmarktrecht in den letzten Jahren weitreichenden, dem globalen Wettbewerb zwischen den Finanzplätzen geschuldeten Reformen unterzogen.1 Dabei hat er zentrale Bereiche des Kapitalmarktrechts wie z. B. das Wertpapierhandelsgesetz und das Börsengesetz überarbeitet, zum Teil aber auch neue Normenkomplexe – insbesondere das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – geschaffen. Bei einer Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Handel am Kapitalmarkt ist es aber nicht geblieben. Zugleich hat der Gesetzgeber die rechtlichen Grundlagen der „Finanzierungsinstrumente“, auf welche sich dieser Handel bezieht, reformiert. Betroffen ist davon auch das Aktienrecht2, das wichtige Anlageobjekte des Kapitalmarkts – z. B. Aktien und Wandelanleihen – zur Verfügung stellt. Der Gesetzgeber soll hier innerhalb des Aktienrechts ein eigenes „Recht der börsennotierten AG“ ausgebildet haben.3 Die Auseinandersetzung mit diesem Rechtsbereich, der an die Börsennotierung der AG4 anknüpft, und hier insbesondere mit dem Börsengang sowie dem Rückzug von der Börse als denjenigen Vorgängen, die für die Börsennotierung entscheidend sind, ist nicht nur wegen der aktuellen Reformen lohnend:

1 Zu nennen sind hier vor allem das Erste Finanzmarktförderungsgesetz vom 22. Februar 1990 (BGBl. I, 266), das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26. Juli 1994 (BGBl. I, 1749), das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz von 24. März 1998 (BGBl. I, 786) und das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I, 2010). 2 Neben den Finanzmarktförderungsgesetzen (Fn. 1) sind z. B. das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 1994, das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. April 1998 oder das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) vom 18. Januar 2001 im Zusammenhang mit den Bemühungen des Gesetzgebers um eine zweckmäßige Ausgestaltung des kapitalmarktbezogenen Aktienrechts zu sehen. 3 So oder ähnlich die Bezeichnungen von Seibert ZIP 1994, 248; Fleischer ZHR 165 (2001), 514 f.; dems. ZGR 2002, 771; Nobel FS Bär, 301 ff.; offenlassend Merkt AG 2003, 128; ablehnend Schüppen ZIP 2002, 1278. 4 Börsennotiert sind, rechtlich gesehen, die Gesellschaftsanteile. Gleichwohl spricht man von börsennotierten Gesellschaften, wie die Legaldefinition der „börsennotierten AG“ in § 3 II AktG zeigt.

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A. Börsengang und der Börsenrückzug als bedeutsame Vorgänge

Der Börsengang ist in den letzten Jahren als Maßnahme der Unternehmensfinanzierung neu entdeckt worden. In den Jahren 1998 bis 2000 setzte eine Emissionsentwicklung ein, die sich nur noch als Börsenhysterie bezeichnen lässt. Allein im Jahre 2000 wurden 153 Unternehmen neu an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet, wobei ein Emissionsvolumen von zusammengerechnet 26 Mrd. Euro erreicht wurde – so viel wie in den drei Jahren davor zusammen.5 Wesentlichen Anteil daran hatte der „Neue Markt“, ein (mittlerweile wieder abgeschafftes) Segment des Freiverkehrs (§ 57 BörsG) an der Frankfurter Wertpapierbörse, dessen Teilnehmern erhebliches Wachstumspotential zugeschrieben wurde.6 Die Zahl der Börsengänge ist mittlerweile deutlich zurückgegangen. Im Jahre 2001 wurden deutschlandweit insgesamt 21 Unternehmen neu gelistet, in 2002 noch sechs Unternehmen, im Jahr 2003 hat es in Deutschland keinen Börsengang gegeben.7 Das ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Bedeutung dieser Finanzierungsoption. Der Börsengang hat sich trotz der derzeit zu verzeichnenden Börsenflaute als effizientes Mittel der Eigenkapitalbeschaffung erwiesen. Die Emissionen der Vergangenheit waren oftmals um ein Vielfaches überzeichnet. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Verteuerung der Fremdkapitalaufnahme infolge „Basel II“8 und der unterdurchschnittlichen Eigenkapitalausstattung deutscher Kapitalgesellschaften9 dürfte das Interesse an Vorgängen der Eigenkapitalaufnahme zukünftig noch zunehmen.10 5 Vgl. die Homepage der Deutschen Börse AG, www.deutsche-boerse.com, dort unter Information Services, Statistiken+Analysen, Kassamarkt, Factbooks (dort werden irrtümlich zunächst 152 Börsengänge als Gesamtzahl angegeben, sodann – zutreffend – 153). 6 Im Jahre 2000 wurden hier 132 der 153 Unternehmen notiert. 7 Auskunft des Deutschen Aktieninstituts e. V. 8 Neue Basler Eigenkapitalvereinbarung („The New Basel Capital Accord“; Überblick über den aktuellen Stand unter www.bis.org/index.htm, dort unter „Basel Committee“, „Basel Capital Accord“). Sie soll 2006 in Kraft treten. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Banken – wie bisher – 8% ihrer Risikoaktiva (Kredite) mit Eigenkapital unterlegen müssen. Dabei wird die rechnerische Höhe der zu unterlegenden Risikoaktiva anhand eines „Bonitätsgewichtungsfaktors“ ermittelt. Unter Basel II wird dieser Gewichtungsfaktor, der bisher sehr pauschale Einstufungen vorsah, individualisiert werden. Das Ausfallrisiko der vergebenen Kredite – und damit die Höhe der Eigenkapitalhinterlegung – wird zukünftig weitaus stärker von der individuellen Bonität des Schuldners abhängig gemacht werden. Insoweit ist mit einer Verteuerung des Fremdkapitals für die durchschnittlichen oder wenig kapitalkräftigen Kapitalnehmer zu rechnen. Die SZ vom 7./8. September 2002 erwartet eine allgemeine Verteuerung der Kredite um bis zu 30%. Über eine schon derzeit erhebliche Erschwerung der Kreditaufnahme berichtet Irsch BB 2003, Heft 7 S. I. Ausführlich zu „Basel II“ Jungmichel WM 2003, 1201. 9 Vgl. Schanz § 1 Rn. 2. Börsennotierte Gesellschaften weisen regelmäßig eine Eigenkapitalquote von ca. 38% auf. Das sind rund 20% mehr als bei durchschnittlichen nicht börsennotierten Unternehmen (Auskunft des Deutschen Aktieninstituts e. V.). 10 Die SZ vom 29./30. November 2003 berichtet darüber, dass die „Initiative Finanzstandort Deutschland“ (darin vertreten sind u. a. die Deutsche Bank, die Bundesbank, Commerzbank, Morgan Stanley, und die Münchener Rück) verstärkt Börsengänge mittelständischer Unternehmen unterstützen möchte.

A. Börsengang und der Börsenrückzug als bedeutsame Vorgänge

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Als nicht weniger praktisch bedeutsam hat sich mittlerweile der dem Börsengang entgegengesetzte Schritt erwiesen – das sogenannte Going Private. Seitdem das Börsenrecht in § 38 IV BörsG (§ 43 IV BörsG a. F.) den freiwilligen Börsenrückzug ausdrücklich ermöglicht, hat eine Reihe von Unternehmen die Börse verlassen.11 Vordringliches Motiv dafür war, den laufenden Kosten zu entgehen, die mit einer Notierung verbunden sind. Aus rechtlicher Sicht hat die aktiengesetzliche Anknüpfung an die Börsennotierung – und damit an den Börsengang bzw. den Börsenrückzug12 – eine Neuerung gebracht: Die rechtliche Bedeutung der Börsennotierung ist nicht mehr allein auf das Kapitalmarktrecht beschränkt. Auch darüber hinaus finden sich Regeln über die Voraussetzungen für den Auftritt an der Börse und die rechtlichen Folgen der Notierung für die Gesellschaft sowie für Veräußerer und Erwerber von Aktien. Implikationen hat der Vorgang insbesondere für das Gesellschaftsrecht. Eine Vielzahl aktien- und handelsrechtlicher Normen knüpft Rechtsfolgen an die Börsennotierung der AG.13 Den möglichen Auswirkungen dieser Anknüpfung auf das „Binnenorganisationsrecht“ der AG ist bisher noch nicht die verdiente Aufmerksamkeit zuteil geworden. Das gilt insbesondere für den Börsengang. Zwar finden sich deskriptive Ausführungen zu den einzelnen rechtlichen Abläufen und den rechtlichen Folgen des Börsengangs.14 Diese Abhandlungen sind insofern hilfreich, als sich dem Gesetz zum – heute in der Praxis weitgehend „standardisierten“ – Ablauf eines IPO nichts Genaues entnehmen lässt. Die zentrale, vorgelagerte Frage ist aber, wer diese Abläufe und Rechtsfolgen überhaupt herbeiführt: Kann der Vorstand als Geschäftsführungs- und Leitungsorgan die AG im Alleingang oder im Zusammenwirken mit einzelnen Aktionären an die Börse bringen oder haben alle Aktionäre in der Hauptversammlung hierüber zu entscheiden? Diese grundlegende Frage des „Rechts der börsennotierten AG“ muss bisher als weitgehend ungeklärt gelten.15 Das geringe Interesse an diesem Rechtsproblem mag darin 11

Beispiele bei Schanz § 17 Rn. 97; Krämer/Theiß AG 2003, 225. Die Börsennotierung kann auch auf anderem Wege als durch Börsengang und Börsenrückzug erlangt bzw. verloren werden. Der Börsengang ist aber die gängigste Variante der Erlangung, der Börsenrückzug die am häufigsten anzutreffende Art des Verlustes der Börsennotierung. Näher zu den weiteren Möglichkeiten der Erlangung bzw. des Verlustes der Börsennotierung unter B. I. 1. und B. II. 1. 13 Vgl. §§ 3 II, 20 f.; 67 VI 2; 71 I Nr. 8; 110 III 2, 121 IV, V, 124 I 3; 125 I 3; 130 I 3; 134 I 2; 161; 171 II 2 Hs 2; 186 III 4; 328 III, 404 I, II AktG; §§ 267 III 2; 285 Nr. 10, 11; 286 III 3; 291 III Nr. 1; 292a I; 293 V; 297 I 2; 313 II Nr. 4; 314 I Nr. 8; 317 IV/ 321 IV; 319 III Nr. 6; 323 II 1 HGB. 14 Vgl. nur Lenenbach Rn. 7.1 ff.; Schanz passim; Picot/Land DB 1999, 570; Zietsch/Holzborn WM 2002, 2356, 2393. 15 Mit der Entscheidungszuständigkeit beim Börsengang haben sich bisher lediglich Lutter (FS Zöllner I, 363), Lutter/Drygala (FS Raisch, 239), Grupp (Börseneintritt und Börsenaustritt), Vollmer/Grupp (ZGR 1995, 459) und Erber eingehender befasst. Zum Börsengang im Konzern vgl. Heidkamp (insbesondere S. 122 ff.). 12

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begründet liegen, dass die Rechtsberatungspraxis im Vorfeld des Börsengangs regelmäßig für einen Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang auf der Grundlage der „Holzmüller-Grundsätze“ sorgt.16 Damit ist freilich nicht gesagt, dass ein solcher Beschluss erforderlich oder auch nur gesetzeskonform ist. Die zum Börsengang spiegelbildliche Konstellation hat die wissenschaftliche Diskussion zuletzt intensiv beschäftigt: Der Rückzug von der Börse ist als innergesellschaftliches Rechtsproblem wahrgenommen und in der Wissenschaft umfangreich untersucht worden.17 Der BGH hat in der „Macrotron“-Entscheidung vom 25.11.2002 einen – im AktG so nicht vorgesehenen – Hauptversammlungsbeschluss gefordert, bevor der Vorstand der AG die Aufhebung der Börsenzulassung beantragen darf.18 Die kontroverse Aufnahme des Urteils in der Literatur belegt, dass auch bezüglich des Börsenrückzugs von einer abschließenden Klärung der Rechtslage nicht die Rede sein kann.19 Sowohl beim Börsengang als auch beim Delisting stellt sich aus rechtlicher Sicht aber nicht nur die Frage nach Mitverwaltungsrechten der Aktionäre. In der Macrotron-Entscheidung hat der BGH den dissentierenden Aktionären einen Anspruch auf ein „Pflichtangebot“ gegen die AG oder gegen den das Delisting betreibenden „Großaktionär“ eingeräumt. Die Aktionäre sollen demnach ihrer AG oder deren „Großaktionär“ ihre Aktien zum Kauf andienen können, wenn die AG sich von der Börse zurückzieht. Solche oder andere Formen eines finanziellen Ausgleichs kommen nicht nur für das Delisting in Betracht. Auch im verwandten Fall des Börsengangs ist darüber nachzudenken, ob – abhängig oder sogar unabhängig von Mitwirkungsrechten bei der Entscheidung über den Börsengang – denjenigen Aktionären ein „Abfindungsanspruch“ zusteht, die den Gang an die Börse ablehnen. Angesprochen werden Rechtsfragen beim Börsengang, insbesondere betreffend den Konzern, z. B. auch von: Lutter AG 2000, 342; Busch/Groß AG 2000, 503; Habersack WM 2001, 545; Becker/Fett WM 2001, 549; Fuchs in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht (2001), 259; Lüders/Wulff BB 2001, 1209; Lutter AG 2001, 349; Trapp/Schick AG 2001, 381. Diese Beiträge nehmen vor allem auf die Grundsätze der „Holzmüller“Rechtsprechung Bezug (dazu unter D. V.). 16 So die Auskunft der Kanzleien Baker&McKenzie, CMS Hasche Sigle und HengelerMueller. Auch die erwähnte darstellende Literatur (Fn. 15) beschränkt sich regelmäßig darauf, einen Hauptversammlungsbeschluss auf der Grundlage der „Holzmüller“-Rechtsprechung zu empfehlen. Nach Auskunft von Herrn RA Dr. Groß, HengelerMueller, wird allerdings nicht in jedem Fall ein separater Beschluss vorgesehen. In der Praxis wird teilweise schon der Beschluss über eine Kapitalerhöhung im Verlaufe des Börsengangs als Zustimmung „zum Börsengang“ akzeptiert. Näheres dazu unter C. II. ff. 17 Aus dem reichhaltigen Schrifttum sei hier verwiesen auf die Arbeiten von Groß (ZHR 165 (2001), 141); Mülbert (ZHR 165 (2001), 104); de Vries; Kleppe und Kruse. Näheres unter D. 18 BGH ZIP 2003, 387=NJW 2003, 1032. 19 Verwiesen sei hier lediglich auf die kritischen Stellungnahmen von Adolff/Tieves BB 2003, 797; Krämer/Theiss AG 2003, 225; Klöhn ZBB 2003, 208.

A. Börsengang und der Börsenrückzug als bedeutsame Vorgänge

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Anliegen dieser Arbeit ist es, Klarheit über die Existenz oder das Fehlen von Mitentscheidungsrechten sowie von finanziellen Ausgleichsansprüchen der Aktionäre beim Börsengang und beim Rückzug von der Börse zu schaffen. Die Grundlage der Untersuchung bilden der Börsengang einer nicht-konzernierten AG an eine deutsche Börse und der Rückzug der Gesellschaft von den nationalen Börsen.

B. Börsengang und Börsenrückzug – Klärung der Begriffe, der tatsächlichen und der rechtlichen Aspekte der Vorgänge I. Zum Begriff, Ablauf und zu den Rechtsfolgen des Börsengangs in der Praxis 1. Begriff des Börsengangs Unter dem Börsengang einer AG versteht man die erstmalige Verbreiterung des Aktionärskreises der Gesellschaft über den organisierten Kapitalmarkt.20 Das umfasst einen Organisations-Prozess, in dessen Verlauf Aktien des Emittenten auf seinen Antrag hin zum Handel unter Benutzung der jeweiligen Börse mit ihren Einrichtungen zugelassen und dort tatsächlich in den Handel eingeführt werden.21 Eine solche Zulassung zum Handel erfolgt in den Börsensegmenten22 amtlicher und geregelter Markt. Synonym für Börsengang werden die Begriffe „Going Public“ oder „IPO“ (Initial Public Offering) verwendet. Die Börse lässt sich ihrerseits definieren als „Marktveranstaltung, die ununterbrochen oder in kurzen Zeitabständen das Angebot und die Nachfrage nach vertretbaren Handelsobjekten auf der Grundlage standardisierter Vertragsbedingungen mit dem Ziel zusammenführt, Geschäftsabschlüsse herbeizuführen, ohne selbst als Vertragpartner an den Geschäften teilzunehmen“.23 Vom Going Public abzugrenzen ist die (erstmalige) „Einbeziehung“ schon börsenmäßig gehandelter Aktien in den Börsenhandel durch die Börse auf Antrag eines Handelsteilnehmers. Eine solche Einbeziehung in den Handel ist lediglich in den Segmenten Freiverkehr (nach § 57 BörsG i.V. m. den Börsen20 Vgl. Hasselmann S. 23 m. w. N. Denkbar ist, dass die Börsenzulassung für Aktien einer Gesellschaft beantragt und erteilt wird, ohne dass Aktien emittiert und platziert werden (Auskunft der Börse München). Die Zulassung bezieht sich in diesem Fall ausschließlich auf „Altaktien“, der Aktionärskreis der AG wird nicht verbreitert. Das ist kein „Börsengang“ im üblichen Sinne. Solche Fallgestaltungen, die in der Praxis die Ausnahme sind, werden am Rande der Untersuchung Berücksichtigung finden, weil die Rechtsfolgen der Börsennotierung an die Zulassung (und nicht an einen „Börsengang“) anknüpfen. Die Literatur zu Börsengängen befasst sich mit solchen Fällen – soweit ersichtlich – nicht. 21 Hohla S. 11. 22 Näheres zu den verschiedenen Börsensegmenten unter B. I. 3. a). 23 Vgl. Lenenbach Rn. 3.4 – sogenannter materieller Börsenbegriff. Eine Börse im formellen Sinne ist eine genehmigte Börse (§ 1 I 1 BörsG) im materiellen Sinn, vgl. Lenenbach a. a. O.

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ordnungen und den Freiverkehrsrichtlinien der Börsen24) und geregelter Markt (§ 56 BörsG i.V. m. den BörsO der Börsen) möglich. Voraussetzung für die Einbeziehung in den Handel im geregelten Markt ist, dass die betreffenden Anteile bereits an einer anderen Börse zum Handel zugelassen sind, § 56 BörsG. Schon deshalb kann es hier nicht um einen „Börsengang“ gehen. Die Einbeziehung ist außerdem sowohl im Freiverkehr als auch im geregelten Markt unabhängig vom Willen oder von einem Tätigwerden des Rechtsträgers, dessen Anteile einbezogen werden sollen. Insbesondere kommt es nicht auf sein Einverständnis an (vgl. § 6 Freiverkehrsrichtlinien der Frankfurter Wertpapierbörse, der nur EU-ausländischen Emittenten ein Widerspruchsrecht einräumt, bzw. § 84 I 2 BörsO der Frankfurter Wertpapierbörse25 für den geregelten Markt, der ausdrücklich vorschreibt, dass kein Widerspruchsrecht des Emittenten der einzubeziehenden Anteile besteht). Insoweit kann sich – jenseits begrifflicher Abgrenzungen zum Börsengang – für die Einbeziehung von Aktien in den Börsenhandel auch nicht die Frage nach der Zuständigkeit für eine innergesellschaftliche Maßnahme bzw. nach der Ausgleichspflichtigkeit einer solchen Maßnahme stellen. Weiter ist vom Börsengang das als „Going Public durch die Hintertür“ oder „Reverse Merger“ bezeichnete Vorgehen zu unterscheiden.26 In diesen Fällen wird die Börsennotierung einer Gesellschaft wirtschaftlich dadurch erreicht, dass das nicht börsennotierte Unternehmen mit einem börsennotierten rechtlich bzw. wirtschaftlich „verschmolzen“ wird.27 Dieser Prozess ist allerdings nicht darauf gerichtet, den Gesellschafterkreis der bisher nicht börsennotierten Gesellschaft erstmals über die Börse zu erweitern. Vielmehr soll lediglich das Vermögen der betreffenden Gesellschaft so umgeschichtet werden, dass es den Wert börsennotierter „fremder“ Gesellschaftsanteile erhöht. Es werden vor allem zwei Varianten vorgeschlagen: Bei der umwandlungsrechtlichen Verschmelzung durch Aufnahme behält die aufnehmende (börsennotierte) Gesellschaft ihre rechtliche Identität, der übertragende Rechtsträger erlischt, §§ 2 Nr. 1, 20 I Nr. 2 UmwG. Die Aktionäre des erlöschenden Rechtsträgers sind im Gegenzug für diesen Verlust abzufinden, und 24 Die Börsenordnungen sind Satzungen der Börsen, vgl. § 13 I BörsG. Die Geltung der Freiverkehrsrichtlinien für den (privatrechtlich organisierten) Freiverkehr basiert auf der (privatrechtlichen) Anerkennung der Richtlinien durch die Handelsteilnehmer. Näher hierzu Lenenbach Rn. 3.59 ff. 25 Stand: 01.04.2004. 26 Auch: indirekter Börsengang. Seppelfricke/Seppelfricke (BB 2002, 365) sprechen deshalb von einem „Reverse Merger“, weil das börsennotierte Unternehmen in der Regel kleiner sei und entgegen dem „Normalfall“ das größere, nicht börsennotierte Unternehmen aufnehme. 27 Zu den Begrifflichkeiten und zu verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten des „Going Public durch die Hintertür“ Seppelfricke/Seppelfricke BB 2002, 365. Zum Ganzen auch Hohla S. 11, 87 ff., der von einer „Sonderform des Going Public“ spricht, die in Deutschland bisher unüblich sei.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

zwar in Aktien der aufnehmenden Gesellschaft, § 5 I Nr. 2 UmwG. Die Anteile, die für diese Abfindung zur Verfügung stehen, können zum einen eigene Aktien der aufnehmenden Gesellschaft sein, die auf die neuen Aktionäre übertragen werden. Zum anderen können die neuen Aktionäre im Wege einer Kapitalerhöhung ohne weitere Einlageverpflichtung zum Bezug von Aktien zugelassen werden. Wie viele Aktien des verschmolzenen Gesamtunternehmens von den neuen Aktionären übernommen werden dürfen, hängt davon ab, wie sich der Wert des aufgenommenen Unternehmens zum Wert des aufnehmenden Unternehmens verhält. Durch eine solche umwandlungsrechtliche Verschmelzung wird lediglich die bereits vorhandene Börsennotierung der bestehenden Gesellschaft – ihr „Being Public“ – ausgenutzt. Es geht nicht um einen Vorgang, dessen Ziel die erstmalige Zulassung von Anteilen der Gesellschaft an der Börse, die Verbreiterung ihres Aktionärskreises über die Börse, ist. Die nicht börsennotierte Gesellschaft erlischt vielmehr. Ein „Initial Public Offering“ im oben dargelegten Sinn liegt darin nicht. Eine zweite Variante des „Going Public durch die Hintertür“ besteht darin, dass ein börsennotierter Rechtsträger ein anderes Unternehmen erwirbt, wobei im Rahmen der Akquisition vereinbart wird, dass das Grundkapital des Käufers – der börsennotierten AG – erhöht wird und dass die jungen Aktien von den Aktionären des „übertragenden“ Rechtsträgers oder von diesem selbst gezeichnet werden können. Statt der Zahlung eines Kaufpreises werden also die Aktionäre der „übertragenden“ AG bzw. die übertragende AG selbst zum Bezug von Aktien der (kaufenden) börsennotierten AG gegen Sacheinlagen zugelassen (§ 183 AktG). Im Zuge der Kapitalerhöhung in der börsennotierten AG kann entweder das Gesellschaftsvermögen der erworbenen AG eingelegt werden28 oder die Verkäufer-Aktionäre übertragen ihre Aktien an der erworbenen Gesellschaft auf das börsennotierte Unternehmen.29 Auch hier werden keine neuen Anteile zum Zwecke der erstmaligen Börsennotierung einer AG ausgegeben. Beide Vorgehensweisen führen also zu einer wirtschaftlichen Ausweitung des „Being Public“ eines – aus der Sicht des nicht börsennotierten Unternehmens – anderen Unternehmens. Das Element des Neuzugangs, der erstmalige eigene Auftritt am Kapitalmarkt, fehlt. 28 Dafür ist die übertragende AG zu liquidieren, wenn die Aktionäre der „übertragenden“ AG zum Bezug der jungen Aktien der „aufnehmenden“ AG zugelassen werden sollen. Es kann aber auch das Gesellschaftsvermögen der nicht börsennotierten AG nach § 179a AktG auf die börsennotierte Gesellschaft übertragen werden und im Gegenzug die übertragende AG – nicht ihre Aktionäre – zum Bezug junger Aktien am börsennotierten Unternehmen zugelassen werden. Zu den Ausgestaltungsformen führen Seppelfricke/Seppelfricke BB 2003, 365 ff. nichts Näheres aus. 29 Diese Akquisitionsformen bezeichnen Seppelfricke/Seppelfricke (BB 2002, 366) als „Verschmelzung gemäß Aktienrecht“. Sie gehen nur von dem Fall aus, dass das Vermögen der gekauften AG eingelegt wird.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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Ebenfalls Going Public nur im wirtschaftlichen Sinne ist der Mantelkauf einer börsennotierten Gesellschaft: In Einzelfällen sind in der Vergangenheit börsennotierte Gesellschaften, die ihre aktive Tätigkeit weitgehend eingestellt hatten, durch Aufkaufen der Anteile als „Hülle“ erworben worden, um sie im Anschluss an den Erwerb grundlegend neu auszurichten.30 Der Erwerber bedient sich mithin einer schon bestehenden AG, um Zugang zum organisierten Kapitalmarkt zu erhalten. An einem erstmaligen Auftritt einer AG an der Börse, verbunden mit der Emission von Aktien, fehlt es dementsprechend auch hier. In den Fällen des Reverse Mergers und des Mantelkaufs einer börsennotierten AG stellen sich die im Folgenden zu untersuchenden Kompetenzabgrenzungsfragen nicht oder in ganz anderer Weise: Die umwandlungsrechtliche Verschmelzung durch Aufnahme zum Zwecke des Börsengangs unterscheidet sich nicht vom gesetzlichen „Normalfall“ der Verschmelzung durch Aufnahme, d.h. wegen der Börsennotierung ergeben sich keine irgendwie gearteten Abweichungen. Die Aktionäre der erlöschenden Gesellschaft sind am Vorgang schon kraft umwandlungsrechtlicher Vorschriften zwingend beteiligt, § 2 Nr. 1 Var. 1, 4 ff. UmwG. Auch die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen bei der börsennotierten AG zum Zweck der Übernahme einer nicht notierten AG weist keine börsenspezifischen Besonderheiten auf. Die Aktionäre der nicht notierten, „übertragenden“ AG haben Einfluss auf den Reverse Merger im Rahmen der allgemeinen Vorschriften: Beim „Asset Deal“ ist § 179a AktG anzuwenden, wenn das gesamte Vermögen der AG übertragen wird. Beim Anteilskauf sind die Aktionäre kraft ihrer Rechtsinhaberschaft Vertragspartner der börsennotierten AG. Ebenso wenig lässt der Fall des „Mantelkaufs“ Besonderheiten erkennen, die eine Erweiterung der Untersuchung über den Fall des Börsengangs im eigentlichen Sinne hinaus rechtfertigen würden. Zwar werden Kompetenzfragen auch im Zusammenhang mit dem Anteilskauf durch eine AG kontrovers diskutiert.31 30 Regelmäßig finden im Anschluss an den Erwerb der Anteile (z. B. über die Börse) Satzungsänderungen in der erworbenen Gesellschaft statt, insbesondere eine Firmenänderung, eine Änderung des Unternehmensgegenstands und des Sitzes sowie Kapitalmaßnahmen. Außerdem werden in der Regel die Organe der Gesellschaft ausgetauscht, vgl. Heerma S. 1. Aus einem solchen Mantelkauf einer börsennotierten AG ist z. B. die Gold-Zack AG entstanden (vgl. Schanz § 14 Rn. 39). Zum Mantelkauf allgemein Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 40 ff.; ausführlich Heerma passim. Der BGH hat unlängst die Verwendung des Mantels einer „auf Vorrat“ gegründeten Kapitalgesellschaft (im Fall: einer GmbH) den Gründungsvorschriften in analoger Anwendung unterstellt (BGH NJW 2003, 892; dazu Altmeppen NZG 2003, 145; zur Vorratsgründung einer AG grundsätzlich schon BGH NJW 1992, 1824). In einem weiteren Urteil hat er diese Grundsätze auf die Verwendung eines „alten“ Mantels, also auf die Verwendung einer vormals aktiven, dann aber „unternehmenslos“ gewordenen Gesellschaft, übertragen (BGH NJW 2003, 3198). Beide Fälle sieht er als „wirtschaftliche Neugründung“ an und unterwirft sie im Interesse des Gläubigerschutzes deshalb den Gründungsvorschriften.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

So ist insbesondere umstritten, ob die Hauptversammlung der erwerbenden AG über den Kauf von Anteilen an einer anderen Gesellschaft ab einer bestimmter Größenordnung zu befinden hat oder ob ihr Vorstand dies allein zu entscheiden hat. Das ist aber keine Frage, die in spezifischer Weise gerade mit einem Börsengang in Zusammenhang zu bringen wäre. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage, die auf der Grundlage konzernspezifischer Überlegungen diskutiert wird. Solche Überlegungen können hier nur am Rande eine Rolle spielen.32 Von diesen Fallgestaltungen des Going Public nur im wirtschaftlichen Sinne wird daher im Folgenden nicht weiter zu reden sein.33 2. Wirtschaftlicher Hintergrund und Ablauf des Börsengangs in der Praxis a) Wirtschaftlicher Hintergrund des Börsengangs Wichtigstes Motiv für den Gang an die Börse ist die Verbesserung der Eigenkapitalquote und Liquiditätssituation der emittierenden Gesellschaft zur Finanzierung von Unternehmenswachstum, Expansion oder Produktentwicklung.34 Dem Unternehmen wird durch den Börsengang in einem Volumen Kapital zugeführt, das in der Regel weder über die Innenfinanzierungskraft35 des Unternehmens noch durch zusätzliches Beteiligungskapital der bisherigen Unternehmenseigner bereitgestellt werden könnte.36 Im Konzern kann sich der Börsengang mit einer bestimmten Tochter anbieten, wenn bei ihr – etwa aufgrund einer ak31 Zur „Konzernbildungskontrolle“ durch die Aktionäre der (zukünftigen) Obergesellschaft vgl. etwa Mecke; Wiedemann Unternehmensgruppe; Timm Konzernspitze; Hirte; außerdem die Werke von Seydel, Binnewies, Liebscher und Wahlers. 32 Vgl. dazu unten D. VI. 3. c). 33 Ebenso wenig wird die Arbeit auf „Börsenpräsenzausweitungen“ (Erwerb einer oder mehrerer Börsenzulassungen an weiteren Börsen) eingehen. Sie können einem Börsengang nachfolgen, haben aber mit einem „Börsengang“ nichts zu tun. Gleiches gilt für den „Börsensegmentwechsel“. 34 Statt vieler Hohla S. 15 ff. 35 Unter Innenfinanzierung sind Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung innerhalb der Unternehmung zu verstehen, vgl. Gabler-Wirtschafts-Lexikon S. 1891 f. 36 Eingehend zu weiteren Motiven für das Going Public Dr. Wieselhuber & Partner, S. 18 ff. Hingewiesen wird vor allem auf die Eröffnung weiterer Finanzierungsalternativen durch den Börsengang, z. B. über Wandelanleihen, Optionen und GenussScheine. Die Erhöhung der Eigenkapitalquote erleichtere die Aufnahme von Fremdkapital. Der höhere Bekanntheitsgrad und die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenswert (Aktienoptionspläne) machten die Gesellschaft zudem als Arbeitgeber attraktiver. Die Trennung von „Eigentum“ und Management durch Wahl der Rechtsform der (börsennotierten) AG könne das Überleben des Unternehmens sichern, wenn – wie im mittelständischen Bereich nicht selten – kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung stehe. Schließlich biete der Börsengang Risikokapitalgebern eine mögliche Variante des „Exits“ (Realisierung des in die Gesellschaft investierten Kapitals durch Verkauf der Anteile seitens des Kapitalgebers) aus der Gesellschaft.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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tuell vorteilhaften Wettbewerbsposition oder überdurchschnittlicher Wachstumserwartungen des Marktes, auf dem die Tochter tätig ist – der Kapitalbedarf besonders günstig gedeckt werden kann.37 Umgekehrt kann sich die Mutter über die Börse allerdings auch von einer Tochter trennen wollen („Spin-off“).38 Betriebswirtschaftliches Motiv einer solchen Restrukturierung kann z. B. die Auflösung von konzernbedingten „Reibungsverlusten“ oder die Änderung der Unternehmensstrategie (Unternehmensfokussierung) sein. Das Going Public bringt aber auch Nachteile mit sich, vor allem erhöhte Publizitätspflichten (auch in Zeiten negativer Geschäftsentwicklung), sowie einmalige und laufende Kosten, die mitunter eine starke Liquiditätsbelastung für das Unternehmen darstellen.39 Allein die Kosten der Due Diligence und der Erstellung und Veröffentlichung des Börsenzulassungsprospekts sollen sich derzeit auf ca. A 275.000 bis 350.000 belaufen.40 Die Gesamtkosten des Börsengangs machen regelmäßig etwa 5–10% des Emissionsvolumens aus.41 Die Abhängigkeit des Kurswerts vom Marktumfeld kann unter Umständen die Gefahr einer feindlichen Übernahme über den Kapitalmarkt bergen.42 Kursstürze bzw. allgemein negative Kursentwicklungen können nämlich den Kauf von Anteilen besonders günstig machen. Dieses Risiko ist allerdings durch Umfang und Gestaltung der Emission (Aktiengattungen) steuerbar. Auch der Verwaltungsaufwand des Unternehmens erhöht sich: Ad-hoc-Meldungen, Zwischenberichte, Jahresabschlüsse müssen zeitnah und regelmäßig über die Entwicklung des Unternehmens informieren.43 b) Verschiedene Phasen des Börsengangs in der Praxis Der Börsengang bedarf vielfältiger Vorbereitungsmaßnahmen. Diese sollen durch längerfristig angelegte Schaffung der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen den erfolgreichen Auftritt am Kapitalmarkt ermöglichen. Der Ablauf des Börsengangs kann sich im einzelnen unterschiedlich gestalten, ab37 Ziel der Emission ist das Erreichen eines möglichst hohen Agios. Das lässt sich bei einer günstig positionierten Tochter am besten erreichen, vgl. Grupp Börseneintritt S. 38. Zu weiteren Vorteilen des Börsengangs gerade im Konzern Schanz § 15 Rn. 2 ff. 38 Wirtz/Salzer S. 9. Teilweise wird auch der Begriff „Spin-Out“ oder „Equity Carve-Out“ benutzt, die Terminologie ist nicht einheitlich, vgl. Hennigs S. 6 Fn. 21 m. w. N. 39 Hasselmann S. 28. Detailliertere Übersicht über die Kosten eines Börsengangs bei Hohla S. 144 ff. 40 Wirtz/Salzer S. 70. 41 Vgl. die Homepage der Deutschen Börse, www.deutsche-boerse.com, dort der Emittentenleitfaden, S. 27. Eingehend zu den Kosten auch Rödl/Zinser S. 99 ff. 42 Zur Gefahr einer Übernahme insbesondere Grupp Börseneintritt S. 30. 43 Näher zu den Folgepflichten aus der Börsenzulassung unter B. II. 4.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

hängig zum einen vom angesteuerten Marksegment und zum anderen von der Größe des Unternehmens, früherer Börsenerfahrung usw. Wesentliche (sich überschneidende) Phasen werden aber regelmäßig44 sein: Zur internen Vorbereitung bzw. Prüfung der Börsenreife45 benötigt der Emittent i. d. R. die Serviceleistungen emissionsbegleitender Banken (häufig eines Bankenkonsortiums), von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten.46 Diese erarbeiten zunächst den „Fahrplan“ hinsichtlich der gesellschaftsinternen Organisation47, des zu wählenden Marktsegments, des Emissionsvolumens, der Aktiengattung, des Platzierungszeitpunkts etc. Der Wahl der konsortialführenden Emissionsbank kommt wegen ihrer starken Involvierung in den Gesamtprozess herausragende Bedeutung zu.48 Zusammen mit den Beratern werden die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen getroffen, beispielsweise ein Business-Plan erarbeitet und die „Equity-Story“ für das Unternehmen ausgearbeitet. Sie dient dem Verhältnis zu den Investoren und Analysten und stellt den Kern der Geschäftsidee, die Erfolgsfaktoren und die Perspektiven des Unternehmens mit Blick auf den Börsengang dar. In der Vorverkaufsphase sind die Börsenzulassungsunterlagen vorzubereiten. Die wichtigste Vorbereitungsmaßnahme ist die Überprüfung und Bewertung des Unternehmens im Auftrag des Emittenten im Rahmen einer „Due Diligence“, wie sie bei Unternehmenskäufen und -verkäufen üblich ist.49 Die Unternehmensbewertung wird zumeist von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten vorgenommen.50 Sie ist Grundlage für die möglichst realistische Einschätzung des Unternehmenswerts und liefert Erkenntnisse für die Verpflichtung, bestimmte Informationen über das Unternehmen in den Prospekt51 aufzunehmen. Aus BörsG, BörsZulV und den jeweiligen BörsO der Börsen ergibt sich nämlich die Notwendigkeit der Erstellung und Veröffentlichung eines Börsenzulassungsprospektes, der weitreichende Informationen über das Unternehmen, z. B. über die Art der zuzulassenden Aktien, den Emittenten (Geschäftsaussichten und -gegenstand, Produktpalette, Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) und die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane, sowie eine Stellungnahme zu den Risi44 Wirtz/Salzer sprechen von einer mittlerweile eingetretenen „Standardisierung“ des Going Public, S. 11. Zum Gesamtprozess Going Public vgl. die Going-Public-Leitfäden der Deutschen Börse, der WestLB Panmure sowie den Überblick bei Heidel/Willamowski 17 (S. 2559 ff.). 45 Damit sind die von den Emissionshäusern und Marktusancen gebildeten Anforderungen an die Eignung eines Unternehmens für das Going Public gemeint, Volk S. 8 f. Eingehend Hennigs S. 12 ff.; Schanz § 6 Rn. 24 ff. 46 Zu deren Aufgaben näher Schanz § 6 Rn. 8 ff. Dort auch zu weiteren denkbaren Serviceleistern wie Public Relations Agenturen. 47 Erforderlich zur Herbeiführung der Börsenreife sind z. B. ein klarer, übersichtlicher Unternehmensaufbau, ausreichende Managementqualitäten, effektive Rechnungslegung etc. Hierzu Hohla S. 58 ff.; Rödl/Zinser S. 123 ff.; Wirtz/Salzer S. 10. 48 Hohla S. 62; Heidel/Willamowski 17 B I 2 (S. 2561). 49 Zu Einzelheiten Schanz § 8 Rn. 3 ff.; Heidel/Willamowski 17 IV (S. 2564 ff.). 50 Emittentenleitfaden WestLB Panmure S. 19. 51 Die Bezeichnungen variieren in den einzelnen Segmenten: Schlicht „Prospekt“ heißt es für den amtlichen Markt, „Unternehmensbericht“ lautet die Wortwahl im geregelten Markt. Die börsengesetzlichen Anforderungen an den Unternehmensbericht sind weniger hoch als diejenigen an den „Prospekt“.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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ken eines Engagements enthält.52 Er ist das Kernstück des Zulassungsverfahrens, insbesondere dient er als Grundlage für die Entscheidung über die Zulassung an der Börse sowie oftmals für die Investitionsentscheidung von Anlegern. Die Emissionsbank bzw. das Bankenkonsortium hat die festgelegte Zahl von Aktien zu vermarkten und zu platzieren. In einem konkret auszuhandelnden Übernahmevertrag („Underwriting Agreement“) verpflichten sich die Emissionsbanken regelmäßig zur festen Übernahme und Platzierung eines bestimmten Anteils der Aktien gegen Zahlung einer Provision.53 Gesellschaftsintern ist darüber zu entscheiden, wie und in welchem Umfang dafür Aktien zur Verfügung gestellt werden.54 Die Analysten der Konsortialbanken erstellen „Research-Reports“, mit denen die Konsortialbanken (oder Public Relations Agenturen) Kontakt zu institutionellen Investoren aufnehmen können. Nach Erstellung des Börsenzulassungsprospekts kann der Emittent – i. d. R. zusammen mit einem Kredit- bzw. Finanzdienstleistungsinstitut, das zum Handel an der deutschen Börse zugelassen ist55 –, den Antrag auf Wertpapierzulassung stellen (gemäß § 30 BörsG i.V. m. § 48 BörsZulVO und den BörsO der Börsen für den amtlichen Markt, gemäß § 49 BörsG i.V. m. den BörsO der Börsen für den geregelten Markt). Parallel dazu laufen die Präsentationen der neuen Aktie, insbesondere vor institutionellen Investoren („Road-Shows“), um eine ausreichende Zahl von Zeichnungswilligen für die Emission zu gewinnen. Vor dem Angebot der Aktien durch die Emissionsbanken an das Publikum56 wird der (Weiterveräußerungs-)Preis der Aktie durch Emittent und Konsortialbanken bestimmt. Das geschieht auf der Grundlage der fortlaufend aktualisierten Unternehmensbewertung.57 In Deutschland hat sich für die Ermittlung des Emissionspreises im Wesentlichen das „Bookbuilding-Verfahren“ durchgesetzt.58 Die Emissionsbanken geben 52 Wie weitreichend die Informationen zu sein haben, hängt vom angesteuerten Marktsegment ab. Zu Einzelheiten des erforderlichen Prospektinhalts siehe Groß Kapitalmarktrecht §§ 36–39 Rn. 5b; Rödl/Zinser S. 52. Die Deutsche Börse AG hat mittlerweile „Going-Public-Grundsätze“ herausgegeben. Sie sind Verhaltensempfehlungen (vgl. Ziffer 1 der Going-Public-Grundsätze) für Emittenten und Emissionsbegleiter, also „soft law“. Kernstück der Grundsätze sind Vorgaben für den Prospektinhalt. Näher dazu Schlitt/Smith/Werlen AG 2002, 481. 53 Diese in Deutschland übliche Emissionsform unter Einschaltung von Banken wird „Fremdemission“ genannt. Eine „Selbstemission“ ohne Einschaltung einer Emissionsbank ist in Deutschland hingegen unüblich, vgl. Hohla S. 11, 87 ff.; Rödl/Zinser S. 328 Fn. 18. Näher zum Übernahmevertrag Schanz § 9 Rn. 30 ff. Zu anderen Formen der Veräußerung der emittierten Aktien als im Wege der festen Übernahme vgl. Schanz § 9 Rn. 30 ff. 54 Näheres zur Übernahme der Anteile unter B. I. 3. b) (2). 55 Ausreichend ist im geregelten Markt theoretisch auch ein anderer Berater. In der Praxis unterstützt aber zumeist auch hier eine begleitende Emissionsbank den Antrag, Rödl/Zinser S. 55. Zu den verschiedenen Marktsegmenten sogleich. 56 Ein „private placement“ (Privatplatzierung bei ausgewählten Anlegern) ist in Deutschland bisher unüblich, vgl. Schanz § 10 Rn. 12. Daher wird hier von einem öffentlichen Angebot ausgegangen. 57 Zu verschiedenen Verfahren der Unternehmensbewertung Schanz § 7 Rn. 1 ff.; Rödl/Zinser S. 314 f. 58 Rödl/Zinser S. 302 ff., 337. Zum Verfahren näher Dr. Wieselhuber & Partner S. 397, Hohla S. 75 ff.

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bei diesem Verfahren eine „Bookbuildingspanne“ vor, d.h. sie geben einen Mindestund einen Höchstbetrag an, innerhalb dessen sich der Preis für die zu emittierende Aktie bewegen wird. Diese Spanne wird aus den Berechnungen der Konsortialbanken und des Emittenten unter Berücksichtigung des Feedbacks der Investoren ermittelt. Innerhalb einer „Bookbuilding-Frist“ können die Investoren (verbindliche) Kaufangebote unter Angabe eines Preises abgeben, der sich innerhalb der Bookbuilding-Spanne bewegen muss. Der endgültige Ausgabepreis der Aktie wird dann aus den eingehenden Zeichnungsaufträgen innerhalb der vorgegebenen Spanne ermittelt.59 Zumeist soll sich aus dem Verfahren ein „Underpricing“ der Aktie ergeben. Damit ist ein für den Erstkäufer der Aktie vorteilhafter Unterschied zwischen dem von ihm gezahlten Emissionspreis und dem ersten über die Börse zu erzielendem Sekundärmarktpreis60 bezeichnet. Dieses Underpricing wird aus Sicht des Emittenten einkalkuliert, um die Aktie für Investoren attraktiv zu machen.61 Ein zu hoher Preis kann umgekehrt dazu führen, dass die Aktie als unattraktiv eingeschätzt wird und daher der Erfolg des Kapitalmarktauftritts – namentlich für Folgeemissionen – versagt bleibt. Steht einem Angebot von zu emittierenden Aktien eine höhere Nachfrage gegenüber, ist die Aktie also überzeichnet, erfolgt eine Zuteilung auf private und institutionelle Investoren, die in Abstimmung zwischen dem Emittenten und der konsortialführenden Bank vorgenommen wird.62 Nach Zulassung der Wertpapiere zum Handel an der Börse und Veröffentlichung des Prospekts bzw. des Unternehmensberichts erfolgt die Börseneinführung zur Aufnahme der ersten Notierung, § 37 BörsG (amtlicher Markt) bzw. §§ 54 S. 1, 37 BörsG (geregelter Markt). Dafür hat der Emittent bei der Geschäftsführung der Börse den Zeitpunkt für die Einführung und die Merkmale der einzuführenden Wertpapiere 59 Das ist zumindest die Theorie. Hasselmann S. 132 (Fn. 135) berichtet allgemein von „bazarähnlichen“ Verhandlungen zwischen Emittenten und Emissionsbanken zur Festlegung des Emissionspreises. In diese Richtung bezeichnend auch die Zitate bei Hohla S. 70, z. B.: „Pricing an IPO is often a matter of intuition more than of science.“ 60 Als Sekundärmarkt wird – im Gegensatz zum Primärmarkt, dem Markt von Emittent und Zeichner der Aktien – der Markt verstanden, auf dem Aktien von Anteilseigner zu Anteilseigner gehandelt werden, vgl. Lenenbach Rn. 1.10 ff. 61 So die „h. M.“, vgl. Hohla S. 72 f.; Rödl/Zinser S. 30; Grupp Börseneintritt S. 33. Das Ausmaß des Underpricing soll nach diesen Autoren etwa 20% betragen. Zum gegenteiligen Ergebnis kommen Wirtz/Salzer S. 279 ff., die ein Underpricing längerfristig, nicht nur im Vergleich zum Börsenkurs des ersten Handelstags, ermitteln. Sie sprechen lediglich von einem „Initial Return“ oder „Zeichnungsgewinn“, der ihren Forschungen zufolge im Zeitraum 1983–2001 an deutschen Wertpapierbörsen sogar bei 31,6% lag (S. 295), während es langfristig i. d. R. zu einer Underperformance komme, S. 303 f. Das würde nach ihrer Diktion bedeuten, dass Neuemissionen regelmäßig „overpriced“ sind. In diese Richtung auch FAZ vom 24.4.2002: „Nach dem Börsengang sinkt die Rendite“. Eindeutige Hinweise auf ein „Overpricing“ in diesem Sinne hat die eingehende Untersuchung von Mager (Die Performance von Unternehmen vor und nach dem Börsengang) ergeben. Zu bedenken ist, dass die AG sich durch eine attraktive Preisgestaltung eine gute Ausgangsposition für weitere Emissionen erkaufen kann. Schon deshalb wird durch das Ansetzen eines niedrigen Emissionspreises keineswegs Vermögen der AG nur „verschenkt“. Auch das spricht gegen die These, die im Rahmen eines Börsengangs emittierten Aktien seien regelmäßig „underpriced“. 62 Einzelheiten bei Hohla S. 78 ff.

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„mitzuteilen“, d.h. er hat die Aufnahme der Notierung zu beantragen.63 Sobald die Börseneinführung seitens der Börse gestattet ist, kann die Handelsphase für die Aktien beginnen, der Börsengang ist abgeschlossen.

3. Die rechtliche Seite des Börsengangs a) Die Erfüllung der börsenrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen durch den Emittenten, die Erteilung der Zulassung und die Börseneinführung Die wichtigsten rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Aktien zum Handel an der Börse sind bereits bei der Darstellung des Ablaufs eines Börsengangs in der Praxis zur Sprache gekommen. Zur Ergänzung und Konkretisierung des rechtlichen Hintergrunds des Börsengangs ist noch auszuführen: Die Zulassung zu einer deutschen Börse steht deutschen Unternehmen nur in der Rechtsform der KGaA oder der AG offen. Die zuzulassenden Anteile müssen nämlich „frei handelbar“ sein, wie §§ 30, 32 BörsG i.V. m. § 5 I BörsZulV für den amtlichen Markt ausdrücklich bestimmen.64 Das ist nur für Gesellschaftsanteile in Form von Aktien der Fall. Für das Going Public ist daher grundsätzlich jede Nutzung einer AG denkbar: Es kann sich um eine neu gegründete Gesellschaft65, um eine im Wege der Umwandlung entstandene oder um eine bereits als solche existente AG handeln. Der konkrete Umfang der weiteren Voraussetzungen der Zulassung variiert je nachdem, in welchem rechtlichen „Handelsumfeld“ die Aktie notiert werden soll. Die deutschen Wertpapierbörsen stellen dem Emittenten verschiedene „Marktsegmente“ zur Verfügung, in denen Aktien gehandelt werden können.66 Ein solches Segment ist nichts anderes als ein Oberbegriff für eine Reihe von Pflichten und Rechten betreffend den Handel der Aktien, denen sich der Handelsteilnehmer unterwirft. Während früher die Segmente amtlicher Handel, geregelter Markt und Freiverkehr zur Verfügung standen – in Frankfurt wurde 1997 zusätzlich im Freiverkehr der (mittlerweile wieder abgeschaffte) „Neue 63 Auskunft der Deutschen Börse AG (Frankfurter Wertpapierbörse). Die Investoren in das Wertpapier des Emittenten können ab Notierungsaufnahme die Aktien handeln, müssen dies aber nicht. Der Emittent muss auch nicht dafür sorgen, dass Aktien tatsächlich für den Handel zur Verfügung stehen. Zur Börseneinführung auch Groß Kapitalmarktrecht §§ 42, 43 Rn. 1 ff.; Schanz § 12 Rn. 61. 64 Für den geregelten Markt fehlt eine vergleichbare ausdrückliche Bestimmung. § 5 BörsZulV bezieht sich unmittelbar nur auf die Zulassung im amtlichen Markt. Die Aussagekraft der Vorschrift auch für den geregelten Markt wird aber nicht bezweifelt, vgl. Schanz § 3 Rn. 1. 65 Je nach Marktsegment bestehen allerdings unterschiedliche Voraussetzungen an die „Unternehmensgeschichte“ (vgl. § 3 BörsZulV für den Amtlichen Handel), so dass eine Neugründung nicht immer zweckmäßig ist. 66 Übersicht über die Zulassungsvoraussetzungen bei Schlitt AG 2003, 57.

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Markt“ eingeführt –, ist die Börse zu Beginn des Jahres 2003 neu segmentiert worden.67 Es gibt nun die beiden in den rechtlichen Bedingungen weitgehend angeglichenen Segmente amtlicher Markt (§§ 30 ff. BörsG) und geregelter Markt (§§ 49 ff. BörsG) sowie daneben den Freiverkehr (§ 57 BörsG). An der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) stehen als Unterteilungen die Handelssegmente „Prime Standard“ und „General Standard“ zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine Untergliederung sowohl des Segments amtlicher als auch des Segments geregelter Markt. Die Zulassung zum „General Standard“ des amtlichen Markts setzt lediglich voraus, dass der Emittent die sich aus dem BörsG ergebenden Anforderungen des Segments erfüllt. § 69 BörsO FWB überträgt diese Zulassungsvoraussetzungen mit wenigen Ausnahmen auf den General Standard des geregelten Markts. Im „Prime Standard“ des jeweiligen Segments müssen sich die Unternehmen zusätzlich zu erhöhter Transparenz verpflichten. Dazu gehören Quartalsberichterstattung 68, Anwendung internationaler Rechnungslegungsvorschriften (IAS oder US-GAAP), Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders mit den wichtigsten Terminen, Durchführung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr sowie Ad hoc-Meldungen und laufende Berichterstattung in englischer Sprache (§§ 60 ff. bzw. 75 ff. BörsO FWB). Die Voraussetzungen für die Zulassung zum Handel im amtlichen Markt ergeben sich aus §§ 30, 32 BörsG i.V. m. der BörsZulV und den BörsO der Börsen. Unter anderem muss der Emittent danach grundsätzlich mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden haben, § 3 I BörsZulV. Bei erstmaliger Zulassung muss der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien mindestens A 1,25 Mio betragen, § 2 I BörsZulV. Des Weiteren muss sich der Zulassungsantrag grundsätzlich auf alle Aktien einer Gattung beziehen, § 7 I BörsZulV. Die Streuung der zuzulassenden Anteile beim Publikum muss, um ausreichende Liquidität am Markt zu gewährleisten, grundsätzlich 25% des Gesamtnennbetrags bzw. der Stückzahl der zuzulassenden Aktien betragen, § 9 I BörsZulV.69 Von zentraler Bedeutung ist die Anfertigung des Börsenzulassungsprospekts mit den erforderlichen Informationen über das Unternehmen, §§ 30 III Nr. 2, IV, V, 67 Die rechtlichen Voraussetzungen für diese Neusegmentierung hat der Gesetzgeber mit §§ 42, 54 S. 2, 50 III BörsG geschaffen. 68 Die Ferdinand Porsche AG hat sich bislang geweigert, Quartalsberichte – die Voraussetzung für die Aufnahme in den DAX sind – vorzulegen (FAZ vom 9.2.2002, „Porsche ist eigentlich ein Kandidat für den Dax“). Der Druck der Quartalsberichterstattung stehe einer langfristig ausgerichteten Unternehmensführung im Wege. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anordnung einer Quartalsberichterstattungspflicht sowie gegen die „Nivellierung“ der Börsensegmente amtlicher und geregelter Markt durch die Frankfurter Wertpapierbörse äußert Spindler WM 2003, 2073. 69 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird die Emission eines erheblichen prozentualen Teils von Aktien empfohlen, um starke Kursschwankungen zu vermeiden, vgl. Hasselmann S. 149 f.; Dr. Wieselhuber & Partner S. 44. Kleinere Tranchen könnten bei entsprechender Nachfrage oder größeren Abstoßungen den Kurs stark nach oben bzw. unten ausschlagen lassen.

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32 BörsG i.V. m. 13 ff. BörsZulV. Der Prospekt muss der Börsenzulassungsstelle vorgelegt, von ihr gebilligt und sodann veröffentlicht werden. Die Anforderungen für eine Zulassung zum geregelten Markt werden maßgeblich durch die jeweiligen BörsO der Börsen ausgestaltet, was § 50 BörsG ermöglicht. § 69 I BörsO FWB gleicht die Zulassungsbedingungen zum General Standard des geregelten Marktes denjenigen des amtlichen Marktes (bzw. nach der Unterteilung der FWB: des General Standards im Bereich amtlicher Markt) weitestgehend an. § 69 II BörsO FWB sieht lediglich einige Erleichterungen betreffend die Offenlegung von Jahresabschlüssen durch den Emittenten in der Vergangenheit und die erforderliche Streuung der Anteile vor. Auch muss sich der Antrag auf Zulassung nicht auf sämtliche Aktien einer Gattung beziehen. Sind die Voraussetzungen für die Börsenzulassung durch den Emittenten erfüllt, hat ihm das Zulassungsgremium die Zulassung, einen begünstigenden Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG, zu erteilen.70 Von der Zulassung zu unterscheiden ist die Einführung der Aktien an der Börse, § 37 BörsG.71 Voraussetzung hierfür ist eine eigenständige Gestattung seitens der Geschäftsführung der Börse, d.h. ein weiterer, eigenständiger Verwaltungsakt.72 b) Der Weg der im Rahmen des Börsengangs emittierten Aktien zum neuen Gesellschafter (1) Verkauf von „Altanteilen“ und Kapitalerhöhung; Emission von Stamm- oder Vorzugsaktien; Namensaktien als bevorzugte Aktienart Bisher hat der Börsengang als „Gesamtprozess“ mit seinen rechtlichen Eigenheiten im Vordergrund gestanden. Näherer Betrachtung bedarf noch das Schicksal der im Rahmen des Börsengangs emittierten und an die Investoren weitergereichten Aktien. Auf welche Art und Weise diese Aktien zum neuen Gesellschafter, dem Investor, gelangen, der sie dann über die Börse weiterverkaufen kann, lässt sich dem Gesetz nämlich nicht entnehmen. Die erforderlichen bzw. zweckmäßigen Abläufe sind vielmehr in der Rechtspraxis entwickelt worden. Üblicherweise stellt sich der rechtliche Weg der für den Börsengang zur Verfügung stehenden Aktien bis zum Sekundärmarkt dementsprechend heute wie folgt dar:

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Schwark Kapitalmarktrechtskommentar § 30 Rn. 5 f. Im geregelten Markt ist § 37 BörsG über § 54 BörsG anwendbar. 72 Auskunft der Deutschen Börse AG. Zur Börseneinführung schon oben B. I. 2. b) (a. E.). 71

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Die zu emittierenden und zuzulassenden Anteile können von Altgesellschaftern stammen, die ihre Aktien verkaufen73, die AG kann aber auch neue Anteile durch eine Kapitalerhöhung schaffen, bzw. beide Vorgänge lassen sich – was regelmäßig in der Praxis geschieht – kombinieren.74 Der alleinige Anteilsverkauf durch Altaktionäre stellt nämlich der Gesellschaft kein frisches Kapital zur Verfügung. Eine umfangreiche Abstoßung von Geschäftsanteilen durch die Altaktionäre setzt außerdem ein negatives Zeichen für den Markt, da es als Ausdruck mangelnden Vertrauens der Eigner in die Entwicklung des Unternehmens interpretiert werden kann.75 Als Varianten für die Schaffung von Anteilen durch die AG stehen die effektiven Kapitalerhöhungen in Form der Kapitalerhöhung gegen Einlagen76, einer bedingten Kapitalerhöhung77 sowie des genehmigten Kapitals78 zur Verfügung. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff. AktG) erfüllt demgegenüber keine Finanzierungsfunktion, wird also für einen Börsengang regelmäßig nicht sinnvoll sein.79 Denn gemäß § 212 AktG sind die jungen Aktien den (Alt-)Aktionären zugeordnet. Das kann schon mit der nach Börsenrecht erforderlichen Streuung der Anteile beim Publikum kollidieren (§ 9 I BörsZulV für den amtlichen Markt).80 Die übliche Form der Kapitalerhöhung zum Zwecke des Börsengangs ist das genehmigte Kapital, da das Verfahren die größte Flexi73 Zum Käufer sogleich unter B. I. 3. b) (2). Die Aktionäre sind hinsichtlich des Verkaufs durch den Vorstand insoweit gleichzubehandeln (§ 53a AktG), als jedem Aktionär die Möglichkeit eingeräumt werden muss, entsprechend seiner Beteiligung an der AG Anteile im Rahmen des Börsengangs zu verkaufen. Zwar geht es insoweit um einen Verkauf der Gesellschafter an die Emissionsbanken. Doch handelt der Vorstand den zugrunde liegenden Übernahmevertrag für die AG aus, in dessen Rahmen auch die Zur-Verfügung-Stellung der Anteile mit geregelt wird (vgl. etwa Schanz § 9 Rn. 37). Näher zum Gleichbehandlungsgebot beim Verkauf der Altaktien Lutter/Drygala FS Raisch S. 242, die sich zugleich auf eine vermeintliche „Treuepflicht“ unter den Aktionären stützen. 74 Vgl. Hasselmann S. 138; Kast/Peter BB 2001, 1822. Denkbar ist – was in der Literatur selten erwähnt wird – auch, dass eigene Aktien der Gesellschaft verkauft werden, vgl. Schanz § 1 Rn. 9; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 460. 75 Vgl. auch Fleischer ZIP 2002, 1217, 1220 zu den Fällen von „Directors’ Dealings“, die ebenso wie Geschäfte der Anteilseigner Indikatorwirkung für den Markt haben können, weil sie als Transaktionen von vermuteten „Unternehmenskennern“ wahrgenommen werden. Lenenbach Rn. 7.84 weist außerdem darauf hin, dass eine Kapitalerhöhung dem Eindruck entgegenwirken soll, die Altaktionäre wollten lediglich „Kasse machen“. 76 Zum Ablauf einer solchen Kapitalerhöhung im einzelnen Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 580 ff. 77 Dazu Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 592. Zulässige Bedingung ist z. B. die Gewährung von „Stock Options“ im Rahmen der Mitarbeiterbeteiligung, § 192 II AktG. Das ist vor allem für Mitglieder der Geschäftsführung nicht unüblich, vgl. Schanz § 9 Rn. 40, § 19 Rn. 25. 78 Dazu Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 593 ff. 79 Ebenso Erber S. 17; a. A. offenbar Schwintowski/Schäfer § 15 Rn. 8 (ohne nähere Begründung).

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bilität belässt.81 Durch das genehmigte Kapital kann die Hauptversammlung den Vorstand ermächtigen, in einem Zeitraum von 5 Jahren nach Gründung der Gesellschaft bzw. nach Eintragung der Satzungsänderung eine Kapitalerhöhung (i. H. v. bis zu 50% des Grundkapitals) ohne neuen Beschluss der Hauptversammlung durchzuführen, §§ 202 I bzw. II, 203 I, 185 ff. AktG. Die Aktien können in Form von Stammaktien (§ 12 I 1 AktG) oder als Vorzugsaktien (§§ 12 I 2, 139 ff. AktG) emittiert werden.82 Stimmrechtslose Vorzugsaktien sind ein Mittel zur Wahrung des Einflusses der Alteigentümer beim Börsengang unter Maximierung des Emissionserlöses.83 Höchstens die Hälfte des Grundkapitals darf in Vorzugsaktien verbrieft sein, § 139 II AktG. Allerdings sind Vorzugsaktien bei ausländischen Investoren kaum gefragt und werden allgemein mit deutlichen Kursabschlägen notiert.84 Hinsichtlich der Aktienart stellen die Gesellschaften immer mehr auf die Emission von Namensaktien (§ 10 I Var. 2 AktG) anstelle von Inhaberaktien um. Namensaktien lassen sich für eine effektivere Investor-Relations-Arbeit einsetzen und sind ausländischen Investoren vertraut.85 Auf diese Entwicklung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) reagiert.86 Für international tätige AG, die eine Registrierung auch an der New Yorker Börse anstreben, ist die Emission von Namensaktien zwingend. Das Börsenrecht der New Yorker Börse (NYSE) lässt nur die Notierung von „registered shares“ zu. 80 Allerdings sind Mischformen von Kapitalerhöhungen zulässig, so dass ein Anwendungsbereich auch im Rahmen des Börsengangs verbleiben mag. Sinnvoll kann eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln außerdem sein, wenn alle Börsenzulassungsvoraussetzungen erfüllt sind und lediglich die Börsenpräsenz hergestellt werden soll. 81 Dr. Wieselhuber & Partner S. 32; Schanz § 9 Rn. 43 f. 82 Es handelt sich dabei um unterschiedliche Aktiengattungen, vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 623. 83 Die Eignung von Vorzugsaktien zur Wahrung des Einflusses der Alteigner steht unter dem Vorbehalt des § 140 II AktG, der ein temporäres „Aufleben“ eines Stimmrechts der Vorzugsaktionäre anordnet, wenn in einem Jahr der Vorzugsbetrag nicht oder nicht vollständig gezahlt und der Rückstand im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug dieses Jahres nachgezahlt wird. 84 Der Abschlag soll ca. 20% betragen, vgl. Rödl/Zinser S. 251; Römer/Müller DB 2000, 1086. Die meisten Unternehmen stellen daher auf die Emission von Stammaktien um, vgl. Rödl/Zinser S. 40 f. 85 Emittentenleitfaden Deutsche Börse, S. 42; Römer/Müller DB 2000, 1087. Die gesteigerte Attraktivität der Namensaktie in Deutschland hat vor allem damit zu tun, dass der Mehraufwand bei der Verwaltung und Übertragung von Namensaktien erheblich gesenkt werden konnte. Die Clearstream Banking AG (Wertpapiersammelbank) hat 1997 zu diesem Zweck ein elektronisches Depot-, Verwaltungs- und Übertragungssystem für Namensaktien (CASCASE-RS) entwickelt, das es ermöglicht, Namensaktien ohne größere Nachteile gegenüber Inhaberaktien in die Girosammelverwahrung und den Effektengiroverkehr einzubeziehen. Hierzu Lenenbach Rn. 5.46. 86 Vgl. Wilhelm Wertpapierrecht Rn. 74.

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(2) Übernahme der Anteile durch die Emissionsbanken Die durch Altgesellschafter oder im Wege der Kapitalerhöhung zur Verfügung gestellten Anteile werden in der Praxis nicht etwa von privaten oder institutionellen Anlegern erworben bzw. gezeichnet, sondern von den Emissionsbanken. Sie übernehmen auf der Grundlage des „Übernahmevertrags“ die zu platzierenden Anteile von der Gesellschaft und von den Altgesellschaftern und veräußern sie dann – soweit „Zeichnungs“-Aufträge vorliegen – zum festgelegten Emissionspreis weiter an private und institutionelle Investoren. In der Praxis werden die jungen Aktien dabei meistens zum Nennwert von den Banken gezeichnet. Diese verpflichten sich im Übernahmevertrag schuldrechtlich, den „Emissions-“ bzw. Weiterverkaufserlös abzüglich ihrer Forderungen an den Emittenten abzuführen.87 Die Platzierung der Anteile bei den Investoren im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens ist also ein Weiterverkauf, wobei die Bank hinsichtlich der Konditionen für diesen Verkauf (z. B. hinsichtlich des Preises und der Zuteilungsmodalitäten) durch den Übernahmevertrag mit dem Emittenten schuldrechtlich gebunden ist.88 Rechtliches Handelsobjekt sind im Zeitalter von „Dauerglobalurkunden“ (§ 9a DepotG) regelmäßig Miteigentumsanteile an der entsprechenden gesamtverbriefenden Urkunde.89 Damit die Banken die aus einer Kapitalerhöhung stammenden Anteile übernehmen und frei weiterveräußern können, muss das Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen werden.90 Zwar könnten theoretisch die Altgesellschafter ihr Bezugsrecht ausüben und anschließend die jungen Aktien über die Börse (zu einem höheren Preis) an neue Aktionäre weiterverkaufen. Auch dadurch würde die AG neues Kapital gewinnen. Häufig sollen die jungen Aktien aber direkt an „fremde“ Gesellschafter veräußert werden, damit der AG – und nicht den veräußernden Altgesellschaftern – das Maximum an Kapital zufließt. Insoweit ist folglich das Bezugsrecht der bisherigen Gesellschafter auszuschließen. Für die Kapitalerhöhung gegen Einlagen sieht § 186 III AktG die Möglichkeit eines Bezugsrechtsausschlusses vor. Im Rahmen einer bedingten Kapitalerhöhung fehlt es an einer besonderen Regelung, weil der Ausschluss des Bezugs-

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Vgl. Hohla S. 156; Grupp Börseneintritt S. 26. Überblick über den üblichen Inhalt eines Übernahmevertrags bei Schanz § 9 Rn. 37 ff. 89 Einzelheiten bei Lenenbach Rn. 2.11 ff. Zum Handel von Namensaktien vgl. schon oben Fn. 85. 90 Denkbar ist natürlich auch ein Bezugsrechtsverzicht seitens der Aktionäre oder ein Bezugsrechtskauf durch die Banken. Das kommt aber nur bei Börsengängen von Gesellschaften mit sehr überschaubarem Gesellschafterkreis in Betracht, vgl. Groß ZIP 2002, 162. Die Aktionäre können einen Bezugsrechtsverzicht schuldrechtlich vereinbaren. Sie verpflichten sich dann untereinander, ihr an sich bestehendes konkretes Bezugsrecht im Interesse des erfolgreichen Börsengangs nicht auszuüben. Zur Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung Durchlaub BB 1977, 875 f. 88

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rechts der Altaktionäre hier selbstverständlich ist.91 Beim genehmigten Kapital kann nach § 203 II AktG im „Ermächtigungsbeschluss“ der Hauptversammlung der Ausschluss des Bezugsrechts durch Vorstandsbeschluss vorgesehen werden. Soweit ein besonderer Beschluss über den Ausschluss des Bezugsrechts erforderlich ist, muss dieser nach heute überwiegender Auffassung von einem sachlichen Grund getragen sein.92 Sachlich gerechtfertigt in diesem Sinne ist ein Bezugsrechtsausschluss, wenn er einem Zweck dient, der im Interesse der Gesellschaft liegt, zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich ist und der Nachteil für die Gesellschafter nicht außer Verhältnis zum Vorteil der Gesellschaft steht.93 Der Börsengang als solcher wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend als sachlicher Grund für den Bezugsrechtsausschluss akzeptiert.94 Schon die Zulassungsvoraussetzungen des angestrebten Börsensegments können eine gewisse Streuung und damit notwendig einen Bezugsrechtsausschluss erforderlich machen (§ 9 I BörsZulV für den amtlichen Markt). Im Rahmen des Börsengangs muss die AG zudem ihren Aktionärskreis verbreitern, um sich dem Publikum öffnen zu können95 und dadurch einen funktionierenden Handel zu gewährleisten. Es muss „ein ausreichendes Volumen an handelbaren Aktien zur Verfügung stehen, weil unzureichende Plazierungsmengen zu Taxkursen, Zufallsnotierungen und übermäßigen Kurssprüngen führen könnten“.96 Diese Ziele sind nicht durch ausschließliche Veräußerung von Altaktien realisierbar.97 Der Zweck des Börsengangs ist daher – auch wenn letztlich aufgrund

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Vgl. Hüffer AktG § 192 Rn. 3. BGHZ 71, 40 (Kali & Salz). Näher zum Ganzen Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 587 ff. sowie Natterer S. 37 ff. Beim genehmigten Kapital tritt an die Stelle des sachlichen Grundes das Erfordernis, dass die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, im „wohlverstandenen Interesse“ der Gesellschaft liegt (BGH NJW 1997, 2815). Dazu Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 595 ff.; Natterer S. 114 ff. 93 Vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 589. 94 So BGHZ 125, 239 („Deutsche Bank“) für die Börseneinführung von Aktien an einer ausländischen Börse. Aus der Literatur z. B. Großkomm4 /Wiedemann § 186 Rn. 159; KK2 /Lutter § 186 Rn. 72 (für den Gang an eine ausländische Börse); Lutter FS Zöllner I S. 379 unter Hinweis darauf, dass der Bezugsrechtsausschluss schon deshalb gerechtfertigt sei, weil die AG vom Gesetz als Börsengesellschaft konzipiert sei; Bungert WM 1995, 1; Meyer WM 2002, 1108; Groß ZIP 2002, 162. A. A. Hirte S. 65 f. Er hält einen Bezugsrechtsausschluss zum Zweck eines Börsengangs für grundsätzlich unzulässig. Zurückhaltend auch Heidkamp S. 66 ff. 95 Bungert WM 1995, 10 hält einen Imagegewinn aus der Bereitschaft der AG zur Emission unter Bezugsrechtsausschluss für möglich. Das deute auf die Flexibilität der Gesellschaft hin. 96 BGHZ 123, 242. Taxkurse sind Kurszusätze, die besagen, dass es zu keinerlei Umsatz im entsprechenden Wertpapier gekommen ist. „Zufallsnotierung“ ist kein Fachbegriff, sondern soll bedeuten, dass die betreffende Notierung nicht Ausdruck eines funktionierenden, ausgewogenen Handels, sondern Ausdruck starker Kursschwankungen wegen des geringen Handelsvolumens ist. 92

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

der Umstände des jeweiligen Falls entschieden werden muss – regelmäßig als sachlicher Grund für einen Bezugsrechtsausschluss anzusehen. Die Übernahme der Anteile durch die Emissionsbanken weist üblicherweise eine rechtliche Besonderheit auf: Im Übernahmevertrag lassen sich die Banken zumeist eine „Greenshoe-Option“98 einräumen, um starken Kursschwankungen in der ersten Handelsphase begegnen zu können. Im Rahmen der GreenshoeOption wird als erster rechtlicher Bestandteil vorgesehen, dass den Emissionsbanken im Wege einer sogenannten „Aktienleihe“ – rechtlich handelt es sich um ein Darlehn – weitere Anteile im Umfang von ca. 10–15% des „eigentlichen“ Emissionsvolumens zur Verfügung gestellt werden.99 Die Anteile für diese Aktienleihe stammen aus der Hand von Altaktionären.100 Das ermöglicht folgendes Vorgehen: Die Banken teilen den Anlegern, entsprechende Nachfrage vorausgesetzt, von vornherein 10–15% mehr Aktien zu, als sie, die Banken, auf der Grundlage des Übernahmevertrags vom Emittenten als „Haupt-Tranche“ erhalten. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Anlegern greifen die Banken auf die geliehenen Anteile zurück.101 Auf diese Weise kann die Bank einer erhöhten Nachfrage der Aktie bei der Emission oder in der Zeit unmittelbar nach der Emission begegnen. 97 Zwar entstehen auch bei Ausübung des Bezugsrechts neue Anteile. Die erforderliche Streuung wird aber nicht erreicht, wenn die Altaktionäre nicht anschließend ihre Anteile veräußern. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die alleinige Veräußerung von Altaktien auch nicht empfehlenswert ist, vgl. oben Fn. 75. 98 Benannt nach dem Börsengang der Green Shoe Manufacturing Co., bei dem dieses Verfahren erstmals angewendet wurde, vgl. Hohla S. 74 Fn. 218; auch als „Mehrzuteilungsoption“, „overallotment option“ (Überzuteilungsoption) oder „overallocation“ bezeichnet. Zu verschiedenen Techniken und zur Zulässigkeit des „Greenshoe“ Meyer WM 2002, 1106 ff. 99 Vgl. Rödl/Zinser S. 308; Meyer WM 2002, 1106. 100 Eigene Aktien der AG werden für die Aktienleihe wegen der restriktiven Regeln des AktG zu den eigenen Aktien in §§ 71 ff. AktG regelmäßig nicht herangezogen (vgl. Groß ZIP 2002, 161). Sie können der Gesellschaft unter Umständen nach Ende der Aktienleihe nicht ohne weiteres wieder angedient werden. Statt einer Aktienleihe ist grundsätzlich auch denkbar, dass die Banken auf Aktien aus ihren eigenen Depots zurückgreifen oder dass mit einzelnen Großanlegern ein sogenanntes „deferred settlement“ vereinbart wird. Diese Anleger erhalten ihre Anteile dann erst zu einem späteren Zeitpunkt nach der Zuteilung als die anderen Anleger. Das ermöglicht es der Bank, zunächst „zu viele“ Aktien zum Zweck der Marktkorrektur zuzuteilen (dazu sogleich näher im Text) und ihre Verpflichtung gegenüber dem Großanleger zu einem Zeitpunkt zu erfüllen, in dem sich der Kurs stabilisiert hat. In der Praxis sind aber beide Varianten oftmals nicht gewünscht. Regelfall ist daher die Aktienleihe von Seiten der Altaktionäre. 101 „Leerverkäufe“ (also der (schuldrechtliche) Verkauf von Aktien, ohne dass die Bank solche in ihrem Depot hat) sind hingegen nicht durchführbar, deshalb ist die Aktienleihe erforderlich. Nach § 15 SBW ist ein Börsengeschäft nämlich innerhalb von zwei Börsentagen dinglich zu vollziehen, d.h. es muss eine entsprechende Menge von Anteilen im Depot des Veräußerers schon vorhanden sein, wenn dieser verkaufen will, vgl. Meyer WM 2002,1107 Fn. 19.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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Aus der Aktienleihe sind die Banken nach Ablauf der Leihfrist zur Rückgewähr der Aktien an den Verleiher, d.h. an die Altaktionäre, verpflichtet. Fällt der Kurs der Aktien nach der Börseneinführung, so tätigt die Bank Stützungskäufe am Markt, erwirbt also Anteile des Emittenten, um den Kurs zu stabilisieren.102 Sie kann dann am Ende der „Greenshoe-Periode“ ihre Rückgewährverpflichtung aus der Aktienleihe mit Hilfe der rückerworbenen Aktien erfüllen. Steigen die Kurse, wird die Bank keine Aktien zum Zweck der Marktkorrektur erwerben und kann folglich auch keine Aktien am Ende der „Leihfrist“ zurückgewähren. Sie müsste sich jedoch am Markt eindecken, um ihrer Rückgewährverpflichtung aus der Aktienleihe nachkommen zu können. Das wäre mit Blick auf potentiell steigende Kurse ein erhebliches finanzielles Risiko für die Bank (welches sie sich entsprechend würde vergüten lassen). Dieses Problem ist mit einem weiteren rechtlichen Bestandteil der Greenshoe-Option gelöst: Der Bank kann zum einen das Recht eingeräumt werden, eine weitere Tranche von Aktien – im Ergebnis die Quote, die den „zu viel“ zugeteilten Aktien entspricht, i. d. R. eben 10–15% des Emissionsvolumens – vom Verleiher zu erwerben, und zwar zu dem Preis, der für alle zu platzierenden Aktien galt. Die Banken kaufen in diesem Fall durch Ausübung ihrer Option die bereits „zu viel“ zugeteilten Aktien von den Altaktionären und können sich von ihrer Rückgabeverpflichtung aus der Aktienleihe im Wege der Aufrechnung befreien. Davon unberührt bleibt natürlich die Verpflichtung der Bank zur Kaufpreiszahlung hinsichtlich dieser Anteile. Diese bedienen sie aus dem Erlös der „zu viel“ zugeteilten Aktien. Zum anderen kann anstelle der Verleiher die Gesellschaft „Stillhalterin“ der Greenshoe-Option sein. In diesem Fall wird die Rückgabeverpflichtung der Banken gegenüber dem Verleiher der Aktien dadurch erfüllt, dass die Banken junge Aktien aus einer Kapitalerhöhung des Emittenten zeichnen und an den Verleiher übertragen. Diese Variante hat aus Sicht der AG den Vorteil, dass ihr – und nicht den Altaktionären – der Mehrerlös aus der Greenshoe-Tranche zufließt.103 Ob sich die letztere Variante des Greenshoes in der Praxis wird halten lassen, hängt von der weiteren Entwicklung in der Rechtsprechung ab. Das KG hat zu bedenken gegeben, dass die Emissionsbanken die Aktien aus der Greenshoe-Tranche zu den gleichen Bedingungen zeichnen wie diejenigen der Haupt-Tranche. Der Ausgabebetrag für die Haupt-Tranche könne aber zum Zeitpunkt der Zeichnung der Aktien aus der Greenshoe-Option durch die Banken bereits wesentlich unterhalb des Börsenkurses liegen, den die Aktien inzwischen erreicht haben können.104 In einer solchen Situation emittiere die Gesellschaft die Aktien der Greenshoe-Tranche weit unter dem Marktwert. Das KG hat daraus gefolgert, dass der Beschluss, der den Vorstand „ermäch102 Eine entsprechende Verpflichtung folgt aus dem Übernahmevertrag, vgl. Lenenbach Rn. 7.105. 103 Zu diesen Varianten der Greenshoe-Option Groß ZIP 2002, 161 f. 104 KG ZIP 2001, 2178 ff.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

tige“, das Kapital der AG im Rahmen des Greenshoes zu erhöhen (§ 202 II AktG), gegen § 255 II AktG verstößt und deshalb anfechtbar ist. Der Ausgabebetrag für die Aktien sei dann nämlich „unangemessen niedrig“ i. S. d. Vorschrift. Zwar enthalte der Beschluss der Hauptversammlung selbst noch keine Festsetzung des Ausgabebetrags der Aktien. Insoweit sei nicht ganz unzweifelhaft, ob § 255 II AktG, der an einen unangemessen niedrigen Ausgabebetrag aus dem Erhöhungsbeschluss anknüpft, angewendet werden könne. Im Interesse effektiven Schutzes der Minderheitsaktionäre könnten die Aktionäre aber nicht auf den Rechtsschutz gegen die eigentliche Kapitalerhöhung durch den Vorstand verwiesen werden, wenn sich der Vorstand – wie im vorliegenden Fall – auf der Grundlage des Hauptversammlungsbeschlusses gar nicht rechtmäßig verhalten könne. Dann müsse schon der Beschluss der Hauptversammlung angreifbar sein. Dass sich der Vorstand gar nicht rechtmäßig verhalten kann, erklärt sich nach Ansicht des KG daraus, dass der Vorstand gerade dann das Kapital für die Greenshoe-Tranche zu den im Übernahmevertrag bestimmten Konditionen erhöhen soll, wenn der Börsenkurs den Emissionskurs weit übertrifft. Nur in diesem Fall würden die Banken nämlich weitere Aktien nachbeziehen. Die Aktien der GreenshoeTranche würden mithin notwendig weit unter Wert, also zu einem unangemessen niedrigen Ausgabepreis, emittiert, was gegen § 255 II AktG verstoße. Diese Argumentation ist aus mehreren Gründen unzutreffend105: Das KG zieht zunächst § 255 II AktG unmittelbar heran, um die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zu begründen. Die Norm ist auf den „ermächtigenden“106 Beschluss der Hauptversammlung nach § 202 II AktG aber ersichtlich nicht direkt anzuwenden. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen Kapitalerhöhungsbeschluss, wie ihn § 255 II i.V. m. I AktG voraussetzt. Daher blieb allenfalls der Weg über eine Analogie. An der Existenz einer (für die Analogie zu begründenden) Regelungslücke107 muss man angesichts der vom Gericht selbst aufgezeigten Rechtsschutzmöglichkeiten der Aktionäre, insbesondere gegenüber dem Kapitalerhöhungsbeschluss des Vorstands, aber zweifeln.108 Außerdem fehlt es im Beschluss nach § 202 II AktG gerade am maßgeblichen Element, auf das § 255 II AktG abhebt: einer Preisbestimmung.109 Wie vor diesem Hintergrund die Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen zu begründen sein sollte, ist nicht ersichtlich. 105 Die Entscheidung ist im Schrifttum auf einhellige Ablehnung gestoßen, etwa bei Meyer WM 2002, 1106; Busch AG 2002, 230; Groß ZIP 2002, 160; Schanz BKR 2002, 439 sowie Lenenbach Rn. 7.103 ff. 106 Genau genommen wird der Vorstand allerdings nicht schon durch den Beschluss der Hauptversammlung zur Erhöhung des Grundkapitals der AG ermächtigt, sondern erst durch die – kraft des Hauptversammlungsbeschlusses geänderte – Satzung. Die Formulierung des KG ist insoweit ungenau. 107 Hierzu Larenz S. 370 ff. 108 So auch Groß ZIP 2002, 164. 109 Deshalb wendet der BGH (NJW 1997, 2817) in einer solchen Situation § 255 II AktG (analog) auf die Erhöhung des Kapitals durch den Vorstand an. Schon dem dürfte zu entnehmen sein, dass eine Anwendung auf den Hauptversammlungsbeschluss aus Sicht des BGH nicht in Betracht kommt. Dementsprechend nimmt auch die ganz h. L. an, dass § 255 II AktG auf einen Beschluss über die Einräumung eines genehmigten Kapitals, der keine Vorgaben hinsichtlich des Ausgabebetrags für die Aktien macht, nicht angewendet werden kann, vgl. Hüffer AktG § 255 Rn. 6, 8; GroßKomm4 / Karsten Schmidt § 255 Rn. 4; Meyer WM 2002, 1111 (m. w. N. in Fn. 48).

