Die "Annahme" öffentlicher Urkunden nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO: Dissertationsschrift 9783161589935, 9783161589942, 3161589939

Erbfälle mit Auslandsbezug gewinnen zunehmend an Bedeutung, damit einhergehend auch der Einsatz öffentlicher Urkunden in

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German Pages 302 [321] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Einführung in die Problematik und in die Fragestellung
II. Gang der Untersuchung
Teil 1: Anwendungsbereich
§ 1 Verordnungsautonome Auslegung
I. Wortlaut
II. Systematik
III. Telos
IV. Historie
§ 2 Öffentliche Urkunde
I. Schriftstück
II. Errichtung oder Eintragung in einem Mitgliedstaat
1. Mitgliedstaat
2. Errichtung oder Eintragung
III. Beweiskraft bzw. Authentizität
1. Erläuterung des Begriffs
2. Herkunft der Voraussetzungen
3. Übertragung auf die EuErbVO
IV. Erbsache
1. Konkretisierung der Voraussetzung
2. Beispiele öffentlicher Urkunden in Erbsachen
a) Eindeutige Beispiele
b) Insbesondere: Testamente
(1) Deutsche Testamente
(2) Französische Testamente
c) Im Besonderen: Erbnachweise
(1) Französische Erbnachweise
(2) Weitere nationale Erbnachweise (insbesondere deutscher Erbschein)
V. Zwischenergebnis
§ 3 Entscheidung
I. Legaldefinition des Begriffs der Entscheidung
1. Entscheidung
2. Erbsache
3. Mitgliedstaat
II. Legaldefinition des Begriffs des Gerichts
1. Gericht im eigentlichen Sinne
2. Andere Autoritäten als Gerichte
a) Gerichte im funktionalen Sinne
b) Voraussetzungen der Gleichstellung
III. Zwischenergebnis
§ 4 Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins
I. Erbnachweise in der EuErbVO
1. Das Europäische Nachlasszeugnis
a) Grundzüge des Europäischen Nachlasszeugnisses
b) Beschränkung des ENZ auf grenzüberschreitende Erbfälle
2. Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu nationalen Erbnachweisen
a) Verdrängung nationaler Erbnachweise durch das ENZ
b) Nebeneinander von nationalen Erbnachweisen und ENZ
c) Zwischenergebnis
II. Autonome Qualifikation des deutschen Erbscheins nach der EuErbVO
1. Einordnung als Entscheidung (Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO)
2. Einordnung als öffentliche Urkunde (Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO)
3. Stellungnahme für eine Qualifikation als öffentliche Urkunde
a) Subsumtion des deutschen Erbscheins unter die Legaldefinition öffentlicher Urkunden i. S. d. EuErbVO
b) Subsumtion des deutschen Erbscheins unter die Legaldefinition einer Entscheidung nach der EuErbVO
c) Zwischenergebnis
d) Kritische Argumentation zur Frage der Qualifikation
e) Ergebnis zur Qualifikation des deutschen Erbscheins
Teil 2: Methode der Annahme
§ 5 Qualifikation der „Annahme“
I. Vorab: Das Wesen einer öffentlichen Urkunde
II. Dogmatische Einordnung der Norm
1. Verfahrensrechtliche Kollisionsnorm
2. Keine anerkennungsrechtliche Vorschrift
a) Entstehungsgeschichte
(1) Verordnungsentwurf der Kommission
(2) Kritische Stimmen gegen den Verordnungsentwurf
(3) Entwicklung des Entwurfs im Legislativprozess
(4) Zwischenergebnis zur Entstehungsgeschichte
b) Entstehungsgeschichte als Auslegungsmittel für Art. 59 EuErbVO
§ 6 Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft
I. Wirkungserstreckung
II. Keine Wirkungsgleichstellung
III. Keine Doppelbegrenzung
§ 7 Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung
I. Anpassung
II. Ordre public-Vorbehalt
Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft
§ 8 Verordnungsautonomer Begriff der formellen Beweiskraft
§ 9 Mitgliedstaatlicher Hintergrund als Grundlage für einen europäischen Begriff der formellen Beweiskraft
§ 10 Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft
I. Wortlaut
II. Systematik
1. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO
2. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO
3. Art. 59 Abs. 4 EuErbVO
4. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO
5. Zwischenergebnis zur Systematik
III. Telos
IV. Entstehungsgeschichte
V. Ergebnis zur verordnungsautonomen Auslegung
§ 11 Formulierung einer verordnungsautonomen Definition der formellen Beweiskraft
Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts
Fazit
I. Zusammenfassende Ergebnisse
II. Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Die "Annahme" öffentlicher Urkunden nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO: Dissertationsschrift
 9783161589935, 9783161589942, 3161589939

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 434 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Christine Schmitz

Die „Annahme“ öffentlicher Urkunden nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO

Mohr Siebeck

Christine Schmitz, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität zu Köln und an der Université Paris I Panthéon-Sorbonne; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln; Referendariat in Köln mit Stationen in Santiago de Chile und in Brüssel.

ISBN 978-3-16-158993-5 / eISBN 978-3-16-158994-2 DOI 10.1628/978-3-16-158994-2 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu­lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungs­ beständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 von der Rechts­ wissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln entstanden. Die Disputation fand statt am 28. Mai 2019. Für die Publikation ­konnten Schrifttum und Rechtsprechung bis August 2019 berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Heinz-Peter Mansel für seine hervorragende Betreuung. Während meines gesamten Promotionsvorhabens konnte ich mich stets an ihn wenden und er stand jederzeit als engagierter Ansprechpartner mit Rat und konstruktiven Anmerkungen zur Seite. Durch seine Förderung während meiner Zeit an seinem Institut und meiner Promotion habe ich mich sowohl fachlich als auch persönlich weiterentwickelt. Mein Dank gilt zudem Frau Professorin Dr. Dr. h. c. Barbara Dauner-Lieb für die Übernahme und sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Auch Frau Professorin Sabine Corneloup möchte ich herzlich für die Ermöglichung meines Forschungsaufenthaltes an der Université Paris II / Assas am Centre de recherche de droit international privé et du commerce international (CIRDI) danken. Ebenso gilt mein Dank der Dr. Wilhelm Westhaus-Stiftung, die meinen Aufenthalt finanziell ermöglicht hat. Den Herren Professoren Dr. Dr. h. c. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), Dr. Ralf Michaels, LL.M. (Cambridge) und Dr. Dr. h. c. mult. Reinhard Zimmermann danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Besonders bedanken möchte ich mich auch bei allen meinen Freundinnen und Freunden, die meine Promotionszeit begleitet und mich währenddessen unterstützt haben. Hierzu zählen meine Kolleginnen und Kollegen des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln, die mir mit wertvollen Anregungen und Aufmunterungen beistanden, sowie die Doktorandinnen und Doktoranden der Salle 102, die mich während meines Forschungsaufenthaltes in Paris so herzlich aufgenommen haben. Meinem Freund, Marc Schulte-Nieland, bin ich für seinen Zuspruch und seine Geduld während der gesamten Zeit sowie für die akribische Durchsicht des Manuskripts dank-

VIII

Vorwort

bar. Für die Korrektur des Manuskripts danke ich zudem Elena Gubenko und meiner Mutter Annie Schmitz. Mein ganz persönlicher Dank gilt meinen Eltern, die mir stets zur Seite stehen und Rückhalt geben. Ihnen widme ich diese Arbeit. Köln, im September 2019 

Christine Schmitz

Inhaltsverzeichnis Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VII Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .XIII

Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 I. II.

Einführung in die Problematik und in die Fragestellung  . . . . . . . . . . . . . .1 Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Teil 1: Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 § 1

Verordnungsautonome Auslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

I. II. III. IV.

Wortlaut  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 Systematik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 Telos  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Historie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

§ 2

Öffentliche Urkunde  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

I. II.

Schriftstück  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 Errichtung oder Eintragung in einem Mitgliedstaat  . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 1. Mitgliedstaat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 2. Errichtung oder Eintragung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Beweiskraft bzw. Authentizität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 1. Erläuterung des Begriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 2. Herkunft der Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 3. Übertragung auf die EuErbVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Erbsache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 1. Konkretisierung der Voraussetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 2. Beispiele öffentlicher Urkunden in Erbsachen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 a) Eindeutige Beispiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 b) Insbesondere: Testamente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 (1) Deutsche Testamente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 (2) Französische Testamente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 c) Im Besonderen: Erbnachweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40 (1) Französische Erbnachweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40

III.

IV.

X

Inhaltsverzeichnis

V.

(2) Weitere nationale Erbnachweise (insbesondere deutscher Erbschein)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44 Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44

§ 3

Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45

I.

Legaldefinition des Begriffs der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 1. Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 2. Erbsache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 3. Mitgliedstaat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 Legaldefinition des Begriffs des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 1. Gericht im eigentlichen Sinne  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 2. Andere Autoritäten als Gerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 a) Gerichte im funktionalen Sinne  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 b) Voraussetzungen der Gleichstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64

II.

III.

§ 4

Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66

I.

Erbnachweise in der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 1. Das Europäische Nachlasszeugnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 a) Grundzüge des Europäischen Nachlasszeugnisses  . . . . . . . . . . . . . .66 b) Beschränkung des ENZ auf grenzüberschreitende Erbfälle  . . . . . . .69 2. Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu nationalen Erbnachweisen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 a) Verdrängung nationaler Erbnachweise durch das ENZ  . . . . . . . . . .74 b) Nebeneinander von nationalen Erbnachweisen und ENZ . . . . . . . . .77 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .83 Autonome Qualifikation des deutschen Erbscheins nach der EuErbVO  . .84 1. Einordnung als Entscheidung (Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO)  . . . . . . . .85 2. Einordnung als öffentliche Urkunde (Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO)  . . .88 3. Stellungnahme für eine Qualifikation als öffentliche Urkunde  . . . . . . .95 a) Subsumtion des deutschen Erbscheins unter die Legaldefinition öffentlicher Urkunden i. S. d. EuErbVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95 b) Subsumtion des deutschen Erbscheins unter die Legaldefinition einer Entscheidung nach der EuErbVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 d) Kritische Argumentation zur Frage der Qualifikation  . . . . . . . . . . . .100 e) Ergebnis zur Qualifikation des deutschen Erbscheins  . . . . . . . . . . .107

II.