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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Aus tatsächlichen110 Gründen verfehlt ist auch die Grundthese des KG, mit der es die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses befürwortet: Der Vorstand hat nach Auffassung des Gerichts auf der Grundlage des Hauptversammlungsbeschlusses keine „Chance“, sich rechtmäßig zu verhalten. Der Vorstand wird aber nicht nur und immer dann das genehmigte Kapital ausnutzen, wenn der Börsenkurs den Emissionspreis weit übertrifft. Denkbar ist vielmehr ebenso, dass wegen hoher Nachfrage zwar die Aktien der Haupt- und Greenshoe-Tranche zugeteilt werden, der Börsenkurs in der Folge aber in Höhe des Emissionspreises weitgehend stabil bleibt und die Bank deshalb keine Aktien am Markt zurückerwirbt. Auch in einer solchen Situation wird die Bank die Aktien aus dem genehmigten Kapital zeichnen, um ihrer Rückgewährverpflichtung aus der Aktienleihe begegnen zu können. Dann kann aber von einem unangemessen niedrigen Ausgabebetrag i. S. v. § 255 II AktG nicht die Rede sein. Sodann wendet das Gericht § 255 II AktG gleich zweimal an. Das KG misst nicht nur den Hauptversammlungsbeschluss an § 255 II AktG. Vielmehr wird argumentiert, dass der Vorstand durch den Beschluss der Anteilseigner zu einem (notwendig) rechtswidrigen Verhalten ermächtigt werde. Das KG lässt insoweit erkennen, dass es die Kapitalerhöhung durch den Vorstand als den letztendlich rechtswidrigen Akt ansieht und dass die Rechtswidrigkeit auf der Festsetzung eines unangemessen niedrigen Preises basiere.111 Aus Sicht des Gerichts gilt also § 255 II AktG (auch) für den Vorstandsbeschluss. Insoweit kam wiederum nur eine Analogie in Betracht, zu der das Gericht erneut keinerlei Ausführungen macht. Sowohl betreffend den Hauptversammlungsbeschluss als auch hinsichtlich der Erhöhung des Kapitals durch den Vorstand wählt das KG einen unzutreffenden Bezugspunkt für die Feststellung der „Angemessenheit“ des Ausgabebetrags für die Aktien. Es kann hierfür nicht auf denjenigen Betrag ankommen, zu dem die Banken die Aktien beim Emittenten zeichnen, sondern nur auf den Emissionspreis, den die Bank von den Anlegern erhält (und an den Emittenten weiterleitet). 112 Das lässt sich an der Praxis verdeutlichen: Die Banken zeichnen schon die Aktien aus der Kapitalerhöhung für die „Haupt-Tranche“ in aller Regel zum Nennbetrag. Die eigentliche Wertzuführung an die AG erfolgt erst über die Abführung des Mehrerlöses durch die Banken gemäß ihren Pflichten aus dem Übernahmevertrag. Folgte man der Ansicht des KG, betrachtete man also isoliert die Kapitalerhöhung, so müsste man regelmäßig schon die Erhöhung des Grundkapitals für die „Haupt-Tranche“ der Aktien für unzulässig halten. Da110 Groß fragt im Übrigen zu Recht nach der rechtlichen Grundlage für die Annahme des KG, dass schon der Beschluss der Hauptversammlung angreifbar sein müsse, wenn dieser dem Vorstand keine rechtmäßige Verhaltensweise eröffne (ZIP 2002, 164). Diese Frage erübrigt sich indessen, da schon die tatsächliche Annahme verfehlt ist. 111 Vgl. ZIP 2001, 2181 (r. Sp.): „[. . .] hat der hier angefochtene Beschluss seinem erklärten Inhalt nach den einzigen Zweck, dem Vorstand eine gesetzeswidrige Ausgabe von Aktien zu unangemessen niedrigen Preisen zu ermöglichen“ (Hervorhebung des Verf.); schon vorher S. 2180: „Es ist offensichtlich, dass der Beschluss des Vorstands [. . .] den Tatbestand des § 255 Abs. 2 AktG erfüllt“. Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Gerichts zum Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses und dessen Rechtswidrigkeit auf S. 2180 r. Sp. 112 Das Gericht stellt ersichtlich auf den Zeichnungsbetrag ab. Dass sich dieser im konkreten Fall offenbar mit dem Emissionsbetrag deckte, ist eine Zufälligkeit, welche an der Unrichtigkeit des Anknüpfungspunktes nichts ändert.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

gegen spricht aber der Grundgedanke des § 186 V AktG. Die Vorschrift berücksichtigt, dass es durch die Einschaltung von Banken zu „technisch“ bedingten Abweichungen kommen kann, welche die Rechte der Aktionäre im Ergebnis nicht beeinträchtigen. Deshalb sieht § 186 V AktG es nicht als Bezugsrechtsausschluss an, wenn Banken (unter technischem Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre) zur Zeichnung junger Aktien zugelassen werden, um diese anschließend den Aktionären zum Bezug anzubieten. Ähnlich liegt es beim Greenshoe. Der eigentliche, „wirtschaftliche“ Emissionspreis wird dem Emittenten erst in Erfüllung der Pflichten aus dem Übernahmevertrag zugeführt. Das kann, wie § 186 V AktG zeigt, keinen Unterschied machen. Im wirtschaftlichen Ergebnis sind die Aktien sämtlich nicht zum Nennbetrag ausgegeben worden, sondern zum Emissionspreis, den der Kunde seiner Bank für die Aktien bezahlt. Die Angemessenheit i. S. v. § 255 II AktG (analog) ist daher in Bezug auf diesen Preis zu ermitteln. Die Beurteilung der „Angemessenheit“ des Preises für die beiden Tranchen lässt sich nun, anders als das KG meint, nicht in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil „aufspalten“. Das KG übersieht die rechtlichen Besonderheiten des Börsengangs: Der Emissionspreis wird in einem aufwändigen Verfahren ermittelt und sodann im Ergebnis einheitlich für alle an den Kapitalmarkt zu gebenden Anteile festgelegt. Die Banken teilen bei entsprechender Nachfrage sowohl die Aktien aus der Haupttranche als auch diejenigen aus der Greenshoe-Tranche von vornherein zu. Warum in einer solchen Situation die Aktien der Haupttranche zu einem angemessenen, die aus „technischen“113 Gründen wenige Tage später nachbezogenen Aktien der GreenshoeTranche hingegen zu einem unangemessenen Preis ausgegeben sein sollen, ist nicht zu begründen. Zwischen den Aktien der Haupt-Tranche und denen der Greenshoe-Tranche lässt sich insoweit nicht trennen.114 Hinsichtlich beider Aktientranchen fließt der Gesellschaft auf der Grundlage des Übernahmevertrags der Emissionspreis zu. Was schließlich die (Un-)Angemessenheit dieses Emissionspreises im Verhältnis zum Börsenkurs in den ersten Handelstagen angeht, ist dem KG schon aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht nicht zu folgen. Dass es in der ersten Handelsphase häufig zu erheblichen Kurssteigerungen kommt, besagt mehr über die Nachfrage nach der Aktie als über ihren tatsächlichen Wert. Für die Angemessenheit des Emissionspreises bei Abgabe an den Markt115 spricht aber klar die Festlegung dieses Preises nach Durchführung einer umfassenden Due Diligence und unter Einbeziehung des Marktes im Bookbuilding-Verfahren.116 Dass bei der Ausgabe ein gewisser Erwerbsanreiz eine Rolle spielen soll, der Emissionspreis also günstig sein soll, wurde bereits gesagt. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass das Phänomen des „underpricing“ bei langfristiger Betrachtung sehr zweifelhaft und keineswegs gesicherte Erkenntnis ist. Zu113 Meyer WM 2002, 1112 spricht zutreffend von einem „rein wertpapiertechnische[n] Vorgang“, der lediglich der Abwicklung der im Übernahmevertrag vereinbarten Aktienleihe diene. 114 Ebenso Meyer WM 2002, 1113. 115 Dieser Preis ist oben als „wirtschaftlicher“ Emissionspreis bezeichnet worden. Der „technische“ Emissionspreis für die Aktien entspricht ja, wie gesehen, i. d. R. dem Nennbetrag. 116 Meyer WM 2002, 1113 meint sogar, nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Bookbuilding-Verfahrens könne an der Angemessenheit des Preises „kein ernsthafter Zweifel“ bestehen.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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dem ist auf den wirtschaftlichen Sinn dieser angeblich „zu niedrigen“ Preisfestlegung hingewiesen worden. Die AG erkauft insoweit den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Emission, insbesondere ein besseres „Emissions-Standing“ für Folgeemissionen. Die Bedenken des KG hinsichtlich der Angemessenheit des Ausgabebetrags können vor diesem Hintergrund nicht geteilt werden. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass der Greenshoe auf der Grundlage eines genehmigten Kapitals in Zukunft weiter wird bestehen können.

4. Die wesentlichen an den Börsengang geknüpften Rechtsfolgen a) Anwendbarkeit des Kapitalmarktrechts als wesentliche Rechtsfolge An den Börsengang eines Unternehmens knüpfen sich für Gesellschaft und Gesellschafter Verpflichtungen, die zum Teil punktuell mit dem Kapitalmarktauftritt zusammenhängen, teilweise dauernde Folgepflichten der Börsennotierung sind. Die Angleichung der Marktsegmente geregelter und amtlicher Markt hat dazu geführt, dass jene Pflichten segmentunabhängig sachlich weitgehend übereinstimmen. Sie folgen vor allem aus der Anwendbarkeit des Kapitalmarktrechts auf die nun börsennotierte Gesellschaft. Dieser Rechtsbereich ist geprägt vom Gedanken des Kapitalanlegerschutzes, dem Streben nach Markttransparenz, informierten Transaktionsentscheidungen, Anlegergleichbehandlung und Marktintegrität.117 b) Die vorbörslichen Veröffentlichungspflichten und die daran anknüpfende Haftung, §§ 44 ff. BörsG Damit die Börsenzulassung erteilt werden kann, muss die Gesellschaft durch Vorlage eines Börsenzulassungsprospekts detailliert Rechenschaft über ihre Geschäftstätigkeit und -entwicklung ablegen. Der Prospekt ist nach Billigung durch die Börse zu veröffentlichen, § 30 IV, V BörsG, damit sich die Anleger anhand des Prospekts ein Bild von der aktuellen Verfassung der Unternehmung und von den zu emittierenden Wertpapieren machen können. Zu diesem Zweck hat der Emittent mindestens die gesetzlich vorgesehenen Informationen zur Verfügung zu stellen (gemäß §§ 30 III Nr. 2, IV, V, 32 BörsG, 13 ff. BörsZulV für den amtlichen Markt; nach § 51 I Nr. 2 BörsG i.V. m. §§ 2 ff. VerkProspV für den geregelten Markt).118 117 Näher Fleischer Gutachten zum 64. DJT, F 24 ff.; mit Marktintegrität ist die Gewährleistung von Schutz vor missbräuchlichem Verhalten (etwa vor Marktmanipulationen oder Insidergeschäften) gemeint. 118 Einzelheiten zum Prospektinhalt bei Groß Kapitalmarktrecht §§ 36–39 Rn. 5b. Lediglich empfehlenden Charakter haben die Going-Public-Grundsätze (GPG) der Deutschen Börse AG aus dem Jahre 2002, vgl. Ziffer 3 der GPG.

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Abgesichert wird die Erfüllung der Prospektpflicht durch die Prospekthaftung (§§ 44 ff. BörsG für den amtlichen Markt, über § 55 BörsG für den geregelten Markt). Sind wesentliche im Prospekt enthaltene Angaben unrichtig oder unvollständig, können geschädigte Anleger ersatzberechtigt sein. Der Anspruch setzt zunächst voraus, dass der Anleger die Aktien aufgrund des (unrichtigen oder unvollständigen) veröffentlichten Prospekts und innerhalb von sechs Monaten ab der erstmaligen Einführung der Wertpapiere erworben hat. Die Urheber haften sowohl für ihnen bekannte Fehler als auch für unbekannte, wenn die Unkenntnis zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruht. Entsprechendes gilt bei Unvollständigkeiten. Haftbar sind vor allem der Emittent und die wesentlichen an der Emission beteiligten Finanzintermediäre als „Urheber“ des Prospekts, § 44 I 1 BörsG.119 Haben Gesellschafter am Entstehen des Prospekts mitgewirkt, können auch sie in die Haftung geraten.120 Auf der Rechtsfolgenseite ist der Anspruch auf die Kosten des Aktienerwerbs, begrenzt durch den Ausgabekurs und zuzüglich der Erwerbsnebenkosten, beschränkt. Der Geschädigte hat die Aktien Zug um Zug gegen Leistung des Ersatzes zurückzugewähren.121 Ausgeschlossen ist die Haftung in den Fällen des § 45 BörsG, z. B. wenn vor Erwerb des Wertpapiers durch den Anleger Unrichtigkeiten im Prospekt ordnungsgemäß berichtigt worden sind, § 45 II Nr. 4 BörsG. c) Aufnahme neuer Anteilseigner; Gleichbehandlungsgebot Die Ausgabe junger Aktien und der Verkauf bestehender Anteile öffnet die Gesellschaft für neue Aktionäre. Daraus folgt, soweit das nicht durch die rechtliche Gestaltung des Börsengangs eingeschränkt worden ist, dass nunmehr auch auf die Interessen der neuen Eigner Rücksicht zu nehmen ist.122 Dem börsengesetzlichen Gleichbehandlungsgebot aus § 39 I Nr. 1 (i.V. m. § 54) BörsG kommt wegen § 53a AktG für die AG keine eigenständige Bedeutung zu.123

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Zu den „Urhebern“ des Prospekts näher Schwark BörsG §§ 45, 46 Rn. 6. Groß Kapitalmarktrecht §§ 45, 46 Rn. 20. 121 Eine weitergehende Haftung kann sich aus allgemeinen Vorschriften ergeben, vgl. die Übersicht bei Groß Kapitalmarktrecht §§ 45, 46 Rn. 64. 122 Nur eingeschränkte Rechte erhalten die neu eintretenden Gesellschafter z. B., wenn lediglich Vorzugsaktien ausgegeben werden. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung neuer Interessen, die Entstehung von „Fremdeinflüssen“ wird in der Literatur immer wieder besonders betont, vgl. etwa Grupp Börseneintritt S. 29 ff. Was sich dahinter genau verbirgt, bleibt unklar. Im Grunde handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit. Wo neue Gesellschafter in die AG eintreten, gibt es natürlich neue Interessen. Zu Grupps Ausführungen Näheres unter D. V. 4. 123 Groß Kapitalmarktrecht §§ 44–44d Rn. 2. 120

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d) Publizität der Rechnungslegung; Zwischenberichte Die AG unterliegt den für Kaufleute geltenden Bestimmungen, § 3 I AktG i.V. m. § 6 I, II HGB, und ist daher zu ordnungsgemäßer Buchführung nach §§ 238 ff. HGB sowie zur Aufstellung eines Jahresabschlusses mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtet, §§ 242, 264 ff. HGB. Die börsennotierte AG gilt zudem gemäß § 267 III 2 HGB i.V. m. § 2 V WpHG als große Kapitalgesellschaft. Damit sind für sie die Erleichterungen für kleine und mittlere Gesellschaften betreffend Aufstellung, Offenlegung des Jahresabschlusses und die Pflichtprüfung (§§ 274a, 276, 288, 316, § 325 I, II HGB) ausgeschlossen. Sie ist zur jährlichen Erstellung eines geprüften Jahresabschlusses (§§ 242, 316 I HGB) mit Bilanz (§ 242 I 1 HGB), Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 II HGB), Anhang (§ 264 I 1 HGB) und Lagebericht (§ 289 HGB), ggf zur Aufstellung eines Konzernabschlusses (§§ 290 ff. HGB) sowie zur Offenlegung von Jahresabschluss, Lagebericht, Bestätigungs-/Versagungsvermerk, Bericht des Aufsichtsrats und Ergebnisverwendungsvorschlag verpflichtet, § 325 HGB. Daneben sind Zwischenberichte während des laufenden Geschäftsjahrs zu veröffentlichen (nach §§ 40 I BörsG, 53 ff. BörsZulV im amtlichen Markt; gemäß der jeweiligen BörsO für den geregelten Markt, vgl. etwa § 71 BörsO FWB). Zwischenberichte enthalten eine zusammengefasste Darstellung von Abschlussdaten und entsprechen insoweit einem verkürzten Lagebericht.124 Auf die erhöhten Transparenzanforderungen im Prime Standard der Börsensegmente an der Frankfurter Wertpapierbörse ist bereits hingewiesen worden.125 e) Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten nach § 15 WpHG. Sie soll sicherstellen, dass die Öffentlichkeit zeitnah und zutreffend über wesentliche kursrelevante Unternehmensnachrichten informiert wird. Dadurch soll eine realistische Grundlage für Anlageentscheidungen gewährleistet und zugleich der Spielraum für mögliche Insidergeschäfte eingeengt werden. Nach § 15 I WpHG unterliegt jeder Emittent von Wertpapieren, die im Inland an einer Börse zum amtlichen Handel oder zum geregelten Markt zugelassen sind, der Ad hoc-Publizitätspflicht. Zu veröffentlichen hat der Emittent neue, nicht öffentlich bekannte Tatsachen aus seinem Tätigkeitsbereich, die we124 Rödl/Zinser S. 112 f.; Wirtz/Salzer S. 110. Die Zwischenberichte sollen „anhand von Zahlenangaben und Erläuterungen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanzlage und des allgemeinen Geschäftsgangs des Emittenten im Berichtszeitraum“ vermitteln, § 40 I BörsG. 125 Ausführlich zu den Publizitätspflichten Schlitt AG 2003, 66 ff.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

gen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage des Emittenten oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen.126 Damit ist eine Fülle klärungsbedürftiger Rechtsbegriffe aufgeworfen: Tatsachen i. S. d. Vorschrift sind Vorgänge der Vergangenheit oder der Gegenwart, die einer objektiven Klärung zugänglich sind und als etwas Geschehenes oder Vorhandenes bewiesen werden können.127 In der Praxis ist vielfach die Frage aufgetaucht, ob und wann den Emittenten bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen (insbesondere bei Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrates nach § 111 IV AktG) die Publizitätspflicht trifft. Hier ist regelmäßig erst zum Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung – also etwa nachdem die Zustimmung des Aufsichtsrates erfolgt ist – eine Tatsache i. S. d. § 15 WpHG entstanden. Die Publizitätspflicht setzt eine noch nicht öffentlich bekannte Tatsache voraus. Bekannt in diesem Sinne ist eine Tatsache schon dann, wenn es den Marktteilnehmern möglich ist, von ihr Kenntnis zu nehmen („Bereichsöffentlichkeit“), etwa weil die Tatsache über ein allgemein zugängliches Informationsverbreitungssystem bekannt gemacht worden ist.128 Mit dem Erfordernis, dass die Tatsache im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sein muss, werden „äußere“ Umstände von der Veröffentlichungspflicht ausgeschlossen, die dem Emittenten möglicherweise nicht einmal bekannt sind, aber gleichwohl den Kurs der Aktien erheblich beeinflussen können (z. B. bekannt Werden branchenspezifischer Gesetzesvorhaben).129 Schwierig ist regelmäßig zu beurteilen, ob eine Tatsache geeignet ist, wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten den Kurs der zugelassenen Aktien erheblich zu beeinflussen.130 Nach den Gesetzesmaterialien zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz soll insoweit auf die allgemeine Lebenserfahrung kapitalmarkterfahrener Personen abzustellen sein131, womit zunächst wenig gewonnen ist.

126 Das BAWe (jetzt: BaFin) und die Deutsche Börse AG haben zur Konkretisierung der ad hoc-Publizitätspflicht einen ausführlichen Leitfaden herausgegeben, an dem sich die Unternehmen orientieren sollen. Die 2. Auflage dieses Leitfadens (im folgenden: „Leitfaden BaFin/Deutsche Börse“) ist abrufbar unter www.bafin.de. 127 Leitfaden BaFin/Deutsche Börse S. 30; dort auch (S. 31 ff.) zum schwierigen Verhältnis der Ad hoc- zur „Regelpublizität“ (den nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften bestehenden laufenden Publizitätspflichten) des Unternehmens. 128 Vgl. Leitfaden BaFin/Deutsche Börse S. 35 f. 129 Leitfaden BaFin/Deutsche Börse S. 35. 130 Für die Begriffe Vermögens-, Finanzlage und allgemeiner Geschäftsverlauf kann auf das Bilanzrecht (insbesondere auf § 264 II HGB) zurückgegriffen werden, vgl. Assmann/Schneider WpHG § 15 Rn. 85 ff. 131 Vgl. die Begründung des RegE, abgedruckt bei Weisgerber/Jütten S. 238 f.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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Letztlich kann die Entscheidung nur im Einzelfall getroffen werden. Erforderlich ist aus der Sicht der BaFin, dass eine mögliche Schwankung des Aktienkurses – umfasst sind positive wie negative Kursbewegungen – aufgrund bekannt Werdens der Tatsache das „übliche Maß“ deutlich übersteigt.132 Überstiegen werden muss insoweit der übliche Kursschwankungsbereich (die Volatilität) der Aktie, vergleichbarer Werte und der Marktindizes, um rein marktbedingte Kursbewegungen (die als solche nicht auf eine Tatsache aus dem Bereich des Emittenten zurückzuführen sind) ausschließen zu können. Beispiele für Vorgänge oder Ereignisse, die den Kurs erheblich beeinflussen können, sind Verschmelzungen, Eingliederungen, Ausgliederungen oder Umwandlungen, die Veräußerung wesentlicher Beteiligungen oder eine wesentliche Änderung der prognostizierten Ergebnisse der Jahresabschlüsse gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen.133 Neben der Pflicht zu unverzüglicher Publizierung normiert § 15 II WpHG die Verpflichtung des Emittenten, die betreffende Tatsache schon vor der Veröffentlichung der BaFin sowie der Geschäftsführung der Börsen, an denen die Aktie zugelassen ist, mitzuteilen. Hinsichtlich der Art der Veröffentlichung machen § 15 I 2 und III WpHG detaillierte Vorgaben: So müssen beispielsweise im Geschäftsverkehr übliche, im Laufe der Zeit vergleichbare Kennzahlen verwendet werden. Die Verletzung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten aus § 15 WpHG – insbesondere durch pflichtwidriges Unterlassen einer Meldung oder durch Verbreiten unzutreffender Meldungen – ist bußgeldbewehrt nach § 39 II, III, IV WpHG. Die Bußgeldsanktion hat sich in der Vergangenheit allerdings als unzureichend erwiesen. Vor allem Unternehmen des Neuen Markts haben die Ad hoc-Publizität immer wieder als „Marketinginstrument“ missbraucht.134 Während § 15 IV WpHG a. F. (vom 9. September 1998) noch ausdrücklich bestimmte, dass die Verletzung der Publizitätspflicht den Emittenten nicht zum Schadensersatz verpflichte, hat das 4. Finanzmarktförderungsgesetz daher die Wende eingeleitet. Verstößt der Emittent vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen 132 Im Schrifttum werden teilweise auch feste Grenzen vorgeschlagen. Rödl/Zinser schlagen z. B. als „Richtwert“ eine Kursschwankung von 5% vor. 133 Die Beispiele sind dem Leitfaden BaFin/Deutsche Börse entnommen, vgl. dort S. 50 f. (mit weiteren Beispielen). 134 Dabei standen weniger unzutreffende Meldungen im Vordergrund. Es ist vielmehr zu einer Vielzahl „überflüssiger“ Meldungen zu Zwecken der Selbstdarstellung und Werbung gekommen, die den Tatbestand des § 15 I 1 WpHG nicht erfüllten, vgl. den Jahresbericht 2000 des BAWe (jetzt: BaFin), S. 27. Die BaFin hat entsprechende Verlautbarungen als „missbräuchlich“ eingestuft (Schreiben vom 20.3.2000, abrufbar unter www.bafin.de, dort unter Rechtliche Grundlagen & Verlautbarungen). Solchen Veröffentlichungen tritt jetzt § 15 I 3 WpHG entgegen, der es ausdrücklich untersagt, „sonstige Angaben“, welche die Voraussetzungen der Ad hoc-Publiziätspflicht offensichtlich nicht erfüllen, zu veröffentlichen.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

seine Pflichten aus § 15 WpHG, so kann er nunmehr dem geschädigten Anleger gegenüber schadensersatzpflichtig werden, § 15 VI WpHG.135 § 37b WpHG stellt auf das pflichtwidrige Unterlassen der Veröffentlichung von Informationen ab, § 37c WpHG regelt spiegelbildlich die Haftung bei Publikation unrichtiger Tatsachen.136 Die unwahre Ad hoc-Mitteilung ist zudem richtig zu stellen, § 15 I 4 WpHG, und zwar auf dem gleichen Wege wie die ursprüngliche Mitteilung. f) Verbot von Insidergeschäften, §§ 12 ff. WpHG In einer verschachtelten Normenfolge verbieten §§ 12 ff. WpHG die Ausnutzung von Insiderkenntnissen137: Bezugspunkt des Verbotes sind die „Insiderpapiere“, d.h. Wertpapiere, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den Freiverkehr einbezogen sind oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, § 12 I WpHG. Dazu zählen insbesondere Aktien einer börsennotierten138 Aktiengesellschaft. In Bezug auf solche Papiere untersagt das Gesetz in gewissem Umfang die Ausnutzung eines Informationsvorsprungs durch einen bestimmten Personenkreis. Dieser Informationsvorsprung wird vom Gesetz als Kenntnis von „Insidertatsachen“ (§ 13 I WpHG) bezeichnet. Das sind solche Tatsachen, die nicht öffentlich bekannt sind, sich auf börsennotierte Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und den Kurs der Papiere im Falle öffentlichen bekannt Werdens erheblich zu beeinflussen geeignet wären. Wie schon bei der Ad hoc-Publizität lässt sich nur im Einzelfall feststellen, wann ein erhebliches Beeinflussungspotential vorhanden ist.139

135 Kritisch Weber NJW 2002, 20 f. Der Umfang des Schadensersatzes sei aus der Norm nicht ermittelbar. 136 Zu Einzelheiten der komplexen Haftungsvoraussetzungen vgl. Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857 ff.; Überblick bei Fleischer, NJW 2002, 2980 ff. 137 Einzugehen ist hier nur auf die aktienbezogene Seite des Insiderverbots, das darüber hinaus auch für derivative Rechte gilt, § 12 II WpHG. Ausführlich zum Ganzen Schanz § 16 Rn. 1 ff. 138 Auf nationaler Ebene ist eine Notierung im amtlichen oder geregelten Markt oder die Einbeziehung der Papiere in den geregelten Markt oder den Freiverkehr erforderlich. Ausreichend sind aber auch die Antragstellung auf Zulassung bzw. Einbeziehung sowie – noch früher – sogar die öffentliche Ankündigung einer solchen Antragstellung, vgl. § 12 I 2 WpHG. 139 Der Rechtsbegriff ist nach überwiegender Ansicht identisch mit demjenigen aus § 15 WpHG, vgl. Assmann/Schneider WpHG § 13 Rn. 66. Davon geht auch der Leitfaden BaFin/Deutsche Börse (S. 19) aus.

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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Das Verbot betrifft zum einen die „Primärinsider“. Zu dieser Personengruppe gehört, wer Kenntnis von einer „Insidertatsache“ hat und eines der personenbezogenen Merkmale aus § 13 I Nr. 1–3 WpHG erfüllt.140 Es handelt sich um Personen, die im Hinblick auf die Geschäftslage des Unternehmens gegenüber der Allgemeinheit über einen Informationsvorsprung verfügen, weil sie z. B. aufgrund ihrer Organstellung oder aufgrund ihrer Beteiligung am Unternehmen Zugang zu kursrelevanten Informationen hatten. Den Primärinsidern ist es verboten, ihre Kenntnisse über Insidertatsachen unbefugt weiterzugeben, selbst unter Ausnutzung dieser Kenntnisse Insiderpapiere zu erwerben oder zu veräußern oder dies Dritten zu empfehlen, § 14 I WpHG. Zum anderen verbietet § 14 II WpHG dritten Personen141, d.h. allen anderen außer Insidern i. S. d. § 13 WpHG, die Kenntnis von einer Insidertatsache zu nutzen, um Insiderpapiere zu erwerben oder zu veräußern. Verstöße gegen die §§ 12 ff. WpHG können unter anderem eine Haftung des Insiders oder des Dritten nach den allgemeinen Vorschriften nach sich ziehen.142 g) Weitere Zulassungsfolgepflichten bzw. Rechtsfolgen des Börsengangs Während der gesamten Dauer der Zulassung hat der Emittent zu gewährleisten, dass eine Zahl- und Hinterlegungsstelle im Inland vorhanden ist, bei der Maßnahmen in Bezug auf das zugelassene Wertpapier (wie z. B. Einreichung von Dividendenabschnitten) kostenfrei bewirkt werden können, § 39 I Nr. 2 (i.V. m. § 54) BörsG. Nach § 39 I Nr. 3 BörsG (i.V. m. § 54 BörsG) trifft den Emittenten die Pflicht, das Publikum und die Zulassungsstelle „angemessen“ zu unterrichten. In §§ 63 ff. BörsZulV ist konkretisiert, was damit gemeint ist. Zu informieren hat der Emittent auf der Grundlage dieser Normen z. B. über die Ausschüttung und Auszahlung von Dividenden, die Ausgabe neuer Aktien (§ 63 BörsZulV) oder Satzungsänderungen (§ 64 BörsZulV).

140 Assmann/Schneider WpHG § 13 Rn. 4. Näher der Leitfaden BaFin/Deutsche Börse S. 17 ff. 141 Üblicherweise als „Sekundärinsider“ bezeichnet, vgl. etwa Assmann/Schneider WpHG § 13 Rn. 76. Es handelt sich ausweislich des Gesetzes allerdings gerade nicht um Insider i. S. d. WpHG. 142 Näher hierzu Schanz § 16 Rn. 63 ff. (noch zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform). Der Verkauf von Aktien unter Verstoß gegen die § 12 ff. WpHG kann insbesondere vertragliche Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer nach sich ziehen. Außerdem kommen eine Haftung des Verkäufers aus § 311 II i.V. m. § 280 I BGB (c.i.c.), in Einzelfällen nach § 823 I BGB, nach § 823 II BGB i.V. m. § 14 WpHG oder nach § 826 BGB in Frage, vgl. Schanz a. a. O.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

Darüber hinaus statuiert § 41 (i.V. m. § 54) BörsG eine Auskunftspflicht des Emittenten gegenüber den Börsenorganen Zulassungsstelle und Börsenvorstand. Der Emittent muss nach § 41 I BörsG alle ihm verfügbaren Informationen geben, die aus der „sachgemäßen Sicht“ der Börsenorgane zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.143 Der Umfang der Auskunftspflicht ist daher sachlich durch die gesetzlich normierten Aufgaben und Zuständigkeiten der Börsenorgane umrissen. Die Vorschrift hat insoweit eigenständige Bedeutung, als die Börsenorgane auf ihrer Grundlage Informationen über alle Tatsachen einholen können, die nicht ohnehin nach anderen Vorschriften publikationspflichtig sind. Das Auskunftsrecht kann aber selbstverständlich auch dazu eingesetzt werden herauszufinden, ob ein schon anderweit publikationspflichtiger Vorgang aufgetreten ist.144 Hat die Börse etwa den Verdacht, dass aufgrund bestimmter Tatsachen eine Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten bestünde, kann sie dem nachgehen. Der Emittent hat dann alle zur Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 WpHG erforderlichen Informationen mitzuteilen. Nach § 41 II (i.V. m. § 54) BörsG hat der Emittent zudem die Pflicht, auf Verlangen der Zulassungsstelle in angemessener Frist und Form bestimmte Auskünfte zu veröffentlichen, wenn dies zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel erforderlich ist. Den Emittenten mit Zulassung zum amtlichen Markt trifft nach §§ 39 I Nr. 4, II Nr. 2 BörsG i.V. m. 69 BörsZulV grundsätzlich die Verpflichtung, für später ausgegebene Aktien derselben Gattung wie bereits zugelassene ebenfalls die Zulassung zur amtlichen Notierung zu beantragen. Der Erwerb und die Veräußerung von zum Börsenhandel zugelassenen Aktien145 des Emittenten sind dem Markt bekannt zu machen, wenn sie von bestimmten Personen vorgenommen werden, die in einem besonderen „Näheverhältnis“ zur Gesellschaft stehen, wie etwa Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats, § 15a WpHG („Directors’ Dealings“).146 Die Anleger sollen darüber informiert sein, wenn die (vermutetermaßen) intimen Kenner des Unternehmens größere Transaktionen tätigen, denn daraus lassen sich mitunter Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Perspektive der Gesellschaft ziehen. Bisher weitgehend ungeklärt ist, ob Verstöße gegen § 15a WpHG eine zivilrechtliche Haftung begründen können, insbesondere ob die Vorschrift Schutzgesetz i. S. v. § 823 II BGB ist.147

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Schwark BörsG § 44c Rn. 2. Schwark BörsG § 44c Rn. 2. 145 Erfasst werden aber auch andere Wertpapiere bzw. Rechte i. S. v. § 15a WpHG. 146 Zum persönlichen Anwendungsbereich näher Fleischer ZIP 2002, 1225. Es handelt sich dabei nicht um eine „Zulassungsfolgepflicht“ für den Emittenten, denn der Emittent ist von § 15a WpHG nur mittelbar betroffen. 147 Eingehend zum Ganzen Fleischer ZIP 2002, 1217 ff. 144

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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Gemäß §§ 21 ff. WpHG hat jeder Gesellschafter Mitteilung zu machen, wenn er bestimmte Stimmrechtsgrenzen (5%, 10%, 25%, 75%) an einer börsennotierten Gesellschaft über- oder unterschreitet.148 Die Mitteilung ist sowohl an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu richten als auch an die betroffene Gesellschaft. Sie ist sodann von der Gesellschaft dem Publikum zur Verfügung zu stellen, § 25 WpHG. Eine Zulassungsfolgepflicht für den Emittenten enthält demnach nur § 25 WpHG.149 Die Pflicht aus § 21 WpHG trifft demgegenüber jeden Gesellschafter, auch nicht börsennotierte Unternehmen als Gesellschafter an einer anderen Gesellschaft. Bezogen auf alle Aktien, die an einem organisierten Markt im europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind oder in den Freiverkehr oder den geregelten Markt einbezogen sind, statuiert § 20a WpHG ein Verbot von Kursmanipulationen.150 Auch hierbei handelt es sich – wenngleich die Vorschrift in diesem Zusammenhang genannt wird151 – nicht um eine klassische „Zulassungsfolgepflicht“. Das Verbot der Kursmanipulation hat lediglich als Bezugsobjekt eine börsennotierte Gesellschaft (bzw. die Anteile an ihr, § 20a I 2 WpHG). § 20a WpHG führt nur dazu, dass die notierten Wertpapiere Schutzobjekt der Norm werden. Insoweit kann man von einer Rechtsfolge aus der Börsennotierung sprechen, nicht aber von einer „Zulassungsfolgepflicht“ für die Gesellschaft. Weitere Zulassungsfolgepflichten können die BörsO der Börsen vorsehen, § 42 BörsG. Jenseits der üblicherweise als „Zulassungsfolgepflichten“ bezeichneten Verhaltenspflichten treffen den Emittenten finanzielle Verpflichtungen, die mit der Notierung in Verbindung stehen. Zu nennen sind die laufenden Verbindlichkeiten gegenüber der jeweiligen Börse, die als Gebühren für die Notierung und die damit verbundenen Rechte erhoben werden (§ 14 I BörsG i.V. m. den Gebührenordnungen der Börsen).152 Hinzu kommen auf privatrechtlicher Basis eingegangene Verbindlichkeiten, die auch die Zeit nach dem Börsengang betreffen, beispielsweise die Kosten für die Pflege der „Investor Relations“ durch externe Berater. Nicht unerheblich sind auch die Kosten der laufenden Publizitätspflichten des Emittenten, etwa zur Erstellung und Prüfung des Jahresabschlusses.153

148 Einzelheiten bei Sudmeyer BB 2002, S. 685 ff.; Schanz § 17 Rn. 24 ff.; Erläuterungen auch in einem Leitfaden der BaFin, abrufbar unter www.bafin.de (Suche: §§ 21 ff. WpHG). 149 Weiter Zietsch/Holzborn WM 2002, 2365. 150 Näher Möllers WM 2002, 309. 151 Zietsch/Holzborn WM 2002, 2356 ff. 152 Zu den Kosten des Börsengangs selbst vgl. schon oben B. I. 2. a). 153 Zu den laufenden Kosten vgl. Schanz § 10 Rn. 130 ff.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

h) Steuerliche Folgen des Börsengangs Hinsichtlich der steuerrechtlichen Aspekte des Börsengangs ist zwischen den Auswirkungen für die Gesellschaft und denen für die Gesellschafter zu unterscheiden: Der Emissionserlös aus einer Kapitalerhöhung wird seitens der Gesellschaft steuerfrei vereinnahmt, § 8 I 1 KStG i.V. m. § 4 I 1 EStG.154 Die Kosten des Börsengangs einschließlich derjenigen der Kapitalerhöhung zum Zweck des Börsengangs sind bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer voll abzugsfähig, § 8 I KStG i.V. m. § 4 IV EStG.155 Bisher nicht abschließend geklärt ist die Einordnung des Börsengangs in umsatzsteuerlicher Hinsicht. Die deutsche Rechtsprechung hat sich bisher nur in zwei Entscheidungen damit auseinandergesetzt. Sie sieht die Zuflüsse an die AG infolge einer Kapitalerhöhung als steuerbar, aber steuerbefreit nach § 4 Nr. 8 Buchst. e, f UStG (Steuerbefreiung für Wertpapiergeschäfte) an.156 Kehrseite dieser Auffassung ist, dass die Gerichte – und mit ihnen die Finanzverwaltung – die Kosten des Börsengangs unter Berufung auf § 15 II Nr. 1 UStG (Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei steuerfreien Umsätzen) nicht zum Vorsteuerabzug zulassen.157 Das führt zu einer indirekten Mehrbelastung der Gesellschaft.158 Der EuGH hat demgegenüber im „KapHag“-Urteil vom 26.6.2003159 entschieden, dass eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage keine entgeltliche Dienstleistung an den Gesellschafter erbringt. Daraus folgt, dass der Vorgang nicht einen Umsatz i. S. d. UStG herbeiführt, also nicht steuerbar und steuerbefreit sein kann, wie es 154

§ 4 I EStG ist zu entnehmen, dass Einlagen nicht den Gewinn erhöhen. Nach FG Düsseldorf DStRE 2000, 699 sind die Grundsätze zur eingeschränkten Abzugsfähigkeit von Gründungskosten auf Kapitalerhöhungen nicht zu übertragen. 156 So das FG Nürnberg (DStRE 2002, 43) und das Hessische FG (EFG 1996, 396); ebenso die OFD München DStR 2000, 1096. Das zugelassene Berufungsverfahren in der Sache des FG Nürnberg ist anhängig beim BFH unter Az. V R 84/01. 157 Gegen die unterinstanzliche Rechtsprechung Kast/Peter BB 2001, 1821; differenzierend Thiede/Steinhauser DB 2000, 1295. 158 Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist nach Maßgabe des § 13a UStG der Unternehmer. Er stellt mithin im wirtschaftlichen Ergebnis dem Verbraucher die Umsatzsteuer in Rechnung und „leitet“ sie an den Staat „weiter“. Der Unternehmer darf dabei einen Betrag von seiner Umsatzsteuerschuld in Abzug bringen, welcher der von ihm vorher (zwecks Generierung des Umsatzes) gezahlten Umsatzsteuer, der „Vorsteuer“, entspricht, § 15 UStG. Er darf also die von ihm gezahlte Vorsteuer abziehen (Vorsteuerabzug). Zur Funktionsweise des Vorsteuerabzugs näher Bunjes/Geist UStG § 15 Rn. 3 ff. Übertragen auf den Börsengang bedeutet das: Wäre ein Vorsteuerabzug mit Blick auf die Ausgaben für das Going Public zulässig, so könnte der Emittent z. B. die an externe Going Public-Serviceleister gezahlte Umsatzsteuer einbehalten, wenn er seine Umsatzsteuerschuld begleicht. 159 Rs C-442/01 (DStRE 2003, 936=DB 2003, 1611=BB 2003, 1713). 155

I. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsengangs

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bisher in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis angenommen worden ist. Die Entscheidung des EuGH wird einhellig als auf die Kapitalgesellschaften übertragbar angesehen.160 Dafür spricht bereits die Sachverhaltsdarstellung des EuGH im Urteil, in der lediglich von der „mehrwertsteuerliche[n] Behandlung der Aufnahme eines Gesellschafters in eine Gesellschaft gegen Bareinlage“ die Rede ist. Für die Zukunft ist deshalb davon auszugehen, dass die Aufnahme eines Gesellschafters in die AG gegen Einlage nicht zu einem steuerbaren Umsatz i. S. d. UStG führt. Das bedeutet – anders, als man es auf den ersten Blick meinen könnte – nicht, dass der AG ein Vorsteuerabzug nunmehr mangels Steuerbarkeit der Emissionseinnahmen verwehrt wäre. Die im Zusammenhang mit der Ausgabe der Gesellschaftsanteile gezahlte Vorsteuer bleibt vielmehr im Rahmen der „normalen Abzugsberechtigung“ der Gesellschaft in Hinblick auf ihre Geschäftstätigkeit, also nach allgemeinen Grundsätzen des UStG, abziehbar.161 Eine abschließende Klärung der Frage wird voraussichtlich erst eine Vorlage an den EuGH für den konkreten Fall einer Kapitalgesellschaft bringen. Aus steuerrechtlicher Sicht stellt sich für die Gesellschaft demnach vor allem die Frage, in welchem Umfang Kosten des Börsengangs in Abzug gebracht werden können. Steuerliche Auswirkungen auf Seiten der Anteilseigner können sich aus der Veräußerung von Altanteilen im Rahmen des Börsengangs ergeben. Insoweit ist nach der (steuerrechtlichen) Rechtsnatur des Anteilseigners zu unterscheiden: Nach §§ 8b KStG, 7 GewStG gilt – unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen –, dass Gewinne von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 1 I KStG, die aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bezogen werden, grundsätzlich körperschaft- und gewerbesteuerfrei sind.162 Bei natürlichen Personen ist noch einmal danach zu differenzieren, ob die Gesellschaftsanteile zu einem Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen des Veräußerers gehörten: Waren die Aktien Bestandteil des Betriebsvermögens eines Freiberuflers oder Selbstständigen, so sind die Einkünfte aus der Veräußerung steuerbar nach den jeweiligen allgemeinen Vorschriften.163 Es gilt nach § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG grundsätzlich das „Halbeinkünfteverfahren“164, die Hälfte des Gewinns aus ei160 Vgl. Lohse BB 2003, 1714; Korf DB 2003, 1705 (m. w. N.); Schmidt/Werner BB 2003, 2209. 161 Näher Korf DB 2003, 1706 (unter Hinweis auf EuGH Rs. C-98/98 (Midland Bank), Rs. C-408/98 (Abbey National) und Rs. C-16/00 (Cibo Participations)); Schmid/Werner BB 2003, 2207 ff. 162 Nach der Änderung des § 8b III KStG zum 1.1.2004 sind Veräußerungsgewinne im Ergebnis allerdings nur noch zu 95% von der Besteuerung freigestellt. Näher Binnewies AG 2004, 96 f.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

ner Anteilsveräußerung bleibt also steuerfrei. Dementsprechend ordnet § 3c II EStG an, dass Betriebsausgaben oder Veräußerungskosten hinsichtlich der Aktien nur hälftig in Abzug gebracht werden können. Für natürliche Personen, deren Anteile nicht Bestandteil eines Betriebsvermögens waren, gelten §§ 17, 23 EStG sowie § 21 UmwStG. Der Besteuerung nach § 23 EStG unterliegen Aktienveräußerungen, wenn der Aktionär die Anteile innerhalb von einem Jahr nach Erwerb (oder Gründung der Gesellschaft165) veräußert hat.166 Außerhalb der Jahresfrist167 sind Einkünfte aus der Aktienveräußerung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 EStG steuerpflichtig, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war. In den Fällen des § 17 bzw. § 23 EStG gilt § 3 Nr. 40 Buchst. c bzw. j EStG, so dass auch hier die Hälfte des Veräußerungsgewinns steuerfrei ist. Korrespondierend ordnet § 3c II EStG die nur hälftige Abzugsfähigkeit der Anschaffungsbzw. Veräußerungskosten an. Zudem sind die steuerlichen Freibeträge in § 17 III bzw. § 23 III 6 EStG zu beachten. § 21 UmwStG enthält eine Sonderregelung für „einbringungsgeborene Anteile“. Das sind solche Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage unter dem Teilwert erworben hat. Für sie gilt das Halbeinkünfteverfahren unter den näheren Voraussetzungen des § 3 Nr. 40 S. 3, 4 EStG. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 21 UmwStG sind Einkünfte in vollem Umfang steuerbar.168 Die eben beschriebenen steuerlichen Auswirkungen auf Seiten der Anteilseigner sind nicht im strengen Sinne als Rechtsfolgen gerade des Börsengangs einzuordnen. Sie gelten nämlich zum einen für jede Veräußerung von Aktien. Ob diese börsennotiert sind oder nicht, ob die Veräußerung gerade im Rahmen des Börsengangs erfolgt oder später, ist unerheblich. Zum anderen haben es die Anteilseigner in der Hand, überhaupt keine Rechtsfolgen eintreten zu lassen – indem sie schlicht nicht veräußern. Für spätere Veräußerungen ist der Börsengang dann nicht von unmittelbarer Bedeutung. Spätere Verkäufe können zu jedem

163 Für Selbständige gelten §§ 2 I Nr. 2, 15 ff. EStG, für Freiberufler §§ 2 I Nr. 3, 18 EStG. Zu beachten ist § 34 III EStG, der für Betriebsveräußerungen und -aufgaben unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen vorsieht. Näheres hierzu bei Schanz § 3 Rn. 166 ff. 164 Zu beachten sind die Sonderregeln in § 3 Nr. 40 S. 3, 4, 5 EStG. 165 Dazu BFH v. 26.8.1975 VIII R 61/72 (für die GmbH). 166 Wegen § 23 II 2 gilt das unabhängig davon, ob zugleich § 17 erfüllt ist. 167 § 23 II 2 EStG erklärt § 23 für vorrangig vor § 17 EStG anwendbar. 168 Zu Besonderheiten bei negativen Einkünften aus einer Anteilsveräußerung aus der Hand Privater Schanz § 3 Rn. 153 ff.

II. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsenrückzugs

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Preis realisiert werden, der Börsenkurs spiegelt lediglich die Marktbewertung des Unternehmens wieder. Börsengangspezifisch in diesem Sinne ist hingegen eine Veränderung in der steuerrechtlichen Wertbemessung der Anteile. Die Literatur zum Börsengang weist häufig auf die für den Anteilseigner i. d. R. ungünstige Änderung der Bemessungsgrundlage bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer infolge des Going Public hin.169 Mit Aufnahme der Börsennotierung tritt der Börsenkurs als Bemessungsgrundlage an die Stelle des nach dem „Stuttgarter Verfahren“ errechneten (und regelmäßig deutlich niedrigeren) gemeinen Werts der Anteile, § 12 II ErbStG i.V. m. § 11 I, II BewG. Dadurch fällt die bei Übertragung der Aktien anfallende Steuer höher aus als bei Anteilen an einer privaten AG. Im Konzern wird diese erbschaft- und schenkungsteuerliche Besonderheit selten von Bedeutung sein. Anderes gilt für natürliche Personen als Anteilseigner. Allerdings ist auch hier einzuschränken: Die beschriebene steuerliche Folge betrifft nur die Anteilseigner der zugelassenen Aktien (nach § 7 BörsZulV sind das im amtlichen Markt regelmäßig alle Aktien einer Gattung). Die Änderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage trifft auch sie nicht zwingend. Es steht ihnen frei, sich durch geeignete steuerliche Gestaltungen über die drohenden Rechtsfolgen hinwegzuhelfen, beispielsweise über Holdingkonstruktionen oder durch dem Börsengang bzw. dem späteren Erbfall vorgreifende Schenkungen.170

II. Zum Begriff, Ablauf und zu den Rechtsfolgen des Börsenrückzugs 1. Begriff des Börsenrückzugs Als Börsenrückzug einer AG bezeichnet man den Vorgang, der zur antragsgemäßen Aufhebung sämtlicher Börsenzulassungen der Gesellschaft führt.171 Das BörsG sieht einen solchen Rückzug auf Antrag des Emittenten in § 38 IV 169 Vgl. nur Grupp Börseneintritt S. 34 ff.; Kramer S. 199 f.; Römer/Müller DB 2000, 1086. 170 So der Vorschlag von Römer/Müller DB 2000, 1086. Die Alternative einer Holding wird für Kleinanleger regelmäßig ausscheiden. Für die Schenkungsvariante ist steuerlich auch der Vollzug der Schenkung erforderlich (§ 10 I Nr. 2 ErbStG), so dass diese Gestaltung mit dem Verlust der Rechtsposition einhergeht. 171 Die Terminologie variiert. Grupp (Börseneintritt S. 101) spricht vom „Börsenaustritt im klassischen Sinne“. Üblich ist auch die Bezeichnung als „Going Private“ oder als „Totalrückzug“ von der Börse (so z. B. Wirth/Arnold ZIP 2000, 112). Mitunter findet sich das Kürzel „P2P“ („Public to Private“). Kruse (S. 17 f.) weist auf weitere wirtschaftliche Erscheinungen – wie z. B. die Herauslösung von Betriebsteilen aus einer börsennotierten AG und ihrer Einbringung in eine nicht börsennotierte Gesellschaft – hin, welche vereinzelt als „Going Private“ bezeichnet worden sind.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

BörsG für den amtlichen Markt und in §§ 53 II, 38 IV BörsG für den geregelten Markt vor. Man spricht auch von einem „regulären Delisting“172, was bereits durchblicken lässt, dass es daneben noch andere Formen des Verlustes der Börsenzulassung geben kann173: Ein solcher Fall ist die Aufhebung der Börsenzulassung durch die Börse von Amts wegen, §§ 38 III, 43 S. 2 BörsG.174 Das ist schon begrifflich kein „Börsenrückzug“. Diese Form des Delisting interessiert hier auch deshalb nicht, weil sich insoweit die Frage nach einer innergesellschaftlichen Beteiligung der Aktionäre der betroffenen AG nicht stellt. Eine Form des Börsenrückzugs, die hier nicht näher verfolgt wird, ist das sogenannte „kalte Delisting“.175 Damit ist eine rechtliche Gestaltung gemeint, durch welche die Gesellschaft in eine Rechtsform bzw. einen Rechtszustand überführt wird, welcher eine Börsenzulassung nicht zulässt. Wird beispielsweise die bisher börsennotierte AG in eine nicht börsengängige Rechtsform – etwa in eine GmbH – umgewandelt (§§ 190, 226, 238 ff. UmwG), so erledigt sich der ursprüngliche Zulassungsverwaltungsakt infolge Fortfalls der zulassungsfähigen Gesellschaftsanteile.176 Zum gleichen Ergebnis führen die Verschmelzung durch Aufnahme der börsennotierten AG in eine nicht notierte Gesellschaft (§§ 2 ff. UmwG) und die Eingliederung einer börsennotierten AG nach §§ 319 ff. AktG177. Die Veräußerung sämtlicher Vermögensgegenstände der AG mit anschließender Auflösung der AG (§ 262 I Nr. 2 AktG) führt hingegen nicht als solche zur Erledigung der Zulassung. Soweit diese Gestaltung zulässig ist178, 172 Soweit hier später von „Delisting“ gesprochen wird, ist damit das reguläre Delisting gemeint. 173 Einen Überblick hierüber gibt etwa Groß ZHR 165 (2001), 144 ff. 174 Daneben sind die allgemeinen Vorschriften der VwVfG der Länder anwendbar, wie § 38 III BörsG klarstellt. 175 Auch: „Cold Delisting“. Vgl. hierzu die Arbeiten von Kruse; de Vries S. 125 ff. 176 Vgl. Groß ZHR 165 (2001), 149. Die Gesellschaftsanteile selbst fallen natürlich nicht weg, sondern nehmen lediglich eine andere Gestalt an. 177 Hier tritt die Erledigung allerdings nicht infolge Wegfalls der Zulassungsfähigkeit der ursprünglichen Mitgliedschaften ein. Diese gehen lediglich infolge der Eingliederung auf die Hauptgesellschaft über, § 320a AktG. Die Zulassung erledigt sich hier vielmehr deshalb, weil sie die Erlaubnis zum Handel über die Börse gibt und ein solcher Handel nach der Eingliederung nicht mehr stattfindet (so zutreffend Groß ZHR 165 (2001), 150). Würden Anteile an der eingegliederten Gesellschaft noch gehandelt (also veräußert), wäre die Eingliederung nämlich beendet, wie sich aus § 327 I Nr. 3 AktG ergibt. Die Vorschrift ordnet an, dass die Eingliederung endet, wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden. 178 Wilhelm/Dreier ZIP 2003, 1369 haben gezeigt, dass jedenfalls die „übertragende Auflösung“ unter Übertragung des Gesellschaftsvermögens an eine Gesellschaft des Mehrheitsaktionärs nicht zulässig sein kann. §§ 327a ff. AktG regeln die Voraussetzungen des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern – nichts anderes ist die übertragende Auflösung – in spezieller Form. Die Auflösung einer AG unter vorheriger

II. Begriff, Ablauf und Rechtsfolgen des Börsenrückzugs

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kann die Zulassung erst mit der Vollbeendigung der Gesellschaft und der damit einhergehenden Beendigung ihrer Existenz erlöschen.179 So wie oben180 nur die „Reinform“ des Going Public der Untersuchung vorbehalten worden ist, gilt Entsprechendes für das Delisting. Die übrigen Gestaltungsformen des Börsenrückzugs sehen bereits notwendig nach den allgemeinen Vorschriften eine Beteiligung der Hauptversammlung am Delisting vor. So ist für die formwechselnde Umwandlung (§§ 190 ff. UmwG) ebenso ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich wie für die Eingliederung (§§ 319 I, 320 I AktG) oder die Auflösung der AG (§ 262 I Nr. 2 AktG). Das schließt zwar nicht aus, dass noch ein separater Hauptversammlungsbeschluss über den Börsenrückzug zu fassen sein könnte. In zugespitzter Form stellt sich das Zuständigkeitsproblem aber nur beim „regulären Delisting“ kraft Antragstellung nach § 38 IV (i.V. m. § 53 II) BörsG. Deshalb beschränken sich die weiteren Untersuchungen auf diese Konstellation.181 2. Wirtschaftlicher Hintergrund und Ablauf des Börsenrückzugs; die an den Börsenrückzug geknüpften Rechtsfolgen Zieht sich eine Gesellschaft von der Börse zurück, so will sie damit regelmäßig bestimmten als nachteilig empfundenen Folgen der Börsennotierung entgehen.182 So können die laufenden Kosten der Notierung unrentabel erscheinen, etwa weil ein Unternehmen von einem anderen börsennotierten übernommen worden ist und die Konzernfinanzierung über die Börse in Zukunft bei diesem stattfinden soll. Oder der Handelsumfang der Aktie kann auf ein Maß geschrumpft sein, das die Kosten der Börsennotierung nicht mehr rechtfertigt. Nicht selten werden die börsenrechtlichen Publizitätspflichten als nachteilig empfunden, weil sie die öffentliche Wahrnehmung negativer Nachrichten von Seiten des Emittenten erhöhen. Das Motiv für den Rückzug von der Börse kann aber auch schlicht darin liegen, dass das wirtschaftliche Ziel der Eigenkapitalaufnahme langfristig erreicht ist und eine weitere Präsenz an der Börse deshalb nicht notwendig erscheint.183 Hintergrund des Börsenrückzugs kann weiter sein, Übertragung des Gesellschaftsvermögens darf also nicht zum Zwecke des Ausschlusses von Aktionären betrieben werden. 179 Groß ZHR 165 (2001), 151 nimmt an, dass es auf die Löschung der AG im Handelsregister ankommt. Da diese aber nur deklaratorisch ist (vgl. Hüffer AktG § 263 Rn. 3), muss es auf die materiell-rechtliche Vollbeendigung ankommen. 180 B. I. 1. 181 Auch der Börsensegmentwechsel „nach unten“ (Downgrading) – betreffend den Börsengang analog schon Fn. 33 –, den man als „Teilrückzug“ von der Börse bezeichnen mag, wird demnach nicht extra berücksichtigt werden. 182 Zu solchen Nachteilen vgl. schon oben B. I. 2. und 4. Einen Überblick über mögliche Motive für den Börsenrückzug geben Krämer/Theiß AG 2003, 226 sowie – ausführlicher – Kleppe S. 13 ff.

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B. Klärung der Begriffe „Börsengang‘‘ und „Börsenrückzug‘‘

dass notwendige Investitionen oder Änderungen der Unternehmenspolitik vorgenommen werden sollen, die vom Markt kurz- oder mittelfristig nicht oder nur mit einem Kursabschlag honoriert würden.184 Der Ablauf des regulären Börsenrückzugs stellt sich ungleich weniger komplex dar als der umgekehrte Vorgang, der Gang an die Börse. Der Emittent muss lediglich die Aufhebung der Börsenzulassung beantragen. Mit der wirksamen positiven Verbescheidung dieses Antrags ist der Börsenrückzug erfolgt. Sobald das Going Private auf diese Weise vollzogen ist, entfallen die oben185 dargestellten Rechtsfolgen des Börsengangs wieder. Die AG ist rechtlich fortan wie jede andere private AG gestellt. Aus Sicht der Aktionäre ist die entscheidende Folge, dass sie fortan ihre Aktien nicht mehr über die Börse veräußern können.

III. Zusammenfassung Als Börsengang ist die Erweiterung des Aktionärskreises einer Gesellschaft unter In-Anspruch-Nahme der Institution Börse zu verstehen. Der Börsenauftritt wird in verschiedenen „Phasen“, die in der Praxis entwickelt worden sind, vorbereitet und durchgeführt. Die emittierten Aktien stammen regelmäßig zu einem Teil von Altaktionären, zum anderen Teil aus einem genehmigten Kapital. Die Emissionsbanken übernehmen bzw. zeichnen die für den Börsengang zur Verfügung gestellten Gesellschaftsanteile und veräußern sie sodann an Investoren. Der Emissionspreis fließt abzüglich der Provisionen an die Altaktionäre bzw. an den Emittenten. Sobald ihm die Zulassung der Anteile zum Börsenhandel erteilt ist und die Aktien an der Börse eingeführt sind, können dort die ersten Umsätze herbeigeführt werden. An das Going Public ist eine ganze Reihe von Rechtsfolgen geknüpft. Diese treffen teilweise die AG, teilweise deren Aktionäre: Die AG kann der Prospekthaftung unterliegen. Sie treffen weitreichende Informations- und Publizitätspflichten sowie einige weniger bedeutsame Verhaltenspflichten wie z. B. die Pflicht zur Gewährleistung einer Zahl- und Hinterlegungsstelle im Inland. Mit dem Börsengang gehen zudem finanzielle Belastungen der AG einher. Die Kosten des Börsengangs sind nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung teilweise steuerlich absetzbar. Die Aktionäre können der Prospekthaftung unterfallen, wenn sie als „Urheber“ des Prospekts auf dessen Inhalt maßgeblich Einfluss genommen haben. Für sie gilt das Insiderrecht der §§ 12 ff. WpHG. Börsenkursmanipulationen (§ 20a 183 184 185

Grupp Börseneintritt S. 102. Vgl. Grupp Börseneintritt S. 104. B. I. 4.

III. Zusammenfassung

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WpHG) sind ihnen untersagt. An die Stelle der aktienrechtlichen Mitteilungspflichten der Gesellschafter bei Überschreiten bestimmter Beteiligungsgrenzen aus §§ 20 f. AktG (die nur für die nicht börsennotierte AG gelten, §§ 20 VIII, 21 V AktG) treten Publizitätspflichten aus den §§ 21 ff. WpHG. Aus steuerlicher Sicht kann sich die Änderung der Bemessungsgrundlage im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nachteilig für die Anteilseigner auswirken. Der Rückzug einer AG von der Börse vollzieht sich durch Aufhebung der Börsenzulassung durch die Börsenzulassungsstelle auf Antrag des Emittenten. Der Börsenrückzug lässt die Rechtsfolgen des Börsengangs wieder entfallen. Außerdem wird dem Aktionär – in wirtschaftlicher Hinsicht – ein Markt genommen, an dem er seine Aktien mit vergleichsweise wenig Aufwand veräußern kann.

C. Die innergesellschaftlichen Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug I. Die „einstufige“ Entscheidung beim Delisting im Gegensatz zum „mehrstufigen“ Prozess Börsengang Will man sich über das innergesellschaftlich zuständige Organ für die Entscheidungen über den Börsengang sowie über den Börsenrückzug klar werden, so ist zunächst festzulegen, was genau Gegenstand dieser Entscheidungen ist. Es muss herausgearbeitet werden, in welcher konkreten innergesellschaftlichen Maßnahme – oder in welcher Mehrzahl von Maßnahmen – die Entscheidung über den Börsengang bzw. über den Börsenrückzug zu sehen ist. Das AktG hilft in dieser Frage nicht weiter. Es lässt nicht erkennen, was einen Gang an die Börse ausmacht, und auch nicht, welche innergesellschaftlichen Maßnahmen und Entscheidungen dafür erforderlich oder auch nur zweckmäßig sind. Gleiches gilt für den Rückzug von der Börse. Erste Konturen des zutreffenden Bezugspunktes für die Untersuchung der Zuständigkeitsfrage werden erkennbar, wenn man zum Aktienrecht das Börsenrecht hinzuzieht. Mit dessen Hilfe sind einzelne innergesellschaftliche Maßnahmen beim Börsengang und Börsenrückzug auszumachen, die der Untersuchung zugrunde gelegt werden können: Für das Delisting liegen die Dinge übersichtlich. Hier kommt, wie aus der einzigen börsengesetzlichen Regelung zum Delisting in § 38 BörsG erhellt, nur ein einziger Akt auf Seiten der AG in Betracht: die Stellung des Antrags auf Aufhebung der Börsenzulassung nach § 38 IV BörsG, gerichtet an die Börsenzulassungsstelle. Innergesellschaftlich steht dabei die Entscheidung an, ob der Antrag durch die börsennotierte AG gestellt werden soll oder nicht.186 Diesbezüglich wird das zuständige Gesellschaftsorgan zu ermitteln sein. Nicht so einfach stellt sich die Lage hinsichtlich des Börsengangs dar. Die Darstellung des tatsächlichen Ablaufs eines IPO hat gezeigt, dass es sich um einen Prozess handelt, der eine Fülle von Maßnahmen und Entscheidungen mit

186 Wenig zweifelhaft kann hingegen sein, dass unabhängig von der Frage, ob der Vorstand oder die Hauptversammlung zu entscheiden hat, nach außen der Vorstand die Aufhebung der Börsenzulassung zu beantragen hat. Das ist hier aber noch nicht näher auszuführen, sondern bedarf nur dann weiterer Erörterung, wenn die Hauptversammlung über das Delisting zu entscheiden hat.

I. „Einstufige‘‘ Entscheidung und „mehrstufiger‘‘ Prozess

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sich bringt. Das Börsenrecht enthält eine ganze Reihe von Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Börsenzulassung erteilt wird187, insbesondere ist ein Prospekt anzufertigen. Weiter sind von der AG oder ihren Aktionären Gesellschaftsanteile für den Börsengang zur Verfügung zu stellen. Außerdem muss der Emittent die Börsenzulassung beantragen usw. Das Going Public umfasst also anders als das Delisting einen Prozess, der mehrere Schritte durchläuft. Dieser Umstand schlägt sich natürlich auch innergesellschaftlich nieder. Für die Untersuchung der Zuständigkeitsfrage bedeutet das: Es ist zwangsläufig für eine Mehrzahl von Einzelmaßnahmen im Verlaufe des Börsengangs nach dem zuständigen Organ zu fragen. Bei der Untersuchung dieser Einzelakte kann derjenige, der die Zuständigkeit für „den Börsengang“ untersucht, indessen nicht stehen bleiben. Die alleinige Aufteilung des Prozesses in seine Einzelmaßnahmen würde dem Charakter des Börsengangs als zusammengehörigen Geschehens nicht gerecht. Der Gang an die Börse folgt einem vorab ausgearbeiteten „Gesamtplan“, dessen einzelne Schritte nicht isoliert stehen, sondern aufeinander bezogen sind. Die Gesamtheit der Maßnahmen ist durch einen Endzweck verbunden: Die Anteile an der AG sollen am Ende des Prozesses an der Börse notiert sein. Nur deshalb wird ein Börsenzulassungsprospekt erstellt, wird das Kapital der AG erhöht etc. Früher oder später ist daher notwendig die Entscheidung über das „Ob“ des Börsengangs zu fällen. Insoweit kann es nur um eine Art „Grundsatzentscheidung“ gehen.188 Diese Grundsatzentscheidung kann zum einen mit einer bestimmten Einzelmaßnahme des Börsengangs zusammenfallen, also mit ihr identisch sein. Das ließe dann zumindest im Grundsatz darauf schließen, dass dasjenige Organ, welches für diese Einzelmaßnahme zuständig ist, zugleich die Grundsatzentscheidung über den Börsengang zu fällen hat. Zum anderen kann sich die Grundsatzentscheidung aber auch als eine eigenständige, „zusätzliche“ Entscheidung im Verlaufe des Börsengangs darstellen, so dass für diese zusätzliche Entscheidung nach dem zuständigen Organ zu fragen ist.

187

Vgl. hierzu oben B. I. 2., 3. Eine solche Grundsatzentscheidung erkennen auch Kramer S. 158, 176; Grupp Börseneintritt S. 147 ff.; Schanz § 12 Rn. 68 und der Emittentenleitfaden Deutsche Börse S. 51. Auch in der Beratungspraxis wird häufig ein „Grundsatzbeschluss“ der Hauptversammlung über den Börsengang vorgesehen (Auskunft von Herrn RA Dr. Lohner, Baker&McKenzie; ebenso die Auskunft von Herrn RA Dr. Kuhn, CMS Hasche Sigle). Vgl. dazu schon oben Fn. 16. 188

60

C. Die innergesellschaftlichen Entscheidungen

II. Die unzutreffende Gleichsetzung der Entscheidungen über eine Kapitalerhöhung bzw. über den Verkauf von Aktien durch Altaktionäre mit der Entscheidung über den Börsengang Die Literatur legt ihren Überlegungen zur Kompetenzverteilung beim Börsengang überwiegend – ohne dass dies näher begründet würde – die Entscheidungen über die Kapitalerhöhung bzw. über den Verkauf von Gesellschaftsanteilen im Rahmen des Börsengangs zugrunde.189 Sie setzt also die Entscheidung über diese Maßnahmen mit der „Grundsatzentscheidung“ über den Börsengang gleich. Nicht nur in Bezug auf die Kapitalerhöhung, bei der ein Hauptversammlungsbeschluss ohnehin zwingend vorgeschrieben ist (§§ 182 ff. AktG), sondern auch für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen wird sodann ein Mitwirkungsrecht der Hauptversammlung im Ergebnis überwiegend befürwortet. Diese Anknüpfung ist einerseits unvollständig, andererseits als solche rechtlich angreifbar: Sie ist unvollständig, weil ohne weiteres Fälle vorstellbar sind, in denen eine AG an die Börse geführt wird, ohne dass die Aktionäre notwendig – im Rahmen einer Kapitalerhöhung oder anlässlich eines Anteilsverkaufs190 – über den Börsengang mitentschieden hätten. Nutzt der Vorstand etwa ausschließlich ein genehmigtes Kapital, um Aktien an die Börse zu bringen, und war zum Zeitpunkt der Einräumung des genehmigten Kapitals ein Börsengang nicht absehbar, so fehlt es an einer diesbezüglichen Willensbekundung der Hauptversammlung.191 Aktien können theoretisch sogar ohne jede Kapitalerhöhung oder Plat189 Ausdrücklich Lutter/Drygala FS Raisch, S. 240 f.; wohl auch Lutter FS Zöllner I, S. 376 ff. Für den Konzern auch Fleischer ZHR 165 (2001), 522 ff.; Fuchs RWSForum Gesellschaftsrecht S. 259 ff. Picot/Land DB 1999, 571 wollen einerseits auf den Kapitalerhöhungsbeschluss abstellen, kommen aber andererseits zum Ergebnis, es seien auch die „vom Vorstand im Zuge des Börsengangs abzuschließenden Verträge (insbesondere der Übernahmevertrag) und der Antrag auf Zulassung zum Handel an der Börse“ zustimmungspflichtig seitens der Hauptversammlung [zum Übernahmevertrag zwischen Emittent und Emissionsbank vgl. oben B. I. 2. b)]. Vollmer/Grupp ZGR 1995, 460 befürworten einen Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang, weisen aber darauf hin, die Kapitalerhöhung betreffe „nicht eigentlich den in Frage stehenden Vorgang „Börseneintritt“ [. . .]“. Eine Alternative bieten sie allerdings nicht an. Ähnlich Schanz § 6 Rn. 46 ff. und Trapp/Schick AG 2001, 382: Die Zustimmung der Aktionäre sei „für die Börseneinführung als solche“ erforderlich. Die Verfasser präzisieren das jedoch nicht. Auch in der Praxis wird mitunter der Beschluss über eine Kapitalerhöhung mit der Zustimmung zum Börsengang gleichgesetzt (Auskunft von RA Dr. Groß, HengelerMueller). 190 Dass hinsichtlich des Anteilsverkauf ohnehin kein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung in Betracht kommt, ist gleich noch näher darzulegen. 191 Wird das genehmigte Kapital allerdings mit der Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts verknüpft, ist ein Bericht über die Gründe für den Ausschluss zu liefern, §§ 203 II, 186 IV 2 AktG. In diesen Gründen muss der Börsengang als Zweck

II. Unzutreffende Gleichsetzung

61

zierung von Altanteilen an der Börse notiert werden.192 Was in solchen Fällen gelten soll, führt die Literatur nicht aus. Rechtliche Bedenken gegen die Auffassung der Literatur resultieren zweifellos nicht daraus, dass sie die Hauptversammlung für zustimmungsbefugt im Rahmen der Kapitalerhöhung zum Zwecke des Börsengangs hält. Ein Hauptversammlungsbeschluss ist hier aktienrechtlich vorgeschrieben.193 Problematisch ist es aber anzunehmen, dass mit der Kapitalerhöhung zugleich dem Börsengang zugestimmt werde.194 Ein solcher „stillschweigender“ Zustimmungsbeschluss kann nicht ausreichend sein, wenn man die Hauptversammlung für kompetent hält, über den Börsengang zu entscheiden.195 Das zeigen die strikten formalen Anforderungen an die Einberufung der Hauptversammlung (§§ 121–128 AktG) und an die Beschlussfassung in der Hauptversammlung (§ 130 AktG etwa verlangt die Beurkundung der Beschlüsse). Diese Bestimmungen unterwerfen die Willensäußerungen des Anteilseignerorgans im Interesse der Aktionäre und im Interesse der Rechtssicherheit196 einem formalisierten Verfahren. Damit sind konkludente Beschlussinhalte, zumal in so wichtigen Angelegenheiten wie einem Börsengang, unvereinbar. Dass den Aktionären regelmäßig der „Zweck“ des Kapitalerhöhungsbeschlusses bewusst sein wird, wenn der Börsengang eingeleitet wurde, ist eine andere Frage. Das betrifft das Motiv für die Kapitalerhöhung. Unter Hinweis hierauf kann man sich über die streng formalen aktiengesetzlichen Anforderungen für Hauptversammlungsbeschlüsse nicht hinwegsetzen. Hält man die Aktionäre für entscheidungsbefugt, so muss ihre Zustimmung zum Börsengang – wie bei jeder Hauptversammlungszuständigkeit – in einem eigenständigen formellen Beschluss Ausdruck finden. Damit geht z. B. einher, dass der Beschlussgegenstand als Punkt der Tagesordnung ordnungsgemäß angekündigt werden muss (§§ 124 ff. AktG) und dass die Depotbanken im Rahmen der §§ 128, 135 AktG unter Vorlage eines eigenen Beschlussvorschlags von den Aktionären Weisungen zur Stimmrechtsausübung zu erbitten haben. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Anteilseigner eine informierte Entaufgeführt sein, damit tatsächlich im Rahmen eines Börsengangs das Bezugsrecht ausgeschlossen werden darf (so RA Dr. Groß, HengelerMueller). 192 Dazu oben Fn. 20. 193 Vgl. § 182 (Kapitalerhöhung gegen Einlagen), § 192 (bedingte Kapitalerhöhung), § 202 II (genehmigtes Kapital) und § 207 I AktG (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln). 194 Erber (S. 46) weist darauf hin, dass nicht nur ein Kapitalerhöhungsbeschluss, sondern auch der Beschluss über eine Umwandlung die Zustimmung zum Börsengang ersetzen könne. 195 Die Möglichkeit „konkludenter“ Hauptversammlungsbeschlüsse wird, soweit ersichtlich, weder in der Rechtsprechung, noch in der Kommentarliteratur erwogen. 196 Zu diesen Anliegen der Vorschriften vgl. schon die Amtliche Begründung zu Art. 238, 238a ADHGB 1884 bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 505 f. (Mit dem ADHGB 1884 ist das ADHGB i. d. F. der Aktienrechtsnovelle vom 18.7.1884 bezeichnet).

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C. Die innergesellschaftlichen Entscheidungen

scheidung treffen. Schon diese Erwägungen liefern einen durchgreifenden materialen Einwand gegen die Gleichsetzung der Entscheidung über eine Kapitalerhöhung im Rahmen des Börsengangs mit derjenigen über den Börsengang als solchen. Hinsichtlich des Aktienverkaufs durch Altaktionäre lässt sich ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung, wie es die Literatur annimmt, rechtlich nicht vertreten.197 Die Entscheidung über die Veräußerung der Aktien treffen die einzelnen Anteilseigner.198 Wer ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung an dieser Entscheidung befürwortet, führt einen im Aktiengesetz nicht vorgesehenen Vinkulierungstatbestand ein. Selbst wenn man das für möglich hielte199, lässt sich aus § 68 II 1 und § 180 II i.V. m. I AktG ablesen, dass nur bei ausdrücklicher satzungsmäßiger Festlegung unter Beteiligung aller Aktionäre die Anteilsübertragung an die Zustimmung eines Organs der AG gebunden werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, die Anteilsveräußerung im Rahmen eines Börsengangs an einen nicht satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit zu binden, wie Teile der Literatur es vertreten.200 Warum außerdem allein die Kapitalerhöhung oder ein Anteilsverkauf „die“ Entscheidung über den Börsengang sein sollen und warum insbesondere die Beantragung der Börsenzulassung nicht dazu zählen soll, bleibt offen.201

III. Die unzutreffende Gleichsetzung der Entscheidung über den Abschluss des „Übernahmevertrags“ mit der Entscheidung über den Börsengang Von einem Teil der Literatur wird die Entscheidung über den Abschluss des Übernahmevertrags zwischen dem Emittenten und den Emissionsbanken als 197

I.E. ebenso Erber S. 22. Bei Vinkulierung kommt die Zustimmung der Gesellschaft hinzu. 199 Eine Analogie zu den Vorschriften über die Vinkulierung (§§ 68 II 1, 180 II i.V. m. I AktG) in Fällen des Börsengangs mit der Folge, dass der Börsengang nur von der Hauptversammlung angeordnet werden kann, dürfte allerdings schwerlich vertretbar sein. Der Börsengang erhöht die Fungibilität der Anteile, die Vinkulierung setzt sie herab. 200 Für ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung bei der Anteilsveräußerung durch Altaktionäre in der eingliedrigen AG Lutter/Drygala FS Raisch S. 240 f.; wohl auch Lutter FS Zöllner I, S. 376 ff. 201 So wird teilweise sogar noch betont, es bestehe „Einigkeit“, dass für die Beantragung der Börsenzulassung der Vorstand zuständig sei, vgl. Trapp/Schick AG 2001, 382. Gleichwohl begründen einige Autoren ein Mitverwaltungsrecht der Aktionäre damit, der „Charakter“ einer AG ändere sich grundlegend durch die Öffnung der AG an das Publikum und die börsenspezifischen Publizitätspflichten, die nun gerade an die Zulassung anknüpfen. Das ist widersprüchlich. 198

IV. Zutreffende Gleichsetzung

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maßgeblicher Akt angesehen, hinsichtlich dessen die Zuständigkeitsfrage beim Börsengang zu stellen sein soll.202 Auch hier gilt: Der Abschluss des Übernahmevertrags ist ein Akt des Börsengangs, und er ist durchaus ein wichtiger Akt im gesamten Verfahren. Dass bzw. warum er aber der entscheidende sein soll, bedürfte näherer Erklärung. Argumente für diese Sichtweise bleiben ihre Befürworter jedoch schuldig. Allein aus der Bedeutung des Übernahmevertrags lassen sich solche Hinweise jedenfalls nicht gewinnen. Es gibt weitere, mindestens ebenso gewichtige Entscheidungen, die Bestandteil des Börsengangs sind. Dazu zählt beispielsweise der Kapitalerhöhungsbeschluss, und auch die Stellung des Börsenzulassungsantrags kann man nicht als minder bedeutsam bezeichnen als den Abschluss des Übernahmevertrags. Es ist deshalb nicht einleuchtend, die Zuständigkeitsfrage betreffend den Börsengang ausgerechnet mit Blick auf den Übernahmevertrag entscheiden zu wollen.

IV. Gleichsetzung der Entscheidungen über die Beantragung der Börsenzulassung und der Grundsatzentscheidung über den Börsengang Überzeugender ist es, die Entscheidung in der Gesellschaft über die Stellung des Antrags auf Börsenzulassung203 als den maßgeblichen Akt im Rahmen des Börsengangs anzusehen. Diese Entscheidung enthält zugleich die „Grundsatzentscheidung“ über den Börsengang. Dafür lässt sich zunächst auf das Delisting verweisen. Beim Börsenrückzug war die innergesellschaftliche Entscheidung darüber, die Aufhebung der Börsenzulassung zu beantragen (§ 38 IV BörsG), eindeutig als derjenige Akt zu identifizieren, hinsichtlich dessen die Zuständigkeit zu klären ist.204 Das Delisting ist der actus contrarius zum Börsengang.205 Das spricht dafür, den für die Untersuchung der Zuständigkeitsfrage maßgeblichen innergesellschaftlichen Akt „spiegelbildlich“ festzulegen. 202 So Erber S. 25 ff., der zusätzlich von einem „Zeichnungsvertrag“ spricht. Die Verpflichtung der Banken zur Zeichnung der jungen Aktien ist regelmäßig im Übernahmevertrag selbst vorgesehen (vgl. etwa das Vertragsmuster bei Lenenbach Rn. 7.72; Schanz § 9 Rn. 37), so dass von einem eigenständigen Zeichnungsvertrag nicht auszugehen ist. Wie Erber stellen auch Picot/Land DB 1999, 570 ff. unter anderem auf den Übernahmevertrag ab (vgl. schon oben Fn. 189). 203 Der Antrag ist nach §§ 30 II, 32 BörsG i.V. m. §§ 48 ff. BörsZulV und den BörsO der Börsen für den amtlichen Markt zu stellen, nach §§ 49 II, 51 V, 30 II, 32 BörsG i.V. m. den BörsO der Börsen für den geregelten Markt. 204 Vgl. oben C. I. 205 In diesem Sinne auch Lenenbach Rn. 7.135, der terminologisch mit der Bezeichnung des Delisting als „Anti-Emission“ allerdings nicht ganz richtig liegt. Es geht beim Going Private nicht um eine Rückgängigmachung der Emission, sondern der Börsenzulassung.

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C. Die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Zuzugeben ist, dass beim Börsenrückzug von vornherein nur eine einzige Maßnahme in der Gesellschaft in Betracht kommt, für die nach dem zuständigen Organ gefragt werden kann. Das ist beim Börsengang anders. Deshalb mag der formale Schluss vom Delisting auf den Börsengang nicht vollends zwingend erscheinen. Für die Übertragung der Grundsätze des Delisting auf das Going Public spricht aber neben der Spiegelbildlichkeit der Vorgänge noch ein Weiteres: Die Beantragung der Börsenzulassung macht den Börsengang in gleichem Maße endgültig wie die Antragstellung nach § 38 IV BörsG den Börsenrückzug. Auch deshalb kann man die Beantragung der Börsenzulassung in gleicher Weise als „die“ Entscheidung über den Börsengang verstehen wie die Antragstellung nach § 38 IV BörsG als „die“ Entscheidung über den Börsenrückzug anzusehen war. Die „Endgültigkeit“ der Antragstellung ist zwar nicht wörtlich zu verstehen. Der jeweilige Antrag kann nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts theoretisch noch bis zur Erteilung des Verwaltungsaktes zurückgezogen werden. Ergreift die Gesellschaft aber keine solchen Gegenmaßnahmen und wird die Börsenzulassung erteilt bzw. aufgehoben, so ist der Kernzweck des Börsengangs bzw. des Börsenrückzugs erreicht. Mit der Stellung des Antrags gibt die Gesellschaft mithin zu erkennen, dass der Börsengang oder Börsenrückzug von ihrer Warte aus vollzogen werden soll. Man kann also für den Börsengang sagen: Während das Going Public bis zur Stellung des Börsenzulassungsantrags noch aufgehalten werden kann, wird die Weichenstellung mit dem Antrag bei der Börse definitiv. Die Gesellschaft gibt das Geschehen aus der Hand. Auch das spricht dafür, die Entscheidung für die Antragstellung als maßgebliche Entscheidung über das „Ob“ und mithin als Grundsatzentscheidung für den Börsengang zu begreifen. Man könnte nun geneigt sein, die eben vorgetragenen Argumente für die „Endgültigkeit“ des Börsengangs bei Beantragung der Börsenzulassung unter Hinweis auf § 37 IV BörsG anzuzweifeln. Für den amtlichen Markt enthält diese Vorschrift eine Sonderregelung: Die Börsenzulassung erlischt, wenn die Aktien nicht innerhalb von drei Monaten in den Handel eingeführt werden. Daraus könnte man folgern, dass in Wirklichkeit nicht die Beantragung der Börsenzulassung, sondern – zumindest im amtlichen Markt – die Beantragung der Börseneinführung der maßgebliche Akt des Börsengangs sei. Der Hinweis auf § 37 IV BörsG ist in der Tat formal zutreffend. § 37 IV BörsG ist aber in der Praxis von ganz untergeordneter Bedeutung. Es kommt äußerst selten vor, dass ein Unternehmen nach Erteilung der Zulassung zum amtlichen Markt diese erlöschen lässt.206 Faktisch ist der Börsengang deswegen nach der Stellung des Börsenzulassungsantrags definitiv.207 Deshalb kann trotz § 37 IV BörsG die in206 So die Auskünfte der Börsen München, Düsseldorf, Berlin-Bremen (keine Fälle bekannt) und Frankfurt (einzelne Ausnahmefälle).

IV. Zutreffende Gleichsetzung

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nergesellschaftliche Entscheidung über die Beantragung der Börsenzulassung als der maßgebliche Akt im Verlaufe des Börsengangs angesehen werden. Gegen den hier gewählten Anknüpfungspunkt für die Untersuchung der Zuständigkeitsfrage beim Börsengang könnte man schließlich anführen wollen, es sei befremdend anzunehmen, dass die Grundsatzentscheidung über den Börsengang erst gegen Ende desselben, nämlich vor der Beantragung der Zulassung, zu fällen sei.208 Dieser Einwand liefe jedenfalls dann ins Leere, wenn der Vorstand zuständig für die Entscheidung über den Börsengang ist. Er könnte und müsste sich selbstverständlich schon weit vor der Antragstellung darüber abstimmen, ob der Börsengang letztendlich – inklusive Antragstellungen bei der Börse – durchgeführt werden soll. Bedeutung hat der Einwand also nur, wenn sich herausstellen sollte, dass die Hauptversammlung zuständig ist. Für diesen Fall ist aber zum Ersten auf den faktischen Einfluss von Großaktionären zu verweisen. Der Vorstand wird einen Börsengang nicht initiieren, ohne sich frühzeitig der Zustimmung der Großaktionäre zu versichern. Zum Zweiten würde die Zustimmungspflichtigkeit der Antragstellung seitens der Hauptversammlung auch nicht bedeuten, dass die Entscheidung über die Beantragung der Börsenzulassung erst unmittelbar vor der Stellung des Antrags eingeholt werden müsste oder dürfte. Das Gegenteil ist der Fall. Es wäre dem Vorstand als sorgfaltswidrig auszulegen, wenn er umfassende (und teure) Vorbereitungsmaßnahmen für den Börsengang träfe, ohne sicherzustellen, dass dieser auch gewünscht und durchführbar ist. Der Vorstand müsste daher den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss für die Grundsatzentscheidung frühzeitig herbeiführen.209 So könnte etwa zu verlangen sein, dass eine Hauptversammlung einberufen wird, sobald der Vorstand sich über die Börsenreife der Gesellschaft klar geworden ist, diese bejaht und den Börsengang anstrebt, bevor er mithin externe Berater beauftragt, die ihre „standardisierten“ Abläufe in Gang 207 Im Übrigen ließe sich auch unproblematisch annehmen, bei Börsengängen an den amtlichen Markt sei erst mit Beantragung der Börseneinführung eine Lage erreicht, die derjenigen beim Delisting vergleichbar ist. Erst zu diesem Zeitpunkt sei über das „Ob“ des Börsengangs entschieden und mithin die „Grundsatzentscheidung“ über den Börsengang gefällt. Innergesellschaftlich wäre dann auf die Entscheidung über die Beantragung der Börseneinführung abzustellen. In der Sache würden sich keine Unterschiede ergeben. 208 Dieser Einwand träfe allerdings die eben (C. II., III.) dargestellten Literaturauffassungen gleichermaßen. Das Kapital wird im Laufe eines Börsengangs nicht selten erst unmittelbar vor dem Bookbuilding erhöht, die Altanteile werden von den Emissionsbanken erst nach Abschluss des Übernahmevertrags übernommen [vgl. Trapp/ Schick AG 2001, 389 sowie die Ausführungen oben unter B. I. 2. b)]. Auch der Übernahmevertrag selbst wird nicht zu Beginn des Börsengangs geschlossen. 209 Die Hauptversammlung könnte dies, ihre Zuständigkeit unterstellt, ohnehin verlangen, § 83 I 1 AktG.

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C. Die innergesellschaftlichen Entscheidungen

bringen. Nähere Überlegungen zum geeigneten Zeitpunkt der Beteiligung der Hauptversammlung sind aber erst dann anzustellen, wenn sich herausstellt, dass diese wirklich zuständig ist. Im Ergebnis spricht nichts dagegen, die Entscheidung über die Beantragung der Börsenzulassung als Entscheidung über das „Ob“ des Börsengangs anzusehen.

V. Zusammenfassung Die Entscheidung über das Delisting fällt, wenn in der Gesellschaft über die Stellung des Antrags auf Aufhebung der Börsenzulassung nach § 38 IV BörsG befunden wird. Die „Grundsatzentscheidung“ über den Börsengang deckt sich mit der Entscheidung über die Beantragung der Börsenzulassung. Über den konkreten Zeitpunkt, zu dem die Grundsatzentscheidung in der Praxis herbeigeführt werden sollte, ist damit noch keine Aussage getroffen.

D. Die Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug I. Die grundsätzliche Zuständigkeit des Vorstands Nachdem die innergesellschaftlich maßgeblichen Maßnahmen gefunden sind, welche über den Börsengang bzw. den Rückzug von der Börse entscheiden, kann nach dem zuständigen Organ (oder den zuständigen Organen) für diese Schritte gefragt werden. Im Ausgangspunkt ist sowohl beim Börsengang als auch beim Börsenrückzug der Vorstand als das entscheidungsbefugte Gesellschaftsorgan anzusehen. In beiden Fällen geht es nämlich um eine Antragstellung für die AG: Für das Delisting ist der Antrag nach § 38 IV BörsG erforderlich, die Zulassung der Anteile zum Börsenhandel ist gemäß §§ 30 II, 32 BörsG i.V. m. 48 ff. BörsZulV und den BörsO der Börsen (für den amtlichen Markt) oder nach §§ 49 II, 51 V, 30 II, 32 BörsG i.V. m. den BörsO der Börsen (für den geregelten Markt) zu beantragen. Die Stellung von Anträgen gehört zur Vertretung der AG durch den Vorstand (§ 78 I AktG), die vorgelagerte Entscheidung über die Stellung des Antrags ist ein Akt der Geschäftsführung, für welche grundsätzlich ebenfalls der Vorstand kompetent ist, § 77 AktG. Diese grundsätzliche Feststellung könnte man zumindest für den Börsengang deshalb anzweifeln wollen, weil hier nicht nur eine Antragstellung in Rede steht. Die Entscheidung über die Beantragung der Börsenzulassung umfasst, wie eben gesehen, zugleich die „Grundsatzentscheidung“ für den mehrstufigen Prozess des Going Public. Das ändert aber nichts. Denn auch wenn man berücksichtigt, dass mit der Entscheidung über die Antragstellung bei der Börse zugleich die Grundsatzentscheidung für oder gegen den Börsengang fällt, so stellt sich diese Grundsatzentscheidung jedenfalls als „strategische“ Entscheidung dar. Es geht um die grundsätzliche Befürwortung eines Maßnahmenkatalogs im Rahmen des Börsengangs, um die Ausrichtung der AG hierauf. Ziel der Maßnahmen ist zumeist die Verbesserung der Liquiditätssituation der Gesellschaft zur Finanzierung von Unternehmenswachstum, Expansion oder Produktentwicklung. Eine solche strategische Entscheidung gehört zum Bereich der Geschäftsführung bzw. -leitung210, der dem Vorstand obliegt, §§ 76, 77 AktG. Es 210 So auch Becker/Fett WM 2001, 550. Als Geschäftsführung werden nach gängiger Definition alle Maßnahmen tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art für die AG

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

bleibt also dabei: Die Entscheidung darüber, ob die Börsenzulassung oder die Aufhebung derselben durch die Börsenzulassungsstelle beantragt wird, hat im Grundsatz der Vorstand zu treffen. Die Zuständigkeit des Vorstands in Geschäftsführungs- und Leitungsangelegenheiten der Gesellschaft hat freilich Grenzen, welche bei der Entscheidung über einen Börsengang bzw. über einen Börsenrückzug überschritten sein könnten. Auch wenn eine Maßnahme grundsätzlich als eine solche der Geschäftsführung für die AG einzuordnen ist, kann in der Sache ein anderes Organ als der Vorstand zu entscheiden haben.211 Das zeigen z. B. § 179a und § 221 I Var. 2 AktG. Die Verpflichtung der AG zur Übertragung aller ihrer Vermögensgegenstände auf einen Dritten wie auch die Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen sind eigentlich Maßnahmen der Geschäftsführung. Trotzdem steht hier nach dem Gesetz das „Letztentscheidungsrecht“ der Hauptversammlung, nicht dem Vorstand zu. Im Verhältnis des Vorstands zum Aufsichtsrat gilt nach § 84 I 5 AktG: Der Aufsichtsrat beschließt über den Anstellungsvertrag zwischen Vorstand und AG, obwohl es sich hierbei um eine Maßnahme der Geschäftsführung für die AG handelt. Auch betreffend den Börsengang und den Börsenrückzug muss daher über die Grenzen der Vorstandskompetenzen im Verhältnis zu den anderen Organen der AG nachgedacht werden. Lässt sich dem Gesetz entnehmen, dass ein anderes Organ als der Vorstand über das Going Public bzw. das Going Private (allein) zu entscheiden hat, so ist der eben aufgestellte Grundsatz der Entscheidungsbefugnis des Vorstands widerlegt. Der Vorstand kann dann allenfalls noch als „Exekutivorgan“ dafür zur Verfügung stehen, den maßgeblichen Willen des betreffenden anderen Organs auszuführen. Ist ein Alleinentscheidungsrecht eines anderen Organs nicht feststellbar, kommen zumindest Mitentscheidungsrechte in Betracht. Im Folgenden sind demnach – wobei die Reihenfolge beliebig ist – die Kompetenztatbestände zugunsten des Aufsichtsrats und zugunsten der Hauptversammlung darauf zu überprüfen, ob und inwieweit sie die Vorgänge Börsengang und Börsenrückzug in die Hände eines anderen Organs als des Vorstands legen. angesehen, Hüffer AktG § 77 Rn. 3; „Leitung“ der Gesellschaft – § 76 AktG – ist ein Teilbereich der Geschäftsführung, der übergreifende, höhergestellte Aufgaben betrifft, z. B. Unternehmensplanung und -koordination, Hüffer AktG § 76 Rn. 7 f. 211 Einige Vertreter der Literatur trennen begrifflich zwischen „Strukturentscheidungen“ (für welche die Hauptversammlung zuständig ist) und den Geschäftsführungs- bzw. Leitungsentscheidungen (über die der Vorstand befindet). Diese begriffliche Trennung ist nur teilweise zutreffend (kritisch zu Recht Joost ZHR 163 (1999), 175 f.; KK2 /Mertens § 77 Rn. 3), weil es „Strukturentscheidungen“ gibt, die ihrem Wesen nach zugleich Geschäftsführungsmaßnahmen sind (Beispiele bei Joost a. a. O. und sogleich im Text). Die Literatur stützt ihre Unterscheidung aber nicht allein auf diese Begrifflichkeiten, sondern im Grundansatz auf materielle Kriterien. Daher braucht der Streit an dieser Stelle noch nicht ausgeführt zu werden. Näheres unter D. VI. 3.