Teil 2: Methode der Annahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109 § 5

Qualifikation der „Annahme“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109

I. II.

Vorab: Das Wesen einer öffentlichen Urkunde  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110 Dogmatische Einordnung der Norm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113



Inhaltsverzeichnis

XI

1. Verfahrensrechtliche Kollisionsnorm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113 2. Keine anerkennungsrechtliche Vorschrift  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .118 a) Entstehungsgeschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 (1) Verordnungsentwurf der Kommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 (2) Kritische Stimmen gegen den Verordnungsentwurf  . . . . . . . . .121 (3) Entwicklung des Entwurfs im Legislativprozess  . . . . . . . . . . . .127 (4) Zwischenergebnis zur Entstehungsgeschichte  . . . . . . . . . . . . . .132 b) Entstehungsgeschichte als Auslegungsmittel für Art. 59 EuErbVO  . 133

§ 6

Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft  . . . . . . . . . . . . . . . . . .135

I. II. III.

Wirkungserstreckung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 Keine Wirkungsgleichstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 Keine Doppelbegrenzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144

§ 7

Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155

I. II.

Anpassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155 Ordre public-Vorbehalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165

Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft  . . . . . . . . . . . . . .177 § 8

Verordnungsautonomer Begriff der formellen Beweiskraft  . . . . . . . . . .177

§ 9

Mitgliedstaatlicher Hintergrund als Grundlage für einen europäischen Begriff der formellen Beweiskraft  . . . . . . . . . . . . . . . . . .183

§ 10 Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .198 I. II.

III. IV. V.

Wortlaut  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .198 Systematik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .205 1. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 2. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215 3. Art. 59 Abs. 4 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224 4. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .225 5. Zwischenergebnis zur Systematik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .230 Telos  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .232 Entstehungsgeschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238 Ergebnis zur verordnungsautonomen Auslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .240

§ 11 Formulierung einer verordnungsautonomen Definition der formellen Beweiskraft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243

XII

Inhaltsverzeichnis

Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .245 Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .265 I. II.

Zusammenfassende Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .266 Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271

Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .299

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. E. am Ende Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anh. Anhang Anm. Anmerkung Art. Artikel Bd. Band BeckOGK beck-online Grosskommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Begr. Begründer BeurkG Beurkundungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BNotO Bundesnotarordnung CDT Cuadernos de Derecho Transnacional Ch. Chapitre Clunet Journal du droit international – Clunet CNUE Conseil des Notariats de l’Union Européenne COM European Commission DIP Droit International Privé DNotI Deutsches Notarinstitut DNotV Deutscher Notarverein DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift Dok. Dokument dt. deutsch/e/s EG Erwägungsgrund Einf. Einführung Einl. Einleitung endg. endgültig ENZ Europäisches Nachlasszeugnis ErbR Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ERV Elektronischer Rechtsverkehr EU Europäische Union EuEheVO Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 EuErbVO Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das an-

XIV

Abkürzungsverzeichnis

zuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses EuErbVO-E Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM(2009) 154 endg. EuGH Europäischer Gerichtshof EU-Grundrechtecharta Charta der Grundrechte der Europäischen Union EuGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands EuGVÜ Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 27.9.1968 EuGVVO Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) EuGVVO a. F. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuInsVO Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) EuIPR Europäisches Internationales Privatrecht EuPartVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften EuUnthVO Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen EuUrkVO Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 EuVTVO Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen



EuZPR EuZVR EuZW FamFG

Abkürzungsverzeichnis

XV

Europäisches Zivilprozessrecht Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fasc. Fascicule f., ff. folgende FGPrax Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fn. Fußnote FrzZR Das Französische Zivilrecht FS Festschrift FuR Familie und Recht GOG (österreichisches) Gerichtsorganisationsgesetz GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht, Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union grZGB Griechisches Zivilgesetzbuch grZPO Griechische Zivilprozessordnung GS Gedächtnisschrift Haager Erbrechtsüber- Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von  einkommen von 1989 Todes wegen anzuwendende Recht vom 1.8.1989 Haager Testamentsüber- Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Ver einkommen von 1961 fügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 Halbs. Halbsatz HCCH Hague Conference on Private International Law / Conférence de la Haye de Droit International Privé / Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Hrsg. Herausgeber i. E. im Ergebnis i. V. m. in Verbindung mit insb. insbesondere Int. International(es) Intro. Introduction (frz./engl.) IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IZPR Internationales Zivilprozessrecht JbItalR Jahrbuch für italienisches Recht JCP G La Semaine Juridique Edition Générale JCP N La Semaine Juridique Notariale et Immobilière JORF Journal officiel de la République française JPIL Journal of Private International Law JURI Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments JurisPK Juris Praxiskommentar JuS Juristische Schulung JZ JuristenZeitung Kap. Kapitel KOM Europäische Kommission KonsularG Konsulargesetz

XVI KonsultationsRL

Abkürzungsverzeichnis

Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft LEC Ley 1/2000, de 7 de enero, de Enjuiciamiento Civil (spanische Zivilprozessordnung) lit. litera LugÜ 1988 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.9.1988 (88/592/ EWG) m. w. N. mit weiteren Nachweisen MPI Max Planck Institute for Comparative and International Private Law MüKo Münchener Kommentar NJW Neue Juristische Wochenschrift NK Nomos Kommentar NK-Hk Nomos Handkommentar notar notar – Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis Nr. Nummer NZFam Neue Zeitschrift für Familienrecht o. oben ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung östAußStG Österreichisches Außerstreitgesetz östZPO Österreichische Zivilprozessordnung Pace Int. L. Rev. Pace International Law Review polZGB Polnisches Zivilgesetzbuch polZPO Polnische Zivilprozessordnung RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rec. cours Collected Courses of the Hague Academy of International Law/Recueil des cours de l’Académie de Droit International de la Haye Rec. Dalloz Recueil Dalloz Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger Rev. crit. DIP Revue critique de droit international privé Rev. not. belge Revue du notariat belge Rép. civ. Dalloz Répertoire de droit civil, Dalloz Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) Rom II-VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) Rom III-VO Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Be-



Abkürzungsverzeichnis

XVII

reich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Rs. Rechtssache S. Seite s. o. siehe oben s. u. siehe unten Slg. Sammlung der Rechtsprechung Sp. Spalte StAZ Das Standesamt – Zeitschrift für Standesamtswesen, Familienrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Personenstandsrecht, internationales Privatrecht des In- und Auslands sublit. sublitera TCFDIP Travaux du Comité Français de Droit International Privé UAbs. Unterabsatz Übers. Übersicht UE Union européenne u. unten v. von verb. Rs. verbundene Rechtssache vgl. vergleiche VO Verordnung Vorb. Vorbemerkung YbPIL Yearbook of Private International Law z. B. zum Beispiel ZErb Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZPO Zivilprozessordnung ZPR Zivilprozessrecht ZV Zwangsvollstreckung ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung Angesichts der zunehmenden Zahl an Erbfällen mit Auslandsbezug wächst die praktische Relevanz, öffentliche Urkunden in Erbschaftsangelegenheiten grenzüberschreitend einzusetzen. Dazu gehören beispielsweise öffentliche Testamente, Erbverträge oder Erbnachweise. Aufgrund dieses steigenden praktischen Bedürfnisses soll die „Annahme“ öffentlicher Urkunden deren Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union fördern. Hierzu bestimmt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, dass eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung hat, sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widerspricht.

I.  Einführung in die Problematik und in die Fragestellung Zur Harmonisierung des europäischen und internationalen Verfahrens- und Kollisionsrechts wurde am 27.7.2012 die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EuErbVO) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Am 16.1.2014 trat sie in Kraft und gilt für grenzüberschreitende Erbfälle ab dem 17.8.2015. Während in den ersten Kapiteln der EuErbVO die klassischen Fragen des internationalen Privat- und Verfahrensrechts wie die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen geregelt werden, öffnet die Verordnung neue Türen durch das fünfte Kapitel über öffentliche Urkunden und durch die Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses im sechsten Kapitel. Eine Besonderheit innerhalb der Verordnung ist Art. 59 EuErbVO. Die Vorschrift ist als erster Artikel des fünften Kapitels mit „Annahme öffentlicher Urkunden“ überschrieben und stellt ein „Novum im europäischen Zivilverfahrensrecht“1 dar. 1  Hess/Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 41.

2

Einleitung

Ins Auge springt Art. 59 EuErbVO durch seine „schillernde amtliche Überschrift“2, die „Annahme öffentlicher Urkunden“. Der Begriff der Annahme findet sich einzig in der Überschrift des Art. 59 EuErbVO, nicht jedoch im Normtext selbst. Bisher wurde der Begriff der „Annahme“ im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht nicht verwandt. Es handelt sich bei Art. 59 EuErbVO um die erstmalige Regelung eines neuartigen „Institut[s] der Annahme“3. Es drängt sich daher die Frage auf, was unter der Annahme zu verstehen ist. Was bedeutet die Annahme öffentlicher Urkunden? Auf was bezieht sich die Vorschrift gegenständlich? Welche Wirkungen soll die Annahme öffentlicher Urkunden haben? Gibt es Begrenzungen der Annahme? Brisant ist die Frage der Bedeutung der „Annahme“ mit Blick auf den rechtspolitischen und wissenschaftlichen Diskurs der sogenannten „Urkundsinhaltsanerkennung“4. Die Genese der EuErbVO einleitend stellte die Europäische Kommission im Grünbuch „Erb- und Testamentsrecht“5 vom 1.3.2005 in Bezug auf notarielle Urkunden die Frage 27: „Können auf erbrechtliche Urkunden dieselben Vorschriften angewandt werden wie für die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen?“6 Das Grünbuch und die darauf folgende Entstehungsgeschichte der EuErbVO verstärkten die zu dieser Zeit diskutierte Befürchtung einer Verdrängung des klassischen internationalen Privatrechts durch die sogenannte – von der verfahrensrechtlichen Entscheidungsanerkennung inspirierte – Anerkennungsmethode. Bei der Anerkennungsmethode soll „eine im Ausland aufgrund eines privaten oder eines behördlichen Aktes geschaffene Rechtslage unabhängig von der Anwendung der eigenen Kollisionsnormen des Anerkennungsstaates und auch unabhängig von der Frage des im Ursprungsstaat angewandten Rechts im Anerkennungsstaat als wirksam betrachtet“7 werden. Ein im Ausland notariell beurkundetes Testament würde nach dieser Anerkennungsmethode somit nicht mehr durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates auf seine Gültigkeit hin überprüft oder gar nach einer erfolgten „Anerkennung“ durch den Erblasser selbst durch ein handschriftliches Testament geändert werden können.8 Diese de lege ferenda-Überlegungen zur Anerkennung von Rechts wegen stehen im Gegensatz zur herkömmlichen kollisionsrechtlichen Methode des internationalen Privatrechts, wonach die Wirksamkeit und Wirkungen eines Rechtsverhält2 

Dutta, FamRZ 2013, 4, 13. Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 303. Mansel, IPRax 2011, 341. 5  Grünbuch, Erb- und Testamentsrecht, v. 1.3.2005, KOM(2005) 65 endg. Siehe hierzu Dörner, ZEV 2005, 137 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 684 f. 6  Grünbuch, Erb- und Testamentsrecht, v. 1.3.2005, KOM(2005) 65 endg., S. 11, Punkt 4.2. 7  Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393. 8 Vgl. Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 261. 3  4 

Einleitung

3

nisses mit Auslandsbezug anhand des durch Anwendung von Kollisionsvorschriften bestimmten anwendbaren Rechts überprüft werden. So ist mit Art. 59 EuErbVO nun eine aus vier Absätzen bestehende Vorschrift entstanden, welche weder im bisherigen internationalen Privatrecht noch im internationalen Zivilprozessrecht Vorbilder kennt.9 Der erste Absatz des Art. 59 EuErbVO regelt die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Ursprungsstaat. Die drei weiteren Absätze des Art. 59 EuErbVO normieren die Erhebung von Einwänden in Bezug auf die Authentizität der öffentlichen Urkunde oder der in ihr beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse. Der innovative Charakter sowie die kontroverse Entstehung der Regelung gaben Veranlassung, den Begriff und die Norm des Art. 59 EuErbVO näher zu beleuchten. Daher hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, den Regelungsgehalt des Art. 59 EuErbVO zu untersuchen und zu determinieren. Motiv dieser Arbeit ist es zu bestimmen, was die in Art. 59 EuErbVO erstmalig geregelte „Annahme“ öffentlicher Urkunden konkret bedeutet. Untersucht wird, welche Methode der Vorschrift zugrunde liegt. Ein weiteres Bestreben der vorliegenden Arbeit ist es, auf den Gegenstand des Art. 59 EuErbVO ein besonderes Augenmerk zu richten und hierfür den Aspekt der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden zu eruieren.

II.  Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich neben Einleitung und Fazit in vier Teile. Zunächst werden die Grundlagen der Annahme nach Art. 59 EuErbVO dargestellt. Hierzu befasst sich der erste Teil der Arbeit mit dem Anwendungsbereich des Art. 59 EuErbVO. Es wird dargelegt, welche öffentlichen Urkunden von der Vorschrift erfasst werden, wobei die Legaldefinition öffentlicher Urkunden i. S. d. EuErbVO näher beleuchtet wird. Zur praktischen Anschauung der von der Verordnung erfassten öffentlichen Urkunden werden Beispiele aus dem deutschen und französischen Recht gegeben. Besonderes Augenmerk liegt in diesem Teil der Arbeit auf der verordnungsautonomen Qualifikation des deutschen Erbscheins. Es wird die Frage untersucht, ob der deutsche Erbschein in der EuErbVO als Entscheidung oder als öffentliche Urkunde einzuordnen ist. Relevant ist diese Frage insbesondere zur Bestimmung der grenzüberschreitenden Zirkulierbarkeit des Erbscheins als nationaler Erbnachweis entweder im Wege der verfah9  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; ferner Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 261; Buschbaum, in: Lipp/ Münch, Freizügigkeit, S. 37, 38 f.; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Schaub, in: Muscheler, Hereditare 3, S. 91, 109; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Vor Kap. V, Rn. 2.

4

Einleitung

rensrechtlichen Anerkennung von Entscheidungen oder durch das Regelungswerk der Annahme öffentlicher Urkunden. Anschließend widmet sich der zweite Teil der Arbeit der Darstellung der Methode der Annahme. In einem ersten Schritt wird die im Unionsrecht bisher unbekannte Annahme näher qualifiziert. Es wird eine ausführliche dogmatische Einordnung der Vorschrift des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm vorgenommen. Die Qualifikation des Art. 59 EuErbVO erfolgt dabei in Abgrenzung zur Normierung einer anerkennungsrechtlichen Vorschrift. In diesem Zusammenhang wird die kontroverse Entstehungsgeschichte der Norm betrachtet. Im Mittelpunkt der Genese des Art. 59 EuErbVO stand die Diskussion um einen Methodenwechsel von der klassischen kollisionsrechtlichen Lösung des IPR zu einer anerkennungsrechtlichen Lösung (sogenannte Rechtslagenanerkennung). Anhand der Analyse der Entstehungsgeschichte wird darüber hinaus der europäische Gesetzgeberwille als Auslegungsmittel des Art. 59 EuErbVO herausgearbeitet. Im Vordergrund des zweiten Teils steht ferner die ausgiebige Auseinandersetzung der durch die Annahme angeordneten grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung. Dabei wird die Vorgehensweise der grenzüberschreitenden Wirkungsvermittlung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden aus einem anderen Mitgliedstaat aufgezeigt. Hierzu wird im Besonderen erörtert, inwiefern die von der verfahrensrechtlichen Anerkennung bekannten Lehren der Wirkungserstreckung oder Gleichstellung vergleichend herangezogen werden können. Daran anschließend werden gegebenenfalls vorzunehmende Korrekturen im Wege der Anpassung sowie ordre public-Einschränkungen der Annahme vorgestellt. Auf den durch die Qualifikation der Annahme gewonnenen Erkenntnissen aufbauend wird in einem dritten Teil der Arbeit die anzunehmende formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde umfassend untersucht. Der zentrale Begriff der formellen Beweiskraft wird als verordnungsautonomer Terminus eingehend anhand der klassischen Auslegungscanones ausgelegt. Zur Bestimmung eines europäischen Begriffsverständnisses wird zudem ein mitgliedstaatlich übergreifend geltendes Grundverständnis rechtsvergleichend herausgearbeitet. Auf Grundlage der gefundenen Ergebnisse wird schließlich ein Vorschlag einer europäischen Definition des Annahmegegenstandes der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden formuliert. Der vierte und letzte Teil der Arbeit stellt die Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts. Es wird einerseits die neuartige Besonderheit der in Art. 59 EuErbVO normierten Annahme öffentlicher Urkunden im Verhältnis zu bisherigen unionsrechtlichen Regelungen aufgezeigt. Zugleich wird der Einfluss des Art. 59 EuErbVO auf zeitlich folgende Verordnungen geprüft, namentlich die EuGüVO/EuPartVO sowie die EuUrkVO. Zur besseren Verständlichkeit ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Arbeit die Begriffe Annahmestaat, Zweitstaat und Zielstaat sowie Ursprungs-

Einleitung

5

staat, Erststaat und Errichtungsstaat jeweils synonym verwendet werden. Ferner wird zwecks Vereinfachung des Leseflusses nicht stets von Mitgliedstaat der Europäischen Union, sondern zum Teil auch schlicht von Staat gesprochen (insbesondere bei zusammengesetzten Begriffen wie Errichtungsmitgliedstaat), ohne dass dies eine Differenzierung bedeutet. Anzumerken ist zuletzt, dass die Arbeit sich entsprechend der analysierten Verordnungsvorschrift des Art. 59 EuErbVO auf die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden beschränkt. Die grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden wird nicht behandelt. Die Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden wird separat in Art. 60 EuErbVO geregelt, der den seit langem unproblematisch geltenden Art. 57 EuGVVO a. F., welcher wiederum auf Art. 50 EuGVÜ/LugÜ beruht, übernimmt.10 Ferner werden die zeitlich auf die EuErbVO folgenden Verordnungen (EuGüVO/EuPartVO sowie EuUrkVO) lediglich im vierten Teil dieser Arbeit thematisiert.

10 Vgl. Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 60, Rn. 1; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 60, Rn. 1; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6, Art. 60, Rn. 1; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, Art. 60, Rn. 1 f.