II. Fehlen einer exklusiven Kompetenz des Aufsichtsrates

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II. Das Fehlen einer exklusiven Kompetenz des Aufsichtsrates; mögliche Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates Eine Alleinzuständigkeit des Aufsichtsrates lässt sich dem AktG weder für den Börsengang noch für den Rückzug von der Börse entnehmen. Der Aufsichtsrat kann nur in den eigens gesetzlich bestimmten Fällen konkrete Entscheidungen für die AG treffen. Für den Börsengang bzw. Börsenrückzug existieren solche ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungen zugunsten des Aufsichtsrats nicht. Es ist auch keine Norm ersichtlich, die diesbezüglich in analoger Anwendung eine Entscheidungsbefugnis des Aufsichtsrates nahe legen würde. Auch wenn sich demnach keine exklusive Kompetenz für den Börsengang und den Börsenrückzug ausmachen lässt, steht der Aufsichtsrat nicht zwingend gänzlich ohne Beteiligungsrechte da. Zunächst kann er mittelbar auf die Tätigkeit des Vorstands Einfluss nehmen. Es ist Aufgabe des Aufsichtsrats, die Tätigkeit des Vorstands zu kontrollieren, § 111 I AktG.212 Zu diesem Zweck stehen ihm insbesondere die gesetzlich vorgesehenen Berichtspflichten des Vorstands (welche die Satzung im Rahmen von § 23 V AktG ausgestalten213 kann) sowie Informationsrechte (§ 90 AktG) zur Seite. Der Aufsichtsrat kann sich in diesem Rahmen auch über einen geplanten Börsengang oder Börsenrückzug informieren und beratend Einfluss nehmen. Des Weiteren sichert das Recht zur Bestellung bzw. Abberufung des Vorstands (§ 84 AktG) dem Aufsichtsrat einen faktischen Einfluss auf die Geschäftsführung durch den Vorstand. Ob die Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug darüber hinaus nach § 111 IV AktG an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden werden können, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Eine Zustimmungsbefugnis des Aufsichtsrats ist nämlich nur denkbar, wenn nicht die Hauptversammlung über das Going Public bzw. Going Private der AG zu entscheiden hat.214 Zwar hätte auch dann möglicherweise der Vorstand die jeweili212 Zum Aufgabenkreis des Aufsichtsrates näher Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 945 ff. 213 Allerdings kann die Satzung die Berichtspflichten des Vorstands nur verschärfen, nicht erleichtern, vgl. GroßKomm3 /Meyer-Landrut § 90 Anm. 15. 214 So auch Timm DB 1980, 1201. Gegenteiliger Auffassung ist die wohl überwiegende Lehrmeinung. Sie vertritt vor allem für den Abschluss von Unternehmensverträgen nach § 293 AktG die Ansicht, dass ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates nach § 111 IV AktG in Betracht komme, obwohl insoweit eine Hauptversammlungskompetenz besteht, § 293 I, II AktG. So meint Geßler (in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff AktG § 293 Rn. 10), ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates könne dem Vertragsschluss vorausgehen und damit früher eingreifen als die Beteiligung der Hauptversammlung. Duden (ZHR 141 (1977), 171) führt aus, es sei nicht unproblematisch, den Abschluss von Unternehmensverträgen als Maßnahme der Geschäftsführung i. S. v. § 111 IV AktG einzuordnen. Hinsichtlich des Vollzugs des Beschlusses der Hauptversammlung und hinsichtlich der Vorbereitungsmaßnahmen komme aber jedenfalls ein

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

gen Anträge bei der Börse – nach „Ermächtigung“ durch die Hauptversammlung – zu stellen. Es würde also nicht zwingend schon an einer Maßnahme des Vorstands, wie sie § 111 IV 2 AktG voraussetzt215, fehlen. § 111 IV 2 AktG erfasst aber nicht jede Art von Geschäftsführungsakten. Vorausgesetzt werden vielmehr solche Akte der Geschäftsführung, für die nicht die Hauptversammlung zuständig ist. Das erschließt sich aus der Gesetzessystematik: Zunächst ist ein Handeln des Aufsichtsrates neben der Hauptversammlung an keiner Stelle des Aktiengesetzes vorgesehen.216 Ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates, das einem schon zwingend angeordneten Beschluss der Hauptversammlung vor- oder nachgeschaltet ist, wäre auch nicht zweckmäßig. § 111 IV 2 AktG räumt dem Aufsichtsrat nämlich kein Vetorecht ein, das den Vorstand an der Einschaltung der Hauptversammlung hindern würde. Vielmehr kann der Vorstand gerade nach § 111 IV 3 AktG verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung zu einer Maßnahme beschließt, wenn der Aufsichtsrat seine Zustimmung hierzu verweigert hat. Ist ein Beschluss der Anteilseigner aber aufgrund der Kompetenzverteilung des AktG ohnehin vorgesehen, würde es zu einer sinnlosen Verdoppelung der Zustimmungsrechte der Hauptversammlung kommen. Weiter sehen die Kompetenztatbestände zugunsten der Hauptversammlung bestimmte Mehrheitserfordernisse vor. Diese können von der in § 111 IV 4 AktG geforderten Beschlussmehrheit (mindestens 3/4 der abgegebenen Stimmen) für den „Stichentscheid“ der Hauptversammlung nach verweigerter Zustimmung des Aufsichtsrates und Vorlage der Angelegenheit durch den Vorstand abweichen. Somit könnten durch das Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates letztlich die gesetzlichen Anforderungen an die Stimmenmehrheit zur Durchsetzung einer Hauptversammlungskompetenz modifiziert werden: Läge es in der Hand des Aufsichtsrats, die Zustimmung zu verweigern, so könnte er die Stimmenmehrheit des § 111 IV AktG zum verbindlichen Maßstab für die Durchsetzung der Hauptversammlungskompetenz erheben. Das kann man dann für ein „hausgemachtes“ Problem der Aktionäre halten, wenn diese dem Aufsichtsrat in der Satzung Zustimmungsrechte eingeräumt haben. Der Aufsichtsrat hat aber nach § 111 IV 2 AktG auch die Möglichkeit, sich selbst Zustimmungsrechte auszubedingen. Eine Modifikation der gesetzlichen Anforderungen an die Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates in Frage. Ohne nähere Begründung für die Möglichkeit eines Zustimmungsrechts nach § 111 IV AktG beim Abschluss von Unternehmensverträgen auch KK2 /Koppensteiner § 293 Rn. 6 und GroßKomm3 /Würdinger § 293 Anm. 1. Ohne nähere Erläuterung hält Erber (S. 33 f.) ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates nach § 111 IV AktG betreffend den Börsengang für möglich, obwohl er diesbezüglich in der Folge eine Hauptversammlungszuständigkeit befürwortet. 215 Dass in § 111 IV 2 AktG nicht etwaige Geschäftsführungsmaßnahmen seitens der Hauptversammlung gemeint sein könnten, zeigen die Sätze 3 und 4 der Vorschrift. 216 Darauf weist Timm DB 1980, 1204 zu Recht hin.

II. Fehlen einer exklusiven Kompetenz des Aufsichtsrates

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Durchsetzung einer Hauptversammlungskompetenz kann dem Aufsichtsrat nicht zustehen. Bezeichnenderweise möchte die Gegenauffassung denn auch das Mehrheitserfordernis des § 111 IV 4 AktG demjenigen „anpassen“, das für den jeweiligen Beschluss der Hauptversammlung aufgrund des Kompetenztatbestandes gilt, um solche Kollisionen zu vermeiden.217 Richtigerweise ist einen Schritt früher anzusetzen: Ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates kann nicht in Betracht kommen, wenn für eine Angelegenheit die Hauptversammlung kompetent ist. Das würde auch für den Börsengang und für den Rückzug von der Börse gelten, wenn sich herausstellte, dass hier das Anteilseignerorgan zu entscheiden hat. Insoweit ist hier festzuhalten: Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates nach § 111 IV AktG könnten nur angenommen werden, soweit nicht die Hauptversammlung über das Going Public und das Going Private zu entscheiden hat. Eine vom eben Erörterten zu trennende Frage ist, ob ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates in der Satzung als „weiteres Erfordernis“ für einen wirksamen Beschluss der Hauptversammlung festgelegt werden könnte. Die Möglichkeit weiterer Erfordernisse sieht § 179 II 3 AktG (für Satzungsänderungen) vor.218 Hierunter könnte auch die Zustimmung des Aufsichtsrats zu zählen sein. Die Festsetzung eines entsprechenden „weiteren Erfordernisses“ für einen Hauptversammlungsbeschluss über den Börsengang oder über den Börsenrückzug setzt aber jedenfalls eine Kompetenz der Hauptversammlung in diesen Angelegenheiten voraus. Denn nur wenn die Zuständigkeit der Hauptversammlung feststeht, können Modifikationsmöglichkeiten hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen an den Beschluss erwogen werden. Die Frage kann daher an dieser Stelle ebenfalls noch nicht abschließend beurteilt werden. Das Zwischenergebnis lautet: Grundsätzlich ist der Vorstand kompetent, die Anträge auf Börsenzulassung und Delisting zu stellen und damit zugleich die definitive Entscheidung über den Börsengang bzw. den Börsenrückzug zu fällen. Eine diesem Grundsatz entgegenstehende exklusive Kompetenz des Aufsichtsrates besteht nicht. Ihm können Informationsrechte, namentlich auf der Grundlage von Berichtspflichten betreffend die Tätigkeit des Vorstands, zustehen. Ob ihm die Zustimmung zu den Entscheidungen des Vorstands nach § 111 217 Vgl. Duden ZHR 141 (1977), 171: Für den ggf. erforderlichen „Stichentscheid“ der Hauptversammlung nach § 111 IV 4 AktG bei verweigerter Zustimmung des Aufsichtsrates und Vorlage durch den Vorstand sei die in § 293 I 2 AktG vorgesehene Mehrheit ausreichend. Ebenso KK2 /Koppensteiner § 293 Rn. 6. 218 Auch unter diesem Vorzeichen diskutiert die Literatur Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates zum Abschluss von Unternehmensverträgen, vgl. die Darstellung bei Timm DB 1980, 1202 ff. § 293 AktG ermöglicht wie § 179 II 3 AktG grds. eine Modifikation der Beschlusserfordernisse. Daraus schließt die überwiegende Literatur, dass der Abschluss eines Unternehmensvertrags durch die Satzung an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden werden kann. Gegenteiliger Auffassung ist auch diesbezüglich Timm (a. a. O.).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

IV AktG vorbehalten werden kann, hängt davon ab, ob die Hauptversammlung in diesen Angelegenheiten eine Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann oder nicht. Falls die Hauptversammlung insoweit kompetent ist, kommt ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates zwar nicht nach § 111 IV 2 AktG, wohl aber kraft Satzungsbestimmung in Betracht. Ob es bei der grundsätzlichen Zuständigkeit des Vorstands in Sachen Börsengang und Börsenrückzug bleibt und inwieweit sich hier Mitentscheidungsrechte des Aufsichtsrates begründen lassen, hängt mithin von der Reichweite der Kompetenzen der Hauptversammlung in diesen Angelegenheiten ab. Hierüber ist im nächsten Schritt Klarheit zu schaffen.

III. Kein Ausschluss der Zuständigkeit der Hauptversammlung mit Blick auf den „Normzweck des AktG“ Eine schnelle Entscheidung gegen Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung beim Börsengang wäre gefunden, könnte man sich der Auffassung von Claussen anschließen. Seiner Meinung nach haben sich die Aktionäre mit der Wahl der Rechtsform der AG „für den Börsengang als dem [sic!] Kern der AG und dem [sic!] Normzweck des AktG entschieden.“219 Deshalb schließt er eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Entscheidung über einen Börsengang aus. Sein Argument versucht Claussen mit einer Parallele zum GmbHG zu veranschaulichen. Hier seien der „Kern der Rechtsidee [. . .] und Normzweck“ in der Haftungsbeschränkung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen zu sehen. Was allerdings unter dem „Kern der AG“ sowie dem „Normzweck des AktG“ zu verstehen sein soll und warum der Börsengang hierzu zählen soll, klärt Claussen nicht auf. Sein Hinweis auf das GmbH-Recht führt insoweit jedenfalls nicht weiter. Dass der „Kern“ oder der „Normzweck“ des GmbHG ausschließlich die Haftungsbegrenzung für die Gesellschafter sein soll, ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Das GmbHG ermöglicht nicht nur die Haftungsbeschränkung, sondern es sorgt z. B. umgekehrt auch für den Schutz der Gläubiger und des Wirtschaftsverkehrs durch Vorschriften zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Die Unterscheidung im AktG zwischen der nicht börsennotierten und der börsennotierten AG belegt zudem, dass es dauerhaft nicht kapitalmarktaktive Aktiengesellschaften geben kann und soll. Die Zulässigkeit des Delisting könnte Claussen zudem auf der Grundlage seiner Argumentation schwerlich erklären. Mit einem Hinweis auf gesetzlich nicht nachweisbare Begriffe wie den „Normzweck“ oder den „Kern“ der AG lässt sich eine Zuständigkeit der Haupt219

WM 1996, 619.

IV. Fehlen einer originären Kompetenz der Hauptversammlung

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versammlung beim Börsengang – und ebenso beim Going Private – nicht von vornherein ausschließen.

IV. Das Fehlen einer originären, geschriebenen Kompetenz der Hauptversammlung 1. Keine faktische Satzungsänderung durch den Börsengang oder das Delisting; Unzulässigkeit eines „Börsenverbots“ oder eines „Delistingverbots“ in der Satzung Es bedarf also weiterer Überlegungen zu der Frage, ob die grundsätzliche Zuständigkeit des Vorstands für die Entscheidungen über den Börsengang bzw. über den Börsenrückzug von einer Zuständigkeit der Hauptversammlung „verdrängt“ wird. Ein möglicher Ansatz ist insoweit die Satzungsebene: Wenn der Börsengang und der Börsenrückzug die Schranken des Unternehmensgegenstandes überschreiten, ist der Vorstand für diese Maßnahmen nicht entscheidungsbefugt. Denn die Regelungsmacht über den Unternehmensgegenstand der AG liegt bei den Aktionären bzw. bei der Hauptversammlung, §§ 23 III Nr. 2 i.V. m. 179 AktG.220 Der Vorstand muss seine Tätigkeit im Rahmen dieser satzungsmäßigen Vorgabe halten, wie § 82 II AktG ausdrücklich vorschreibt. Aus dem Gesichtspunkt einer „faktischen Satzungsänderung“221 in Bezug auf den Unternehmensgegenstand (§ 23 III Nr. 2 AktG) lässt sich eine Zuständigkeit der Hauptversammlung beim Börsengang und Delisting indessen nicht herleiten. Der Unternehmensgegenstand umreißt in grundlegender Weise das sachliche Tätigkeitsfeld der AG222, gibt also das „Thema“ für die unternehmerische Betätigung vor. Diese sachliche Vorgabe wird durch einen Börsengang oder -rückzug nicht berührt, denn die Gesellschaft führt, wenn auch unter veränderten Rahmenbedingungen223, ihre Geschäfte weiter wie vorher. Die neuen Pflichten aus dem Börsengang oder der Wegfall dieser Pflichten nach dem Börsenrückzug beschränken oder erweitern nicht die unternehmerische Tätigkeit, das „Thema“ 220 Die eben gewählte Differenzierung zwischen Aktionären und Hauptversammlung erklärt sich daraus, dass die Aktionäre (oder auch ein Aktionär) die ursprüngliche Satzung festlegen, für Folgeänderungen hingegen die Hauptversammlung zuständig ist. 221 Dieser Terminus ist gebräuchlich, aber nicht treffend. Es geht in Wirklichkeit um eine satzungswidrige Tätigkeit, nicht um eine faktische Satzungsänderung. Die Satzung kann nicht faktisch, sondern nur im dafür vorgesehenen Verfahren (§ 179 AktG) geändert werden. 222 Vgl. die Regierungbegründung zum AktG 1965, bei Kropff S. 43 f. (Die Bezeichnung AktG 1965 meint hier und im Folgenden das Aktiengesetz vom 6.9.1965). 223 Zu den Rechtsfolgen des Börsengangs oben B. I. 4. Das Delisting lässt ebendiese Rechtsfolgen wieder entfallen.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

der Gesellschaft. Zu einer Unter- oder Überschreitung des Unternehmensgegenstands und damit zu einer satzungswidrigen Tätigkeit („faktische Satzungsänderung“) kommt es daher nicht.224 Anders läge es, wenn ein Börsengang oder der Rückzug von der Börse satzungsmäßig ausdrücklich ausgeschlossen werden könnten. Eine entsprechende Negativklausel vorausgesetzt, wäre der jeweilige Vorgang eindeutig satzungswidrig. Für den Börsengang nimmt ein Teil der Literatur in der Tat an, dass ein „Börsenverbot“ in der Satzung zulässig sei.225 Diese Auffassung ist unlängst für das Delisting aufgegriffen worden.226 Doch liegt die Zulässigkeit solcher Satzungsbestimmungen keineswegs so auf der Hand, wie es die Vertreter der Literatur meinen. Vielmehr überwiegen die Bedenken, und zwar unabhängig davon, welches Organ der AG man für zuständig hält, über den Börsengang und den Börsenrückzug zu entscheiden: Wer den Vorstand für entscheidungsbefugt hält, wird ein „Börsenverbot“ oder eine Festlegung auf die börsennotierte AG in der Satzung ohne weiteres für unzulässig halten. Die Hauptversammlung kann sich nicht durch Satzungsbestimmungen Kompetenzen zuschreiben und Entscheidungen treffen, die ihr nach der Verteilung im AktG nicht zustehen, § 23 V AktG. Nichts anderes gilt, unterstellt man, dass die Hauptversammlung zu entscheiden hat und dass ihre Kompetenz in Anlehnung an die gesetzlich geregelten „Grundlagentatbestände“ zu entwickeln ist.227 Zwar wird argumentiert, das AktG spreche die Frage der Börsennotierung nicht an. § 23 V AktG könne folglich in dieser Hinsicht keine „Sperre“ bewirken. Die Satzung als die „Grundordnung“ der Gesellschaft dürfe diese Frage entscheiden.228 Andere meinen, es 224 So auch Lutter FS Zöllner I, S. 376: „Insbesondere ist der Wechsel von der Nicht-Börsengesellschaft zur börsennotierten Gesellschaft im Gesetz von 1994 [Gesetz über die kleine Aktiengesellschaft] durchaus zutreffend nicht als Satzungsänderung ausgestaltet worden.“ Lutter weist (a. a. O. Fn. 67) auch auf den Vorschlag zur Einführung eines § 181a AktG hin, der sich aber nicht durchgesetzt habe. Diese Vorschrift sah für den Wechsel von der „privaten“ zur börsennotierten AG ausdrücklich eine Satzungsänderung vor (vgl. Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter S. 27). Wie hier auch Grupp Börseneintritt S. 148; Erber S. 29 (beide zum Börsengang); Mülbert ZHR 165 (2001), 125 (zum Delisting). 225 Für die Zulässigkeit einer solchen Negativklausel Lutter FS Zöllner I, S. 377; ihm folgend Erber S. 31 f.; wohl auch Lutter/Drygala FS Raisch, S. 241; Vollmer/ Grupp ZGR 1995, 467; ihnen folgend Wirth/Arnold ZIP 2000, 111, 115. 226 Kleppe S. 100 f. in Anschluss an Lutter/Drygala FS Raisch S. 241. Kleppe stellt auf den Unternehmensgegenstand ab. Dass die Frage der Börsennotierung den Unternehmensgegenstand nicht berührt, wurde gerade schon gezeigt. 227 Davon gehen die in Fn. 225 Zitierten aus. Das ist allerdings hier noch nicht in den Einzelheiten darzustellen, Näheres unter D. VI. 3. a) ff. Der dogmatische Ansatz Kleppes wird nicht ganz klar. Er folgt ohne nähere Erläuterung im Wesentlichen der Holzmüller-Entscheidung (S. 99 ff.).

IV. Fehlen einer originären Kompetenz der Hauptversammlung

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sei allenfalls vor dem Gesetz über die kleine AG229 fraglich gewesen, ob man eine AG satzungsmäßig habe „börsenfest“ machen dürfen. Vorher habe das Bild der börsennotierten AG dem gesetzlichen „Normalfall“ der AG entsprochen, so dass ein Ausschluss problematisch gewesen sei. Die Problematik habe sich mit dem Gesetz über die kleine AG erledigt.230 Diese Argumente gehen jedoch am Kern des Problems vorbei. Bei näherer Betrachtung steht § 23 V AktG einem „Börsenverbot“ in der Satzung ebenso entgegen wie einem „Börsengebot“. Der Schluss der Literatur, weil die Hauptversammlung kompetent sei, über den Börsengang zu befinden, und weil das AktG die Frage der Börsennotierung nicht anspreche, sei eine Regelung in der Satzung zulässig, geht fehl. Die Literatur leitet ihre Grundannahme, dass die Hauptversammlung über den Börsengang zu entscheiden hat, aus einer Analogie zu den „Grundlagenkompetenzen“ ab.231 Diese Kompetenztatbestände lassen aber ganz überwiegend232 schon in ihrem direkten Anwendungsbereich satzungsmäßige „Vorentscheidungen“ wegen § 23 V AktG gar nicht zu.233 Die betreffenden Kompetenzvorschriften legen nämlich nicht nur fest, dass die Hauptversammlung für eine Entscheidung zuständig ist. Auch das Verfahren, die Art und Weise der Entscheidungsfindung, ist insoweit vorgegeben und durch § 23 V AktG vor Änderungen geschützt. Das lässt sich an einigen Beispielen demonstrieren: Nach § 179a AktG bedarf ein Vertrag, durch den sich eine AG zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens verpflichten 228

So Lutter FS Zöllner I, S. 377; Lutter/Drygala FS Raisch, S. 241. Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2. August 1994. 230 Vollmer/Grupp ZGR 1995, 467 f. Ihnen folgend Schanz § 6 Rn. 47, dort Fn. 42; Kleppe S. 100 f. 231 Als Grundlagenkompetenzen werden üblicherweise die Kompetenzen der Hauptversammlung für solche Entscheidungen bezeichnet, die mindestens mit einer 3/4Mehrheit des Kapitals zu treffen und die (regelmäßig über das Handelsregister) zu publizieren sind, vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 987. 232 Eine Ausnahme gilt für § 179 AktG, der ausschließlich eine Satzungsänderung vorsieht. Dass aber § 179 AktG i. F. d. Börsengangs nicht weiterhilft, weil sich der Unternehmensgegenstand durch den Börsengang oder –rückzug nicht ändert, ist schon dargelegt worden (oben D. IV. 1.). Eine satzungsmäßige Regelung ist auch für das genehmigte Kapital vorgesehen, §§ 202, 203 AktG. 233 Das erkennt insbesondere GroßKomm4 /Röhricht § 23 Rn. 197: „Auch Entscheidungen über Strukturmaßnahmen, zu denen die Hauptversammlung ihre Zustimmung geben muß, sind nicht als zulässiger Gegenstand ergänzender Bestimmungen anzuerkennen, durch die die betreffende Strukturmaßnahme von vornherein in der Satzung geregelt wird.“; i. E. ebenso GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 62; KK2 /Koppensteiner vor § 291 Rn. 38: „Mit Hilfe der Satzung lassen sich aber solche Normen nicht ausschalten, die wie etwa die §§ 293 oder 361 [AktG 1965] eine zwingende Hauptversammlungszuständigkeit ad hoc vorsehen.“ Wohl auch MünchKomm AktG2 /Pentz § 23 Rn. 156: „Abweichenden Regelungen nicht zugänglich sind die für den Aufbau der Gesellschaft bestimmenden Normen.“ Hierzu dürften die Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung zu zählen sein. 229

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

soll, der Zustimmung der Hauptversammlung. Das zeigt zum einen, dass der Abschluss solcher Verträge überhaupt möglich sein muss. Schon deswegen können solche Verträge nicht in der Satzung verboten werden, § 23 V AktG. § 179a AktG zeigt aber noch ein Weiteres: Die Hauptversammlung hat zudem über den Abschluss solcher Verträge in der jeweiligen Situation, sozusagen als „aktuelle Angelegenheit“ zu entscheiden. Auch insoweit ist die Regelung in § 179a AktG abschließend. Es ist ausschließlich ein „aktueller“ Beschluss der Hauptversammlung möglich. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass die Satzung nicht solche Vermögensübertragungen von vornherein ausschließen darf, § 23 V AktG.234 Ebenso wenig, das sei als zweites Beispiel angeführt, könnte die Hauptversammlung in der Satzung vorsehen, dass für die AG keine Unternehmensverträge abgeschlossen werden dürfen. Das Gesetz sieht in §§ 291 ff. AktG vor, dass solche Verträge geschlossen werden können. Außerdem sieht es ein bestimmtes Verfahren vor, in dem die Hauptversammlung über den Abschluss des Unternehmensvertrags abstimmen kann. Diese Regelung ist einer Abänderung nicht zugänglich, § 23 V AktG.235 Damit scheiden auch hier satzungsmäßige Bestimmungen aus. Das gilt in gleicher Weise für den Börsengang und für den Rückzug von der Börse. Bejaht man hier in Analogie zu den Grundlagenkompetenzen die Zuständigkeit der Hauptversammlung, so ist eine Satzungsregelung, die den Börsengang oder -rückzug ausschließt, nicht zulässig. Es kann – wie bei § 179a oder § 293 AktG – nur um eine Entscheidung im „aktuellen Geschäftsgang“ gehen. Eine Satzungsbestimmung, die von vornherein eine Entscheidung über den Börsengang trifft, indem sie ein „Börsenverbot“ statuiert, kollidiert mit § 23 V AktG.236 An diesem Ergebnis ändert auch das Gesetz über die kleine AG nichts. Es mag ein Argument gegen die Unzulässigkeit eines Börsenverbots in der Satzung sein, dass der Gesetzgeber die Existenz dauerhaft nicht börsennotierter Aktiengesellschaften akzeptiert hat. Man mag z. B. aus dem Gesetz über die kleine AG folgern können, dass die dauerhafte Festlegung auf die nicht börsennotierte Gesellschaft nicht dem „Wesen“ der AG widerspricht.237 Die Unterscheidung in kleine und große AG ist aber noch kein Argument dafür, dass erstens die Hauptversammlung die Frage des Börsengangs zu entscheiden hätte, 234 So für § 361 AktG 1965 (entspricht § 179a AktG) auch Martens ZHR 147 (1983), 390. 235 KK2 /Koppensteiner vor § 291 Rn. 38. 236 Wie hier würden wohl die in Fn. 233 Zitierten entscheiden. Auch die Holzmüller-Entscheidung (BGHZ 83, 122, dazu unter D. V.) nimmt übrigens nicht an, dass „Grundlagenentscheidungen“ der Hauptversammlung durch Satzungsregelungen ersetzt werden können, sondern hält im Gegenteil gerade trotz bestehender Satzungsregelung (im konkreten Fall: satzungsmäßige Zulassung der Konzernbildung) die Zustimmung der Hauptversammlung zur Ausgliederung von Vermögen und zur Kapitalerhöhung in einer Tochter für erforderlich.

IV. Fehlen einer originären Kompetenz der Hauptversammlung

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und dass dies zweitens ausgerechnet in der Satzung geschehen dürfte. Die Satzung mag im Übrigen „Grundordnung“ der Gesellschaft sein. Die Verbindung der Aktionäre in einer AG bringt es aber mit sich, dass die Aktionäre sich der Ordnung ihrer Gesellschaft durch das AktG unterwerfen und dass sie deshalb nur einen bestimmten Kreis von Regelungen selber treffen können, § 23 V AktG. Auf Teile ihrer privatautonomen Regelungsmacht verzichten die Aktionäre mit Eintritt in die AG. Das gilt, wie eben gesehen, auch für die Regelung der Zuständigkeiten in der AG. Die Satzung kann daher einen Börsengang nicht verbindlich ausschließen. 2. Unzulässigkeit sonstiger satzungsmäßiger Gestaltungen in Bezug auf den Börsengang und den Börsenrückzug Aus den eben genannten Gründen würde auch eine Satzungsbestimmung gegen § 23 V AktG verstoßen, welche der Hauptversammlung die Kompetenz zur alleinigen Entscheidung über einen Börsengang bzw. einen Börsenrückzug einräumen sollte oder den Börsengang bzw. Börsenrückzug gar von vornherein gestattete. Selbst wenn man annimmt, die Hauptversammlung habe über den jeweiligen Vorgang zu entscheiden, ergäbe sich diese Erkenntnis aus allgemeinen Grundsätzen der Kompetenzverteilung. Eine (konstitutive) Selbstermächtigung in der Satzung wäre damit noch nicht zulässig.238 Desgleichen würde ein satzungsmäßiger „Zustimmungsvorbehalt“ der Hauptversammlung – statt eines Verbotes in der Satzung – in Bezug auf den Börsengang oder den Börsenrückzug entgegen § 23 V AktG in die aktienrechtliche Kompetenzverteilung eingreifen. Wie gesehen, sind sowohl die materielle Zuständigkeitsverteilung als auch das Verfahren für die Beteiligung der Hauptversammlung vor Abänderungen in der Satzung geschützt. 3. Keine Kompetenz der Hauptversammlung aus § 121 I Var. 3 AktG; keine originäre Zuständigkeit aus sonstigen aktiengesetzlichen Kompetenznormen in direkter Anwendung Die Zuständigkeit des Vorstands nach dem AktG findet nicht nur Grenzen in satzungsmäßigen Vorgaben der Aktionäre. Unzulässig ist ein autonomes Tätigwerden des Vorstands auch dann, wenn das Gesetz eine Angelegenheit in die Zuständigkeit der Hauptversammlung stellt. Das kommt auch für den Börsengang sowie für den Börsenrückzug in Betracht: 237 Satzungsbestimmungen dürfen dem Wesen der AG nicht widersprechen, vgl. BGHZ 14, 269 f. Für Hauptversammlungsbeschlüsse bringt dies § 241 Nr. 3 AktG zum Ausdruck. 238 Vgl. allg. GroßKomm4 /Röhricht § 23 Rn. 197 m. w. N.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Nach § 121 I Var. 3 AktG239 ist der Vorstand verpflichtet, die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. Da der Börsengang und der Börsenrückzug wirtschaftlich weitreichende Folgen haben, die das „Wohl“ der Gesellschaft möglicherweise berühren, fragt sich, ob nicht aus § 121 I Var. 3 AktG eine Kompetenz der Hauptversammlung für die Entscheidung über ebendiese Maßnahmen hergeleitet werden kann. In der Diskussion um Hauptversammlungszuständigkeiten beim Börsengang und Börsenrückzug spielt die Vorschrift allerdings keine Rolle. Auch die Literatur zu Hauptversammlungskompetenzen im Allgemeinen misst § 121 I Var. 3 AktG keine Bedeutung zu. Gestritten wird heute lediglich darum, ob eine (anderweitige) Hauptversammlungskompetenz bestehen muss, damit § 121 I Var. 3 AktG anwendbar ist240, oder ob gerade keine Kompetenz bestehen darf, damit die Hauptversammlung auf der Grundlage von § 121 I Var. 3 AktG einzuberufen ist.241 Die Anhänger der letztgenannten Ansicht entnehmen der Vorschrift aber keineswegs eine Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung, sondern billigen den einberufenen Aktionären lediglich eine „Befassungskompetenz“ zu.242 Demgegenüber finden sich in der älteren Rechtsprechung zum Aktienrecht einige wenige Entscheidungen, die bei geschäftlichen Projekten, die „Großvorhaben“ für die betreffende AG darstellten, eine Einberufungspflicht des Vorstands auf der Grundlage einer § 121 I Var. 3 AktG entsprechenden Vorschrift – damals Art. 236 II ADHGB 1884 – bejaht haben.243 Dabei ist das Gericht auch von einer Zuständigkeit der Anteilseigner ausgegangen. Eine solche Einberufungspflicht, verbunden mit einer Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung, kommt, wie gesagt, auch für den wirtschaftlich bedeutsamen Börsengang und den Rückzug von der Börse in Betracht. Daher seien die Urteile hier kurz skizziert:

239 Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für § 111 III AktG, der unter den gleichen Voraussetzungen wie § 121 I Var. 3 AktG eine Einberufungspflicht des Aufsichtsrates statuiert. 240 So Hüffer AktG § 121 Rn. 5. Er entnimmt der Vorschrift einen „entbehrlichen, wenn auch nicht schädlichen“ Einberufungsgrund. 241 Dafür GroßKomm4 /Werner § 121 Rn. 16 f. Er argumentiert, in anderen Fällen ergebe sich die Einberufungspflicht aus dem jeweiligen Kompetenztatbestand. 242 Vgl. GroßKomm4 /Werner § 121 Rn. 17: Das Wohl der Gesellschaft könne es erfordern, „gewisse Vorfälle, Maßnahmen, Pläne in der Hauptversammlung beraten und diskutieren zu lassen“. 243 Auch im Schrifttum zum GmbH-Recht wird auf der Grundlage von § 49 II GmbHG – der in etwa § 121 I Var. 3 AktG entspricht – eine Vorlagepflicht der Geschäftsführung an die Gesellschafter vertreten. Eine Vorlagepflicht wird dort im Wesentlichen für „ungewöhnliche“, das Wohl der Gesellschaft berührende Fragen angenommen. Eingehende Darstellung der Diskussion bei Zitzmann S. 117 ff.

IV. Fehlen einer originären Kompetenz der Hauptversammlung

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Im ersten Fall244 klagte eine AG, Eigentümerin einer „Grubeneisenbahn“, gegen ihren früheren Vorstand und Aufsichtsrat. Die Klägerin machte geltend, die Beklagten hätten die AG dadurch schwer geschädigt, dass sie einen Teil der Grubenbahn an den Fiskus verschenkt hätten, obwohl ihnen bewusst gewesen sei, dass die Generalversammlung dies nicht würde gebilligt haben. Die Beklagten verteidigten sich damit, dass die Schenkung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft gelegen habe.245 Das Reichsgericht hat diesen Einwand der Beklagten unbeachtet gelassen und hat angenommen, dass Vorstand und Aufsichtsrat der AG es pflichtwidrig versäumt hätten, die betreffende Angelegenheit der Generalversammlung gemäß Art. 236 II (Vorlagepflicht des Vorstands) bzw. Art. 225 II ADHGB 1884 (Vorlagepflicht des Aufsichtsrats) vorzulegen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften hat es dabei nicht näher konkretisiert. Im Ergebnis hat es den Vorstand und den Aufsichtsrat für schadensersatzpflichtig gehalten. Das Geschäft sei aufgrund pflichtwidriger Unterlassung der Einberufung ohne Beteiligung der Generalversammlung geschlossen worden. Da es sich als für die AG schädlich erwiesen habe, sei die Verwaltung der AG zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet, es sei denn sie könne nachweisen, dass im Falle einer Einberufung die Anteilseigner dem Rechtsgeschäft zugestimmt hätten. Der zweite Fall246 betraf eine AG, deren Vorstand sich dazu entschieden hatte, statt des bisher zur Zuckerproduktion verwendeten Verfahrens das „Dr. Wohl’sche Melasseentzuckerungsverfahren“ einzuführen. Dafür wurden erhebliche Investitionen getätigt. Das avisierte Verfahren stellte sich in der Folge als undurchführbar heraus, woraufhin die AG ihren Vorstand auf Schadensersatz verklagte. Das Reichsgericht hat angenommen, der Vorstand sei vor Einführung der neuen Technologie aufgrund Art. 236 II ADHGB 1884 zur Einberufung der Generalversammlung verpflichtet gewesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm seien erfüllt, weil es sich um eine „wichtige, kostspielige, riskante und deshalb das Interesse der Aktionäre in besonderem Maße berührende Unternehmung[. . .]“ gehandelt habe. Auch in diesem Fall hat das Gericht den Vorstand für schadensersatzpflichtig gehalten.

244

RGZ 35, 83. Hintergrund der Schenkung war, dass dem Vorstand eine Anordnung des zuständigen Ministeriums vorlag, nach der zwei Neubaustrecken für eine Eisenbahn zu planen waren. Eine der alternativ geplanten Strecken sollte die von der AG betriebene Grube umgehen, so dass die Grube bei Realisierung dieses Projekts ohne Bahnanbindung gewesen wäre. Seitens des Ministeriums lag die Zusage vor, die andere Trasse der Neubaustrecke zu wählen, welche die Grube an die Eisenbahn weiterhin anschließen sollte, wenn ein ca. 5 km langes, der AG gehöriges Bahnstück dem Staat übertragen werde. 246 Entscheidung des RG vom 3. Mai 1902, abgedruckt in (Holdheims) Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempelfragen 1903, 197. Wiedergabe und Besprechung der Entscheidung bei Zitzmann S. 109 ff. 245

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

In beiden Fällen hat das Gericht also eine Schadensersatzpflicht der Verwaltung der AG bejaht. Das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit der Urteile. Das Reichsgericht hat darüber hinaus jeweils zu erkennen gegeben, dass es die Generalversammlung für kompetent hielt, eine andere Entscheidung zu treffen als diejenige – im Ergebnis wirtschaftlich nachteilige –, die der Vorstand getroffen hatte, und dass folglich die Befragung der Generalversammlung den eingetretenen Schaden hätte abwenden können. Das könnte unter dem heutigen Recht zu der Annahme verleiten, aus § 121 I Var. 3 AktG resultiere nicht allein eine formelle Vorlagepflicht. Man könnte der Vorschrift zugleich die Kompetenz der Hauptversammlung entnehmen wollen, auf die Vorlage des Vorstands hin Maßnahmen zu verhindern, die dem Wohl der AG abträglich sind, bzw. umgekehrt Maßnahmen zu ergreifen, die das Wohl der AG fördern oder wiederherstellen sollen. Die angesprochenen Entscheidungen des Reichsgerichts führen in diesem Punkt letztendlich jedoch nicht weiter. Unter dem ADHGB war das Anteilseignerorgan in der Lage, dem Vorstand Weisungen in konkreten Angelegenheiten der Geschäftsführung zu erteilen, Art. 224 ADHGB 1861.247 Die Annahme des Reichsgerichtes, dass die Generalversammlung bei rechtzeitiger Vorlage das Geschäft hätte verhindern können und mithin in der betreffenden Angelegenheit kompetent war, traf also zu. Das folgte aber nicht daraus, dass Art. 236 II ADHGB 1884 eine materielle Kompetenz der Anteilseigner zu entnehmen gewesen wäre. Ein solches Verständnis der Vorschrift war wegen der „Allzuständigkeit“ der Generalversammlung gar nicht erforderlich. Schon das Reichsgericht hat die Vorschrift also nicht als kompetenzbegründend angesehen. § 121 I Var. 3 AktG heutiger Fassung ist nichts anderes zu entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Kompetenzen der Hauptversammlung.248 Der Vorstand muss, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert, die Hauptversammlung einberufen, ohne dass damit zugleich angeordnet wäre, dass die Hauptversammlung in der betreffenden Situation kompetent sei, jede das Wohl der Gesellschaft fördernde bzw. wiederherstellende Maßnahme zu ergreifen. Die Annahme, dass dies doch gewollt sei, ist schon deswegen fernliegend, weil in der jeweiligen Situation höchst unterschiedliche Maßnahmen zur Förderung oder Wiederherstellung des Wohls der Gesellschaft in Betracht kommen werden, insbesondere solche, die in den Bereich der Geschäftsführung fallen. Es widerspräche der klaren aktiengesetzlichen Zuweisung der Kompetenz in Geschäftsführungsfragen an den Vorstand (§§ 76 ff. AktG), vor allem dessen Leitungsermessen, der 247 Ebenso Art. 221 ADHGB 1870 (ADHGB von 1861 i. d. F. des Gesetzes vom 11.6.1870) bzw. ADHGB 1884 und § 250 HGB 1897 (HGB vom 10.5.1897). Zum Weisungsrecht der Generalversammlung vgl. schon RGZ 3, 129. 248 Zweifelnd offenbar Semler BB 1983, 1571. Geßler FS Stimpel S. 777 bezeichnet die Frage nach Sinn und Zweck des § 121 AktG als offen. Sagen lässt sich aber immerhin, was § 121 AktG nicht anordnen will, dazu sogleich.

IV. Fehlen einer originären Kompetenz der Hauptversammlung

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Hauptversammlung unter einer so vagen Voraussetzung und mit einem so vagen Ziel wie dem „Wohl“ der AG die Vornahme nahezu beliebiger Maßnahmen zuzugestehen, während die tatbestandlichen Voraussetzungen für sonstige Ausnahmen von der Regelzuständigkeit des Vorstands in Geschäftsführungsangelegenheiten gesetzlich genau umrissen sind. Auch mit Blick auf § 119 I AktG ist es abzulehnen, Kompetenzen der Hauptversammlung unter Berufung auf eine so weite Generalklausel wie das „Wohl der Gesellschaft“ zu begründen. Ein solches Vorgehen würde die vom Gesetzgeber intendierte strikte Beschränkung der Hauptversammlungskompetenzen konterkarieren.249 Ein Verständnis von § 121 I Var. 3 AktG als kompetenzbegründender Norm kommt deshalb nicht in Frage.250 Am überzeugendsten ist es, für Fälle des § 121 I Var. 3 AktG auch nicht eine Kompetenz der Hauptversammlung vorauszusetzen. Gälte diese Voraussetzung, so wäre die Vorschrift nicht nur überflüssig. Man überließe zudem dem Vorstand die Einschätzung, ob in der jeweiligen Situation eine Maßnahme in Betracht kommt, die in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fällt. Sinnvoll ist das Gegenteil: Für eine Einberufung der Hauptversammlung nach § 121 I Var. 3 AktG reicht aus, dass sich die Hauptversammlung mit dem Vorgang befassen soll, auch wenn ihrerseits auf den ersten Blick keine Kompetenz ersichtlich sein sollte. Das gibt den Aktionären erst die Möglichkeit, die Situation – sei sie bedrohlich oder aber besonders günstig – einzuschätzen und ggf. von ihren Kompetenzen sinnvoll Gebrauch zu machen. Die Hauptversammlung kann den Vorstand z. B. anweisen, eine aus ihrer Sicht geeignete, in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallende Maßnahme vorzubereiten, § 83 I 1 AktG. Es sollte der Hauptversammlung überlassen werden einzuschätzen, ob in ihren Kompetenzbereich fallende Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, nicht dem Vorstand. Diese Möglichkeit eröffnet man den Anteilseignern mit dem hier vertretenen Verständnis von § 121 I Var. 3 AktG. Eine Entscheidungsbefugnis der Aktionäre über den Börsengang oder den Börsenrückzug ergibt sich also nicht aus § 121 AktG. Sie folgt auch nicht aus den übrigen aktienrechtlichen Kompetenznormen in direkter Anwendung. Die Grundsatzentscheidung über den Börsengang sowie die Entscheidung über das Delisting lassen sich keiner Vorschrift, die originäre Verwaltungsrechte der Hauptversammlung vorsieht, zuordnen.

249 Vgl. die Amtliche Begründung zu §§ 102–104 AktG 1937, bei Klausing. Näheres zu § 119 I AktG unter D. VI. 5. b) (3). (Als AktG 1937 wird hier das Aktiengesetz vom 30.1. 1937 bezeichnet). 250 Das entspricht der allgemeinen Auffassung, die das regelmäßig allerdings nicht weiter begründet.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

4. Keine Kompetenz der Hauptversammlung aus Art. 14 I GG a) Die Macrotron-Entscheidung des BGH In der Macrotron-Entscheidung vom 25.11.2002 hat der BGH unter Berufung auf Art. 14 I GG eine Kompetenz der Hauptversammlung für die Entscheidung über das Delisting begründet.251 Ob dieser verfassungsrechtliche Ansatz überzeugend ausgefallen ist, klären die nachstehenden Ausführungen. Der Entscheidung des BGH liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Hauptversammlung der Ingram Macrotron AG (im Folgenden: Macrotron AG) ermächtigt auf Vorschlag der Verwaltung im Mai 1999 ihren Vorstand durch Beschluss, der mit 108.954:190 Stimmen (bei einer Präsenz von 95,88% des Grundkapitals) angenommen wird, die Aufhebung der Börsenzulassungen für die Anteile der Gesellschaft an der Bayerischen Börse und der Frankfurter Wertpapierbörse zu beantragen. An weiteren Börsen sind die Aktien der Macrotron AG zu diesem Zeitpunkt nicht notiert. Die Kläger halten den Ermächtigungsbeschluss für rechtswidrig und haben ihn daher gerichtlich angefochten. Der BGH bestätigt insoweit die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen. Er führt zunächst aus, warum ein Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting aus seiner Sicht erforderlich war. Rechte der Aktionäre sowie die „innere Struktur“ der AG würden, so der Senat, durch einen Rückzug von der Börse nicht berührt.252 Deshalb sei eine Beteiligung der Aktionäre auf der Grundlage der Holzmüller-Grundsätze nicht zu fordern.253 Insbesondere komme es nicht zu einer „Mediatisierung“ von Rechten der Aktionäre, wie sie das Holzmüller-Urteil voraussetze.254 Gleichwohl sei der Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting erforderlich gewesen. Dem Aktionär werde durch den Rückzug von der Börse der Markt genommen, der ihn in die Lage versetze, den Wert seiner Aktien jederzeit durch Veräußerung zu realisieren. Das bringe vor allem für Minderheits- und Kleinaktionäre gravierende wirtschaftliche Nachteile mit sich, die auch durch eine etwaige Einbeziehung der Anteile in den Freihandel nicht ausgeglichen werden könnten. 251 BGH ZIP 2003, 387=NJW 2003, 1032. Die ebenfalls klagegegenständliche Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses der Hauptversammlung der Macrotron AG zugunsten der Verwaltung ist hier nicht von Bedeutung. Gleiches gilt für die Stellungnahme des BGH zu möglichen Berichtspflichten des Vorstands hinsichtlich des Delisting-Vorhabens (welche der BGH ablehnt). Auf eine Darstellung des Rechtsstreits wird insoweit verzichtet. Die im Urteil den dissentierenden Aktionären eingeräumten „Abfindungsansprüche“ werden unter E. zu berücksichtigen sein. 252 Hierzu und zum Folgenden BGH ZIP 2003, 389 f. 253 Zum Holzmüller-Urteil des BGH (BGHZ 83, 122) wird sogleich unter D. V. Stellung genommen. 254 A. A. waren die Vorinstanzen, das LG München I (ZIP 1999, 2017) und das OLG München (ZIP 2001, 700), gewesen.

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„Dieser“ Verkehrsfähigkeit der Aktien aufgrund der Börsennotierung sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG besondere Bedeutung für die Wertbestimmung der Anteile zuzumessen. Aus dem Abschluss eines Unternehmensvertrags (§ 291 AktG) und aus einer Eingliederung (§§ 319 ff. AktG) könnten dem Aktionär Abfindungsansprüche erwachsen. Der „Abfindungsbetrag“ für die Anteile sei, wie das BVerfG entschieden habe, in diesen Fällen so zu bemessen, dass die Minderheitsaktionäre nicht weniger erhielten, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung – gemeint ist wohl die Veräußerung der Anteile – zum maßgeblichen Zeitpunkt würden erzielen können. Daraus folgert der Senat, der Verkehrswert und die jederzeitige Möglichkeit seiner Realisierung seien „Eigenschaften des Aktieneigentums“, die „wie das Aktieneigentum selbst verfassungsrechtlichen Schutz“ genössen. Warum und inwieweit der „Abfindungsanspruch“ nach Abschluss eines Unternehmensvertrags bzw. nach einer Eingliederung mit der Verkehrsfähigkeit der Aktie in Verbindung stehe und insbesondere Schlüsse darauf zulasse, dass die Verkehrsfähigkeit der Aktie eine „Eigenschaft des Aktieneigentums“ sei, erläutert der Senat nicht näher. Der durch Art. 14 I GG gewährleistete Schutz der Verkehrsfähigkeit, so fährt er fort, sei „auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären“ zu beachten. Da der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes nicht in den Händen der Geschäftsleitung, sondern bei der Hauptversammlung liege, sei für Entscheidungen darüber auch die Hauptversammlung zuständig. Nur die Hauptversammlung könne über das Delisting als eine die Verkehrsfähigkeit der Aktie beeinträchtigende Maßnahme befinden. Der entsprechende Beschluss sei mit einfacher Mehrheit zu fassen. b) Stellungnahme (1) Das Fehlen von Erörterungen zur kapitalmarktrechtlichen Regelung des Börsenrückzugs in § 38 IV BörsG Die Begründung des BGH, derzufolge die Hauptversammlung über das Delisting zu entscheiden haben soll, fordert in mehrerlei Hinsicht Kritik heraus. Die Validität der verfassungsrechtlichen Argumentation des Urteils wird zunächst dadurch in Frage gestellt, dass dort eine grundsätzliche Überlegung nicht angestellt wird: Der BGH übergeht die Frage, inwieweit die kapitalmarktrechtliche Regelung des Delisting in Hinblick auf die Kompetenzverteilung beim Börsenrückzug als abschließend anzusehen sein könnte. Das Verhältnis der Vorschriften zueinander ist aber keineswegs eindeutig. Vielmehr muss in Betracht gezogen werden, § 38 IV BörsG zumindest eine implizite Regelung der Zuständigkeitsfrage zu entnehmen.255

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

(2) Die Zweifelhaftigkeit des dogmatischen Ansatzes Doch nicht allein wegen des Fehlens von Erörterungen zum Verhältnis des Aktienrechts zum Börsenrecht ist der dogmatische Weg, auf dem der BGH die Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Börsenrückzug herleitet, angreifbar. Hinzu kommt, dass der Senat offenbar die Kompetenz der Hauptversammlung unmittelbar auf Art. 14 I GG stützen will.256 Seine Argumentation setzt nämlich ohne Umschweife im Verfassungsrecht an. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG wird angenommen, dass der Anteilswert und die Möglichkeit seiner Realisierung über die Börse Bestandteil des verfassungsrechtlichen Eigentums seien. Hieran schließt der BGH an, dieser Schutz sei „auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären“ zu beachten. Insoweit seien die Anteilseigner zuständig für den Schutz der Mitgliedschaft. Richtig daran ist, dass die Rechtsstellung des Aktionärs in der AG als private vermögenswerte Position vom Schutzbereich des Art. 14 I GG erfasst ist.257 Unmittelbar aus Art. 14 I GG können Zuständigkeitsregeln in der AG deshalb aber nicht abgeleitet werden. Das Eigentumsgrundrecht als Kompetenzregelung zugunsten der Hauptversammlung zu verstehen, ist schon vom Tatbestand des Grundrechts her ausgeschlossen. Zudem entfaltet Art. 14 I GG generell keine Rechtswirkungen unmittelbar zwischen den Aktionären, zwischen den Aktionären und ihrer AG oder zwischen der Hauptversammlung und dem Vorstand.258 Sähe man das anders, würde man dem Grundrecht unmittelbare Geltung zwischen Privaten zugestehen. Art und Ausmaß des Einflusses der Grundrechte auf das Privatrecht und auf die Rechtsprechung zum Privatrecht mögen nach vor wie in hohem Maße umstritten sein. So gehen Teile der Rechtsprechung des BVerfG259 und der Literatur260 davon aus, dass die Grundrechte „objektive Rechtssätze“ sind, die im Privatrecht nur „mittelbar“ heranzuziehen sind. Andere halten die Grundrechte gegenüber dem Privatrecht für unmittelbar verbind255 Das wird im Rahmen der eigenen Untersuchung [unter D. VI. 5. b) (2)] näher ausgeführt werden. 256 So interpretieren auch Adolff/Tieves BB 2003, 797, 800 und Bürgers NJW 2003, 1643 das Urteil; ebenso Klöhn ZBB 2003, 213 zum Abfindungsanspruch, den der BGH den Minderheitsaktionären beim Delisting gewährt. Zum Letzteren Näheres unter E. I. 257 Zur Aktie als verfassungsrechtlichem Eigentum grundlegend BVerfGE 14, 276 (Feldmühle); 50, 342, 344 (Mitbestimmungsurteil). In jüngerer Zeit hat das BVerfG seine Konzeption des „Aktieneigentums“ vor allem durch die Entscheidungen BVerfG ZIP 2000, 1670 (Moto-Meter) und ZIP 1999, 1436 (DAT/Altana) konkretisiert. 258 Missverständlich daher die Formulierung bei Schön FS Ulmer, 1385: „Vielmehr legt das Bundesverfassungsgericht seinen Überlegungen das Bild des in der Regel unentziehbaren Aktieneigentums zu Grunde, in welches die Mehrheit durch bestimmte Maßnahmen „eingreift“.“ (Hervorhebung des Verf.) 259 Grundlegend das Lüth-Urteil, BVerfGE 7, 198. 260 So Dürig in Maunz/Dürig GG Art. 3 I Rn. 506 ff.

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lich und verweisen dafür vor allem auf Art. 1 III GG.261 Einigkeit besteht aber (mittlerweile) darüber, dass zwischen Privatrechtssubjekten Grundrechte grundsätzlich keine unmittelbare Geltung beanspruchen können.262 Private sind grundsätzlich nicht Adressaten der Grundrechte und bedürfen insoweit keiner Rechtfertigung für „Beeinträchtigungen fremder Grundrechte“263. Rechtlich erwägenswert kann allenfalls ein verfassungskonformes Verständnis des einfachen Rechts – aus Sicht der Rechtsprechung beispielsweise: Herleitung einer Vorlagepflicht des Vorstands aus § 119 II AktG264 unter Berufung auf Grundrechte der Aktionäre – in Hinblick auf einen Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting sein.265 Das einfache Recht ist zweifellos an Art. 14 I GG zu messen, und es ist, wenn ein bestimmtes Verständnis des Rechts verfassungswidrig wäre und ein anderes, verfassungskonformes Verständnis denkbar ist, in der letzteren Weise auszulegen. Verfolgt man diesen dogmatischen Ansatz weiter, so ist das vom BGH befürwortete Ergebnis der Auslegung – das Zustimmungsrecht der Hauptversammlung beim Delisting – alles andere als leicht begründbar: Wenn die Rechtsordnung das (Aktien-)Eigentum ausgestaltet und hierbei nach dem Wortlaut des Gesetzes Mitwirkungsrechte beim Delisting nicht vorsieht, so enthält sie insoweit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, Art. 14 I 2 GG. Solche Bestimmungen beschränken das zeitlich vor Ein261 Dafür mit ausführlicher Begründung Canaris (Grundrechte S. 11 ff.), der als weiteres Argument Art. 93 I Nr. 4a GG anführt (Grundrechte S. 14). Auch in der Rechtsprechung sind mittlerweile vermehrt Entscheidungen zu finden, die privatrechtliche Normen unmittelbar an Art. 14 I GG gemessen haben, z. B. BVerfG NJW 1998, 1475 (Überprüfung von § 23 KSchG an Art. 12 GG); BVerfG ZIP 1999, 1436 (DAT/ Altana – u. a. Überprüfung der §§ 291 ff. und 320 ff. AktG an Art. 14 GG); BVerfG ZIP 1999, 1798 (zur Vereinbarkeit von § 131 AktG mit Art. 14 I GG); ausdrücklich auch ZIP 1999, 1801 (ebenfalls zu § 131 AktG). 262 Das gilt natürlich nur, soweit nicht das Grundgesetz den Grundrechten ausdrücklich unmittelbare Drittwirkung beimisst, wie etwa in Art. 9 III GG. Für eine Art „unmittelbarer Drittwirkung“ tritt hingegen der EuGH hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 ff. EGV) ein. Zunächst in der Sache „Bosman“ (NJW 1996, 505), dann noch einmal erweiternd in der Sache „Roman Angonese“ (NZA-RR 2000, 20) hat er der Grundfreiheit unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen privaten Rechtsträgern beigemessen. Die Argumentation des EuGH mit dem gemeinschaftsrechtlichen „effet utile“ (Prinzip der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts) lässt sich auf die Grundrechte aber nicht übertragen. Für eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ist früher das BAG eingetreten (grundlegend BAGE 1, 193 f.). 263 Oder exakter: Für Verhaltensweisen, die, wenn der Staat sie vornähme, als Beeinträchtigung von Grundrechten zu werten wären. 264 Zum Ansatz bei § 119 II AktG sogleich Näheres bei der Besprechung der Holzmüller-Entscheidung des BGH (unter D. V.). 265 Ebenso zu Macrotron Adolff/Tieves BB 2003, 800; Klöhn ZBB 2003, 214 ff. Allgemein zur verfassungskonformen Interpretation des einfachen Rechts Larenz S. 339 ff.; ausführlich Canaris Grundrechte, passim.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

führung der Schrankenbestimmung begründete Eigentum und definieren es für diejenigen Grundrechtsträger, welche ihre Rechtsposition nach Einführung der – aus ihrer Sicht: – Inhaltsbestimmung erworben haben.266 Dementsprechend ist es heute Inhalt der Rechtsposition des Aktionärs, dass ihm das Aktienrecht nur noch in bestimmten Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte einräumt. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung werden vom Bundesverfassungsgericht nicht hoch angesetzt. Es räumt dem Gesetzgeber vielmehr einen weiten Gestaltungsspielraum ein.267 Die gesetzliche Bestimmung muss vor allem dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 I GG) sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit268 genügen, soweit sie in das „alte“ Eigentum eingreift, und sie muss die Institutsgarantie des Art. 14 GG wahren. Es bedarf einer eingehenden Begründung, welche die genannten Verfassungsprinzipien berücksichtigt, will man belegen, dass die aktienrechtlichen Bestimmungen über die Kompetenzen der Hauptversammlung verfassungskonform erweiternd ausgelegt werden müssen, weil das gegenteilige Verständnis, die Versagung eines ungeschriebenen Mitwirkungsrechts beim Börsenrückzug, verfassungswidrig wäre. Im Rahmen einer solchen verfassungskonformen Auslegung könnte das Eigentumsgrundrecht der Aktionäre auch nicht ausschließlich als Argument für eine Hauptversammlungskompetenz herangezogen werden. Wenn man grundrechtliche Schlüsse hinsichtlich der Kompetenzverteilung in der AG für zulässig hält269, so ist zu bedenken, dass der Verzicht auf Mitwirkungsrechte durch Eintritt in die AG ein Akt privatautonomer Selbstbeschränkung – und mithin ebenfalls Grundrechtsausübung – sein kann. Wer ein zwingendes Mitwirkungsrecht der Hauptversammlung befürwortet, versagt es den solchermaßen Geschützten, privat-autonom auf ein Recht zu verzichten. Ein solcher Verzicht kann in der AG im Interesse schnellen, effizienten und kostengünstigen Wirtschaftens aber durchaus seinen Sinn haben. Insoweit würden sich grundrechtliche Argumente für und gegen eine Hauptversammlungszuständigkeit beim Börsenrückzug neutralisieren.270 266

Vgl. Pieroth/Schlink Rn. 899; 920. BVerfGE 8, 80 „verhältnismäßig weite[r] Gestaltungsspielraum“; ebenso BVerfGE 53, 293 („weite Gestaltungsfreiheit“). Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG zum Eigentumsgrundrecht bei Wilhelm Sachenrecht Rn. 212 ff. Dort (Rn. 246) auch ein dem Mitbestimmungsurteil des BVerfG (BVerfGE 50, 290) entlehntes Schema für die verfassungsrechtliche Prüfung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung. 268 Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips, welches als allgemeiner Rechtsgrundsatz einer Gesamtschau verfassungsrechtlicher Regelungen entnommen wird (vgl. BVerfGE 45, 246: „Zusammenschau der Bestimmungen des Art. 20 Abs. 3 [. . .] und der Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“). 269 Dass solche Schlüsse in Wirklichkeit nicht zu ziehen sind, wird sogleich unter D. IV. 4. b) (3) nachgewiesen. 267

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Und noch aus einem weiteren Grund kann man es nicht bei einem Hinweis auf Art. 14 I GG belassen, tritt man für eine verfassungskonforme „hauptversammlungsfreundliche“ Auslegung des Aktienrechts mit Blick auf den Börsenrückzug ein. Es ist nicht nur dem betroffenen Grundrecht Rechnung zu tragen. Zugleich sind mit dem Gebot verfassungskonformer Auslegung konkurrierende bzw. ihm gegenläufige verfassungsrechtliche Prinzipien zu beachten.271 Insbesondere berührt das Gebot verfassungskonformer Auslegung des einfachen Rechts den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 II 2 GG).272 Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, Rechte der Hauptversammlung in das Gesetz aufzunehmen und deren Grenzen genau zu umreißen. Hiermit kollidiert die verfassungskonforme Auslegung insoweit, als sie das einfache Recht „gestaltend“ auslegt. Das ist zugleich der Rechtssicherheit abträglich.273 Denn man leitet Beteiligungsrechte der Hauptversammlung beim Delisting trotz Fehlens eindeutiger Anhaltspunkte aus dem Gesetz her und schwächt damit die Aussagekraft des ausdrücklich Normierten. 270 Man kann sogar noch über ein weiteres Argument gegen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung aus Art. 14 I GG nachdenken: Das Stimmrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung ist nämlich nicht nur vorteilhaft. Ihm ist die Möglichkeit, überstimmt zu werden, immanent. Leitet man aus dem AktG her, dass die Hauptversammlung über den Börsenrückzug zu entscheiden hat, so gestattet man es der Aktionärsmehrheit, die Minderheit zu überstimmen und somit Nachteile für sie herbeizuführen. Besonders in kleineren Aktiengesellschaften, in denen nicht selten ein Aktionär die Mehrheit hält, ist denkbar, dass dieser Mehrheitsaktionär den Vorstand anweist, einen Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting vorzubereiten. Sodann kann er den Beschluss mit seiner Stimmenmehrheit fassen und den Börsenrückzug vom Vorstand vollziehen lassen. Es ist demnach zu prüfen, ob nicht Art. 14 I GG aus Sicht der Minderheit sogar gegen ein „hauptversammlungsfreundliches“ Verständnis des AktG spricht. Argumente gegen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung können allerdings nur dann durchgreifen, wenn sich belegen lässt, dass ein Eingriff, der auf eine Veranlassung der Mitaktionäre (z. B. des Mehrheitsaktionärs) zurückgeht, gravierender ist als ein Eingriff, den der Vorstand autonom, ohne Hauptversammlungszuständigkeit, vornimmt. Insoweit lässt sich darauf verweisen, dass der Vorstand (idealerweise) mehr wirtschaftlichen Sachverstand vorweisen kann als die Aktionäre, so dass die Gefahr einer nachteiligen Entscheidung für die Aktionäre geringer ist. Angesichts des faktischen Einflusses der (Mehrheits-)Aktionäre auf den Vorstand ist dieses Argument allerdings eher schwach. Verweisen kann man weiter darauf, dass die Beschlussfassung durch den Vorstand schneller und mit geringeren Kosten verbunden ist und dass die Gefahr einer die Maßnahme verzögernden und verteuernden Anfechtungsklage hier nicht besteht. Insoweit lassen sich also durchaus aus Art. 14 I GG noch einige Ansätze finden, die gegen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung sprechen. 271 Vgl. Larenz S. 339 ff. 272 Ausdrücklich Hermes NJW 1990, 1765; Röthel JuS 2001, 426 ff. 273 Das Gebot der Rechtssicherheit ist Bestandteil des Rechtsstaatsgebotes, vgl. Jarass/Pieroth GG Art. 20 Rn. 60 ff. Röthel JuS 2001, 427 weist ergänzend auf die Vorlagepflicht des Richters an das BVerfG nach Art. 100 I GG hin. Die Vorlagepflicht zeige, dass der Richter von formellen Parlamentsgesetzen nicht ohne weiteres unter Berufung auf Verfassungsrecht im Wege „gesetzesergänzende[r] oder gesetzeskorrigierende[r] Auslegung“ abweichen dürfe.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Solche Erwägungen lässt das Urteil des BGH in der Sache Macrotron vermissen. (3) Die Zweifelhaftigkeit der verfassungsrechtlichen Argumentation in der Sache Folge des unzutreffenden dogmatischen Ausgangspunktes des BGH ist, dass ein einfachrechtlicher Anknüpfungspunkt, ein wie auch immer gearteter Kompetenztatbestand zugunsten der Hauptversammlung, im Urteil nicht erkennbar wird. Letztlich ist das aber auch unerheblich. Eine auf Art. 14 I GG gestützte verfassungskonforme Auslegung des einfachen (Aktien-)Rechts ist nämlich ebenso abzulehnen wie „unmittelbare“ grundrechtliche Vorgaben für die Kompetenzverteilung in der AG, die der BGH anzunehmen scheint. Seine materiellen Ausführungen zu Art. 14 I GG und die darauf basierenden Schlüsse auf Kompetenzen der Hauptversammlung beim Delisting halten der Überprüfung nicht nur in methodischer Hinsicht, sondern auch in der Sache nicht stand: Nicht genügend vorbereitet ist zunächst die Annahme des BGH, dass der Verkehrswert und die Verkehrsfähigkeit der Aktie Bestandteile des aktienrechtlichen Eigentums seien. Der BGH weist lediglich auf mögliche Abfindungsansprüche nach Abschluss eines Unternehmensvertrags bzw. nach einer erfolgten Eingliederung hin. Was genau den betreffenden Normen – gemeint sind offenbar §§ 304 f. und § 320b AktG – für das richtige Verständnis des „Aktieneigentums“ i. S. v. Art. 14 I GG zu entnehmen sein soll, wird nicht klar. Insbesondere finden sich keinerlei Ausführungen zur Frage, warum die Veräußerungsmöglichkeit gerade über die Börse – nur sie steht beim Delisting schließlich in Rede – in den Schutzbereich von Art. 14 I GG fallen soll und inwieweit die aktienrechtlichen Normen diesem Verständnis Vorschub leisten könnten. An einem solchen verfassungsrechtlichen Verständnis bestehen aber erhebliche Zweifel. Denn die Aktie bleibt auch ohne Börsennotierung, abseits der Börse, voll „verkehrsfähig“.274 Dass die Chance einer Veräußerung etwa über eine Internethandelsplattform geringer sein mag als über die Börse, tangiert Art. 14 I GG nicht.275 Selbst wenn man dem BGH insoweit noch folgen wollte und die Börsennotierung als Bestandteil des Aktieneigentums ansehen wollte, belegen die grund-

274 Auch Mülbert ZHR 165 (2001), 113 ff.; Adolff/Tieves BB 2003, 799; Krämer/ Theiß AG 2003, 229 f.; Martinius/Schiffer DB 1999, 1462 lehnen es ab, die Börsennotierung als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Eigentums zu begreifen. Ebenso das LG München I (ZIP 1999, 2017). 275 So auch Martinius/Schiffer DB 1999, 2462; Krämer/Theiß AG 2003, 228 ff.

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rechtlichen Erwägungen im Urteil nicht, dass der „Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes“ als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Eigentums bei der Hauptversammlung liegt und daher nur diese für die Frage des Delisting zuständig sein kann.276 Einen logischen Schluss lässt das Urteil hier nicht erkennen. Es heißt dort schlicht: „Da der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes nicht in den Händen Geschäftsleitung, sondern der Hauptversammlung liegt, ist für Entscheidungen darüber auch die Hauptversammlung zuständig.“277 Das ist nicht mehr als eine Behauptung.278 Die Annahme des BGH, die Hauptversammlung sei zum Schutz des „mitgliedschaftlichen Vermögenswertes“ der Aktionäre berufen, steht zudem in auffälligem Widerspruch zur Grundkonzeption des AktG: Naheliegenderweise wird man unter dem „mitgliedschaftlichen Vermögenswert“ den wirtschaftlichen Wert der Anteile verstehen.279 Es ist der Vorstand, der als Geschäftsführungsund Leitungsorgan der AG (§§ 76 ff. AktG) den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens beeinflusst und daher letztlich den „Anteilswert“ bestimmt, indem er durch seine Geschäftsführung den Unternehmenswert steigert oder vermindert.280 Das zeigt sich im betriebswirtschaftlichen „shareholder value“-Ansatz, nach dem der Vorstand den Anteilswert der „shareholders“ über eine Steigerung des Unternehmenswertes anstreben soll.281 Sollte das Argument des BGH hingegen rein rechtlich verstanden werden, sollte etwa einem aktiengesetzlichen Tatbestand oder einer Mehrzahl von Tatbeständen zu entnehmen sein, dass der „Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes“ in den Händen der Hauptversammlung liege und gerade nicht bei der Verwaltung, so hätte näher dargelegt werden müssen, warum ein solches Verständnis der Rolle der Hauptver276 Offenbar versteht der BGH diese Aussage als verfassungsrechtliches Postulat. Theoretisch könnten die Ausführungen des BGH in diesem Zusammenhang zwar auch als Feststellung auf der Basis des einfachen Rechts verstanden werden. Dass der BGH seine Erkenntnis aber etwa einer Analyse des Aktienrechts entnähme, ist nicht ersichtlich. Andernfalls hätte dargelegt werden müssen, welchen aktiengesetzlichen Tatbeständen zu entnehmen sein soll, dass der „Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes“ in den Händen der Hauptversammlung liege. 277 BGH ZIP 2003, 390. 278 Ebenso Krämer/Theiß AG 2003, 237 („merkwürdig pauschal“; „bloße Behauptung“). Die These wischt eine mehrjährige Diskussion in der Rechtswissenschaft zum Thema Delisting sowie eine nun schon mehrere Jahrzehnte andauernde Diskussion über „ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen“ beiseite. Das Urteil verweist nur auf „i. E.“ identische Literaturansichten, ohne sich mit den rechtlichen Argumenten auseinander zu setzen. 279 Darauf deutet auch der folgende Passus des Urteils hin: „Die Hauptversammlung, nicht die Verwaltung, hat darüber zu befinden, ob das Delisting als eine die Verkehrsfähigkeit der Aktie und damit den Verkehrswert des Anteils beeinträchtigende Maßnahme im Hinblick auf den Minderheitenschutz durchgeführt werden darf und soll.“ (Hervorhebung des Verf.) 280 Ebenso Krämer/Theiß AG 2003, 237. 281 Grundlegend Rappaport Creating Shareholder Value.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

sammlung – entgegen den eben dargestellten wirtschaftlichen Hintergründen, die für den Vorstand sprechen – richtig ist, insbesondere, welchen Tatbeständen ein solches Verständnis zu entnehmen sein sollte. Allein grundrechtliche Erwägungen vermögen einen Schluss auf Hauptversammlungszuständigkeiten jedoch schon aus anderen Gründen nicht zu stützen.282 Mülbert hat darauf hingewiesen, dass mit Blick auf § 43 IV BörsG a. F. (entspricht § 38 IV BörsG, der den Antrag auf Delisting regelt) ein Verständnis dahin, dass die Börsennotierung Bestandteil des Anteilseigentums sei, bedenklich wäre.283 In § 43 IV BörsG a. F. werde als Abwägungselement für das Delisting allein das Rückzugsinteresse des Emittenten in Bezug genommen.284 Da eine Beschränkung des Eigentums – nichts anderes soll die Aufhebung der Börsenzulassung ja sein – zugunsten Privater nach Art. 14 GG unzulässig sei, wäre eine Widerrufsentscheidung der Börsenzulassungsstelle folgerichtig nur sehr begrenzt zulässig. Ein Delisting im alleinigen Interesse des Emittenten käme jedenfalls nicht in Betracht. Das ist freilich noch kein durchschlagendes Argument gegen das Verständnis des BGH. Immerhin wäre denkbar, dass § 43 IV BörsG a. F. bzw. jetzt § 38 IV BörsG verfassungskonform ausgelegt werden kann. Bei zutreffendem Verständnis lassen sich aber Rechte der Aktionäre hinsichtlich der Entscheidung über ein Delisting – und im Übrigen ebenso wenig bei der Entscheidung über einen Börsengang – nicht mit Art. 14 GG begründen. Zwar ist die Rechtsstellung der Anteilseigner in der AG verfassungsrechtlich geschützt. Die Ausgestaltung der Rechtsposition des Aktionärs durch das einfache Recht (Art. 14 I 2 GG) ist auch grundsätzlich an verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen. Das garantiert namentlich ein gewisses Schutzniveau bei Entzug285 oder Entwertung286 der Aktionärsstellung durch die Mitaktionäre.287

282 Mit seiner Berufung auf Verfassungsrecht reiht sich das Urteil in eine immer stärker werdende Tendenz ein, den Grundrechten für das Privatrecht grundlegende Bedeutung beizumessen. Verfassungsrechtliche Erwägungen im Zusammenhang mit Aktionärsrechten stellte schon die Gesetzesbegründung zum AktG 1965 an. Sie bekennt sich gleich eingangs zum Aktionär als wirtschaftlichem Eigentümer des Unternehmens und deutet an, dass mit der Stärkung der Rechte der Aktionäre einem verfassungsrechtlichen Gebot gefolgt werde (Amtliche Begründung zum AktG 1965, Allgemeines, bei Kropff S. 14 f.). Auf grundrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Aktionärsstellung ist auch in der wissenschaftlichen Diskussion hingewiesen worden. Vorsichtig in diesem Sinne Mecke S. 227 f.; deutlicher Zimmermann/Pentz FS Welf Müller, 163; Stumpf NJW 2003, 11; Schön FS Ulmer, 1371 f. Diesen Ansätzen ist aus sogleich näher darzustellenden Gründen nicht zu folgen. 283 ZHR 165 (2001), 112 ff. 284 Vgl. neben Mülbert etwa Kümpel Rn. 17.754; Groß Kapitalmarktrecht §§ 42, 43 Rn. 15 ff.; Schlößer S. 87 ff.; 167 f. 285 Dazu BVerfGE 14, 263 („Feldmühle“); BVerfG NJW 2001, 279 ff. („Moto-Meter“).

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Es wäre aber ein Missverständnis anzunehmen, der Gesetzgeber sei deswegen gehalten, im Interesse der Aktionäre (und ihrer Eigentumsposition) einen bestimmten positiven Mindeststandard an Mitverwaltungsrechten für die Hauptversammlung vorzusehen – oder der Gesetzesanwender habe ihn in das Gesetz hineinzulesen –, welcher über die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte hinausginge.288 Denn der Schluss, je mehr Rechte der Aktionär über die Hauptversammlung im Verhältnis zu anderen Organen habe, desto „freier“ sei er und desto näher dem „Idealzustand“ der unbelasteten Eigentumsposition Aktie, in dem der Aktionär bzw. die Hauptversammlung sämtliche denkbaren Verwaltungsrechte hätte, ginge fehl. In der AG gibt es – anders als man es sich etwa beim Erwerb von Grundeigentum vorstellen kann – keinen unbelasteten Idealzustand für das Grundrecht, in dem der Aktionär die „volle Rechtsmacht“ hat und kraft seiner Mitgliedschaft uneingeschränkt in der AG herrschen kann.289 Erstens kann sich schon deshalb nicht jedes Mitglied der AG durchsetzen, weil der Verband AG auf einen Zusammenschluss mehrerer Personen angelegt 286 Dazu BVerfGE 100, 289 (DAT/Altana). Sowohl „Moto-Meter“, als auch „DAT/ Altana“ werden vom BGH zu Unrecht für die Begründung von Mitverwaltungsrechten der Hauptversammlung herangezogen, dazu sogleich im Text. 287 Zum Ganzen auch Mülbert Unternehmensgruppe S. 65. 288 So aber schon vor der Macrotron-Entscheidung Zimmermann/Pentz FS Welf Müller. Sie begründen (S. 163) ungeschriebene Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung u. a. wie folgt: „Dem Vorstand uneingeschränkt Freiheit hinsichtlich der Frage einzuräumen, wie er mit dem von den Aktionären investierten, im Eigentum der in ihrem Besitz stehenden Gesellschaft [sic!] befindlichen Vermögen verfährt, wäre auch unter dem Blickwinkel des Art. 14 GG bedenklich.“ Um uneingeschränkte Freiheit des Vorstands geht es im AktG von vornherein nicht. Weitergehende Vorgaben lassen sich aber so nicht begründen, dazu sogleich. Auch Stumpf NJW 2003, 11 ordnet Hauptversammlungszuständigkeiten in einen verfassungsrechtlichen Kontext ein und führt aus: „Hinsichtlich der inneren Organisation muss die Letztverantwortlichkeit der Aktionäre für die Gesellschaft sichergestellt werden. Hierdurch werden die Verwaltungsrechte der Aktionäre auch gegenüber der Gesellschaft [sic!] abgesichert. Dementsprechend hat der BGH in der Holzmüller-Rechtsprechung klargestellt, dass besonders wesentliche Entscheidungen [. . .] nur mit Zustimmung der Aktionäre [. . .] getroffen werden dürfen.“ Diese Einordnung der Holzmüller-Entscheidung in einen verfassungsrechtlichen Kontext ist verfehlt. Weder hat der BGH, wie Stumpf andeutet, verfassungsrechtlich argumentiert, noch wäre dies zutreffend gewesen, dazu sogleich. Schön (FS Ulmer, 1359 ff.) meint, dass „die Entscheidung über die Art und Weise der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens den Aktionären als den ,mittelbaren‘ Eignern dieser Vermögenswerte zustehen muss.“ Die Annahme einer „mittelbaren Berechtigung“ der Aktionäre in Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen ist vor dem aktiengesellschaftsrechtlichen Hintergrund aber nicht zutreffend. Die juristische Person AG ist vom Aktionär verschieden, sie hält das Vermögen, während der Aktionär als Surrogat für seine ursprüngliche Einlage ausschließlich seinen Gesellschaftsanteil erhält. Die gegenteilige Auffassung setzt sich in unzulässiger Weise über diese Vorgabe des Aktienrechts hinweg, wie Mülbert (im GroßKomm4, vor §§ 118–147 Rn. 188 ff.) zutreffend dargelegt hat. Sie übersieht, dass ein Gesellschaftsanteil unter Umständen sogar überhaupt keine Mitverwaltungsrechte einräumen kann (stimmrechtslose Vorzugsaktien). 289 Sinngemäß auch Mülbert Unternehmensgruppe S. 64.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

ist, so dass die (Mitglieds-)Rechte des Aktionärs natürliche Grenzen in den Rechten der anderen Aktionäre finden. Es kann von vornherein nicht jeder Anteilseigner seine Vorstellungen durchsetzen. Zweitens – und das ist bedeutsamer – stehen Funktion und Funktionsweise der AG einer solchen Vorstellung vom „unbelasteten Zustand“ der Aktionärsstellung im Verhältnis zu anderen Organen entgegen. Der Eigentumsposition des Aktionärs eignet es, dass die Mitwirkung der Aktionäre auf ein Willensbildungsorgan beschränkt ist, dessen Kompetenzen wiederum beschränkt sind im Verhältnis zu anderen Organen, namentlich zum Vorstand. Das Geschäftsführungsorgan, welches das „tägliche Leben“ der AG gestaltet, ist (rechtlich) nicht an die Interessen der Anteilseigner gebunden, sondern hat das Unternehmen im Unternehmensinteresse auf der Basis besonderer Sachkunde zu führen. Erst dadurch funktioniert das Wirtschaften in der AG. Deshalb ist es unzutreffend, Beschränkungen der Rechte der Hauptversammlung im organisierten Zusammenwirken zwischen den Organen solchen Schranken gleichzustellen, die im öffentlichen Interesse der Eigentumsposition eines Grundrechtsträgers auferlegt werden (z. B. Denkmalschutz o.Ä.).290 Beschränkungen der letzteren Art sind nicht „unabdingbar“ für den betroffenen Eigentümer, und sie sind auch nicht im Wesen seiner Rechtsstellung begründet. Das ist im Aktienrecht anders. Deshalb lässt sich nicht aus Art. 14 I GG schließen, der Aktionär dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass dem Vorstand „zu viel“ Rechtsmacht im Verhältnis zur Hauptversammlung eingeräumt wird. Zutreffend erkennt die Regierungsbegründung zum AktG 1965, dass die Gesellschaft sich wirtschaftlich soll betätigen können und sie ihrer Aufgabe nur gerecht werden kann, wenn für eine entschlussfähige Geschäftsführung gesorgt ist.291 Das ist entscheidend. Die AG ist von vornherein darauf angelegt und darauf angewiesen, dass die Aktionäre eine Vielzahl von Mitspracherechten nicht haben. Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine Analogie zugunsten einer Zuständigkeit der Hauptversammlung beim Delisting – oder beim Börsengang – kann es vor diesem Hintergrund nicht geben.292 Auch aus der vom BGH in Bezug genommenen Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich nichts anderes. Es ist eine ganz andere Frage – und nur zu ihr hat das BVerfG bisher Stellung genommen293 –, ob verfassungsrechtliche Vorgaben in Betracht kommen, wenn Aktionäre auf der Basis aktiengesetzlich vorhande290

So auch Mülbert Unternehmensgruppe S. 64. Amtliche Begründung zum RegE AktG, Kropff S. 14. 292 Der Sache nach hat das schon das BVerfG im Mitbestimmungsurteil (E 50, 346) zum Ausdruck gebracht: „Die Verlagerung von Zuständigkeiten eines Gesellschaftsorgans auf ein anderes kann [. . .] schwerlich als Substanzveränderung des Anteilseigentums angesehen werden.“. 293 Vgl. BVerfGE 100, 289 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804 (Hartmann&Braun); ZIP 2000, 1670 (Moto Meter). 291

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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ner rechtlicher Möglichkeiten durch ihre Mitaktionäre in ihrer Rechtsposition massiv beeinträchtigt oder sogar aus der AG gedrängt werden können. Für die Begründung von Zuständigkeiten eines Organs ergibt sich hieraus nichts. 5. Zwischenergebnis An einer originären, geschriebenen Hauptversammlungskompetenz für den Börsengang und den Börsenrückzug fehlt es. Weder ist auf Satzungsebene eine verbindliche Regelung der Zuständigkeitsfrage möglich, noch erfassen die geschriebenen Kompetenzen der Hauptversammlung unmittelbar die Fälle des Börsengangs oder des Börsenrückzugs. Auch der Macrotron-Entscheidung des BGH ist es nicht gelungen, ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung beim Delisting aus dem positiven Recht heraus zu begründen. Das liegt nicht allein am dogmatisch unzutreffenden Ansatz der Entscheidung unmittelbar bei Art. 14 I GG. Auf Art. 14 I GG lassen sich vielmehr bei keiner denkbaren Betrachtung „hauptversammlungsfreundliche“ Schlüsse aufbauen. Eine weiterführende Erkenntnis für die Zuständigkeitsverteilung beim Börsengang oder beim Börsenrückzug ist dem Urteil daher nicht abzugewinnen.