Teil 1

Anwendungsbereich Bevor auf die in Art. 59 EuErbVO erstmalig geregelte und daher neue Methode der Annahme öffentlicher Urkunden eingegangen wird, muss der Anwendungsbereich der Vorschrift bestimmt werden. Art. 59 EuErbVO normiert die Annahme öffentlicher Urkunden. Im ersten Teil dieser Arbeit wird daher dargelegt, wie öffentliche Urkunden nach der EuErbVO zu definieren sind und anhand von Beispielen aus dem deutschen und französischen Recht veranschaulicht (§ 2). In der Nachlassabwicklung von großer praktischer Relevanz sind Nachweise, die die Erbenstellung bezeugen. Wenn Erbnachweise durch mitgliedstaatliche Gerichte ausgestellt werden, stellt sich die Abgrenzungsfrage zu gerichtlichen Entscheidungen. Deshalb wird in diesem Teil auch der Begriff der Entscheidung im Sinne der EuErbVO näher dargestellt (§ 3), um anschließend am Beispiel des deutschen Erbscheins eine verordnungsautonome Qualifikation dieses nationalen Erbnachweises vornehmen zu können (§ 4). Da die Begriffe der EuErbVO grundsätzlich verordnungsautonom auszulegen sind, soll vorab die verordnungsautonome Auslegung skizziert werden (§ 1).

§ 1 Verordnungsautonome Auslegung Die europarechtlich autonome Auslegung von Begrifflichkeiten des Unionsrechts ist ein methodischer Grundsatz, der generell für alle Rechtsakte der EU gilt.1 Nach diesem Grundsatz sind Begriffe eines Unionsrechtsaktes einheitlich europäisch zu bestimmen, unabhängig von den jeweiligen nationalen Begriffsverständnissen.2 Bei der verordnungsautonomen Auslegung werden die Nor-

1  Dutta, MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 1, Rn. 23; Hellner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 107, 107, Rn. 1; Hess, IPRax 2006, 348, 351 f., 363; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 335 f.; Nourissat, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 17, 28, Rn. 58 ff.; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 4 ff. 2  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 50; Geimer, in: Zöller/ZPO, EuErbVO, Art. 1, Rn. 3; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6.

8

Teil 1: Anwendungsbereich

men aus sich heraus ausgelegt.3 Dabei verbietet sich ein Rückgriff auf nationales Recht der Mitgliedstaaten, insbesondere auf die jeweilige lex fori.4 Eine autonome und einheitliche Auslegung des Unionsrechts ist unerlässlich für seine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten der EU. Zudem sind die Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten gleichberechtigt. Dieser Gleichberechtigung würden sowohl Verweisungen auf das nationale Recht durch einen europäischen Rechtsakt selbst5 als auch eine Auslegung anhand der jeweiligen lex fori nicht gerecht, sodass für einen europäischen Maßstab hiervon Abstand zu nehmen ist. Der EuGH betont in einer ständigen Rechtsprechung, dass „aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, […] die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen“6. Auf diese Weise ist es möglich, dass eine Urkunde keine öffentliche Urkunde nach nationalen Anforderungen darstellt, hingegen als eine solche nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO gilt und somit von Art. 59 EuErbVO erfasst wird. Umgekehrt ist es genauso denkbar, dass eine Urkunde national als öffentliche Urkunde angesehen wird, jedoch nicht den unionsrechtlichen Anforderungen entspricht und somit keine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO darstellt. Die einheitlich autonome Auslegung erfolgt anhand der – auch aus dem nationalen Recht bekannten – Auslegungsmethoden, wobei europäische Besonderheiten berücksichtigt werden müssen.7 Daher sind für die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Urkunde im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO der Wortlaut, die Systematik, das Telos, die Entstehungsgeschichte sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben zu beachten. 3  4 

Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 762 f. Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 41. 5 Vgl. Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 6. 6  EuGH, Urteil v. 18.1.1984, Rs. C-327/82, Ekro, Slg. 1984, 00107, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 19.9.2000, Rs. C-287/98, Linster, Slg. 2000, I-06917, Rn. 43; EuGH, Urteil v. 17.3.2005, Rs. C-170/03, Feron, Slg. 2005, I-02299, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 18.10.2011, Rs. C-34/10, Brüstle, Slg. 2011, I-09821, Rn. 25; EuGH, Urteil v. 16.7.2015, verb. Rs. C-544/13 und C-545/13, Abcur, Rn. 45. 7  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art.  3, Rn. 2; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Rn. 4; Hess, IPRax 2006, 348, 353; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 589; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 12; Stotz, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 22, Rn. 11; Weber, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 42.



§ 1 Verordnungsautonome Auslegung

9

I. Wortlaut Ausgangspunkt und zugleich Grenze jeder Auslegung ist der Wortlaut der jeweiligen Bestimmungen.8 Anhand des exakten Normtextes ist sein Wortsinn zu ermitteln, wobei die grammatikalische Auslegung sowohl beinhaltet, für die Auslegung eines Wortes den Satzzusammenhang als auch für das Verständnis eines Satzes den Textzusammenhang zu beachten.9 Bei der Erläuterung der in der EuErbVO verwendeten Begriffe müssen allerdings alle Sprachfassungen dieser einbezogen werden, da mangels einer EU-Amtssprache jede einzelne verbindlich ist.10 Dabei kommt den einzelnen Fassungen gleichermaßen Bedeutung zu, sodass sie auch in gleicher Weise zu berücksichtigen sind.11 Aufgrund der Tatsache, dass die Verordnung überwiegend auf Englisch, Französisch und Deutsch verhandelt wurde, stellen sich diese Sprachfassungen meist als besonders ergiebig dar.12 Diese praktische Erwägung mindert jedoch in keiner Weise die Bedeutung der anderen Sprachfassungen, deren Heranziehung im Rahmen der grammatikalischen Auslegung des Wortlauts ebenso aufschlussreich sein kann. Die Hinzuziehung anderer Sprachfassungen der EuErbVO kann bei der Interpretation von unklaren Begrifflichkeiten besonders hilfreich sein.13 Zudem treten gelegentlich Inkohärenzen sowie Übersetzungsfehler auf, die nur durch einen Vergleich mehrerer Versionen aufgeklärt werden können.14 Zu beachten ist weiterhin, dass selbst bei Verwendung von juristischen Begriffen, denen in einem Mitgliedstaat eine eigenständige Bedeutung zukommt, dieses nationale Verständnis nicht zwangsläufig im Rahmen der wörtlichen Auslegung zu berücksichtigen ist.15 Insbesondere schränkt die autonome Auslegung den Rückgriff auf das Recht eines Mitgliedstaates, aus dessen Rechtsordnung ein Begriff möglicherweise entnommen wurde, ein.16 In solchen Fällen kann das nationale Verständnis der Herkunftsrechtsordnung bloß als Auslegungshilfe herangezogen werden.17 Der EuGH betont in einer ständigen Rechtsprechung, dass die einheitliche Anwendung und damit Auslegung einer 8 

Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 7; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 763. 9  Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 18, 21. 10  Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 9; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 43. 11  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 14. 12  Baldus, GPR 2012, 312, 312; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6. 13  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18. 14  Z. B. zum Begriff der Beweiskraft bzw. Authentizität, S. 21 f. 15  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Einl., Rn. 31; Hess, IPRax 2006, 348, 353. 16  Hess, IPRax 2006, 348, 353. 17  Hess, IPRax 2006, 348, 353.

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Teil 1: Anwendungsbereich

Vorschrift des Unionsrechts es ausschließt, diese in ihrer jeweiligen Sprachfassung isoliert zu betrachten, sondern es vielmehr geboten ist, die Norm „im Licht ihrer Fassung in allen Sprachen auszulegen“18.19

II. Systematik Weiterhin erfolgt die Auslegung eines Begriffs anhand systematischer Überlegungen. Hierbei sind zwei Ausprägungen zu unterscheiden: Einerseits kann die Systematik des fraglichen Rechtsakts selbst analysiert werden, andererseits können im Rahmen der systematischen Auslegung auch andere Unionsrechtsakte einbezogen werden.20 Zunächst ist demnach die Struktur der EuErbVO selbst zu beachten, d. h. ihr Aufbau in verschiedene Kapitel hinsichtlich der jeweiligen Regelungskomplexe. Auch können aus dem Standort einer Norm Rückschlüsse auf ihre Bedeutung gezogen werden.21 Des Weiteren ist innerhalb der EuErbVO besonders auf das Verhältnis der verfahrensrechtlichen und kollisionsrechtlichen Vorschriften zu achten,22 da ein Hauptziel der Verordnung der Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht ist (vgl. EG 27).23 So stellen beispielsweise als Regelanknüpfung sowohl für die internationale Zuständigkeit gem. Art. 4 EuErbVO als auch für das Erbstatut gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO beide Normen auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ab. Auch bei einer Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO kann gem. Art. 5 EuErbVO eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Recht auch anwendbar sein soll, getroffen werden, sodass der Gleichlauf von forum und ius gewahrt wird.24 Ferner sind systematisch andere Unionsakte zum internationalen Privatund Verfahrensrecht zu berücksichtigen.25 Hierbei können etwa die Rom I-VO, 18  EuGH, Urteil v. 27.1.2005, Rs. C-188/03, Junk, Slg. 2005, I-00885, Rn. 33; so auch bereits EuGH, Urteil v. 12.11.1969, Rs. C-29/69, Stauder ./. Stadt Ulm, Slg. 1969, 00419, Rn. 3; EuGH, Urteil v. 17.7.1997, Rs. C-219/95 P, Ferriere Nord ./. Kommission, Slg. 1997, I-4411, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 20.11.2001, Rs. C-268/99, Jany u. a., Slg. 2001, I-08615, Rn. 47. 19  Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 14 f. 20  Grundmann, RabelsZ 75 (2011, 882, 885; Hess, IPRax 2006, 348, 355; Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 591. 21  Langenbucher, in: Langenbucher, Europarechtliche Bezüge, § 1, Rn. 11; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 22. 22  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18. 23  Dutta, FamRZ 2013, 4, 6; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 13. 24  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 34; Dutta, FamRZ 2013, 4, 6; Geimer, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 9, 17; Hess, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 131, 132, Rn. 1; Van Boxstael, Rev. not. belge 2012, 838, 845; vgl. zur Rechtswahl im EU-Verordnungsrecht: Mansel, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 241, 256 ff. 25  Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 10; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, Eu-



§ 1 Verordnungsautonome Auslegung

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Rom II-VO, Rom III-VO, EuGVVO, EuEheVO oder auch die EuUnthVO in Bezug genommen werden.26 Denn auch rechtsaktübergreifend bedarf es einer einheitlichen Auslegung von verwendeten Rechtsbegriffen des Unionsgesetzgebers. Dies gebietet das Postulat eines einheitlichen und systemstimmigen, europäischen Rechts, sodass eine ausdrückliche Anordnung der einheitlichen Auslegung mit anderen Unionsakten nicht erforderlich ist.27 Dass sich in der EuErbVO und insbesondere in ihren Erwägungsgründen keine den beiden Erwägungsgründen 7 der Rom I-VO und der Rom II-VO vergleichbare Bestimmung einer einheitlichen Auslegung mit anderen Rechtsakten der EU findet,28 schadet somit nicht. Allerdings ist eine rechtsaktübergreifende Auslegung nur möglich, wenn die Interessenlage der Vorschriften vergleichbar ist.29 Erbrechtliche Besonderheiten können ein eigenes Verständnis gewisser Begriffe erfordern,30 sodass sich eine parallele Auslegung anhand anderer Rechtakte in bestimmten Fällen verbieten kann. Wenn die Interessenlage aber vergleichbar ist, können zudem bereits für andere Vorschriften vorliegende Erläuterungen durch den EuGH auch für das Verständnis von Begriffen in der EuErbVO herangezogen werden.31

III. Telos Bedeutungsvoll ist bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts die teleologische Auslegung. Sinn und Zweck der europäischen Normen und der diesen zugrundeliegende europäische Gesetzgeberwille lassen sich am ehesten anhand der Erwägungsgründe eines Unionsrechtsaktes bestimmen.32 Innerhalb dieser werden unter anderem die wesentlichen Ziele und Grundgedanken des Rechtsaktes aufgelistet.33 Auch der EuErbVO stehen insgesamt 83 umfassende Erwägungsgründe voran. Sie haben zwar keinen zwingenden Charakter, sind also nicht verbindlich, beinhalten aber wesentliche Informationen, die zur InterErbVO, Einf., Rn. 6; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 19; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 45; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 2. 26  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 19. 27  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 6. 28  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 6. 29  Vgl. auch Hess, IPRax 2006, 348, 355; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 763. 30  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 6; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 45. 31  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6. 32  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Einl., Rn. 33; Hess, IPRax 2006, 348, 357; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 178 f.; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 38, 41. 33  Hess, IPRax 2006, 348, 357; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 179.

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Teil 1: Anwendungsbereich

pretation der Vorschriften hilfreich sind.34 Sie dienen somit häufig als Orientierungshilfe hinsichtlich des Telos einer Norm. Generell bezwecken europäische Rechtsakte eine möglichst weitreichende Rechtsvereinheitlichung innerhalb der EU.35 Dieser Grundgedanke zeigt sich ebenfalls im spezifisch europäischen Auslegungsgrundsatz des effet utile, der im Rahmen der teleologischen Auslegung ebenfalls Beachtung finden kann.36 Nach diesem vom EuGH entwickelten Grundsatz ist bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten derjenigen der Vorzug zu geben, die geeignet ist, die „praktische Wirksamkeit“ der Vorschrift zu sichern.37 Die mit einem Unionsrechtsakt erzielten Zwecke sollen eine größtmögliche Wirkung erreichen, d. h. idealerweise vollständig durchgesetzt werden.38 Der effet utile-Grundsatz verhilft somit einem Unionsrechtsakt zu seiner praktischen Durchsetzung39 und bewirkt gleichzeitig dessen einheitliche Anwendung in allen EU-Mitgliedstaaten.40 Als zusätzliche Besonderheit der europäischen Auslegung stellt sich auch die Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, dar.41 Der EuGH betont in ständiger Rechtsprechung deren Beachtung im Rahmen der autonomen Auslegung.42 In dem Eurocontrol-Urteil des EuGH etwa ging es um die Auslegung des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ nach Art. 1 des EuGVÜ, der dessen 34  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 178 f.; Stotz, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 22, Rn. 17. 35  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 765. 36  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Rn. 7; Hess, IPRax 2006, 348, 356; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 78; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 463; Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 115 f.; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 45; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, Einl., Rn. 46. 37  EuGH, Urteil v. 23.3.1982, Rs. C-53/81, Levin ./. Staatssecretaris van Justitie, Slg. 1982, 01035, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 22.9.1988, Rs. C-187/87, Land de Sarre ./. Ministre de l’Industrie, Slg. 1988, 05013, Rn. 19; EuGH, Urteil v. 14.10.1999, Rs. C-223/98, Adidas, Slg. 1999, I-07081, Rn. 24. 38  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18. 39  Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Rn. 7. 40  Hess, IPRax 2006, 348, 357. 41  Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 81. 42  EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. C-29/76, LTU ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 01541, Rn. 3; EuGH, Urteil v. 16.12.1980, Rs. C-814/79, Niederlande ./. Rüffer, Slg. 1980, 03807, Rn. 7; EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-172/91, Sonntag ./. Waidmann, Slg. 1993, I-01963, Rn. 18; EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs. C-283/05, ASML, Slg. 2006, I-12041, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 17.7.2014, verb. Rs. C-141/12 und C-372/12, Y. S. u. a., Rn. 54; EuGH, Urteil v. 5.11.2014, Rs. C-166/13, Mukarubega, Rn. 45; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 81.



§ 1 Verordnungsautonome Auslegung

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Anwendbarkeit normiert.43 Der EuGH stellte diesbezüglich fest, dass es nicht erforderlich sein könne, dass der Streitgegenstand nach den nationalen Rechtsordnungen aller Staaten als privatrechtlich zu qualifizieren sei. Denn dann würde der Anwendungsbereich auf einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“44 beschränkt. Solch eine Auslegung würde allerdings dem effet utile-Grundsatz widersprechen, da die Folge nicht die weitmöglichste Durchsetzung, sondern eine geringstmögliche wäre. Vielmehr muss eine autonome Definition aus der Gesamtheit der nationalen Verständnisse entwickelt werden. Denn der „gemeinsame Kern der nationalen Rechtordnungen bildet die eigentliche Basis“ der Union.45 Die Unionsrechtsordnung stellt zwar eine eigenständige Rechtsordnung dar, ist aber nicht streng von den nationalen Rechtsordnungen zu trennen, da die mitgliedstaatlichen Ordnungen vielmehr die europäische in sich aufnehmen.46 Folglich stützt sich die Unionsrechtsordnung auf die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, d. h. auf deren gemeinsamen Strukturund Rechtsprinzipien.47 Daher sind diese zwangsläufig im Rahmen der autonomen teleologischen Auslegung einer europäischen Norm zu beachten, wie der EuGH durch die Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, stets betont.

IV. Historie Die oben bereits erwähnten Erwägungsgründe der EuErbVO erbringen zusätzlich auch Auskunft zu ihrer Entstehungsgeschichte.48 Zu beachten ist jedoch, dass der historischen Auslegung wohl im Vergleich zu den anderen Auslegungsmethoden weniger Bedeutung beizumessen ist. Denn die Verhandlungsprotokolle zur EuErbVO, die den konkreten Willen des Unionsgesetzgebers deutlich machen, sind nicht veröffentlicht.49 Aufschlussreich können dennoch die anderen veröffentlichten Vorarbeiten sein: Beispielsweise das Grünbuch der Europäischen Kommission zum Erb- und Testamentsrecht50, sowie die diesem zugrunde liegende Studie über erbrechtliche Regelungen in den verschiedenen 43 

EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. C-29/76, LTU ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 01541, NJW 1977, 491 m. Anm. Geimer, 492. 44  Geimer, NJW 1977, 491, 492; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 1, Rn. 20 (zur EuGVVO a. F.). 45  Lecheler, Der EuGH und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, S. 187. 46  Lecheler, Der EuGH und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, S. 186. 47  Lecheler, Der EuGH und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, S. 186. 48  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 1, Rn. 23; Weber, in: Dutta/Weber, Int­ ErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 44; vgl. zur Entstehungsgeschichte der EuErbVO z. B. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 591 ff.; Scheuba, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 1 ff.; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2393. 49  Baldus, GPR 2012, 312, 315; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Rn. 5; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6. 50  Grünbuch, Erb- und Testamentsrecht, v. 1.3.2005, KOM(2005) 65 endg.; vgl. hierzu

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Teil 1: Anwendungsbereich

Mitgliedstaaten51 oder auch der erste Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission52. Mangels Vergleichsmöglichkeit mit den unveröffentlichten Erwägungen zur endgültigen Fassung der EuErbVO bleibt die Aussagekraft der veröffentlichten Materialien zwar gering,53 jedoch kann die Heranziehung dieser Dokumente trotzdem zum Verständnis der Entstehung einer Vorschrift der EuErbVO hilfreich sein. Dessen ungeachtet, sind der EuErbVO 83 umfangreiche Erwägungsgründe vorangestellt. Anhand dieser lassen sich die Motive des Gesetzgebers für den Erlass der Verordnung ermitteln.54 Im Rahmen der Auslegung anhand der Entstehungsgeschichte der EuErbVO kann des Weiteren von besonderem Nutzen sein, auf das Haager Testamentsübereinkommen von 1961 oder auf das Haager Erbrechtsübereinkommen von 1989 Bezug zu nehmen.55 Denn der europäische Gesetzgeber hat bei vielen Regelungen der EuErbVO auf diese beiden Staatsverträge zurückgegriffen. So wird in EG 52 S. 1 EuErbVO ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Formgültigkeit aller schriftlichen Verfügungen von Todes wegen durch Vorschriften geregelt werden sollte, die mit denen des Haager Testamentsübereinkommens von 1961 in Einklang stehen. Dementsprechend entspricht die Regelung des Art. 27 EuErbVO dem Haager Testamentsübereinkommen von 1961,56 vornehmlich dessen Art. 1.