V. Vorlage der Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug an die Hauptversammlung nach § 119 II AktG 1. § 119 II AktG und die Auslegung der Vorschrift in der richtungweisenden Holzmüller-Entscheidung des BGH (BGHZ 83, 122) Aus dem Bereich des geschriebenen Aktienrechts bleibt jetzt lediglich noch § 119 II AktG, um zu einer Zuständigkeit der Hauptversammlung in Sachen Börsengang und Börsenrückzug zu gelangen. Aufgrund von § 119 II AktG kann der Vorstand, hält man sich an den Wortlaut der Norm, freiwillig „Fragen der Geschäftsführung“ der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen. Gegen ein solches Vorgehen bestehen auch im Fall des Börsengangs bzw. des Börsenrückzugs keine Bedenken. Der Vorstand kann die Hauptversammlung darüber befragen, ob er einen Börsengang durchführen und dafür insbesondere einen Börsenzulassungsantrag stellen soll. Ebenso kann er die Ermächtigung der Hauptversammlung zum Betreiben des Delisting einholen. § 119 II AktG enthält, so verstanden, keine originäre Kompetenz der Hauptversammlung, sondern eröffnet eine vom Vorstand abgeleitete Entscheidungsbefugnis.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Der BGH geht bei der Auslegung von § 119 II AktG einen Schritt weiter. Er entnimmt der Vorschrift seit dem Holzmüller-Urteil294 nicht nur ein Vorlagerecht, sondern unter Umständen sogar eine Vorlagepflicht des Vorstands. Nach Ansicht der Rechtsprechung295 muss der Vorstand die Hauptversammlung nach § 119 II AktG über bestimmte grundlegend wichtige Angelegenheiten entscheiden lassen. Es ist denkbar, dass dieser dogmatische Ansatz – sowie sonstige Argumentationslinien im Urteil – auch für den Börsengang und Börsenrückzug weiterführen.296 Die rechtlichen Aussagen der Holzmüller-Entscheidung des BGH sind daher auf ihre Validität sowie gegebenenfalls auf ihre Übertragbarkeit auf die hier interessierenden Fallgestaltungen zu überprüfen. 2. Klärung von Aussagegehalt und Reichweite der Holzmüller-Entscheidung a) Zusammenfassung des Sachverhalts; Klageziel Der Rechtsstreit in der Sache Holzmüller dreht sich um die Übertragung des „Seehafenbetriebs“ einer AG auf eine neu gegründete KGaA.297 Der Seehafen294

BGHZ 83, 122. Die Holzmüller-Entscheidung ist wiederholt in der Rechtsprechung aufgegriffen worden. Dabei haben sich die Gerichte im Wesentlichen darauf beschränkt, die Entscheidung zu zitieren und anzuwenden, ohne sie argumentativ zu erweitern oder zu ergänzen, vgl. etwa LG Stuttgart AG 1992, 236; LG Köln AG 1992, 238; OLG Köln AG 1993, 86; LG Frankfurt AG 1993, 287; OLG Köln DB 1993, 423; OLG München AG 1995, 232; öOGH AG 1996, 382; LG Hamburg AG 1997, 238; LG Frankfurt a. M. AG 1998, 45; LG Düsseldorf AG 1999, 94; LG Heidelberg AG 1999, 135; LG Hannover DB 2000, 1607; OLG Celle DB 2001, 804; OLG Celle AG 2001, 357; LG Hannover AG 2001, 150; OLG Karlsruhe DB 2002, 1094; OLG Stuttgart AG 2003, 528. Eine Konkretisierung der aktienrechtlichen Holzmüller-Grundsätze hat der BGH unlängst im Gelatine-Urteil (Az. II ZR 155/02, ZIP 2004, 993 (mit Anm. Altmeppen) = NJW 2004, 1860) unternommen. Die Präzisierungsansätze werden bei der Darstellung der betreffenden Passagen des Holzmüller-Urteils zu berücksichtigen sein. Zur Übertragung der Holzmüller-Rechtsprechung auf die KGaA hat sich das OLG Stuttgart (DB 2003, 1944) geäußert. Dort lag in Wahrheit allerdings, wie das OLG selbst annimmt (DB 2003, 1946 f.), ein Fall der „faktischen Satzungsänderung“ vor, so dass schon deshalb die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich war. Eine Stellungnahme bzgl. der Übertragbarkeit der Holzmüller-Rechtsprechung war also gar nicht veranlasst. Gleichwohl nimmt das Gericht ausdrücklich eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der KGaA auch unter Hinweis darauf an, dass die Veräußerung eines Betriebsteils durch die KGaA deren „Unternehmensstruktur von Grund auf verändert“ habe (DB 2003, 1947). Kritisch zu dieser Entscheidung Fett/Förl NZG 2004, 210. 296 Adolff/Tieves (BB 2003, 800) nehmen betreffend das Delisting ausdrücklich eine Vorlagepflicht des Vorstands nach § 119 II AktG an. 297 Darstellung des Sachverhaltes und der Urteilsgründe sowie Stellungnahme zur Entscheidung auch bei Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 803 ff. 295

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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betrieb, ein wirtschaftlich weitgehend verselbständigter Betriebsteil der AG, der etwa 80% ihrer Aktiva ausmacht, ist durch den Vorstand der AG gegen Gewährung von Kommanditanteilen an die AG in die KGaA eingebracht worden. Der Kläger, Aktionär in der AG, hält die Ausgliederung ohne Zustimmung der Hauptversammlung der AG für rechtswidrig und unwirksam. Außerdem klagt er auf Feststellung von Mitwirkungsrechten der Hauptversammlung der Mutter bei bestimmten zukünftigen Vorgängen in der Tochter. Insbesondere hält er eine etwaige Kapitalerhöhung in der Tochter für zustimmungspflichtig. Er beantragt daher – festzustellen, dass die Einbringung des Betriebs als Sacheinlage in das Vermögen der KGaA und alle damit zusammenhängenden Rechtsakte nichtig sind, – hilfsweise, die Beklagte zur Rückübertragung des Seehafenbetriebs zu verurteilen, – hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, a) zu allen Maßnahmen, für die nach dem Gesetz ein Hauptversammlungsbeschluss mit einer Kapitalmehrheit von 3/4 erforderlich sei, die Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten mit entsprechender Mehrheit einzuholen, b) insbesondere für Kapitalerhöhungsmaßnahmen der KGaA die Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten mit der für die Maßnahme erforderlichen Mehrheit einzuholen. b) Die Urteilsgründe (1) Kein Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung zur Betriebsübertragung aufgrund aktienrechtlicher Kompetenznormen zugunsten der Hauptversammlung Der BGH berücksichtigt im Rahmen seiner Ausführungen zum ersten Klageantrag zunächst den Ausgliederungssachverhalt und prüft § 361 AktG 1965 (entspricht § 179a AktG). Dessen Voraussetzungen seien nach Wortlaut und Zweck des Tatbestands nicht erfüllt, wenn, wie im vorliegenden Fall, „die Gesellschaft mit dem zurückbehaltenen Betriebsvermögen noch ausreichend in der Lage bleibt, ihr in der Satzung festgelegtes Unternehmensziel weiterhin, wenn auch in eingeschränktem Umfang, selbst zu verfolgen.“298 Anders als bei § 419 BGB (a. F.) komme es nicht darauf an, dass der Verfügende das gesamte Aktivvermögen oder einen wesentlichen Teil hiervon aus den Händen gebe. Diese 298

BGHZ 83, 128.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Vorschriften sollten Gläubiger des Verfügenden davor bewahren, den Schuldner weitgehend vermögenslos vorzufinden. § 361 AktG 1965 habe eine ganz andere Schutzrichtung. Die Vorschrift solle die Gesellschafter davor schützen, dass sich der Vorstand des gesamten Gesellschaftsvermögens als Grundlage der satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeit begebe. Deshalb könne § 361 AktG 1965 nicht angewendet werden, solange die Gesellschaft noch selbst zur Verfolgung dieser Tätigkeit imstande sei. Sodann lehnt der Senat eine analoge Anwendung von § 361 AktG 1965 ab. Gegen eine Analogie spreche der klare Wortlaut der Norm, etwa im Vergleich zu § 23 II Nr. 1 GWB („ganz oder zu einem wesentlichen Teil“). Vor allem würden die Abgrenzungsschwierigkeiten, die eine Analogie zu § 361 AktG 1965 in der Folge aufwerfen würde, zu einer untragbaren Rechtsunsicherheit führen. Das sei mit Blick auf die mit einer (analogen) Anwendung von § 361 AktG 1965 verbundene Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nicht vertretbar. Weiter war, so der BGH, im konkreten Fall auch nicht wegen „faktischer Satzungsänderung“ die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich.299 Die Satzung der betreffenden AG sah ausdrücklich die Errichtung anderer Unternehmen und den Erwerb von Beteiligungen vor. (2) Dogmatischer Ausgangspunkt und Kriterien des BGH für die Beteiligungsrechte der Hauptversammlung Gleichwohl befürwortet der Senat eine Beteiligung der Hauptversammlung der (Mutter-)AG an der Übertragung des Seehafenbetriebs auf die Tochter. Der BGH führt – insoweit immer noch zum ersten Klageantrag – aus: Die Frage, ob der Betriebsteil von der AG auf die KGaA übertragen werden solle, habe der Vorstand der Mutter deren Hauptversammlung nach § 119 II AktG zur Entscheidung vorlegen müssen. Die zur Übertragung des im Seehafenbetrieb verbundenen Betriebsvermögen erforderlichen Rechtsgeschäfte könne nur der Vorstand vornehmen. Erforderlich sei aber mit Blick auf die Kompetenzverteilung in der AG die vorherige interne Zustimmung der Hauptversammlung – als Grundlage für das „Dürfen“ des Vorstands. Dieser sei in Geschäftsführungsangelegenheiten grundsätzlich vorlageberechtigt, nicht -verpflichtet nach § 119 II AktG, meint der Senat. Das Recht schlage aber in eine Vorlagepflicht um, wenn „grundlegende Entscheidungen [. . .] so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, daß 299 Den Gesichtspunkt einer „Quasi-Änderung“ des Gesellschaftsvertrags hebt der BGH im Gelatine-Urteil (ZIP 2004, 993) als zuständigkeitsbegründend besonders hervor. Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung komme nur dann in Betracht, wenn Geschäftsführungsmaßnahmen „in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann“ (BGH ZIP 2004, 998).

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen.“300 Als „zustimmungsauslösend“ führt der BGH insbesondere an, dass die Ausgliederung in das Recht der Aktionäre eingreife, über den „Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals zu entscheiden, sowie das Risiko seines Verlustes und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen“.301 Entscheidend sei weiter, dass sich der Vorgang im „Kernbereich“ der Unternehmenstätigkeit abspiele und den „wertvollsten Betriebszweig“ betreffe. Dadurch werde die „Unternehmensstruktur“ von Grund auf geändert, was über den „gewöhnlichen Rahmen“ von Handlungen der Geschäftsführung weit hinausgehe.302 Für die Rechtsstellung der Aktionäre sei die Ausgliederung daher – so wird wiederholt – von einschneidender Bedeutung. Etwas anders argumentiert der Senat hinsichtlich der zweiten von ihm als zustimmungsbedürftig erkannten Maßnahme, der Kapitalerhöhung in der Tochter (zweiter Hilfsantrag, dort zweiter Unterantrag). Insoweit war zu klären, ob die Hauptversammlung der Mutter ein Zustimmungsrecht hinsichtlich des Stimmverhaltens der Mutter-AG (vertreten durch den Vorstand) in der Hauptversammlung über eine Kapitalerhöhung bei der Tochter haben würde.303 Hier ist im Urteil die Rede von einer „ungeschriebenen Zuständigkeit“ der Hauptversammlung der Muttergesellschaft.304 Damit wendet sich der BGH einem dogmati300 BGHZ 83, 131. Auf eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre stellt auch das Gelatine-Urteil ab, BGH ZIP 2004, 993. Wie gesehen (Fn. 299), hält der BGH im letzteren Urteil aber nur eine Maßnahme in der Nähe einer Satzungsänderung für eine hinreichend intensive Beeinträchtigung. 301 BGHZ 83, 136. Zu diesen „Mediatisierungseffekten“ auch BGH ZIP 2004, 993. 302 Alle Zitate BGHZ 83, 131 f. 303 Eine Kapitalerhöhung hatte noch nicht stattgefunden. Es ging im zweiten Hilfsantrag um eine „vorbeugende“ Feststellung, vgl. oben D. V. 2. a). 304 Wilhelm (Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 819) spricht anschaulich von der Konstellation einer „mittelbaren Kapitalerhöhung“ durch die Hauptversammlung der Mutter in der Tochter. Er weist außerdem auf den parallel gelagerten Fall in BGHZ 25, 115 hin (a. a. O. Fn. 163). Dort hat der BGH ein „mittelbares Einsichtsrecht“ des Kommanditisten (§ 166 HGB) in der KG angenommen: Das Einsichtsrecht des Kommanditisten soll sich von der KG in eine 100%-Tochter-GmbH „verlängern“ können. Trotz der grundsätzlichen Parallele zu Holzmüller wird diese Entscheidung hier nicht näher verfolgt. Erstens geht der BGH vom Einsichtsrecht des Kommanditisten in der Mutter aus. Er führt aus, dass ein Vorgang in der KG mitunter nur abschließend beurteilt werden könne, wenn auch Informationen aus der Tochtergesellschaft hinzugezogen würden. Damit erweist sich das „unmittelbare“ Einsichtsrecht des Kommanditisten als der entscheidende Bezugspunkt des Urteils. Das mittelbare Einsichtsrecht soll das „eigentliche“ Recht unterstützen und ihm zu effektiver Durchsetzung verhelfen. Das ist bei der „mittelbaren Kapitalerhöhung“ anders. Dort geht es einzig um einen Vorgang auf der Ebene der Tochter. Zweitens wird die zentrale Folgerung des Urteils auf einen Zirkelschluss gestützt: Der BGH meint, es „kann [. . .] für das Einsichtsrecht des Kommanditisten keinen Unterschied machen, ob die Verkaufsabteilung als eine unselbständige Abteilung in das Unternehmen [. . .] eingegliedert wird oder eine rechtlich verselbständigte Form in der Gestalt einer Einmann-GmbH erhält. Eine andere Beurteilung würde zu einer weitgehenden und überaus bedenklichen Gefährdung des Kon-

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schen Ansatz aus der Rechtslehre305 zu, ohne auf die Abweichung vom vorher zugrunde Gelegten – die Vorlagepflicht nach § 119 II AktG – einzugehen. Die Formulierung lässt zunächst an eine originäre Beschlusszuständigkeit der Mutter-Hauptversammlung (statt an eine Vorlagepflicht ihres Vorstands und somit eine derivative Zuständigkeit der Hauptversammlung nach § 119 II AktG) für die Entscheidung über die Kapitalerhöhung in der Tochter denken.306 Mit dem Hinweis auf die ungeschriebene Zuständigkeit assoziiert man, wie sonst auch im Falle einer Kapitalerhöhung, eine „Alleinzuständigkeit“ der Mutter-Hauptversammlung für den betreffenden Beschluss. Man möchte folglich meinen, dass für den Fall eines Erhöhungsbeschlusses sie und nicht der Vorstand die Gesellschafterrechte in der Tochter würde ausüben müssen. Das ist aber nicht gemeint. Vielmehr soll nach Ansicht des BGH wiederum der Vorstand der Mutter verpflichtet sein, deren Hauptversammlung intern zu befragen.307 Über die Kapitalerhöhung müsse nach außen wieder der Vorstand der Mutter beschließen, und zwar in Wahrnehmung von deren Gesellschafterrechten in der Tochtergesellschaft. Schon der Kläger hatte nicht etwa geltend gemacht, dass es an einem Beschluss des zuständigen Organs für die Kapitalerhöhung gänzlich fehle. So folgert auch der BGH, „dass die Aktionäre der Muttergesellschaft verlangen dürfen, an wichtigen Grundentscheidungen in der Tochtergesellschaft [. . .] intern beteiligt zu werden“ 308. Im Ergebnis geht es damit, anders als es die Formulierungen im Urteil nahe legen309, gar nicht um eine ungeschriebene Zuständigkeit für den Kapitalerhöhungsbeschluss in der Tochter, sondern um die Beteiligung der Hauptversammlung an der gesellschaftsinternen Geschäftsführung in der Mutter, nämlich an der Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Mutter. Es steht somit wie schon bei der Ausgliederung die Notwendigkeit eines „Ermächtigungsbeschlusses“ der Hauptversammlung an den Vorstand hinsichtlich einer innergesellschaftlichen Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands in Rede. Trotz der insoweit identischen Ausgangslage greift der BGH für die Abgrenzung der Kompetenzen von Vorstand und Hauptversammlung nicht auf die vortrollrechts des Kommanditisten führen, weil dann notwendigerweise auch die Ausklammerung einzelner Unternehmensabteilungen in der Form rechtlicher Verselbständigung [. . .] zu einer entsprechenden Verkürzung des Kontrollrechts des Kommanditisten führen müßte“ (BGHZ 25, 118). Diese zirkuläre Argumentation ist als solche weder für das Verständnis von Holzmüller hilfreich, noch bietet sie Gelegenheit zu einer Weiterführung in den Fällen des Börsengangs und Börsenrückzugs. 305 BGHZ 83, 136 f. unter Hinweis vor allem auf Lutter, Schneider und Timm, die sich bereits mit einer konzernspezifischen „Binnenordnung“ befasst hatten. 306 So auch Martens ZHR 147 (1983), 385 ff. 307 BGHZ 83, 140 ff. 308 BGHZ 83, 138 (Hervorhebung des Verf.). 309 Der BGH spricht davon, dass sich Mitsprachrechte „in die abhängige Gesellschaft verlängern“ würden, BGHZ 83, 138.

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her schon entwickelten materiellen Kriterien betreffend die Zustimmungspflichtigkeit einer Maßnahme seitens der Hauptversammlung zurück. Vielmehr fügt er der im ersten Teil aufgestellten Fülle von als Tatbestandsmerkmale intendierten Begrifflichkeiten noch weitere hinzu. Die Notwendigkeit einer Beteiligung der Hauptversammlung bei der Kapitalerhöhung in der Tochter folgert der Senat daraus, dass es sich um eine „grundlegende, für ihre [scil.: der Mutter-Aktionäre] Rechtsstellung bedeutsame Entscheidung in der Tochtergesellschaft“310, handele. Durch die Konzernierung seien die Aktionäre vielfältigen Gefährdungen ihrer Rechtsstellung ausgesetzt. Speziell im Falle der Kapitalerhöhung bestehe die Gefahr einer Aushöhlung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre311, womit zugleich konkrete Vermögensverluste verbunden sein könnten. Es sei nämlich möglich, dass neue Gesellschafter in der Tochter zum Bezug von Anteilen gegen eine Einlage zugelassen würden, die dem wirklichen Wert der Anteile nicht gerecht werde. Die Mitgliedschaft der Aktionäre der Mutter werde dadurch beeinträchtigt, der Wert ihrer Beteiligung verwässert und ihre Bezugsrechte würden ausgehöhlt.312 Den Aktionären entgehe durch die Kapitalerhöhung in der Tochter namentlich „die Chance, ihre Beteiligung quantitativ und wertmäßig dadurch zu verbessern, daß sie selbst weiteres Kapital in ,ihrem‘ Unternehmen anlegen.“313 Stattdessen würden durch die Kapitalerhöhung in der Tochter der Muttergesellschaft Betriebsmittel entzogen, „und einem anderen Rechtsträger mit der Folge zugeführt, daß sich Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Machtbefugnisse noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern“314, wenn die Mutter die Anteile übernehme. Und schließlich wachse „mit jeder Kapitalerhöhung quantitativ auch die Möglichkeit, durch spätere Anteilsveräußerung fremde Gesellschafter aufzunehmen.“315 Daher seien die Aktionäre der Muttergesellschaft mit derjenigen Mehrheit am Vorgang zu beteiligen, welche für einen entsprechenden Beschluss in der Tochter erforderlich sei. Verschließe man sich der Vorstellung ungeschriebener Beteiligungsrechte, sei es dem Vorstand demgegenüber ein leichtes, die Rechte der Gesellschafter durch Verlagerung wichtiger Entscheidungen in den Konzern hinein auszuhebeln.316 310 BGHZ 83, 140. Ähnlich schon auf S. 138: „Das bedeutet, daß die Aktionäre der Muttergesellschaft verlangen dürften, an wichtigen Grundentscheidungen in der Tochtergesellschaft, die sich auf ihre Rechtsstellung nachhaltig auswirken können, [. . .] intern beteiligt zu werden“ (Hervorhebung des Verf.). Als mögliche Beispiele für solche Entscheidungen nennt der Senat – neben der hauptsächlich thematisierten Kapitalerhöhung – Vermögensübertragungen i. S. v. § 361 AktG (a. F.) durch die Tochter, den Abschluss von Unternehmensverträgen und Auflösungsbeschlüsse, BGHZ 83, 140. 311 BGHZ 83, 137. 312 BGHZ 83, 142. 313 BGHZ 83, 143. 314 BGHZ 83, 143. 315 BGHZ 83, 143.

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Die Zweiteilung der Entscheidung wirft zunächst die Frage auf, ob der dogmatische Ausgangspunkt und die materiellen Kriterien in den beiden Sachverhalten – Ausgliederung und Kapitalerhöhung – trotz Abweichungen in der Terminologie nach Auffassung des BGH im Ergebnis jeweils identisch sind oder ob die Beteiligung der Hauptversammlung in beiden Konstellationen tatsächlich auf unterschiedlicher Grundlage unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen soll.317 Die Frage wird von nicht wenigen Vertretern der Literatur in letzterem Sinne beantwortet.318 Sie unterscheiden Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung in Hinblick auf „Konzernbildungskontrolle“ einerseits und „Konzernleitungskontrolle“ andererseits. Dabei komme nach unterschiedlichen Maßstäben eine Beteiligung der Hauptversammlung in Betracht. Der Erkenntnis, dass der BGH die Sachverhalte zumindest formal nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilen will, kann man sich kaum entziehen. Dass die beiden Konstellationen – Ausgliederung und Kapitalerhöhung in der Tochter – im Urteil separat abgehandelt werden, hat zwar in erster Linie mit der sukzessiven Abhandlung der Klageanträge zu tun. Doch auch terminologisch weichen die Ausführungen in den betreffenden Passagen des Urteils voneinander ab. Der Sache nach wird die Unterscheidung im Urteil indessen keineswegs so strikt durchgehalten wie es auf den ersten Blick scheint. Zwar wird der dog316

BGHZ 83, 139. Abweichend vom Holzmüller-Ansatz nunmehr BGH ZIP 2004, 995 ff. (Gelatine): Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten seien als Ergebnis einer „offenen Rechtsfortbildung“ zu akzeptieren (S. 997). 318 Vgl. Werner ZHR 147 (1983), 429 ff.; Timm AG 1980, 174; wohl auch Lutter FS Stimpel S. 848; Mülbert Unternehmensgruppe S. 368, 411; Martens ZHR 147 (1983), 377 ff. Mülbert und Martens betonen allerdings, dass sie keinen sinnvollen Grund für die von ihnen angenommene Differenzierung des BGH zwischen gesellschaftsübergreifenden und gesellschaftsinternen Maßnahmen erkennen können. Anders das Verständnis des Holzmüller-Urteils von Habersack (WM 2001, 545), der meint, dass „die vom BGH anerkannte Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht Ausdruck einer spezifisch konzernrechtlichen Sichtweise“ sei, sondern auf der „mit der jeweiligen [Hervorhebung des Verf.] Maßnahme verbundenen Gefährdung von Aktionärsrechten“ gründe. Er sieht den Ansatz und die Kriterien des BGH bei der Ausgliederung und bei der Kapitalerhöhung also offenbar als übereinstimmend an. Auch Henze BB 2002, 894 (r. Sp.) stellt die Kriterien als der Sache nach in beiden Fallkonstellationen identisch vor. I.E. ebenso Wank ZGR 1988, 361; wohl auch Mertens AG 2000, 163 (dort insbesondere Fn. 29), der es ablehnt, aus der Entscheidung Hinweise auf „ungeschriebene Zuständigkeiten“ zu entnehmen. Fleischer ZHR 165 (2001), 522 geht offenbar davon aus, dass zumindest die Kriterien (wenn schon nicht der dogmatische Ausgangspunkt) des BGH für beide Fallgruppen identisch sind. Heidel/Pluta Aktienrecht § 119 Rn. 24 ff. sieht in der Entscheidung eine Ablehnung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen und stellt ausschließlich auf § 119 II AktG ab. Auch Hüffer (FS Ulmer S. 286 ff.) interpretiert die Holzmüller-Entscheidung dahin, dass ihr keine Hinweise auf die Begründung „ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten“ entnommen werden könnten. Insoweit dürfte auch Hüffer den dogmatischen Ansatz des Urteils ausschließlich bei § 119 AktG verorten. 317

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matische Ausgangspunkt bei § 119 II AktG in den Ausführungen zur Kapitalerhöhung nicht aufgegriffen. Tatsächlich geht es aber, wie schon angedeutet, um gleichgelagerte Fragestellungen, nämlich in beiden Fällen um Geschäftsführungsmaßnahmen in der (Mutter-)AG. Daher erstaunt nicht, dass der BGH im Ergebnis jeweils von einer nur derivativen Zuständigkeit der Hauptversammlung ausgeht. Der „Mechanismus“ der Beteiligung ist in beiden Fällen identisch. Eine Anlehnung an geschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung hätte demgegenüber eine originäre Zuständigkeit der Hauptversammlung nahegelegt. In der Sache folgt der BGH also hinsichtlich beider Fragen seinem Ansatz bei § 119 II AktG.319 Sachlich weitgehend angenähert sind auch die Kriterien des BGH, welche zur Zustimmungspflichtigkeit einer Maßnahme seitens der Hauptversammlung führen sollen.320 Die Unterscheidung zwischen „Konzernbildung“ und „Konzernleitung“, wie sie die Literatur vornimmt, ist für das Urteil nicht von erkennbarer Bedeutung. Die oben vorgestellte Argumentation des BGH zur Ausgliederung lässt sich auf konzernbildungsspezifische Gesichtspunkte nicht reduzieren.321 Sie ist vielmehr auf die „Gefahren“ einer Ausgliederung von Vermögen schlechthin – auch im bestehenden Konzern – zugeschnitten.322 Insoweit lässt sich die Argumentation in den beiden Teilen der Entscheidung also nicht trennen. Der Senat lehnt sich im zweiten Teil der Entscheidung vielmehr deutlich an seine Eingriffs-Argumentation, die Verkürzung der Aktionärsrechte als Grund für das Beteiligungsrecht der Hauptversammlung, an und hebt wie schon im ersten Teil die grundlegende Bedeutung323 der Maßnahme hervor. Ausgehend von der Ausgliederung und der daraus folgenden Verkürzung von Aktionärsrechten324 zeigt der BGH auf, wie seiner Meinung nach die Lage durch weitere 319

So auch die Interpretation des BGH in ZIP 2004, 995. Die Darlegungen im Urteil bezüglich der Ausgliederung und der Kapitalerhöhung vermischen sich streckenweise sogar. So heißt es auf S. 132 (BGHZ 83): „Für die Rechtsstellung der Aktionäre war eine solche ,Ausgliederung‘ von einschneidender Bedeutung, wie im einzelnen noch näher darzulegen sein wird.“ Diese Darlegungen erfolgen dann erst im Zusammenhang mit der Behandlung der Kapitalerhöhung auf S. 136 ff. 321 Der BGH lehnt eine Stellungnahme zum Modell einer Binnenordnung des Konzerns ausdrücklich ab, BGHZ 83, 138. Im gleichen Sinne BGH ZIP 2004, 996: Das Holzmüller-Urteil könne für konzernspezifische Begründungsansätze nicht in Anspruch genommen werden. 322 Auch Werner meint, auf der Grundlage der Argumentation im Urteil habe eine Subsumtion der Kapitalerhöhungskonstellation unter den § 119 II-Ansatz durchaus nahegelegen (ZHR 147 (1983), 449); ebenso Weißhaupt NZG 1999, 806. 323 BGHZ 83, 138 bzw. 140: „wichtige Grundentscheidungen“; „grundlegenden, für ihre Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen“. Der BGH lehnt es hingegen ab, alle auf der Tochterebene der Hauptversammlung gesetzlich zugewiesenen Grundlagenentscheidungen der Zustimmung der Mutteraktionäre zu unterstellen. 324 BGHZ 83, 136. 320

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Maßnahmen im Konzern – wie z. B. die Kapitalerhöhung – noch verschärft werden könne.325 Es bestehe die Gefahr, dass nach der Konzernierung durch weitere grundlegende Veränderungen in der Tochter die Mitgliedschaftsrechte der Mutter-Aktionäre „vollends ausgehöhlt“ würden.326 Es würden sich „Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Machtbefugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern.“327 An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Argumentation des BGH bei der Kapitalerhöhung an diejenige zur Ausgliederungskonstellation ausdrücklich anknüpft. Der BGH vergleicht die Auswirkungen der zweiten Maßnahme mit denjenigen der ersteren und stellt fest, dass bestehende Eingriffe vertieft werden. Dabei liegt die terminologische Nähe der Ausführungen betreffend die Kapitalerhöhung zu denjenigen, die der BGH für die Zustimmungspflichtigkeit der Ausgliederung entwickelt hatte, auf der Hand. Selbst wenn man also in den Kriterien für die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung anlässlich von Kapitalerhöhungen in der Tochter formal keinen reinen „Anwendungsfall“ der bereits vorher bei der Ausgliederung aufgestellten Grundsätze sehen kann, ist doch sachlich eine weitgehende Übereinstimmung festzustellen. Insbesondere beschränkt der BGH nicht umgekehrt den Kreis der Maßnahmen in der Tochter, die in der Muttergesellschaft zustimmungsbedürftig sein sollen, auf die ausdrücklich gesetzlich geregelten „Grundlagenentscheidungen“ in der Tochter.328 325 BGHZ 83, 139: „die schon durch die Ausgliederung verkürzten Aktionärsrechte [. . .] noch weiter zu schmälern“ (Hervorhebung des Verf.). 326 BGHZ 83, 137. 327 BGHZ 83, 143 (Hervorhebung des Verf.). 328 Darin hätte man andernfalls einen maßgeblichen Unterschied in der Argumentation sehen können. Der Senat schließt es aber nur aus, alle gesetzlich geregelten Fälle als in der Muttergesellschaft zustimmungsbedürftig anzusehen. Er meint vielmehr, dass die Aktionäre der Muttergesellschaft an grundlegenden Entscheidungen in der Tochtergesellschaft, die für ihre Rechtsstellung bedeutsam sind, so zu beteiligen seien, „wie wenn es sich um eine Angelegenheit der Muttergesellschaft selbst handelte“. Berücksichtigt man den ersten Teil der Entscheidung, so ist z. B. die Auslagerung wesentlichen Vermögens in den Konzern hinein auf der Ebene der auslagernden Gesellschaft zustimmungspflichtig, weil grundlegend und mit tiefen Eingriffen in die Aktionärsrechte verbunden. Das muss – wovon das Urteil selbst obiter ausgeht (BGHZ 83, 140) – folglich auch für die Ausgliederung von entsprechendem Vermögen von einer Tochter auf eine Enkel-Gesellschaft gelten (so auch Zimmermann/Pentz FS Welf Müller S. 154 f.). Denn hier werden nach Ansicht des BGH die Rechte der Aktionäre – das sind die Mutter und etwaige weitere Gesellschafter – verkürzt, so dass bei der Tochter ein Hauptversammlungsbeschluss zu fassen ist. Des Weiteren hätte der BGH eine neuerlich Verkürzung der Rechte der Mutter-Aktionäre anzunehmen. Denn mit der Verschiebung auf die Enkelebene ist eine weiterer Einflussverlust der Aktionäre der Obergesellschaft über ihren Vorstand verbunden. Daher ist auch die Hauptversammlung der Mutter so zu beteiligen, wie wenn der Vorgang in der Muttergesellschaft vorgenommen sein würde. Das heißt: Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft nach § 119 II AktG lösen zugleich eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung auf der Ebene der Muttergesellschaft aus. Das belegt noch einmal, wie untrennbar die Argumentation im BGH-Urteil

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Festhalten lässt sich somit, dass der BGH inkonsequenterweise formal zwischen den Fallgestaltungen „Ausgliederung“ und „Kapitalerhöhung in der Tochter“ trennt. Sowohl im dogmatischen Ansatz als auch in den Kriterien sind die Ausführungen des BGH der Sache nach aber weitgehend angenähert. Als Grundaussage der Entscheidung kristallisiert sich heraus: Wenn ein Vorgang – sei es gesellschaftsintern, sei es in einer verbundenen Gesellschaft – einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition der Aktionäre mit sich bringt, weil es um eine grundlegende Entscheidung geht, ist er zustimmungspflichtig.329 Die Zustimmung erfolgt auf Vorlage durch den Vorstand an die Hauptversammlung. (3) Die erforderliche Mehrheit bei der Zustimmung Nachdem der BGH die Voraussetzungen für die Zustimmungspflichtigkeit einer Maßnahme dargelegt hat, nimmt er zu der erforderlichen Beschlussmehrheit Stellung. Seine Ausführungen in diesem Zusammenhang sind möglicherweise auch für den Fall einer etwaigen Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Börsengang und für den Börsenrückzug von Belang, so dass sie hier kurz darzustellen sind: Ob der BGH für den Beschluss der Hauptversammlung eine qualifizierte Mehrheit verlangt oder ob er die einfache Mehrheit genügen lässt, ist für die Ausgliederung zweifelhaft. Da eine qualifizierte Mehrheit nicht ausdrücklich verlangt wird, scheint dies zunächst für den Grundsatz der einfachen Mehrheit zu sprechen (§ 133 I AktG), wie es bei Vorlagen nach § 119 II AktG die Regel ist. Allerdings nimmt der BGH bezüglich der Kapitalerhöhung an, die Aktionäre der Muttergesellschaft hätten Anspruch darauf, „an wichtigen Grundentscheidungen [. . .] in denselben Formen und mit denselben Mehrheiten intern beteiligt zu werden, wie es für entsprechende Entscheidungen in der Muttergesellschaft bestimmt ist, bevor sie in der Tochtergesellschaft verwirklicht werden“.330 Nachdem Ansatz und Kriterien in der Entscheidung als weitgehend angeglichen zu verstehen waren, dürfte hier Einiges dafür sprechen, dies auf die Mehrheitserfordernisse bei der Ausgliederung zu übertragen.331 Vorgänge in der Mutter (wie die Ausgliederung) und solche in der Tochter (Kapitalerhöhung) erfasst. 329 Ähnlich hat unlängst des LG Duisburg den Kerngehalt der Entscheidung zusammengefasst, vgl. AG 2003, 390. 330 BGHZ 83, 138. Unzutreffend daher OLG Karlsruhe, DB 2002, 1094, 1095: Das Urteil enthalte „an keiner Stelle Hinweise“ über die Quoten einer Beteiligung. 331 So auch das überwiegende Schrifttum, z. B. Altmeppen DB 1998, 49 ff. m. w. N. Demgegenüber hat der BGH in der Macrotron-Entscheidung (ZIP 2003, 387) beim Delisting die einfache Stimmenmehrheit für ausreichend gehalten. Anders wiederum das Gelatine-Urteil (BGH ZIP 2004, 998), das eine Dreiviertelmehrheit fordert. Für

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(4) Die Wirksamkeit der Ausgliederung des Betriebes, unabhängig von der Erteilung der Zustimmung Nachdem die Voraussetzungen des Zustimmungsrechts der Hauptversammlung umrissen sind, nimmt der BGH zu den Auswirkungen der Beteiligung der Hauptversammlung Stellung. In Abweisung des ersten Klageantrags hält er die Übertragung des Betriebsvermögens auf die Tochter auch ohne Zustimmung der Aktionäre für wirksam. Es gelte der Grundsatz der unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands, § 82 AktG. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus den Grundsätzen über den evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht – hier: durch den Vorstand der Muttergesellschaft bei der Übertragung des Vermögens auf die Tochtergesellschaft – herleiten. Diese Grundsätze seien nicht anwendbar, wenn sich die Rechtswirkungen des fraglichen Geschäfts nicht im Rechtskreis der Geschäftspartner erschöpften, sondern, wie im vorliegenden Fall, wegen des Vollzugs des Sacheinlageversprechens auch Dritte, z. B. Gläubiger der Tochter, betroffen seien.332 Über die Wirksamkeit einer etwaigen Kapitalerhöhung in der Tochter hatte der BGH nicht zu befinden, da es insoweit um einen „vorbeugenden“ Feststellungsantrag ging. (5) Präzisierung des Aussagegehaltes: Reichweite der Entscheidung über den konkreten Fall hinaus Für die Zuständigkeitsfrage beim Börsengang und Börsenrückzug können die eben dargestellten Ausführungen des BGH zu den Voraussetzungen und Folgen einer Hauptversammlungszuständigkeit aus § 119 II AktG nur dann hilfreich sein, wenn die Aussagekraft dieser Darlegungen über den konkret entschiedenen Fall hinausreicht. Es ist daher zu fragen, inwieweit sich die Argumentation des Senats von den „hintereinandergeschalteten“ Konstellationen des Urteils – Ausgliederung von Vermögen auf eine 100%-Tochter und anschließende Kapitalerhöhung in dieser – lösen lässt. Schon der Blick auf den Leitsatz zeigt, dass sich der Aussagegehalt der Holzmüller-Entscheidung auf die konkret behandelten Maßnahmen nicht beschränkt.333 Die Hauptversammlung wird im Leitsatz für mitwirkungsbefugt die vorliegende Untersuchung ist eine Präzisierung der Mehrheitserfordernisse erst von Bedeutung, wenn die weitere Untersuchung ergibt, dass erstens Beteiligungsrechte der Hauptversammlung beim Börsengang überhaupt bestehen und sich das zweitens gerade in Anwendung der im Holzmüller-Urteil aufgestellten Grundsätze ergibt. Daher wird die Frage vorerst zurückgestellt. 332 BGHZ 83, 132. 333 Das wird, soweit ersichtlich, allgemein angenommen, vgl. statt vieler Martens ZHR 147 (1983), 381. Ausdrücklich auch BGH ZIP 2004, 996 f.

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„bei schwerwiegenden Eingriffen [. . .] wie z. B. der Ausgliederung eines Betriebs“ erklärt.334 Auch die allgemein gehaltenen, weiten Kriterien der Zustimmungspflichtigkeit einer Maßnahme335 bestätigen: Es sind aus Sicht des BGH unproblematisch weitere Maßnahmen denkbar, die eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung auslösen können.336 Für den Börsengang und den Börsenrückzug kommt der Entscheidung gleichwohl keine Bedeutung zu, wenn man den Ausführungen des BGH zumindest eine Beschränkung der Zustimmungspflichtigkeit seitens der Hauptversammlung auf Maßnahmen mit Konzernbezug zu entnehmen hat. Der Seehafenbetrieb wurde von der Mutter auf eine Tochter übertragen, dort stand sodann eine Kapitalerhöhung in Rede. In beiden Fällen sind mithin Entscheidungen „im Konzern“ angesprochen. Zweifel an der Übertragbarkeit von Ansatz und Kriterien der Holzmüller-Entscheidung auf die Rechtslage in der eingliedrigen AG könnte vor allem erwecken, dass die vom Senat beschriebenen „Eingriffe“ in Aktionärsrechte konzernspezifisch sind. Der BGH weist auf Verkürzungen der Aktionärsrechte hin, die auf die Verlagerung des unternehmerischen Geschehens von der Mutter- in die Tochtergesellschaft zurückzuführen sein sollen. Jedoch werden diese Eingriffe, wie noch zu zeigen sein wird337, im Urteil ohnehin nicht zutreffend beschrieben. Für die Übertragbarkeit der im Urteil aufgestellten Grundsätze auf die eingliedrige AG spricht, dass es sowohl bei der Ausgliederung als auch hinsichtlich der Kapitalerhöhung in der Tochter im Ausgangspunkt um eine innergesellschaftliche Maßnahme geht.338 Der BGH lehnt insoweit eine Stellungnahme zu Vorstellungen einer Binnenordnung des Konzerns strikt ab und löst dadurch den eigenen Ansatz ausdrücklich von organisationsspezifischen Überlegungen.339 Mit allgemeinen Kriterien wie „schwerwiegenden Eingriffen“ oder „grundlegenden Entscheidungen“, die „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, daß der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen“, lässt sich auch dann operieren, wenn es nicht um Entscheidungen mit Konzernbezug geht.340 Eine Einschränkung auf Konzernsachverhalte lässt sich den im Urteil 334

BGHZ 83, 122 (Hervorhebung des Verf.). Dazu oben D. V. 2. b) (2). 336 Der BGH nennt selbst ein Beispiel für einen solchen schwerwiegenden Eingriff: Unternehmensverträge zwischen der Tochtergesellschaft und einem Dritten könnten die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft „vollends aushöhlen“ (BGHZ 83, 137). 337 Sogleich unter D. V. 3. c). 338 Das wurde schon unter D. V. 2. b) (2), (3) dargelegt. 339 BGHZ 83, 138. 340 So auch Martens ZHR 147 (1983), 382 f.; Rehbinder ZGR 1983, 99; Semler BB 1983, 1571; Werner ZHR 147 (1983), 437 ff.; Hommelhoff ZHR 151 (1987), 506; 335

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verwendeten Kriterien folglich nicht entnehmen. Beschränkte man die Argumentation des BGH speziell im Falle der Ausgliederung auf den Konzern, so würde vielmehr ein Wertungswiderspruch drohen: Man würde die Ausgliederung auf eine konzernverbundene Gesellschaft mit dem Argument der Zustimmung der Hauptversammlung unterstellen, der Einfluss der Aktionäre werde verkürzt. Bliebe man hierbei stehen, hätte man eine Ausgliederung entsprechenden Vermögens auf einen Dritten, außerhalb des Konzerns Stehenden, zuzulassen, obwohl die Aktionäre hier jeglichen Einfluss einbüßen. Das wäre schwerlich zu erklären. Der Aussagegehalt der Holzmüller-Entscheidung lässt sich demnach prinzipiell auf weitere Fallkonstellationen übertragen. Daher sind im nächsten Schritt die rechtlichen Argumente des BGH, mit denen er eine Vorlagepflicht des Vorstands nach § 119 II AktG zugunsten der Hauptversammlung begründet, auf ihre Richtigkeit und Überzeugungskraft zu überprüfen. Fällt das Ergebnis positiv aus, ist weiter zu klären, ob sich die Ausführungen des BGH für die hier interessierenden Fälle des Börsengangs und des Börsenrückzugs nutzen lassen. 3. Stellungnahme a) Die Ablehnung ausdrücklich normierter Beteiligungsrechte der Hauptversammlung durch den BGH Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Mutter in unmittelbarer Anwendung aktiengesetzlicher Kompetenznormen hat der BGH zu Recht weder für die Ausgliederung noch für eine Kapitalerhöhung in der Tochter gesehen. Eine Analogie zu § 179a AktG, die der BGH ebenfalls ablehnt, kommt beim Börsengang oder Börsenrückzug von vornherein nicht in Betracht.341 Insoweit sind dem Urteil keine weiterführenden Hinweise für die hier interessierende Zuständigkeitsfrage zu entnehmen.342

wohl auch Sünner AG 1983, 170. Konzernunabhängig sind auch die Kriterien, die Geßler (FS Stimpel, 785 ff.) dem Urteil entnimmt. 341 Zu einer möglichen Gesamtanalogie zu den Grundlagenkompetenzen, zu denen auch § 179a AktG zählt, vgl. hingegen noch unten D. VI. 342 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation, mit welcher der BGH die Analogie zu § 365 AktG 1965 (entspricht § 179a AktG) ablehnt, einer Präzisierung bedarf: Die Bedenken des BGH, dass aus der (analogen) Anwendung von § 365 AktG 1965 eine „untragbar[e]“ Beschränkung der Außenvertretungsmacht des Vorstands resultieren würde, leuchten nur vor dem Hintergrund des konkret entschiedenen Falles ein. Denn die Kriterien, die der BGH später – anstelle der Analogie zu § 365 AktG 1965 – entwickelt, laufen zumindest im Grundsatz gerade darauf hinaus, die Vertretungsmacht des Vorstands ebenfalls einzuschränken: Mit Nachdruck wird in der Entscheidung auf den ganz grundlegenden Charakter der Geschäftsführungsentscheidung verwiesen. Der Vorstand könne hier „vernünftigerweise nicht annehmen“, er

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b) Die Zweifelhaftigkeit des dogmatischen Ansatzes Schlüsse für die hier interessierenden Fallkonstellationen können hingegen die allgemeinen Grundsätze des BGH zu den abgeleiteten Beteiligungsrechten der Hauptversammlung auf der Grundlage von § 119 II AktG zulassen. Zweifel an der Richtigkeit des Ansatzes der Rechtsprechung erweckt allerdings bereits der vom BGH gewählte dogmatische Ausgangspunkt: Für die Ausgliederung vertritt der BGH eine Vorlagepflicht des Vorstands kraft „Ermessensreduzierung“ nach § 119 II AktG. Diese Annahme ist bereits in zahlreichen Abhandlungen kritisiert worden.343 Dieser Kritik ist zu folgen. Dem Ansatz des Senats lässt sich zwar nicht vorwerfen, dass er in Konflikt gerate mit dem Grundsatz des § 119 I AktG („Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen [. . .]“). Die Vorinstanzen344 hatten als „Eckpfeiler“ des gesetzlich verankerten

dürfe die Entscheidung selbst treffen, was sodann mit einer Fülle von Kriterien zu belegen gesucht wird. Daraus ist wohl zu folgern, das interne Dürfen des Vorstands werde offensichtlich überschritten. Wenn der Vorstand verständigerweise nicht annehmen darf, er sei zu einer Maßnahme berechtigt, darf dies regelmäßig auch ein Geschäftspartner nicht. Das führt gerade zu den Grundsätzen über den evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht. Die Argumentation des BGH läuft also zumindest im Ansatz darauf hinaus, in „Holzmüller-Fällen“ die Vertretungsmacht des Vorstands auszuhebeln. Die Ausführungen geraten in der Folge nur deshalb nicht widersprüchlich, weil der BGH die Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch von Vertretungsmacht im konkreten Fall der Ausgliederung ablehnt (S. 132), und zwar nicht mangels Evidenz, sondern aus spezifischen gesellschaftsrechtlichen Gründen, die aber nicht verallgemeinerungsfähig sind: So führt der Senat aus, dass im Interesse des Verkehrsschutzes die Regeln über den evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht zurücktreten müssten, weil es um eine Einlageleistung zum Zwecke der Gründung der Tochter gegangen sei. Durch den Gründungsprozess nehme die Tochter ein eigenständiges „Leben“ im Rechtsverkehr auf. Dadurch werde das interne Verhältnis zwischen Mutter und Tochter – das der BGH als Voraussetzung für die Anerkennung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht sieht – verlassen. Für denkbare weitere „HolzmüllerFälle“, in denen diese besonderen gesellschaftsrechtlichen Gründe nicht entgegenstehen, bleibt es demnach bei der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Grundsätze über den evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht. Überzeugend ist hingegen die Auslegung des BGH unter Berücksichtigung systematischer Argumente, dass das AktG nur vor einer vollständigen Begebung der Grundlage der satzungsmäßigen Tätigkeit schütze. Bereits § 303 II HGB 1897 sah die Auflösung und Liquidation der AG als Folge der Vermögensübertragung an, wenn und weil das gesamte Vermögen als Grundlage der Tätigkeit der AG übertragen wurde. Warum das so war, wird unter D. VI. 5. näher dargestellt. Dass die Gesellschaft eine – möglicherweise angemessene – Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens bekommt, ist für § 179a AktG (und war es auch für § 303 II HGB 1897 ) unerheblich. 343 Z. B. von Martens ZHR 147 (1983), 377; Werner ZHR 147 (1983), 429; Geßler FS Stimpel S. 771; Flume AT I 2 S. 311. 344 Dies waren das LG Hamburg (AG 1980, 199 ff.) und das OLG Hamburg (ZIP 1980, 1001 ff.).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Aktionärsschutzes bei Vermögensübertragungen einerseits die Satzung – faktische Satzungsänderung durch mögliche Einstellung eines satzungsmäßigen Betätigungsfelds – und andererseits § 361 AktG 1965 – Veräußerung des gesamten Vermögens der AG – gesehen und einer Erweiterung dieses aktiengesetzlichen Schutzes unter Beachtung von § 119 I AktG eine Absage erteilt. Der Ansatz bei § 119 II AktG gestattete es dem BGH, ohne Verstoß gegen § 119 I AktG die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Kompetenzen der Hauptversammlung auszuweiten. Der Lösung des BGH ist aber – im Ergebnis zutreffend – entgegengehalten worden, die Ermessensreduktion sei zwar dem Recht bekannt. Voraussetzung einer Ermessensreduktion zugunsten der Hauptversammlung sei indessen, dass es sich bei § 119 II AktG um ein „Schutzgesetz“ handele.345 Nur ein Gesetz, welches eine Verhaltenspflicht der Verwaltung statuiert, die zumindest auch im Interesse der Hauptversammlung bestehe („Schutzgesetz“), könne zu einer Ermessenreduktion zugunsten der Hauptversammlung führen. § 119 II AktG sei kein solches Gesetz. Diese Kritik ist insoweit unzutreffend, als im Verwaltungsrecht nur das Einklagen eines Verwaltungsverhaltens aufgrund einer Ermessensreduktion das Bestehen eines Schutzgesetzes voraussetzt, § 42 II VwGO.346 Eine Ermessensreduktion kann sich selbstverständlich auch aus anderen als drittschützenden Normen ergeben. Vor dem Hintergrund, dass die HolzmüllerEntscheidung den Aktionären ein klagbares Recht einräumt, mag man sich aber bereits diesem Bedenken der Literatur anschließen können. Entscheidend jedoch ist: Das Gesetz kennt eine Vorlagepflicht des Vorstands an die Hauptversammlung überhaupt nicht.347 Der Rückgriff auf § 119 II AktG gerät vielmehr in Konflikt mit der Gesetzessystematik.348 Die Zuständigkeit der 345 GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 23. Das Argument Weißhaupts (NZG 1999, 807), § 119 II AktG sei als Grundlage einer Ermessensreduzierung schon vom Wortlaut her („Die Hauptversammlung kann nur entscheiden“ statt „Der Vorstand kann vorlegen“) untauglich, überzeugt hingegen nicht. § 119 II AktG geht offensichtlich von einem Vorlageermessen des Vorstands aus. 346 § 42 II VwGO regelt die Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Prozess. Für die (allgemeine und besondere) Leistungsklage ist Voraussetzung, dass der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verhaltens in seinen Rechten verletzt zu sein. Das kann nur dann der Fall sein, wenn die Rechtsgrundlage für das eingeforderte Verhalten der Verwaltung dem Kläger ein subjektives öffentliches Recht gewährt. Ein solches Recht besteht, wenn die betreffende Norm zumindest auch den Schutz des Klägers bezweckt („Schutzgesetz“). Der Kläger kann demnach nicht allgemein auf eine „Ermessensreduktion“ verweisen und mit Blick hierauf ein Verhalten der Verwaltung einklagen. Die geltend gemachte Ermessensreduktion muss sich vielmehr auf der Grundlage eines „Schutzgesetzes“ für den Kläger ergeben, sonst ist er nicht klagebefugt, § 42 II VwGO. Näher Maurer § 8 Rn. 6 ff. (zum subjektiven öffentlichen Recht) sowie Redeker/von Oertzen/von Oertzen VwGO § 42 Rn. 14 ff. (zur Klagebefugnis). 347 So Flume AT I 2 S. 311. 348 Das hat Martens (ZHR 147 (1983), 383) zutreffend herausgearbeitet.

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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Hauptversammlung im Fall des § 119 II AktG folgt formal erst aus dem Verlangen des Vorstands. Diese Möglichkeit des Vorstands ist vor dem Hintergrund seiner Haftung für sorgfaltswidriges Verhalten aus § 93 AktG zu sehen. Hier droht nicht nur eine Haftung für – möglicherweise wenig bedeutsame – Geschäftsführungsentscheidungen im „täglichen Leben“ der AG, sondern auch bei weitreichenden Leitungsentscheidungen (§ 76 AktG). § 119 II AktG ermöglicht es dem Vorstand, den drohenden Haftungsrisiken zu entgehen, indem er sich in wichtigen Angelegenheiten bei der Hauptversammlung „rückversichert“. Ein gesetzmäßiger Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung schließt die Haftung des Vorstands nach § 93 IV AktG aus. Es bedeutete eine Verkehrung dieses Grundmodells des Gesetzes, aus dem Einberufungsrecht gemäß § 119 II AktG eine Einberufungspflicht des Vorstands herzuleiten. Und noch unter einem anderen Blickwinkel ist der Ansatz der BGH bei § 119 II AktG zu kritisieren: Die fehlende Vorlage durch den Vorstand ließ, wie der BGH ausführt, die Vertretungsmacht des Vorstands unberührt. Im gleichen Zuge betont der Senat die besondere Nähe des Ausgliederungssachverhaltes zu § 179a I AktG. Die Bezugnahme auf § 179a AktG spricht aber gerade für eine Außenwirkung der fehlenden Zustimmung. Denn ein ohne Zustimmung gebliebener Vertrag i. S. d. § 179a AktG bleibt unwirksam.349 Auch insoweit ist das Urteil nicht stimmig. Der Ansatz des BGH bei § 119 II AktG vermag demnach insgesamt nicht zu überzeugen.350 Nichts anderes gilt für den dogmatischen Ansatz im zweiten Teil der Entscheidung, bei der „ungeschriebenen Zuständigkeit“ der Mutter-Hauptversammlung hinsichtlich einer Kapitalerhöhung in der Tochter. Die Ausführungen des BGH waren insoweit – anders als die auf § 119 II AktG gestützten – nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern allenfalls über eine Analogie oder im Wege der Rechtsfortbildung begründbar.351 Zu beiden Vorgehensweisen fehlen aber Hinweise im Urteil. So wird weder systematisch eine planwidrige Gesetzeslücke nachgewiesen, noch wird belegt, inwieweit die Kapitalerhöhung in der 349 So die ganz überwiegende Meinung, vgl. etwa GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 22; Hüffer AktG § 179a Rn. 13. Diese Folge war noch im Wortlaut der Vorgängernorm, § 361 AktG 1965, festgeschrieben. Die redaktionelle Änderung der Norm durch das UmwBerG sollte daran nichts ändern. Jedenfalls lässt sich den Gesetzesmaterialien nichts entnehmen, was die gegenteilige Annahme stützen würde (vgl. BTDrucks. 12/6699, S. 177). 350 Ablehnend jetzt auch BGH ZIP 2004, 997. Vorzugswürdig sei die Begründung ungeschriebener Zuständigkeiten im Wege „offener Rechtsfortbildung“. 351 Gänzlich ablehnend aber Flume AT I 2 S. 313 f: Mitwirkungsrechte der Aktionäre der Muttergesellschaft in der Tochtergesellschaft seien dem Aktienrecht unbekannt und allenfalls de lege ferenda vorstellbar. Es sei nicht Sache eines Gerichts, „nach seinem Gutdünken durch punktuelle Entscheidungen in ein vom Gesetzgeber gestaltetes Rechtsinstitut wie das Konzernrecht einzugreifen.“ (S. 314).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Tochter gesetzlich geregelten Tatbeständen vergleichbar sei, die eine Zustimmung der Hauptversammlung anordnen. Wie gesehen, lehnt sich der BGH vielmehr der Sache nach an die Argumentation im ersten Teil der Entscheidung an. Im Übrigen beschränkt er sich auf selektive Hinweise auf das „Schutzbedürfnis“ der (Minderheits-)Aktionäre und auf vorhandene „Tendenzen“ des Gesetzes zum Schutz dieser Aktionäre. Das mag man als Andeutung einer Gesetzeslücke zu verstehen haben – ohne dass damit schon etwas zu ihrer Planwidrigkeit gesagt wäre –, man kann es aber ebenso gut als ein nur rechtspolitisches Argument in Hinblick auf die Regelungsbedürftigkeit der Angelegenheit sehen. Der Hinweis auf ein „Schutzbedürfnis“ und auf vorhandene „Tendenzen“ des AktG zum Schutz der Minderheitsaktionäre vor einer Entwertung ihrer Stellung sowie auf einen drohenden Autonomiezuwachs der Verwaltung infolge Konzernierung kann die erforderliche Anbindung der vertretenen Zustimmungsbefugnisse der Hauptversammlung an das Gesetz nicht ersetzen. So wäre zu erörtern gewesen, ob nicht durch Satzungsgestaltung (z. B. „Konzernverbot“ in der Satzung) oder etwa durch Bindung bestimmter Entscheidungen (z. B. derjenigen über die Konzernierung oder über die Stimmrechtsausübung in der Tochter durch den Vorstand) an die Zustimmung des Aufsichtsrates nach § 111 IV AktG den Schutzbedürfnissen der Aktionäre ausreichend hätte Rechnung getragen werden können.352 Es wäre m.a.W. zu klären gewesen, ob nicht das Regelungssystem des AktG insgesamt den Interessen der Aktionäre bereits gerecht wird.353 Wie Martens feststellt, ist im zweiten Teil der Entscheidung die „Anknüpfung an positivrechtliche Regelungen entweder mißlungen oder von vornherein unterblieben“, die „Argumentation erschöpft sich in allgemeinen Behauptungen, die entweder unzutreffend oder doch derart vage sind, daß sie keinen zwingenden Begründungszusammenhang erkennen lassen“.354 Selbst wenn man aber zugrunde legt, dass in Ergänzung des aktiengesetzlichen Kompetenzgefüges weitere Zuständigkeiten der Hauptversammlung anzunehmen sind, so ist für die Kapitalerhöhung mehr noch als für die Ausgliederung die „ermächtigende“ Zuständigkeit der Hauptversammlung, wie sie der BGH vertritt, überraschend. Eine nur interne Beteiligung der Hauptversammlung, der zufolge der Vorstand die Maßnahme letztlich vornimmt, ist dem AktG zwar – auch ohne den „Umweg“ über § 119 II AktG – nicht gänzlich unbekannt, wie § 179a I und § 293 I AktG zeigen. Erstens ordnen diese Vorschriften aber die Unwirksamkeit von zustimmungslos getroffenen Maßnahmen an.355 Schon deshalb konnte sich der BGH, der von der Wirksamkeit einer ohne Zu352 So zu Recht Werner ZHR 147 (1983), 441, der auch auf die Möglichkeit zum Entzug des Vertrauens bei unwillkommenem Vorgehen des Vorstands hinweist. 353 So Semler BB 1983, 1571. Ähnlich Werner ZHR 147 (1983), 440 ff. 354 ZHR 147 (1983), 427 f. 355 Für Unternehmensverträge folgt das bereits aus dem Wortlaut des § 293 I 1 AktG. Für § 179a AktG gilt das gleiche (vgl. Fn. 349).

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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stimmung der Hauptversammlung vorgenommenen Kapitalerhöhung in der Tochter ausgeht, nicht auf eine Parallele zu diesen Normen stützen. Zweitens geht es in §§ 179a, 293 AktG auch nicht um eine „Ermächtigung“ des Vorstands zu einer Maßnahme, sondern um die Zustimmung zu einer vom Vorstand bereits vorbereiteten Maßnahme. Und drittens ist jedenfalls im Bereich der Kapitalerhöhung eine originäre Zuständigkeit der Hauptversammlung gesetzlich verankert. Auf eine entsprechende originäre Beteiligung der Hauptversammlung der Mutter an der Kapitalerhöhung in der Tochter geht der BGH mit keinem Wort ein. Es hätte jedoch näherer Erklärung bedurft, warum im Urteil die Rechtsfolge des offenbar analog herangezogenen Tatbestands über die Kapitalerhöhung (oder der sonstigen analog herangezogenen Tatbestände) auf die Weise abgeändert werden dürfe oder solle, dass zwar von einem Beteiligungsrecht der Hauptversammlung der Mutter ausgegangen wird, dieses aber gerade nicht in Form einer originären Beschlusszuständigkeit für die Kapitalerhöhung seinen Ausdruck finden soll.356 Der letzte Kritikpunkt hinsichtlich des dogmatischen Ansatzes bzw. der dogmatischen Ansätze betrifft die schon angedeutete Inkonsequenz. Das Urteil behandelt gleich gelagerte Fallkonstellationen, nämlich innergesellschaftliche Geschäftsführungsentscheidungen, (terminologisch) nach unterschiedlichen Maßstäben.357 Die Entscheidungen über die Ausgliederung und über die Ausübung des Stimmrechts für die Erhöhung des Grundkapitals in der Tochter sind aber jeweils Geschäftsführungsentscheidungen in der Muttergesellschaft, welche von vornherein nach einheitlichen Maßstäben bewertet werden mussten. Zusammengefasst ergibt sich: Der dogmatische Ansatz des BGH bei § 119 II AktG bzw. die Berufung auf „ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten“ sind im ersteren Fall systemwidrig, im zweiten Fall unzureichend begründet. Dass formal überhaupt verschiedene Ansätze gewählt werden, ist zweifelhaft. c) Die Zweifelhaftigkeit der materiellen Kriterien für die Zustimmungspflicht Zweifelhaft sind auch die materiellen Kriterien, derer sich der BGH zur Begründung der Zustimmungspflichtigkeit einer Maßnahme bedient. Die eben geäußerte Kritik ist hier fortzusetzen: Die Kriterien für die vom BGH angenommene Zustimmungspflichtigkeit der Maßnahmen werden in beiden Fällen unzureichend oder gar nicht aus dem Gesetz hergeleitet.358 Dass (formal) abweichende Maßstäbe an die Beurteilung der Ausgliederung einerseits und der Kapitalerhöhung in der Tochter andererseits angelegt werden, passt nicht zur identischen 356 Kritisch hierzu auch Zimmermann/Pentz FS Welf Müller S. 160; Emmerich/Habersack/Habersack vor § 311 Rn. 48. 357 Kritik auch bei Rehbinder ZGR 1983, 103; Werner ZHR 147 (1983), 449.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Problemstellung – es geht in beiden Fällen um innergesellschaftliche Geschäftsführungsentscheidungen. Die einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen, welche der BGH für ein Zustimmungsrecht bei der Ausgliederung aufstellt, gehen ferner über schlagwortartige Bezeichnungen kaum hinaus. Nicht näher erläutert wird, warum auf den „Kernbereich“ der Unternehmenstätigkeit abzustellen und wie dieser zu bestimmen sein soll. Verfolgt man wie der BGH eine „Eingriffs-Argumentation“, stellt man also auf Beschränkungen der Rechte der Aktionäre ab, so ist das Kriterium nicht aussagekräftig. Es wird nicht klar, warum neben den Aktionärsrechten die Unternehmensebene eine Rolle spielen soll. Erstaunlich ist insbesondere, dass der BGH in diesem Zusammenhang hervorhebt, es gehe um den „wertvollsten Betriebszweig“, während vorher die Analogie zu § 361 AktG 1965 abgelehnt wurde.359 Damit wurde der Vermögensbezug, die wirtschaftliche Bedeutung des Vorgangs, als Ansatzpunkt für ein Beteiligungsrecht der Aktionäre gerade verworfen. Sodann sieht das AktG einen „gewöhnlichen Rahmen“ der Geschäftsführung nicht vor, sondern räumt dem Vorstand gerade umfassende Leitungsmacht ein, § 76 AktG. Das ist das Gegenteil eines üblichen oder gewöhnlichen Rahmens.360 Ohne Aussagekraft ist schließlich der Hinweis auf die angebliche „Änderung der Unternehmensstruktur“. Der Begriff ist dem Gesellschaftsrecht unbekannt und entzieht sich exakter Einordnung. So ist nicht verwunderlich, dass im Urteil auch nicht näher beschrieben wird, worin denn die Unternehmensstruktur bestehe und wie genau sie beeinträchtigt werde. Es bleibt der Hinweis auf den „tiefen Eingriff“ in Aktionärsrechte, der mit grundlegenden Entscheidungen wie der Ausgliederung von beträchtlichem Vermögen der AG einhergehen soll: Nachteile für die Aktionäre aus der Ausgliederung von Vermögen auf eine Tochtergesellschaft mag es in der Tat geben. Sie folgen indessen keineswegs, wie im Urteil ausgeführt, daraus, dass die Aktionäre „namentlich die Möglichkeit [verlieren], im Rahmen der gemäß § 119 358 Martens (ZHR 147 (1983), 380) bemängelt die „spartanische Kargheit“ der Argumentation des BGH. Für die Ausführungen zu den ungeschriebenen Zuständigkeiten bescheinigt er gar „delphische Orakelkunst“ (a. a. O., 405). 359 Vgl. BGHZ 83, 131: „Ist eine Zuständigkeit der Hauptversammlung, wie etwa in [. . .] § 361 gesetzlich vorgeschrieben, so ergibt sich von selbst [. . .], daß die Satzung von ihrer Einhaltung nicht entbinden kann (§ 23 Abs. 5 AktG). Aber auch dort, wo die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht voll erfüllt sind, aber ein ihnen nahekommender oder durch die Satzung nicht gedeckter Sachverhalt gegeben ist, kann für den Vorstand eine Vorlage an die Hauptversammlung ausnahmsweise zur Pflicht werden“ (Hervorhebung des Verf.). Die Ausgründung war hier durch die Satzung gedeckt. Eine Analogie zu § 361 AktG 1965 wegen eines dieser Norm gleichgelagerten, also „nahekommenden“ Sachverhalts hatte der BGH zuvor abgelehnt. 360 Der BGH hat sich hier möglicherweise durch Schneiders Ausführungen zur herrschenden Personengesellschaft inspirieren lassen (ZHR 143 (1979), 485 ff.). Hier ist die Frage des „gewöhnlichen Rahmens“, anders als in der AG als herrschender Gesellschaft, nach dem Gesetz allerdings auch bedeutsam, § 116 HGB.

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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AktG der Hauptversammlung vorbehaltenen Befugnisse den Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko eines Verlustes und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen“.361 Im Rahmen ihrer Kompetenzen aus § 119 I Nr. 1–7 AktG können die Aktionäre den Einsatz des Betriebskapitals und das Risiko seines Verlusts gar nicht konkret steuern. Eine Einflussnahme auf den Einsatz des Kapitals sowie auf das Verlustrisiko kommt allenfalls in ganz genereller Form durch die Festlegung des Unternehmensgegenstandes (§ 23 III Nr. 2 AktG) in Betracht. Darüber hinaus können die Aktionäre dem Vorstand – wenn er nicht ausgerechnet die Frage zur Entscheidung vorlegt, § 119 II AktG – keine Vorgaben für die Verwendung des Betriebsvermögens machen. Die Entscheidung über die Art und Weise des Einsatzes des Betriebsvermögens ist Gegenstand der Geschäftsführung durch die Verwaltung der AG. Soweit nun solche satzungsmäßigen Vorgaben hinsichtlich des Einsatzes des Betriebskapitals bzw. hinsichtlich der Steuerung des Verlustrisikos zulässig sind, findet eine wesentliche Schmälerung dieses Rechts, wie sie der BGH herausstellt, infolge der Konzernierung nicht statt. Für den Vorstand verbindliche satzungsmäßige Bestimmungen treffen die Aktionäre zugleich in Hinblick auf Tochtergesellschaften. Denn auch die unternehmerische Betätigung der Tochter muss sich im Kern innerhalb des satzungsmäßigen Rahmens der Muttergesellschaft halten. Damit ist nicht gemeint, dass der Unternehmensgegenstand der Mutter für die Tochtergesellschaft rechtlich bindend wäre. Die vom Vorstand der Mutter eingegangene und gehaltene Beteiligung an der Tochter verstößt aber gegen den Unternehmensgegenstand der Muttergesellschaft, wenn die unternehmerische Betätigung der Tochter sich mit dem Unternehmensgegenstand der Mutter nicht vereinbaren lässt.362 In einem solchen Fall muss der Vorstand entweder – im Rahmen des rechtlich Zulässigen – auf die Tätigkeit der Tochter korrigierend Einfluss nehmen oder die Beteiligung abstoßen. Eine Einflussnahme der Aktionäre auf die Verwendung der „Erträge“ des Unternehmens (i. S. d. Bilanzgewinns) kommt allenfalls sehr eingeschränkt in Frage. Die Hauptversammlung beschließt über die Verwendung des Bilanzgewinns, §§ 119 I Nr. 2, 174 AktG. Die Aktionäre sind i. d. R. an den Jahresabschluss der Verwaltung weitestgehend gebunden, wie sich aus §§ 174, 172, 58 AktG ergibt.363 Hier ist immerhin eine Beeinträchtigung der Aktionäre der Mutter durch eine Verlagerung der Geschäftstätigkeit in eine Tochter denkbar. Dort nimmt der Vorstand der Mutter die Gesellschafterrechte hinsichtlich der Gewinnverteilung wahr.

361

So schon Groß AG 1994, 274; Heinsius ZGR 1984, 383, 393. So die überwiegende Ansicht, vgl. etwa KK2 /Koppensteiner vor § 291 Rn. Rn. 24; Groß AG 1994 268; Hirte S. 158 (m. w. N.). 363 Vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 653 ff. 362

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Auch bei den Ausführungen zu Kapitalerhöhungen in der Tochter stellt der BGH auf Eingriffe in die Rechtsposition des Aktionärs bzw. auf Gefährdungen ihrer Rechtsposition ab. Die Aktionäre verlieren aber durch die Kapitalerhöhung in der Tochter nicht die Chance, ihre Beteiligung am Unternehmen „quantitativ und wertmäßig zu verbessern“. Daher kann von einer „Aushöhlung des Bezugsrechts“ der Aktionäre nicht die Rede sein.364 Für den Fall der vollständigen Übernahme der Anteile durch die Muttergesellschaft gilt nämlich: Ebenso wie die Mutter einem ihrer Betriebe Kapital zur Verfügung stellen kann, ohne auf eine Finanzierung von außen zurückzugreifen, kann sie es bei einer Tochter.365 Bei solchen Vorgängen gibt es keine „Chance“ der Aktionäre, die ihnen entgehen könnte.366 Es handelt sich um einen gewöhnlichen konzerninternen Finanzierungsvorgang. Zwar mögen durch eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft Betriebsmittel entzogen und auf die Tochter verlagert werden. Der Einsatz von Kapital an geeignetster, weil wirtschaftlichster Stelle im Konzern entspricht aber gerade dem Sinn und der Funktionsweise von Konzernierung.367 Werden Anteile aus einer Tochter-Kapitalerhöhung demgegenüber nicht vollständig von der Mutter übernommen, sondern werden Dritte zur Beteiligung zugelassen, so ist den Bedenken des BGH wegen möglicher Beeinträchtigungen der Mitgliedschaftsrechte und insbesondere des Werts der Beteiligung das Folgende entgegenzuhalten: Verwaltungsrechte der Aktionäre werden durch die Kapitalerhöhung in der Tochter unmittelbar nicht berührt.368 Mitspracherechte der Mutter-Aktionäre in der Tochtergesellschaft gibt es nämlich nicht.369 Es kann daher entweder um einen Verlust an Herrschaft gehen, der darauf beruht, dass der Vorstand Einfluss auf die Untergesellschaft verliert – und mithin auch die Aktionäre über „ihren“ Vorstand –, oder es kann um eine wertmäßige Einbuße gehen.

364 Dass ein konzernweites Bezugsrecht der Aktionäre nicht existiert und auch gesetzgeberisch nicht erwünscht ist, zeigt die Tatsache, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik kein konzernweites Bezugsrecht eingeführt hat (so auch Busch/Groß AG 2000, 508). Die Problematik wird sowohl im Bericht der Regierungskommission Corporate Governance erörtert (vgl. Baums Bericht Rn. 165, D3.70 f.) als auch im Gutachten von Fleischer zum 64. DJT (F-80). Die Regierungskommission bringt zum Ausdruck, dass sie es nicht für empfehlenswert hält, ein konzernweites Bezugsrecht einzuführen. 365 So auch Götz AG 1984, 87 f.; Semler BB 1983, 1572: „konzerninterne[r] Finanzierungsvorgang“; Ebenroth AG 1988, 3; Werner ZHR 147 (1983), 453; Heinsius ZGR 1984, 401. 366 I.E. ebenso Mülbert Unternehmensgruppe S. 402 f. und KK2 /Koppensteiner vor § 291 Rn. 44. 367 Semler (BB 1983, 1572) sieht daher durch „Holzmüller“ (ungewollt) das Konzernrecht an sich in Frage gestellt. 368 Götz AG 1984, 87 f.; Groß AG 1994, 273 ff. 369 So in der Sache auch Groß AG 1994, 275.

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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Vor wertmäßigen Einbußen sind die Aktionäre aber durch den Schutz der Muttergesellschaft als Gesellschafterin der Tochter gesichert: Für diesen Schutz sorgen zum einen das Gründungsrecht, das auf die Kapitalerhöhung entsprechend Anwendung findet (§§ 182 III, 9 AktG), zum anderen § 186 III 4 und § 255 II AktG, wenn das Bezugsrecht ausgeschlossen ist. Werden Anteile an der Tochtergesellschaft tatsächlich einmal unter Wert ausgegeben, so ist dies eine Haftungsfrage.370 Wenn man hingegen die (mittelbare) wertmäßige Beeinträchtigung der Mitgliedschaft ausreichen lassen wollte, um Zustimmungsrechte der Hauptversammlung zu begründen, so müsste man konsequenterweise das Gleiche für sämtliche Fälle vertreten, in denen der Vorstand ein wirtschaftlich nachteiliges Geschäft für die AG abschließt. Insoweit ist der Aktionär der Muttergesellschaft bei der Kapitalerhöhung der Tochter also nicht mehr und nicht weniger zu schützen als bei jeder Veräußerung von Gesellschaftsvermögen durch den Vorstand. Nur die Haftung des Vorstands gegenüber der AG bewahrt die Aktionäre vor solchen Werteinbußen. Was die Einbuße an Einfluss angeht, die daraus entsteht, dass der Vorstand der Mutter nicht mehr allein in der Untergesellschaft bestimmen kann, so geht es nur um eine Aufgabe von Einfluss durch den Vorstand. Der mittelbare, faktische Einfluss der Aktionäre auf den Vorstand bleibt unberührt. Die Aufgabe von Einfluss in der Tochter durch den Vorstand der Mutter ist aber nicht anders zu beurteilen als wenn er eine unternehmerische Tätigkeit der Mutter von Dritten ausführen ließe, also beispielsweise die Fertigung von Produktbestandteilen fremdvergeben würde. Das liegt in seinem Machtbereich, §§ 76 ff. AktG. Nicht einsichtig ist schließlich, warum mit jeder Kapitalerhöhung die Wahrscheinlichkeit zunehmen soll, dass durch spätere Anteilsveräußerung Dritte in die Tochter aufgenommen werden. Bereits die Konzernierung an sich eröffnet diese „Gefahr“. Ein numerisches Mehr oder Weniger an Anteilen ist ohne Bedeutung für die Frage, ob sich Dritte in der Tochter beteiligen wollen bzw. können oder nicht. Von der Höhe und Aufsplittung des Grundkapitals hängt das nicht ab.371 Letztlich braucht den verschiedenen Formen von Beeinträchtigungen der Aktionärsrechte, auf die der Senat abstellt, aber auch nicht bis ins Letzte nachgegangen zu werden. Es ist ersichtlich geworden, dass sie jedenfalls in der vom BGH vorgestellten Form und Intensität nicht existieren. Man mag anerkennen, dass die Ausführungen des Senats einen zutreffenden Kern enthalten.372 Das 370 In diesem Sinne auch der Bericht der Regierungskommission Corporate Governance Rn. 165 (D3.70 f.). 371 Zutreffend Semler BB 1983, 1572; KK2 /Koppensteiner § 291 Rn. 44. 372 Vgl. Flume AT I 2 S. 314. A. A. ist Beusch (FS Werner S. 5 ff.), der nennenswerte Nachteile durch Ausgliederung und Kapitalerhöhung in der Tocher abstreitet. Die Stellung des Aktionärs werde im Konzern nicht verschlechtert. Werner (ZHR 147 (1983), 440 ff.) sieht etwaigen Nachteilen dadurch vorgebeugt, dass sich die Hauptver-

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

hilft im Ergebnis gleichwohl nicht weiter. Ob nämlich der „Eingriffsgedanke“ für einen Schluss auf Hauptversammlungszuständigkeiten – insbesondere auch beim Börsengang und Börsenrückzug – nutzbar zu machen ist, kann zumindest auf der Basis der Ausführungen in der Holzmüller-Entscheidung nicht abschließend beurteilt werden. Der BGH versäumt es, seine Beobachtung, dass bestimmte Entscheidungen Eingriffe in bzw. Nachteile für Aktionärsrechte bewirken können, und seine darauf gestützte Folgerung von Zustimmungsbefugnissen des Anteilseignerorgans aus dem Gesetz zu belegen: Der Nachweis von Tatbeständen, die eine Maßnahme gerade deswegen der Hauptversammlung zuordneten, weil mit ihnen ein Eingriff in Aktionärsrechte einherginge, fehlt. Ebenso wenig wird nachprüfbar belegt, dass es für diesen Fall einer bestimmten „Schwelle“, einer bestimmten Intensität des Eingriffs bedarf, um Zustimmungsrechte auszulösen, und wo die Grenze zu dieser Intensität verläuft. Weiter ist, auch wenn man die Möglichkeit solcher Eingriffe oder Nachteile sieht, noch nicht erwiesen, dass aus Rechtsbeeinträchtigungen für die Aktionäre ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung resultieren muss. Ein Beleg dafür, dass dies ein dem gesamten Aktiengesetz (oder jedenfalls bestimmten Tatbeständen) zugrunde liegender Gedanke ist, wird in der Entscheidung nicht erbracht. Die Hauptversammlung ist aber von den einzelnen Aktionären bzw. von ihrer Gesamtheit zu unterscheiden. Schon deshalb ist der Schluss von Eingriffen in Aktionärsrechte auf Hauptversammlungskompetenzen keineswegs zwingend. Um solchen Nachteilen zu begegnen, wären z. B. auch in den Konzern hinein „verlängerte“ Klagerechte der Aktionäre – z. B. ein Anfechtungsrecht der Mutter-Aktionäre gegen Beschlüsse in einer Tochtergesellschaft – theoretisch denkbar. Umgekehrt wären noch solche Fällen zu bedenken, in denen Aktionärsrechte beeinträchtigt werden, dies aber zweifellos keine Hauptversammlungszuständigkeit auslöst.373 Vorstellbar ist etwa der Fall, dass ein Teil der Gesellschafter Aktien an einen Mitaktionär verkauft, so dass dieser bestimmte Mehrheitsquoten überschreitet (25%, 50%, 75% oder gar 95% mit der Möglichkeit zum anschließenden „Squeeze-out“, §§ 327a ff. AktG) und sich dadurch deutlich mehr Gewicht in der AG verschaffen kann. Daraus können erhebliche Nachteile für die übrigen (Minderheits-)Mitaktionäre folgen. Gleichwohl ist eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung, wie sie der BGH vorschlägt, hier nicht denkbar, denn das wäre nichts anderes als eine Vinkulierung der Anteile. Für eine solche Bindung steht aber nur der gesetzlich vorgesehene Weg zur Verfüsammlung selbst schützen könne (durch Ausgestaltung des Unternehmensgegenstands, mit Hilfe von § 111 IV AktG, durch mittelbare Einflussnahme der Aktionäre auf den Vorstand sowie durch die Kontrolle seitens des Aufsichtsrats). 373 In diese Richtung z. B. Beusch FS Werner S. 5 ff., der auf besonders weitreichende Investitionsentscheidungen und ähnliche Entscheidungen von besonderer Tragweite für die AG (Verwendung bestimmter Technologien etc.) verweist.

V. Vorlage der Entscheidungen an die Hauptversammlung

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gung, §§ 68 II, 180 II AktG. Es bedarf hierfür einer Satzungsregelung mit Zustimmung aller Aktionäre. Weiter wäre zu erörtern gewesen, ob nicht den Nachteilen für die Aktionäre Vorteile aus einer Konzernierung gegenüberzustellen sind.374 So ist beispielsweise vorstellbar, dass besonders riskante Unternehmungen auf eine eigenständige Tochter-GmbH verlagert werden, um dadurch das Verlustrisiko auf das dort gebundene Kapital zu beschränken. Und auch wenn man Eingriffe in die Rechtsposition der Aktionäre unterstellt und weiter unterstellt, sie lösten Zustimmungsrechte der Hauptversammlung aus, kann man immer noch an der materiellen Richtigkeit des ersten Teils der Entscheidung (zur Ausgliederung) zweifeln. Denn konzernbedingte Eingriffe in Rechte der Aktionäre wären bei der Übertragung wesentlichen Vermögens auf einen Dritten statt auf eine Tochtergesellschaft ja nicht zu befürchten. Der BGH hätte also bei konsequenter Betrachtung eine solche Übertragung nach außen zustimmungsfrei zuzulassen.375 Zustimmungsrechte der Hauptversammlung blieben, so gesehen, einem Fall vorbehalten, bei dem das auszugliedernde Vermögen im Kontrollbereich der Gesellschaft verbleibt, während im gegenteiligen Fall die Hauptversammlung nicht zu beteiligen wäre. Als letztes mögliches Tatbestandsmerkmal, das ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung begründen könnte, ist die „grundlegende Entscheidung“ geblieben. Diesem Merkmal kann auf der Grundlage der Ausführungen im Urteil keine eigenständige Bedeutung beigemessen werden. Die Konkretisierungen des BGH, die den „grundlegenden“ Charakter ergeben sollen, sind soeben im einzelnen betrachtet und verworfen worden. Für sich genommen hat die Umschreibung „grundlegend“ keinen fassbaren Aussagewert. Insoweit lässt sich zusammenfassen: Die in der Entscheidung aufgestellten Kriterien geben teilweise zutreffende Beobachtungen wieder. Die Relevanz der beobachteten rechtlichen bzw. tatsächlichen Erscheinungen für die Frage der Zuständigkeit der Hauptversammlung wird aber nicht ausreichend aus dem Gesetz hergeleitet. Die Kriterien selbst sind zumeist vage und haben deshalb zu erheblicher Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Reichweite möglicher Zustimmungsrechte der Hauptversammlung geführt.376 Der Schluss von den Beobach374 Solche Vorteile sehen z. B. Beusch FS Werner, S. 8; Ebenroth AG 1988, 3, namentlich durch die Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung auf das Tochterkapital. 375 Den Rückgriff auf § 179a lehnte der BGH bekanntlich ab. Das Argument hat Semler (BB 1983, 1572) gefunden. 376 Kritisch daher Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 802; Flume AT I 2, S. 313 f.; Götz AG 1984, 86; Heinsius ZGR 1984, 390 ff.; Semler BB 1983, 1571 f.; Werner ZHR 147 (1983), 433f; Beusch FS Werner, 1 ff.; GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 23; KK2 /Mertens § 76 Rn. 51; v. Rechenberg S. 68. Die Missverständnisse, zu denen die Ausführungen im Urteil Anlass geben, zeigt anschaulich die Entscheidung des OLG München (ZIP 2002, 665 – Macrotron). Hier wird eine Hauptversammlungs-

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tungen des BGH auf die Rechtsfolge – Zustimmungsrecht der Hauptversammlung – gelingt auf dieser Grundlage nicht. Die Ausführungen im Urteil können daher nicht als vorbildlich für die Frage zugrunde gelegt werden, ob der Hauptversammlung ein Zustimmungsrecht bei der Entscheidung über den Börsengang oder den Börsengang zukommt. Die Erkenntnis, dass die Holzmüller-Kriterien als Grundlage einer Lösung aktiengesellschaftlicher Kompetenzfragen nicht in Frage kommen, hat sich mittlerweile bis auf die Ebene der Gesetzgebung durchgesetzt. Der Gesetzgeber hat sowohl davon abgesehen, eine den Holzmüller-Grundsätzen nachgebildete Umgehungsnorm für die Umwandlung in das UmwG aufzunehmen377, als auch davon, in § 119 II AktG „Holzmüller-Fälle“ ausdrücklich zu regeln.378 Soweit die Beobachtungen des BGH einen sachlich zutreffenden Kern enthalten, namentlich soweit auf die beeinträchtigende Wirkung von Maßnahmen für bestimmte Rechte der Aktionäre hingewiesen wird, sind sie für die eigene Untersuchung als möglicher Ansatzpunkt von Zustimmungsrechten der Hauptversammlung vorzumerken. 4. Aufnahme und Weiterführung der Holzmüller-Grundsätze durch die Literatur zum Börsengang und zum Börsenrückzug a) Die Ansicht Grupps zum Börsengang und Börsenrückzug Die Literatur, insbesondere diejenige zum Going Public und zum Delisting, hat die Holzmüller-Entscheidung teilweise zustimmend aufgenommen. Die nähere Untersuchung einiger Beiträge379 soll darüber Aufschluss bringen, ob sie die oben abgelehnte Argumentation des BGH lediglich rezipieren und ohne sachliche Modifikationen auf die Fälle des Börsengangs und des Börsenrück-

zuständigkeit beim Delisting unter Berufung auf Holzmüller mit einem Eingriff in wirtschaftliche Interessen einer Aktionärsminderheit gerechtfertigt. 377 Hierzu Karsten Schmidt FS Heinsius S. 715 ff. 378 Vgl. den Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 79 ff. (D3.2 ff.). 379 Die an dieser Stelle (und später unter D. VI.) ausgewählten Abhandlungen werden zugleich stellvertretend für eine Reihe weiterer untersucht. Auf eine möglichst vollständige Aufreihung der einschlägigen Beiträge wird angesichts der inhaltlich nur geringfügigen Variationen verzichtet. Weitere Stellungnahmen zur Zustimmungspflichtigkeit des Börsengangs sind in Fn. 15 nachgewiesen worden. Zum Delisting haben sich neben den hier zu Besprechenden beispielsweise geäußert: Groß ZHR 165 (2001), 141; Mülbert ZHR 165 (2001), 104; Schwark/Geiser ZHR 161 (1997), 739; Land/Hasselbach DB 2000, 557; Pluskat WM 2002, 833; Zetzsche NZG 2000, 1065; Bungert BB 2000, 53; Kleppe S. 99 ff.; Schlößer S. 169 ff. Weitere umfangreiche Nachweise bei Klöhn ZBB 2003, 209 Fn. 11.

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zugs anwenden oder ob ihnen die Holzmüller-Entscheidung als Grundlage für einen weiterführenden, überzeugend belegten Lösungsansatz dient. Grupp hat sich mit der aktiengesellschaftlichen Kompetenzverteilung sowohl beim Börsengang als auch beim Börsenrückzug auseinandergesetzt. Im Wesentlichen folgt er der eben dargestellten Argumentation des BGH und leitet daraus in beiden Fällen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung her.380 Seine Untersuchung zum Going Public ergibt, dass den Aktionären insgesamt „schwerwiegende Nachteile“ aus dem Gang an die Börse drohten.381 Durch die Aufnahme neuer Gesellschafter würden „Fremdeinflüsse“ geschaffen: „Der Vorgang berührt die Interessen vieler Beteiligter in grundlegender Weise. Unter Umständen ist es nach der Unternehmensöffnung nicht mehr möglich, die eigenen Interessen in früher gewohnter Weise auch weiterhin durchzusetzen. Gegebenenfalls muß sogar verstärkt Rücksicht auf andere Interessen genommen werden.“382 Weiter hebt Grupp die weitreichenden Publizitätspflichten der Gesellschaft hervor sowie die Kosten des Börsengangs und die steuerlichen Folgen für die Gesellschafter. Dies alles seien schwer wiegende Nachteile.383 Darüber hinaus begebe sich die Gesellschaft in die Gefahr, durch Unterbewertung an der Börse leichtes Opfer einer Übernahme über den Kapitalmarkt zu werden.384 Daraus folgert Grupp: „Der Gang an die Börse greift tief in die Mitgliedschaftsrechte und Vermögensinteressen der Aktionäre ein. [. . .] Der Vorstand kann unmöglich annehmen, daß er diese schwerwiegenden Folgen für die Aktionäre in eigener Verantwortung herbeiführen darf.“385 Eine Übertragung der Grundsätze des Holzmüller-Urteils auf den Fall des Börseneintritts liege deshalb nahe. Wenige Sätze weiter hält Grupp es bereits für „evident, daß der Gang an die Börse hier [scil.: in die Holzmüller-Grundsätze] einzuordnen ist.“386 Im Übrigen verbiete schon die Treuepflicht „den einzelnen Eigentümern, den Gang an die Börse über einen abhängigen Vorstand im Außenverhältnis durchzusetzen, ohne daß vorher die Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt wurde“.387 Setze sich einer der Anteilseigner – wohl: kraft seines faktischen Einflusses – darüber hinweg und schaffe „vollendete Tatsachen“, so 380 Zur grundsätzlichen Zustimmung zu Holzmüller vgl. Grupp Börseneintritt S. 128 ff. 381 Grupp Börseneintritt S. 35. 382 Grupp Börseneintritt S. 29. Sogar von der Gefahr einer „Überfremdung“ der Gesellschaft ist die Rede. 383 Grupp Börseneintritt S. 35. 384 Grupp Börseneintritt S. 30, 61. 385 Grupp Börseneintritt S. 149. 386 Grupp Börseneintritt S. 150. I.E. ebenso Schlitt/Seiler ZHR 166 (2002), 544 ff., ohne nähere Begründung, aber unter Berufung auf „Holzmüller“ (für Konzernsachverhalte, wenn die Tochtergesellschaft von „wesentlicher Bedeutung“ sei). 387 Grupp Börseneintritt S. 157.