auch Dörner, ZEV 2005, 137 ff.; Lehmann, IPRax 2006, 204 ff.; Mansel, in: Armağan Ansay, 2006, S. 185 ff. 51  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Studie für die Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Inneres, Schlussbericht vom 18.9./8.11.2002, vorgelegt vom Deutschen Notarinstitut; eine deutsche Übersetzung ist abgedruckt in: DNotI (Hrsg.), Les successions Internationales dans l’UE, Perspectives pour une Harmonisation, 2004, Würzburg, S. 169–328 (im Folgenden: DNotI/ Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen); vgl. hierzu auch Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1 ff. 52  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM(2009) 154 endg (im Folgenden: EuErbVO-E); vgl. hierzu auch Schurig, in: FS Spellenberg, 2010, S. 343 ff.; Wagner, DNotZ 2010, 506 ff. 53  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6. 54  Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Rn. 5; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 35. 55  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 1, Rn. 23; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 3; vgl. zu den vorbereitenden Arbeiten der Hague Conference on Private International Law (Haager Konferenz): Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 5 ff. 56  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 5; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 27, Rn. 2; Jayme, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 461, 463.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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§ 2  Öffentliche Urkunde Der in Art. 59 EuErbVO verwendete Begriff der öffentlichen Urkunde wird in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO legaldefiniert: Eine öffentliche Urkunde ist ein Schriftstück in Erbsachen, das als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist. Nur eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO wird vom Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfasst und unterliegt der grenzüberschreitenden Annahme. Als Begriff einer EUVerordnung ist der Begriff der öffentlichen Urkunde verordnungsautonom auszulegen.57

I. Schriftstück Laut der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO muss es sich bei einer öffentlichen Urkunde um ein sogenanntes „Schriftstück“ handeln. Der deutsche Wortlaut lässt die Überlegung zu, unter einem „Schriftstück“ ausschließlich Dokumente in Schriftform, also in Papierform, zu verstehen.58 Aus deutscher Betrachtungsweise liegt ein solches Verständnis nah. In Deutschland wird unter einer Urkunde herkömmlich eine schriftlich verkörperte Gedankenerklärung verstanden.59 Des Weiteren erfordert Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO eine Unterschrift,60 welche naturgemäß nur auf einer Urkunde in Papierform gesetzt werden kann. Eine solche Einschränkung des Begriffs wird jedoch den anderen Sprachfassungen der EuErbVO nicht gerecht, da diese viel weiter gefasst erscheinen.61 So spricht die englische Fassung von „document“ und „signature“, die französische von „acte“ und „signature“. Diese Formulierungen erfassen wörtlich so57  Dutta, FamRZ 2013, 4, 4; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 148, Rn. 16; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Vorb. zu Art. 1, Rn. 18; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 5; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 41; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 1. Zur verordnungsautonomen Auslegung siehe unter § 1, S. 7 ff. 58  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 60; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 50; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 37; ohne Verweis auf den deutschen Wortlaut, aber zur fraglichen Auslegung: Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. 59  Krafka, in: BeckOK/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 1; BGH, Urteil v. 28.11.1975 – V ZR 127/74, NJW 1976, 294; BGH, Urteil v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, NJW 1998, 58. 60  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39. 61  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39.

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Teil 1: Anwendungsbereich

wohl Urkunden in Form von Papier mit einer handschriftlichen Unterschrift als auch elektronische Dokumente mit einer Signatur in elektronischer Form.62 Die anderen Sprachfassungen müssen allerdings zum Verständnis des Begriffs bzw. im Rahmen der wörtlichen Auslegung von Begriffen der EuErbVO zwangläufig beachtet werden.63 Darüber hinaus entspricht eine weite Auslegung des Begriffs „Schriftstück“ dem in EG 60 EuErbVO determinierten Regelungsziel der Verordnung,64 d. h. deren Telos. Demnach soll die EuErbVO die Annahme und die Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden in einer Erbsache in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleisten, um den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Der elektronische Schriftverkehr gewinnt jedoch in allen Mitgliedstaaten immer mehr an Bedeutung.65 So werden auch vor den verschiedenen nationalen Gerichten diese zunehmend den traditionellen Schriftstücken in Papierform gleichgestellt bzw. als gleichwertig angesehen. Dies zeigen beispielsweise für Österreich § 89d GOG und § 4 ERV,66 für Deutschland § 130a ZPO. Auch sind dem deutschen Recht öffentliche elektronische Dokumente nicht unbekannt,67 beispielsweise regelt § 371a Abs. 3 ZPO deren Beweiskraft. Eine Begrenzung des Begriffs der öffentlichen Urkunde auf Papierdokumente, unter Ausschluss sämtlicher elektronischer Formen, würde die verschiedenen Regelungssysteme in den Mitgliedstaaten – d. h. auch das Regelungsziel des EG 60 EuErbVO – verkennen. Zudem würde solch eine Begrenzung der freien Zirkulation öffentlicher Urkunden in einer zunehmend digitalen Welt entgegenwirken und damit dem effet utile-Grundsatz widersprechen. Das Telos der Vorschrift gebietet daher eine weite Auslegung des Begriffs „Schriftstück“. Ferner spricht eine rechtsaktübergreifende Auslegung des Begriffs dafür, ein elektronisches Dokument als „Schriftstück“ im Sinne der EuErbVO anzusehen. Nach Art. 25 Abs. 2 EuGVVO sind elektronische Übermittlungen einer Gerichtsstandsvereinbarung, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, der Schriftform gleichgestellt. Die Gleichstellung der schriftlichen und der elektronischen Form eines Dokuments scheint somit im europäischen Rechtsverständnis anerkannt zu sein.68 Die Formulierung „Schriftstück“ des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO bezeichnet folglich sowohl schriftlich verkörperte Urkunden als auch solche in elektro-

62 

J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39. Vgl. hierzu unter § 1 I., S. 9. J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39. 65  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 60. 66  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 60. 67  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39. 68  Vgl. zum Ganzen Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. 63  64 



§ 2  Öffentliche Urkunde

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nischer Form.69 Parallel zu den anderen Sprachfassungen der EuErbVO ließe sich hierfür ebenfalls der Begriff Dokument anbringen.

II.  Errichtung oder Eintragung in einem Mitgliedstaat Ferner muss das Schriftstück bzw. Dokument gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat errichtet oder eingetragen worden sein.

1. Mitgliedstaat Problematisch erscheint hierbei, dass der Terminus des Mitgliedstaates in der EuErbVO – anders als in bisherigen europäischen Rechtsakten70 – nicht genauer bestimmt wird.71 Es stellt sich daher die Frage, ob hierunter alle Mitgliedstaaten der EU oder nur die an der Verordnung teilnehmenden zu verstehen sind.72 Relevant ist die Frage für Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Denn keiner dieser Staaten beteiligt sich gem. Art. 1 und 2 der Protokolle Nr. 2173 und 2274 zum Lissabonner Vertrag an der Annahme von Maßnahmen nach Art. 81 AEUV.75 Zudem hat das Vereinigte Königreich bisher nicht von seiner sog. Opt-in-Möglichkeit nach Art. 4 des Protokolls Nr. 21 Gebrauch gemacht.76 Eine Bindung dieser Maßnahmen oder eine Verpflichtung ihrer Anwendung entfällt daher ebenfalls

69  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 60; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. A. A. Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 50. 70  Z. B. Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO; Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO; Art. 3 Nr. 1 Rom III-VO; Art. 2 Nr. 3 EuEheVO; Art. 1 Abs. 2 EuEheVO. 71  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 29; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 9. 72  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2. 73  Protokoll (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Amtsblatt der Europäischen Union v. 30.3.2010, C 83/295. 74  Protokoll (Nr. 22) über die Position Dänemarks, Amtsblatt der Europäischen Union v. 30.3.2010, C 83/299. 75  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 12; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 8 f.; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 169. 76  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 12; Fucik, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 57, 61; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 9; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 27. Zu den Folgen des Brexit siehe Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1, 1 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2018, 121, 121 ff.; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 103.

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Teil 1: Anwendungsbereich

für diese Staaten.77 Die EG 82 und 83 der EuErbVO halten dies ausdrücklich fest. Hieraus folgt richtigerweise auch, dass der Begriff „Mitgliedstaat“ nur die an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaaten meint, d. h. zurzeit nicht Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland.78 Diese Staaten stellen im Sinne der EuErbVO also keine Mitgliedstaaten, sondern vielmehr Drittstaaten dar.79 Die Eingrenzung auf lediglich an der EuErbVO teilnehmende Mitgliedstaaten fand sich zwar ursprünglich im Vorschlag der Europäischen Kommission. Dort lautete Art. 1 Abs. 2 EuErbVO-E: In dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Mitgliedstaat“ alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks[, des Vereinigten Königreichs und Irlands]. Im Laufe der Genese der EuErbVO wurde dieser Passus anscheinend vergessen.80 Möglicherweise zeigt sich hierin eine neue Praxis der Unionsgesetzgebung. Auch in der neuen EuGVVO und in der neuen EuInsVO findet sich keine diesbezügliche Definition.81 Aufgrund der entstehenden Unsicherheiten bei Fehlen einer ausdrücklichen Definition,82 wäre solch eine Praxis allerdings nicht zu befürworten. Ferner würde ein weites Verständnis des Begriffs, unter Einbeziehung aller Mitgliedstaaten der EU, keinen Sinn ergeben bzw. zu sinnlosen Ergebnissen führen.83 So müsste eine erbrechtliche Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO aus einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat dann von teilnehmenden Mitgliedstaaten gem. Art. 39 Abs. 1 EuErbVO anerkannt werden, wenngleich Entscheidungen aus teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht unbedingt in dem nicht teilnehmenden Staat anerkannt werden müssten (mangels Geltung des Art. 39 EuErbVO).84 Dies würde jedoch dem Grundsatz der Gegenseitigkeit der Anerkennung widersprechen. An diesem orientiert sich die EuErbVO allerdings sowohl hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen 77  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 12; Fucik, in: Schauer/ Scheuba, EuErbVO, S. 57, 60 f.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 8 f.; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 28. 78  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 24; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 37; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 21; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Lehmann, ZErb 2013, 25; Schaub, in: Muscheler, Hereditare 3, S. 91, 103; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 7. 79  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 13; Deixler-Hübner/ Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 6; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 21; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Richters, ZEV 2012, 576, 577; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 169; Weber, in: Dutta/ Weber, IntErbR, Einl., Rn. 29. 80  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16. 81  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 13. 82  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 13. 83  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16. 84  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16; Lehmann, ZErb 2013, 25, 25.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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als auch bezüglich der Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden.85 In Betracht kämen zudem auch negative Zuständigkeitskonflikte, wenn z. B. ein Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. EuErbVO im Vereinigten Königreich hatte, dieser aus englischer Sicht jedoch keinen domicile dort besaß.86 Es erschiene verwunderlich und unbefriedigend in einem solchen Fall nicht auf die subsidiäre Zuständigkeit nach Art. 10 EuErbVO zurückgreifen zu können.87 Um eine wertungsfreie Anwendung der EuErbVO zu garantieren, stellt sich eine enge Auslegung des Begriffs „Mitgliedstaat“ somit als sachgerecht dar. Des Weiteren richtet sich das durch das fünfte Kapitel der EuErbVO verfolgte Ziel der freien Zirkulation öffentlicher Urkunden in sämtlichen Mitgliedstaaten nicht an Staaten, die an der Verordnung gar nicht teilnehmen.88 Vielmehr kann dieses in EG 60 EuErbVO deutlich werdende Bestreben ausschließlich für die an der Verordnung partizipierenden Mitgliedstaaten gelten. Der Begriff „Mitgliedstaat“ ist somit im Wege einer autonomen Auslegung so zu bestimmen, dass hierunter ausschließlich an der EuErbVO teilnehmende Mitgliedstaaten zu verstehen sind.89 Indem andere EU-Rechtsakte den Terminus stets auf diese Weise definieren – z. B. Art. 2 Nr. 3 EuEheVO, Art. 1 Abs. 2 EuUnthVO, Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO, Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO –, gebietet auch eine systematische und rechtsaktübergreifende Auslegung90 des Verordnungsbegriffs solch ein Verständnis.91 Die öffentliche Urkunde ist jedoch nicht allen Rechtsordnungen vertreten. Zurzeit existiert sie in 22 von 28 Mitgliedstaaten. Unter den an der EuErbVO teilnehmenden Staaten ist sie dem finnischen, schwedischen sowie zyprischen Rechtssystem nicht bekannt. Rechtsakte, die in diesen Mitgliedstaaten errichtet wurden, müssen nicht nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in anderen Mitgliedstaaten angenommen werden, auch wenn sie einer öffentlichen Urkunde vergleichbar sind. Demgegenüber ist eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO aus einem teilnehmenden Mitgliedstaat sowohl in Schweden als auch in Zypern oder Finnland gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anzunehmen.92 85  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; siehe auch Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, Einl., Rn. 29 („soweit die Verordnung auf die Mitgliedstaaten verweist, beruht sie auf dem Gedanken der Gegenseitigkeit“). 86  Lehmann, ZErb 2013, 25, 25. 87  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16. 88  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 48. 89  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16. 90  Vgl. hierzu unter § 1 II., S. 11. 91  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2. 92  Zum Ganzen Geimer, IZPR, Rn. 2330d; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 147, Rn. 11; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6. S. auch Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 19.

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Teil 1: Anwendungsbereich

2.  Errichtung oder Eintragung Das Schriftstück muss weiterhin nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden sein. Demnach sind zwei Alternativen zu erwägen: Entweder handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, weil das Dokument von vornherein durch eine Behörde oder durch eine hierzu ermächtigen Stelle errichtet wurde, oder das Dokument wurde förmlich als öffentliche Urkunde durch solch eine Stelle eingetragen, nachdem es errichtet wurde.93 Maßgeblich für die Errichtung oder Eintragung ist, dass durch diese Formalität der Urkunde eine besondere Beweiskraft nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates zukommt, die allein öffentliche Urkunden innehaben. Dieses Kriterium unterscheidet diese Dokumente von nicht öffentlichen Urkunden. Hierfür muss die Errichtungs- oder Eintragungsstelle des Dokuments eine spezielle Autorität aufweisen, wie dies für öffentliche Urkunden nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates erforderlich ist.94 Zu beachten ist weiterhin, dass der geographische Ort der Errichtung oder Eintragung nicht zwangsläufig als Errichtungs- bzw. Eintragungsstaat anzusehen ist. Freilich wird dies regelmäßig der Fall sein. Beispielsweise liegt eine förmliche Eintragung in Frankreich vor, wenn ein französischer Notar ein eigenhändiges oder verschlossenes Testament gem. Art. 1007 Code civil in Urschrift95 verwahrt (dépôt au rang des minutes).96 Abzustellen ist jedoch nicht auf die örtliche Lokalisierung der Errichtung oder Eintragung, vielmehr ist entscheidend von welchem Mitgliedstaat die Errichtungs- bzw. Eintragungsstelle ihre Befugnisse herleitet.97 Die Errichtung oder Eintragung stellt einen Rechtsakt dar, der durch das Verfahrensrecht der handelnden Behörde bzw. Stelle bestimmt wird.98 Dergestalt ist eine in einem Konsulat errichtete Urkunde nicht dem Empfängerstaat, sondern dem jeweiligen Entsendestaat des Konsulats zuzuordnen.99 Derart ist beispielsweise eine im deutschen Konsulat in Aalborg, Dänemark, errichtete öffentliche Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in Spa93  94 

Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 55. Zum Ganzen Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; vgl. zu den Anforderungen an die Errichtungs- oder Eintragungsstelle ausführlicher unter § 2 III. 3., S. 27. 95  Übersetzung übernommen von Limbach, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, B. Erbrechtliche Sachnormen (Code civil). 96  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 55. 97  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7. 98  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 24; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22. 99  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 24; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22; Geimer, IZPR, Rn. 2330e; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 147, Rn. 13; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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nien anzunehmen, da es sich um eine öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO handelt, selbst wenn sie geographisch in einem Drittstaat errichtet wurde. Abgesehen von der Errichtung oder Eintragung ist ein weiterer Bezug zum Mitgliedstaat, dessen Stelle die Urkunde förmlich errichtet oder einträgt, nicht erforderlich.100 Namentlich müssen die in der Urkunde bezeichneten Personen sowie die faktischen oder rechtlichen Bezeichnungen keinerlei Beziehung zum Mitgliedstaat – wie z. B. dessen Staatsangehörigkeit oder den dortigen gewöhnlichen Aufenthalt – aufweisen.101 Vielmehr reicht die alleinige Errichtung oder Eintragung der Urkunde durch eine Stelle („autorité“/„authority“) eines Mitgliedstaates i. S. d. EuErbVO als einziger Bezugspunkt aus, damit die Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat errichtet oder eingetragen wurde.

III.  Beweiskraft bzw. Authentizität Nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO muss sich die Beweiskraft auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde beziehen (sublit. i) und durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden sein (sublit. ii). In dieser Linie lassen sich im Sekundärrecht vergleichbare Begriffsbestimmungen finden – z. B. Art. 2 lit. c EuGVVO, Art. 4 Nr. 3 lit. a EuVTVO, Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EuUnthVO.102 Hierin scheint sich die Definition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO einzureihen.

1.  Erläuterung des Begriffs Die Verwendung des Begriffs der Beweiskraft in der deutschen Sprachfassung des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO erscheint allerdings missverständlich.103 In der französischen, englischen oder auch spanischen Fassung wird der Begriff der Authentizität („authenticité“/„authenticity“/„autenticidad“) verwendet. Es drängt sich daher die Frage auf, ob der Begriff „Beweiskraft“ in der deutschen Sprachfassung verordnungsautonom ebenfalls als „Authentizität“ auszulegen ist. Der Terminus der Authentizität einer Urkunde stellt einen verordnungsautonomen Begriff dar,104 wie auch EG 62 S. 1 EuErbVO unterstreicht. Ferner wird in EG 62 weiter ausgeführt, dass dieser Begriff Aspekte wie die Echtheit und 100  Geimer, IZPR, Rn.  2330 f.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12. 101  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12. 102  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9. 103  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 42. 104  Fucik, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 57, 70; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErb-