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lasse er jede Rücksichtnahme auf die Belange der übrigen Aktionäre vermissen und mache sich „zweifellos schadensersatzpflichtig“ 388. Außerdem verstoße er gegen § 117 AktG.389 Grupps Ausführungen zum Delisting decken sich im Wesentlichen mit denjenigen zum Börsengang. Er führt aus, dass der Rückzug von der Börse namentlich für Kleinanleger erhebliche Nachteile mit sich bringe, wenn ihnen nicht ein attraktives Abfindungsangebot vorgelegt werde.390 Zu vermerken seien zum einen „Fungibilitäts- und Transaktionskostennachteile“ aus dem Börsenrückzug. Zudem könne sich die Minderheit nicht mehr durch jederzeitigen Verkauf vor nachteiligen Entscheidungen „schützen“.391 Die herabgesetzten Publizitätspflichten erschwerten den Einblick in die Gewinnsituation und Zukunftsaussichten der Gesellschaft. Insgesamt sind, so Grupp, die Minderheitsaktionäre nach dem Rückzug von der Börse daher „weit mehr Risiken“ ausgesetzt als zu Zeiten der Börsennotierung. Er schließt daraus, dass auch „die Entscheidung für den Börsenaustritt einen derart schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Minderheitseigentümer dar[stellt], daß dieses im Aktiengesetz bislang ungeregelte Börsenvorhaben nach den Grundsätzen des Holzmüller-Urteils des Bundesgerichtshofes in die Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung fällt.“392 b) Stellungnahme Bereits oben ist dargelegt worden, dass die Holzmüller-Kriterien, auf die sich Grupp im Wesentlichen beruft, für die zuverlässige Abgrenzung von Kompetenzen innerhalb der AG nicht geeignet sind. Grupps Ausführungen enthalten keine weiterführenden Präzisierungen der Ansätze aus der BGH-Entscheidung. Vielmehr bringt er zusätzliche Kriterien ins Spiel, deren Bedeutung unklar bleibt. Die von Grupp als „holzmüller-auslösend“ hervorgehobenen „Fremdeinflüsse“ infolge der Aufnahme neuer Gesellschafter beim Börsengang sind Folge jeder Kapitalerhöhung bzw. jeden Anteilsverkaufs. Als Argument dafür, dass gerade der Börsengang der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe, taugt das Phänomen daher nicht. Das AktG sieht eben die Aufnahme neuer Gesell388

Grupp Börseneintritt S. 157. Grupp Börseneintritt S. 158. Dort außerdem der Hinweis, die Entscheidung der Hauptversammlung für einen Börsengang könne einen Treupflichtverstoß der Mehrheit gegenüber der Minderheit bedeuten, wenn das Going Public aus „niedrigen Beweggründen“ initiiert werde. 390 Hierzu und zu weiteren vermeintlichen Nachteilen des Börsenrückzugs vgl. Grupp Börseneintritt S. 106 ff. 391 Grupp Börseneintritt S. 107. 392 Grupp Börseneintritt S. 192. 389

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schafter unter bestimmten Voraussetzungen vor. Mit „Fremd“-Einflüssen hat der Vorgang schon deshalb wenig zu tun, weil die Eintretenden ebenso Gesellschafter werden wie die schon vorhandenen Anteilseigner. Warum des Weiteren die Gefahr einer Übernahme der AG über die Börse wachsen soll, wird nicht recht klar. Es liegt in der Hand der Anteilseigner, nur so viele Aktien an den Markt zu geben, dass die Kontrolle weiter in der Hand der Altgesellschafter verbleibt.393 Unterbewertet und damit ein günstiger Übernahmekandidat kann zudem jedes, auch ein nicht börsennotiertes Unternehmen sein. Daneben listet Grupp noch einige zutreffende Beobachtungen auf. Natürlich unterliegt die Gesellschaft Publizitätspflichten nach dem Gang an die Börse, auch sind die Kosten erheblich, und die Gesellschafter haben mit steuerlichen Folgen zu rechnen. Das belegt aber nicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Dass namentlich dem Emittenten entstehende Kosten aus dem Börsengang ein „tiefer Eingriff“ in Mitgliedschaft und Vermögensinteressen der Aktionäre sein sollen, ist nicht vertretbar. In der Konsequenz müsste jede größere Investition an die Zustimmung der Hauptversammlung gebunden werden, was der Kompetenzverteilung des AktG klar widerspricht. §§ 76 ff. AktG ordnen Investitionsentscheidungen dem Vorstand zu. In welchem Umfang darüber hinaus in Rechte der Aktionäre durch den Börsengang eingegriffen würde, legt Grupp nicht dar. Ebenso wenig liefert er eine Begründung dafür nach, warum von Eingriffen in Rechte der Aktionäre auf Hauptversammlungszuständigkeiten zu schließen wäre. Wenig einsichtig sind schließlich die Ausführungen zur angeblichen „Treupflicht“ der Aktionäre. Warum es Inhalt des Rechtsverhältnisses der Aktionäre untereinander sein sollte, von einer faktischen Einflussnahme auf den Vorstand bei der Frage des Börsengangs abzusehen und vielmehr die Zustimmung der anderen Aktionäre einzuholen, begründet Grupp nicht näher. Solche Gründe sind auch nur schwer ersichtlich, zumal der Börsengang gerade auch Kleinaktionären wegen der erhöhten Fungibilität der Anteile zugute kommen kann. Die Ausführungen zu den nachteiligen Folgen des Börsenrückzugs liefern ebenso wenig präzise Anhaltspunkte dafür, dass sich eine Zuständigkeit der Hauptversammlung aus dem Gesetz begründen ließe. Der Hinweis auf den „tiefen Eingriff“ in Rechte der Minderheitsaktionäre lehnt sich wiederum an die Argumentation im Holzmüller-Urteil an, ohne ausreichende Belege für die Richtigkeit der Ausführungen des BGH nachzuliefern. Grupps Argumente belegen nochmals, dass die in der Rechtsprechung entwickelten Vorstellungen von Beteiligungsrechten der Hauptversammlung mehr Probleme aufwerfen als sie lösen. Weitergehende Gesichtspunkte sind nicht zu notieren. 393 Der Einfluss der Altgesellschafter lässt sich durch verschiedenste Techniken sichern, z. B. durch Begebung von Vorzugsaktien, Steuerung des Emissionsvolumens, Bildung von Stimmrechtspools etc. Eingehend Schanz § 3 Rn. 90 ff.

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c) Die Ansicht von de Vries zum Delisting Ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung beim Delisting auf der Grundlage der Holzmüller-Kriterien befürwortet auch de Vries. Als dogmatischen Ausgangspunkt seiner Ausführungen wählt er eine Gesamtanalogie, wie sie im Holzmüller-Urteil angedeutet wird.394 Den Ansatz des BGH bei § 119 II AktG lehnt er demgegenüber ab.395 de Vries weist zunächst auf das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke in den aktiengesetzlichen Vorschriften über die Kompetenzen der Hauptversammlung hin. Nach § 119 I AktG solle die Hauptversammlung ausweislich der Gesetzesmaterialien „für alle mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen“ zuständig sein.396 Die Enumeration der Kompetenzen der Hauptversammlung im Aktienrecht erfasse aber nicht alle entsprechenden Maßnahmen.397 Ebenso wenig hält de Vries die kapitalmarktrechtliche Regelung betreffend das Delisting für abschließend.398 Er lehnt es sodann ab, der Hauptversammlung in Gesamtanalogie zu „den Zuständigkeitsregeln des AktG und des UmwG“399 eine Zuständigkeit für alle „grundlegenden Strukturmaßnahmen“ zuzugestehen. Das Kriterium sei „für eine allgemeine Kompetenzregelung [. . .] wenig operabel“.400 Maßgeblich sei vielmehr, wie der Holzmüller-Entscheidung zu entnehmen sei, „die Tiefe des Eingriffs in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen“.401 Das Delisting stelle in diesem Sinne einen hinreichend intensiven Einschnitt dar, wenn sich die Aktionäre „danach gleich-

394 de Vries S. 88 ff. Zu den unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen des Holzmüller-Urteils vgl. oben D. V. 2. b) (2). 395 de Vries S. 87 f. 396 de Vries S. 89 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum AktG 1965 (Kropff S. 165). 397 de Vries S. 89. Der Verfasser kleidet seine Feststellung einer planwidrigen Lücke in einen Konditionalsatz. Da er im weiteren hierauf nicht zurückkommt, sondern die Auswirkungen des Delisting auf die „Struktur“ der AG und auf die Mitgliedschaft und Vermögensinteressen der Aktionäre untersucht, darf wohl davon ausgegangen werden, dass er eine planwidrige Lücke annehmen möchte. 398 de Vries beschäftigt sich insoweit – schon vor seinen Ausführungen zu Holzmüller – abstrakt mit dem „Verhältnis von Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht“ (S. 79). Er kommt zu dem Ergebnis, die Regelungen zum Delisting in § 43 IV BörsG (a. F., jetzt § 38 IV BörsG) und in den BörsO der Börsen seien keine „leges speciales“ gegenüber dem Gesellschaftsrecht (S. 83). Man darf daher wohl annehmen, dass de Vries die Voraussetzungen des Delisting im Kapitalmarktrecht nicht abschließend geregelt sieht. 399 Genannt werden später an anderer Stelle §§ 119 I, 179a, 293, 319 AktG; 65, 125 UmwG. 400 de Vries S. 91. 401 de Vries S. 92, unter Bezugnahme auf das Holzmüller-Urteil.

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sam in einer anderen Gesellschaft wiederfinden, d.h. wenn mit dem Rückzug von der Börse ein Typuswechsel, eine Strukturänderung der AG einhergeht.“402 In der Folge prüft de Vries zunächst mögliche Strukturänderungen infolge des Delisting. Dafür listet er einige aktiengesetzliche und handelsrechtliche Vorschriften über die börsennotierte AG auf, weist auf das „Entfallen“ kapitalmarktrechtlicher Vorschriften und auf „faktische Veränderungen“ infolge des Rückzugs von der Börse hin.403 Diese Beobachtungen summiert er wie folgt: Die Unterschiede zwischen einer börsennotierten und einer privaten AG seien zwar erheblich. Für die Annahme einer Strukturveränderung reichten sie aber nicht aus. Das AktG gehe von einer einheitlichen AG aus, auf welche, abhängig von der Börsennotierung, lediglich unterschiedliche Vorschriften anzuwenden seien. Den Grund dafür, dass die Hauptversammlung über den Börsenrückzug zu befinden hat, sieht de Vries in einem „unmittelbaren Eingriff in die Stellung der Aktionäre“.404 Zwar werde nicht das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre geschmälert.405 Die Anteilseigner würden aber in ihren „im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen“ stark beschnitten, da die Veräußerungsmöglichkeiten für die Aktie vermindert würden.406 Der Eingriff in diese Rechtsposition sei auch von der erforderlichen „hohen Intensität“. Die Aktie könne zwar nach dem Börsenrückzug noch außerbörslich gehandelt werden. Der Aktionär gehe aber des „staatlich geregelten und überwachten Börsenhandels“ verlustig. Das hält de Vries für entscheidend. d) Stellungnahme Für eine Analogie, wie sie de Vries befürwortet, ist zunächst der Nachweis einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz erforderlich.407 Mit dem alleinigen Hinweis auf den Regelungszweck des § 119 I AktG ist dieser Nachweis nicht zu führen. Insoweit deckt sich die hier anzubringende Kritik mit der schon zu Holzmüller geäußerten.408 de Vries nimmt sodann – ohne dies ausdrücklich offen zu legen – zur Vergleichbarkeit des Börsenrückzugs mit den von ihm herangezogenen gesetzlich 402

de Vries S. 92. S. 92 ff. 404 de Vries S. 98. Ähnlich Kleppe S. 110 ff. 405 Dazu de Vries S. 98 f. 406 de Vries S. 99 ff. Ähnlich Kleppe S. 111 ff. 407 Vgl. Larenz S. 370 ff. 408 Zur eigenen Untersuchung einer planwidrigen Regelungslücke vgl. unten D. VI. 5. Dort wird insbesondere gezeigt werden, dass de Vries den Einfluss von § 38 IV BörsG auf die innergesellschaftliche Kompetenzordnung missversteht. 403

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

geregelten Fallgestaltungen, in welchen es der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf, Stellung. Dabei fällt auf, dass er es zunächst ablehnt, den von ihm zitierten Grundlagenkompetenzen eine allgemeine Zuständigkeit der Hauptversammlung für „grundlegende Strukturentscheidungen“ zu entnehmen. Anschließend prüft er gleichwohl eingehend die möglichen Auswirkungen des Delisting auf die „Struktur“ der Gesellschaft. Diese Inkonsequenz ist im Ergebnis nur deshalb nicht von Belang, weil de Vries dem Börsenrückzug keinen strukturändernden Charakter beimisst. Im Übrigen wird das Holzmüller-Urteil nur bruchstückhaft herangezogen: de Vries bedient sich ausschließlich des Kriteriums des „Eingriffs in die im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen“, um die Zustimmungspflichtigkeit des Delisting zu begründen. Warum nur dieses Merkmal – welches der BGH zudem im Rahmen der von de Vries abgelehnten Ausführungen zu § 119 II AktG entwickelt – ausschlaggebend sein soll, bleibt offen. Offen bleibt weiter, warum ein solcher Eingriff nach Auffassung des Autors zu einer Zuständigkeit der Hauptversammlung zu führen hat. Das Holzmüller-Kriterium wird herangezogen, ohne dass vorher geprüft würde, ob es rechtlich haltbar und sinnvoll ist. Unklar ist schließlich, wie das von de Vries bevorzugte Merkmal des „Eingriffs“ in die Rechtsposition der Aktionäre messbar sein soll und insbesondere wann – abstrakt gesehen – die von ihm geforderte „hohe Intensität“ eines Eingriffs erreicht ist. Vor diesem Hintergrund gelangt die Berufung auf das Kernelement, das de Vries für die Hauptversammlungszuständigkeit beim Delisting anführt, nämlich auf den Verlust des „staatlich überwachten und geregelten Börsenhandels“, über den Charakter einer Behauptung nicht hinaus. Auch die Ausführungen von de Vries lehnen sich also lediglich an die Holzmüller-Entscheidung an, ohne die rechtlichen Aussagen des Urteils zu hinterfragen bzw. die Zweifel an ihrer Richtigkeit zu beseitigen. e) Die Ansicht von Schanz zum Börsengang; Stellungnahme Gleiches gilt im Ergebnis für die Ausführungen von Schanz zum Börsengang.409 Seiner Ansicht nach lässt sich eine Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung „am Börsengang“ – um welche Entscheidung es genau gehen soll, wird nicht ausgeführt –, aufgrund der mit dem Börsengang verbundenen Auswirkungen auf Mitgliedschaftsrechte und Vermögensinteressen aus den Holzmüller-Grundsätzen herleiten. Schon wegen der „mit der höheren Liquidität ver409 Schanz § 6 Rn. 48 ff. Unter § 17 Rn. 113 ff. nimmt er außerdem zum Delisting Stellung und befürwortet hier ebenfalls eine Beteiligung der Hauptversammlung. Er schließt sich insoweit aber weitestgehend den Ausführungen von Vollmer/Grupp an, auf die später einzugehen sein wird [vgl. unten D. VI. 3. e)]. Auf die Darstellung der geringfügigen Abweichungen in der Argumentation wird hier verzichtet.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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bundenen leichten Übertragbarkeit“ der Anteile sei der Börsengang mit einem erheblichen Strukturwandel verbunden. Dieser berge die Gefahr des Einstiegs „unliebsamer“ Gesellschafter bis hin zur Konzernabhängigkeit. Hinzu kämen Publizitätspflichten und Bilanzierungsregeln, was „massiv“ die Interessen der Aktionäre berühre. Auch die Kapitalmarktregeln könnten „schwerwiegende Nachteile“ für das börsennotierte Unternehmen und seine Eigentümer mit sich bringen. Durch die Änderung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung von Schenkung- und Erbschaftsteuer würden die Gesellschafter schwer belastet. Auch hier werden lediglich einige Rechtsfolgen des Börsengangs aufgelistet. An einem rechtlichen Argument, einem rechtlichen Ansatzpunkt für Beteiligungsrechte der Hauptversammlung, welcher über die Rechtsprechungsgrundsätze hinausginge oder auch nur den Börsengang unter diese subsumierte, fehlt es. Insoweit sind die Ausführungen für die Gewinnung überzeugender Anhaltspunkte für Mitverwaltungsrechte der Hauptversammlung nicht weiterführend. 5. Zwischenergebnis § 119 II AktG kann – entgegen dem allgemeinen Ansatz des Holzmüller-Urteils – nicht herangezogen werden, um eine zwingende Hauptversammlungszuständigkeit hinsichtlich der Entscheidungen über den Börsengang oder den Rückzug von der Börse zu begründen. Anderweitige abstraktionsfähige Kriterien für eine Mitwirkung der Hauptversammlung sind weder dem Holzmüller-Urteil, noch der Literatur zur Entscheidung zu entnehmen. In Betracht kommt die freiwillige Vorlage der Entscheidungen über den Börsengang sowie über den Börsenrückzug durch den Vorstand auf der Grundlage von § 119 II AktG.

VI. Der (Analogie-)Schluss von den gesetzlich geregelten „Grundlagenkompetenzen“ der Hauptversammlung auf die Zustimmungsbedürftigkeit der Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug 1. Die Erforderlichkeit einer Analogie zur Begründung einer etwaigen Hauptversammlungszuständigkeit Eine ausschließliche Kompetenz der Anteilseigner betreffend den Börsengang bzw. Börsenrückzug kann sich jetzt nur noch jenseits ausdrücklich normierter Zuständigkeiten der Hauptversammlung – und das bedeutet: kraft einer Analogie – ergeben. Denn seit der Reform des AktG im Jahre 1937 gibt es keine „Allzuständigkeit“ des Anteilseignerorgans für Geschäftsführungsmaßnahmen in

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

der AG mehr.410 Die Stellung der Hauptversammlung als weisungsbefugtes „oberstes Organ“ der Gesellschaft wurde damals aufgegeben. Dahinter stand die Erkenntnis, dass der „Generalversammlung“ bis dato zwar gesetzlich weitreichende Rechte eingeräumt waren, sie diese praktisch aber gar nicht hatte wahrnehmen können.411 Die Stärkung der Rolle des Vorstands und die Erhöhung seiner Handlungsfähigkeit sollten zudem der Sicherung des Unternehmensinteresses dienen.412 Mit dieser gesetzlichen Beschränkung der Rechte der Hauptversammlung waren zugleich satzungsmäßige Erweiterungen ihrer Kompetenzen ausgeschlossen.413 In Ermangelung einer aktiengesetzlichen Kompetenzzuweisung hinsichtlich des Börsengangs sowie des Börsenrückzugs und mangels Abänderlichkeit der aktiengesetzlichen Kompetenzordnung in der Satzung bleibt hier nur die Suche nach einer sogenannten „ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz“. 2. Keine Kompetenz der Hauptversammlung beim Delisting analog §§ 68 II, 180 II AktG Ein nicht normiertes Zustimmungsrecht der Hauptversammlung beim Börsenrückzug befürworten manche unter Hinweis auf die Vinkulierungstatbestände des AktG: Gemäß §§ 68 II, 180 II AktG können die Aktionäre bzw. kann die Hauptversammlung in der Satzung bestimmen, dass Namensaktien nur mit Zustimmung der AG auf neue Gesellschafter übertragen werden können.414 Dem soll zu entnehmen sein, dass eine Erschwerung der Handelbarkeit von Aktien der Zustimmung der Aktionäre bedarf.415 Dieser Gedanke gelte auch für das 410 Das Anteilseignerorgan der AG (damals „Generalversammlung“ genannt) konnte bis zum AktG 1937 dem Vorstand Weisungen in Fragen der Geschäftsführung erteilen, vgl. Art. 224 ADHGB 1861, Art. 221 ADHGB 1870 und § 250 HGB 1897. 411 Näher v. Rechenberg S. 17 ff. Kommuniziert wurde die Beschränkung der Rechte der Anteilseigner auch unter Hinweis auf das „Führerprinzip“, vgl. etwa die Einleitung von Klausing zur Amtlichen Begründung des AktG 1937 (Klausing S. 22 f.). Daraus ließen und lassen sich aber keine rechtlichen Schlüsse ziehen, vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 32. 412 Vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 32. 413 Ausdrücklich normiert wurde das Verbot abweichender (Kompetenz-)Regelungen in der Satzung erst in § 23 IV AktG 1965 (entspricht § 23 V AktG). Dass sich die Hauptversammlung wegen der ausdrücklichen Normierung nicht satzungsmäßig weitere Kompetenzen „zuschreiben“ konnte, war schon vor der Einführung von § 23 IV AktG 1965 ganz herrschende Auffassung, vgl. die Begründung des RegE zu § 23 AktG 1965 bei Kropff S. 44. 414 §§ 68 II, 180 II AktG werden üblicherweise in der Kommentarliteratur nicht den „Grundlagenkompetenzen“ (Fn. 231) zugeordnet. Da es jedoch in beiden Vorschriften um Maßnahmen auf Satzungsebene geht und § 179 AktG, die allgemeine Vorschrift über Satzungsänderungen, nach allg.M. zu den Grundlagenkompetenzen zählt, wird die Analogie zu §§ 68 II, 180 II AktG hier im Bereich der Analogie zu den Grundlagenkompetenzen mit abgehandelt.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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Delisting. Da der Rückzug von der Börse die „Fungibilität“ des Anteilseigentums herabsetze, müssten die Aktionäre auch zu diesem Akt ihr Einverständnis geben. Sollte §§ 68 II, 180 II AktG tatsächlich ein solcher Regelungsgedanke zugrunde liegen und ließe sich weiter feststellen, dass die Voraussetzungen eines Analogieschlusses416 mit Blick auf das Delisting erfüllt sind, so wäre in der Tat die Zustimmungspflichtigkeit des Börsenrückzugs seitens der Hauptversammlung begründet. Doch ist § 68 II und § 180 II AktG zunächst nur eine Aussage unzweifelhaft zu entnehmen: Die Vinkulierung von Namensaktien gelingt, wenn die Aktionäre entsprechend beschließen. Die dargestellte Literaturansicht erweitert dies in zweifacher Hinsicht, wenn sie meint: Sobald es um eine Verringerung der Handelbarkeit von Aktien geht, müssen die Aktionäre zustimmen. Sie erklärt damit erstens die Herabsetzung der Handelbarkeit zum Grund der Zustimmungspflicht, und sie meint zweitens, dass dieser Gedanke auch für Inhaberaktien gelten muss. Diese weiterreichende Auslegung muss begründet werden.417 Was den Grund für die Zuständigkeit der Aktionäre angeht, so liegt eine andere Erklärung näher als die These von der herabgesetzten Handelbarkeit: Die Vinkulierung von Namensaktien ist nur im Wege einer Satzungsbestimmung möglich. Für eine solche Festlegung kommen per se allein die Gesellschafter in Betracht. Nur sie können die Satzung mit ihrem ursprünglichen Inhalt schaffen und später ändern (§ 179 AktG). Das erklärt ohne Weiteres, warum die Gesellschafter für die „ursprüngliche“ satzungsmäßige Vinkulierung nach § 68 II AktG und für eine „nachträgliche“ Vinkulierung nach § 180 II AktG zuständig sind. Die Besonderheit des § 180 II AktG liegt darin, dass der betreffenden Satzungsänderung alle Aktionäre zustimmen müssen. Die qualifizierte Mehrheit, wie sie sonst für Satzungsänderungen erforderlich ist (§ 179 II AktG), reicht nicht aus. So gesehen, erklärt die Einschränkung der Handelbarkeit nicht, dass die Gesellschafter zuständig sind, sondern höchstens, „wie“ sie zuständig sind. Eine darüber hinaus gehende Erklärung für die Kompetenz der Aktionäre, nämlich dahin, dass die Schmälerung der Veräußerungsmöglichkeiten in Bezug auf die Aktien die Zuständigkeit der Gesellschafter begründen würde, lässt sich letztlich nicht nachweisen: 415 Der Gedanke stammt ursprünglich von Schwark/Geiser ZHR 161 (1997), 762 f., die auf § 180 II AktG (nachträgliche Vinkulierung von Aktien durch Satzungsänderung) verweisen. Sie halten allerdings die Hauptversammlung nach den Grundsätzen der Holzmüller-Entscheidung für zuständig und führen § 180 II AktG nur als unterstützendes Argument ins Feld. Ebenso Steck AG 1998, 460 (gestützt auf § 68 II AktG). Ihnen folgend Kleppe S. 112 f. Eine Analogie erwägt Schlößer S. 179 ff., lehnt sie i. E. aber ab. 416 Dazu allgemein Larenz S. 381 ff. 417 Die in Fn. 415 zitierten führen dazu nichts Näheres aus.

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Ein entsprechender allgemeiner Rechtsgedanke findet sich jedenfalls im AktG nicht. Es sind vielmehr Konstellationen denkbar, in denen die Aktien der betreffenden Gesellschaft nur noch unter erschwerten Voraussetzungen handelbar sind, ohne dass der Vorgang als zustimmungspflichtig angesehen werden könnte. So kann etwa der Wandel von einer Publikumsaktiengesellschaft in eine „geschlossene“ Gesellschaft mit kleinem Gesellschafterkreis (z. B. infolge einer Übernahme) dazu führen, dass verbleibende Minderheitsaktien nur noch schwer oder gar nicht mehr veräußerlich sind. Denn eine Minderheitsbeteiligung in einer geschlossenen Gesellschaft ist wirtschaftlich weniger attraktiv als in einer Publikumsgesellschaft. Hier steht allein deswegen sicher kein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung in Rede. Weiter lassen die Vinkulierungstatbestände auch deshalb keinen verallgemeinerungsfähigen, für alle Aktienarten gültigen Schluss zu, weil eine Vinkulierung nach dem eindeutigen Wortlaut der §§ 68 II, 180 II AktG überhaupt nur für Namensaktien in Betracht kommt, nicht für Inhaberaktien. Und schließlich zeigt der Blick auf das Wesen und Ziel der Vinkulierung, dass der von der Literatur befürwortete Schluss zu weit geht: Das Fehlen eines Rechts zur Kündigung der Gesellschaft bzw. der eigenen Mitgliedschaft, wie es bei den Personengesellschaften existiert, wird im Recht der Kapitalgesellschaften kompensiert durch die freie Veräußerlichkeit der Anteile.418 Es geht bei der Vinkulierung insoweit um einen „außergewöhnlichen“ Schritt, der eine Kontrolle über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises gewährleisten soll.419 Der Schluss der erwähnten Literaturmeinung, es gehe um eine Einschränkung der „Fungibilität“, ist deshalb zu ungenau. Es geht nicht allgemein um eine Herabsetzung der Handelbarkeit der Aktien, sondern um die Herabsetzung der Handelbarkeit zu einem bestimmten Zweck, der Kontrolle über den Zugang neuer Aktionäre zur AG. Die herabgesetzte Handelbarkeit äußert sich zudem in einer bestimmten rechtlichen Form: Die Veräußerung der betreffenden Aktien hängt von der Zustimmung der Gesellschaft ab, sie ist nicht einfach nur „beeinträchtigt“. Deshalb bleibt es beim oben angeführten Grundgedanken: Die Zuständigkeit der Aktionäre folgt aus dem Charakter der Vinkulierung als satzungsmäßiger Entscheidung. Eine weitere Erklärung liefern §§ 68 II, 180 II AktG nicht. Die analoge Anwendung der Vorschriften müsste im Übrigen selbst dann scheitern, wenn man ihnen den erwähnten weitergehenden Rechtsgedanken entnehmen könnte. Ungeachtet der Frage, ob sich überhaupt die erforderliche planwidrige Regelungslücke feststellen ließe420, wäre die Vinkulierung von Aktien 418 419 420

Vgl. Flume AT I 2 S. 281. Vgl. Hüffer AktG § 68 Rn. 10. Dazu unter D. VI. 5. b).

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dem Börsenrückzug jedenfalls nicht vergleichbar. Die nicht (mehr) börsennotierten Aktien bleiben nach dem Börsenrückzug frei veräußerlich.421 Insbesondere können sie über außerbörsliche, z. B. bankinterne Handelsplattformen, über Internet-Handelsplattformen, im Telefonverkehr oder im Freiverkehr der Börsen gehandelt werden. Es kommt also gar nicht zu einer vergleichbaren Abhängigkeit veräußerungswilliger Aktionäre von einer externen Willensbildung. § 68 II und § 180 II AktG liefern demnach keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Börsenrückzug einer AG von der Zustimmung der Hauptversammlung abhinge. 3. Die Klassifizierung der Entscheidungen über den Börsengang und über den Börsenrückzug als „Strukturentscheidungen“ in Anlehnung an die gesetzlichen Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung a) Die Entstehung der Lehre von den „Strukturentscheidungen“ oder „Strukturmaßnahmen“ Eine andere Möglichkeit der Ausdehnung gesetzlicher Hauptversammlungskompetenzen auf ungeregelte Fallgestaltungen im Wege der Analogie ist vom BGH im Holzmüller-Urteil für eine Konzernsituation bereits angedeutet worden. Vorbereitet wurden diese Anklänge im Urteil durch die Literatur, die schon im Vorfeld der Holzmüller-Entscheidung Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung aus einer Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Grundlagen- oder „Strukturtatbeständen“422 hergeleitet hatte. Die in der Mitte des letzten Jahrhunderts zunehmende Tendenz der Wirtschaft zur Konzernbildung haben zunächst vor allem Lutter, aber auch Uwe H. Schneider, Rehbinder, Timm und Hommelhoff zum Anlass genommen, über die Machtverteilung zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern neu nachzudenken.423 Den Abhandlungen lag die Erkenntnis zugrunde, dass die Verwal421 So auch Mülbert ZHR 165 (2002), 130; Krämer/Theiß AG 2003, 238; Bungert BB 2000, 55; Schlößer S. 181 ff. 422 Eine ähnliche Formulierung taucht bereits in den Überlegungen des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht auf. Zahn führte hier (vgl. Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 61) aus: „Ich möchte in diesem Zusammenhang unterscheiden zwischen Fragen, die nur die Geschäftsführung betreffen und solchen Entscheidungen, bei denen es um die Struktur der Gesellschaft geht.“ Ähnlich der Vorsitzende des Aktienrechtsausschusses Kißkalt, a. a. O. S. 229: „Alles, was die Verfassung und Struktur der Aktiengesellschaft betrifft, soll der Genehmigung durch die Generalversammlung vorbehalten bleiben.“ 423 Martens (ZHR 147 (1983), 379) spricht angesichts der Zahl und des Umfangs der Beiträge von einer „literarischen Materialschlacht“. Grundlegend waren die Ausarbeitungen von Lutter. Zu nennen sind vor allem die Beiträge in FS Westermann S. 347, in FS Barz S. 199, in Rechte der Gesellschafter, in FS Stimpel S. 825 sowie

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tung der AG, namentlich ihr Vorstand, infolge der Konzernierung einen Machtzuwachs gegenüber den Anteilseignern erfährt.424 Dieser Zuwachs an Einfluss basiert darauf, dass der Vorstand der Muttergesellschaft nicht mehr nur seine Verwaltungsrechte in dieser Gesellschaft wahrzunehmen hat. Er ist darüber hinaus berechtigt, die Gesellschafterrechte der Mutter in der Tochter auszuüben, §§ 77, 78 AktG. Den Anteilseignern der Mutter kann daher der von ihren Mitgestaltungsrechten vermittelte Einfluss auf „ihr“ Kapital entzogen werden, indem das geschäftliche Geschehen oder ein Teil dieses Geschehens von der Mutter auf die Ebene einer Tochter verlagert wird. Hier gibt es keine Gesellschafterrechte der Aktionäre der Obergesellschaft, ebenso wenig können die Aktionäre dem Vorstand Weisungen erteilen, um ihre Rechte auf diese Weise zumindest „mittelbar“ zu wahren. Vor dem Hintergrund dieser Machtverlagerung gewann die Frage nach einem erweiternden Verständnis der Hauptversammlungskompetenzen aus Sicht der Autoren an Bedeutung. Die Satzungsebene wurde bald als nur eingeschränkt hilfreich für die Wahrung bzw. Wiederherstellung der Rechtsposition der Anteilseigner erkannt. Denn auf Satzungsebene, insbesondere in Hinblick auf den Unternehmensgegenstand (§ 23 III Nr. 2 AktG), bereitete die Konzernierung regelmäßig schon deshalb keine Probleme, weil damals wie heute eine Konzernklausel in der Satzung ganz üblich war bzw. ist.425 Deshalb wurde beim Katalog der Zuständigkeiten der Hauptversammlung angesetzt. In Anlehnung an die geschriebenen Kompetenzen dachte man über das zuständige Organ für grundlegend wichtige Strukturentscheidungen nach, um insoweit bei Maßnahmen der „Konzernbildung“ bzw. der „Konzernleitung“ ansetzen zu können. Es wurde zum einen erwogen, „präventiv“ vor die geschilderte Machtverschiebung eine Zuständigkeit der Hauptversammlung zu setzen: Die Gründung eines Tochterunternehmens bzw. der Erwerb von Anteilen sollten zustimmungspflichtig seitens der Hauptversammlung sein.426 Zum anderen in ZIP 1998, 225; 805. Auch Schneider (ZHR 143 (1979), 485; FS Bärmann S. 872; in: Der GmbH-Konzern S. 78; BB 1981, 249), Rehbinder (ZGR 1977, 581; FS Coing, 423), Timm (Konzernspitze; AG 1980, 172) und Hommelhoff (Konzernleitungspflicht) haben wesentliche Vorarbeiten geleistet, die von weiteren Autoren – etwa Hirte – fortgeführt worden sind. Die Beiträge beziehen sich nicht sämtlich nur auf das Aktienrecht, sondern beziehen teilweise auch das Konzernrecht der GmbH bzw. der Personengesellschaften mit ein. 424 Soweit die genannten Autoren sich mit anderen Rechtsformen befassen, gilt Entsprechendes für das Verhältnis des dort geschäftsführenden Organs zu den Gesellschaftern. 425 Regelmäßig heißt es in der Satzung: „Die Gesellschaft kann andere Unternehmen erwerben oder sich an ihnen beteiligen.“, vgl. Lutter FS Stimpel S. 847 Fn. 91; auch Rehbinder FS Coing II S. 434. 426 Dafür namentlich Timm Konzernspitze S. 71 ff.

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wurde im Bereich der „Konzernleitung“, also bei Maßnahmen im bestehenden Konzern, darüber nachgedacht, ob nicht die Hauptversammlung der Mutter an bestimmten wichtigen Vorgängen in der Tochter zu beteiligen sei.427 Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass (allein) der Vorstand der Mutter grundlegende Entscheidungen wie diejenige über eine Kapitalerhöhung in der Tochter treffen kann. Die Diskussion hat sich später – vor allem in der Kontroverse um die zwischenzeitlich ergangene Holzmüller-Entscheidung – von ihrem Ausgangspunkt, dem Konzernsachverhalt, gelöst und ist auf die eingliedrige, nicht konzernierte AG ausgedehnt worden. Das ist schon deshalb konsequent, weil auch Vorgänge der Konzernbildung und der Konzernleitung im Ausgangspunkt in der Tat innergesellschaftliche Maßnahmen betreffen, sei es etwa die Entscheidung über den Erwerb von Anteilen („Konzernbildung), sei es die Entscheidung über die Veräußerung einer Tochter oder das Abstimmungsverhalten bei einer Kapitalerhöhung in der Tochter („Konzernleitung“). Die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien haben sich im Übrigen auch als so abstrakt erwiesen, dass sie sich nicht auf Konzernsachverhalte beschränken ließen bzw. beschränken mussten. Das hat die – mit Vehemenz geführte428 – Diskussion noch einmal ausgeweitet. Auf diese Weise hat sie schließlich auch den Börsengang und das Delisting erreicht. Den Überlegungen der Literatur zu den „Strukturentscheidungen“, besonders zum Börsengang und zum Börsenrückzug als Strukturentscheidung, ist im Folgenden nachzugehen. b) Unvollständigkeit des Nachweises einer Gesetzeslücke durch die Literatur zu den „Strukturmaßnahmen“ Der erste Schritt zur Begründung einer Analogie zu einer einzelnen oder zu einer Gruppe von gesetzlich vorgesehenen Hauptversammlungskompetenzen ist die Ermittlung einer planwidrigen Regelungslücke.429 Hiermit hat sich die Lehre von den Strukturmaßnahmen überraschenderweise nur recht oberflächlich befasst.430 Es wird lediglich hervorgehoben, dass die Zuständigkeit der Hauptversammlung nach der Gesetzesbegründung zum AktG 1937 „alle mit dem 427

So vor allem Lutter (Fn. 423). Während manche die Aktionäre vor einer Verwaltung schützen wollen, die „dem bisherigen unternehmerischen Konzept also nicht mit dem Skalpell, sondern mit der Axt zu Leibe rückt“ (Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 230), oder ihre Bestrebungen als Versuch sehen, eine „Teil-decapitatio wenigstens an die Zustimmung der Decapitierten zu binden“ (Lutter ZHR 151 (1987), 453), erblicken andere hinter eben diesen Bestrebungen „die Silhouette eines Elefanten vor dem kompetenzrechtlichen Porzellanladen“ (so Heinsius ZGR 1984, 411). 429 Vgl. Larenz S. 370 ff. 428

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wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen“ umfassen sollte.431 Da die gesetzliche Regelung dieses Ziel nicht hinreichend umgesetzt habe, könne von einer verdeckten Regelungslücke ausgegangen werden. Mit der Beschränkung der Kompetenzen der Hauptversammlung auf die gesetzlich oder in der Satzung geregelten Fälle in § 119 I AktG habe lediglich ausgeschlossen werden sollen, dass der Hauptversammlung unter Verweis auf ihre angebliche Stellung als oberstes Organ der AG Zuständigkeiten zugeschrieben werden.432 Dass bei diesen Ausführungen nicht stehen geblieben werden kann, wenn man eine planwidrige Lücke in den Kompetenztatbeständen zugunsten der Hauptversammlung nachweisen will, braucht hier noch nicht im einzelnen dargelegt zu werden. Die Lehre von den Strukturentscheidungen kann die Zuständigkeitsfrage beim Börsengang und Börsenrückzug nämlich noch aus anderen Gründen nicht klären. Ergänzende Überlegungen zur planwidrigen Gesetzeslücke müssen daher weiterer Untersuchung vorbehalten bleiben.433 c) Das Fehlen überzeugender Kriterien für die Einordnung einer Maßnahme als „Strukturmaßnahme“ Die Überlegungen der Literatur zur Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen, der zweiten Voraussetzung einer Analogie434, laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass einer systematischen „Gesamtschau“ der geschriebenen Grundlagenkompetenzen die gesetzgeberische Absicht entnommen werden könne, herausragend wichtige, „strukturändernde“ Entscheidungen in der AG der Hauptversammlung zu überlassen. Lutter, der die grundlegenden Arbeiten in diesem Zusammenhang verfasst hat435, entnimmt das für die eingliedrige AG im Wesentlichen den §§ 119 I, 179 I, 293 I AktG, 65 I UmwG436. Die entscheidende Schwäche der hier angesprochenen Gesamtanalogie liegt genau in diesem „Strukturbegriff“ begründet. Es ist den Vertretern dieser Lehre 430 Bedenken gegen eine Analogie mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen zugunsten der Hauptversammlung äußert denn auch Werner (ZHR 147 (1983), 429) in seiner Besprechung des Holzmüller-Urteils. Skeptisch auch Semler BB 1983, 1571 ff. 431 So in der Tat die Begründung zum AktG 1965, bei Kropff S. 165. 432 Vgl. Geßler FS Stimpel S. 229 f.; GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 25; ebenso de Vries S. 89. 433 Vgl. unten D. VI. 5. b). 434 Larenz S. 381 ff. 435 Zu nennen sind vor allem die Beiträge in FS Westermann, in FS Barz und in Rechte der Gesellschafter. Des Weiteren ist auf die Ausführungen in FS Stimpel, FS Zöllner I, FS Raisch (mit Drygala), ZHR 151 (1987), 454 sowie (mit Leinekugel) in ZIP 1998, 225; 805 zu verweisen. 436 Hierzu Lutter FS Zöllner I S. 378 Fn. 74; ZHR 151, 454; Lutter/Drygala FS Raisch S. 241; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 225 ff., 805 ff.

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bisher nicht gelungen, dem gesellschaftsrechtsfremden Kriterium der „Struktur“ der AG fassbare Konturen zu geben und somit Klarheit darüber zu schaffen, was eine „Strukturentscheidung“ ist bzw. was den „strukturändernden Charakter“ einer Entscheidung ausmacht. Erst mit dem exakten Wissen um die Beschaffenheit der Struktur der AG könnten aber weitere Fallgestaltungen wie der Börsengang und der Börsenrückzug sinnvoll darauf untersucht werden, ob sie diese Struktur tangieren und mithin ebenfalls die Zustimmung der Hauptversammlung erfordern. Um das Problem zu illustrieren, brauchen hier nicht sämtliche Schattierungen in den Formulierungen wiedergegeben zu werden, die Aufschluss darüber geben sollen, wann eine Maßnahme „strukturändernd“ sei. Es genügt die Stichprobe bei einigen grundlegenden Arbeiten: Lutter hat den §§ 119 I, 179 I, 293 I AktG, 65 I UmwG entnommen, dass die Hauptversammlung zuständig ist, wenn „der Vorstand der unternehmerischen Konzeption statt mit dem Skalpell mit der Axt zu Leibe rückt“, wenn er sich nicht auf „kosmetische Änderungen“ beschränkt, er vielmehr die „Struktur“, den „Charakter“ der Gesellschaft „grundstürzend“437 ändert. Teilweise weist Lutter – wohl ergänzend – auf die nachteiligen Auswirkungen einer Maßnahme auf „Wert und Struktur der Beteiligung“, also der Mitgliedschaft des Aktionärs, hin. Der Regelung über die Kapitalerhöhung in § 186 AktG, insbesondere dessen Absatz 3 zum Bezugsrechtsausschluss, sei zu entnehmen, dass entsprechende Maßnahmen der Mitwirkung der Hauptversammlung bedürften.438 Ähnlich hat Geßler einer Gesamtschau der Grundlagenkompetenzen des AktG entnommen, die Hauptversammlung habe über alle den „rechtlichen und wirtschaftlichen Aufbau“ der AG betreffenden Fragen zu entscheiden.439 Solche Strukturmaßnahmen tangierten zugleich die wirtschaftliche und440 rechtliche Stellung des Aktionärs und seien folglich grundsätzlich zustimmungspflichtig. Auch Timms konzernbezogene Überlegungen ergeben eine Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Strukturänderungen.441 Zwar beschränkt Timm seine Aussagen ausdrücklich auf den Konzern.442 Im Grundsatz sind sie aber verallgemeinerungsfähig angelegt. Nach Überprüfung der Mitwirkungsrechte der Ak437

Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 230. Lutter Rechte der Gesellschafter S. 32; FS Westermann S. 364 ff. (zu Kapitalmaßnahmen in Tochtergesellschaften einer AG und Veräußerungen von Mitgliedschaften durch eine AG); in KK2, § 186 Rn. 7. Die Anknüpfung an § 186 AktG ist später vor allem von Hirte für den Konzern aufgegriffen worden (Hirte S. 182 ff.); ebenso Timm Konzernspitze S. 172 ff.; Zimmermann/Pentz FS Welf Müller S. 161 ff. 439 FS Stimpel S. 781 ff. unter Hinweis auf die Begründung zum RegE des AktG 1965, bei Kropff S. 165; ebenso Erber S. 40 ff. 440 Allerdings spricht Geßler (Fn. 439) wenige Sätze später von Maßnahmen, welche die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung betreffen müssten. 441 Timm Konzernspitze S. 61 ff. 442 Konzernspitze S. 201 ff. 438

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tionäre im Recht der Unternehmensverbindungen hält Timm fest, zur Ermittlung solcher Strukturänderungen sei „vorrangig auf bestimmte Merkmale“443 abzustellen, die sich aus den §§ 179, 119, 291 ff., 361444 AktG 1965 ergäben: Es müsse um eine Maßnahme gehen, die „auf eine gewisse Dauer“ angelegt sein und die „eine gewisse Breitenwirkung“ für das Unternehmen haben müsse. Außerdem dürfe „zur Beurteilung [der Maßnahme] [. . .] keinerlei spezifische Berufskenntnis notwendig sein“, die etwa nur der Vorstand besitzen könne.445 Wiedemann446 hält die Hauptversammlung für zuständig bei allen wirtschaftlichen Maßnahmen, die in die „Struktur oder Organisation der Gesellschaft“ eingreifen. Das lasse sich noch konkretisieren: Es müsse sich um eine den Grundlagenänderungen vergleichbare wirtschaftliche Umstrukturierung handeln, weshalb entweder auf eine Änderung im „Profil oder Gepräge des Unternehmens“ zu achten sei oder aber auf eine Änderung im „Aufbau der strategischen Geschäftseinheit“. Diese Formulierungen machen das Kernproblem des „Struktur“-Ansatzes deutlich: Er ist in seiner Bemühung um Abstraktion schlicht zu abstrakt.447 Anhand der eben aufgeführten Vorgaben ist es nicht möglich, eine fragliche Maßnahme zweifelsfrei dem zuständigen Organ zuzuordnen. Die Regelungsabsicht in den Grundlagentatbeständen darauf zu reduzieren, dass es um in irgendeiner Form „wichtige“ oder grundlegende Entscheidungen gehe, führt zur Beliebigkeit. Das AktG, das auf klare Aussagen und Abgrenzungen ausgerichtet ist – vgl. §§ 119 I, 23 V AktG –, verträgt aber solche Unsicherheiten nicht.448 Vielmehr setzt man sich in Widerspruch zum Gesetz, wenn man den Grundlagentatbeständen eine so allgemeine Aussage entnimmt. Denn damit beruft man sich letztlich auf die Stellung der Hauptversammlung als „Grundorgan“449, als Organ für die wesentlichen, die überragend wichtigen Entscheidungen. Und damit wiederum leitet man aus der Bedeutung der Hauptversammlung Kompetenzen her. In wertender Betrachtung450 ermittelt man eine Art „Letztentscheidungsrecht“ der Aktionäre für besonders bedeutsame Entscheidungen und vollzieht damit genau das, was der Gesetzgeber mit der Schaffung von § 103 AktG 1937 (entspricht § 119 I 1 AktG) verhindern wollte: Man leitet Zuständigkeiten der Hauptversammlung allein aus der Stellung der Hauptversammlung in der AG her. Wäre das zuläs443 Timm Konzernspitze S. 67. Inwieweit neben den „vorrangig“ zu beachtenden weitere Merkmale in Betracht kommen, führt Timm allerdings in der Folge nicht aus. 444 Entspricht § 179a AktG. 445 Timm Konzernspitze S. 67 f. 446 GroßKomm4 § 179 Rn. 69 ff. 447 So auch Mülbert ZHR 165 (2001), 130. 448 So i. E. auch Joost ZHR 163, 173; Mülbert Unternehmensgruppe S. 160 ff., 201; Mertens AG 2000, 161; KK2 /Koppensteiner vor §§ 291 ff. Rn. 38; § 292 Rn. 11. 449 Ausdrücklich Lutter FS Stimpel, 825 ff. (für den Konzern). 450 So ausdrücklich Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 230.

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sig, hätte es der Aufzählung und Regelung einzelner Kompetenzen der Hauptversammlung im AktG nicht oder jedenfalls nur beispielhaft bedurft.451 Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen sind die genannten Kriterien der Literatur abzulehnen. Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist das Gebot der Rechtssicherheit, das man auch als Gebot der „Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Privatrechtsordnung“ bezeichnen kann.452 Kriterien wie „grundlegend“, „strukturändernd“ oder ähnliche qualitative Merkmalen enthalten ein Wertungsund Abwägungselement, welches bei entsprechender Argumentation naturgemäß verschiedene Ergebnisse zulässt. Zwar lässt sich unter Hinweis auf die geforderte Rechtssicherheit nicht von vornherein eine Analogie ausschließen, die „offene“ Rechtsbegriffe als Tatbestandsmerkmale verwendet. Es ist unbestritten, dass das Gebot der Rechtssicherheit nicht die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die Einräumung von Ermessen oder von Beurteilungsspielräumen ausschließt. Gesetze als grundsätzlich generell-abstrakte Normen sind auf eine Vielzahl von Sachverhalten zugeschnitten. Sie sind daher notwendig offen formuliert und damit ausfüllungsbedürftig. Insoweit kann man auch nicht kategorisch eine Analogie, die sich unbestimmter Rechtsbegriffe bedient, ausschließen.453 Es müssen aber überzeugende Maßstäbe zur Ausfüllung solcher generalklauselartigen Formulierungen gefunden werden. Verweisen lässt sich etwa auf die (unter altem Recht vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz notwendige) Gesamtanalogie zur Kündigung aus „wichtigem Grund“ bei Dauerschuldverhältnissen. Rechtssicherheit kann auch dadurch geschaffen werden, dass sich nach und nach bestimmte Maßstäbe oder zumindest Fallgruppen herausbilden und ein „rechtssicheres“ Bild ergeben. Entscheidend ist, übertragen auf unseren Fall, ob sich glaubwürdige, nachvollziehbare Kriterien oder eben Fallgruppen aus dem Gesetz entwickeln lassen, an denen sich ablesen lässt, wann die Hauptversammlung zuständig ist. Dies ist zumindest auf der Basis der genannten Kriterien nicht überzeugend gelungen, so dass eine (Gesamt-)Analogie, die sich solcher Abwägungselemente bedient, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht abzulehnen ist. Dass den Befürwortern des Strukturentscheidungsgedankens selbst nicht ganz wohl bei ihrem Ansatz ist, zeigt das Bemühen um die Aufstellung von „Bagatellgrenzen“ oder „Wesentlichkeitsschwellen“, die einen Maßstab für die struk451

Mertens AG 2000, 161; näher zu § 119 I AktG noch unter D. VI. 5. b) (3). So Krause JZ 1984, 656, 660. 453 Beispielhaft für eine Analogie auf der Basis offener, typologischer Merkmale sind die Bemühungen von Karsten Schmidt um eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des HGB (in MünchKomm HGB (Ergänzungsband) § 1 Rn. 7; Handelsrecht § 4 IV 2 und § 5). Mit seiner Theorie vom HGB als dem „Außenprivatrecht der Unternehmer“ deutet Karsten Schmidt den offenen Kaufmannsbegriff des HGB dahin um, dass es tatsächlich um Unternehmen bzw. Unternehmensträger gehe. Diese Erkenntnis hält er insbesondere für einen tauglichen Ausgangspunkt für Überlegungen zur Ausdehnung des Handelsrechts auf nichtkaufmännische Unternehmen. Ebenso Canaris Handelsrecht § 1 Rn. 25. 452

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turändernde Bedeutung einer Entscheidung ergeben sollen. So meint Geßler, eine Maßnahme müsse einen finanziellen Umfang im Wert von mindestens „etwa 10% des Eigenkapitals“454 erreichen, um als Strukturmaßnahme zustimmungspflichtig zu sein. Andere halten eine Wert von über 25% des Vermögens, berechnet nach steuerlichen Teilwerten455 für die Schwelle, bei deren Überschreitung eine Strukturmaßnahme der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Sogar eine Grenze von „20% der Aktiva oder der gemittelten Erträge der letzten 20 Jahre“(!) wird vorgeschlagen.456 Zum einen ist damit aber nichts für die Frage gewonnen, wann überhaupt eine „strukturändernde“ Maßnahme vorliegt. Es handelt sich vielmehr um Ausschlussgrenzen, von denen ab einer Maßnahme jedenfalls kein strukturändernder Charakter mehr zukommen soll. Im Gegenteil erscheint es sogar widersprüchlich, den strukturändernden Charakter einer Maßnahme anhand zahlenmäßiger Vorgaben bald befürworten, bald ablehnen zu wollen. Die vorgeschlagenen Grenzziehungen in diesem Bereich geraten zum anderen nicht minder willkürlich als die Berufung auf die behauptete Strukturänderung bei der Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit.457 Das belegt noch einmal, dass der Weg über den Strukturbegriff nicht der richtige sein kann. Auch der Hinweis auf die mit Strukturmaßnahmen vermeintlich einhergehenden „Eingriffe in die Mitgliedschaft“ der Aktionäre458 führt nicht dazu, dass der Begriff der Strukturmaßnahme fassbarer würde oder dass sonst allgemeingültige Hinweise auf Hauptversammlungszuständigkeiten gewonnen wären. Ausgehend von § 186 AktG, vor allem dessen Absatz 3, wird argumentiert, dass solche Eingriffe notwendig durch die Hauptversammlung zu legitimieren seien. Bestätigung scheint dieser Gedanke auf den ersten Blick in § 179 III AktG und verwandten Normen wie §§ 182 II bzw. 222 II 2 AktG zu finden. So macht etwa § 179 III

454

FS Stimpel S. 787. Hirte S. 181 (Fn. 107), 166 (Fn. 47). 456 Lutter FS Fleck, 180 Fn. 40; anders ders. FS Stimpel 850: „Insgesamt mag es sich als richtig erweisen, die Grenzlinie bei etwa 20–25% der Aktivseite der Bilanz zu sehen“. In die Reihe der Befürworter solcher Grenzen reiht sich der BGH in der Gelatine-Entscheidung ein (ZIP 2004, 993). Das Ausmaß der fraglichen Maßnahme müsse dasjenige der Ausgliederung im Holzmüller-Fall erreichen (S. 998), sonst sei die Hauptversammlung nicht zuständig. 457 Dass die Wertgrenzen zur allgemeinen Verwirrung eher beitragen als dass sie sie lüften, zeigen beispielhaft die Ausführungen des LG Frankfurt in AG 1993, 287, 288, das einmal auf 50% des Umsatzes abstellen will, aber auch 10% des Grundkapitals „oder des Vermögens“ der AG für ausreichend erachtet. 458 Bereits Kißkalt (siehe Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 486) meinte, die Zuständigkeit der Generalversammlung für Satzungsänderungen ergebe „sich aus dem Wesen der Sache; es erscheint unmöglich in einzelne Rechte so eingreifende Fragen wie etwa die Änderung des Zwecks der Gesellschaft oder ihre Auflösung oder die Beiziehung neuer Aktionäre in der Form der Kapitalserhöhung in das freie Ermessen der Verwaltungsorgane zu stellen.“ (Hervorhebung des Verf.). 455

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AktG eine Änderung im Verhältnis mehrerer Aktiengattungen zueinander ausdrücklich von der Zustimmung der „benachteiligten Aktionäre“ abhängig.459 Eine Ausdehnung des vermeintlichen Grundgedankens des § 186 AktG scheitert aber bei näherer Betrachtung schon im Ansatz. Ob den Aktionären ein Bezugsrecht zusteht und ob und unter welchen Umständen ein Hauptversammlungsbeschluss das Recht auszuschließen vermag, stellt sich als reines Folgeproblem zu einem Kapitalerhöhungsbeschluss dar. Man kann die Problematik des Bezugsrechtsausschlusses (und der Zuständigkeit hierfür) nicht aus dem gesetzlichen Zusammenhang herauslösen und auf dieser Grundlage allgemeingültige Aussagen propagieren. Grundaussage des § 186 III AktG ist, dass die Begünstigten eines Rechts – des Bezugsrechts – über den Ausschluss desselben zu befinden haben. Das ist keine Erkenntnis, die allgemeingültige Aussagen in Bezug auf die Kompetenzverteilung in der AG zuließe. Die Zustimmungspflichtigkeit des Bezugsrechtsausschlusses ist, wie die historische Auslegung der Norm zeigt, auch gar nicht allein darauf zurückzuführen, dass ein „Eingriff“ in ein Aktionärsrecht durch die Hauptversammlung zu legitimieren wäre. Im Vordergrund steht bei § 186 III AktG vielmehr, dass es der Verwaltung nicht möglich sein soll, die Machtverhältnisse in der AG zum Vorteil einzelner Gesellschafter zu verschieben460 und einzelnen Gesellschaftern finanzielle Vorteile zuzuschanzen. Das könnte der Vorstand, wenn es bei ihm läge, über einen Bezugsrechtsausschluss zu entscheiden und hinterher ihm genehme Gesellschafter bzw. Dritte zum Bezug der jungen Aktien zuzulassen. Diese Problematik wurde bei Einführung des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre gesehen, sie war der Anstoß für die Normierung des Bezugsrechts. In den Gesetzesmaterialien 461 heißt es insoweit: Das Grundkapital sei oftmals einseitig im „Interesse einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Betheiligten“ erhöht worden, „welche die übernommenen Aktien demnächst mit einem beträchtlichen Aufschlag an die Börse“ gebracht hätten. Das sei dadurch ermöglicht worden, dass Vorstand und Aufsichtsrat bei Zuteilung der Aktien freie Hand hätten. „Um hiergegen weitere Abhülfe zu schaffen, gewährt der § 234 des Entwurfs jedem Aktionär das Recht, die Zutheilung eines seinem Antheil an dem bisherigen Grundkapital entsprechenden Theiles der neu auszugebenden Aktien [. . .] zu verlangen. In der That erscheint es nur billig, daß, wenn [. . .] ein Gewinn 459 §§ 182 II AktG und § 222 II 2 AktG ordnen einen Sonderbeschluss der jeweiligen Aktionäre bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen bzw. bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung an, wenn mehrere Gattungen stimmberechtigter Aktien vorhanden sind. 460 So auch Mülbert Unternehmensgruppe S. 417. 461 Es handelt sich um die Materialien zum HGB 1897, dessen § 282 erstmals ein Bezugsrecht der Aktionäre festschrieb, vgl. Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 139 f. (Denkschrift zum RJA – E I)). Bestätigend die Denkschrift zur RT-Vorlage, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 1081 f.

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von der Veräußerung der neuen Aktien zu erwarten ist, dieser Gewinn thunlichst allen Aktionären zu Gute kommt.“ Selbst wenn man aber zugrunde legt, dass der Bezugsrechtsausschluss eine „Teil-Ausschaltung“ des mitgliedschaftlichen Rechts ist462 und deswegen von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängt, so ist immer noch kein überzeugender Maßstab dafür ersichtlich, in welchen Fällen eine vergleichbar intensive Beeinträchtigung der Mitgliedschaft anzunehmen sein könnte. Zumindest im Fall eines Börsengangs und des Börsenrückzugs würde im Übrigen selbst die Existenz eines solchen Maßstabs nicht helfen. Denn diese Vorgänge „reduzieren“ die Mitgliedschaft des Aktionärs nicht in gleicher Weise: Verwaltungsrechte der Aktionäre werden infolge des Going Public und des Going Private überhaupt nicht verkürzt. Die Aktionäre behalten rechtlich und faktisch sämtliche Mitbestimmungsrechte in der AG. Soweit eine „Verwässerung“ oder eine sonstige Beeinträchtigung von Aktionärsrechten aus einer Kapitalerhöhung im Verlaufe eines Börsengangs droht, ist dieser Gefahr bereits dadurch adäquat begegnet, dass die Hauptversammlung über die Erhöhung des Kapitals entscheidet. Es bleibt also allenfalls die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Finanzrechte der Aktionäre. Entsprechende Nachteile kann das Delisting durch die Herabsetzung der Verkehrsfähigkeit der Aktien mit sich bringen. Beim Börsengang könnte man auf eine Beeinträchtigung des Dividendenanspruchs durch die finanziellen Belastungen des Emittenten aus dem Börsengang abstellen. Die Kompetenzen der Hauptversammlung, insbesondere aus § 186 AktG, schützen die Aktionäre aber nicht vor solchen wertmäßigen Einbußen. Schon in seinem direkten Anwendungsbereich schützt § 186 III AktG den Beteiligungswert allenfalls mittelbar: Direkte Vorgaben für die Ausgabe junger Aktien, namentlich für den Betrag, zu dem sie ausgegeben werden dürfen, enthalten einerseits das entsprechend heranzuziehende Gründungsrecht – Verbot der unter-pariEmission, §§ 182 III, 9 AktG –, und andererseits §§ 255 II, 186 III 4 AktG, die bei Bezugsrechtsausschluss die Ausgabe der Aktien zu einem angemessenen Wert sicherstellen. Wird das Bezugsrecht nicht ausgeschlossen, so können die Aktionäre an der Kapitalerhöhung teilnehmen, es gelten allein §§ 182 III, 9 AktG. Der Aktionär entscheidet dann selbst über die vermögensmäßigen Auswirkungen der Kapitalerhöhung, indem er sein Bezugsrecht wahrnimmt oder nicht. Wird das Bezugsrecht ausgeschlossen, so schützen §§ 255 II, 186 III 4 AktG die Aktionäre vor Beeinträchtigungen. § 186 III AktG hat daneben keinen Wert als Schutznorm zugunsten der Mitgliedschaft, sondern entfaltet nur einen „Schutz-Reflex“: Das Bezugsrecht bewahrt die Aktionäre vor dem Verlust 462 Zum Bezugsrecht als „natürlichem“, aus der Mitgliedschaft fließenden Recht eingehend Natterer S. 65 ff.

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der Beteiligungsquote und insoweit vor daraus resultierenden Werteinbußen.463 Darum geht es weder beim Börsengang noch beim Börsenrückzug. Aus § 186 AktG können daher keine hilfreichen Schlüsse auf eine Hauptversammlungszuständigkeit gewonnen werden. Dieses Ergebnis muss auch mit Blick auf § 179 III AktG, der bei Änderungen im Verhältnis mehrerer Aktiengattungen zueinander die Zustimmung der benachteiligten Aktionäre fordert, nicht revidiert werden. Die Vorschrift scheint zwar auf den ersten Blick „Eingriffe“ in Rechte der Aktionäre – oder allgemeiner: die Herbeiführung von Nachteilen für die Aktionäre – von deren Zustimmung abhängig zu machen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass § 179 III AktG einen Fall der Satzungsänderung behandelt und mithin eine Frage, an der die Gesellschafter über die Hauptversammlung notwendig zu beteiligen sind.464 Das Gesetz stellt lediglich klar, dass nicht ein „normaler“ Hauptversammlungsbeschluss ausreicht, sondern dass es eines Sonderbeschlusses der betroffenen Aktionäre bedarf. Es geht um eine Konstellation, in welcher „der das bisherige Rechtsverhältniß unter den verschiedenen Gattungen bestimmende Inhalt des Gesellschaftsvertrages zum Nachtheil einer derselben abgeändert werden soll“465. Hierzu führen die Gesetzesmaterialien aus, die dem heutigen § 179 III AktG entsprechende Norm des Art. 215 VI ADHGB 1884 schütze nur vor unmittelbaren Eingriffen in gattungsspezifische Rechte, auch wenn im Übrigen eine Vielzahl von Gestaltungen denkbar sei, in denen es zu Beeinträchtigungen der Aktionärsstellung kommen könne. Eine verallgemeinerungsfähige Aussage lässt sich § 179 III AktG auch deshalb nicht entnehmen. Auch § 179 III AktG erbringt also keinerlei Hinweise darauf, dass Hauptversammlungszuständigkeiten allgemein aus „Eingriffen“ in oder Nachteile für Aktionärsrechte zu begründen sind. Ein letztes Argument gegen die Lehre von den Strukturmaßnahmen stammt aus einem Bereich, der mit den hier anzustellenden Untersuchungen nur mittelbar in Berührung steht: Die Lehre weist schon in ihrem „ureigensten Bereich“, dem Bereich der Konzernsachverhalte, eine entscheidende Schwachstelle auf. Darauf soll hier deswegen etwas näher eingegangen werden, weil dieser Umstand zeigt, dass die Theorie von den Strukturmaßnahmen im Grunde bereits im Ansatz fehlgeht: Dieser Lehre zufolge soll an bestimmten „Strukturentscheidungen“ in einer Tochter – z. B. an ihrer Auflösung466, am Abschluss von Unternehmensverträ463 Verliert etwa der Aktionär seine bisherige Beteiligung i. H. v. 25% der Anteile + 1 Aktie, so ist sein Aktienpaket nach der Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss wegen des Verlustes der Sperrminorität ersichtlich weniger wert. 464 Näher dazu sogleich unter D. VI. 5. b) (6) (a). 465 So die Amtliche Begründung zum ADHGB 1884, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 423.

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gen durch die Tochter mit einem Dritten467, an der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens durch die Tochter468 sowie an ihrer Fusion469 – bekanntlich die Hauptversammlung der Muttergesellschaft zu beteiligen sein.470 Diese Annahme verträgt sich ersichtlich nicht mit §§ 32 MitbestG, 15 MitbestErgG. Die Vorschriften setzen voraus, dass das „zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens berufene Organ“ die Gesellschafterrechte der Mutter in der Tochter wahrnimmt. Das ist im Falle der AG der Vorstand der Muttergesellschaft, § 78 AktG. Die Ausübung der Rechte durch den Vorstand der Mutter wird sodann in §§ 32 MitbestG, 15 MitbestErgG für bestimmte Fälle von einem Beschluss des Aufsichtsrates der Mutter abhängig gemacht, welcher lediglich der Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratmitglieder der Anteilseigner bedarf. Zu den zustimmungspflichtigen Fällen zählen die Entscheidungen über die Auflösung und über die Umwandlung der Tochter, über den Abschluss von Unternehmensverträgen durch die Tochter mit der Mutter sowie über die Übertragung des Vermögens der Tochter. Das bedeutet, um dies klarzustellen: §§ 32 MitbestG, 15 MitbestErgG gehen für eine Reihe vermeintlicher „Strukturentscheidungen“ in der Tochter davon aus, dass der Vorstand der Mutter, nicht ihre Hauptversammlung, die Rechte der Mutter in der Tochter wahrnimmt. Bei der Wahrnehmung der Rechte ist der Vorstand an die Zustimmung des Aufsichtsrates der Mutter gebunden, wobei die Stimmen der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat den Ausschlag geben. Neben dem in §§ 32 MitbestG, 15 MitbestErgG angeordneten Entscheidungsrecht der Anteilseignervertreter über den Aufsichtsrat ist eine Beteiligung der Hauptversammlung der Mutter sinnlos. Zumindest für die in §§ 32 MitbestG, 15 MitbestErgG aufgezählten Fälle ist die Theorie von der Zuständigkeit der Mutter-Hauptversammlung für „Strukturentscheidungen“ in der Tochter also offensichtlich gesetzlich widerlegt.471

466 Den Auflösungsbeschluss nennt schon das Holzmüller-Urteil (BGHZ 83, 140) als Beispiel für eine besonders eingreifende und deshalb möglicherweise von Seiten der Hauptversammlung der Mutter zustimmungspflichtige Maßnahme auf der Tochterebene. Für eine Zustimmungspflicht beispielsweise auch Mecke S. 261 ff. 467 Hierzu eingehend Lutter FS Westermann S. 358 ff.; Rechte der Gesellschafter S. 1 ff.; FS Stimpel S. 825 ff., insbesondere 849. 468 Ausdrücklich für eine Zustimmungspflicht LG Frankfurft a. M. ZIP 1997, 1698 (Altana/Milupa). Die Revisionsentscheidung in der Sache (BGH NJW 2001, 1277) lässt die Frage offen. Für eine Zustimmungspflicht auch Mecke S. 261 ff. 469 Dazu Lutter FS Barz S. 210 ff.; FS Stimpel, S. 847; Rechte der Gesellschafter S. 1 ff.; Mecke S. 261 ff. 470 Vgl. hierzu schon die Darstellung der Entstehung der Lehre von den Strukturmaßnahmen [oben unter D. VI. 3. a)]. 471 Zu Recht fragt daher schon Semler in seiner Besprechung des Holzmüller-Urteils (BB 1983, 1571 f.): „Ausdrücklich wird eine Zuständigkeit des Aufsichtrats für spezifizierte Maßnahmen im Konzern durch § 32 MitbestG begründet. [. . .] Wie ver-

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Timm sieht diese Erkenntnis nicht als zwingend an.472 Er hält trotz des Wortlauts des § 32 MitbestG die Hauptversammlung der Mutter für zuständig bei allen Strukturentscheidungen in der Tochter. Er meint, § 32 MitbestG sei schon vom Wortlaut her keine allgemeingültige Zuständigkeitsregel. Deshalb lasse sich der Norm keine allgemeine Aussage hinsichtlich der Kompetenzverteilung in der AG entnehmen. Vielmehr erhelle aus der Gesetzesgeschichte: „Es sollte nicht der Versuch gemacht werden, das Problem der Beteiligungsverwaltung im Konzern [. . .] auch nur partiell zu regeln.“473 § 32 MitbestG habe den alleinigen Zweck, eine Kumulierung der Geltendmachung von Arbeitnehmerinteressen im Konzern zu verhindern. „Entscheidend ist weniger [gemeint ist offenbar: „nicht“] die positive Zuweisung an das Rumpf-Organ ,Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat‘ als die negative Zuweisung, die Freistellung von Arbeitnehmereinflüssen“.474 Die Vorschrift ist nach Timms Auffassung deshalb lediglich als Verbot der Mitbestimmung auf Mutterebene, nicht aber als Gebot der Vorstandszuständigkeit auf Weisung durch die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zu verstehen. Daher könne gleichwohl die Hauptversammlung der Mutter für zuständig gehalten werden.475 Aus der Gesetzesentstehung ergeben sich in der Tat Hinweise darauf, dass mit Hilfe der Vorschrift eine Kumulierung von Arbeitnehmerbeteiligung vermieden werden sollte.476 Das berechtigt aber nicht dazu, den Wortlaut von § 32 MitbestG zu ignorieren und der Hauptversammlung anstelle des Vorstands Rechte zuzusprechen. Das von Timm angesprochene „Verbot der Mitbestimmung“ auf Mutter-Ebene umschreibt nur das Motiv für die Regelung. Dieses Motiv setzt § 32 MitbestG aber in ganz konkreter Weise um. Die – gesellschaftsrechtlich, nicht mitbestimmungsrechtlich gründende – Prämisse des Gesetzes ist dabei, dass der Vorstand die Rechte der Mutter als Gesellschafterin der Tochter ausübt. § 32 MitbestG knüpft an die Zuständigkeit des Vorstands an und stellt als „Medium“ der Vermeidung einer Mitbestimmung die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat heraus, gerade weil es von der gesellschaftsrechtlichen Prämisse der Zuständigkeit des Vorstands ausgeht. Warum § 32 MitbestG wegen seines mitbestimmungsspezifischen Zwecks die von der Norm aufgenommene gesellschaftsrechtliche Vorgabe „ausschalten“ sollte, ist nicht hält sich in solchen Fällen die gesetzliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats zu der vom BGH entwickelten Hauptversammlungszuständigkeit?“ 472 Konzernspitze S. 42 ff. 473 Konzernspitze S. 44. 474 Timm Konzernspitze S. 45. 475 Timm Konzernspitze S. 46. 476 Vgl. BT-Drucks. 7/2172, 28 f.: „Damit soll u. a. die Möglichkeit ausgeschlossen werden, daß durch eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten beider Unternehmen die Arbeitnehmer kraft Einflusses, den sie über das herrschende Unternehmen in dem abhängigen Unternehmen ausüben können, in dessen Aufsichtsrat ein Übergewicht erhalten.“

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ersichtlich. Denn die Realisierung des Zwecks des § 32 MitbestG ist im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Vorgabe – Zuständigkeit des Vorstands – unproblematisch gewährleistet. Eine „korrigierende“ Auslegung ist daher nicht zu rechtfertigen. Die Vorschrift mag als Streitentscheidung hinsichtlich der Zuständigkeit im Konzern nicht unbedingt intendiert gewesen sein.477 Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber hier eine bestimmte Vorstellung von der Zuständigkeitsverteilung im Konzern festgeschrieben hat.478 Zumindest in mitbestimmten Unternehmen ist diese Wertung des Gesetzes zu respektieren. Der Vorstand ist als das zuständige Organ für die Ausübung der Gesellschafterrechte in der Tochter anzusehen. Das gilt auch für die aufgeführten „Strukturentscheidungen“. Nach hier vertretener Ansicht hat die Strukturentscheidungslehre im Konzern mithin das Gesetz gegen sich. Damit kann zusammengetragen werden: Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich Kriterien für die „Struktur“ der AG und damit zur Ermittlung einer „Strukturmaßnahme“ aus der Gesamtheit der Grundlagenentscheidungen nicht ermitteln lassen. Nachvollziehbare rechtliche Maßstäbe hierfür fehlen. Auch mögliche Beeinträchtigungen des Anteilswertes lassen keine Rückschlüsse auf Beteiligungsrechte der Aktionäre zu. Das Mitbestimmungsrecht enthält sogar Regelungen, die gegen eine allgemeine Zuständigkeit der Hauptversammlung für Strukturmaßnahmen sprechen. Die Gegenauffassung löst die einzelnen Tatbestände so weit aus ihrem historischen und teleologischen Entstehungshintergrund, dass sich trennscharfe Zuständigkeitsgrenzen nicht mehr ermitteln lassen. Dies sowie die daraus folgende Rechtsunsicherheit ist nicht akzeptabel. d) Keine überzeugenden Kriterien für die Einordnung des Börsengangs bzw. des Börsenrückzugs als insbesondere der Umwandlung einer GmbH in eine AG bzw. der Umwandlung einer AG in eine GmbH vergleichbare „Strukturmaßnahmen“ (1) Die Ansicht von Lutter und Drygala Auf dem Boden der Lehre von den Strukturmaßnahmen hat Lutter, teilweise zusammen mit Drygala, die Zustimmung der Hauptversammlung zum Börsengang und zum Delisting für erforderlich gehalten.479 Vor allem Lutter hat dabei den „Strukturbegriff“ erheblich konkretisiert: Er hat den Börsengang als der 477 Allerdings hatte Lutter im Vorfeld des Erlasses der Norm bereits vor einer Präjudizierung nicht ausdiskutierter Fragen der Zuständigkeitsverteilung im Konzern gewarnt, vgl. Lutter Mitbestimmung im Konzern S. 68 ff., 72. Das spricht dafür, dass dem Gesetzgeber das Problem sehr wohl bekannt war. 478 Darin liegt gerade die von Lutter (Fn. 477) angesprochene Präjudizierung.

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Umwandlung einer GmbH in eine AG verwandten Tatbestand eingeordnet, den Börsenrückzug als einen der Umwandlung in die umgekehrte Richtung ähnlichen Vorgang. Im Einzelnen führen Lutter und Drygala Folgendes aus: Zu unterscheiden seien der Börsengang mit und ohne Kapitalerhöhung. Während im ersteren Fall die Beteiligung der Aktionäre ohnehin gesichert sei480, halten sie den Vorstand im letzteren Fall für verpflichtet, die Zustimmung der Aktionäre vor dem Börsengang einzuholen.481 Denn die Börsennotierung verändere den bis dahin „eher geschlossenen, privaten, in aller Regel personen-(familien-)bezogenen Charakter“ der AG grundlegend. Die Anforderungen an die Publizität wüchsen und Erleichterungen für die nicht börsennotierte „kleine AG“ entfielen mit dem Börsengang von Rechts wegen. Das zu entscheiden „kann nicht Sache der Verwaltung, sondern nur allgemein [. . .] des Beschlusses der Hauptversammlung sein“, meinen Lutter und Drygala.482 Die Änderung in der Struktur der Gesellschaft sei evident. Ausnahmsweise bedürfe es allerdings keines Zustimmungsbeschlusses, wenn im Kreise der Aktionäre Einvernehmen über den Börsengang bestehe.483 In einem zweiten Beitrag484 greift Lutter diese Überlegungen auf und konkretisiert bzw. ergänzt sie wie folgt: Der Gang an die Börse führe „zu einer erheblichen Änderung des auf die betreffende Gesellschaft anwendbaren Rechts“485, nämlich vor allem zur Anwendbarkeit des Kapitalmarktrechts.486 Zudem lockerten sich in der Börsengesellschaft notwendig die Treuebindungen unter den Aktionären, was zusätzlich die Struktur der Gesellschaft verändere. Das addiert Lutter und stellt fest, es handele sich „also de facto – wenn auch nicht de iure – um einen Vorgang ähnlich der Umwandlung einer GmbH in eine AG, also um eine sog. Strukturentscheidung“.487 Er folgert: Der Vorstand sei in diesem Fall für die Durchführung des Börsengangs auf die Zustimmung der Hauptversammlung angewiesen.488 479 Lutter/Drygala FS Raisch, 239; Lutter FS Zöllner I, 363. Ihnen weitestgehend folgend Erber S. 34 ff. (der sich sowohl auf die Holzmüller-Grundsätze als auch auf eine Strukturänderung beruft). 480 FS Raisch, S. 240. Die Konsequenz soll offenbar sein, dass eine weitere Beteiligung nicht in Betracht kommt. 481 FS Raisch, S. 241. 482 FS Raisch, S. 240 (1. Zitat), 241 (2. Zitat). Ihnen folgend unter Hinweis auf die „erhebliche [. . .] Strukturänderung“ durch den Börsengang Picot/Land DB 1999, 571. 483 Lutter/Drygala FS Raisch, S. 239 ff. (insbesondere 241); ebenso Lutter FS Zöllner I S. 377. Ihnen folgend Trapp/Schick AG 2001, 382. 484 FS Zöllner I S. 363. 485 Lutter FS Zöllner I S. 378. 486 Definition dieses Rechtsbereichs und Überblick über den wesentlichen Regelungsgehalt bei Kümpel Rn. 8.32; 8.434 ff. 487 Lutter FS Zöllner I S. 378.

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Außerdem beschäftigt sich Lutter mit dem Börsenrückzug. Hier „kann kaum etwas anderes gelten“ als beim actus contrarius, so meint er. Über das Delisting könne der Vorstand nicht autonom entscheiden, sondern bedürfe eines Beschlusses der Hauptversammlung.489 (2) Stellungnahme (a) Der „einverständliche“ Börsengang als irrelevante Kategorie Besehen wir zunächst diejenigen Fallkonstellationen, die Lutter/Drygala aus der Diskussion um Zustimmungserfordernisse beim Börsengang490 „abspalten“ möchten. Sie meinen, sich über eine Zustimmung der Hauptversammlung zumindest dann keine Gedanken machen zu müssen, wenn im Kreise der Gesellschafter Einverständnis über den Börsengang besteht. Diese pragmatische Herangehensweise ist aus mehreren Gründen bedenklich. Mit gleicher Argumentation könnte man beispielsweise vertreten, dass ein Hauptversammlungsbeschluss auch dann nicht notwendig sei, wenn sich die Gesellschafter darüber einig sind, dass das gesamte Vermögen der AG veräußert werden soll (§ 179a AktG). Das Aktienrecht sieht aber in allen Grundlagentatbeständen ein besonderes Verfahren für die Zustimmung der Hauptversammlung vor. Für eine positive Entscheidung in der Hauptversammlung genügen schon bestimmte Mehrheiten. Die „Einigkeit“ aller ist daher von vornherein der falsche Maßstab.491 § 121 VI AktG sieht gewisse Erleichterungen des Verfahrens der Beschlussfassung vor. Den vollständigen Verzicht auf einen Hauptversammlungsbeschluss gestattet die Norm aber nicht. Diese Rechtslage ist selbstverständlich zu übertragen, wenn man in Analogie zu den Grundlagentatbeständen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung annimmt. Die Herbeiführung eines solchen Beschlusses hat zudem den Vorteil, dass Rechtssicherheit geschaffen wird. Die Gegenauffassung kann in Probleme geraten: Wie etwa wäre zu entscheiden, wenn kurz vor der geplanten Überlassung von Anteilen im Rahmen des Börsengangs oder gar kurz vor der Beantragung der Börsenzulassung die Einigkeit dahin wäre? Sollte dann ein Beschluss der Hauptversammlung nachzuholen sein? Es wird klar: Hält man eine Zustimmung der Hauptversammlung zum Börsengang bzw. zum Delisting für erforderlich, so gilt dies auch dann, wenn sich die Anteilseigner über die Maßnahme „einig“ sind. 488

Lutter/Drygala FS Raisch S. 240; Lutter FS Zöllner I S. 378. FS Zöllner I S. 380. 490 Entsprechendes dürften sie beim Delisting vertreten. 491 Anderes gilt lediglich im Falle einstimmig zu fassender Beschlüsse. Diese sind aber im Aktienrecht die Ausnahme. 489

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(b) Irrelevanz der Differenzierung zwischen Börsengängen mit und solchen ohne Kapitalerhöhung Für die vermeintlich ebenfalls unproblematischen Fälle des Börsengangs, in denen eine Kapitalerhöhung stattfindet, ist das Notwendige bereits gesagt. Der Beschluss über die Kapitalerhöhung zum Zweck des Börsengangs ist nicht der zutreffende Anknüpfungspunkt für die Untersuchung der Zuständigkeit für den Börsengang. Insbesondere ist die Entscheidung über eine Kapitalerhöhung nicht deckungsgleich mit der Entscheidung über den Börsengang.492 Auch wenn also eine Kapitalerhöhung im Laufe des Börsengangs vorgesehen ist, muss man sich Gedanken über die Erforderlichkeit eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung zum Börsengang machen. (c) Der Strukturbegriff als untauglicher Maßstab für eine Hauptversammlungszuständigkeit Zumindest im Falle eines Anteilsverkaufs zum Zweck des Börsengangs, der nicht die Zustimmung aller Aktionäre findet, halten Lutter/Drygala einen eigenständigen Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung für erforderlich. Gleiches nehmen sie für den (kontroversen) Börsenrückzug an. Soweit die Verfasser hier mit ihrem Hinweis auf die Anwendbarkeit neuer Normenkomplexe auf die AG eine allgemeine „Strukturänderung“ infolge des Börsengangs oder des Börsenrückzugs begründen wollen, sind die Ausführungen nicht zielführend. Das liegt daran, dass der Strukturbegriff für die Begründung einer Hauptversammlungszuständigkeit nicht tauglich ist. Den gesetzlichen Grundlagentatbeständen lässt sich, wie dargelegt, keine Zuständigkeit der Hauptversammlung für „Strukturänderungen“ entnehmen.493 Im Übrigen müsste, selbst wenn man den Strukturbegriff zugrunde legen wollte, verwundern, dass die Verfasser hinsichtlich des Börsengangs auf die Öffnung der Gesellschaft für Dritte verweisen. Soweit der Börsengang in eine „Publikums-AG“ mit einer Vielzahl untereinander unbekannter Aktionäre mündet, unterscheidet er sich nicht von der entsprechenden Umgestaltung bei anderen, nicht börsennotierten Aktiengesellschaften. Konsequenterweise müsste man dann wohl auch hier die Streuung der Anteile an die Zustimmung der Hauptversammlung knüpfen. Wollte man aber jede breitere Streuung von Aktien, etwa im Wege des Anteilsverkaufs durch einen Gesellschafter, der Zustimmung seiner Mitaktionäre unterwerfen, wäre das eine – gesetzlich so nicht vorgesehene – Vinkulierung der Anteile. Wann zudem die Stufe der „eher personen-(familien-)bezogene[n]“ AG hin zur „offenen“ Publikums-AG überhaupt verlassen 492 493

Das ist unter C. II. dargelegt worden. Dazu soeben D. II.

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wird, ist nicht eindeutig festzulegen. Dieser Aspekt kann daher für die Ermittlung von Beteiligungsrechten der Hauptversammlung nicht maßgeblich sein.494 (d) Irrelevanz der Lockerung der „Treuebindungen“ Ebenso wenig kann entscheidend sein, dass die Börsennotierung die „Treuebindungen“ in der AG lockern soll.495 Aktiengesellschaften mit großem Aktionärskreis mögen sich durch losere oder sogar fehlende Bindungen zwischen den Aktionären auszeichnen. Daran ist aber nicht die Börsennotierung „schuld“, sondern der große Kreis von Gesellschaftern bzw. vor allem die aktiengesetzliche Stellung der Aktionäre in der AG. Ein gewisses Maß an „Anonymität“ ist eine aktienrechtliche Selbstverständlichkeit. Warum die Lockerung von Treuebindungen zudem ausgerechnet ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung auslösen sollte, ist nicht ersichtlich. (e) Die fehlende Vergleichbarkeit des Börsengangs mit der Umwandlung einer GmbH in eine AG bzw. des Börsenrückzugs mit der Umwandlung einer AG in eine GmbH Einen näher zu verfolgenden Ansatz bietet hingegen Lutters Vergleich des Börsengangs mit der Umwandlung einer GmbH in eine AG.496 Zwar schränkt Lutter seinen Vergleich dahin ein, der Börsengang gleiche „de facto“, nicht „de iure“ der Umwandlung.497 Das dürfte aber nicht dahin zu verstehen sein, dass Lutter eine Analogie zum Umwandlungsrecht ganz ablehnt. Gemeint ist vielmehr, dass die Vergleichbarkeit von Börsengang und Umwandlung nicht in den tatsächlichen Abläufen, sondern in den Auswirkungen der Maßnahmen liege. Anders wäre nicht zu erklären, dass Lutter den Auswirkungen des Börsengangs in Anlehnung an die Umwandlung die Qualität einer 494 Lutters Argument ist vor dem Hintergrund des von ihm mitentworfenen „DreiStufen-Modells“ zu sehen (dazu Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter passim). Grundidee dieses Modells war, „private“ und „offene“ Aktiengesellschaften vom Regelfall der „Publikumsaktiengesellschaft“ zu unterscheiden und die unterschiedlichen „Stufen“ der AG mit weitreichenderen bzw. weniger weitreichenden Anteilseignerrechten auszustatten. Der Gesetzgeber des Jahres 1994 hat sich diesen Vorschlägen im Gesetz über die kleine AG aber nicht angeschlossen. 495 Lutter FS Zöllner I, S. 378. Kritisch zu Vorstellungen von einer Treuepflicht zwischen Aktionären Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 674, insbesondere 700 ff. 496 Lutter argumentiert ausgehend vom Börsengang und überträgt seine Überlegungen hinterher nur noch auf das Delisting. Deshalb werden hier seine Ausführungen zum Börsengang besprochen. Das Ergebnis für das Delisting ist zwangsläufig das gleiche. Ein Ähnlichkeit des Börsenrückzugs zur Umwandlung einer AG in eine GmbH sehen z. B. auch Vollmer/Grupp ZGR 1995, 476; Zetzsche NZG 2000, 1067 f. 497 FS Zöllner I, S. 378 [Zitat unter D. VI. 3. d) (1)].

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„Strukturentscheidung“ zuspricht. Die Einordnung einer Maßnahme als „Strukturentscheidung“ ist nämlich nur auf der Basis einer Analogie sinnvoll.498 In dogmatische Kategorien gebracht, lautet der Kern von Lutters so verstandener These: Der Börsengang ist einer Umwandlung der Gesellschaft deshalb vergleichbar, weil er wie die Umwandlung zu einer „Rechtsänderung“ für die Gesellschaft führt. Diese drückt sich darin aus, dass neue Normenkomplexe – insbesondere das Kapitalmarktrecht – auf die AG bzw. ihre Aktionäre Anwendung finden. Diese These lässt sich bei eingehender Betrachtung nicht aufrecht erhalten: Zwar ist unbestreitbar, dass der Börsengang und der Rückzug von der Börse zu einer „Rechtsänderung“ führen. Das Aktienrecht berücksichtigt die Existenz börsennotierter Aktiengesellschaften (§ 3 II AktG) durch Spezialregeln.499 Auch das Kapitalmarktrecht knüpft vielfach an die Börsennotierung einer Gesellschaft an.500 Das Umwandlungsrecht scheint insoweit eine Parallele zu enthalten, als dort auf die umgewandelte Gesellschaft ebenfalls andere Normenkomplexe Anwendung finden als vor der Maßnahme: Nach der Umwandlung einer GmbH in eine AG ist Aktienrecht statt GmbH-Recht auf die Gesellschaft anwendbar. Mit diesem Hinweis ist die „Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen“ aber noch nicht belegt. Einen Analogieschluss von der Zustimmungspflichtigkeit der Umwandlung auf die Zustimmungspflichtigkeit des Börsengangs erlaubt diese (vermeintliche) Parallele nur unter weiteren Bedingungen: Der Schluss kann erstens nur dann erfolgreich gezogen werden, wenn feststellbar ist, dass schon im Bereich der Umwandlung die „Rechtsänderung“ kausal dafür ist, dass die Umwandlung der Zustimmung der Anteilseigner bedarf. Übertragen auf Lutters Beispiel der Umwandlung einer GmbH in eine AG bedeutet das: Die Zustimmungspflicht seitens der Gesellschafterversammlung müsste daher rühren, dass statt des bisherigen GmbH-Rechts nun Aktienrecht auf die Gesellschaft anzuwenden ist. Nur wenn das der Fall ist, lässt sich unter Umständen annehmen, dass auch die Rechtsänderung infolge eines Börsengangs der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Sollte sich hingegen erweisen, dass die Hauptversammlungszuständigkeit bei der Umwandlung gar nicht mit den (späteren) Rechtsänderungen zusammenhängt, so würde auch die Ähnlich498 Wie ansonsten eine „faktische“ Ähnlichkeit des Börsengangs zur Umwandlung zu erklären sein sollte, ist auch nicht ersichtlich. Rein tatsächlich haben der Börsengang und die Umwandlung keinerlei Gemeinsamkeiten. Sollten Lutters Ausführungen gleichwohl nicht als Hinweis auf eine Analogiemöglichkeit zu verstehen sein, bleibt die folgende Prüfung sinnvoll, weil eine Analogie in der Tat nicht fern liegt. Die Möglichkeit einer entsprechenden Analogie deutet auch Mülbert (Unternehmensgruppe S. 319) an. 499 Beispielhaft sei hier auf §§ 3 II, 20 f., 71 sowie § 186 III 4 AktG hingewiesen. 500 Vgl. nur §§ 2 I, 12 ff., 15 WpHG, 1 WpÜG.

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keit der Rechtsänderungen des Börsengangs zu denen einer Umwandlung keinen Schluss auf eine Zuständigkeit der Hauptversammlung gestatten. Gelingt der Nachweis der Kausalität, müsste in einem zweiten Schritt festzustellen sein, dass Art und Umfang der „Rechtsänderung“ beim Börsengang den Auswirkungen einer Umwandlung wirklich vergleichbar sind. Sonst fehlt es an der „Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen“, welche Voraussetzung einer Analogie ist.501 Zu untersuchen ist demnach zunächst, ob es Gründe dafür gibt anzunehmen, dass die Rechtsänderungen infolge einer Umwandlung ausschlaggebend dafür sind, dass der Vorgang zustimmungspflichtig seitens der Hauptversammlung ist: Eine solche Sichtweise mag nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Ein anderer Begründungsansatz für die Zuständigkeit der Anteilseigner bei der Umwandlung liegt aber auf der Hand: Zustimmungspflichtig ist die Umwandlung einer GmbH in eine AG jedenfalls schon deshalb, weil sie eine grundlegende Satzungsänderung erfordert. Die vertraglich festgelegte Gesellschaftsform wird geändert. Wenn Lutter dem Umwandlungstatbestand502 darüber hinaus entnehmen will, dass gerade die Rechtsänderung Grund der Zustimmungspflichtigkeit der Umwandlung ist, so trägt er die Darlegungslast für diese These. Denn ebenso legitim wie Lutters Vorstellung ist die umgekehrte Sichtweise: Die Umwandlung ist nicht zustimmungspflichtig wegen ihrer Rechtsfolgen, sondern die Rechtsfolgen können deshalb eintreten, weil die Zustimmung der Hauptversammlung (zur Änderung des Gesellschaftsvertrags) erfolgt ist. Argumente, die seine Sichtweise stützen würden, führt Lutter nicht an. Es bestehen auch erhebliche Zweifel daran, dass der Nachweis in Lutters Sinne gelingen könnte. Es findet sich nämlich eine ganze Reihe von Beispielen, in denen die – mitunter weitreichenden – „Rechtsänderungen“ infolge einer Maßnahme keine Zuständigkeit der Hauptversammlung auslösen. So führt z. B. der Wechsel zwischen mitbestimmungsfreier und mitbestimmter AG zur Anwendung neuer Rechtsnormen und zu Veränderungen im Kompetenzgefüge der Gesellschaft. Gleichwohl wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten, dass etwa die Einstellung des fünfhundertsten Arbeitnehmers durch den Vorstand (bzw. dessen Vertreter) der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe.503 Oder man 501

Hierzu Larenz S. 381 ff. Lutter stellt auf § 65 UmwG (Verschmelzung durch Aufnahme) ab. Näherliegend für den Vergleich zum Börsengang dürften allerdings §§ 193, 238 ff. UmwG (Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform) sein, da der Börsengang nicht mit Vermögensübertragungen des Emittenten auf eine andere Gesellschaft einhergeht. 503 Die Mitbestimmung nach §§ 1 III MitbestG i.V. m. 76 ff. BetrVG 1952 setzt ein, wenn 500 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigt werden, § 76 VI BetrVG 1952. Für Unternehmen, die unter § 1 I MitbestG fallen, könnte entsprechend auf die Einstellung des zweitausendersten dauerhaft eingestellten Arbeitnehmers abgestellt werden. 502

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stelle sich die Eröffnung einer Zweigniederlassung in den USA vor. Dieser Vorgang kann angesichts der potentiellen Einforderung von „punitive damages“ Auswirkungen nicht nur auf die AG selbst, sondern auf einen gesamten Konzern haben. Denn im Vertragskonzern kann sich – z. B. über §§ 302, 303 AktG – eine Haftung der Tochter in deren Mutter (und von dieser in deren Mutter etc.) faktisch fortsetzen.504 Auch für die Eröffnung einer Zweigniederlassung wird aber nicht vertreten, dass der Vorgang zustimmungspflichtig sein könne. Das wäre auch schwerlich zu begründen. Denn es handelt sich in beiden Fällen um, wenn auch möglicherweise finanziell bedeutsame, Geschäftsführungsentscheidungen. Noch deutlicher wird die Fragwürdigkeit des Schlusses von der Herbeiführung von Rechtsfolgen für die AG auf eine Hauptversammlungszuständigkeit bei der Aufnahme eines „dual listing“ im Ausland. Die zusätzliche Börsennotierung, etwa an der NYSE oder der Londoner Börse (LSE), wie sie nicht wenige deutsche Unternehmen in der Vergangenheit angestrebt haben, lässt zusätzliche bzw. gegenüber dem nationalen Recht andersartige Zulassungsfolgepflichten für den Emittenten entstehen.505 Trotzdem dürfte sich eine umwandlungsähnliche „Strukturänderung“ in diesem Fall schwerlich begründen lassen. Die zusätzlichen Pflichten für den Emittenten entsprächen jedenfalls ihrem Typus nach den bisherigen Pflichten aus der inländischen Börsennotierung. Der Börsengang mag also zu einer „Rechtsänderung“ führen. Ein entscheidendes Argument dafür, dass deswegen die Hauptversammlung für zuständig zu halten ist, kann man aus dem Vergleich zur Umwandlung aber nicht gewinnen. Der von Lutter vorgeschlagene Analogieschluss scheitert also schon an der oben aufgeworfenen ersten Bedingung. Wenden wir uns gleichwohl noch der zweiten Ebene zu: Weitere Voraussetzung für den erfolgreichen Analogieschluss vom Umwandlungsrecht auf die rechtliche Situation beim Börsengang ist, dass die Auswirkungen eines Börsengangs denen der Umwandlung einer GmbH in eine AG vergleichbar sind. Lutters Ausführungen weisen die Vergleichbarkeit des Börsengangs mit der Umwandlung nicht nach. Dies zeigen die folgenden Erwägungen: Zum Ersten sind einige der von Lutter (und Drygala) pauschal herangezogenen Normen gar nicht in spezifischer Weise mit einem Börsengang in Verbindung zu bringen. Sie dürfen daher nicht zu den Rechtsänderungen infolge eines Börsengangs gezählt werden. Den Verboten der §§ 12 ff. WpHG betreffend den 504 Die konzernweiten Auswirkungen der drohenden „Lipobay“-Prozesse haben das für die Bayer-Aktie eindrucksvoll belegt. Der Kurs der Aktie ist wegen der Prozessrisiken (u. a.) in den USA – gegen die dortige Tochter „Bayer Corp.“ richtet sich ein Teil der Klagen – von etwa A 50 im August 2001 (vor dem Rückruf des Medikaments durch Bayer) auf zeitweilig rund A 10 eingebrochen. Die Financial Times Deutschland vom 3.3.2003 berichtet allein von einem Kurssturz i. H. v. 30% nach Spekulationen um mögliche Milliardenklagen gegen Bayer. 505 Überblick für NYSE und LSE bei Harrer/Fisher/Evans RIW 2003, 81 ff.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Insiderhandel etwa können die AG, ihre Gesellschafter bzw. Geschäftsführungsmitglieder auch ohne eigenes Zutun unterliegen. Die Vorschriften über Insiderverbote beziehen nämlich im Freiverkehr gehandelte Anteile mit ein. Für die Handelbarkeit von Anteilen in diesen Segmenten ist keine Zulassung, ja nicht einmal die Zustimmung des Emittenten erforderlich. Gleiches gilt nach § 56 BörsG (§ 83 I BörsO FWB) für Wertpapiere des geregelten Marktes. Der Blick auf einige handelsrechtliche Erleichterungen für kleine Aktiengesellschaften ergibt Ähnliches506: Eine Gesellschaft ist nur unter bestimmten wirtschaftlichen Voraussetzungen als börsenreif anzusehen. Mit der Erfüllung dieser Voraussetzungen wird regelmäßig einhergehen, dass die Gesellschaft schon vor dem Börsengang eine „mittelgroße“ oder „große“ i. S. d. § 267 HGB ist, so dass Erleichterungen im Bereich der Rechnungslegung für die Gesellschaft ohnehin nicht in Frage kommen werden.507 Der Wechsel zwischen kleiner und großer AG i. S. d. HGB ist im Übrigen ganz allgemein nicht nur infolge eines IPO denkbar, sondern auch im „normalen Geschäftsleben“ der AG. Ob und, wenn ja, zu welcher Gelegenheit in all diesen Fällen auch abseits eines Börsengangs ein Hauptversammlungsbeschluss zu fordern sein sollte, führt Lutter nicht aus. Ebenso wenig gibt er zu erkennen, ob etwa dann, wenn kapitalmarkrechtliche Pflichten schon vorher greifen bzw. die aktiengesetzlichen Erleichterungen für die kleine AG mit überschaubarem Gesellschafterkreis schon vor dem Börsengang entfallen sind, eine Zustimmung der Hauptversammlung entbehrlich sein soll. Zum Zweiten bilden auch diejenigen Normen, die tatsächlich infolge des Börsengangs anwendbar werden, keinen in sich geschlossenen Komplex. Während bei der Umwandlung das gesamte Aktienrecht an die Stelle des GmbH-Rechts tritt, zieht die Börsennotierung Rechtsfolgen aus einem Bündel weitgehend voneinander unabhängiger Normen mit unterschiedlichen Regelungszielen nach sich. Wenn Lutter und Drygala demgegenüber meinen, infolge des Börsengangs sei ein feststehender Normenkomplex auf die AG anwendbar, und die AG ändere hierdurch ihren Charakter, so deuten sie die gesetzgeberische Entwicklung als Schaffung einer Art „Sonderrecht für börsennotierte Aktiengesellschaften“.508 Dem ist entgegen zu halten: Die neu geschaffenen §§ 327a ff. AktG und die Vorschriften des WpÜG knüpfen gerade nicht an eine Börsennotierung an509, obwohl sie – vor allem im letzteren Fall (WpÜG) – kapitalmarktrelevante Vorgänge betreffen. Das spricht gegen die planvolle Schaffung eines geschlosse506 Auch auf die handelsrechtlichen Regeln hebt Lutter ab, vgl. FS Raisch S. 240 Fn. 7 (mit Drygala). 507 Vgl. die Ausführungen von Schanz zur Börsenreife, § 6 Rn. 24 ff. 508 So auch Wirth/Arnold ZIP 2000, 115. Zum „Börsengesellschaftsrecht“ auch Seibert ZIP 1994, 248; Fleischer ZHR 165 (2001), 514 f.; ders. ZGR 2002, 771; Nobel FS Bär, 301 ff.; offenlassend Merkt AG 2003, 128; ablehnend Schüppen ZIP 2002, 1278.

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nen „Sonderrechtssystems“ für kapitalmarktaktive Gesellschaften durch den Gesetzgeber. Außerdem beziehen sich zahlreiche Normen des Kapitalmarktrechts auch nicht auf eine Börsennotierung als solche, sondern auf die Notierung an einem „organisierten Markt“ (vgl. etwa §§ 1, 2 VII WpÜG; 12 ff., 15 WpHG), was regelmäßig nur für den amtlichen und den geregelten Markt und vergleichbare Börsensegmente im EG-Kapitalmarktbereich zutrifft. Außereuropäische Kapitalmarkttätigkeiten einer deutschen AG werden demnach tatbestandlich nicht erfasst. Auch insoweit kann man also nicht von einem einheitlichen Rechtsbereich der „kapitalmarktaktiven Gesellschaften“ sprechen. Und schließlich liegen den Regeln, die an die Börsennotierung anknüpfen, ganz unterschiedliche Regelungszwecke zugrunde: § 186 III 4 (über die Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses bei Kapitalerhöhungen in börsennotierten AG) und § 71 I Nr. 8 AktG (über den Erwerb und die Veräußerung eigener Aktien, insbesondere über die Börse) etwa sind aus wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus entstanden.510 Andere Vorschriften, wie z. B. §§ 125 I 3511, 328 III512 AktG sorgen für „gute Unternehmensführung“, setzen also bei der AG an. Sie liegen vor allem im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der AG. Die kapitalmarktrechtlichen Publizitäts- und Haftungstatbestände wiederum sollen einen ordnungsgemäßen Handel und Anlegerschutz gewährleisten und dienen insoweit der Kapitalmarkteffizienz.513 Anders als bei der Umwandlung einer GmbH in eine AG findet nach dem Börsengang also kein in sich geschlossener Regelungskomplex auf die AG Anwendung, sondern ein Bündel voneinander unabhängiger Normen mit unterschiedlichen Regelungszielen. Zum Dritten sind die Rechtsfolgen, die infolge eines Börsengangs eintreten, auch in Bedeutung und Umfang den Rechtsfolgen einer Umwandlung nicht vergleichbar.514 Das zeigt die nähere Analyse der betreffenden Vorschriften: 509 So zutreffend Schüppen ZIP 2002, 1278. Für das WpÜG ist einzuschränken: Die Vorschriften knüpfen hinsichtlich des Bieters nicht an eine Börsennotierung an, wohl aber hinsichtlich der Zielgesellschaft. 510 § 186 III 4 AktG soll die Eigenkapitalaufnahme erleichtern und damit einen „Wettbewerbs- und Standortnachteil deutscher Gesellschaften“ vermeiden (vgl. die Begründung des RegE, abgedruckt in ZIP 1994, 252). Aus Sicht der Aktionäre „ersetzt“ die Erwerbsmöglichkeit über die Börse das Bezugsrecht, vgl. Natterer S. 183 ff. § 71 I Nr. 8 AktG soll allgemein zur „Attraktivität des deutschen Finanzplatzes“ beitragen, wie sich der Begründung des RegE (BT-Drucks. 13/9712 S. 13 (li. Sp.)) entnehmen lässt. 511 § 125 I 3 AktG ordnet für börsennotierte Gesellschaften an, dass einem Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Angaben zu deren Mitgliedschaft in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten beizufügen sind. 512 Nach § 328 III AktG kann ein Unternehmen, dem seine wechselseitige Beteiligung (§ 19 AktG) im Verhältnis zu einer börsennotierten AG bekannt ist, die ihm zustehenden Stimmrechte in der Hauptversammlung dieser AG nicht ausüben. 513 Vgl. Fleischer ZIP 2002, 1218; GroßKomm4 /Assmann Einl. Rn. 352 ff. 514 Zu diesem Ergebnis kommen auch Krämer/Theiß AG 2003, 240 f.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Einige handels- und gesellschaftsrechtliche Vorschriften sehen Erleichterungen für die nicht börsennotierte „kleine AG“ vor, die mit dem Going Public entfallen.515 Das AktG kennt beispielsweise besondere Regelungen betreffend die Sitzungsfrequenz (§ 110 III AktG), die Berichtspflichten des Aufsichtsrats (§ 171 II 1, 2 Hs. 1 AktG) und betreffend die Rechnungslegung (z. B. § 285 S. 1 Nr. 11 HGB). Die überwiegende Zahl dieser Vorschriften erlaubt lediglich eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes in der nicht börsennotierten AG.516 Das entspricht dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Hauptanliegen bei Einführung der Vorschriften. Der Gesetzgeber wollte mit dem Gesetz über die kleine AG formale Hürden im Aktienrecht abbauen und damit die Rechtsform für kleine und mittelständische Unternehmer attraktiver machen.517 Mit der wie auch immer zu verstehenden „Struktur“ der AG dürfte ein Mehr oder Weniger an internem Verwaltungsaufwand wenig zu tun haben.518 Eine Ähnlichkeit zur Umwandlung lässt sich nicht erkennen. Einige weitere aktienrechtliche Vorschriften über die börsennotierte AG stehen zwar nicht mit bloßen verwaltungsmäßigen Erleichterungen im Zusammenhang, erklären sich aber ausschließlich aus Spezifika des Kapitalmarkts. Sie lassen daher ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Schaffung eines neuen „Gesellschaftstypus“ – und mithin eine Parallele zur Umwandlung – zu. So sind börsennotierte Gesellschaften zur Vermeidung einer Verdoppelung von Mitteilungspflichten aus den §§ 20 f. AktG ausgenommen.519 Aus ähnlichen Erwägungen erklärt sich § 134 I 2 AktG, der nur bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften satzungsmäßige Beschränkungen des Stimmrechts gestattet. Insoweit hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien auf die Existenz anderweitiger kapitalmarktrechtlicher Regelungen reagiert, deren Existenz die Abschaffung von Höchststimmrechten in der börsennotierten AG rechtfertigte.520 § 161 AktG über die „Compliance-Erklärung“ betreffend den Corpor515 Vorschriften, die auf die Börsennotierung Bezug nehmen oder nur bei kleinem Gesellschafterkreis Anwendung finden, sind im Überblick: §§ 3 II, 20 f.; 67 VI 2; 71 I Nr. 8; 110 III 2, 121 IV, V, 124 I 3; 125 I 3; 130 I 3; 134 I 2; 161; 171 II 2 Hs. 2; 186 III 4; 328 III, 404 I, II AktG; §§ 267 III 2; 285 Nr. 10, 11; 286 III 3; 291 III Nr. 1; 292a I; 293 V; 297 I 2; 313 II Nr. 4; 314 I Nr. 8; 317 IV/ 321 IV; 319 III Nr. 6; 323 II 1 HGB. 516 Vgl. neben den im Text genannten Normen insbesondere §§ 121 IV, V, 124 I 3, 130 I 3 AktG sowie im Wesentlichen die handelsrechtlichen Vorschriften (Fn. 515). 517 Vgl. die Begründung zum RegE, abgedruckt in ZIP 1994, 247 ff. 518 So auch Groß ZHR 165 (2001), 163; Mülbert ZHR 165 (2001), 130: Es seien „die prägenden Merkmale der AG von der gesetzlichen Ausdifferenzierung [scil. zwischen börsennotierter und nicht börsennotierter AG] bisher völlig unberührt geblieben“. Wirth/Arnold ZIP 2000, 115: Die an die Börsennotierung der AG anknüpfenden Normen hätten „zu geringe Bedeutung und vor allem unterschiedliche Schutzrichtungen“, als dass von einer Strukturänderung durch den Börsengang die Rede sein könne. 519 Hüffer AktG § 20 Rn. 18; die börsennotierte AG ist bereits nach den §§ 21 ff. WpHG mitteilungspflichtig, vgl. oben 1. Kapitel D.

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ate Governance Kodex betrifft einen rein börsenspezifischen Vorgang, so dass eine entsprechende Regelung für andere Aktiengesellschaften nicht in Frage kam. All diese Vorschriften erhalten ihre Daseinsberechtigung aus der Existenz eines das Gesellschaftsrecht überlagernden Kapitalmarktrechts, nicht daraus, dass der Gesetzgeber besondere Regelungen für kapitalmarktaktive Gesellschaften hätte begründen wollen. Sie sind Ausdruck einer notwendigen Reaktion des Gesetzgebers auf Wechselwirkungen zwischen den Rechtsbereichen. Schlüsse darauf, dass die börsennotierte AG eine „besondere“ Form der AG wäre, lassen diese Normen nicht zu. Das gilt auch für einige Normen, die im Zusammenhang mit den Bemühungen um gute Unternehmensführung (Corporate Governance) zu sehen sind, etwa der mit dem KonTraG521 eingeführte § 125 I 3 AktG. Die Vorschrift soll etwaige personelle Verflechtungen auf Verwaltungsebene transparent machen, indem sie anordnet, dass bei börsennotierten Gesellschaften dem Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Angaben zu deren Mitgliedschaft in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten beizufügen sind. Ebenfalls im Sinne guter Unternehmensführung soll § 328 III AktG die Rechte der Anteilseigner bei wechselseitigen Beteiligungen (§ 19 I AktG) wahren. Eine Überkreuzverflechtung begründet die Gefahr einer mittelbaren Kontrolle des Unternehmens über sich selbst, und zwar vermittels der Verwaltung des beteiligten Unternehmens. § 328 III AktG soll im Interesse des Kapitalmarkts einer solchen „Selbstkontrolle“ der Verwaltung vorbeugen.522 Die Vorschrift ist daher ebenfalls dem Komplex der „Corporate Governance“-Regeln zuzuordnen. Als solchen ist diesen Vorschriften gemein, dass sie nicht den „Aufbau“, die „Struktur“ der Gesellschaft betreffen, sondern Regelungen enthalten, die im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der AG ein „ordentliches Wirtschaften“ der Gesellschaft gewährleisten sollen. Eine erste Vorschrift, die genuines „Sonderrecht“ für börsennotierte Aktiengesellschaften enthält und die mithin darauf schließen lassen könnte, dass die börsennotierte AG „wesensverschieden“ von der privaten AG ist, enthält § 67 VI 2 AktG. Diese Norm gestattet bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften eine satzungsmäßige Ausweitung von Informationsmöglichkeiten der Aktionäre bezüglich ihrer Mitgesellschafter.523 Auch sie ist einer – wie auch immer zu 520 Vgl. die Begründung zum RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 20. Höchststimmrechte seien in der Vergangenheit vor allem zur Verhinderung feindlicher Übernahmen eingesetzt worden. Das heimliche Aufkaufen großer Anteilsbestände sei aber schon über die Mitteilungspflichten des WpHG erschwert. Konsequent ist insoweit die Abschaffung der Möglichkeit zur Schaffung von Höchststimmrechten nur für börsennotierte AG. Die übrigen Gesellschaften unterfallen nicht dem Schutz des WpHG. Mittlerweile ist zudem der Schutz der Aktionäre durch das WpÜG ergänzt. 521 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998, BGBl. I, 786. 522 Hüffer AktG § 328 Rn. 1.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

verstehenden – „strukturändernden“ Auswirkung, welche sie in die Nähe einer Umwandlung rücken ließe, unverdächtig. Daneben gibt es nun einige allein die börsennotierte AG betreffende aktienrechtliche Vorschriften, die für die Kompetenzordnung der AG bzw. die Rechtsstellung der Aktionäre von einschneidenderer Bedeutung sind. Sie könnten einen Hinweis darauf liefern, dass die börsennotierte AG ein „aliud“ gegenüber der privaten AG ist. Insoweit ist zum einen § 186 III 4 AktG524, zum anderen § 71 I Nr. 8 S. 4, 5 AktG zu nennen: Mit Hilfe von § 186 III 4 AktG kann die qualifizierte Hauptversammlungsmehrheit das Grundkapital der AG um bis zu 10% erhöhen und dabei ohne weiteres Bezugsrechte der Aktionäre ausschließen. Sie kann insoweit die Stellung von Minderheitsaktionären schwächen, ohne dass es – wie sonst im Falle eines Bezugsrechtsausschlusses – auf einen sachlichen Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts ankommen würde.525 Als zugespitzter Fall ist hier denkbar, dass die Beteiligung eines Aktionärs mit Hilfe von § 186 III 4 AktG auf eine Quote von unter 5% gedrückt wird, so dass dieser Aktionär anschließend in einem „Sqeeze-out“-Verfahren (§§ 327a ff. AktG) aus der AG gedrängt werden kann. Auch die Veräußerung eigener Aktien nach § 71 I Nr. 8 S. 4, 5 i.V. m. 186 III 4 AktG kann mit einer Art „Bezugsrechtsausschluss“ verbunden sein.526 Die Hauptversammlung kann nämlich auf der Grundlage dieser Normen beschließen, dass eigene Aktien zunächst erworben und anschließend an Dritte oder an einzelne Aktionäre veräußert werden sollen.527 Auch insoweit kann die Verwal523 Die Norm ist ausweislich der Gesetzesbegründung eigentlich eher auf einen überschaubaren Aktionärskreis als auf die Nicht-Börsennotierung ausgerichtet, vgl. Begründung des RegE, BT-Drucks. 14/4051 S. 11 re. Sp.: „Die Anteilseigner der kleinen AG haben häufig ein legitimes Interesse daran, vollständig über den Gesellschafterkreis und jede Veränderung informiert zu sein. Dies wird ohnehin in der Praxis durch [. . .] vertragliche Vereinbarungen außerhalb der Satzung angestrebt. Dazu kann auch eine entsprechende Satzungsregelung zum Einsichtsrecht beitragen.“ 524 Die Vorschrift ist sinngemäß auf das Bezugsrecht der Aktionäre für Wandelschuldverschreibungen, Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte anwendbar, § 221 IV 1 AktG. Ein Ausschluss des Bezugsrechtes über § 186 III 4 AktG wird hier aber selten in Betracht kommen, denn § 186 III 4 AktG setzt einen Börsenpreis für das (gleiche) Finanzierungsinstrument voraus. Es gibt aber praktisch keine gleichen Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen, vgl. Lutter AG 1994, 445. Daher wird § 221 IV 1 AktG hier nicht weiter berücksichtigt. 525 Ein Bezugsrechtsausschluss muss grundsätzlich von einem sachlichen Grund getragen sein, vgl. oben B. I. 3. b) (2). 526 Die Veräußerung eigener Aktien an Dritte oder an einzelne Aktionäre wirkt nach Auffassung des Gesetzgebers wie ein Bezugsrechtsausschluss, vgl. die Begründung zum RegE, BT-Drucks. 13/9712 S. 14. 527 Vgl. die Begründung zum RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 14; Hüffer AktG § 71 Rn. 19m.

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tung möglicherweise – etwa auf Druck eines Großaktionärs – Aktien an einer Minderheit von Aktionären „vorbeischleusen“. Diese Vorschriften könnte man als Anhaltspunkt für die Andersartigkeit des „Charakters“ der börsennotierten AG gegenüber der privaten AG zu verstehen haben. Man könnte argumentieren, die (Minderheits-)Aktionäre seien insoweit wesentlich größeren Beeinträchtigungen ihrer Mitgliedschaft ausgesetzt als vor dem Börsengang. Deshalb könnte man annehmen wollen, der Wechsel hin zur börsennotierten AG sei etwas Ähnliches wie ein Rechtsformwechsel von der GmbH in die AG. Denn auch hier büßt der Gesellschafter in gewissem Umfang Rechte – namentlich das Weisungsrecht in Geschäftsführungsangelegenheiten, § 37 I GmbHG – ein. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass sowohl in den Fällen des § 71 I Nr. 8 AktG als auch in denen des § 186 III 4 AktG die Hauptversammlung erneut zu entscheiden hat, bevor es zu entsprechenden Eingriffen in die Rechtsposition der Aktionäre kommen kann. Der Börsengang führt nicht etwa per se zu Beeinträchtigungen der Aktionärsstellung, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit dazu. Im Kern geht es hier also um ein Minderheitsproblem. Nach dem Börsengang ist eine Hauptversammlungsmehrheit in der Lage, die Minderheit in gewissem Umfang zu übergehen.528 Die Umwandlung von einer GmbH in eine AG führt nicht zu vergleichbaren „Minderheitsproblemen“. Wie in der GmbH sind in der AG Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung möglich. Allein der Wechsel in die Rechtsform der AG ermöglicht es insoweit einer Gesellschaftermehrheit nicht, sich in größerem Umfang als in einer GmbH über eine Gesellschafterminderheit hinweg zu setzen. Lediglich die Regeln über den „Squeeze-out“ (§§ 327a ff. AktG) mögen eine Akzentuierung der Minderheitsproblematik gegenüber der GmbH mit sich bringen. Auch wenn man das aber zugesteht, lässt sich doch schwerlich behaupten, dass die Umwandlung wegen der „drohenden“ Anwendung der §§ 327a ff. AktG – oder wegen etwaiger anderer Nachteile für eine Gesellschafterminderheit in der AG – zustimmungspflichtig sei. Nur das würde aber einen Analogieschluss beim Börsengang rechtfertigen. Mit Blick auf §§ 71 I Nr. 8 und 186 III 4 AktG als Auswirkungen des Börsengangs ist daher zu sagen: Die Vorschriften über die Umwandlung, insbesondere die Hauptversammlungszuständigkeit kraft Umwandlungsrechts, erklären sich nicht aus einer vergleichbaren Regelungssituation wie derjenigen, die §§ 71 I Nr. 8, 186 III 4 AktG erfassen.

528 In der Praxis wird das dadurch abgemildert, dass die Minderheit die ihr entstehenden Nachteile oftmals selbst wieder ausgleichen kann, indem sie sich über den Markt mit Aktien in gewünschter Höhe eindeckt, auch wenn das Bezugsrecht ausgeschaltet ist.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Dass letztlich schon das Umwandlungsrecht selbst die Veränderung von einer börsennotierten AG in eine nicht börsennotierte AG als etwas anderes, weniger Gravierendes einstuft als etwa die Umwandlung einer AG in eine GmbH, beweist § 29 I 2 i.V. m. Satz 1 UmwG: § 29 I 1 UmwG ordnet für die Verschmelzung eine Barabfindungspflicht zugunsten derjenigen Aktionäre an, die gegen den Verschmelzungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben. § 29 I 2 UmwG bestimmt weiter, dass bei einer Verschmelzung von Rechtsträgern derselben Rechtsform nur dann Barabfindungsansprüche bestehen, wenn die Anteile am übernehmenden Rechtsträger rechtlichen Verfügungsbeschränkungen unterliegen. Die Verschmelzung einer börsennotierten AG auf eine existierende oder neu zu errichtende nicht börsennotierte AG zieht also – entgegen dem Regelfall – grundsätzlich keine Barabfindungsansprüche nach sich. Eine Ähnlichkeit zwischen den Rechtsfolgen eines Börsengangs und denen einer Umwandlung ist nach alldem nicht feststellbar.529 Damit ist in Hinblick auf die oben aufgeworfenen Bedingungen des erfolgreichen Analogieschlusses festzuhalten: Es ist zum Ersten kein Beleg dafür gefunden worden, dass die Zustimmungspflichtigkeit der Umwandlung mit deren weitreichenden Rechtsfolgen zusammenhängt. Zum Zweiten gleichen auch die Rechtsfolgen der Umwandlung nicht denjenigen des Börsengangs. Eine Übertragung des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses von der Umwandlung auf den Börsengang ist daher nicht möglich. Damit kann auch der Börsenrückzug nicht als ein Vorgang eingeordnet werden, welcher der Umwandlung einer AG in eine GmbH gleicht. Entgegen Lutters Argumentation muss der Grundsatz lauten: Solange der Gesetzgeber am einheitlichen Modell der AG, einer gemeinsamen Rechtsform mit gemeinsamen Vorschriften für kleine und große, private und börsennotierte AG festhält, ist einem Changieren zwischen den Ausprägungen ein und derselben Rechtsform nur insoweit Rechnung zu tragen, als bestimmte Normen Anwendung finden, andere nicht.530 Anlass für Schlussfolgerungen auf Zustimmungsrechte der Hauptversammlung besteht allein deswegen nicht. Eher lassen sich – jedenfalls für das Going Public – noch Argumente für die gegenteilige Auffassung anführen. Wenn man schon mit dem „Charakter“ der AG operiert, so ist für den Börsengang zu sagen: Die AG ist als börsengängige Gesellschaftsform konzipiert. Die Erleichterungen des Gesetzes über die kleine AG waren und sind dazu gedacht, dem Mittelstand im Endeffekt den Weg an 529 Allgemein eine „Strukturänderung“ beim umgekehrten Fall des Delisting ablehnend Groß ZHR 165 (2001), 165 ff.; speziell gegen die Vergleichbarkeit eines Delisting zur Umwandlung Wirth/Arnold ZIP 2000, 116. I.E. ebenso Kleppe S. 108 ff.; Schlößer S. 176 ff. 530 So auch Groß ZHR 165 (2001), 164; Mülbert ZHR 165 (2001), 130 f.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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den Eigenkapitalmarkt Börse zu ebnen.531 Es ist also nach wie vor aus Sicht des Gesetzgebers erwünscht, dass eine AG letztlich an die Börse geführt wird. Das spricht eher gegen als für Zustimmungsrechte der Hauptversammlung wegen eines irgendwie „außergewöhnlichen“ Vorgangs. Die Börsennotierung zeitigt zudem positive Effekte für die Aktionäre.532 Sie ermöglicht es dem Kleinanleger grundsätzlich, seine Aktie jederzeit über einen großen Markt zu veräußern. Die erhöhten Publizitätsanforderungen der Börse gewähren dem Anleger einen besseren Einblick in das wirtschaftliche Geschehen in der AG. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht wird zudem darauf hingewiesen, dass die wirksamere Kontrolle des Unternehmens durch die Marktteilnehmer an der Börse disziplinierend auf das Management wirken könne, spezialisierte Analysten das Unternehmen beurteilten und das Interesse institutioneller Investoren stärker sei als vor dem Börsengang.533 Auch § 38 IV BörsG, der den Rückzug von der Börse davon abhängig macht, dass er nicht dem Schutz der Anleger widerspricht, sieht die Börsennotierung als eine vorteilhafte Rechtsposition an.534 Die kapitalmarktrechtlichen Regelungen stärken mithin den „Anlegerschutz“. Das lässt das Bedürfnis nach einem zusätzlichen innergesellschaftlichen Schutz der an den Kapitalmarkt geführten Aktionäre geringer, nicht höher erscheinen. (f) Die Zweifelhaftigkeit des Ergebnisses Schließlich bedarf auch noch das von Lutter und Drygala befürwortete Ergebnis näherer Betrachtung. Sollte gemeint sein, dass die Hauptversammlung der AG in den von ihnen geschilderten Fallkonstellationen ihr placet zu einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch die Aktionäre zu geben habe, wäre das unzulässig.535 Ebenso wenig wie die Mitgesellschafter dem Verkauf des Privathauses eines Aktionärs zuzustimmen haben, gilt dies vorbehaltlich be531

Vgl. Claussen WM 1996, 609. Dazu das OLG München, DB 2001, 748 m. w. N.; VG Frankfurt a. M. DB 2002, 1987; de Vries S. 20 ff.; 90 m. w. N. 533 Fleischer ZHR 165 (2001), 521. 534 Wann der Rückzug von der Börse dem Anlegerschutz widerspricht, ist eine Einzelfallentscheidung. Die Zulassungsstelle muss die Interessen des Emittenten gegen diejenigen der Anleger abwägen. Aus Sicht der Anleger ist vor allem entscheidend, ob und inwieweit sie ihre Anteile trotz des Börsenrückzugs weiter veräußern können. Die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) hat dementsprechend in §§ 58 I, 67 BörsO FWB Fälle normiert, in denen der Anlegerschutz einem Delisting nicht entgegenstehen soll, weil aus ihrer Sicht ausreichende Handelsmöglichkeiten für die Aktien fortbestehen. Näher zum Ganzen Groß Kapitalmarktrecht §§ 42, 43 BörsG Rn. 15 ff. 535 So düfte Lutters Darstellung (FS Zöllner I S. 378) aber zu verstehen sein. Im Falle einer Kapitalerhöhung hält Lutter eine Zustimmung für entbehrlich. Damit bleibt nur der Fall der Anteilsveräußerung. Lutters Darstellung (a. a. O.) setzt im Übrigen zunächst den Kapitalerhöhungsbeschluss mit der Entscheidung über den Börsengang gleich (S. 379: „Mit einer Kapitalerhöhung zum Zweck des Gangs an die Börse wird [. . .] explizit auch über den Börsengang selbst [. . .] entschieden.“). Gleiches soll daher 532

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

sonderer Vereinbarungen in Bezug auf die Veräußerung von Aktien durch den Mitgesellschafter. Das ist ein Vorgang, der unmittelbar mit der Gesellschaft nichts zu tun hat. Alles andere wäre die Einführung einer partiellen (börsengangspezifischen) Vinkulierung von Aktien. e) Keine weitergehenden Argumente zur Zustimmungspflichtigkeit des Börsengangs und des Börsenrückzugs als „Strukturmaßnahmen“ aus der Literatur (1) Die Ansicht von Vollmer/Grupp Den oben kritisierten „Strukturbegriff“ nehmen auch Vollmer/Grupp mit ihren Ausführungen zum Börsengang und Börsenrückzug auf. Wie Lutter befürworten sie in beiden Fällen ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung.536 Sie meinen, dass mit einem Börsengang weitreichende faktische und gesellschaftsrechtliche Strukturänderungen einhergehen: Die Gesellschaft werde dem Anlegerpublikum geöffnet, was einer „Überfremdung“ der Gesellschaft das Tor öffne.537 Außerdem sehen Vollmer/Grupp die Gefahr der Konzernabhängigkeit der börsennotierten Gesellschaft deutlich erhöht. Nach längeren Ausführungen zu diesen „Strukturänderungen“ stellen sie allerdings fest, dass diese nicht entscheidend seien. Auf Art und Umfang der Strukturänderungen komme es nicht wesentlich an. Von Bedeutung sei vielmehr, dass die börsennotierte Aktiengesellschaft seit dem Gesetz für die kleine Aktiengesellschaft und zur Deregulierung des Aktienrechts nicht mehr dem gesetzlichen Leitbild entspreche. Mit diesem Gesetz sei es zu einer Änderung des gesetzlich vorgesehenen „Verwendungszwecks“ der AG – hin zur kleinen, nicht börsennotierten AG – gekommen. Daraus sei die Zustimmungspflichtigkeit des Börsengangs seitens der Hauptversammlung zu folgern.538 Für den Börsenrückzug vertreten Vollmer und Grupp ebenfalls ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung. Die AG unterliege durch den Börsenrückzug rechtlichen und faktischen Strukturänderungen, welche die AG „gegen ihre wohl für den im Anschluss dargestellten Entschluss zur Veräußerung von Altanteilen gelten. Ebenso Lutter/Drygala FS Raisch S. 240 ff. 536 Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459 ff. Ihnen folgend Steck AG 1998, 461 f, der außerdem eine Analogie zu § 68 II AktG erörtert. Näheres hierzu unter D. VI. 2. 537 Vollmer/Grupp ZGR 1995, 462. 538 Vollmer/Grupp ZGR 1995, 466: „Nach bisherigem Aktienrecht war die AG mit all ihren gesellschaftsrechtlichen Ausprägungen auf den Börsengang hin angelegt. [. . .] Nach der Novelle von 1994 ist dies anders [. . .] De lege lata ist die (private) AG ihrem gesetzlichen Verwendungszweck nach also nicht mehr in gleicher Weise wie nach altem Recht auf Börsenzugang hin angelegt. Wegen dieser gesetzlichen Änderung des Verwendungszwecks ist jetzt eine Mitwirkung der Hauptversammlung erforderlich, wenn der Weg an die Börse beschritten wird.“

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normtypische „Laufrichtung“ veränderten.539 Dabei seien in besonderem Maße „Schutzinteressen“ der dissentierenden Aktionäre tangiert. Deshalb sei auch vor dem „Börsenaustritt“ ein Beschluss der Hauptversammlung zu fassen. (2) Stellungnahme Der Ansatz von Vollmer/Grupp lässt zunächst offen, zu welchem Zeitpunkt Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung beim Börsengang in Betracht kommen sollen. Die Argumentation mit der Änderung des typischen „Verwendungszwecks“ der AG lässt erahnen, dass als Ansatzpunkt derjenige Zeitpunkt in Frage kommen soll, zu dem diese Zweckänderung beschlossen wird, was sich mit der hier vertretenen „Grundsatzentscheidung“ decken könnte.540 Allerdings stützt die Argumentation von Vollmer/Grupp ihre These von der Hauptversammlungskompetenz betreffend den Börsengang nicht. Die Ausführungen zu den vermeintlichen „Strukturänderungen“ lassen die Verfasser selbst ins Leere laufen. Sie sind nämlich der Ansicht, diese seien nicht entscheidend für die Frage der Zustimmungspflichtigkeit des Going Public.541 Das ist zu akzeptieren. Für die dann angeblich entscheidende Änderung des „gesetzliche[n] oder satzungsmäßige[n]“ Zwecks der AG gilt: Die Autoren halten bereits die eigene These nicht widerspruchsfrei durch. Während sie zunächst542 die „Zweckänderung“ noch für entscheidend halten, merken sie wenig später an, mit dem Going Public sei kein echter Typuswechsel verbunden, die AG werde vielmehr durch den Börsengang „verstärkt in ihre normtypische Laufrichtung gebracht“ 543. Was, so fragt sich, soll denn nun der „typische“ Zweck der AG sein? Im Übrigen ist auch die Kategorie eines gesetzlichen „Zwecks“ oder der „Laufrichtung“ der AG dem Gesetz fremd. Nach herkömmlichem Verständnis ist der (innergesellschaftliche) Zweck der AG ein ungeschriebener Bestandteil der Satzung, in aller Regel ist er auf Gewinnerzielung gerichtet. Dieser Zweck bleibt vom Börsengang völlig unberührt. Wie die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Folgen des Börsengangs zu bewerten sind, auf die Vollmer/Grupp des Weiteren hinweisen, ist bereits

539

Vollmer/Grupp ZGR 1995, 475. Zur Grundsatzentscheidung oben C. III. 541 Vollmer/Grupp ZGR 1995, 466 mit dem kryptischen Zusatz: „Erst danach bzw. im Zusammenhang damit [mit der Änderung des „gesetzlichen oder satzungsmäßigen Zwecks“ der AG] sind Art und Umfang der Strukturänderungen und Folgewirkungen von Bedeutung.“ Das wird dann aber nicht mehr aufgegriffen. 542 ZGR 1995, 466. 543 ZGR 1995, 468. 540

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

dargelegt worden. Dem ist hier nichts hinzuzufügen. Vollmer/Grupps Argumentation erbringt keine weiterführenden Gesichtspunkte. Die Ausführungen der Autoren zum Delisting fallen nicht überzeugender aus als diejenigen zum Going Public. Insoweit weisen Vollmer/Grupp lediglich pauschal auf rechtliche und faktische „Strukturänderungen“ hin, die sie beim Börsengang noch für unerheblich hielten. Dass damit kein überzeugendes Argument für eine Zuständigkeit der Hauptversammlung gewonnen ist, wurde bereits dargelegt.544 Die Ausführungen zur Veränderung der vermeintlichen „normtypischen Laufrichtung“ der AG sind soeben gleichfalls als nicht weiterführend erkannt worden. 4. Zwischenergebnis Die eben überprüften Ansätze aus der Literatur haben keinen Hinweis darauf erbracht, dass die Hauptversammlung über das Delisting deswegen zu entscheiden hätte, weil der Vorgang einer Vinkulierung von Aktien gleichkommen würde. Weder der Börsengang noch der Rückzug von der Börse sind des Weiteren deshalb zustimmungspflichtig, weil es sich dabei um „strukturändernde“ Maßnahmen handelte. Insbesondere sind diese Vorgänge nicht einer Umwandlung vergleichbar. Damit ist nach wie vor der Vorstand als das zuständige Organ für die Entscheidungen über den Börsengang und den Börsenrückzug anzusehen. Er hat die Option, die jeweilige Angelegenheit nach § 119 II AktG der Hauptversammlung vorzulegen. Die eigene Untersuchung soll darüber Aufschluss geben, ob diese Erkenntnis als endgültig zu akzeptieren ist oder ob sich eine Erweiterung der Hauptversammlungskompetenzen in Hinblick auf den Börsengang sowie den Börsenrückzug doch noch überzeugend aus dem Gesetz ableiten lässt. Es bleibt dabei, dass dies jedenfalls nur im Wege der Analogie möglich sein kann. Festgehalten wird weiter daran, dass die Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung den Bezugspunkt der Untersuchung bilden. Denn die übrigen Einzelkompetenzen der Hauptversammlung im AktG bieten keine aussichtsreichen Anhaltspunkte für eine Analogie.

544

Vgl. oben D. VI. 3. b), c).

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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5. Die eigene Klassifikation der gesetzlichen Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung a) Bestimmung der maßgeblichen Kompetenznormen sowie der historischen Grundlagen dieser Normen für die Ermittlung eines einheitlichen Regelungsgedankens Wie gesehen, ist es wenig Erfolg versprechend, die Aktionäre an der Verwaltung der AG mittels Kriterien beteiligen zu wollen, die sich aus den gesetzlichen Kompetenztatbeständen nur als hoch-abstrakte, unscharfe Oberbegriffe ableiten lassen. Bei der Ermittlung der Regelungstendenz des Gesetzes wird also auf – wenngleich verallgemeinerungsfähige – konturschärfere Kriterien zu achten sein. Solche Kriterien sind unter Berücksichtigung der Materialien zu den aktiengesetzlichen Vorschriften aus dem Gesetz zu entwickeln.545 Daher ist zunächst näher festzulegen, welches die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen in diesem Zusammenhang sind. Eine vollständige rechtseinheitliche Kodifikation der „Verfassung“ der AG brachte im nationalen Rahmen erstmals das ADHGB von 1861.546 Die dort enthaltenen Vorschriften sahen bereits die drei Organe Generalversammlung, Vorstand (beide obligatorisch) und Aufsichtsrat (fakultativ) vor. Die Regelung der Binnenorganisation der Gesellschaft war jedoch weitgehend dem Statut überlassen, Art. 209 ADHGB 1861.547 Die erste Aktienrechtsnovelle 1870 brachte für die Kompetenzverteilung in der AG keine gravierenden Änderungen.548 Die zweite Aktienrechtsnovelle von 1884 war vor allem eine Reaktion auf in der Zwischenzeit zutage getretene Missstände in der Rechtspraxis des Aktienrechts („Gründungsschwindel“).549 Dem sollte vor allem durch eine Reform des Gründungsrechts und durch eine klarere Binnenorganisation der AG begegnet wer545 Vgl. allg. zu den dogmatischen Grundlagen der Analogie Larenz S. 370 ff, insbes. 373 f. 546 Einige aktienrechtliche Bestimmungen enthielt bereits der Code de Commerce aus dem Jahre 1807, der in einigen deutschen Ländern unmittelbare Geltung hatte (GroßKomm4 /Assmann Einl. Rn. 34). Das Preußische „Gesetz über die Aktiengesellschaften“ vom 9.11.1843 als erste umfassende Regelung der Materie in Deutschland (Baums Gesetz S. 37) enthielt neben „Allgemeinen Grundsätzen“ (§§ 1 ff.) Bestimmungen über die „Rechtsverhältnisse der Aktiengesellschaften und der Aktionaire“ (§§ 8 ff.) sowie die „Rechte und Pflichten der Vorsteher der Gesellschaften“ (§§ 19 ff.). Zur inneren Organisation der Gesellschaft enthielt sich die Kodifikation aber näherer Vorgaben, vgl. Schumacher S. 46 ff. 547 Schumacher S. 68 ff. 548 Vgl. GroßKomm4 /Assmann Einl. Rn. 79 ff. 549 Einen Überblick über diese Missstände gibt die Denkschrift zum Antrag Preußens beim Bundesrath vom 17. November 1876, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht, S. 133 ff.

162

D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

den.550 Die hierdurch geschaffene Rechtslage, die keine umwälzenden Veränderungen im Verhältnis von Hauptversammlung und Verwaltung brachte, wurde unter nur wenigen Änderungen und Ergänzungen in das HGB 1897 übernommen. Neue Bewegung kam in die Ausgestaltung der Organisationsverfassung im Aktienrecht erst mit der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre.551 In der Praxis hatte sich die Entscheidungsfindung in der AG zunehmend auf die Verwaltung verlagert. Missbräuche bei der Ausübung der Verwaltungsmacht und spektakuläre Zusammenbrüche552 entfachten lebhafte Diskussionen um notwendige Reformen553, die schließlich zur Verabschiedung des AktG 1937 führten. Das AktG 1937 brachte eine völlige Neuordnung der Verfassung der AG, vor allem der Kompetenzen ihrer Organe mit sich. Während man in den Vorarbeiten zum Gesetz von 1937 noch eine Steigerung der Bedeutung der Hauptversammlung als zentrales Anliegen gesehen hatte, um dem zunehmenden Misstrauen der Anleger zu begegnen und um die Kapitalanlage in der AG attraktiv zu machen554, ging das AktG 1937 in die genau entgegengesetzte Richtung. Nach der tiefgreifenden Umstrukturierung hatte der Vorstand „unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“, § 70 I AktG 1937, während die Zuständigkeiten des nun als „Hauptversammlung“ bezeichneten Anteilseignerorgans ganz erheblich beschnitten wurden. Die Hauptversammlung konnte fortan nur noch in den „in dem Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen“ beschließen, § 103 I AktG 1937. Dem Aufsichtsrat wurde die Aufgabe zugewiesen, die Geschäftsführung zu überwachen, § 95 I AktG 1937. Da diese Form der Kompetenzverteilung erstmals die wesentlichen Züge der heutigen Regelung trägt, wird im Folgenden diese Fassung des AktG im Vordergrund zu stehen haben, wenn es um die Ermittlung der gesetzgeberischen Motivation bei der Verteilung der innergesellschaftlichen Kompetenzen geht. Der historische Entstehungshintergrund der Zuständigkeiten der Hauptversammlung im Übrigen wird natürlich ebenso mit zu berücksichtigen sein wie Folgeänderungen, die diese Kompetenzordnung ergänzt oder modifiziert haben.

550

Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 64 ff. GroßKomm4 /Assmann Einl. Rn. 136 ff. 552 Hierzu Hommelhoff in Schubert/Hommelhoff Aktienrechtsreform S. 76 ff. m. w. N.; Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 27 ff.; Klausing Einleitung Anm. 19. 553 Einen Überblick über die Diskussion gibt Schubert in Schubert/Schmid/Regge Akademie, S. XX ff. Besonders hervorzuheben sind die Arbeiten der Akademie für Deutsches Recht, deren Vorarbeiten zu weiten Teilen in das AktG 1937 eingeflossen sind (a. a. O. S. 424). 554 So Hachenburg zum grundlegenden Anliegen der Reformbestrebung in seinem Bericht über das Ergebnis der Beratungen im aktienrechtlichen Arbeitsausschuss vom 7.3.1933, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff Aktienrechtsreform S. 825 f. 551

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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b) Zur planwidrigen Gesetzeslücke bezüglich der Entscheidungen über den Börsengang sowie über den Börsenrückzug (1) Ausblick Die Herleitung einer Hauptversammlungskompetenz für den Börsengang und für den Börsenrückzug in Analogie zu den Grundlagentatbeständen setzt zunächst eine planwidrige Regelungslücke voraus.555 Eine solche Lücke enthält das Gesetz bekanntlich nicht schon dann, wenn es zu einer Frage – wie zu derjenigen nach der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung für das Going Public und das Delisting – schweigt. Es kann für einen Bereich „beredt schweigen“556, also auf eine Regelung verzichten, und gerade dadurch den abschließenden Charakter des Geregelten zum Ausdruck bringen. Für die Frage, ob eine planwidrige Regelungslücke betreffend den Börsengang bzw. den Börsenrückzug vorhanden ist, kommt es deshalb darauf an, ob nach der „Regelungsabsicht“ des AktG eine Regelung der Zuständigkeiten zu erwarten ist, ob das Gesetz also eine Norm nicht enthält, die es nach der inneren Logik der Regelungsabsicht enthalten sollte.557 Insoweit kann zum einen Normen aus anderen Regelungsbereichen als den positiven Regeln über Hauptversammlungszuständigkeiten von vornherein eine „Absage“ an die Ausweitung der Kompetenzen des Anteilseignerorgans zu entnehmen sein. Dann fehlt es schon kraft dieser „Absage“ an einer planwidrigen Lücke. Auf die gesetzgeberische Regelungsabsicht im Bereich der positiven Kompetenzen für die Hauptversammlung kommt es dann nicht mehr an. Ist das nicht der Fall, so kann sich zum anderen aus dem „Regelungsplan“558, welcher den Kompetenznormen selbst zugrunde liegt, ergeben, dass die dort normierten Zuständigkeiten auf den Fall des Börsengangs bzw. des Börsenrückzugs nicht erweitert werden dürfen.

555

Vgl. allgemein Larenz S. 370 ff. Dazu Larenz S. 370. 557 Larenz S. 373 f. Abzugrenzen ist die planwidrige Unvollständigkeit insoweit vom rechtspolitischen Fehler. Auch hier geht es zwar darum, ob das Gesetz eine Regelung nicht enthält, die es enthalten sollte. Der Maßstab für das „Enthalten-Sollen“ ist hier aber nicht (nur) die Regelungsabsicht des Gesetzes, es sind z. B. auch Zweckmäßigkeitserwägungen zulässig. Auch hierzu Larenz S. 373 ff. 558 So der von Larenz S. 373 gewählte Begriff. 556

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

(2) Die abschließende Regelung des Börsenrückzugs in § 38 IV BörsG und das Fehlen einer abschließenden börsenrechtlichen Regelung des Börsengangs Eine erst auf den zweiten Blick als solche erkennbare, implizite Regelung der innergesellschaftlichen Zuständigkeit für die Stellung des Antrags auf Börsenrückzug enthält § 38 IV BörsG. Diese Regelung ist abschließend und steht deshalb der Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz entgegen.559 Dass sich im BörsG eine Regelung innergesellschaftlicher Zuständigkeitsfragen finden soll, überrascht zunächst. Die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften treffen nämlich generell in Bezug auf die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung keine Aussagen. Das gilt auch für das BörsG, das von seinen Regelungszwecken her innergesellschaftliche Fragen nicht erfasst. Die börsenrechtlichen Vorgaben beziehen sich nicht auf Vorgänge in der Gesellschaft, sondern auf das marktbezogene Verhalten des Emittenten und seiner Akteure, auf den Auftritt am Kapitalmarkt. Das Börsenrecht gewährleistet den Anlegerschutz am Markt und den Funktionsschutz des Marktes.560 Zwar sind auch die Aktionäre „Anleger“ am Markt und als solche vom Schutzbereich des BörsG erfasst. Die börsengesetzlichen Regelungen beziehen sich aber auf den einzelnen Marktteilnehmer, den einzelnen Anleger und seine Rechts- bzw. Vermögensposition, während die Frage der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung eine Gesamtheit, einen Zusammenschluss von „Anlegern“ und die rechtlichen Spezifika dieses Zusammenschlusses berücksichtigt. Zu letzteren äußert sich das BörsG nicht.561 Der Blick auf die Gesetzesmaterialien zum BörsG scheint das noch zu bestätigen: Für das Delisting stellt die Stellungnahme des Bundesrates heraus, dass die Frage, ob ein Hauptversammlungsbeschluss vor Stellung des Antrags auf Delisting erforderlich sei, in § 43 IV BörsG a. F. (entspricht § 38 IV BörsG) nicht geregelt werden sollte.562 Die Ausführungen lassen erkennen, dass dies

559 I.E. so auch Wirth/Arnold ZIP 2000, 113 f.; Schiessl AG 1999, 452; Bungert BB 2000, 55; Krämer/Theiß AG 2003, 230 ff. A. A. etwa Mülbert ZHR 165 (2001), 116 f.; Zetzsche NZG 2000, 1065 f.; Kruse BB 2000, 2271 ff. Unklar das LG München I, ZIP 1999, 2019: Nachdem es eine „Strukturmaßnahme“ bejaht hat, führt es im Zusammenhang mit möglichen Berichtspflichten des Vorstands aus: „Vor allem seit dem erst 1998 [. . .] eingeführten Delisting müssen sich die Marktteilnehmer nicht auf durch Richterrecht zusätzlich geschaffene formelle und materielle Voraussetzungen einstellen; sie dürfen vielmehr auf eine abschließende Regelung durch den Gesetzgeber vertrauen.“ 560 Vgl. allgemein für das Kapitalmarktrecht Kümpel Rn. 8.388 ff.; Lenenbach Rn. 1.37 ff. 561 Das meint wohl Mülbert (ZHR 165 (2001), 116 f.), wenn er es unter Hinweis auf die „Funktion“ des § 38 IV BörsG ablehnt, der Vorschrift eine abschließende Regelung des Anlegerschutzes zu entnehmen.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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aus Sicht des Gesetzgebers eine außerhalb des Börsengesetzes zu klärende Frage ist.563 Zumindest für das Delisting kann bei diesen Betrachtungen aber nicht stehen geblieben werden. Es trifft zu, dass das BörsG seiner Grundausrichtung nach keine gesellschaftsrechtlichen Anordnungen trifft. Das bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber nicht im Börsenrecht eine bestimmte Auffassung vom gesellschaftsrechtlichen Rechtszustand erkennen lassen und mithin verbindlich voraussetzen könnte. Eine entsprechende Anknüpfung an gesellschaftsrechtliche Gegebenheiten ist z. B. aus dem Bereich des Steuerrechts bekannt, das mit der Figur der Organschaft an eine bestimmte gesellschaftsrechtliche Verbindung von Gesellschaften anknüpft. Aus den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes können – so Flume564 – die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen einer organschaftlichen Verbindung anderer Gesellschaftsformen als der AG gefolgert werden. Ein weiteres Beispiel aus dem Recht der Mitbestimmung ist schon behandelt worden565: Den §§ 32 MitbestG, 15 MitbestErgG kann man ein bestimmtes Verständnis der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzlage bei Entscheidungen im Konzern entnehmen. Ganz ähnlich verhält es sich beim Börsenrückzug: § 38 IV BörsG ist bei näherer Betrachtung zu entnehmen, dass gesellschaftsrechtlich allein der Vorstand über die Antragstellung auf Aufhebung der Börsenzulassung zu entscheiden hat. Diese Rechtslage ist in der Vorschrift vorausgesetzt. Die Annahme eines obligatorischen Hauptversammlungsbeschlusses über das Delisting lässt sich mit ihr nicht vereinbaren. Das erklärt sich wie folgt: Hätte die Hauptversammlung über den Rückzug von der Börse zu entscheiden, so wäre das Ermessen, welches § 38 IV 1 BörsG der Börsenzulassungsstelle bei der Entscheidung über den Antrag auf Börsenrückzug einräumt, teilweise sinnentleert. Die Zulassungsstelle muss im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung das Rückzugsinteresse des Emittenten einerseits und das Interesse der „Anleger“ – d.h. der Aktionäre des Emittenten566 – am Erhalt der Börsennotierung andererseits gegeneinander abwägen.567 Gemäß § 38 IV 2 BörsG hat 562 BT-Drucks. 13/8933 S. 165: Dort findet sich in der Stellungnahme des Bundesrates die Anregung an die Börsenträger, in den BörsO die Frage eines Hauptversammlungsbeschlusses über das Delisting zu regeln (Anlage 2). 563 Auf die Entstehungsgeschichte verweist vor allem Zetzsche NZG 2000, 1066. Es habe lediglich eine international übliche Rückzugsmöglichkeit von der Börse eingerichtet werden sollen. „Eine das Gesellschaftsrecht betreffende Regelung war somit nicht beabsichtigt.“ Zustimmend Mülbert ZHR 165 (2001), 116 f. 564 DB 1989, 665. Flume wendet sich dort gegen die vom BGH (BGHZ 105, 324) vertretene analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften über den Vertragskonzern auf die GmbH. Er stützt sich insoweit auf §§ 7a, 17 KStG damaliger Fassung (heute: §§ 14 ff. KStG). Zur Ansicht Flumes eingehend Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 457 ff. 565 D. VI. 3. c).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

die Zulassungsstelle den Delisting-Antrag abzulehnen, wenn der Widerruf der Börsenzulassung dem Schutz der Anleger widerspricht. § 38 IV BörsG eröffnet der Zulassungsstelle also offenbar eine umfassende Prüfungskompetenz. Diese Kompetenz beschneidet man in ganz erheblichem Maße, hält man einen positiven Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting für zwingend. Nach einem solchen Beschluss könnte die Börsenzulassungstelle nämlich letztlich nicht anders, als dem Antrag auf Börsenrückzug stattzugeben. Denn es wäre eine schwerlich zu rechtfertigende Bevormundung der Aktionäre seitens der Zulassungsstelle, der AG unter Hinweis auf die Anlegerinteressen das Delisting zu verweigern, nachdem ebendiese Anleger den Börsenrückzug beschlossen haben. Zwar könnte man anführen, dass die Zulassungsstelle – anders als die Hauptversammlung568 – die Interessen aller Anleger der AG zu berücksichtigen habe und dass deshalb eine konträre Entscheidung der Zulassungsstelle durchaus in Frage komme. Ganz überzeugend ist das jedoch nicht. Die Aktionäre haben sich in gesellschaftlichen Fragen der Mehrheitsherrschaft unterworfen und müssen daher grundsätzlich Beschlüsse der Hauptversammlung ohne materielle Beschlusskontrolle als auch von ihnen getroffen hinnehmen. Das ist das Wesen des Mehrheitsprinzips. Dieses gesellschaftsrechtliche Prinzip auf der Grundlage von § 38 IV BörsG zu durchbrechen, würde bedeuten, die Norm ausschließlich als Korrektiv zugunsten einer überstimmten Minderheit einzusetzen und den Delisting-Beschluss insoweit gerade doch einer „Inhaltskontrolle“ zu unterziehen. Eine solch restriktive Zwecksetzung lässt sich § 38 IV BörsG nicht entnehmen. Deshalb ist der Widerspruch zwischen der Annahme eines zwingenden positiven Hauptversammlungsbeschlusses über das Delisting und der Ermessensprüfung durch die zuständige Stelle i. S. v. § 38 IV BörsG letztlich nicht vollends aufzulösen. Umso mehr gilt dies, wenn man den dissentierenden Minderheitsaktionären zusätzlich ein „Abfindungsrecht“ zugesteht, also das Recht, zum Verkehrswert der Aktien abgefunden, aus der AG auszuscheiden.569 Dann sind die mit dem Beschluss über den Börsenrückzug verbundenen „Härten“ für die Minderheit vollends aufgefangen, es bestünde erst recht kein Bedürfnis für eine weitere Berücksichtigung gerade ihrer Interessen durch die Börsenzulassungsstelle.570 566 Vgl. BT-Drucks. 13/8933 S. 57, 75. Der Blick auf die ergänzenden Regelungen der BörsO bestätigt dies. Die BörsO sehen allein Schutzmechanismen zugunsten der Aktionäre des Emittenten vor, vgl. etwa §§ 58, 67, 73, 82 BörsO FWB. In der BörsO FWB ist insoweit vorgesehen, dass den Aktionären hinreichend Zeit bis zur Aufhebung der Börsenzulassung verbleiben muss, um ihre Anteile noch über die Börse zu veräußern. 567 So ausdrücklich BT-Drucks. 13/8933 S. 182; vgl. auch Groß Kapitalmarktrecht §§ 42, 43 Rn. 16 m. w. N. 568 Das gilt jedenfalls, wenn man nicht einen einstimmigen Beschluss über das Delisting fordert. 569 Dazu Näheres unter E. 570 So wohl auch Schiessl AG 1999, 452.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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Diese systematischen Erwägungen sprechen dafür, allein den Vorstand als kompetent für die Entscheidung über die Beantragung des Börsenrückzugs (und natürlich für die Antragstellung selbst, § 78 I AktG) zu sehen. Wenn er den Antrag auf Aufhebung der Börsenzulassung stellt, sind die eben dargestellten Widersprüche ausgeschlossen. Eine umfängliche Berücksichtigung der Anlegerinteressen durch die Börsenzulassungsstelle ist in diesem Fall sinnvoll. Denn der Vorstand handelt nicht für die „Anleger“, sondern für die AG. Dass der Vorstand die Entscheidung über das Delisting freiwillig nach § 119 II AktG der Hauptversammlung vorlegen kann, ist unbenommen. Daraus folgen aber keine unauflösbaren Kollisionen mit § 38 IV BörsG, wie sie auftreten, wenn man eine zwingende Hauptversammlungskompetenz annimmt. Die Zulassungsstelle hat nach hier vertretener Ansicht eine positive Willensbekundung der Aktionäre in ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Ein eigenständiger Anwendungsbereich mit ergebnisoffener Ermessensentscheidung der Zulassungsstelle bleibt aber für diejenigen Fälle des Börsenrückzugs auf Antrag des Emittenten, in denen ein solcher Beschluss nicht (wirksam) zustande gekommen ist. § 38 IV BörsG kann aus diesen Gründen eine „indirekte“ Regelung der Zuständigkeitsfrage beim Börsenrückzug entnommen werden, welche der Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz entgegensteht. Für den Börsengang gilt das nicht in gleicher Weise. Diesbezüglich ist dem Börsengesetz keine vergleichbare implizite Regelung zu entnehmen. Das Börsenrecht scheint zwar auch insoweit die sachnächste Regelung zu sein, als dort zahlreiche Vorgaben zu finden sind, von denen die Zulassung einer AG zur Börse abhängt. Der Emittent hat die Erfüllung der börsenrechtlichen Anforderungen gegenüber der Börsenzulassungsstelle nachzuweisen, unter anderem durch Einreichung eines Prospekts. Der Nachweis eines den Börsengang gestattenden oder gar zusätzlich unanfechtbar gewordenen Hauptversammlungsbeschlusses rangiert hingegen nicht unter diesen Voraussetzungen, vgl. §§ 30, 51 BörsG. Daraus könnte man entnehmen, dass eine Zustimmung der Hauptversammlung für die Beantragung der Zulassung zu den verschiedenen Börsensegmenten entbehrlich ist. Dieser Schluss ginge indessen fehl. Wie gesehen, enthält das Börsenrecht seiner grundsätzlichen Ausrichtung auf den Anlegerschutz und den Funktionsschutz des Marktes sowie seiner Entstehungsgeschichte nach keine Aussagen zu innergesellschaftlichen Fragen. Für den Börsengang bleibt es in der Tat dabei. Denn wenn man unterstellt, dass der Börsengang zustimmungspflichtig seitens der Hauptversammlung der betroffenen AG ist, so ergeben sich daraus keine Widersprüchlichkeiten im Verhältnis zum Börsenrecht, wie sie für das Delisting betreffs § 38 IV BörsG aufgezeigt worden sind. Die börsengesetzlichen Vorgaben für die Zulassung zur Börse sind deshalb nicht als gesellschaftsrechtlich abschließend anzusehen. Mit Blick auf den Börsengang ist

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

die Untersuchung der Voraussetzungen einer Analogie, einer möglichen „ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz“, daher fortzusetzen. (3) Keine abschließende Regelung der Hauptversammlungskompetenzen in § 119 I AktG Auf eine abschließende aktiengesetzliche Regelung der Kompetenzen der Hauptversammlung deutet der Wortlaut von § 119 I AktG hin. Dort heißt es: „Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen [. . .]“. Damit ist die Auffassung des Gesetzgebers deutlich zum Ausdruck gebracht: Die Hauptversammlung ist auf einen ausdrücklichen Kompetenzkatalog beschränkt. In der Satzung können der Hauptversammlung darüber hinaus nur dann Kompetenzen zugewiesen werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich gestattet, § 23 V AktG. Diese Regelung war auch durchaus abschließend gemeint. So bekräftigt die Amtliche Begründung zum AktG 1965571: „In anderen als in den danach [scil.: nach § 119 AktG] zulässigen Fällen kann die Hauptversammlung nicht beschließen.“ Gleichwohl verbietet § 119 I AktG nicht jedwede Erweiterung des gesetzlichen Kompetenzkatalogs zugunsten der Hauptversammlung. Die eben zitierte gesetzgeberische Äußerung ist vielmehr vor dem historischen Entstehungshintergrund der Norm zu sehen. Die Gesetzesgeschichte zeigt, dass § 119 I AktG lediglich eine beliebige Erweiterung außerhalb der durch einen gemeinsamen Regelungsgedanken verbundenen Kompetenzen der Hauptversammlung verhindern sollte. § 103 AktG 1937 brachte die heute in § 119 AktG enthaltene Beschränkung der Zuständigkeiten der Hauptversammlung. Vorher war das Anteilseignerorgan „in allen Fragen des wirtschaftlichen Lebens der Aktiengesellschaft die entscheidende Stelle“572 gewesen. Die Zuständigkeiten der Hauptversammlung waren noch im HGB 1897 gar nicht umfassend niedergelegt. Vielmehr hatte die Hauptversammlung nach dem Grundsatz des § 32 I 1 BGB über alle Angelegenheiten zu beschließen, die nicht aufgrund Gesetzes oder der Satzung von einem der anderen Organe zu besorgen waren.573 Mit der Einführung von § 103 AktG 1937 wollte der Gesetzgeber die Verhältnisse umkehren.574 Der Ge-

571 Bei Kropff S. 165. Eingeführt wurde die Beschränkung der Hauptversammlungskompetenzen allerdings durch § 103 AktG 1937, dazu noch sogleich im Text. 572 Amtliche Begründung zu §§ 102–124 AktG 1937, bei Klausing. 573 GroßKomm1 /Schmidt § 103 Anm. 1. 574 Das belegt die Einführung zur Amtliche Begründung bei Klausing, die auf die Vorarbeiten des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht Bezug nimmt. Die Einführung des „Führerprinzips“ in der AG – also die Aufgabe der Vormachtstellung der Hauptversammlung durch entsprechenden Machtzuwachs des Vorstands – war hier ein zentrales Anliegen, vgl. die Rede von Kißkalt zur Eröffnung der ersten Sitzung des Ausschusses am 6.1.1934, bei Schubert/Schmid/Regge Akademie

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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danke der Beendigung der „Auffangkompetenz“ oder der „Allmachtstellung“575 der Hauptversammlung steht aber dem nicht entgegen, einzelne Tatbestände im Wege der Analogie so auszuweiten, dass sie den ausdrücklich geregelten gleichartige Konstellationen erfassen. Auch dann ist der Grundgedanke der Regelung gewahrt. Wollte der Gesetzgeber innerhalb des von ihm abgesteckten Kompetenzkatalogs eine bestimmte Regelungsabsicht verfolgen, wollte er insoweit alle denkbaren, dem Regelungsgedanken entsprechenden Fallgestaltungen der Hauptversammlung überantworten und hat er dies versehentlich nicht ausreichend umgesetzt, so entspricht es vielmehr gerade der gesetzgeberischen Intention, die als gleich gelagert erkannte Fallkonstellation in den Kreis der den Anteilseignern zugedachten Kompetenzen mit aufzunehmen.576 Die intendierte Aufgabe der „Allzuständigkeit“ der Hauptversammlung sollte also lediglich verhindern, dass unter Berufung auf die Stellung der Hauptversammlung als „oberstes“ oder allzuständiges Organ der Aktiengesellschaft Kompetenzen der Hauptversammlung hergeleitet werden.577 Aus der Gesetzeshistorie ergibt sich noch ein weiteres Argument dafür, dass nicht am Wortlaut des § 119 I AktG zu haften ist, sondern dass die Vorschrift einer vorsichtigen Erweiterung zugänglich ist. Die Amtliche Begründung zu § 103 AktG 1937, der durch § 119 AktG 1965 lediglich fortgeschrieben wurde, sah die Hauptversammlung als für „alle mit dem wirtschaftlichen oder rechtlichen Aufbau zusammenhängenden Fragen“578 zuständig. Diese offene Formulierung lässt ebenfalls Raum für eine systemimmanente Erweiterung der Zuständigkeiten der Hauptversammlung. Auch aus diesem Grunde ist § 119 I AktG nicht dahin zu verstehen, dass jedwede Erweiterung der Kompetenzen der Hauptversammlung ausgeschlossen wäre.579 Einem „Zu-Ende-Denken“ der ge-

S. 3; vgl. auch GroßKomm1 /Schmidt § 103 Anm. 1. Zum sachlichen Hintergrund näher schon oben D. VI. 1. 575 v. Rechenberg spricht von der „Allkompetenz“ der Generalversammlung (S. 24) auf der Grundlage der aktiengesetzlichen Regelungen bis zum HGB 1897. In eine ähnliche Richtung die Äußerung des Reichsoberhandelsgerichts aus dem Jahre 1873 (ROHG XI, 125): „So bildet [. . .] die Generalversammlung die Verkörperung der Gesellschaft und ist als solche sowohl die Principalin aller Verwaltungsorgane, als auch die Inhaberin alleiniger freier Willensbestimmung, nur beschränkt durch die den Gesellschaftern, als solchen, nach der Grundlage des Gesellschaftsvertrags zugesicherten und ohne deren Zustimmung nicht zu brechenden oder zu verkürzenden Rechte. Wie nun die Generalversammlung [. . .] sogar das Statut selbst ändern kann [. . .], so kann sie auch für einzelne in der Folgezeit zu erledigende Angelegenheiten Special-Beschlüsse fassen, welche, [. . .] für die Verwaltungsorgane verbindlich sind [. . .]“. 576 So auch Mertens AG 2000, 160 f. 577 So auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 89 ff.; GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 25. 578 Amtliche Begründung zu §§ 102–124, bei Klausing; Formulierung aufgenommen durch die Amtliche Begründung zum AktG 1965, bei Kropff S. 165. 579 Ebenso z. B. Geßler FS Stimpel S. 779 ff.; Rehbinder FS Coing II S. 432.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

setzlichen Kompetenzzuweisungen an die Hauptversammlung steht § 119 I AktG nicht entgegen. (4) Keine abschließende Regelung in § 111 IV AktG Eine Entscheidung des Gesetzgebers gegen ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung, speziell gegen eine ungeschriebene Zuständigkeit beim Börsengang, könnte des Weiteren § 111 IV AktG in der Fassung des TransPuG580 zu entnehmen sein. Zwar beschäftigt sich diese Vorschrift unmittelbar nur mit Beteiligungsrechten des Aufsichtsrates an Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands. Sie ordnet an, dass bestimmte Arten von Geschäften der Zustimmung des Aufsichtsrates unterstellt werden können bzw. müssen.581 Wenn sich der Norm aber entnehmen lässt, dass gerade die Entscheidung über den Börsengang an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden werden kann (oder ggf. sogar gebunden werden muss), so wäre dem zugleich zu entnehmen, dass nur der Vorstand hierüber entscheiden kann. Denn ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates zu Maßnahmen der Hauptversammlung kennt das Aktienrecht nicht. Dem Wortlaut von § 111 IV AktG lassen sich insoweit keine Hinweise entnehmen. Es ist lediglich vorgesehen, dass der Aufsichtsrat sich zwingend die Zustimmung zu „bestimmten Arten von Geschäften“ des Vorstands vorzubehalten hat. Welche Art von Geschäften gemeint ist, wird nicht präzisiert. Der Blick auf die Gesetzesbegründung ergibt nähere Anhaltspunkte. Dort heißt es, dass der Aufsichtsrat sich eine Beteiligung an „Maßnahmen und Entscheidungen, die die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegend verändern“582 vorbehalten müsse. Auch von „grundlegenden“ Entscheidungen ist die Rede, namentlich von solchen zur „Unternehmensstrategie“ sowie von „bedeutsame[n] Investitionsentscheidungen“.583 Diese Terminologie lässt zunächst zweifeln, ob nicht gerade die besonders wichtigen „Strukturmaßnahmen“, für die nach wohl h. M. eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung besteht und denen überwiegend auch der Börsengang zugeschlagen wird, hier erfasst sein sollen.

580 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität v. 19. Juli 2002, BGBl. I, 2681. 581 Ausdrücklich normiert § 111 IV AktG nur die Pflicht, bestimmte Arten von Geschäften an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden. Daneben können noch weitere Geschäfte an seine Zustimmung gebunden werden (allgemeine Ansicht, vgl. Hüffer AktG § 111 Rn. 1 ff. 582 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität, BT-Drucks. 14/8769 S. 17. 583 BT-Drucks. 14/8769 S. 17.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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Solchen Zweifeln hilft die Gesetzesbegründung aber selbst ab und stellt klar, dass die Rechte des Aufsichtsrats der Annahme etwaiger ungeschriebener Kompetenzen der Hauptversammlung nicht entgegenstehen sollen.584 Aus Sicht des Gesetzgebers war mithin eine Beschränkung der Hauptversammlungskompetenzen zugunsten des Aufsichtsrats nicht intendiert. Vielmehr ging es bei der Änderung des § 111 IV AktG, wie schon aus den Vorarbeiten ersichtlich585, allein um eine Stärkung der Überwachungsfunktion des Aufsichtrates im Verhältnis zur Verwaltung der AG. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund der Bemühungen um eine verbesserte Unternehmensführung und Führungskontrolle („Corporate Governance“) zu sehen.586 Daraus erschließt sich, dass § 111 IV AktG nicht zu Fragen der Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand und Hauptversammlung Stellung nimmt. Aus § 111 IV AktG lassen sich demnach keine Hinweise auf eine abschließende Regelung im AktG und damit gegen ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten beim Börsengang herleiten. (5) Kein Verstoß gegen Grundsätze des Rechts der Arbeitnehmermitbestimmung Einen letzten Hinweis auf den abschließenden Charakter der Kompetenzzuweisungen im AktG an die Hauptversammlung könnte man dem Recht der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene (MontanmitbestG, MitbestErgG, MitbestG und BetrVG 1952 (über § 129 BetrVG 1972)) zu entnehmen haben.587 Dieser Rechtsbereich enthält vor allem Regelungen zur Besetzung des Aufsichtsrats und zu seinen Kompetenzen.588 Der Aufsichtsrat kann dabei als das für die Mitbestimmung wesentliche Organ bezeichnet werden.589 Diese Umstände machen es notwendig zu überprüfen, ob nicht der Grundansatz der Mitbestimmung beim Organ Aufsichtsrat es ausschließt, Maßnahmen und Entscheidungen dem Zugriff der Arbeitnehmer über das von ihnen mitbestimmte Organ zu entziehen, indem man sie im Wege der Analogie der Hauptversammlung zuordnet.590 Der Aufsichtsrat kann nämlich nur Entscheidungen, 584

BT-Drucks. 14/8769 S. 17. Die Regierungskommission Corporate Governance unter Leitung von Baums hat die Einführung des § 111 IV 2, 3 AktG empfohlen, vgl. Baums Bericht Rn. 34–35. 586 Vgl. BT-Drucks. 14/8769 S. 10. 587 Überblick über die gesetzlichen Grundlagen der Mitbestimmung bei Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 844 ff. Mit dem BetrVG 1952 ist das Betriebsverfassungsgesetz vom 11.10.1952 gemeint, als BetrVG 1972 wird hier das Betriebsverfassungsgesetz vom 15.1.1972 i. d. F. der Bekanntmachung vom 23.12.1988 abgekürzt. 588 Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 841 ff. Die Mitbestimmung beschränkt sich nicht auf den Aufsichtsrat, das ist hier aber nicht weiter auszuführen. Überblick über das System der Mitbestimmung bei Wilhelm a. a. O. 589 Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 844. 585

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

die in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands fallen, seiner Zustimmung unterstellen, § 111 IV AktG. Ist hingegen die Hauptversammlung für eine Maßnahme entscheidungsbefugt, scheidet ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrates aus. Vor diesem Hintergrund spricht Folgendes gegen eine „Stärkung“ der Rolle der Hauptversammlung durch ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen: Die Arbeitnehmer sollen nach dem Mitbestimmungsrecht die Möglichkeit haben, präventive Mitkontrolle im Unternehmen auszuüben, wobei ursprünglich sogar „eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen“ erzielt werden sollte.591 Das Mitbestimmungsrecht lässt also im Verhältnis des Aufsichtsrates zum Vorstand Interessen Dritter an der Rolle des Aufsichtsrates teilhaben: diejenigen der Arbeitnehmer. Deshalb, so ließe sich argumentieren, ist eine Kompetenzausweitung zugunsten der Hauptversammlung und zulasten des Vorstands im Analogiewege zumindest insoweit fragwürdig, als mitbestimmte Aktiengesellschaften von dieser Analogie betroffen wären. Des Weiteren ist die Verschiebung von Kompetenzen vom Vorstand auf die Hauptversammlung auch deshalb nicht unproblematisch, weil der Vorstand selbst mitbestimmt sein kann (durch den Arbeitsdirektor, § 33 MitbestG), während Arbeitnehmer, die nicht zugleich Anteilseigner sind, auf die Beschlussfassung in der Hauptversammlung keinerlei Einfluss nehmen können.592 Die eben aufgeführten Bedenken gründen allerdings auf der Annahme, dass das Mitbestimmungsrecht gesellschaftsrechtlichen Einfluss für sich reklamiere.593 Ebenso denkbar ist, dass das Recht der Mitbestimmung ausschließlich an den vorhandenen gesellschaftsrechtlichen status quo anknüpft, aktienrechtliche Vorgaben also vollumfänglich „akzeptiert“ und eine Mitbestimmung folglich nur in Bereichen in Frage kommt, in denen auf aktiengesetzlicher Basis das mitbestimmte Organ kompetent ist.594 Für dieses Verständnis spricht letztlich das Folgende: Der Gesetzgeber hat im AktG bestimmte Fallgestaltungen der Hauptversammlung zugeordnet. Damit 590 Zum Problem Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 819. Speziell die Frage des Börsengangs wird regelmäßig von besonderem Interesse für die Arbeitnehmer sein, da die heute übliche Ausrichtung auf den „shareholder value“ nicht selten die Fokussierung auf Kostensenkungen zur Steigerung des Unternehmenswerts mit sich bringt – die Konsequenz für Arbeitnehmer liegt auf der Hand. 591 Vgl. die Begründung zum RegE eines MitbestG, BT-Drucks. 7/2172 S. 17. Das BVerfG hat allerdings im Mitbestimmungsurteil darauf hingewiesen, dass diese Vorgabe nicht erreicht worden sei, BVerfGE 50, 350 ff. 592 Auch dieses Problem wirft Wilhelm (Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 819) auf. 593 In diesem Sinne denn auch Raiser MitbestG § 25 Rn. 9 ff. 594 Dafür schon BR-Drucks 200/74 S. 16. KK2 /Mertens Anh. B nach § 117 vor § 1 MitbestG Rn. 4.

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sind sie der Mitbestimmung entzogen. An diesen Rechtszustand hat der Gesetzgeber des später entstandenen Mitbestimmungsrechts bewusst angeknüpft. Für das MitbestG führt die Regierungsbegründung ausdrücklich aus, die „gleichgewichtige“ Teilnahme der Arbeitnehmer an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen solle „auf der Grundlage des geltenden Gesellschaftsrechts“ realisiert werden.595 Dem entspricht es, dass das Mitbestimmungsrecht punktuell ausdrückliche Regelungen enthält, welche die innergesellschaftliche Kompetenzzuordnung im Gesellschaftsrecht modifizieren. So ordnet etwa § 32 MitbestG an, dass die Entscheidung des Vorstands einer Muttergesellschaft über die Auflösung einer Tochtergesellschaft der Zustimmung der Anteilseignervertreter des Aufsichtsrates der Mutter bedarf. Die Gesetzesmaterialien zum MitbestG und der Umkehrschluss zu den ausdrücklich die innergesellschaftliche Kompetenzordnung modifizierenden Normen sprechen also gegen eine generelle Beeinflussung des Gesellschaftsrechts durch das Recht der Arbeitnehmermitbestimmung. Auch Sinn und Zweck der Mitbestimmung stehen der Annahme, dass das Mitbestimmungsrecht gesellschaftsrechtliche Vorgaben hinnimmt, nicht entgegen. Das BVerfG sieht das Ziel der Regelungen im Mitbestimmungsrecht darin, „die mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern [. . .] und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen“.596 Dem so verstandenen Ziel des Rechts der Mitbestimmung im Unternehmen lässt sich nicht entnehmen, dass ein Konflikt zwischen Mitbestimmungsrecht und Aktienrecht in Hinblick auf die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung stets im Sinne des Mitbestimmungsrechts aufzulösen wäre.597 Die (generelle) Teilhabe der Arbeitnehmer an unternehmerischen Entscheidungen, also die Milderung der Fremdbestimmung und die soziale Legitimation wirtschaftlicher Macht werden durch eine Analogie zu geschriebenen Hauptversammlungskompetenzen nicht in Frage gestellt. Inwieweit man dem Mitbestimmungsrecht überhaupt einheitliche „Grundideen“, einen allgemeingültigen Regelungssinn und -zweck, entnehmen kann, ist vor dem Hintergrund der überaus kontroversen Entstehung der Gesetze, die in weiten Teilen eine Kompromisslösung erzeugt hat, ohnehin fraglich.598 Schon das spricht gegen eine Beeinflussung des Gesellschaftsrechts durch das Recht der Mitbestimmung. Und schließlich ist zu bedenken, dass der mitbe595

BT-Drucks. 7/2172 S. 17. BVerfGE 50, 350 zum MitbestG. 597 So aber wohl Raiser MitbestG § 25 Rn. 9: „Soweit Widersprüche und Reibungen [des Mitbestimmungsrechts] mit gesellschaftsrechtlichen Regeln und Prinzipien auftreten, setzt sich das MitbestG durch.“ Ablehnend hierzu KK2 /Mertens Anh. B zu § 117, § 25 MitbestG Rn. 3. 598 Ablehnend KK2 /Mertens Anh. B zu § 117, § 25 MitbestG Rn. 3. 596

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

stimmte Aufsichtsrat im Bereich der Zustimmungsvorbehalte auch nicht etwa seine Vorstellungen gegen diejenigen der Hauptversammlung durchsetzen kann. Zwar kann er sein Einverständnis zu einer Maßnahme des Vorstands verweigern, das Letztentscheidungsrecht liegt nach § 111 IV 3 AktG aber bei den Aktionären. Grundideen der Mitbestimmung stehen der Annahme ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen beim hier vertretenen Verständnis des Verhältnisses von Aktienrecht und Recht der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene nicht entgegen. (6) Keine abschließende Regelung der Hauptversammlungszuständigkeiten in den Grundlagenkompetenzen selbst (a) Die Regelungsabsicht des Gesetzes: Vertragsänderungen als ein Grund für die Zuständigkeit der Hauptversammlung Aus dem „Regelungsplan“599 des Gesetzes jenseits der Kompetenznormen zugunsten der Hauptversammlung sind keine Hinweise darauf ersichtlich geworden, dass die Hauptversammlungskompetenzen im AktG abschließend geregelt sind. Die Untersuchung muss sich unter der selben Fragestellung jetzt noch mit den positiven Kompetenzzuweisungen an die Hauptversammlung befassen, die als Grundlage der Analogie in Betracht kommen. Denn auch aus dem „Regelungsplan“, welcher den ausdrücklichen Kompetenznormen zugrunde liegt, kann sich ergeben, dass die dort normierten Zuständigkeiten abschließend zu verstehen sind. Um sich über den abschließenden bzw. nicht abschließenden Charakter der gesetzlichen Kompetenzregelungen zugunsten der Hauptversammlung klar werden zu können, muss folglich deren „Regelungsplan“ ermittelt werden. Es ist nach einem Regelungsprinzip (oder mehreren Prinzipien) zu fragen, das sich aus der Gesamtheit, einer Gruppe von Grundlagentatbeständen oder aus einzelnen Kompetenznormen der Hauptversammlung ergeben kann. Besieht man die sogenannten Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung näher, so fällt ein solches Prinzip ohne Weiteres ins Auge. Eine Gruppe von Tatbeständen ist durch einen gemeinsamen Regelungsgedanke verbunden. Ihrem Grundgedanken nach kann man diese Gruppe als diejenige der „vertragsmäßigen“ Zuständigkeiten der Gesellschafter in der Hauptversammlung bezeichnen. Für die im Folgenden näher darzustellenden Maßnahmen sind die Ge599

Larenz S. 373.

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sellschafter nämlich in ihrer Eigenschaft als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags zuständig. Die Gesellschafter schließen einen Vertrag, durch den sie ein neues Rechtssubjekt entstehen lassen, dessen Mitglieder sie sind. Wenn der Inhalt dieses ursprünglichen Vertrags geändert wird, sind für diese Änderung wieder die Vertragsparteien zuständig. Die erste aktienrechtliche Besonderheit liegt darin, dass die Gesellschafter mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages in mehrerlei Hinsicht Einschränkungen bzw. Modifikationen in Bezug auf ihre gesellschaftsbezogenen Entscheidungen akzeptiert haben. So wird die Hauptversammlung anstelle der Gesamtheit der einzelnen Gesellschafter tätig. Durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags haben sich die Aktionäre insoweit besonderen Regeln für die Ausübung ihrer individuellen Rechte600 unterworfen. Die Entscheidung in der Hauptversammlung ersetzt also, was nach allgemeinen Grundsätzen allen Gesellschaftern zu regeln obläge. Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung ist dabei grundsätzlich nur bestimmten Mehrheitsverhältnissen unterworfen, nicht der Zustimmung aller Gesellschafter. Sodann ist der Kreis der möglichen sachlichen Änderungen der Vertragsgrundlage beschränkt, § 23 V AktG. Weiter ist die Wirksamkeit der Vertragsänderung regelmäßig an Publikationserfordernisse geknüpft.601 Die zweite Besonderheit liegt darin, dass sich der Gesellschafterkreis der Aktiengesellschaft typischerweise verändert, so dass im Laufe der Zeit nicht mehr nur die ursprünglichen Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags in der Gesellschaft verbunden sind. Der Vollzug von Verkauf und Erwerb der Aktie ist aber nichts anderes als ein „Gesellschafteraustausch“. Der Rechtsnachfolger nimmt in vollem Umfang die Stellung des ausscheidenden Aktionärs ein und kann mithin wiederum als vollwertiger Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags auftreten. Aus der solcherart modifiziert zu verstehenden „vertragsmäßigen Zuständigkeit“ der Aktionäre erklärt sich eine ganze Reihe von Hauptversammlungskompetenzen:

600 Es handelt sich gleichwohl um Rechte der einzelnen Aktionäre, wie § 118 I belegt: „Die Aktionäre üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus“. 601 I.d.R. wird die Publizität hergestellt durch Eintragung in das Handelsregister und anschließende Bekanntmachung der Eintragung des publizitätspflichtigen Akts. Im Fall des § 179a I AktG (Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens) ist der Vertrag, wenn er nicht zu einer Satzungsänderung führt, lediglich den Aktionären in der in § 179a II AktG vorgeschriebenen Form zur Verfügung zu stellen. § 221 AktG sieht keine Publizitätspflichten – neben denjenigen, welche die Satzung betreffen – vor.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

(b) Insbesondere: Satzungsänderungen, § 179 AktG Die eben beschriebene Zuständigkeit erfasst zunächst einmal jede Form der Satzungsänderung i. S. v. § 179 AktG. Hier besagt schon der Begriff, dass es um eine Änderung des ursprünglichen Vertragswerks zwischen den Gesellschaftern geht. Zur Herbeiführung dieser Rechtsfolgen für die Gesellschafter ist der Vorstand als Außenhandlungsorgan der AG schlicht nicht zuständig. Es handelt sich dabei nicht um eine „Gesellschaftsangelegenheit“, sondern um eine „Gesellschafterangelegenheit“, mit deren Abwicklung die AG als solche, pointiert ausgedrückt, gar nichts zu tun hat – und damit auch ihr Organ Vorstand nicht. Ebenso wenig wie ein nicht ausdrücklich dazu Ermächtigter für andere eine AG zu gründen vermag, also den ursprünglichen Vertrag abschließen könnte, kann er den Gesellschaftsvertrag nachträglich abändern.602 Diese Selbstverständlichkeit hätte, so könnte man meinen, als solche gar nicht der Regelung bedurft. Der Grund für die ausdrückliche Normierung der Kompetenz der Hauptversammlung war denn auch nicht, die Anteilseigner etwa in Abgrenzung zum Vorstand für zuständig im Bereich der Satzungsänderungen zu erklären. Aus gesetzgeberischer Sicht war vielmehr die Feststellung erforderlich, dass jede Änderung der Satzung, welchen Bereich der Satzung dies auch betreffen mag, dem Bereich der Mehrheitsentscheidung unterliegt.603 Klarzustellen war m.a.W., dass nicht die Gesamtheit der Aktionäre (einstimmig) eine Änderung der Satzung zu bewirken hat, sondern die Hauptversammlung als das Willensbildungsorgan der Gesellschaft, und zwar kraft Mehrheitsbeschlusses. Klarzustellen war weiter, dass eine Delegation der Abänderungsbefugnisse auf die Verwaltung der AG nicht in Betracht kam604, dass die Hauptversammlung also zwingend zuständig war. Solche Delegationen waren nämlich vor der Novelle des Jahres 1884 überaus üblich und hatten zu Missständen in der Praxis geführt: „Im Gesellschaftsvertrage konnten die wichtigsten Rechte, sogar die 602 Auf § 180 II AktG als – nicht zu den Grundlagenkompetenzen zählender – Sonderfall der Satzungsänderung ist bereits hingewiesen worden (unter D. VI. 2.). 603 Vgl. das Gutachten des ROHG vom 31. März 1877 (im Folgenden: „Gutachten ROHG“), bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht, S. 235 ff. sowie Amtliche Begründung zum ADHGB 1884, a. a. O. S. 498 f. Insbesondere für den Bereich der Änderung des Unternehmensgegenstandes war vor der Novelle 1884 umstritten gewesen, ob die Zustimmung aller Aktionäre zu fordern sei, wenn die Mehrheit „überhaupt einen anderen Gesellschaftszweck verfolgen“ wolle, statt nur eine „Einschränkung, Ausdehnung, Modifikation des bisherigen Gegenstandes“ vorzunehmen; vgl. auch Gutachten ROHG, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht, S. 236 f. Art. 215 I ADHGB 1861 hatte noch vorgesehen, dass „die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft“ nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden konnte, wenn dies nicht im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich gestattet war. 604 Dazu die Verhandlungen der Aktienrechtskommission, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 322 ff.; außerdem die Amtliche Begründung zum ADHGB 1884 a. a. O. S. 464; 498 f.

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Aenderung der Statuten an Organe oder sonstige Personen übertragen werden. Die Gründer waren dadurch in den Stand gesetzt, sich ihren Einfluß auf die Schicksale der Gesellschaft für lange Zeit zu sichern, während die Aktionäre ruhig zusehen mußten, wie gegen das Interesse der Gesellschaft lediglich zum Nutzen einzelner Koterien gewirthschaftet wurde. Diesem Unwesen kann mit Erfolg nur dadurch gesteuert werden, daß die Beschlußfassung über gewisse Gegenstände ausschließlich der Generalversammlung verbehalten wird, so daß jede Uebertragung auf ein andere Organ oder auf andere Personen unzulässig ist.“605 (c) Insbesondere: Kapitalerhöhung und -herabsetzung, §§ 182 ff., 222 ff. AktG Auch jede Kapitalerhöhung muss entsprechend dem eben Ausgeführten zwingend von den Anteilseignern – wieder in ihrem „Organ für gesellschaftsbezogene Angelegenheiten“, der Hauptversammlung – beschlossen werden, §§ 182 ff. AktG.606 Hier handelt es sich ebenfalls um eine Abänderung des ursprünglichen Vertrags, nämlich der ursprünglichen vertraglichen Einigung über die satzungsmäßig festgelegte Höhe des Grundkapitals der AG, § 23 III Nr. 3 AktG. Diese Änderung vollzieht sich lediglich über eine besondere „Technik“: Es wird nicht bestimmt, wer letztlich Gesellschafter wird, sondern nur, um „wieviel“ die Gesellschaft erweitert werden soll. Dabei bleibt offen, ob sich überhaupt neue Gesellschafter finden werden.607 Diese Änderung des Vertrags können wieder nur die Vertragsparteien vornehmen.

605 Amtliche Begründung zum ADHGB 1884, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 464. Koterie steht für „Klüngel“, „Parteiwirtschaft“ oder „Sippschaft“. 606 So schon die Amtliche Begründg zum ADHGB 1884, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht, S. 456: „Der Erhöhungsbeschluß wird regelmäßig eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags [. . .] enthalten.“ (Die Ausnahme von der hier angesprochenen Regel sieht die Amtliche Begründung darin, dass „ausnahmsweise in dem Gesellschaftsvertrage eine zukünftige Erhöhung des Grundkapitals schon derart vorgesehen sein [kann], daß die letztere nicht als eine Statutenänderung erscheint.“ (a. a. O.). Diese Konstellation ist heute in den Vorschriften über das genehmigte Kapital geregelt). Das Gutachten ROHG (a. a. O. S. 157 ff.) führt hierzu aus (S. 206): „Die Fälle ad 2 (scil. die Erhöhung bzw. Herabsetzung des Grundkapitals u. a.) gehören eigentlich auch unter die Abänderung des Gesellschaftsvertrages. Ihre besondere Hervorhebung ist aber schon deshalb erforderlich, weil häufig derartige Eventualitäten bereits im Gesellschaftsvertrage in Aussicht genommen und in das Ermessen des Aufsichtsrathes gestellt sind. Ohne besondere Hervorhebung möchte die Unzulässigkeit dieser Festsetzungen zweifelhaft erscheinen können.“ Ebenso die Amtliche Begründung zum ADHGB 1884, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht, S. 456, die Denkschrift zum RJA- E I, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 137 sowie die Denkschrift zur RT-Vorlage a. a. O. S. 1078 ff. (auch zur Kapitalherabsetzung). Vgl. auch Hüffer AktG § 182 Rn. 3.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Das gilt unabhängig davon, in welchem Verfahren das Kapital erhöht wird, ob gegen Einlagen oder aus Gesellschaftsmitteln, im Wege der unbedingten oder der bedingten Kapitalerhöhung. Denn es handelt sich in jedem Fall um eine Änderung der Höhe des satzungsmäßigen Grundkapitals. Entsprechendes gilt unter umgekehrten Vorzeichen für die Kapitalherabsetzung, §§ 222, 229, 237 AktG. In diesen Fällen wird die in der Satzung vereinbarte Höhe des Grundkapitals der AG (§ 23 III Nr. 3 AktG) verändert, indem ein (anteiliger) Verlust von Mitgliedschaften herbeigeführt wird. Dass der vertragsändernde Charakter einer Kapitalherabsetzung das entscheidende Moment für die Zustimmungspflichtigkeit der Maßnahme ist, lässt sich beispielhaft an § 237 III i.V. m. IV 1 AktG ablesen. Nach § 237 III 1 AktG brauchen die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung in bestimmten Fällen der Einziehung – etwa, wenn die einzuziehenden Aktien der AG unentgeltlich überlassen worden sind – nicht befolgt zu werden. Bliebe es bei dieser Anordnung, bedürfte es in diesen Fällen auch keines Kapitalherabsetzungsbeschlusses gemäß den Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung. § 237 IV 1 AktG ordnet das Gegenteil an: Auch in den Fällen des § 237 III 1 AktG ist ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Das ist wegen des vertragsändernden Charakters der Einziehung konsequent. Eine Sonderstellung im Bereich der Kapitalveränderungen nimmt das genehmigte Kapital ein, §§ 202 ff. AktG. Hier erfolgt die letztendliche Erhöhung des Grundkapitals auf Betreiben des Vorstands. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im Vorfeld der Erhöhung, für die Ermächtigung der Verwaltung, ist nichts anderes als eine Möglichkeit für die Anteilseigner zur zeitlich beschränkten Delegation ihrer Rechtsmacht. Aus der Gesetzesformulierung (ursprünglich: § 169 I AktG 1937) ist ersichtlich, dass diese Ermächtigung entweder schon ursprünglich vertragsmäßig vorgesehen sein muss, oder aber im Wege der nachträglichen Satzungsänderung eingefügt werden kann, § 202 I AktG.608 Auch hier gibt es keine Erklärungsnöte in Bezug auf die vertragsmäßige Zuständigkeit der Aktionäre für die Kapitalmaßnahme. Lediglich Vollzug und Zeitpunkt des Vollzugs der Vertragsänderung werden dem Vorstand überantwortet. Eine Entsprechung zu dieser Zuständigkeit zu einer „Delegation“ von Rechtsmacht enthält das Recht der Kapitalherabsetzung in § 237 VI AktG, der es dem Vorstand ermöglicht, Aktien aufgrund einer Ermächtigung in der Satzung einzuziehen.

607 Lehmann II S. 450 geht deshalb davon aus, dass es sich bei der Kapitalerhöhung um eine nur bedingte Statutenänderung handelt, bedingt nämlich durch die tatsächlich erfolgende Erhöhung. 608 Durch Art. 215 ADHGB 1884 waren entsprechende satzungsmäßige Vorkehrungen noch verboten worden, vgl. oben Fn. 606.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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(d) Insbesondere: Auflösung kraft Hauptversammlungsbeschlusses (§ 262 I Nr. 2 AktG) und Fortsetzungsbeschluss (§ 274 I, II AktG) Eine weitere Form der Abänderung des Gesellschaftsvertrags ist der Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft, § 262 I Nr. 2 AktG. Der Auflösungsbeschluss ist letztlich das Gegenstück zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags, also zur Gründung der Gesellschaft. Er „hebt“ den ursprünglichen Vertrag, untechnisch gesprochen, wieder „auf“. Diese Entscheidung steht den Anteilseignern als den Vertragsparteien zu. Im Interesse des Rechtsverkehrs kann allerdings nicht schon der Aufhebungsvertrag zur Vollbeendigung der Gesellschaft führen, weshalb der Auflösungsbeschluss der Hauptversammlung „technisch“ lediglich den Gesellschaftszweck ändert: Aus einer werbenden AG wird eine Abwicklungsgesellschaft.609 Der Gesellschaftszweck ist kein ausdrücklich aufzuführender Bestandteil der Satzung der AG.610 § 33 I 2 BGB belegt aber, dass der Gesellschaftszweck zumindest als ungeschriebener Bestandteil der Satzung eines Vereins zu verstehen ist. Diese lex generalis gilt auch für die AG als Sonderform des bürgerlich-rechtlichen Vereins.611 § 262 AktG modifiziert § 33 I 2 BGB lediglich hinsichtlich der erforderlichen Beschlussmehrheit. Während nach § 33 I 2 BGB die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist, ordnet § 262 AktG an, dass schon die satzungsändernde Mehrheit genügt. Ebenfalls eine Änderung des Gesellschaftszwecks, nur in die umgekehrte Richtung, bewirkt ein Fortsetzungsbeschluss, § 274 I, II AktG.612 Es gilt dementsprechend für die Zuständigkeit der Hauptversammlung das eben Gesagte. (e) Insbesondere: Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens, § 179a AktG Der vertragsändernde Charakter der vorstehend behandelten Maßnahmen mag mehr oder weniger auf der Hand gelegen haben. Nicht mehr so eindeutig zu erklären ist die Zuständigkeit der Gesellschafter für die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens, § 179a I, II AktG. Hier, so könnte man meinen, handelt es sich sehr wohl um eine Gesellschafts-, keine Gesellschafterangelegenheit. Denn es geht um die Übertragung von Vermögen durch die AG auf einen Dritten.

609 610 611 612

Hüffer AktG § 262 Rn. 2. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 117 ff. Flume AT I 2 S. 95 ff. Dazu Hüffer AktG § 274 Rn. 2.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

In der Literatur findet sich, soweit dazu überhaupt Stellung genommen wird, der Hinweis, die Zuständigkeit der Hauptversammlung folge aus dem Charakter der Vermögensübertragung als „Strukturmaßnahme“.613 Teilweise wird aber auch davon ausgegangen, die Norm sei als materielle Ergänzung der Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand zu verstehen.614 Mülbert hält den vermögensschützenden Aspekt der Norm für das zentrale Moment des § 179a AktG615: Die mit der Vermögensübertragung verbundenen Gefahren lägen aus Sicht der Aktionäre vor allem darin, dass das Vermögen der Gesellschaft für eine unzureichende Gegenleistung oder sogar unentgeltlich auf Dritte übertragen werden könnten. Der Grund für die Zuständigkeit der Hauptversammlung für diesen Bereich erschließt sich aus der historischen Auslegung. Im Ausgangspunkt behandelten Art. 215 II, 247 ADHGB 1861, später Art. 215 IV, 247 ADHGB 1884 die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens. Diese Vorschriften erfassten allein die Übertragung des Gesellschaftsvermögens durch eine AG an eine andere gegen Gewährung von Aktien durch die letztere (Fusion616). Folge dieser Übertragung war nach dem Gesetz die Auflösung der übertragenden Gesellschaft. Im Übrigen – also für andere Fälle der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens als Fälle der Fusion – nahm man an, dass es sich um eine besondere Art der Liquidation der Gesellschaft handele, die neben den Vorschriften über die „reguläre“ Liquidation stehe.617 Besondere Vorschriften über die „fusionslose“ Übertragung des Gesellschaftsvermögens fehlten bis zum HGB 1897618, doch ging man insoweit davon aus, dass die gläubigerschützenden Normen aus dem Bereich der Liquidationsvorschriften entsprechend anzuwenden seien.619 Der Gesetzgeber des Jahres 1897 sah es als empfehlenswert an, die Zulässigkeit der Liquidation einer AG kraft Veräußerung des gesamten Vermögens der Gesellschaft zu bestätigen und die Voraussetzungen und Wirkungen dieser Li613 Vgl. Hüffer AktG § 119 Rn. 7; GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 15. KK2 /Kraft zu § 361 AktG 1965 befasst sich mit der Frage nicht. 614 Timm AG 1980, 172, 175; ders. Konzernspitze S. 51, 104 f. (zu § 361 AktG 1965). 615 Mülbert Unternehmensgruppe S. 179. 616 Vgl. Lehmann II S. 523 ff. Die Fusion (Verschmelzung) wurde ursprünglich als Gestaltung angesehen, die an sich schon mit Mitteln des Aktienrechts zu bewältigen sei. Ziel der speziellen Regelung im AktG waren die Wahrung der Interessen der Aktionäre und der Gläubiger der aufzulösenden Gesellschaft sowie die Vereinfachung des Verfahrens der Fusion, Lehmann II S. 527. 617 Vgl. ausdrücklich die Denkschrift zum RJA- E I, bei Schubert/Schmiedel/ Krampe Quellen S. 149. 618 Handelsgesetzbuch mit Ausschluß des Seehandelsrechts vom 10. Mai 1897. 619 Vgl. Denkschrift zum RJA- E I, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 148 f.

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quidationsform ausdrücklich zu regeln.620 Zu diesem Zweck kehrte er zunächst das Regelungskonzept um: Erst wurde die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens geregelt, dann der „Sonderfall“ der Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf eine andere AG zum Zwecke der Fusion, vgl. §§ 303 ff. HGB 1897. Erhalten blieb in beiden Fällen die zwingende Rechtsfolge der Auflösung der übertragenden Gesellschaft. § 303 II HGB 1897 bestätigte insoweit die bis dato h. M. für die „fusionslose“ Übertragung621, § 305 III HGB 1897 konnte man die Auflösungsfolge bei der Fusion entnehmen.622 Der Gesetzgeber sah nämlich das Vermögen als notwendige Voraussetzung des Bestehens der AG an. Eine Fortdauer der Gesellschaft zum Zwecke der Ausnutzung der Gegenleistung des Übernehmers – in anderen als Fusionsfällen, in denen eine Gegenleistung an die übertragende AG nicht in Betracht kam – komme daher nicht in Frage.623 Damit führte aus Sicht des Gesetzgebers die Übertragung des Vermögens notwendig zu einer Abänderung des Gesellschaftszwecks, sprich zu einer im Ergebnis gewillkürten Abänderung des Gesellschaftsvertrags. Daraus erklärte sich im Ausgangspunkt wieder die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Bestätigt wird dieser Befund durch § 307 HGB 1897. Hier war die Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Fall vorgesehen, dass die Übertragung des gesamten Vermögens beschlossen, aber der Zweck dieser Übertragung nicht erreicht wurde (z. B. weil eine Fusion scheiterte). Dann blieb eine aufgelöste Gesellschaft zurück, die aber nicht zwingend immer liquidiert werden sollte. Für die Fortsetzung der Gesellschaft als Zweckänderung bedurfte es eines neuen Hauptversammlungsbeschlusses.624 Die ursprüngliche vertragsmäßige Zuständigkeit der Gesellschafter ist mit dem AktG 1937 teilweise verloren gegangen. Die Auflösung der AG war fortan nicht mehr zwingende Folge jeden Übertragungsbeschlusses, ohne dass im gleichen Zug allerdings die Zustimmungspflichtigkeit der Übertragung aufgegeben 620 Vgl. die Denkschrift zum RJA- E I, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 148 f. 621 „Der Beschluß hat die Auflösung der Gesellschaft zur Folge, sofern diese nicht bereits aufgelöst ist“. 622 „Der Anmeldung der erfolgten Erhöhung des Grundkapitals [. . .] ist der von der Generalversammlung der aufgelösten Gesellschaft genehmigte Vertrag über die Vermögensübertragung [. . .] beizufügen.“ 623 Vgl. Denkschrift zum RJA E I, bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 149; ebenso die Denkschrift zur RT-Vorlage, a. a. O. S. 1088. Darüber, wie es zu dieser Annahme des Gesetzgebers kam, geben die Gesetzesmaterialien unmittelbar keine Auskunft. Auch dem Gesetz ließ sich die Verknüpfung von Vermögen und Existenz der AG nicht unmittelbar entnehmen. Vielfach wurde zur damaligen Zeit jedoch die Auffassung vertreten, dass mit dem Verlust der das „Grundkapital darstellenden Vermögenswerte die Gesellschaft ihr Ende nimmt“, weil sie „durch den Fortfall ihres Vermögens ihr natürliches Ende“ erreiche (vgl. die Darstellung bei Lehmann II S. 515 f., mit rechtsvergleichenden Hinweisen). 624 Denkschrift zur RT-Vorlage bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen S. 1091.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

worden wäre. So unterschieden §§ 253 ff. AktG 1937 für die Vermögensübertragung (ohne Fusion) danach, ob das Vermögen auf den Staat625, auf einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, oder „in anderer Weise“ übertragen werden sollte. In jedem Fall war ein Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit vorgesehen, §§ 253 II i.V. m. 234 I 1 bzw. §§ 254 II i.V. m. 234 I 1 bzw. § 255 I 2 AktG 1937. Nur für die ersten beiden Varianten lässt sich aber die Zuständigkeit der Hauptversammlung weiterhin mit der zwingenden Rechtsfolge der Auflösung der Gesellschaft erklären: §§ 253 II, 240 IV 1 AktG 1937 ordneten die Auflösung der übertragenden Gesellschaft bei einer Vermögensübertragung auf den Staat an, §§ 254 II, 240 IV 1 AktG 1937 sahen die gleiche Rechtsfolge bei der Vermögensübertragung auf einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit vor. Für andere Vermögensübertragungen als im Wege der Verschmelzung, der Übertragung auf den Staat oder auf einen VVaG fehlte in § 255 AktG 1937 diese Folge, bzw. sie wurde nur fakultativ, kraft weiteren besonderen Beschlusses der Hauptversammlung, vorgesehen, § 255 III AktG 1937. Eine eindeutige Erklärung dafür liefern die Gesetzesmaterialien nicht. „Grund dieser Regelung“, so lässt sich ihnen entnehmen, „ist das wirtschaftlich verständliche Bestreben, eine einmal erfolgte Zusammenfassung von Kapital der Wirtschaft zu erhalten und nicht ohne zwingenden Grund aufzulösen.“626 Tendenziell wurde bei Einführung des AktG 1937 also eher „negativ“ daran gedacht, was bei grundsätzlicher Beibehaltung des Tatbestands nicht geschehen solle – Auflösung der Gesellschaft in jedem Fall –, als „positiv“ zu fragen, ob eine Hauptversammlungszuständigkeit dann noch sinnvoll aufrechtzuerhalten sei. Die Veränderung des Regelungskomplexes der Vermögensübertragung ist zudem im Zusammenhang zu sehen mit dem Vorhaben des Gesetzgebers, die Vorschriften über die Verschmelzung grundlegend zu reformieren. Das AktG 1937 nahm hier eine völlige Neuordnung vor. Sämtliche Vorschriften über die Verschmelzung und über die als verwandt angesehenen Rechtseinrichtungen der Vermögensübertragung, Gewinngemeinschaft und Umwandlung wurden in einem besonderen, dem dritten Buch des AktG, zusammengetragen.627 Die Reihenfolge der Regelungskomplexe kehrte sich dabei gegenüber dem HGB 1897 erneut um: Nachdem der Gesetzgeber die Bedeutung der Übertragung des gesamten Vermögens abseits der Fälle der Fusion als gering eingeschätzte, wurde dieser Fall lediglich als „fusionsähnlich“ mitgeregelt, während die Vorschriften über die Fusion vorangestellt wurden. Die Vorschriften über die Vermögens625 Die Bezeichnung ist hier aus sprachlichen Gründen gewählt. Das Gesetz unterschied zwischen der Übertragung auf „das Reich, ein Land, einen Gemeindeverband oder eine Gemeinde“. 626 Amtliche Begründung zu §§ 253–256 AktG 1937, bei Klausing. 627 Vgl. Amtliche Begründung zu §§ 233–252 sowie zu §§ 253–256 AktG 1937, bei Klausing.

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übertragungen verwiesen auf diejenigen der Verschmelzung, was belegt, wie nahe verwandt der Gesetzgeber diese Tatbestände sah. Man kann daher die „Nähe“ der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens zur Fusion als (weitere) Rechtfertigung für die Zuständigkeit der Gesellschafter in diesem Zusammenhang ansehen: Das Gesetz „verlängerte“ also die – mit Blick auf die Auflösungsfolge – vertragsmäßige Zuständigkeit der Gesellschafter einer übertragenden Gesellschaft bei der Fusion auf den fusionsähnlichen Fall der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens. Auch im Bereich der Vermögensübertragung gründet die Zuständigkeit der Hauptversammlung mithin im Ausgangspunkt in der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Gesellschafter. Daran hat die Neufassung der Vorschrift in § 361 AktG 1965 nichts geändert. Bereits die Begründung des RegE lässt erkennen, dass § 361 AktG 1965 das geltende Recht nur fortschreiben sollte.628 Zudem unterstreicht der Wortlaut der Norm den Charakter der Vermögensübertragung als eines sachlich den Fusionsvorschriften zugehörigen Sachverhalts. Das UmwBerG, mit dem § 179a AktG in der heutigen Fassung eingeführt worden ist, hat ebenfalls in der Sache nichts an der Tradition der Norm geändert. Zwar lassen die Gesetzesmaterialien zunächst vermuten, § 179a AktG werde darauf reduziert, § 179 AktG zu ergänzen bzw. abzusichern. So liest man in der Begründung des Regierungsentwurfs, § 179a AktG solle die (wenigen) Fälle erfassen, in denen nicht schon nach § 179 AktG eine Satzungsänderung anzunehmen sei.629 Dem könnte man entnehmen wollen, dass der Ursprung der Norm, die Auflösungsfolge und die Nähe zu Fusion, keine Rolle mehr spielen sollten. Doch ist die Begründung insoweit wenig hilfreich, als sie in der Folge in diesem Punkte widerspruchsvoll gerät. Wenig später heißt es dort, Vermögensübertragungen i. S. d. § 179a AktG seien deswegen zu erfassen, weil es sich dabei „um eine sogenannte faktische Satzungsänderung handeln kann“. Dieser Widerspruch lässt sich nicht auflösen.630 Der Vorzug ist daher den weiteren gesetzgeberischen Erklärungen in diesem Zusammenhang zu geben, die erkennen lassen, dass man der Sache nach den bisherigen § 361 AktG 1965 aufrechterhalten wollte.631 Dementsprechend lässt sich zusammenfassen: Die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens hatte ursprünglich die mit einer Zweckänderung verbundene Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Das erklärte die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Dieser Anknüpfungspunkt, die Auflösung, wurde nach und nach aufgegeben, ohne dass die Hauptversammlungszuständigkeit mit auf628

Vgl. Begründg des RegE zu § 361 AktG 1965, bei Kropff S. 472. BT-Drucks. 12/6699 S. 1, 177. 630 So auch Mülbert Unternehmensgruppe S. 174. 631 BT-Drucks. 12/6699, S. 177. Wie hier das Verständnis von Mülbert Unternehmensgruppe S. 175. 629

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

gegeben worden wäre. Allerdings wurde der Tatbestand der Vermögensübertragung zugleich als fusionsähnlich eingeordnet. Eine von der Nähe zur Fusion bzw. der früheren Auflösungsfolge abweichende dogmatische Erklärung ist nicht an deren Stelle getreten. Die Hauptversammlungszuständigkeit im Bereich des § 179a AktG erweist sich demnach als vertragsmäßige Zuständigkeit der Gesellschafter. (f) Insbesondere: Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten, § 221 AktG Wandelschuldverschreibung (§ 221 I 1 Var. 1 AktG), Gewinnschuldverschreibung (§ 221 I 1 Var. 2 AktG) und Genussrecht (§ 221 III i.V. m. I AktG) gewähren unmittelbar nur Gläubiger-, keine Mitgliedschaftsrechte, so dass ihre Ausgabe nicht mit einer unmittelbaren Änderung der Vertragsgrundlage einhergeht. Gleichwohl erklärt sich auch hier die Notwendigkeit eines „Ermächtigungsbeschlusses“ der Hauptversammlung vor der Emission der Papiere teilweise aus der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Gesellschafter: Inhaber einer Wandelschuldverschreibung sind berechtigt, entweder nach Ablauf der festgelegten Zeit ihr Gläubigerrecht in eine Mitgliedschaft „umzuwandeln“, also die Zuteilung von Aktien unter Aufgabe ihrer Rechte aus der Schuldverschreibung zu verlangen („Wandelanleihe“), oder sie sind berechtigt, neben ihren Rechten aus der Schuldverschreibung die Zuteilung von Aktien zu verlangen („Optionsanleihe“).632 Das erklärt, warum die Verwaltung nach der Konzeption des AktG nicht berechtigt ist, die Ausgabe solcher Papiere autonom zu betreiben. Sie könnte allein die Verpflichtung zur Ausgabe von Gesellschaftsanteilen gar nicht in jedem Fall erfüllen. Denn dem Vorstand verfügbare eigene Aktien stehen der Gesellschaft, wenn überhaupt, nur im Rahmen der §§ 71 ff. AktG zur Verfügung. Insoweit kann man die Beteiligung der Aktionäre vor Ausgabe der Papiere als „Fernwirkung“ ihrer Rechte als Vertragsparteien begreifen.633 Die Aktionäre sollen autonom entscheiden können, ob im Wege der Vertragsänderung das Kapital der Gesellschaft erhöht und weitere Gesellschafter in die AG aufgenommen werden sollen. Könnte der Vorstand ohne Mitwirkung der Hauptversammlung die Verpflichtung zur Verschaffung von Aktien eingehen, so würde die (vertragsmäßige) Kompetenz der Aktionäre zur Schaffung von Anteilen zwar nicht unmittelbar verletzt. Die Aktionäre könnten nach wie vor auf eine

Dazu GroßKomm4 /Wiedemann vor § 182 Rn. 100 ff. A. A. Hüffer AktG § 221 Rn. 1 (m. w. N.): Zweck sei der Schutz der Aktionäre vor Eingriffen in die mitgliedschaftliche oder vermögensmäßige Struktur der Gesellschaft. Zum Strukturgedanken ist bereits Stellung bezogen worden. 632 633

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Kapitalerhöhung verzichten. Ihr Recht würde aber insoweit entwertet, als dann erhebliche Schadensersatzverpflichtungen auf die AG zukommen könnten, die im wirtschaftlichen Ergebnis die Aktionäre treffen würden. Anders ist die Lage bei der Gewinnschuldverschreibung. Die Gläubiger dieses Papiers werden mit dem Recht ausgestattet, neben dem Nennbetrag der Schuld und deren etwaiger Verzinsung etwas zu fordern, das mit einem Gewinn von Aktionären zusammenhängt. Es handelt sich damit letztlich nicht um eine aktienrechtliche, sondern um eine schuldrechtliche Regelung. Zwar misst die Gesetzesbegründung zum AktG 1937 der Gewinnschuldverschreibung aktienähnlichen Charakter bei.634 Dem kann aber kaum beigepflichtet werden. So war es schon unter dem AktG 1937 rechtlich möglich, den Inhabern der Schuldverschreibung einen Anteil am Reingewinn der AG auch dann zuzusagen, wenn deren Aktionäre nichts erhielten.635 Die Rechte aus der Gewinnschuldverschreibung hängen deshalb keineswegs unlösbar mit Aktionärsrechten zusammen und sind diesen auch nicht gleichzustellen. Vorausgesetzt war nicht einmal, dass die Gläubigerrechte aus der Gewinnschuldverschreibung überhaupt mit Gewinnanteilen in der emittierenden Gesellschaft in Verbindung gebracht wurden. Vielmehr konnte auch der Gewinn von Aktionären einer oder mehrerer anderer, etwa verbundener Gesellschaften als Referenzmaßstab herangezogen werden.636 Der Anspruch des Gläubigers hat nur das Vorhandensein von einem Gewinn oder doch einem verteilten Gewinn zur Voraussetzung.637 Die Kompetenz der Hauptversammlung im Zusammenhang mit der Begebung von Gewinnschuldverschreibungen ist daher mit der vertraglichen Involvierung der Anteilseigner nicht in Zusammenhang zu bringen. Vielmehr zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass es sich bei der Gewinnschuldverschreibung um eine Sonderform der (schuldrechtlichen) Schuldverschreibung handelt, wobei deren Konditionen mit einem Gewinn einer Gesellschaft in Verbindung gebracht sind. Darüber, wie sich die Beteiligung der Aktionäre an dieser Fremdkapitalaufnahme erklären lasse, herrschte bei Einführung der Vorschrift weitgehend Uneinigkeit. Von manchen wurde darauf hingewiesen, der erforderliche Hauptversammlungsbeschluss trage dem Umstand Rechnung, dass „die Ausgabe derartiger Papiere die Rechte der Aktionäre erheblich beeinflussen kann.“638 Wie 634 Die Amtliche Begründung zu § 174 AktG 1937 (bei Klausing) meint zu allen drei Finanzinstrumenten, sie seien eine „Zwischenform [. . .] zwischen Aktie und Schuldverschreibung“. 635 GroßKomm1 /Gadow § 174 Anm. 3. 636 GroßKomm1 /Gadow § 174 Anm. 4; aus heutiger Sicht Hüffer AktG § 221 Rn. 8. 637 GroßKomm1 /Gadow Anm. 6 zu § 174. 638 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf II von 1931, bei Schubert/Hommelhoff Aktienrechtsreform S. 929. Flechtheim in Düringer/ Hachenburg HGB Anhang zu § 179 Anm. 1 ff. sieht deshalb in der Ausgabe von Genussscheinen regelmäßig einen Fall des § 253 II HGB 1897 (Hauptversammlungsbeschluss, weil das Interesse der Gesellschaft es erfordert).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

gesehen, werden Aktionärsrechte aber durch die Begebung einer Gewinnschuldverschreibung nicht in anderer Weise berührt als bei Aufnahme sonstiger Verbindlichkeiten durch die AG. Weiter wurde darauf verwiesen, es sei schon mit Blick auf die Angleichung zu den Verhältnissen im Ausland wünschenswert, „neue Formen der Finanzierung und der Kapitalbeschaffung“639 zu kreieren, es wurden also rechtspolitische Notwendigkeiten betont. Inwieweit dieses Anliegen eine Beteiligung der Hauptversammlung erforderlich machen sollte, wurde dabei nicht geklärt. Weitere Vorarbeiten stellten als Grundlage der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung bei Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen die erhebliche finanzielle Tragweite sowie den Umstand heraus, dass „die Ausgabe solcher Schuldverschreibungen [. . .] ihrem Wesen nach mit einer Kapitalserhöhung eng verwandt“ sei. „Es erschien deshalb richtig, auch sie von der Zustimmung der Generalversammlung abhängig zu machen.“640 Die Amtliche Begründung zum AktG 1937 meint demgegenüber: „Die uneingeschränkte Möglichkeit, solche Papiere zu schaffen und auszugestalten, hat jedoch zu Mißbräuchen verschiedenster Art geführt. Der Entwurf schreibt daher gewisse Sicherungen vor, die Mißbräuche dieser Rechtseinrichtungen verhüten sollen.“641 Gadow schließlich versteht in seiner Kommentierung den Gesetzgeber des AktG 1937 639 Erläuternde Bemerkungen des Reichsjustizministeriums zum Entwurf II von 1931, bei Schubert/Hommelhoff Aktienrechtsreform S. 923. 640 Zitat bei Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 503. Der Sache nach auch schon a. a. O. S. 230. 641 Amtliche Begründung zu § 174 AktG 1937, bei Klausing. Zur Art der „Mißbräuche“ führt die Amtliche Begründung zum AktG 1937 weiter nichts aus. Aus den Verhandlungen des Arbeitsausschusses des Vorläufigen Wirtschaftsrats zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (bei Schubert/Hommelhoff Aktienrechtsreform S. 561 ff.) erhellt, dass die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen nur unzureichend gegenüber der AG gesichert waren. Auf Seiten der AG bestünden insoweit Unzuträglichkeiten, als die AG zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern unter Umständen eine erhebliche Zahl von (aus Sicht des Gesetzgebers unerwünschten) Vorratsaktien und eigenen Aktien halten müsse. Mit diesen Aktien seien wiederum „zahlreiche Mißbräuche und Mißstände“ verbunden“ (a. a. O., S. 565), da sie die Liquidität der Gesellschaft verringerten, den wahren Wert der Aktien verschleiern (Stützungskäufe) und Mitgliedern der Verwaltung der AG dazu dienen könnten, die von ihnen gehaltenen Aktien zu hohen Kursen abzustoßen, „um das sinkende Schiff noch rechtzeitig zu verlassen und das Gesamtrisiko den ahnungslosen Aktionären aufzubürden“ (a. a. O. S. 687). Zur Problematik eigener Aktien näher Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 637. Worin Missbräuche im Zusammenhang mit Gewinnschuldverschreibungen oder Genussscheinen bestanden haben könnten, lässt die weiterführende Literatur (zu den historischen Genussscheinen eingehend Frantzen S. 44 ff.; Flechtheim in Düringer-Hachenburg Anhang zu § 179 HGB 1897 Anm. 5 ff.; zur historischen Gewinnschuldverschreibung Flechtheim in Düringer-Hachenburg Anhang zu § 179 HGB 1897 Anm. 17 ff.) allenfalls andeutungsweise erkennen. Den Missbräuchen durch die Ausgabe von „Gründergenussrechten“, insbesondere von Genussrechten, die ein Bezugsrecht der Gründer auf junge Aktien vorsahen, war bereits das ADHGB 1884 entgegengetreten, indem es sie verboten hatte (Art. 215a IV ADHGB 1884), vgl. die Amtliche Begründung bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 434 f.

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wieder anders: „An sich sind es [scil.: die Ausgabe von Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen] Maßnahmen der Geschäftsführung. Sie wären nach der Regel des § 70 vom Vorstand selbständig [. . .] zu treffen, und die Hauptversammlung hätte nach § 103 Abs. 2 nur dann zu entscheiden, wenn der Vorstand es verlangte. Die Gefahr, daß die Ausgabe von Wandel- oder Gewinnschuldverschreibungen oder die Gewährung von Genußscheinen die Gesellschaft übermäßig belasten, namentlich die Rechte der Aktionäre allzu sehr beeinträchtigen könnte, ist aber doch so groß, daß es dem Gesetzgeber angezeigt erschienen ist, hier eine Ausnahme von § 103 Abs. 2 zu machen.“642 Bei Schaffung des AktG 1965 wurde eine Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit in diesem Zusammenhang überhaupt nicht versucht, sondern der sachliche Gehalt der Norm im Wesentlichen schlicht übernommen.643 Die Fülle der kontroversen Äußerungen deutet bereits an, dass sich jedenfalls eine eindeutig vertragsmäßige Zuständigkeit der Gesellschafter in der Hauptversammlung nicht überzeugend begründen lässt. Die in den Beratungen zum AktG 1937 unterstellte Nähe zur Kapitalerhöhung ist bei näherer Betrachtung von Funktionsweise und Gestaltungsmöglichkeiten der Gewinnschuldverschreibung abzulehnen. Es werden keine Gesellschaftsanteile ausgegeben und die Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen begründet auch keine Gesellschafterrechte oder gesellschafterähnliche Rechte, sondern Gläubigerrechte: Es wird Fremdkapital aufgenommen.644 Die Bedeutsamkeit der Emission für Aktionärsrechte erweist sich ebenso wenig als tragende Begründung. Vielmehr werden die Aktionäre in ihren Rechten nicht mehr oder anders belastet als bei jeder Fremdkapitalaufnahme in entsprechendem Umfang. Damit bleibt allein die finanzielle Tragweite der Emission als Grund für die Hauptversammlungszuständigkeit. Gleiches gilt für die Genussrechte, die als Finanzierungsinstrument zeitgleich mit den Gewinnschuldverschreibungen Aufnahme in das Gesetz gefunden haben.645 Auch sie gewähren lediglich Gläubigerrechte, keine mitgliedschaftlichen Rechte. Nur die Hauptversammlungszuständigkeit vor Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen erklärt sich somit aus der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Gesellschafter, für Gewinnschuldverschreibung und Genussrechte gilt das nicht. GroßKomm1 § 174 Anm. 15. Vgl. den RegE zum AktG 1965, bei Kropff S. 316, mit dem Hinweis, es seien nur sprachliche Anpassungen erforderlich gewesen. 644 Die oben akzeptierte „Verwandtschaft“ der Vermögensübertragung zur Fusion ließ sich demgegenüber nicht nur auf äußerliche Merkmale, sondern zugleich auf systematische Argumente stützen. Die angebliche Nähe der Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen zu einer Kapitalerhöhung wird in der Begründung des RegE zum AktG 1937 – anders als die Nähe der Vermögensübertragung zur Fusion (vgl. die Nachweise in Fn. 627) – auch nicht hervorgehoben. 645 GroßKomm1 /Gadow § 174 Anm. 11. 642 643

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Eine ganz und gar einheitliche Regelungsabsicht, so wird bereits hier absehbar, wird sich den Grundlagentatbeständen mithin nicht entnehmen lassen. Vielmehr wird die Frage nach der Erweiterbarkeit der Grundlagenkompetenzen auf den Börsengang mit Blick auf mindestens ein weiteres mögliches Prinzip zu stellen sein. (g) Insbesondere: Nachgründung, § 52 AktG In die Gruppe der vertragsmäßigen Zuständigkeiten reiht sich wiederum die Kompetenz der Anteilseigner im Bereich der „Nachgründung“ ein: § 52 I AktG verlangt die Zustimmung der Hauptversammlung zu Verträgen, vermittels derer Gründer oder Aktionäre, die mit mehr als 10% am Grundkapital der AG beteiligt sind, Vermögensgegenstände an ihre AG veräußern wollen, wenn die dafür vorgesehene Vergütung einen Betrag übersteigt, der 10% des Grundkapitals der betreffenden AG entspricht, und wenn der Vertrag innerhalb von zwei Jahren ab Eintragung der AG in das Handelsregister geschlossen werden soll.646 Durch einen solchen Vertrag wird der Gesellschaftsvertrag zwar nicht formell geändert. Die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung erklärt sich aber mittelbar aus der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Gesellschafter. § 52 AktG sichert nämlich die Kapitalaufbringungsregeln, einen Kernbestand des Gründungsrechts, ab.647 Das ist einerseits erforderlich, weil das Recht der Sachgründung bestimmte Sicherungen für die Kapitalaufbringung statuiert, §§ 27 ff. AktG. Diese Sicherungen sollen die Gründer nicht durch anderweitige vertragliche Gestaltung – eben im Wege der „Nachgründung“ – aushebeln können. Wäre allerdings die Aufbringung des vollständigen Kapitals der allein entscheidende Gesichtspunkt, so hätte sich der Gesetzgeber darauf beschränken können, den Vertragsschluss i. S. v. § 52 AktG mit den gleichen Sicherungsmechanismen auszustatten, wie sie für die Sacheinlage vorgesehen sind. Einer Hauptversammlungszuständigkeit bedarf es nicht unbedingt, um die ordnungsgemäße Ausstattung der Gesellschaft mit Kapital sicherzustellen.648 Das Gesetz stellt aber – und das ist die zweite Seite der Vorschrift – auch insoweit die Vereinbarung einer „Nachgründung“ der Vereinbarung einer Sach646 § 52 AktG wird in der Kommentarliteratur nicht zu den Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung gezählt. Die Vorschrift steht aber in engem Bezug zum Gründungsrecht (und damit zum ursprünglichen Vertragsschluss, dazu sogleich) und ist daher richtigerweise hier mit abzuhandeln. 647 Vgl. schon die Allgemeine Begründung zum ADHGB 1884 bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 453: Umgehungsschutz. 648 Das Gesetz „unterstellt“ ja vielmehr, dass (einzelne) Aktionäre das Gründungsrecht umgehen wollen. Schon deshalb liegt das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses nicht unbedingt auf der Hand.

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gründung gleich: Solche Vereinbarungen können nur die Gesellschafter treffen.649 Das erklärt sich daraus, dass ein Vertrag i. S. v. § 52 AktG die ursprüngliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern betreffend die Kapitalausstattung ihrer AG modifizieren kann. Soweit die Gesellschafter im Gründungsvertrag nicht (wirksam) die Einbringung von Sacheinlagen vereinbaren, muss die Einlage bar erbracht werden, §§ 54 II, 27 III 3 AktG. Wird aber nach Gründung der AG ein Vertrag i. S. v. § 52 I AktG zwischen Gesellschaft und Aktionär abgeschlossen, so kann das die ursprünglich vereinbarte Art der Einlage wieder „aufheben“: War der betreffende Aktionär bareinlagepflichtig, so wird ihm in Vollzug des Vertrags – untechnisch gesprochen – seine Einlage oder ein Teil der Einlage „zurückgewährt“, und er „legt“ statt dessen einen Vermögensgegenstand „ein“. § 52 AktG sichert also nicht nur die Einhaltung der Gläubigerschutzregeln, sondern schützt auch die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung der Gesellschafter über die Kapitalausstattung ihrer AG vor einer Umgehung. Insoweit erklärt sich wieder die Zuständigkeit der Gesellschafter in der Hauptversammlung aus vertragsmäßigen Gesichtspunkten. Dass das Kapitalerhöhungsrecht eine der Nachgründungsregel entsprechende Vorschrift nicht vorsieht, ist vor diesem Hintergrund erstaunlich.650 Hier lässt das Gesetz eine Ersetzung oder Abänderung der vertraglichen Vereinbarung der Gesellschafter über die Kapitalerhöhung demnach zu. Allerdings schützt schon § 52 AktG für das Gründungsrecht die Vereinbarung der Gesellschafter nur in sachlich, persönlich und zeitlich begrenztem Umfang. Diesen Schutz schränkt das Gesetz im Bereich des Kapitalerhöhung nochmals ein. Damit gibt es zu erkennen, dass es den Schutz der Gesellschafter und ihrer Vereinbarung über die weitere Kapitalausstattung der AG im Rahmen von Kapitalerhöhungen auf andere Weise sicherstellen will: Für Geschäfte zwischen der Gesellschaft und Aktionären gelten insoweit nur die §§ 57, 62 AktG sowie die Vorschriften über die Haftung des Vorstands und des Aufsichtsrates.651 Dahinter steht die Erwägung, dass der AG weitestmögliche Handlungsfreiheit zustehen soll.652

649 Vgl. schon die Allg. Begründung zum ADHGB 1884 bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 453: „Er [scil.: der Entwurf][. . .] sieht vor, daß auf Erwerbungen, sofern sie innerhalb dieses Zeitraums stattfinden, die Vorschriften entsprechende Anwendung finden, welche bei Abschluß solcher Verträge im Stadium der Gründung gegeben sind, – die Genehmigung durch die Generalversammlung, [. . .]“. 650 Vgl. Wilhelm ZHR 152 (1988), 350. 651 Vgl. schon Wilhelm ZHR 152 (1988), 352 und das dort aus den Gesetzesmaterialien Zitierte. 652 Näher Wilhelm ZHR 152 (1988), 349 ff. Anderer Auffassung – für eine Analogie zu § 52 bei Kapitalerhöhungen – ist etwa GroßKomm3 /Barz § 52 Anm. 7.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Die Hauptversammlungszuständigkeit nach § 52 AktG fügt sich demnach in das hier verfolgte System der Zuständigkeit der Gesellschafter aufgrund ihrer Stellung als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags ein. (h) Insbesondere: Ermächtigungen i. S. v. § 71 I AktG Mitunter werden auch die Ermächtigung des Vorstands durch die Hauptversammlung zum Erwerb eigener Aktien, § 71 I Nr. 8 S. 1 AktG, die Ermächtigung zur gleichbehandlungswidrigen Veräußerung eigener Aktien, § 71 I Nr. 8 S. 5 AktG, sowie die Ermächtigung der Hauptversammlung an den Vorstand, gemäß § 71 I Nr. 8 S. 1 AktG erworbene Aktien einzuziehen, § 71 I Nr. 8 S. 6 AktG, als den Grundlagenentscheidungen zugehörig angesehen.653 Daher ist auch für diese Normen zu prüfen, ob sie dem Prinzip der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Gesellschafter im Bereich der Grundlagenkompetenzen genügen. Hinzu zu nehmen sind dann allerdings konsequenterweise die Fälle der § 71 I Nr. 6 und 7 AktG. § 71 I Nr. 6 AktG ergänzt lediglich das Recht der Kapitalherabsetzung durch Einziehung (§ 237 AktG). Die Norm stellt klar, dass aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals eigene Aktien zu ebendiesem Zweck erworben werden dürfen. § 71 I Nr. 6 AktG ist damit systematisch dem Bereich der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien zuzuordnen. Zur Zuständigkeit der Hauptversammlung für einen Kapitalherabsetzungsbeschluss ist bereits das Notwendige gesagt.654 Das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses in §§ 71 I Nr. 7, 8 AktG lässt sich aus vertraglichen Zusammenhängen nicht erklären. § 71 I Nr. 7 AktG gestattet den Erwerb eigener Aktien aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung, wenn die erwerbende Gesellschaft ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Finanzunternehmen ist und der Erwerb zum Zweck des Wertpapierhandels erfolgt. Nr. 8 der Vorschrift erlaubt den Erwerb eigener Aktien bis zu einem Aktienwert von 10% des Grundkapitals auf der Grundlage eines Beschlusses der Hauptversammlung, der höchstens 18 Monate gelten kann und der den niedrigsten und den höchsten Gegenwert für die eigenen Aktien festlegen muss. Dass sich in beiden Fällen die Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht aus einer Änderung des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags erklärt, ist in der Systematik des § 71 AktG von vornherein angelegt. Nach § 71 I AktG kann „die Gesellschaft“, also für sie handelnd der Vorstand, So allerdings nur GroßKomm4 /Mülbert § 119 Rn. 14 f., der diese Entscheidungen als „Strukturmaßnahmen“ bezeichnet; anders z. B. Hüffer AktG § 119 Rn. 7; KK1 /Zöllner § 119 Rn. 13 ff. 654 Vgl. oben D. VI. 5. b) (6) (c). 653

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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unter bestimmten Voraussetzungen eigene Aktien erwerben. Nur in Abweichung von diesem Grundsatz bedarf der Vorstand in manchen Fällen einer „Ermächtigung“ der Hauptversammlung. Schon das verrät, dass es hier wohl nicht um eine vertragsmäßige Zuständigkeit der Gesellschafter gehen wird, denn diese müsste alle Fälle des Erwerbs eigener Aktien gleichermaßen erfassen. § 71 I Nr. 7 und § 71 I Nr. 8 AktG liegen rein wirtschaftspolitische Zielsetzungen zugrunde. § 71 I Nr. 7 AktG soll dem „Eigenhandel“ in seinen verschiedenen Erscheinungsformen eine gesicherte Rechtsgrundlage geben.655 Der Gesetzgeber ging bei Einführung der Norm davon aus, dass Kreditinstitute aktiv am Börsenhandel teilnehmen. Im Interesse eines effektiven Handels müssten, so die Erwägungen in den Gesetzesmaterialien, die Banken in die Lage versetzt werden, einen gewissen Handelsbestand an eigenen Aktien zu halten. Internationale Kunden erwarteten nämlich, dass nicht nur Dritte die Aktien der am Handel beteiligten Banken zur Verfügung stellten, sondern dass auch die Bank selbst ständig einen liquiden Markt für ihre eigenen Aktien garantiere.656 Das war dem Gesetzgeber Anlass, das Verbot des Erwerbs eigener Aktien für diesen Bereich aufzuweichen. § 71 I Nr. 8 AktG enthält eine weitere Ausnahme vom Verbot des Erwerbs eigener Aktien. Der Gesetzgeber wollte insoweit das Finanzierungsinstrumentarium der deutschen AG an die internationale Praxis angleichen. Der Eigenerwerb könne „zur Belebung des Börsenhandels, zur Steigerung der Akzeptanz der Aktie als Anlageform, zu erhöhter Emissionsneigung und damit zur Attraktivität des deutschen Finanzplatzes beitragen“.657 Die in § 71 I Nr. 7 und 8 AktG vorgesehenen Ermächtigungen gehen insofern nicht auf einen Bezug des Erwerbs eigener Aktien zur gesellschaftsvertraglichen Grundlage zurück. Für die Untersuchung der Zuständigkeit beim Börsengang wird daher unter anderem zu überlegen sein, ob der hier ermittelte rechtspolitische Regelungshintergrund aufschlussreich ist.

655 Vgl. die Begründung zum RegE bei Weißgerber/Jütten S. 273 f.; näher Butzke WM 1995, 1390. 656 Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Hintergründen bei Butzke WM 1995, 1390. 657 Begründung des RegE BT-Drucks. 13/9712, S. 13. Darüber, wie diese Ziele konkret zu erreichen sein könnten, schweigt sich die Begründung allerdings aus. Hingewiesen wird lediglich darauf, dass der Erwerb eigener Aktien dazu dienen könne, das „umlaufende Material“ (also wohl die Zahl der Aktien im freien Verkehr) zu verknappen. Das könne sinnvoll sein, wenn mit den zum Rückkauf verwendeten Gewinnrücklagen anderweitig keine angemessene Rendite zu erzielen sei. Außerdem könne der Erwerb eine spätere Einziehung der Aktien vorbereiten.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

(i) Insbesondere: Recht der Unternehmensverbindungen Seit der Einführung des AktG 1937 unterliegen Verträge, durch die „sich eine Aktiengesellschaft [. . .] verpflichtet, an einen anderen Gewinn abzuführen, [. . .] wenn die Gesellschaft allein oder im Zusammenhang mit anderen Verträgen mehr als drei Viertel ihres gesamten Gewinns abzuführen hat“ sowie solche Verträge, durch die „eine Aktiengesellschaft [. . .] einem anderen den Betrieb ihres Unternehmens verpachtet oder sonst überläßt oder in dem sie ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen zu führen übernimmt“, der Zustimmung der Hauptversammlung der betreffenden Gesellschaft.658 Die Gründe für die Beteiligung der Anteilseigner an diesen Maßnahmen offenbart wieder die historische Auslegung: Zunächst sei zu den schon 1937 gesetzlich geregelten Konstellationen Stellung genommen. Es sind dies nach heutiger Diktion die (Teil-)Gewinnabführungsverträge (§§ 291 I 1, 292 I Nr. 2 AktG) bzw. der dem Gewinnabführungsvertrag gleichstehende Geschäftsführungsvertrag (§ 291 I 2 i.V. m. 1 AktG), wobei das AktG 1937 hier nur eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der gewinnabführenden Gesellschaft vorsah, weiter die Gewinngemeinschaft (§ 292 I Nr. 1 AktG)659 und die Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge (§ 292 I Nr. 3 AktG). Hintergrund der Regelung in § 256 AktG 1937 dürfte zum einen die damalige Praxis vieler AG gewesen sein, in der Satzung ohnehin vorzusehen, dass der Vorstand entsprechende Verträge nicht autonom abschließen durfte.660 Die Gesetzesmaterialien lassen zum anderen erkennen, dass die Nähe der Auswirkungen eines Vertragsschlusses i. S. d. § 256 AktG 1937 auf AG und Aktionäre zu den Auswirkungen einer Fusion eine ganz entscheidende Rolle dafür gespielt hat, dass die Hauptversammlung hier beteiligt wurde. Die Praxis habe gezeigt, so lässt sich den Materialien entnehmen, dass solche Verträge häufig „einen steuerbegünstigten und billigeren Ersatz für Vollfusion darstellen und manchmal einer Vollfusion vorausgehen“.661 Im gleichen Sinne führt die Gesetzesbegründung zum AktG 1937 ausdrücklich aus: „Diese Verträge [scil.: i. S. d. § 256 AktG 1937] bilden oft nur die Vorstufe zur Verschmelzung 658

Zitiert ist der Wortlaut des § 256 AktG 1937. § 256 AktG 1937 fasste unter dem Stichwort „Gewinngemeinschaft“ sowohl Gewinnabführungsverträge, als auch die echte Gewinngemeinschaft zusammen, vgl. die Begründung zum RegE AktG 1965, bei Kropff S. 378 f. 660 Vgl. Ausschuss-Sitzung vom 23.3.1934, bei Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 157. 661 Ausschusssitzung vom 25.3. 1935, bei Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 402; im gleichen Sinne die Amtliche Begründung zu §§ 253–256 AktG 1937, bei Klausing sowie Amtliche Begründung zu §§ 234–237 a. a. O.; ebenso GroßKomm1 /Weipert § 256 Anm. 1. Unergiebig demgegenüber noch die erläuternden Bemerkungen des Reichsjustizministeriums (vgl. Schubert/Hommelhoff Aktienrechtsreform S. 931), noch zu Art. 20 des Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (abgedruckt a. a. O. S. 902 ff.). 659

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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oder Vermögensübertragung. Es ist auch vorgekommen, daß sie den Ersatz für eine in der Hauptversammlung nicht durchsetzbare Verschmelzung abgegeben haben. Im Interesse der freien Aktionäre, die sich von der wirtschaftlichen Konzentration nichts versprechen, andererseits ihr Unternehmen auf diese Weise einem Dritten ausgeliefert sehen, war es geboten, diese Aufgabe der wirtschaftlichen Selbständigkeit [. . .] erschwerten Erfordernissen zu unterwerfen. Es ist daher für diese Verträge ein Hauptversammlungsbeschluß [. . .] vorgeschrieben (§ 256). Damit stehen diese Verträge auf der gleichen Stufe mit der Verschmelzung und Vermögensübertragung.“662 Das Gesetz schützt insoweit also die Regeln über die Fusion vor einer Umgehung. Es sichert die vertragsmäßige Zuständigkeit der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft im Bereich der Fusion663 ab, indem es die Hauptversammlungskompetenz auf Vertragsschlüsse i. S. d. § 256 AktG 1937 „verlängert“. Die Nähe der in § 256 AktG 1937 geregelten Verträge zur Fusion ist mithin ein Grund für die Ausweitung der Hauptversammlungszuständigkeiten auf Unternehmensverträge. Für eine vertragsmäßige Zuständigkeit der Hauptversammlung unter einem anderen Blickwinkel sprechen weitere Anhaltspunkte aus den Gesetzesmaterialien zu § 256 AktG 1937. Dort heißt es: „In jedem Fall wird hierdurch [scil.: durch Abschluss von Verträgen i. S. des § 256 AktG 1937] der Zweck der Gesellschaft, die sich ihres Betriebes entäußert oder sich der Selbstbestimmung über das Ergebnis ihres Betriebes entschlägt, so stark berührt, daß man hier weder der verantwortlichen Führung noch dem Aufsichtsrat allein die Entscheidung über eine so grundlegende Maßnahme wird zugestehen können.“664 Etwas anders formuliert Weipert in seiner damaligen Kommentierung: Mit Einführung der Norm sei zugleich die Streitfrage unter dem alten Recht entschieden worden, „ob und wieweit Verträge, durch die sich eine Gesellschaft ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit begibt, eine Änderung des Gegenstandes des Unternehmens darstellen und deshalb eines satzungsändernden Beschlusses nach § 274 HGB [1897] (= § 145 AktG) bedürfen.“665 Beiden Zitaten lässt sich entnehmen, dass der Abschluss entsprechender Verträge einen Satzungsbestandteil der beteiligten Gesellschaften materiell ändert. Das liefert ein weiteres Argument für eine vertragsmäßige Zuständigkeit der Hauptversammlung. Überzeugender ist dabei der Ansatz beim Unternehmenszweck. Der Unternehmensgegenstand regelt ausschließlich das sachliche Tätigkeitsfeld der Gesellschaft. Die Gewinnerzielung hat damit allenfalls mittelbar etwas zu tun. Die Vereinbarung der Gesellschafter, gemeinsam Gewinn durch Betreiben einer AG zu erwirtschaften, ist aber dahin auszulegen, dass von einer Gewinnerzielung eben nur 662 663 664 665

Amtliche Begründung zu §§ 253–256 AktG 1937, bei Klausing. Dazu schon oben D. VI. 5. b) (6) (e). Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 402 (Hervorhebung des Verf.). GroßKomm1 § 256 Anm. 1 (Hervorhebung des Verf.).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

durch Betreiben dieser AG selbst, in autonomer Weise, auszugehen sein soll.666 Denn das entspricht dem im Gesetz angelegten „Normalfall“ der unverbundenen AG. Insoweit bedeutet die Aufgabe dieser autonomen Gewinnerzielung durch so weitgehende Bindung an einen Vertragspartner eine Zweckänderung667, die das Gesetz gleichsam „standardmäßig“ unterstellt, wenn eine Gesellschaft Verträge i. S. d. § 256 AktG 1937 abschließt. Deshalb erklärt es die Hauptversammlung für zuständig. § 295 AktG erstreckt diese Zuständigkeit auf die Änderung von Unternehmensverträgen. Für die Aufhebung entsprechender Verträge (§ 296 AktG) findet sich überraschenderweise keine Zuständigkeit der Hauptversammlung im Gesetz. Nach dem eben Gesagten möchte man annehmen, dass auch die „Zurück-Änderung“ des Zwecks bzw. die Rückgängigmachung eines fusionsähnlichen Vorgangs eine erneute Beteiligung der Gesellschafter in der Hauptversammlung erfordere. Schon unter dem AktG 1937 war das aber nicht der Fall. Das lässt sich nicht streng dogmatisch erklären, sondern nur aus dem Schutzzweck der Vorschriften über die Hauptversammlungszuständigkeit betreffend den Abschluss von Unternehmensverträgen. Diese Normen knüpfen nicht allein an die Nähe des Vorgangs zur Fusion sowie an die Annahme an, dass durch Abschluss entsprechender Unternehmensverträge eine Zweckänderung stattfinde. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Auswirkungen der Vertragsschlüsse die Hauptversammlungszuständigkeit aus Schutzgesichtspunkten erforderlich machten. Daraus wird klar, dass die umgekehrte Maßnahme (Aufhebung der Verträge), welche die AG wieder in den status quo ante zurückversetzt, der Zustimmung der Aktionäre nicht bedarf. Dadurch wird nur der ursprünglich vertraglich vereinbarte Zustand wieder hergestellt. Ein Schutzbedürfnis besteht in diesem Fall für die Aktionäre nicht in gleichem Maße.668 Vor diesem Hintergrund verzichtet § 296 AktG auf eine Beteiligung der Aktionäre. 666 Dazu Flume DB 1956, 457: „Da das Eigenleben mit der Erzielung eines Eigengewinns der selbstverständliche Inhalt der Satzung einer GmbH ist, [. . .]“. Gleiches gilt für die AG. 667 Für Zweckänderung bei Gewinngemeinschaft: Mülbert Unternehmensgruppe S. 161 ff.; GroßKomm3 /Würdinger § 291 Anm. 6; Timm Konzernspitze S. 34 zu den Unternehmensverträgen: „auf der Grenze zwischen Gegenstands- und Zweckänderung“; S. 54; wohl auch KK2 /Koppensteiner § 292 Rn. 12; MünchKomm AktG2 /Altmeppen vor § 291 Rn. 7 spricht für die Verträge i. S. d. § 292 von einer Aufgabe des Eigeninteresses der Gesellschaft, was dem nahekommt. Für Zweckänderung bei (Teil-)gewinnabführungsvertrag: GroßKomm3 /Würdinger § 291 Anm. 6; Mülbert Unternehmensgruppe S. 166 ff.; KK2 /Koppensteiner vor § 291 Rn. 71: „Satzungsänderung“. Für Zweckänderung bei Betriebspacht- und Überlassungsverträgen: Mülbert Unternehmensgruppe S. 171; GroßKomm3 /Würdinger § 291 Anm. 6; KK2 /Koppensteiner § 292 Rn. 11: Änderung des Unternehmensgegenstands; Rn. 15. 668 So die Begründung zum RegE des § 296 AktG 1965, bei Kropff S. 385.

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Aus den bisherigen Ausführungen erklären sich die heutige Zuständigkeit der Hauptversammlung vor Abschluss eines (Teil-)Gewinnabführungsvertrags betreffend die gewinnabführende Gesellschaft (§ 291 I 1, 2, § 292 I Nr. 2 AktG), über Verträge i. S. d. § 292 I Nr. 1 (Gewinngemeinschaft) und Nr. 3 (Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag) AktG. Im nächsten Schritt sind die gesetzgeberischen Veränderungen im Recht der Unternehmensverbindungen durch das AktG 1965 hinzu zu nehmen: In die Reihe der vertragsmäßigen Zuständigkeiten der Aktionäre lässt sich hier die Beteiligung der Hauptversammlung beim Abschluss von Beherrschungsverträgen (§ 291 I 1 AktG) aus Sicht der beherrschten Gesellschaft einordnen. Die Unterstellung unter die Leitungsmacht einer fremden Gesellschaft verstößt gegen den Verbandszweck – und damit den Gesellschaftsvertrag – der bisher unabhängigen Gesellschaft, der regelmäßig in der autonomen Verfolgung von Gewinninteressen liegt.669 Die Gesellschaft gibt, wie Flume es formuliert, ihr „Recht auf [. . .] Eigenleben“ auf, das „selbstverständlicher Inhalt der Satzung“ ist.670 Der Vertrag bedarf daher der Zustimmung der Hauptversammlung. Ebenso gilt für die Eingliederung auf Seiten der eingegliederten Gesellschaft: Die Zustimmungspflicht ihrer Hauptversammlung (§§ 319 I 1, 320 I 1 AktG) folgt aus dem Wegfall des ursprünglichen Gesellschaftszwecks. Im Falle des § 320 AktG kommt es zusätzlich zum Verlust der Mitgliedschaft in der eingegliederten Gesellschaft, da alle Gesellschafter außer dem Hauptgesellschafter aus der eingegliederten AG ausscheiden, § 320a AktG. Insoweit hat man es hier nicht nur mit einer Zweckänderung zu tun, sondern zugleich mit einem Vorgang, der das Ende der Rechtsstellung des Aktionärs als Vertragspartner herbeiführt. Beide Gesichtspunkten führen zu einer vertragsmäßigen Zuständigkeit der Aktionäre. Einen weiteren Beleg für die vertragsmäßige Zuständigkeit der Gesellschafter bei der Eingliederung liefert § 319 AktG: Ein Hauptversammlungsbeschluss in der eingegliederten AG ist selbst dann erforderlich, wenn sich alle Anteile bereits in der Hand der künftigen Hauptgesellschaft befinden. Damit ist klar, dass nicht etwa ein „Minderheitsschutz“ oder ähnliche Erwägungen maßgeblich für die Beteiligung der Hauptversammlung in der Untergesellschaft ist. Ein Zweifel ist noch zu auszuräumen, bevor ein weiteres Zwischenergebnis festgehalten werden kann: Man kann sich fragen, ob nicht für alle bisher aufgelisteten Unternehmensverträge schon der Wortlaut des § 293 I 4 bzw. der

669 Das entspricht der heute nahezu einhelligen Auffassung, vgl. nur Flume DB 1989, 668 (zur GmbH) sowie DB 1956, 457; ebenso z. B. KK2 /Koppensteiner vor § 291 Rn. 68 ff.; Mülbert Unternehmensgruppe S. 162 ff. 670 Flume DB 1956, 456 bzw. 457 (insoweit zur GmbH; für die AG gilt aber nichts anderes).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

§§ 319 I 2, 320 I 2 AktG es verbietet, von einer vertragsmäßigen Zuständigkeit der Hauptversammlung auszugehen. Die Bestimmungen ordnen an, dass die Vorschriften bzw. Satzungsklauseln über Satzungsänderungen nicht anzuwenden sind. Das ergibt aber keinen Grund, den vertragsändernden Charakter der Maßnahmen in Abrede zu stellen. Vielmehr ordnet § 293 I 4 AktG lediglich an, dass nicht die Vorschriften über die Satzungsänderung neben der Zuständigkeit der Hauptversammlung nach den §§ 291 ff. AktG eine Rolle spielen sollen. Anders etwa als in Fällen, bei denen eine Vermögensübertragung nach § 179a AktG zu einer Satzungsänderung führt, bedarf es also nicht einer zusätzlichen ausdrücklichen Änderung der Satzung nach Abschluss eines Unternehmensvertrags bzw. nach einer Eingliederung.671 Bis hierher lässt sich demnach festhalten: Nicht nur bei den bereits genannten Unternehmensverträgen, die schon § 256 AktG 1937 erfasste, sondern auch bei der beherrschten und bei der eingegliederten AG ist die Hauptversammlungszuständigkeit Folge der Kompetenz der Gesellschafter für Vertragsänderungen. Zu klären bleiben jetzt noch die Zuständigkeit der Hauptversammlung der „Obergesellschaft“ (i. S. d. gewinnbeziehenden oder beherrschenden AG) gemäß § 293 II AktG und die Zuständigkeit der eingliedernden Gesellschaft, §§ 319 II, 320 I 2 i.V. m. 319 II AktG. Sowohl bei den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen als auch bei der Eingliederung scheint sich die Zuständigkeit der Hauptversammlung der „Obergesellschaft“ – also der beherrschenden, gewinnbeziehenden bzw. eingliedernden Gesellschaft – auf den ersten Blick aus ähnlichen Erwägungen wie im Bereich der Wandelschuldverschreibung zu erklären.672 Dort war festgestellt worden, dass die Kompetenz der Gesellschafter zur Erhöhung des satzungsmäßigen Grundkapitals zum Zwecke der Aufnahme neuer Gesellschafter ausschlaggebend war für die Zuständigkeit für die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen. Der Vorstand soll nicht eine Maßnahme durchführen können, deren Folgen er unter Umständen nur durch die Mitwirkung der Gesellschafter bewältigen kann. Auch die Verbindung der Gesellschaften durch einen Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrag eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit für die außenstehenden Gesellschafter der Untergesellschaft, Aufnahme in der Obergesellschaft zu finden, § 305 AktG. Ebenso sind die Aktionäre der eingegliederten AG, wenn sie es wünschen, in die Hauptgesellschaft aufzunehmen, § 320b AktG. Deshalb könnte man auch hier meinen, dass die jeweilige Hauptversammlungszuständigkeit sich daraus erkläre, dass nur die Gesellschafter über die Aufnahme Dritter im Wege der Vertragsänderung entscheiden können.

671 Begründung des RegE zum AktG 1965, bei Kropff S. 381. Vgl. auch Flume DB 1989, 668 sowie schon DB 1956, 455 ff.; Hüffer AktG § 293 Rn. 11. 672 Dazu oben D. VI. 5. b) (6) (f).

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In allen drei Fällen lässt sich jedoch nicht argumentieren, die Zuständigkeit der Aktionäre für die Schaffung von Anteilen sei der entscheidende Aspekt für die Zustimmungspflichtigkeit des Vorgangs. Das zeigt schon der Fall, dass eine Obergesellschaft mit ihrer 100%-Tochtergesellschaft einen entsprechenden Unternehmensvertrag abschließt bzw. diese eingliedert.673 Mangels außenstehender bzw. ausgeschiedener Aktionäre in der Untergesellschaft kommt es hier nicht zur Aufnahme neuer Gesellschafter in die Obergesellschaft. In der Praxis werden zudem Abfindungen im Zuge eines Gewinnabführungsoder Beherrschungsvertrags (§ 305 II AktG) zwar häufig durch (bedingte) Kapitalerhöhungen bewerkstelligt.674 Das Gesetz stellt sich jedoch eine Aufnahme der neuen Gesellschafter über eigene Aktien der Gesellschaft vor, wie § 305 II AktG ausdrücklich klarstellt. Bei der Abfindung in eigenen Aktien der Gesellschaft, wie sie § 305 II vorsieht, besteht nicht die Gefahr, dass der Vorstand der Obergesellschaft sich durch Abschluss des Unternehmensvertrages zu etwas verpflichtet, das er gar nicht (allein) erfüllen kann. Eigene Aktien kann und darf der Vorstand grundsätzlich ohne Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung übertragen, §§ 71 ff. AktG. Von diesem „Normalfall“ geht das Gesetz erkennbar aus. Gleiches gilt für die eingliedernde Gesellschaft. Ausscheidende Gesellschafter der Untergesellschaft werden nach § 320b AktG abgefunden, und zwar entweder in eigenen Aktien der eingliedernden AG, § 320b I 2 AktG, oder, wenn die eingliedernde Gesellschaft abhängig ist, nach Wahl der ausscheidenden Aktionäre auch in bar, § 320b I 3 AktG. Wieder gilt: Eigene Aktien der Obergesellschaft kann der Vorstand grundsätzlich selbst zur Verfügung stellen. In allen drei Fällen lässt sich die Zuständigkeit der Hauptversammlung aus strikten vertragsmäßigen Grundsätzen also nicht erklären. Man kann als Nächstes fragen, ob nicht die Aufgabe des autonomen, eigenverantwortlichen Wirtschaftens in der gewinnbeziehenden, beherrschenden bzw. eingliedernden Gesellschaft – und damit eine Zweckänderung – die Zustimmungspflichten der §§ 293 II, 319 II, 320 I 2 i.V. m. 319 II AktG erklärt.675 Hinsichtlich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags spricht aber 673 Dazu Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 477 (zum Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag). Für die Eingliederung sieht das Gesetz ausdrücklich den Fall einer 100%-Beteiligung vor, § 319 I 1 AktG. 674 Hüffer AktG § 305 Rn. 9 ff. 675 So wohl Geßler ZHR 140 (1976), 437 und Immenga ZHR 140 (1976), 304. Sie verweisen auf einen eigenständigen „Konzernzweck“, den die Obergesellschaft zu verfolgen habe. Daraus folgert Sonnenberg (S. 59 ff.), dass die Autoren für eine Zweckänderung bei der Obergesellschaft infolge des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags eintreten.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

entscheidend gegen diese Annahme ein Umkehrschluss zu § 293 II AktG, auf den Flume hingewiesen hat676: Die Vorschrift unterstellt den Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags der Zuständigkeit der Hauptversammlung einer AG, wenn diese Obergesellschaft ist. Ist die Obergesellschaft hingegen eine GmbH, besteht nach dem Gesetz keine Zustimmungspflicht der Gesellschafter. Das Gesetz sieht als Folge des Abschlusses der in § 293 II AktG genannten Verträge die Abfindung außenstehender Aktionäre in Mitgliedschaftsanteilen nur für eine AG, nicht aber für eine GmbH als Obergesellschaft vor, § 305 II Nr. 1, 3 AktG. Hingegen treffen AG und GmbH als Obergesellschaft gleichermaßen die weitgehenden Verpflichtungen aus dem Abschluss des Vertrags: die Pflicht zur Verlustübernahme (§ 302 AktG), die Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Gläubiger nach § 303 AktG sowie Ausgleichs- und Abfindungsansprüche außenstehender Gesellschafter, §§ 304 f AktG. Daraus ist zu folgern: Was aus Sicht des Gesetzes den Unterschied ausmacht, ist jedenfalls nicht die Entstehung der weitreichenden Pflichten aus §§ 302 ff. AktG.677 Denn das Gesetz ordnet die Zustimmungspflichtigkeit des Abschlusses eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags in der Obergesellschaft eben nur an, wenn diese AG ist, obwohl auch die GmbH als Obergesellschaft diesen Pflichten unterliegt. Die „Aufgabe der wirtschaftlichen Autonomie“ aus Sicht der Obergesellschaft, die ihren Ausdruck in den erheblichen vertragsspezifischen Pflichten gegenüber der Untergesellschaft finden könnte, trifft also verschiedene Gesellschaftsformen in der Obergesellschaft gleichermaßen, ohne dass in jedem Fall eine Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft vorgesehen wäre. Die Annahme einer „standardisierten“ Satzungsänderung kraft Änderung des Verbandszwecks infolge der Entstehung weitreichender Pflichten – eine solche Zweckänderung ist oben für die beherrschte und die gewinnabführende Gesellschaft angenommen worden –, verbietet sich deshalb bei § 293 II AktG.678 Man kann dagegen auch nicht einwenden, in einer GmbH als

676

Flume DB 1989, 667 f. Flume geht noch einen Schritt weiter (vgl. DB 1989, 667 f. und das dort aus der Begründung des Referentenentwurfs zu § 236 und des Regierungsentwurfs zu § 232 GmbH-Reformgesetz Zitierte). Er folgert, dass das Gesetz die Pflicht zur Gewährung von Mitgliedschaften zum maßgeblichen Unterschied erhebe, dass sich mithin die Zustimmungspflichtigkeit der Vertragsschlüsse in der AG als Obergesellschaft aus der Pflicht zur Gewährung von Mitgliedschaften erkläre. Das trifft, wie eben dargelegt, jedenfalls unter dem Blickwinkel einer vertragsmäßigen Zuständigkeit der Aktionäre nicht zu. Darüber hinaus ist der Schluss auch deshalb fraglich, weil eine Pflicht zur Gewährung von Mitgliedschaften auch in der AG nicht in jedem Fall bestehen muss (z. B. wenn keine außenstehenden Aktionäre in der Tochter vorhanden sind, weil es sich um eine 100%-Tochter handelt; man könnte für diesen Fall auf der Basis von Flumes Ansicht freilich über eine teleologische Reduktion von § 293 II AktG nachdenken). Dass sich die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft beim Abschluss dieser Verträge nach hier vertretener Ansicht aus einem anderen Gesichtspunkt erklärt, wird sogleich (im Text) näher darzulegen sein. 677

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Obergesellschaft sei die Zustimmungspflichtigkeit einer Maßnahme nicht von Belang, weil die Geschäftsführer ohnehin den Weisungen der Gesellschafter unterlägen, § 37 I GmbHG. Das Gesetz habe deshalb eine Zustimmungspflicht bei der GmbH (oder bei Personengesellschaften) gar nicht vorzusehen brauchen. Solche Weisungen können, anders als im Falle des § 293 II AktG, regelmäßig schon mit einfacher Beschlussmehrheit von der Gesellschafterversammlung getroffen werden, § 47 I GmbHG. Das ersetzt nicht die Anordnung der Zustimmung der Gesellschafter der GmbH mit qualifizierter Mehrheit. Die zutreffende Erklärung dafür, dass der Abschluss eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags sowie die Eingliederung der Zustimmung der Hauptversammlung in der jeweiligen „Obergesellschaft“ bedürfen, liefern die Vorschriften über die Fusion. Der schon angesprochene Gedanke des „Umgehungsschutzes“, der Absicherung einer vertragsmäßigen Zuständigkeiten der Aktionäre im Bereich der Fusionsvorschriften, trifft auch für § 293 II und §§ 319 II, 320 I 2 i.V. m. 319 II AktG zu. Diese Vorschrift sind – ähnlich wie § 179a AktG – als „Verlängerung“ der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Hauptversammlung im Bereich der Fusion zu verstehen.679 Diese These680 bedarf der Absicherung in zweierlei Hinsicht: Zum Ersten ist nachzuweisen, dass die Zuständigkeit der Aktionäre bei der Fusion tatsächlich eine vertragsmäßige ist, die sich also aus der Stellung der Aktionäre als Vertragspartner ergibt. Zum Zweiten muss belegt werden, dass diese Zuständigkeit der „Absicherung“ gegenüber dem Abschluss von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen sowie gegenüber einer Eingliederung – und also der Erstreckung auf diese Tatbestände – bedurfte. Diese Nachweise können hier nicht schon dadurch geführt werden, dass auf die Darlegungen zur „verlängerten“ Hauptversammlungszuständigkeiten für die gewinnabführende Gesellschaft verwiesen wird.681 Hierzu war oben festgestellt worden, dass die Hauptversammlungszuständigkeit in der gewinnabführenden AG als „Verlängerung“ der (vertragsmäßigen) Hauptversammlungszuständigkeit in der übertragenden Gesellschaft bei der Fusion verstanden werden kann. Das 678 Im Übrigen ist, wie Sonnenberg (S. 59 ff.) nachweist, auch ein eigenständiger „Konzernzweck“, von dem Geßler und Immenga (Fn. 675) ausgehen, nicht anzunehmen. Ein solcher rechtlich verbindlicher Zweck lässt sich dem Aktienrecht nicht entnehmen. Deshalb kann auch für die Eingliederung eine Zweckänderung nicht angenommen werden. 679 Was daraus für den eben angesprochenen Fall der GmbH als „Obergesellschaft“ folgt, kann hier nicht weiter verfolgt werden. Es ist denkbar, dass aus dem Gesichtspunkt der Fusionsähnlichkeit auch hier letztlich eine (vertragsmäßige) Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für den Abschluss von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen hergeleitet werden muss. 680 Sie wird im Folgenden als „Ausgangsthese“ bezeichnet werden. 681 Hierzu ist unter dem hier aktuellen Gliederungspunkt Näheres ausgeführt worden.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

hilft für § 293 II AktG und für die Eingliederung nicht weiter. Denn die entsprechenden Normen setzen auf der Ebene der „Obergesellschaft“ – i. S. v. gewinnbeziehender, beherrschender oder eingliedernder AG – an. Das entspricht für die Fusion der Ebene der aufnehmenden AG und ihrer Hauptversammlung. Nur wenn sich also auch die Zuständigkeit der aufnehmenden AG bei der Fusion als vertragsmäßige Zuständigkeit darstellt, kann eine „Verlängerung“ dieser Zuständigkeit durch § 293 II AktG und durch §§ 319 II, 320 I 2 i.V. m. 319 II AktG unter vertragsmäßigen Gesichtspunkten in Betracht kommen. Es muss demnach schrittweise vorgegangen werden. Für den Nachweis der vertragsmäßigen Zuständigkeit der Hauptversammlung der aufnehmenden Gesellschaft bei der Fusion sind zunächst die Verschmelzung durch Aufnahme und die Verschmelzung durch Neubildung zu unterscheiden: Im Falle der Fusion durch Aufnahme haben wir es deshalb mit einer vertragsmäßigen Zuständigkeit der Gesellschafter der aufnehmenden AG zu tun, weil die Abfindung der Aktionäre der übertragenden AG durch Gewährung von Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft stattfindet, § 237 AktG 1937.682 Auch hier gilt wieder: Der Vorstand darf bzw. kann nicht im Wege der Fusion etwas beschließen, dessen Einhaltung er ohne Mitwirkung der Gesellschafter unter Umständen683 nicht gewährleisten kann. Da die Aktionäre für die Schaffung von Anteilen zuständig sind, bleibt ihnen als „Fernwirkung“ dieses Rechts die Entscheidung über die Gewährung von Anteilen auch im Zuge einer Fusion vorbehalten. Besonders anschaulich macht das § 234 I 2 AktG 1937, der eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der aufnehmenden Gesellschaft nur dann für notwendig erklärte, wenn der Gesamtnennbetrag der zu gewährenden Aktien 10% des Grundkapitals der AG überschritt. Diese Grenze war nicht willkürlich gezogen. Vielmehr war bis zu dieser Grenze die Verschmelzung grundsätzlich noch in eigenen Aktien – also grundsätzlich autonom durch den Vorstand – zu bewältigen, § 65 AktG 1937, so dass man eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft in diesem Fall für entbehrlich halten konnte.684 Die Zuständigkeit der Hauptversammlung der aufnehmenden Gesellschaft bei der Fusion durch Aufnahme stellt sich demnach als eine vertragsmäßige Kompetenz dar. Bei der Verschmelzung durch Neubildung steht insoweit eine Änderung des Gesellschaftsvertrags an, als die sich vereinigenden Gesellschaften als solche 682

Ebenso § 343 AktG 1965 und heute § 66 UmwG. Der Vorstand könnte eine Verschmelzung theoretisch in gewissem Rahmen autonom bewältigen, etwa soweit eigene Aktien der aufnehmenden AG zur Verfügung stehen, vgl. § 238 AktG 1937, § 345 AktG 1965 und heute § 68 UmwG. 684 Die Begründung des RegE hebt allerdings die wirtschaftliche Bedeutung hervor und weist darauf hin, bei der Gewährung von 10% und weniger sei die Verschmelzung von untergeordneter Bedeutung für die Aktionäre, Amtliche Begründung zu §§ 234–237, bei Klausing. 683

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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nach der Durchführung der Fusion nicht mehr existieren, § 247 VI AktG 1937.685 Insoweit handelt es sich um einen Beendigungstatbestand für die Gesellschaft, der den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag „gegenstandslos“ werden lässt. Hierüber haben die Aktionäre als Parteien des Vertrags zu entscheiden. Also lässt sich festhalten: In beiden Fällen der Fusion ist allseits eine „vertragsmäßige Zuständigkeit“ der Aktionäre festzustellen, auch in der aufnehmenden Gesellschaft. Damit ist der erste Beleg für die Ausgangsthese erbracht. Die Motivation dafür, diese vertragsmäßige Zuständigkeit der Aktionäre im Bereich der Fusion auszudehnen, resultiert – insoweit wird jetzt der zweite Beleg für die Ausgangsthese geliefert – aus der vom Gesetzgeber angenommenen „Ähnlichkeit“ der Fusion mit dem Abschluss eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags bzw. mit einer Eingliederung: Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gesetzgeber den Abschluss von Gewinnabführungsverträgen zwischen zwei Gesellschaften als einen „fusionsähnlichen“ Sachverhalt sah. § 291 I AktG stellt nun dem Gewinnabführungsvertrag den Beherrschungsvertrag unmittelbar an die Seite. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass § 291 AktG „die beiden einschneidendsten Vertragstypen“ regele.686 Hingewiesen wird weiter darauf, dass ein Gewinnabführungsvertrag in den seltensten Fällen ohne einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen wird.687 Beide Verträge ergänzen sich also. Die parallele Regelung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag spricht daher bereits dafür, auch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags als „fusionsähnlichen“ Sachverhalt einzuordnen. Das bestätigt der Blick auf die Einwirkungsmöglichkeiten der Obergesellschaft auf die Untergesellschaft kraft des Beherrschungsvertrags: Über das Weisungsrecht des Vorstands der Obergesellschaft ist rechtstatsächlich ein Wirtschaften der Obergesellschaft in der Untergesellschaft wie in einem Betriebsteil der Obergesellschaft möglich, § 308 I 1 AktG. Damit kann festgehalten werden, dass nicht nur der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags aus Sicht des Gesetzgebers „fusionsähnlich“ ist, sondern auch der Abschluss eines Beherrschungsvertrags.688 Gleiches gilt, wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt, für die Eingliederung: „Ein Hauptversammlungsbeschluß der zukünftigen Hauptgesellschaft muß schon im Hinblick darauf gefordert werden, daß die Eingliederung 685 Im AktG 1965 sah § 353 VI 1 die Rechtsfolge vor. Heute findet sich eine entsprechende Regelung in §§ 2 Nr. 2, 36, 20 I Nr. 2 UmwG. 686 Begründung des RegE zum AktG 1965, bei Kropff S. 376. 687 Begründung des RegE zum AktG 1965, S. 374. Das hat mit steuerlichen Aspekten zu tun (Organschaft), dazu Flume DB 1956, 455. 688 MünchKomm AktG2 /Altmeppen vor §§ 291 ff. Rn. 3 sowie vor § 291 Rn. 7 spricht anschaulich davon, dass durch den Abschluss eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags (zur Üblichkeit der Kombination beider Verträge a. a. O. Rn. 8) eine wirtschaftliche Fusion auf Zeit herbeigeführt werde.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

rechtlich die Mitte zwischen dem Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags mit einer Aktiengesellschaft und einer Verschmelzung hält.“689 Damit können die beiden Belege für die Ausgangsthese zusammengeführt werden: Über eine Fusion hat die Hauptversammlung der aufnehmenden Gesellschaft wegen ihrer „vertragsmäßigen“ Zuständigkeit zu entscheiden. Nicht nur der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags, sondern auch der Abschluss eines Beherrschungsvertrags und die Eingliederung sind vom Gesetzgeber als fusionsähnlicher Vorgang wahrgenommen worden. Das bedeutet: Der Gedanke des „Umgehungsschutzes“, der Absicherung der vertragsmäßigen Zuständigkeiten der Gesellschafter im Bereich der Fusion, erklärt die Ausdehnung der Zustimmungserfordernisse auf die Ebene der Obergesellschaft in § 293 II AktG und in §§ 319 II, 320 I 2 i.V. m. 319 II AktG. Die Hauptversammlung wird am Abschluss dieser – aus Sicht des Gesetzgebers – fusionsähnlichen Verträge beteiligt, um eine Aushebelung der Zuständigkeit der Anteilseigner im Bereich der Fusion zu vermeiden.690 Insoweit sind die Kompetenzen der Hauptversammlung aus § 293 II AktG sowie aus §§ 319 II, 320 I 2 i.V. m. 319 II AktG wiederum Ausdruck der Kompetenz der Anteilseigner in ihrer Eigenschaft als Parteien des Gesellschaftsvertrags. Ergänzend tritt § 295 AktG auch in der „Obergesellschaft“ für die Änderung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen hinzu.

689 Begründung des RegE zum AktG 1965, bei Kropff S. 422. Die Nähe zwischen einem Beherrschungsvertrag und der Eingliederung belegen auch noch weitere Ausführungen in den Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber meint, mit dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags seien weitgehende Sicherungen der Aktionäre und Gläubiger der abhängigen Gesellschaft verbunden. Diese Sicherungen seien in ihrer im Gesetz vorgesehenen Form nicht erforderlich, wenn das „herrschende“ Unternehmen eine AG sei, in deren Hand sich bereits alle Anteile an der zu beherrschenden Gesellschaft befänden. Vorschriften zum Schutz außenstehender Aktionäre seien dann ganz überflüssig, die Gläubiger der Untergesellschaft seien einfacher zu schützen. Es genüge, wenn das „herrschende“ Unternehmen für die Verbindlichkeiten der Untergesellschaft mithafte. So hat er es in den Vorschriften über die Eingliederung dann vorgesehen (Begründung des RegE zum AktG 1965, bei Kropff S. 421). 690 Man könnte hier einwenden, dass die These der Ähnlichkeit von Gewinnabführungsvertrag und Fusion auf Ebene der Obergesellschaft bzw. aufnehmenden Gesellschaft sich im Gesetz nicht durchgängig wiederfinde. So liege die Nähe eines Teilgewinnabführungsvertrags über 95% des Unternehmensgewinns zur Fusion ebenfalls nahe, ohne dass § 293 II AktG hier die Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft verlange. Dieser Einwand übersieht aber, dass das Gesetz mit einer gewissen „Pauschalierung“, mit Standardisierungen arbeiten muss und nicht in jedem Einzelfall die Nähe zur Fusion tatsächlich zur Überprüfung stellen kann. Im Falle der Gewinnabführungsverträge kam nur eine Regelung in Frage, die ab einem gewissen Prozentsatz von abzuführendem Gewinn die Zustimmungspflichtigkeit aus Sicht der Obergesellschaft annahm. Diesen Prozentsatz hat das Gesetz bei 100% des Gewinns angesetzt.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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Damit sind die letzten Hauptversammlungszuständigkeiten aus dem Bereich des Rechts der Unternehmensverbindungen in das System der vertragsmäßigen Zuständigkeiten der Hauptversammlung eingeordnet. Die zuletzt angestellten Erwägungen mögen auf den ersten Blick recht kompliziert oder gar konstruiert erscheinen. Die Gesetzesmaterialien deuten auch eine ungleich direktere Lösung an. Ihnen lässt sich entnehmen, dass man die umfangreichen Pflichten, welche die Obergesellschaft als Folge des Abschlusses eines Unternehmensvertrags treffen, als eine Motivation für die Anordnung eines Hauptversammlungsbeschlusses auch in der Obergesellschaft (§ 293 II AktG) anzusehen habe.691 Es soll hier aber auch gar nicht behauptet werden, dass die Rechtsposition der Aktionäre als Vertragspartner die exklusive Erklärung für die Beteiligung der Anteilseigner in der Hauptversammlung abgebe. Sie ist indessen eine mögliche Erklärung. Ob sich den Vorschriften darüber hinaus eine weitergehende ratio, ein anderes – im Analogiewege erweiterungsfähiges – Erklärungsmuster entnehmen lässt, wird noch Gegenstand der weiteren Untersuchung sein. Soweit für die Ermittlung des Prinzips der vertragsmäßigen Zuständigkeiten der Hauptversammlung wiederholt und vertieft auf die historischen Grundlagen der Gesetzesentstehung eingegangen wurde, wird nicht verkannt, dass die subjektive Regelungsabsicht des Gesetzgebers nicht determinierend für die Regelungslogik des Gesetzes sein muss. Auch deshalb wird noch untersucht werden, ob den Normen ein weitergehender oder abweichender Regelungsgedanke zu entnehmen ist. Die Kenntnis der Gesetzeshistorie war aber in unserem Fall unerlässlich, um überhaupt einen durchgängigen Regelungshintergrund zu entdecken. (j) Die Erweiterbarkeit des Prinzips der „vertragsmäßigen Zuständigkeiten“ und die fehlende Erweiterbarkeit rechtspolitischer Erwägungen Die bei weitem überwiegende Zahl der Zuständigkeiten der Hauptversammlung im Bereich der Grundlagentatbestände kann man aus der Überlegung heraus erklären, dass die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Vertragspartner von einer Maßnahme betroffen sind oder aber daraus, dass die Maßnahme aus Sicht des Gesetzgebers ähnliche Auswirkungen hat wie eine solche, für die eine „vertragsmäßige“ Zuständigkeit der Gesellschafter besteht. Dieses Prinzip ist unproblematisch erweiterungsfähig. Es ist keine von vornherein abschließende Zahl von Einwirkungen auf den Gesellschaftsvertrag denkbar, die diesen ändern. Insoweit kommt auch für den Fall des Börsengangs 691 Vgl. die Begründung des RegE zum AktG 1965, bei Kropff S. 381. Entsprechendes könnte man für die Folgepflichten aus der Eingliederung annehmen wollen. Zu dem hier angesprochenen Gesichtspunkt ist bereits im Text Stellung genommen worden.

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

grundsätzlich in Betracht, dass auf ihn das allgemeine Prinzip der vertragsmäßigen Zuständigkeiten Anwendung findet. Die Grundlagenkompetenzen sind insoweit nicht als abschließende Regelung zu sehen. Nicht unter dem Blickwinkel der vertragsmäßigen Zuständigkeiten zu erklären waren die Kompetenz der Anteilseigner bei der Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten (§ 221 AktG) sowie die Ermächtigungsmöglichkeiten in § 71 I Nr. 7, 8 AktG. Es ist oben schon die Frage aufgeworfen worden692, ob hinter diesen Hauptversammlungszuständigkeiten ein weiterer verallgemeinerungsfähiger Grundgedanke stehen könnte. Insoweit ist nochmals auf den Regelungszweck der Tatbestände zu sehen: Das Mitwirkungsrecht der Anteilseigner bei der Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten (§ 221 AktG) war auf eine ganze Reihe von Regelungsmotiven zurückzuführen, darunter das Ziel, die Rechte der Aktionäre ausreichend zu schützen, neue Kapitalbeschaffungsformen anzuerkennen und Missbräuche der Papiere zu verhindern.693 Bei der Schaffung von § 71 I Nr. 7, 8 AktG standen wirtschaftspolitische Überlegungen im Vordergrund.694 Hieraus wird klar, dass die Tatbestände in Hinblick auf eine Analogie keinen Ertrag bringen können. Denn sie gehen im Kern auf rechtspolitische Überlegungen, auf Erwägungen der Opportunität zurück. Für § 71 I Nr. 7, 8 AktG liegt das wegen des wirtschaftspolitischen Hintergrunds der Normen auf der Hand. § 221 AktG ist nicht minder von rechtspolitischen Erwägungen getragen: Das vom Gesetzgeber herausgestellte Bedürfnis, die Anteilseigner vor „Gefährdungen“ ihrer Rechte zu schützen, lässt sich schon angesichts der Vielzahl denkbarer Ausgestaltungsmöglichkeiten der Wertpapiere (die zu bald weiterreichenden, bald weniger weitreichenden „Rechtsgefährdungen“ führen können) nicht an sachlich zweifelsfreien Kriterien nachmessen. Auch hier geht es mithin um eine als zweckmäßig angesehene, rechtspolitische Anordnung des Gesetzgebers. Ein solcher rechtspolitischer Regelungshintergrund lässt sich nicht im Analogiewege auf weitere Fallgestaltungen erstrecken. Das liegt nicht daran, dass von vornherein kein logisch weiterzuführendes Prinzip für die Anordnung der Hauptversammlungszuständigkeiten vorstellbar wäre. So sind etwa „Gefährdungen“ der Aktionärsrechte, denen § 221 AktG vorbeugen soll, in einer Vielzahl von Fallgestaltungen vorstellbar, möglicherweise auch beim Going Public. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 II 2 GG) ist es jedoch allein Sache des Gesetzgebers – und nicht des Rechtsanwenders –, rechtspolitische Überlegungen zu entwickeln und zu bestimmen, für welche Fallgruppen sie konkret gelten und zu welchen Konsequenzen sie dort führen sollen.695 Aus diesem Grund kann man § 221 und § 71 Nr. 7, 8 AktG keinen abstraktionsfähi692 693 694

Unter D. VI. 5. b) (6) (f) a. E. Dazu oben D. VI. 5. b) (6) (f). Siehe oben D. VI. 5. b) (6) (h).

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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gen „Regelungsplan“, kein erweiterungsfähiges Prinzip in Hinblick auf Hauptversammlungskompetenzen entnehmen. c) Fehlende „Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen“ mangels Übereinstimmung des Börsengangs mit dem ermittelten Prinzip Fragen wir jetzt noch, ob das Prinzip der vertragsmäßigen Zuständigkeiten der Hauptversammlung letztlich auf den Börsengang übertragen werden kann, so ist festzustellen: Der Börsengang ist den gesetzlich geregelten Konstellationen, in denen das Anteilseignerorgan kompetent ist, nicht vergleichbar. Dies scheint zunächst geradezu auf der Hand zu liegen: Der Börsengang als solcher ändert den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag nicht, und es ist auch keine Nähe zu einer anderweit vertragsändernden Maßnahme ersichtlich. Doch ist zu überlegen, ob nicht das bisher gefundene Prinzip nochmals abstrahiert werden kann. Es ist erkannt worden, dass der Vorstand nur in Angelegenheiten der Gesellschaft tätig werden darf, während die Gesellschafter ihre Angelegenheiten, nämlich Abänderungen des Vertragswerkes, zu besorgen haben. Die Tätigkeit des Vorstands für den Verband trifft also nur im wirtschaftlichen Ergebnis die Verbandsmitglieder. Man kann es anders wenden: Der Vorstand kann in Ausübung seiner Tätigkeit für die Gesellschafter keine Rechtsfolgen herbeiführen, sondern nur für die Gesellschaft. Misst man den Börsengang am so formulierten Regelungsgedanken der Grundlagentatbestände, kann man die Aktionäre doch als entscheidungsbefugt ansehen. Denn im zweiten Teil der Arbeit ist herausgearbeitet worden, dass einige Zulassungsfolgepflichten des Börsengangs die Aktionäre treffen, nicht nur die AG.696 Die Aktionäre können infolge des Börsengangs in die Prospekthaftung geraten. Als Insider können sie den Verbotstatbeständen der §§ 12 ff. WpHG unterliegen, und es treffen sie das Verbot des § 20a WpHG (Verbot der Kursmanipulation) sowie steuerliche Folgen. Der Vorstand führt also Rechtsfolgen für die Aktionäre herbei, die über deren „mittelbare“, rein vermögensmäßige Involvierung hinausgehen, wenn er die AG an die Börse bringt. Das 695 Eingehend dazu Flume Sitzungsberichte zum 46. DJT, K-17 ff., der die Rektoratsrede von Windscheid aus dem Jahre 1884 zitiert: „Die Gesetzgebung [. . .] beruht in zahlreichen Fällen auf ethischen, politischen, volkswirtschaftlichen oder auf einer Kombination dieser Erwägungen, welche nicht Sache des Juristen als solchen sind“. Flume stimmt dem zu (K-18 ff.). Solche Erwägungen gälten „nichtrechtlichen Sachzielen“ (K-18). Der Jurist „als solcher“ habe nicht über diese Sachziele zu bestimmen, sondern die Wertentscheidungen des Gesetzgebers zu akzeptieren. „Wie der Richter allgemein nicht Recht zu setzen befugt ist, so hat er sich – ohne besondere gesetzliche Ermächtigung – aller Entscheidungen zu enthalten, die nicht rechtlich determiniert sind. [. . .] Die rechtsprechende Gewalt hat keine politischen Entscheidungen zu fällen.“ (K-26) 696 Vgl. oben B. I. 4.

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spricht dafür, die Hauptversammlung als Organ der Anteilseigner entscheiden zu lassen. Zur Stützung dieser Position lässt sich aus den Verhandlungen des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht im Vorfeld des AktG 1937 zitieren: „Die Generalversammlung hat [. . .] über die Rechte zu beschließen, die unmittelbar den [. . .] Gesellschaftsanteil betreffen, wie Satzungsänderungen, Kapitalserhöhung und Auflösung der Gesellschaft“.697 Der Börsengang ist zweifellos ein Vorgang, der unmittelbar den Gesellschaftsanteil betrifft, bezieht sich doch die Börsenzulassung gerade auf die Anteile, nicht auf die AG. Versteht man die bisher im Bereich der Grundlagentatbestände herausgearbeitete Regelungsabsicht also dahin, dass der Vorstand nicht im Rechtskreis der Gesellschafter tätig werden darf, scheint man für eine Beteiligung der Hauptversammlung an der Grundsatzentscheidung über den Börsengang eintreten zu können. Einen gesetzlichen Anwendungsfall des abstrahierten Regelungsgedankens par excellence scheint zudem die Regelung des Squeeze-out in §§ 327a ff. AktG zu enthalten: Die Hauptversammlung kann nach diesen Vorschriften dergestalt Rechtsfolgen für die Minderheitsaktionäre herbeiführen, dass diese ihre Aktien an den Hauptgesellschafter verlieren, § 327a I AktG. Das könnte man als Argument dafür anführen wollen, dass in der Tat nur die Hauptversammlung, nicht aber der Vorstand Rechtsfolgen für die Gesellschafter bewirken könne. Eine solche Argumentation würde jedoch zu kurz greifen. Denn § 327a I AktG ist nicht minder eine Ausnahmeerscheinung, als es eine Vorschrift wäre, die es dem Vorstand gestattete, Rechtsfolgen für die Aktionäre herbeizuführen. § 327a I AktG erlaubt es nämlich der Hauptversammlung nicht, für die Gesamtheit der Aktionäre dieselbe Rechtsfolge zu erzielen, so wie es die Grundlagenkompetenzen vorsehen. Die Squeeze-out-Vorschriften eröffnen vielmehr einem Teil der Gesellschafter die Möglichkeit, über die Hauptversammlung Rechtsfolgen für den anderen Teil herbeizuführen. Dabei beschränkt sich der Hauptversammlungsbeschluss nicht etwa auf die gesellschaftsvertragliche Ebene (so aber die Grundlagenkompetenzen), sondern greift in die „Privatsphäre“ der Minderheit ein – nämlich in deren Recht, ihre Anteile zu veräußern oder nicht zu veräußern. Deshalb lässt sich aus § 327 a I AktG kein zusätzliches Argument gewinnen. Gegen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung beim Börsengang aufgrund der vorher angestellten Überlegungen könnte man zum Ersten einwenden wollen, die Erkenntnis, dass der Vorstand keine Rechtsfolgen für die Gesellschafter herbeiführen könne, sei eine Selbstverständlichkeit, für deren Beleg es allenfalls eines Hinweises auf den Wortlaut von §§ 76 ff. AktG bedurft hätte. Nach diesen Vorschriften kann der Vorstand lediglich die Geschäfte der Gesellschaft füh697

So Kißkalt (Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 485).

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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ren, er kann nur die AG leiten und vertreten. Zum Zweiten könnte man darauf verweisen, dass der Vorstand im Falle des Börsengangs für die AG tätig werde, die Gesellschafter nur mittelbar gewissen Rechtsfolgen ausgesetzt seien. Der Vorstand selbst bewirke diese Rechtsfolgen folglich nicht für die Aktionäre, die Zulassungsfolgepflichten resultierten vielmehr aus einem Handeln des Vorstands (nur) für die AG. Es sei Folge des Auftritts der AG am Kapitalmarkt und der daraus folgenden Anwendbarkeit des Kapitalmarktrechts, dass bestimmte Pflichten für die Aktionäre entstünden. Dem ersten Einwand lässt sich wie folgt begegnen: Für die alleinige Feststellung, dass der Vorstand nicht die Gesellschafter vertreten darf, hätte es in der Tat der eingehenden Untersuchung der Grundlagentatbestände nicht bedurft. Doch beschränkt sich die dort gewonnene Erkenntnis nicht auf diese Aussage. Vielmehr ist den Untersuchungen zu entnehmen, dass der Vorstand auch nicht dergestalt für die AG tätig werden kann, dass dadurch materiell eine „Änderung“ des Gesellschaftsvertrags erzielt wird. Bereits wenn der Sache nach Rechtsfolgen für die Gesellschafter herbeigeführt werden, indem durch eine Maßnahme die Satzungsebene verändert wird, ist die Hauptversammlung zuständig. Einen Beleg hierfür und damit ein weiteres Argument für die Zuständigkeit der Hauptversammlung kann man aus dem Recht der Unternehmensübernahmen gewinnen. Dort ist eine Diskussion um die Frage entstanden, ob der Vorstand einer AG, die Ziel eines Übernahmeverfahrens ist oder werden soll, Maßnahmen ergreifen darf, welche die Übernahme erschweren oder unmöglich machen sollen. § 33 WpÜG ist ein Produkt dieser Diskussion und, innerhalb des Anwendungsbereichs des WpÜG, zugleich die Entscheidung der Diskussion durch den Gesetzgeber. Dass § 33 I 1 WpÜG ein grundsätzliches Verbot solcher Verhinderungsmaßnahmen durch den Vorstand anordnet698, ist dabei aus dem bisher eingenommen Blickwinkel konsequent. Denn solche Maßnahmen mögen vordergründig Geschäftsführung sein. Sie haben als Endziel aber die Verhinderung der Anteilsübernahme – und damit die Verhinderung eines Geschäfts auf Anteilseignerebene. Im Kern sollen die Abwehrmaßnahmen einen Erwerb für den Bieter unattraktiv machen, sei es durch Erhöhung des Wertes der zu erwerbenden Gesellschaftsanteile, sei es auf anderem Wege.699 § 33 I 1 WpÜG fixiert deshalb im Wege eines an die Verwaltung gerichteten Verbotes eine grundsätzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Entscheidung über Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen.700 § 33 II WpÜG bestätigt das für einen Sonderfall, die sogenannten „Vorratsermächtigungen“. Die Aktionäre als Adressaten des Übernahmeangebotes sollen nicht in 698

So Haarmann/Riehmer/Schüppen/Röh, WpÜG, § 33 Rn. 49. Zu möglichen Abwehrmaßnahmen vgl. etwa Haarmann/Riehmer/Schüppen/Röh, WpÜG, § 33 Rn. 54 ff.; 77 ff.; Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 20 ff. 700 Altmeppen ZIP 2001, 1078; explizit auch Haarmann/Riehmer/Schüppen/Röh WpÜG, § 33 Rn. 98, 49. 699

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

ihrer Entscheidungsfindung dadurch eingeschränkt werden, dass Vorstand oder Aufsichtsrat der Zielgesellschaft durch eigenständige Entscheidungen den Erfolg eines Übernahmeangebotes eigenmächtig vereiteln können.701 Auch dem lässt sich entnehmen: Rechtsfolgen, welche im Kern die Anteilseigner angehen, darf der Vorstand nicht (allein) herbeiführen. Damit ist zugleich das zweite Argument widerlegt, demzufolge der Vorstand im Falle des Börsengangs nur für die AG tätig werde, nicht aber für die Aktionäre. Der Einwand ist schon deshalb wenig überzeugend, weil er sich allein auf formale Umstände stützen kann. Im Übrigen ergeben auch die vorstehenden Ausführungen, dass es gar nicht darauf ankommt, für wen der Vorstand formal tätig wird. Es kommt darauf an, wen im Kern die Rechtsfolgen seines Handelns treffen. Die folgenden Bedenken gegen die Annahme einer Hauptversammlungskompetenz beim Börsengang wiegen ungleich schwerer: Die Betrachtungen zum Ablauf eines Börsengangs haben in der Tat ergeben, dass die Aktionäre gewissen Rechtsfolgen ausgesetzt sind, wenn „ihre“ AG an die Börse geführt wird. Den „spiegelbildlichen“ Rechtsfolgen unterliegen die Aktionäre beim Börsenrückzug. Für den letzteren Fall konnte nachgewiesen werden, dass eine Beteiligung der Hauptversammlung nach dem Gesetz nicht in Betracht kommt. Es gibt demnach eine Konstellation – und diese ist dem Börsengang zudem eng „verwandt“ –, welche es dem Vorstand gestattet, Rechtsfolgen für die Aktionäre herbeizuführen, ohne dass die Anteilseigner hierüber mitzubestimmen haben. Des Weiteren nehmen die Rechtsfolgen des Börsengangs für die Aktionäre keineswegs einen zwangsläufigen Charakter an. Der einzelne Aktionär kann sich vielmehr so verhalten, dass er den Rechtsfolgen des Börsengangs entgeht. Der Anteilseigner muss noch selbst tätig werden, damit ihn die vom Vorstand „angelegten“ Rechtsfolgen tatsächlich einholen: So unterfallen die Aktionäre der Prospekthaftung (§§ 44 ff. (i.V. m. § 55) BörsG) nur dann, wenn sie als „Urheber“ des Prospekts auf dessen Inhalt maßgeblich Einfluss genommen haben. Die Insiderverbote aus § 14 WpHG treffen die Anteilseigner nur, wenn sie aufgrund dieser Stellung Kenntnis von einer Insidertatsache haben (§ 13 I Nr. 2 WpHG), nicht schon kraft ihrer Stellung als Aktionäre. Börsenkursmanipulationen (§ 20a WpHG) sind ihnen wie jedem Dritten untersagt. Die Mitteilungspflichten des Gesellschafters aufgrund der §§ 21 ff. WpHG treten lediglich an die Stelle der aktienrechtlichen Verpflichtungen aus den §§ 20 f. AktG, sind 701 Begründung zum RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 57. Die Änderung der Vorschrift im weiteren Verlauf der Gesetzgebung hat an dieser Grundintention nichts geändert, vgl. Geibel/Süßmann WpÜG, § 33 Rn. 1. § 33 I 2 WpÜG enthält freilich eine Aufweichung des Verbotes und damit der Grundzuständigkeit der Hauptversammlung.

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also keineswegs „neuartige“ Pflichten für die Aktionäre. Sogar die steuerlichen Folgen des Börsengangs kann der Aktionär abwenden, indem er entweder seine Anteile überhaupt nicht veräußert, solange die Gesellschaft börsennotiert ist, oder aber, indem er eine steuerliche Gestaltung wählt, bei der er etwaigen ungünstigen steuerlichen Folgen einer Anteilsübertragung aus dem Weg geht. Das zeigt, dass der Aktionär letztlich auch nach einem Börsengang noch selbst dafür verantwortlich ist, ob ihn die Rechtsfolgen der Börsennotierung seiner Anteile treffen. Der Vorstand schafft letztlich nur die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass den Aktionär bestimmte Rechtsfolgen treffen können. Der Anteilseigner ist ihnen aber nicht automatisch und damit schutzlos ausgeliefert. Vergleicht man diese Situation beim Börsengang mit der einer Vertragsänderung, wie sie die Grundlagentatbestände überwiegend voraussetzen, so hat man festzustellen, dass das erforderliche Maß an Übereinstimmung nicht erreicht ist. Einer „vertragsändernden“ Maßnahme kann sich der Anteilseigner nämlich nur dadurch zu entziehen versuchen, dass er in der Hauptversammlung gegen sie stimmt. Wird sie durchgeführt, so ist seine Rechtsposition als Vertragspartner modifiziert. Diese Einwände gebieten es, den Börsengang letztendlich nicht in den Kreis derjenigen Maßnahmen einzustellen, welche der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. Es fehlt an der Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen. d) Das Fehlen einer abweichenden ratio legis innerhalb der Grundlagenkompetenzen, welcher sich der Börsengang zuordnen ließe Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Börsengang ergibt sich auch nicht aus einer anderweitigen ratio legis im Bereich der Grundlagentatbestände. Das ist bereits dargelegt worden, soweit die Literatur diesen Normen die Zuständigkeit der Hauptversammlung für „strukturverändernde“ Maßnahmen entnimmt.702 Ebenso ist ausgeführt worden, dass rechtspolitische Erwägungen, welche der Einführung einiger Hauptversammlungskompetenzen zugrunde liegen, einer Erweiterung nicht zugänglich sind.703 Auch darüber hinaus gibt es kein überzeugendes Argument dafür, einer Gruppe von Grundlagentatbeständen oder einzelnen Kompetenznormen ein abstraktionsfähiges Prinzip zu entnehmen, welches auf den Börsengang übertragen werden könnte: Als ein Grundgedanke der Zuständigkeiten der Hauptversammlung im AktG wird mitunter der Bezug einer Maßnahme zu Gewinnansprüchen der Aktionäre bzw. ein „Eingriff“ in die Kompetenz der Aktionäre zur Entscheidung über die 702 703

Hierzu oben D. VI. 3. Dazu oben D. VI. 5. b) (6) (j).

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Verwendung des Gewinns gesehen.704 Schon in einer Ausschusssitzung der Akademie für Deutsches Recht wurde darauf hingewiesen, es sei nicht Aufgabe des Vorstands, eine endgültige Bestimmung über die Gewinnverteilung vorzunehmen, auf die er dann keinen Einfluss mehr habe.705 Deshalb sei in solchen Fällen die Hauptversammlung für zuständig zu erachten. Die Gesetzesbegründung zum AktG 1965 stellt teilweise ebenfalls auf einen Eingriff in den Gewinnanspruch der Aktionäre ab.706 Zur Untermauerung der These vom Bezug der Hauptversammlungszuständigkeiten zu Gewinnrechten der Aktionäre ließe sich auf die Zuständigkeit der Hauptversammlung bei der Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten verweisen. Gewinnschuldverschreibungen sind per definitionem am Gewinn ausgerichtet (regelmäßig am Gewinn der emittierenden Gesellschaft), Genussrechte räumen oftmals einen Anteil am Gewinn oder Liquidationserlös ein.707 Damit wird der Gewinnanspruch der übrigen Aktionäre natürlich geschmälert. Das Gewinnbezugsrecht der Aktionäre sowie ihre Kompetenz zur Entscheidung über die Gewinnverwendung können weiter durch den Abschluss bestimmter Unternehmensverträge beeinträchtigt werden. Aktionären einer gewinnabführenden AG ist der Zugriff auf einen verteilungsfähigen Gewinn ihrer AG infolge des Vertrags verwehrt. Auch das Eingehen einer Gewinngemeinschaft kann das Gewinnbezugsrecht der Aktionäre schmälern.708 Der Beherrschungsvertrag gibt dem Vorstand der Obergesellschaft die Möglichkeit, die Untergesellschaft zu ihr nachteiligen Geschäften zu veranlassen, was dort ebenfalls zu Gewinnminderungen führen kann. Für den Fall des Börsengangs könnte man im gleichen Sinne eine Hauptversammlungszuständigkeit annehmen wollen, weil die mit dem Börsengang einhergehenden weitreichenden Emittentenpflichten den Gewinn der AG schmälern können. Dass (allein) Eingriffe in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung tatsächlich Zuständigkeiten der Hauptversammlung erklären können, ist aber zweifelhaft. Dagegen spricht erstens, dass die Kompetenz der Hauptversammlung nach § 174 I AktG ohnehin nur eine sehr beschränkte ist.709 SchwerVgl. KK2 /Lutter § 221 Rn. 38: Grund für die Hauptversammlungszuständigkeit aus § 221 sei der Eingriff in die künftige Beteiligungsstruktur bzw. „Gewinnstruktur“ der Gesellschaft; ebenso KK2 /Koppensteiner § 292 Rn. 12 für Unternehmensverträge i. S. d. § 292 und für § 221; etwas allgemeiner Zimmermann/Pentz FS Welf Müller S. 161 ff. („Verwässerung der Einfluß- und Vermögensrechte“ i. F. d. §§ 182 I, II; 192, 193; 202 I, II, 221 I). 705 Vgl. Schubert/Schmid/Regge Akademie S. 402. 706 Vgl. Begründung zu § 292 RegE AktG 1965, Kropff S. 379: „Es erscheint im Interesse der Aktionäre, deren Gewinnanspruch durch eine Gewinngemeinschaft beeinflußt wird, geboten, jedes Einbringen von Gewinn in eine Gewinngemeinschaft an die Zustimmung der Hauptversammlung zu binden.“ 707 KK2 /Lutter § 221 Rn. 21. 708 So z. B. KK2 /Koppensteiner § 292 Rn. 12. 709 Vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 653 ff. 704

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punktmäßig entscheidet heute die Verwaltung der AG, was überhaupt als verteilungsfähiger Bilanzgewinn übrigbleibt. Zudem ist ein Eingriff in die Gewinnverwendungskompetenz im eigentlichen Sinne in letzter Konsequenz nur dadurch denkbar, dass diese Kompetenz gänzlich entzogen oder ausgehöhlt wird. Das ist beim Börsengang nicht der Fall. Insoweit ließe sich ein entsprechender Regelungsgedanke aus den Grundlagentatbeständen jedenfalls nicht für die Ermittlung des zuständigen Organs beim Going Public nutzbar machen. Wenn sich hingegen ein „Eingriff“ in die Kompetenz der Aktionäre zur Gewinnverteilung darin äußert, dass nur noch ein geringerer Teil des Gewinns zur Verteilung steht, so spricht man in Wirklichkeit über eine Gewinnminderung. Es geht insoweit lediglich darum, dass Verbindlichkeiten für die AG begründet werden. Sie schmälern den Jahresüberschuss bzw. erhöhen einen etwaigen Verlust und sind folglich zwar für die Höhe des späteren Bilanzgewinns von Einfluss. Ein unmittelbarer „Eingriff“ in die Verwendungskompetenz der Hauptversammlung geht mit dem Eingehen von Verbindlichkeiten aber nicht einher. Was solche „vorgelagerten“ Eingriffe in die Gewinnansprüche der Aktionäre angeht, ist zu sagen: Jedes für die AG wirtschaftlich nachteilige Geschäft des Vorstands bewirkt eine Minderung des Gewinns und damit des Gewinnanspruchs der Aktionäre bzw. mittelbar der Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung nach § 174 I AktG. Das gilt nicht nur, wenn der Vorstand mit einem konkreten Geschäft Verlust erwirtschaftet. Auch eine strategische Entscheidung, z. B. eine solche über die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung einer bestimmten Technologie im Unternehmen, kann sich in dem Sinne nachteilig auf Gewinnaussichten und Liquidationserlös auswirken. Die Auswirkungen einer solchen Entscheidung brauchen etwa hinter denen eines (zustimmungspflichtigen) Teilgewinnabführungsvertrags keineswegs zurückzubleiben. Die Aufnahme großer Darlehen oder der Abschluss eines langjährigen Franchisevertrags können genauso nachteilig oder „gefährlich“ für die Aktionäre sein wie die Emission von Gewinnschuldverschreibungen oder Genussscheinen. Trotzdem sieht das Gesetz nur in manchen Fällen die Zustimmung der Hauptversammlung vor. Es gibt also schon keinen allgemeinen Grundsatz, dem zufolge (gravierende) Gewinnschmälerungen von der Hauptversammlung sanktioniert werden müssten. Das entscheidende Argument gegen die Annahme einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung auf der Basis eines Bezugs zu Gewinnrechten der Aktionäre aber ist, dass sich dem Gesetz schlicht keine subsumtionsfähigen Merkmale für die Prognose entnehmen lassen, in welchen Fällen eine hinreichend intensive Beeinträchtigung des Gewinnanspruchs der Aktionäre zu befürchten und daher die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen ist. Bei nicht gesetzlich geregelten Maßnahmen mit Auswirkung auf den Gewinn der Gesellschaft wird sich nicht selten erst im Nachhinein feststellen lassen,

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

wie weitreichende gewinnschmälernde Auswirkungen sie gehabt haben.710 Das notwendige Prognoseelement für die Frage, ob eine Maßnahme das Gewinnrecht der Aktionäre beschneidet, ist im Gesetz nicht angelegt. Aus ähnlichen Gründen lässt die finanzielle Dimension einer Maßnahme keinen verallgemeinerungsfähigen Schluss auf Hauptversammlungszuständigkeiten zu.711 Man könnte hier etwa die These aufstellen wollen, die Gesellschafter seien dann für eine Maßnahme zuständig, wenn diese die „Geschäftsgrundlage“ ihres Investments in der AG betreffe.712 Verändere eine Maßnahme die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Beteiligung des Aktionärs so grundlegend, dass bei einem Vertragsschluss von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen wäre, so könne darüber nur die Hauptversammlung entscheiden. Als gesetzliche Beispiele für eine solche die Geschäftsgrundlage des Investments der Aktionäre erschütternde Maßnahme könnte man etwa die Zustimmungspflicht des § 293 II AktG anführen, und behaupten, der „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ trete in diesem Fall infolge der weitreichenden Pflichten der §§ 302 f., 304 f. AktG ein.713 Der Gedanke bestätige sich bei der Eingliederung. Die eingliedernde Gesellschaft hafte für Schulden der eingegliederten aus der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft, § 322 I 2 AktG.714 Auch die Übertragung des gesamten Betriebsvermögens (§ 179a AktG) und das damit einhergehende Risiko eines Totalverlustes des Vermögens der AG könnte man als Beleg für diese oder eine ähnliche These ins Feld führen. In all’ diesen Fällen würden die Bedingungen, unter denen der Aktionär ursprünglich sein Kapital zur Verfügung gestellt habe, so verändert, dass die Hauptversammlung

710 Man stelle sich etwa den Fall vor, ein großes Pharma-Unternehmen hätte vor etlichen Jahren die Entscheidung getroffen, den Bereich der Molekularbiologie zu vernachlässigen und allein auf Tierversuche zu setzen. Dass das einen erheblichen Wettbewerbsnachteil mit sich gebracht hätte, liegt auf der Hand. 711 So aber Mülbert Unternehmensgruppe S. 173 ff. („Gefährdung des gesamten Gesellschaftsvermögens“); Martens ZHR 147 (1983), 424 meint für den Konzern: „Werden jedoch einzelne Tochtergesellschaften in ihrer rechtlichen Struktur derart verändert, daß dadurch auch das aktienrechtliche Investment an der Obergesellschaft grundlegend beeinflusst wird, dann kann es gerechtfertigt sein, die Aktionäre [. . .] zu beteiligen.“ Vgl. auch Zimmermann/Pentz FS Welf Müller S. 161 ff. 712 In diese Richtung auch Mecke S. 189 f.: Würden die „Grundlagen der Finanzierungsentscheidung“ der Aktionäre betroffen, seien diese zuständig. Kleppe (S. 116) lehnt sich betreffend das Delisting an die „Wertung“ der Regelung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage an. Er entnimmt ihr, dass „bei Veränderungen in den Grundvoraussetzungen, die für einen Teil der Gesellschafter ein wesentliches Argument für einen Einstieg in die Gesellschaft waren und auf deren Weiterbestehen sie vertraut haben, eine Einigung unter allen Gesellschaftern erzielt werden soll“. Wie das feststellbar sein soll, führt er nicht näher aus. 713 Auf diese Pflichten stellte ja schon die Begründung zum RegE des AktG 1965, bei Kropff S. 381, ab. 714 Mülbert Unternehmensgruppe S. 190.

VI. (Analogie-)Schluss von den „Grundlagenkompetenzen‘‘

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zustimmen müsse. Diesen Gedanken könnte man sodann auf den Börsengang übertragen wollen. Die These lässt sich aber schon deshalb nicht widerspruchsfrei belegen, weil das Gesetz z. B. die Verpachtung des gesamten Unternehmens minus einem Betrieb nicht der Zustimmung der Hauptversammlung unterstellt.715 Außerdem lassen sich dem Gesetz auch hier keine hinreichend konkreten, subsumtionsfähigen Tatbestandsmerkmale in Hinblick auf Zuständigkeiten der Hauptversammlung entnehmen. Wie Beusch ausgeführt hat, kann es vielmehr auf die wirtschaftliche Bedeutung einer Maßnahme nicht ankommen, wenn man über ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung nachdenkt.716 Hier handelt es sich in der Tat um „tägliches Brot der Unternehmensleitung“, welche dem Vorstand zugewiesen ist, §§ 76 ff. AktG. Die Vielzahl wirtschaftlich weitreichender Entscheidungen, z. B. die Entwicklung neuer Modellreihen eines Autoherstellers oder der Verzicht auf neue Technologien, ist nicht überschaubar. Man würde ein weites Feld der Rechtsunsicherheit eröffnen, wollte man aus der finanziellen Reichweite einer Maßnahme Rückschlüsse auf Beteiligungsrechte der Hauptversammlung ziehen. Weiter wird dem AktG teilweise entnommen, die Hauptversammlung sei zuständig, wenn die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises in Rede stehe.717 Hierfür könnte man auf die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bei Eingliederungen verweisen. Man könnte anführen, die Abfindungspflicht aus §§ 320b I 2 AktG in eigenen Aktien und die damit einhergehende Veränderung im Mitgliederkreis der AG erkläre diese Zustimmungspflicht. Gleiches ließe sich hinsichtlich der Zustimmung der Hauptversammlung gemäß § 293 II AktG und der Abfindungspflicht aus § 305 AktG vertreten. Weiter könnte man auf § 71 I Nr. 8 AktG verweisen, der eine Ermächtigung der Hauptversammlung an den Vorstand für die Veräußerung eigener Aktien vorsieht. Nicht zuletzt scheinen §§ 182 ff. AktG einen Beleg für die Zuständigkeit der Hauptversammlung betreffend Veränderungen im Gesellschafterkreis zu liefern. Auch dieser Gedanke ist bei näherer Betrachtung aber nicht durchzuhalten. Jede Anteilsveräußerung – auch damit geht ja eine Veränderung im Gesellschafterkreis einher – ist zustimmungsfrei, wenn die Aktien nicht vinkuliert sind. Der Vorstand darf außerhalb von § 71 I Nr. 8 AktG718 eigene Aktien der Gesellschaft frei veräußern. Das spricht dagegen, dem AktG einen allgemeinen Gedanken dahingehend zu entnehmen, die Hauptversammlung habe über die ZuDarauf weist KK2 /Koppensteiner § 292 Rn. 11 hin. FS Werner S. 1, 5. Ähnlich Martens ZHR 147 (1983), 381. 717 Mülbert Unternehmensgruppe S. 172 ff. („Identitätsänderungen in der Mitgliedschaft“). 718 Zum rechtspolitischen Hintergrund von § 71 I Nr. 8 AktG vgl. oben D. VI. 5. b) (6) (h). 715 716

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D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

sammensetzung des Gesellschafterkreises zu befinden. Richtig ist: Die Hauptversammlung hat über eine Änderung des Gesellschafterkreises, wenn diese durch Änderung des Gesellschaftsvertrags bewirkt wird, zu befinden. Zum Abschluss der Untersuchungen dieses Abschnitts soll nochmals der historische Gesetzgeber das Wort erhalten. Treffender lässt sich nämlich kaum darstellen, warum sich hinter den Grundlagentatbeständen kein abweichender oder weitergehender Regelungsgedanke verbirgt. Das Zitat geht sogar noch über den „Tellerrand“ der hier untersuchten Grundlagenzuständigkeiten hinaus: Der Generalversammlung als Gesamtheit der Aktionäre sei die Beschlussfassung in allen das Wesen der Gesellschaft berührenden Angelegenheiten vorbehalten, wird in der Begründung zum ADHGB 1884 ausgeführt. Es sei dies ein so wesentliches Postulat, dass der Hauptversammlung nicht gestattet werden dürfe, ihre Rechtsmacht zu delegieren. So lassen die Gesetzesverfasser ihre Aussage zu den Hauptversammlungskompetenzen aber nicht stehen, sondern fahren fort: „Eine Grenze in dieser Beziehung zu ziehen, ist freilich schwierig. Der Entwurf geht davon aus, daß zu diesen Gegenständen nothwendig alle diejenigen zu rechnen sind, welche die Grundverfassung der Gesellschaft betreffen. Deshalb behält er der Generalversammlung ausschließlich die Beschlußfassung über Aenderungen des Inhalts der Statuten, sowie über jede Erhöhung oder Herabsetzung des Grundkapitals [. . .] vor. Hinsichtlich der übrigen Gegenstände, welche der Beschlußfassung der Generalversammlung vorzubehalten sind, läßt sich ein allgemeines, für unanfechtbar zu bezeichnendes Prinzip nicht aufstellen, vielmehr müssen hier Zweckmäßigkeitsrücksichten entscheiden.“719 Dem ist unter dem heutigen Recht nicht viel hinzuzufügen. Es ist hier versucht worden, im Bereich der Grundlagenkompetenzen eine Regelungsabsicht zu ermitteln, die sich nicht allein an den Gesellschaftsvertrag, an die eben zitierte „Grundverfassung“ der AG, hält. Den Grund dafür, dass dies Unterfangen scheitern musste, liefert das eben angeführte Zitat nach: Die Hauptversammlungszuständigkeiten folgen, soweit sie sich nicht aus der vertragsändernden Wirkung erklären, rechtspolitischen Zweckmäßigkeiten.720 Dem Aktionär sind

719 Vgl. die Allgemeine Begründung zum ADHGB 1884, bei Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 464. 720 In eine ähnliche Richtung weisen die einleitenden Worte von Klausing zu den Materialien zum AktG 1937 (Einl. Anm. 73): „Die „Kapitaldemokratie“ bei der AG ist [. . .] nicht kurzerhand abgeschafft worden. Vielmehr mußte man die Beschlußfassung nach dem Mehrheitsgrundsatz, [. . .] für gewisse Angelegenheiten beibehalten, weil nur auf diese Weise den Aktionären eine dem Risiko des Kapitaleinsatzes entsprechende Mitwirkung bei der Auswahl der für die laufende Beaufsichtigung der Geschäftsführer [. . .] notwendigen Organe und bei anderen Grundfragen im Leben der Gesellschaft gewährleistet werden konnte.“ Auch das deutet den rechtspolitischen Hintergrund der Hauptversammlungszuständigkeiten an. Vgl. auch Hommelhoff in Schubert/Hommelhoff Modernes Aktienrecht S. 90: „Dagegen war von bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen die Entscheidung des Gesetzgebers geprägt, der Generalversamm-

VII. Zusammenfassung und Ergebnis

215

gewisse „Anreize“ in Gestalt von Finanz- und Verwaltungsrechten einzuräumen, damit Anleger für die AG gewonnen werden. Solche wirtschaftspolitischen Zwecksetzungen hat im Bereich der Grundlagentatbestände schon die Untersuchung zur Gewinnschuldverschreibung und zum Genussrecht sowie im Bereich des § 71 AktG zu Tage gebracht. Sie lassen – wie schon dargelegt worden ist721 – die Annahme eines erweiterungsfähigen Regelungsprinzips nicht zu. Damit bleibt es beim hier ermittelten Ergebnis: Eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz für den Börsengang existiert nicht.

VII. Zusammenfassung und Ergebnis Zusammenfassend lässt sich die Zuständigkeitsfrage beim Börsengang und Börsenrückzug nunmehr wie folgt beantworten: Nach der gesetzlichen Konzeption ist grundsätzlich der Vorstand als dasjenige Organ anzusehen, welches über die Beantragung der Börsenzulassung und über die Beantragung der Aufhebung der Börsenzulassung zu entscheiden hat (§§ 76 ff. AktG). Eine exklusive Kompetenz des Aufsichtsrates besteht nicht. Weder aufgrund der Kompetenz der Anteilseigner zur Gestaltung der Satzung noch mit Blick auf die sonstigen geschriebenen Kompetenztatbestände zugunsten der Hauptversammlung ist eine Zuständigkeit der Hauptversammlung betreffend den Börsengang oder den Börsenrückzug festzustellen. Es gibt auch keine verfassungsrechtlichen Vorgaben dahin, dass die Zuständigkeit der Hauptversammlung dem Gesetz im Wege einer verfassungskonformen Auslegung entnommen werden müsste. § 119 II AktG lässt sich entnehmen, dass der Vorstand die Hauptversammlung „befragen“ kann, ob er den Börsengang bzw. den Börsenrückzug durchführen soll. Eine Vorlagepflicht des Vorstands folgt aus der Norm hingegen nicht. Der Rückzug von der Börse ist nicht in Analogie zu §§ 68 II, 180 II AktG, welche die Vinkulierung von Namensaktien betreffen, von der Zustimmung sämtlicher Aktionäre in der Hauptversammlung abhängig. Anders als heute vielfach vertreten wird, lässt sich den Grundlagentatbeständen nicht im Wege der Gesamtanalogie eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für „Strukturmaßnahmen“ entnehmen, so dass sich auch nicht die Frage stellt, ob der Börsengang oder der Börsenrückzug solche Strukturmaßnahmen sind. lung u. a. die Zuständigkeit für Haftungsverzichte und -vergleiche, für die Nachgründung und für die Bilanzgenehmigung zu übertragen.“ 721 Vgl. oben D. VI. 5. b) (6) (j) a. E.

216

D. Zuständigkeit für die innergesellschaftlichen Entscheidungen

Die Hauptversammlungszuständigkeiten im Bereich der Grundlagentatbestände erklären sich vielmehr ganz überwiegend daraus, dass die Aktionäre für die betreffende Angelegenheit in ihrer Eigenschaft als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags zuständig sind. Dieses allgemeine Prinzip ist abstraktionsfähig. Es ist dahin zu verstehen, dass der Vorstand im Allgemeinen keine Rechtsfolgen für die Aktionäre herbeiführen darf und kann. Einigen Grundlagentatbeständen liegen demgegenüber rechtspolitische Erwägungen zugrunde. Diese sind aus Zweckmäßigkeitserwägungen eingeführt und bilden daher keine taugliche Grundlage für eine Analogie. Soweit den Grundlagentatbeständen eine verallgemeinerungsfähige Aussage zu entnehmen ist, kommt für den Börsenrückzug eine Übertragung des gefundenen Prinzips von vornherein nicht in Betracht. Das Kapitalmarktrecht regelt diesen Fall in § 38 IV BörsG abschließend. Auf den Börsengang lässt sich das Prinzip der vertragsmäßigen Zuständigkeit zwar im Ansatz übertragen. Es lässt sich nämlich dahin verstehen, dass der Vorstand für die Aktionäre keine Rechtsfolgen herbeiführen darf. Der Vergleich zum Börsenrückzug und die Tatsache, dass die Aktionäre den Rechtsfolgen des Börsengangs selbstbestimmt entgehen können, führen aber zu dem Ergebnis, dass die Hauptversammlung über die Stellung des Antrags auf Börsenzulassung nicht zu entscheiden hat. Dieses Ergebnis ändert selbstverständlich nichts daran, dass die Aktionäre im Verlaufe eines Börsengangs über etwaige Maßnahmen zu entscheiden haben, für welche sie nach dem Gesetz kompetent sind, etwa über eine Kapitalerhöhung zum Zwecke des Börsengangs. Da der Vorstand kompetent ist, über den Börsengang und über den Börsenrückzug zu entscheiden, kann dem Aufsichtsrat diesbezüglich ein Zustimmungsrecht ausbedungen werden, § 111 IV AktG.

E. Das Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten beim Börsengang und Börsenrückzug I. Kein Abfindungsanspruch aus Art. 14 I GG Der BGH hat im Macrotron-Urteil722 nicht nur die Hauptversammlung für zuständig gehalten, über das Delisting zu entscheiden. Er hat darüber hinaus den „Minderheitsaktionären“ – gemeint sind die Aktionäre, die in der Hauptversammlung gegen das Delisting gestimmt haben – einen Anspruch auf ein „Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft (in den nach §§ 71 f. AktG bestehenden Grenzen) oder durch den Großaktionär“ eingeräumt.723 Den dissentierenden Aktionären soll die Übernahme ihrer Anteile zum Marktwert offeriert werden müssen, wenn die Gesellschaft die Börse verlässt.724 Ein solches Austrittsrecht, das einen Abfindungsanspruch nach sich zieht, kann man auch für den umgekehrten Schritt, den Börsengang, in Betracht ziehen. Bevor jedoch die Übertragbarkeit der Lösung des BGH auf das Going Public in Betracht gezogen werden kann, muss geprüft werden, ob der „Ausgangsfall“, die Abfindung beim Börsenrückzug, in der Macrotron-Entscheidung zutreffend gelöst ist: Zur Begründung des Abfindungsanspruchs der Minderheitsaktionäre beim Delisting bezieht sich der Senat nicht ausdrücklich auf Art. 14 I GG.725 Wenn er allerdings darauf hinweist, der Schutz der Anleger durch das BörsG und die BörsO der Regionalbörsen genüge „nicht den an einen Minderheitenschutz im Aktienrecht zu stellenden Anforderungen“726, so können sich solche „Anforderungen“ nur aus grundrechtlichen Erwägungen ergeben. Der BGH leitet also den Abfindungsanspruch – wie schon die Hauptversammlungszuständigkeit beim Delisting727 – aus Art. 14 I GG her. Mit dem Hinweis auf den notwendi-

722

BGH ZIP 2003, 387 = NJW 2003, 1032. Dazu schon oben D. IV. 4. BGH ZIP 2003, 390. 724 Der BGH nimmt an, dass die Höhe der Abfindung in einem Spruchverfahren überprüfbar ist (ZIP 2003, 390 ff.). 725 Bei seinen Ausführungen zur Hauptversammlungskompetenz beim Delisting war das anders. Vgl. dazu oben D. IV. 4. 726 BGH ZIP 2003, 390. 727 Dazu oben D. IV. 4. 723

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E. Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten

gen Schutz der Aktionärsminderheit ist die „Begründungsarbeit“ des Urteils auch schon abgeschlossen. Eine tragfähige Grundlage für Abfindungsansprüche beim Delisting ergeben diese Darlegungen nicht. Das liegt nicht daran, dass der Senat sich nicht dazu äußert, auf welchem dogmatischen Weg die von ihm erkannte verfassungsrechtliche Vorgabe das Abfindungsrecht der Aktionäre soll herbeiführen können.728 Die verfassungskonforme Auslegung bzw. Anwendung des einfachen Rechts ist hierfür der richtige Ansatz. Ein ausdrücklicher Hinweis hierauf mag dem Senat entbehrlich erschienen sein.729 Vermissen lässt das Urteil jedoch die erforderlichen näheren Überlegungen in diesem Zusammenhang: So wäre zunächst die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Annahme von Abfindungsansprüchen darzulegen gewesen. Es hätte nachgewiesen werden müssen, dass die Aktionäre durch das Delisting eine Eigentumsbeeinträchtigung erleiden und warum sie diese nicht hinzunehmen haben, sondern „entschädigt“ werden müssen.730 Nach hier vertretener Ansicht kann das schon deshalb nicht gelingen, weil die Börsennotierung als solche nicht Bestandteil des verfassungsrechtlichen „Aktieneigentums“ ist.731 Vertritt man wie der BGH das Gegenteil, so kann man nicht lediglich auf das Grundrecht der Minderheitsaktionäre aus Art. 14 I GG verweisen. Da das Pflichtangebot nach Ansicht des Senats zulasten des Mehrheitsaktionärs gehen kann, mussten beispielsweise dessen Grundrechte „gegengerechnet“ werden.732 Zwischen kollidierenden Grundrechten ist nämlich nach allgemeinen Grundsätzen ein Ausgleich herzustellen, der es gewährleistet, dass die kollidierenden Grundrechtspositionen möglichst weitgehend erhalten bleiben („praktische Konkordanz“).733 Außerdem ist, wie schon an anderer Stelle ausgeführt, weiteren Verfassungsprinzipien (wie dem Rechtsstaatsprinzip), die von einer grundrechtlich geprägten Interpretation des einfa728 Klöhn ZBB 2003, 212 deutet die Lücken in der Begründung des Urteils wohlwollend: „Die weitgehend fehlende dogmatische Verankerung der BGH-Grundsätze kann man [. . .] als Ausdruck des Willens verstehen, gerade kein verallgemeinerungsfähiges Richterrecht zu schaffen.“ 729 Klöhn ZBB 2003, 212 geht davon aus, dass der BGH die Abfindungspflicht unmittelbar auf Art. 14 I GG stützen will. Dafür spreche, dass die aktien- und umwandlungsrechtlichen Vorschriften für den vorhergehenden Beschluss der Hauptversammlung eine 3/4-Mehrheit fordere (während der BGH die einfache Mehrheit ausreichen lässt), und dass die gesetzlichen Regelungen über Abfindungsansprüche nicht mehrere Anspruchsschuldner vorsähen. Wie Klöhn in der Folge nachweist, wäre ein solcher dogmatischer Ansatz verfehlt. Das ist entsprechend für die vom BGH auf Art. 14 I GG gestützte Hauptversammlungszuständigkeit dargelegt worden (vgl. oben D. IV. 4.). 730 Dogmatisch gesehen musste gefragt werden, ob eine Auslegung des AktG dahin, dass keine Abfindungsansprüche beim Delisting bestehen, Art. 14 I GG verletzen würde. 731 Vgl. oben D. IV. 4. b) (3). 732 So auch Krämer/Theiß AG 2003, 239. 733 Zum Prinzip praktischer Konkordanz vgl. BVerfGE 89, 232; BVerfGE 97, 176.

I. Kein Abfindungsanspruch aus Art. 14 I GG

219

chen Rechts berührt sind, Rechnung zu tragen.734 Die erforderlichen Überlegungen kann man nicht durch den pauschalen Hinweis auf „Anforderungen an den Schutz der Minderheitsaktionäre“ ersetzen. Außerdem wären mögliche andere, weniger weitreichende Schutzmechanismen – z. B. eine materielle Kontrolle des nach Ansicht des BGH erforderlichen Delistingbeschlusses – in Betracht zu ziehen gewesen. Ist man sodann zu der Überzeugung gelangt, dass die Aktionäre beim Börsenrückzug aus grundrechtlichen Erwägungen abzufinden sind, so ist im nächsten Schritt nachzuweisen, wie und welchen einfachrechtlichen Normen dieses Ergebnis zu entnehmen ist. Auch hierzu schweigt das Urteil. Deshalb bleibt unklar, warum und auf welcher Grundlage die AG oder der „Großaktionär“ – wohl nebeneinander, möglicherweise aber auch sukzessive735 – verpflichtet sein sollen. Des Weiteren stellt sich die Frage, wer überhaupt als „Großaktionär“ passivlegitimiert sein kann. Vorstellbar ist etwa der Fall, dass drei Aktionäre, die über je 30% der Stimmen verfügen, den Rückzug von der Börse betreiben.736 Soll es dann auf die in § 29 II WpÜG vorgesehene Schwelle von 30% der Stimmrechte ankommen, ist schon eine Beteiligung von 25% plus einer Stimme ausreichend oder bedarf es der Stimmenmehrheit, am Ende gar einer qualifizierten Stimmenmehrheit? Jedenfalls generell könnte neben der AG auch nicht stets nur „der Großaktionär“ für ausgleichspflichtig gehalten werden. Mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) müssten zumindest dann, wenn zugleich weitere Aktionäre für das Delisting gestimmt haben, diese ebenfalls pro rata abfindungspflichtig sein. Denn sie sind für den Beschluss der Hauptversammlung nicht minder verantwortlich. Überzeugende Argumente dafür, dass die mit dem Börsenrückzug nicht einverstandenen Aktionäre beim Delisting ihrer AG aus verfassungsrechtlichen Gründen abgefunden werden müssen, sind nicht ersichtlich geworden. Somit erübrigen sich nähere Überlegungen betreffend den Börsengang auf der Grundlage der Macrotron-Entscheidung.

734

Dazu schon oben D. IV. 4. b) (2). Der BGH hat auf die „Grenzen der §§ 71 f. AktG“ hingewiesen. Möglicherweise hat der Großaktionär also „einzuspringen“, soweit die AG keine eigenen Aktien mehr erwerben darf. Im Fall der Macrotron AG waren allerdings weit über 90% der Stammaktien in der Hand des Großaktionärs. Das spricht für eine kumulative Verpflichtung der AG und des Großaktionärs. 736 Ähnliches Beispiel bei Klöhn ZBB 2003, 212. 735

220

E. Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten

II. Kein Abfindungsanspruch in Analogie zum Aktien- oder Umwandlungsrecht Nach dem bisher Gesagten muss auf der Ebene des einfachen Rechts angesetzt werden, wenn man über ein Recht der Aktionäre nachdenkt, nach einem Delisting oder einem Börsengang gegen Abfindung aus der AG auszuscheiden. Insoweit kommen verschiedene Wege in Betracht: Wohl ausschließlich wegen der vom BGH in der Macrotron-Entscheidung gewählten Terminologie („Pflichtangebot“) wird in der Literatur mitunter erwogen, ob beim Börsenrückzug eine Angebotspflicht der AG bzw. des Großaktionärs analog §§ 35 ff. WpÜG gegenüber den Minderheitsaktionären bestehen könnte. Wie Krämer/Theiß zutreffend bemerken, gibt es allerdings „nicht einmal Ansätze, die einen [solchen] Analogieschluss zulassen“.737 Denn die Ermächtigung zum Rückzug von der Börse hat in der Tat nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit dem Erwerb der Kontrolle über eine Gesellschaft i. S. v. § 35 I WpÜG. Zur Begründung einer Angebotspflicht zugunsten dissentierender Aktionäre können die Vorschriften des WpÜG daher nicht herangezogen werden.738 Weiter werden als Grundlage für eine Analogie beim Delisting – in unterschiedlicher Zusammenstellung – §§ 305 (Abfindungspflicht beim Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag), 320b (Abfindungspflicht bei der Eingliederung), 327a AktG (Abfindungspflicht beim Squeeze-out) und §§ 29 (Abfindungsangebot im Verschmelzungsvertrag), 207 UmwG (Abfindungsangebot beim Formwechsel) vorgeschlagen.739 737

AG 2003, 239. Die BaFin hat mittlerweile klargestellt, dass sie ein Erwerbsangebot, das im Rahmen eines Delisting vorgelegt wird, nicht an den Vorschriften des WpÜG messen wird, vgl. FAZ Nr. 192 vom 20. August 2003, S. 17. 739 Für den Börsengang werden Ausgleichsansprüche nicht diskutiert. Die Literatur beschäftigt sich ausschließlich mit dem Börsenrückzug, vgl. etwa Grupp Börseneintritt S. 202 ff. (für eine Analogie zu § 207 UmwG bzw. § 320b AktG (bei Konzerntöchtern)); Hellwig/Bormann ZGR 2002, 487 ff. (§§ 29, 207 UmwG analog); Kleppe S. 193 ff. (§§ 29, 207 UmwG, 305 AktG analog); Zetzsche NZG 2000, 1065 (Analogie zu den Vorschriften über die formwechselnde Umwandlung). Unklar Adolff/Tieves BB 2003, 803, die eine Analogie zu „§ 305 AktG oder zu § 207 UmwG“ beim Delisting befürworten. Gegen Abfindungsansprüche sprechen sich z. B. Mülbert ZHR 165 (2001), 104; de Vries S. 114 ff. und Klöhn ZBB 2003, 208 aus. Das LG Hanau (DB 2002, 2261) hat über die Anfechtung eines Verschmelzungsbeschlusses zu entscheiden gehabt, der die Verschmelzung einer börsennotierten AG auf eine nicht börsennotierte AG vorsah. Das Gericht hat aufgrund der Umstände des Falles einen Sondervorteil für den Mehrheitsaktionär bejaht, der zur Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 243 II AktG führte. Verallgemeinerungsfähige Aussagen in Hinblick auf Abfindungsansprüche beim Delisting lassen sich aus der Entscheidung nicht ableiten. 738

II. Kein Abfindungsanspruch kraft Analogie

221

Als erstes ist wieder zu fragen, ob die Vorschriften über die Abfindung von Aktionären eine planwidrige Gesetzeslücke mit Blick auf den Börsengang und das Delisting erkennen lassen.740 Keinen Hinweis auf eine abschließende Regelung kann man § 1 SpruchG entnehmen. Dort sind zwar die Fälle aufgelistet, in denen es nach dem Gesetz zu einer Überprüfung der Höhe von Abfindungsansprüchen in einem Spruchverfahren kommen soll. Der Rechtsausschuss hat aber in seiner Beschlussempfehlung betont, dass die Regelungen des neuen SpruchG Raum lassen sollen für eine Analogie. Dabei sind die Fälle des Delisting ausdrücklich als ein Fall der möglichen analogen Anwendung herausgestellt worden.741 Teile der Literatur sehen in den börsenrechtlichen Vorschriften den „Anlegerschutz“ beim Börsenrückzug abschließend gewährleistet.742 Dafür mag sprechen, dass die Börsenzulassungsstelle eine umfassende Ermessensentscheidung trifft (§ 38 IV BörsG), die den Anlegerschutz als einen Gesichtspunkt zu berücksichtigen hat. Das schließt jedoch nicht gänzlich aus, dass daneben gesellschaftsrechtliche Schutzinstrumentarien zugunsten der Aktionäre eingreifen.743 So könnte die Börsenzulassungsstelle gerade darauf zu achten haben, dass ein ausreichendes Abfindungsangebot vorgelegt worden ist. Da der abschließende Charakter der Regelung des Delisting in § 38 IV BörsG jedenfalls nicht gänzlich unzweifelhaft ist, soll hier die Frage nach einer planwidrigen Regelungslücke in den aktien- bzw. umwandlungsrechtlichen Vorschriften weiter verfolgt werden. Zu ihrer Beantwortung muss der „Regelungsplan“ des Gesetzes bekannt sein. Es kommt darauf an, ob die hinter der Anordnung von Abfindungsansprüchen stehende ratio legis es zulässt bzw. im Sinne der Gleichbehandlung von Gleichartigem sogar gebietet, den dissentierenden Aktionären im Falle des Börsengangs und des Börsenrückzugs ebensolche Ansprüche einzuräumen. Hier ist zuerst eine Erkenntnis wichtig: Die gesetzlich vorgesehenen Abfindungsansprüche knüpfen allesamt an einen Hauptversammlungsbeschluss an. 740

Zur planwidrigen Regelungslücke Larenz S. 370 ff. Die Macrotron-Entscheidung wird ausdrücklich erwähnt, vgl. BT-Drucks. 15/ 838, 16. Hierzu auch van Kann/Hirschmann DStR 2003, 1489 f. 742 In diesem Sinne de Vries S. 115 ff.; Krämer/Theiß AG 2003, 235. A. A. Mülbert ZHR 165 (2001), 116 f. unter Hinweis auf die Funktion und die Entstehungsgeschichte von § 38 BörsG; Zetzsche (NZG 2000, 1065 f.) verweist ebenfalls auf die Gesetzeshistorie. In das „Innenrecht“ der Gesellschaft habe börsenrechtlich nicht eingegriffen werden sollen. Außerdem würden auch in anderen Delistingvarianten (z. B. beim Rechtsformwechsel in eine nicht börsenfähige Gesellschaftsform) gesellschaftsrechtliche Abfindungsansprüche „neben“ dem Kapitalmarktrecht entstehen. 743 Anders als bei der Frage einer möglichen ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit betreffend das Delisting – dazu oben D. VI. 5. b) (2) – ergeben sich in Hinblick auf mögliche Abfindungsansprüche insbesondere keine „Kollisionen“ des Gesellschaftsrechts mit dem Börsenrecht. Insoweit ist also eine Gesetzeslücke nicht ausgeschlossen. 741

222

E. Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten

Ein Abfindungsanspruch für autonome Entscheidungen des Vorstands ist dem Gesetz hingegen unbekannt. Die Einräumung von Abfindungsansprüchen nach einer Entscheidung der Hauptversammlung durchbricht insoweit einen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz – das Mehrheitsprinzip (§ 133 I AktG). Inhalt und Zweck dieses Prinzips ist es, dass alle Aktionäre, auch die überstimmten, den von der Hauptversammlung (rechtmäßig) beschlossenen Vorgang als auch für sie verbindlich hinnehmen müssen.744 Es liegt im Wesen des Prinzips, dass die Überstimmten nicht angesichts der Folgen des – von ihnen ja mit zu tragenden – Beschlusses eine „Sonderbehandlung“ verlangen dürfen. Das AktG kennt dementsprechend eine Vielzahl von Fallgestaltungen, in denen ein Hauptversammlungsbeschluss zu Nachteilen für die überstimmten Aktionäre führen kann, ohne dass deswegen eine Pflicht zur Abfindung oder ein sonstiger „Ausgleich“ zu ihren Gunsten statuiert würde.745 So kann die Hauptversammlung beispielsweise ihre Zustimmung zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens geben, und die Gesellschaft kann hinterher aufgelöst und liquidiert werden746, auch wenn sie möglicherweise günstige Gewinnerwartungen vorweisen konnte. Ebenso kann die Hauptversammlung den Unternehmensgegenstand ändern und eine aus Sicht der Minderheitsaktionäre unerwünschte oder weniger rentabel erscheinende Tätigkeit aufnehmen. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Soweit das AktG und das UmwG gleichwohl in einzelnen Situationen bestimmten Aktionären das Recht einräumen, gegen „Entschädigung“ aus der AG auszuscheiden, handelt es sich um Ausnahmetatbestände, die diesen Grundsatz durchbrechen. Für den Börsengang und den Börsenrückzug folgt hieraus: Nach hier vertretener Ansicht kommt beim Börsengang und Börsenrückzug ein Abfindungsanspruch von Minderheitsaktionären von vornherein nicht in Betracht. Die Hauptversammlung ist nämlich für diese Angelegenheiten nicht zuständig.747 Die Abfindungsansprüche knüpfen aber an eine Hauptversammlungszuständigkeit an.

744 In diesem Sinne schon das ROHG (ROHG XI, 125): „[. . .] die Generalversammlung [. . .] kann [. . .] Special-Beschlüsse fassen, welche, wenn sie einstimmig erfolgen, oder, falls durch Majorität gefaßt, ihrer Gültigkeit nach von der Minderheit nicht angefochten werden, für die Verwaltungsorgane verbindlich sind und auch in ihren Ergebnissen von den Aktionären anerkannt werden müssen“. 745 So auch Mülbert in ZHR 165 (2001), 138 f. 746 Dass eine „übertragenden Auflösung“ unter Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf einen der Gesellschafter (oder eine ihm zuzuordnende Gesellschaft) mit dem Ziel des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nicht zulässig sein kann, haben Wilhelm/Dreier in ZIP 2003, 1369 dargelegt. 747 Auch bei einer Vorlage nach § 119 II AktG wäre nicht anders zu entscheiden, dazu sogleich im Text.

II. Kein Abfindungsanspruch kraft Analogie

223

Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Hauptversammlung über den Börsengang bzw. über den Börsenrückzug zu entscheiden hat748, so trägt die Aktionärsminderheit wegen des Mehrheitsprinzips einen entsprechenden Beschluss und seine Folgen grundsätzlich mit. Das steht der Annahme einer Abfindungspflicht entgegen. Zwar gibt es, wie gesehen, Ausnahmetatbestände, die den Grundsatz der Mehrheitsherrschaft durchbrechen und eine Abfindung einräumen. Diese Ausnahmevorschriften kann man auch nicht als schlechthin „nicht analogiefähig“ einordnen.749 Sie widersprechen jedoch einem Prinzip und können daher nicht ihrerseits zur Grundlage eines allgemeinen, gegenläufigen Prinzips erhoben werden.750 Den §§ 305, 320b, 327a AktG, 29, 207 UmwG lässt sich deshalb insbesondere nicht entnehmen, dass den Abfindungsansprüchen der allgemeine Gedanke zugrunde liege, es gehe um „wesentliche[. . .] Strukturänderungen“, die für den Aktionär „eine nachteilige Veränderung oder Beeinträchtigung seiner Rechte mit sich bringen“.751 Das ist im Übrigen nicht nur vor dem Hintergrund ausgeschlossen, dass Abfindungsansprüche die Ausnahme sind. Dem Hinweis auf „Strukturänderungen“ kommt auch rechtlich keine Bedeutung zu.752 Des Weiteren ziehen die meisten von der Literatur als „Strukturmaßnahmen“ eingeordneten Fälle gerade keine Abfindungsansprüche nach sich. Es ist daher sogar unschlüssig, auf der Grundlage der Lehre von den „Strukturänderungen“ Abfindungsansprüche zu begründen. Es kann mithin allenfalls darum gehen, einzelne Ausnahmevorschriften deswegen im Wege der Analogie auf den Börsengang bzw. den Börsenrückzug zu übertragen, weil im Einzelfall die Regelungsabsicht des Gesetzes diese Gleichbehandlung gebietet (Einzelanalogie). Die Vorschriften über Abfindungsansprüche liefern indessen keine greifbaren Anhaltspunkte hierfür. Der Börsengang und der Börsenrückzug sind weder dem Abschluss eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags vergleichbar noch einer Eingliederung, einem Squeeze-out oder einer Umwandlung: § 305 AktG soll aus Sicht des Gesetzgebers die Einbuße an Herrschaftsrechten ausgleichen, welche den Aktionären der Untergesellschaft aus dem Ab748 Von der Zuständigkeit der Hauptversammlung für das Delisting gehen die Befürworter von Abfindungsansprüchen durchgängig aus. 749 Zur Analogie(un)fähigkeit von Ausnahmebestimmungen allgemein Larenz S. 355 f.; Raisch FS Stimpel S. 34 ff.; MünchKomm BGB4 /Säcker Einl. Rn. 102 (m. w. N.). 750 Vgl. allgemein Larenz S. 355 f.; ebenso Neuner ZHR 157 (1993), 246: „Normlogisch läßt sich aus einer Sonderbestimmung weder auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis noch auf die Generalisierbarkeit des ,Besonderen‘ schließen.“ 751 So aber grundsätzlich Schwark/Geiser ZHR 162 (1997), 764. In diesem Sinne auch Lutter FS Zöllner I S. 381. 752 Vgl. oben D. VI. 3.

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E. Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten

schluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags entsteht und zugleich den Schutz der außenstehenden Aktionäre vor den ihnen entstandenen Vermögensnachteilen abrunden.753 § 320b AktG setzt eben dieses Anliegen unter Anpassung an die Besonderheiten der Eingliederung um.754 Weitgehend identische Folgen sind beim Börsengang bzw. Delisting nicht festzustellen. Die Möglichkeit des Squeeze-out in den §§ 327a ff. AktG hat der Gesetzgeber mit Blick auf „praktische Bedürfnisses“ eingeführt. Kleinstbeteiligungen führten zum einen zu erheblichem Formalaufwand für die AG, der mit entsprechenden Kosten verbunden sein könne. Zum anderen sah der Gesetzgeber eine erhebliche Bereitschaft bei „Minderheitsaktionären“, ihre Beteiligung missbräuchlich auszunutzen.755 Dass den Aktionären, die aus der AG gedrängt werden, der Verlust ihrer Rechtsposition abzugelten ist, bedarf keiner näheren Erläuterung.756 Dasselbe lässt sich vom Börsengang und Börsenrückzug nicht sagen. Namentlich der Börsenrückzug mag für die Minderheitsaktionäre mit Nachteilen verbunden sein. Dem Gesetz lässt sich aber gerade nicht entnehmen, dass „nachteilige Hauptversammlungsbeschlüsse“ zu Abfindungsansprüchen führen, wie soeben dargelegt worden ist. Weder der Börsengang noch der Börsenrückzug sind schließlich einer Umwandlung vergleichbar. Das wurde schon gezeigt.757 Schon deshalb können die umwandlungsrechtlichen Vorschriften keinen Ertrag für Abfindungsansprüche der Aktionäre erbringen. Folgende Bedenken treten hinzu: Mülbert hat darauf hingewiesen, dass schon nicht jeder Formwechsel nach dem UmwG ausgleichspflichtig ist. § 250 UmwG nimmt die formwechselnde Umwandlung einer AG in die Rechtsform der KGaA von der Pflicht zu einem Abfindungsangebot aus.758 Daraus hat er geschlossen, dass der Wechsel von der börsennotierten in die nicht börsennotierte AG, welche die Mitgliedschaft des Aktionärs qualitativ noch weniger verändere, „erst recht“ nicht ausgleichspflichtig sein kann. Ganz überzeugend ist der Schluss nicht, weil die Veränderungen beim Wechsel der AG in die KGaA einerseits und beim Wechsel von der börsennotierten in die nicht börsennotierte AG andererseits nicht im Verhältnis des „Mehr“ zum „Weniger“ stehen, sondern qualitative Aspekte eine Rolle spielen. Überzeugende Kriterien für einen qualitativen Vergleich sind aber nicht ersichtlich. 753

Vgl. die Amtliche Begründung zum AktG 1965 bei Kropff S. 397. Vgl. die Amtliche Begründung zum AktG 1965 bei Kropff S. 425 (zu § 320 V AktG 1965). 755 BT-Drucks. 14/7034 S. 2 f.; 31 f. 756 Die Gesetzesmaterialien stützen sich auf Art. 14 I GG, vgl. BT-Drucks. 14/7034 S. 32. 757 Vgl. oben D. VI. 3. d) (2) (e). 758 Dazu Mülbert ZHR 165 (2001), 137. 754

III. Kein „Fungibilitätsausgleich‘‘ beim Delisting

225

Mülbert hat jedoch noch auf ein Weiteres hingewiesen: Nach § 29 I 2 UmwG besteht kein Barabfindungsanspruch, wenn eine börsennotierte AG auf eine existierende (§§ 4 ff. UmwG) oder neu zu errichtende (§§ 56 ff. UmwG) nicht börsennotierte AG verschmolzen wird. Einen Barabfindungsanspruch gibt es grundsätzlich auch nicht bei der rechtsformwahrenden Aufspaltung einer börsennotierten AG auf bestehende nicht börsennotierte Aktiengesellschaften (§ 123 I Nr. 1, 125 i.V. m. 29 UmwG) oder auf neu zu errichtende Gesellschaften (§ 123 I Nr. 2, 125 i.V. m. 29 UmwG). Gleiches gilt bei Abspaltung von einer börsennotierten AG auf bzw. in eine nicht börsennotierte Gesellschaft, § 123 II Nr. 1, 2, 125 i.V. m. 29 UmwG. In all’ diesen Fällen besteht ein Abfindungsangebot nur, wenn die Anteile am übernehmenden Rechtsträger (rechtlichen) Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind.759 Das Umwandlungsrecht „blendet“ also, verallgemeinernd gesprochen, die Börsennotierung „konsequent aus“.760 Dem Rechtsbereich lassen sich vor diesem Hintergrund Argumente gegen, nicht aber für Abfindungsansprüche beim Going Public bzw. Going Private entnehmen. Man sieht: Ein Abfindungsanspruch der Aktionäre beim Börsengang oder Börsenrückzug existiert bei keiner denkbaren Betrachtung. Eine Gesamtanalogie ist ausgeschlossen, weil die gesetzlich vorgesehenen Abfindungsansprüche in Ausnahmevorschriften angeordnet werden. Eine Einzelanalogie zu diesen Regelungen ist nicht möglich.

III. Kein „Fungibilitätsausgleich“ beim Delisting Ebenso wenig kann man den Aktionären, die gegen den Börsenrückzug stimmen, einen allgemeinen „Fungibilitätsausgleich“ 761, also einen finanziellen Ausgleich für die herabgesetzte Handelbarkeit ihrer Aktien, zugestehen.762 Es ist keine gesetzliche Grundlage erkennbar, auf der solche Zuzahlungen an die Aktionäre erfolgen könnten. Freiwilligen Ausgleichszahlungen der AG steht das Kapitalerhaltungsgebot der §§ 57, 62 AktG entgegen.763

759

Hierzu Krämer/Theiß AG 2003, 240. So die Formulierung von Mülbert ZHR 165 (2001), 137. 761 Diese (übliche) Bezeichnung ist wenig sinnvoll. Gemeint ist im Gegenteil eine Art „Fungibilitätsverlustausgleich“. 762 Ein solcher Ausgleich wird, soweit überhaupt erörtert, allgemein abgelehnt, vgl. Zetzsche NZG 2000, 1069; Steck AG 1998, 464 (zum „kalten“ Delisting); Kruse S. 57 (anders allerdings im Grundsatz S. 37 ff.). 763 So auch Steck AG 1998, 464. 760

226

E. Fehlen von Austritts- und Abfindungsrechten

IV. Kein „Austrittsrecht aus wichtigem Grund“ infolge des Börsengangs oder des Börsenrückzugs Ein Teil der Literatur erkennt unabhängig von der Gesellschaftsform ein „Austrittsrecht aus wichtigem Grund“ an, wenn die Abwägung im Einzelfall ergibt, dass dem Gesellschafter der Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar ist.764 Grundlage dieser Ansicht ist die Annahme, dass es ein „allgemeines Lösungsrecht“ im deutschen Verbandsrecht gibt.765 Ein solches Austrittsrecht ist jedenfalls in der AG nicht anzuerkennen.766 Es ist auf personenbezogene Dauerrechtsverhältnisse767 beschränkt, zu denen die AG nicht zählt. Hier tritt an die Stelle eines „Lösungsrechts“ der Umstand, dass der Anteilseigner seine Aktien jederzeit veräußern kann.768 Sind die Aktien vinkuliert, kann sich der Inhaber von ihnen zwar nicht ohne weiteres trennen. Er hat hierzu aber notwendig sein Einverständnis erteilt, da die Vinkulierung nur per (ursprünglicher) Satzungsregelung (§ 68 II AktG) oder per einstimmiger Satzungsänderung (§ 180 II AktG) eingeführt werden kann. Außerdem kann der Aktionär im Einzelfall einen Anspruch auf Genehmigung der Übertragung durch die Gesellschaft haben.769 Des Weiteren stehen §§ 57, 62 AktG einem „Austrittsrecht“ aus der AG entgegen, wenn die Abfindungszahlungen nicht aus dem Bilanzgewinn oder aus Rücklagen bestritten werden können.770 Und schließlich könnten der Börsengang und der Börsenrückzug der AG auch nicht als dem Aktionär „unzumutbare“ Maßnahmen angesehen werden. Es handelt sich dabei um geradezu klassischerweise zu erwartende Vorgänge. Ihnen kann sich der Aktionär nicht auf Kosten der AG entziehen.

V. Ergebnis Finanzielle Ausgleichsansprüche der Aktionäre bestehen weder beim Delisting noch beim Börsengang.

764 Grundlegend RGZ 130, 375. Aus der Literatur Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S. 400 ff. Ihm folgend Schindler S. 80 ff. 765 Näher Schindler S. 17 ff. 766 Vgl. Flume AT I 2 S. 280 ff. 767 Vgl. Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht Rn. 651. 768 Mit diesem Argument lehnt de Vries (S. 120) ein Austrittsrecht zutreffend ab. Er hält im Übrigen den kapitalmarktrechtlichen Schutz der Aktionäre für abschließend. 769 Vgl. Flume AT I 2 S. 281. 770 So auch Mülbert Unternehmensgruppe S. 456 f. (unter Hinweis auf §§ 57 I 1, 58 V AktG).

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Sachverzeichnis Abfindungsanspruch 18, 83, 88, 120, 156, 166, 197 f., 200, 213, 217 ff. Ad hoc-Publizität 30, 43 ff., 48 Aktieneigentum (s. Eigentum) Aktienleihe 36 ff. Amtlicher Markt (s. Börsensegmente) Arbeitnehmermitbestimmung 140 ff., 148, 165, 171 ff. Auflösung der Gesellschaft 54 f., 140, 173, 179, 180 ff., 206 Aufsichtsrat – Zuständigkeit beim Börsengang/Börsenrückzug 69 ff. – Zustimmungsrechte 69 ff., 170 f., 216 Austrittsrecht 217, 226 Beherrschungsvertrag 195 ff., 210, 220, 223 f. Bezugsrechtsausschluss (s. Kapitalerhöhung) Bookbuilding-Verfahren 27 f., 34, 40 Börse 20 Börseneinführung 28, 31, 64 Börsengang – abschließende gesetzliche Regelung 163 ff. – Ähnlichkeit zur Umwandlung 142 ff., insbes. 146 ff. – Aktienherkunft 31 ff. – Definition 20 – „durch die Hintertür“ 21 ff. – faktische Satzungsänderung 73 ff. – Grundsatzentscheidung über den 59 ff. – Kosten 25, 49, 50, 55, 119, 121 – Motive für einen 24 f. (insbes. Fn. 36)

– – – – –

Nachteile 25 praktischer Ablauf 25 ff. Rechtsfolgen 41 ff., 147 ff. Vorbereitung (s. praktischer Ablauf) Zuständigkeit für die Entscheidung (s. Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Vorstand) Börsenreife 26 (Fn. 45, 47) Börsenrückzug – abschließende gesetzliche Regelung 163 ff. – Ähnlichkeit zur Umwandlung 142 ff., insbes. 146 ff. – Definition 53 – Entscheidung über den 58 – faktische Satzungsänderung 73 ff. – kalter Börsenrückzug (kaltes Delisting, cold delisting) 54 f. – Motive für einen 9, 55 f. – Nachteile 57 – praktischer Ablauf 56 – Rechtsfolgen 56 – Zuständigkeit für die Entscheidung (s. Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Vorstand) Börsensegmente 20, 29 ff., 35, 41, 43, 150 f., 167 Börsenzulassung 18, 20, 27 ff. (insbes. 30 f.), 41, 48, 54 ff., 62, 63 ff., 67 f., 71, 82, 90, 93, 144, 150, 165 ff., 206, 215 f. Börsenzulassungsprospekt (s. Prospekt) Börsenzulassungsvoraussetzungen (s. Zulassungsvoraussetzungen) Delisting (s. Börsenrückzug)

Sachverzeichnis Eigene Aktien 22, 151, 154, 184, 190 f. Eigentum – aktienrechtliches 96, 105, 122 f., 127 – verfassungsrechtliches 83 ff., 217 ff. Einbeziehung von Aktien in den Börsenhandel 20 f. Eingliederung 45, 54 f., 83, 88, 195 ff., 212 f., 220, 223 f. Eingriff in Aktionärsrechte 96 ff. (insbes. 112 ff.), 122 ff., 133, 136 ff., 155, 209 ff. Emissionspreis (s. Bookbuilding-Verfahren) Fortsetzung der Gesellschaft 179, 181 Freiverkehr (s. Börsensegmente) Fungibilitätsausgleich 225 Fusion 22 f., 45, 54, 140, 156, 180 ff., 192 ff., 199 ff., 220 Gelatine-Entscheidung 94 (Fn. 295), 96 (Fn. 299 ff.), 100 (Fn. 317), 101 (Fn. 319, 321), 103 (Fn. 331, 333), 109 (Fn. 350), 136 (Fn. 456) General Standard (s. Börsensegmente) Genussrechte 184 ff., 204, 210 f., 215 Geregelter Markt (s. Börsensegmente) Geschäftsführungsvertrag 192 Gewinnabführungsvertrag 192 ff., 211, 220, 223 f. Gewinngemeinschaft 182, 192, 195, 210 Gewinnschuldverschreibung 68, 184 ff., 204, 210 f., 215 Gleichbehandlungsgebot 32 (Fn. 73), 42 Going Private (s. Börsenrückzug) Going Public (s. Börsengang) Greenshoe-Option 36 ff. Grundlagenentscheidungen (s. Hauptversammlung) Grundlagenkompetenz 75 (Fn. 231) Hauptversammlung – ungeschriebene Zuständigkeiten 97 ff., 126

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– vertragsmäßige Zuständigkeit 174 ff. – vertragsmäßige Zuständigkeit beim Börsengang 205 ff. – Weisungen gegenüber Vorstand 80, 126, 130 – Zuständigkeit beim Börsengang 73 ff. – Zuständigkeit beim Börsenrückzug 73 ff. – Zuständigkeit für Grundlagenentscheidungen 74 f. (insbes. Fn. 231), 174 ff. – Zuständigkeit für Strukturmaßnahmen 122, 124, 129 ff., 158 f. Holzmüller-Entscheidung 18, 82, 93 ff., 118 ff., 129, 131 Inhaberaktien 33, 127 Insiderrecht 46 f., 56, 149 f., 205, 208 IPO (s. Börsengang) Kapitalerhöhung – aus Gesellschaftsmitteln 32, 178 – bedingte Kapitalerhöhung 32, 34 f., 178, 197 – Bezugsrechtsausschluss 34 ff., 40, 115, 133, 137 ff., 151, 154 – gegen Einlagen 32, 34, 178 – genehmigtes Kapital 32 f., 39 ff., 56, 60, 178 – Zuständigkeit der Hauptversammlung 177 ff. Kapitalherabsetzung 177 ff. Kompetenz (s. Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Vorstand) Macrotron-Entscheidung 18, 82 ff., 217 ff. Mantelgründung 23 (Fn. 30) Mantelkauf 23 Mitbestimmung (s. Arbeitnehmermitbestimmung) Nachgründung 188 ff., 215 (Fn. 720) Namensaktie 33, 126 f., 215 Neuer Markt (s. Börsensegmente)

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Sachverzeichnis

Pflichtangebot 18, 217 f., 220 Prime Standard (s. Börsensegmente) Prospekt 25, 26 ff., 30 f., 41 f., 56, 59, 167, 208 Prospekthaftung 42, 56, 205, 208 Rechnungslegungspflicht 152

30, 43, 150,

Satzung – faktische Änderung beim Börsengang/ Börsenrückzug 73 f. – formelle Änderung 33, 47, 62, 71, 127, 139, 148, 176 f., 178, 183, 193, 195 f., 198, 206 f., 226 – Regelungen zum Börsengang/Börsenrückzug 73 ff. – Zuständigkeit der Hauptversammlung 176 f. Squeeze-out 116, 155, 206, 220, 223 f. Stammaktien 32 Strukturentscheidungen, Strukturmaßnahmen (s. Hauptversammlung) Treuepflicht 119, 143, 146 Übernahmevertrag 27, 32 (Fn. 73), 34, 36, 38 ff., 62 f.

Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens 23, 68, 76, 95 f., 106, 108 ff., 144, 179 ff., 196, 212 Umwandlung (s. Börsengang) Underpricing 28, 40 Underwriting agreement (s. Übernahmevertrag) Verfassungskonforme Auslegung 85 ff., 215, 218 Verschmelzung (s. Fusion) vertragsmäßige Zuständigkeit (s. Hauptversammlung) Vinkulierung 62, 116, 126 ff., 145, 158, 160, 215, 226 Vorstand – Vorlagepflicht an die Hauptversammlung (s. Holzmüller) – Zuständigkeit beim Börsengang/Börsenrückzug 67 ff., 215 f. Vorzugsaktien 33 Wandelschuldverschreibung 184 ff., 196 Zulassungsvoraussetzungen an der Börse 29 ff., 35 Zuständigkeit (s. Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Vorstand) Zuteilung bei Überzeichnung 28