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Teil 1: Anwendungsbereich

die Formerfordernisse für die Urkunde, sowie die Befugnisse der Behörde, die die Urkunde errichtet und das Verfahren, nach dem die Urkunde errichtet wird, erfassen soll. Der deutsche Begriff der Beweiskraft wird dieser Begriffsbestimmung jedoch nicht gerecht.105 Denn nach deutschem Rechtsverständnis bezeichnet die Beweiskraft einer Urkunde, ihre Wirkung durch gesetzlich geregelte Beweisregeln hinsichtlich des beurkundeten Vorgangs die freie richterliche Beweiswürdigung auszuschließen.106 Allerdings ist die Echtheit der Urkunde von ihrer Beweiskraft strikt zu trennen (vgl. §§ 415 ff. und § 437 ZPO). Die Echtheit einer Urkunde ist Voraussetzung ihrer Beweiskraftwirkung.107 Eine Urkunde gilt zwar nur als authentique – also als öffentliche Urkunde –, wenn ihr eine besondere Beweiskraft zukommt.108 Das Erfordernis einer speziellen Beweiskraft ergibt sich innerhalb der EuErbVO jedoch insbesondere aus Art. 59 EuErbVO, nicht hingegen aus Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO.109 Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ordnet die „Annahme“ der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, die ihr nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates zukommt, in einem anderen Mitgliedstaat an. Zudem verdeutlicht Art. 59 Abs. 2 EuErbVO, dass sich diese besondere Beweiskraft auch auf die Authentizität beziehen muss.110 Hieraus geht hervor, dass eine öffentliche Urkunde eine besondere Beweiskraft entfalten muss, die sich von der simplen Beweiskraft privater Urkunden unterscheidet, um als solche angesehen zu werden.111 Diese besondere Beweiskraft zeichnet sich zumeist dadurch aus, dass die Infragestellung der Authentizität einer öffentlichen Urkunde nur unter streng geregelten Anforderungen, zum Teil nur im Wege eines speziellen Verfahrens möglich ist.112 Daher ist die Widerlegung der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nur selten erfolgreich. Die Anforderung einer besonderen Beweiskraft ergibt sich demnach aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen der EuErbVO, vornehmlich aus Art. 59, jedoch nicht aus dessen Art. 3 Abs. 1 lit. i. Die Legaldefinition in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO bezieht sich richtigerweise nicht auf die BeweisVO, Art. 59, Rn. 7; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 49; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 16. 105  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28. S. hierzu noch ausführlich unter § 10 II., S. 205 ff. 106  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 26, Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 120, Rn. 20. S. hierzu unter § 5 I., S. 110 ff.; § 10 I., S. 198 ff. 107  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 26, Rn. 1; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 26; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 120, Rn. 11. 108  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 52. 109  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 52. 110  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10. 111  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 52. 112  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 51. S. hierzu ausführlich unter § 9, S. 190.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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kraft, die nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates einer Urkunde zukommt,113 sondern vielmehr auf die Authentizität der Urkunde i. S. d. EG 62, d. h. im verordnungsautonomen Sinne der EuErbVO. Damit eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vorliegt, muss sich also die Authentizität der Urkunde auf die Unterschrift und den Inhalt beziehen (sublit. i) und durch eine ermächtigte Stelle festgestellt worden sein (sublit. ii). Die Bestimmung der Authentizität eines Rechtsaktes ergibt sich somit aus der Kombination nationaler Regeln zur Erstellung einer öffentlichen Urkunde und eines europäischen Standards gemäß der EuErbVO.114 Dass eine öffentliche Urkunde nur dann vorliegen kann, wenn sie den Voraussetzungen des Ursprungsmitgliedstaates entspricht, erklärt sich damit, dass das Europarecht keine entsprechenden Grundlagen besitzt, um selbst öffentliche Urkunden auszustellen.115 Die in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO aufgestellten Anforderungen erscheinen dabei als Mindestvoraussetzungen, damit eine öffentliche Urkunde in diesem Sinne vorliegen kann. Allein öffentlichen Urkunden im verordnungsautonomen Sinne kann die freie Zirkulation im europäischen Raum zugutekommen.116 Folglich sollte der deutsche Begriff „Beweiskraft“ in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO im Wege einer verordnungsautonomen Auslegung als Authentizität verstanden werden.117 Dies entspricht dem Zusammenspiel der verschiedenen Regelungen innerhalb der EuErbVO, somit einer systematischen Auslegung der Verordnung. Zudem spricht der mehrheitliche Gebrauch des Begriffs der Authentizität in den anderen Sprachfassungen hierfür. Da die anderen Fassungen genauso verbindlich sind wie die deutsche,118 bietet sich solch eine Auflösung dieser Diskrepanz an. Des Weiteren verdeutlicht insbesondere EG 62 der EuErbVO den Sinn und Zweck der Authentizität im verordnungsautonomen Sinne. Daraus folgt, dass auch Ratio und Telos des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dem Terminus Authentizität entsprechen.119 Somit ist der deutsche Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO verordnungsautonom derart auszulegen, dass der Begriff „Beweiskraft“ an dieser Stelle als Authentizität verstanden wird.120

113  114 

Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 52. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 51; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 16. 115  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 50. 116  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 51. 117  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28 („besser durch den Begriff der ‚Authentizität‘ ersetzt worden wäre“); J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 42 („gemeint ist […] die Authentizität der Urkunde“). 118  Siehe hierzu unter § 1 I., S. 9. 119  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 42. 120  Siehe zum Authentizitätsbegriff auch ausführlich unter § 10 II. 1., S. 206 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

2.  Herkunft der Voraussetzungen Bei den Anforderungen bezüglich der Beweiskraft bzw. Authentizität hat sich der Unionsgesetzgeber an die seit dem Unibank-Urteil121 des EuGH etablierte Begriffsbestimmung einer öffentlichen Urkunde orientiert. Nach dem EuGH stellte „ein nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbarer Schuldschein, der nicht von einer Behörde oder einer anderen von diesem Staat hierzu ermächtigten Stelle beurkundet worden ist, keine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 50 EuGVÜ“122 dar. Der Gerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die Beweiskraft der Urkunden – die nach Art. 50 EuGVÜ unter den gleichen Voraussetzungen wie gerichtliche Entscheidungen vollstreckt werden sollten – so unbestreitbar sein muss, dass sich die Gerichte des Vollstreckungsstaates darauf verlassen können müssen.123 Deshalb sei eine Beurkundung durch eine Behörde erforderlich, die sich sowohl auf die Unterschrift, aber vor allem auch auf den Inhalt der Urkunde beziehen.124 Wie bereits der Generalanwalt La Pergola in seinen Schlussanträgen, bezieht sich der EuGH zur Bestärkung seiner Begriffsbestimmung auf den Jenard/Möller-Bericht.125 Dieser kann als Auslegungshilfe des Art. 50 EuGVÜ herangezogen werden,126 da er sich auf den wortlautgleichen Art. 50 LugÜ 1988 bezieht. Zur europäisch autonomen Qualifikation einer öffentlichen Urkunde wurden in dem Bericht drei Voraussetzungen aufgestellt:127 Die Beurkundung muss zunächst von einer Behörde vorgenommen worden sein, diese muss sich weiterhin auf den Inhalt – nicht nur z. B. auf die Unterschrift – beziehen und zudem muss die Urkunde in dem Staat, in dem sie ausgestellt worden ist, als solche vollstreckbar sein.128 Der EuGH bestätigte in seinem Unibank-Urteil alle drei Kriterien.129 Durch das EuGVÜ sollte die Freizügigkeit vollstreckbarer Urkunden als Vollstreckungstitel ermöglicht werden, um den europäischen Zivilrechtsverkehr zu vereinfachen und zu beschleunigen.130 Der EuGH stellte bei der Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Urkunde wegen der Gleichstellung dieser mit gerichtlichen Urteilen unter dem EuGVÜ (zu Recht) maßgeblich auf das Erfordernis der unbestreitbaren Beweiskraft der Urkunde ab. Damit Gerichte 121  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, IPRax 2000, 409 m. Anm. Geimer, 366, DNotZ 1999, 919 m. Anm. Fleischhauer, 925. 122  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 21. 123  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 15. 124  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 16 f. 125  Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 8; EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 16 f. 126  Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 8. 127  Geimer, IPRax 2000, 366, 367; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 4. 128  Jenard/Möller, Bericht, S. 80, Rn. 72. 129  Geimer, IPRax 2000, 366, 367. 130  Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 925.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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sich auf die Beweiskraft eines Rechtsaktes verlassen können,131 muss die Gewissheit bestehen, dass dieser Akt mit einer permanenten Genauigkeit hinsichtlich der Form und des Inhalts richtig erstellt wurde.132 Allein die Form einer Urkunde bietet indessen keine hinreichende Gewährleistung bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit und Herkunftsgarantie im internationalen Rechtsverkehr.133 Hierfür ist vielmehr die juristische Qualifikation der beurkundenden Person entscheidend.134 Nur eine qualifiziert ausgebildete und öffentlich bestellte Urkundsperson ist in der Lage, Verantwortung für den Inhalt der Urkunde zu übernehmen, d. h. eine Richtigkeitsgewähr abzugeben, auf die sich Gerichte verlassen können.135 Deshalb war bereits unter Art. 50 EuGVÜ das Tätigwerden einer mit Amtsautorität ausgestatteten Stelle erforderlich, um die Echtheit bzw. Authentizität der Urkunde sicherzustellen.136 Der Generalanwalt betonte in seinen Schlussanträgen ebenfalls, dass die öffentliche Urkunde das Resultat einer geistigen sowie bewertenden Tätigkeit einer öffentlich bestellten Urkundsperson sei und daher, selbst wenn nur mittelbar, eine „Emanation der öffentlichen Gewalt“ darstelle.137 Mangels Erstellung durch eine Behörde oder einer anderen vom Staat ermächtigten Stelle kann eine Privaturkunde keine unbestreitbare Beweiskraft innehaben und folglich keine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 50 EuGVÜ darstellen. Eine unbestreitbare Beweiskraft kommt diesen erst zu, wenn eine Behörde oder eine andere vom Staat ermächtigte Stelle sich an ihnen derart beteiligt, dass sie zu öffentlichen Urkunden werden können.138

3.  Übertragung auf die EuErbVO Die dritte im Jenard/Möller-Bericht aufgestellte Voraussetzung, d. h. die Vollstreckbarkeit der Urkunde nach dem Recht des Ursprungsstaates, findet sich zwar in der Definition des EuGH in seinem Unibank-Urteil wieder, allerdings wurde sie nicht in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO aufgenommen. Dies stimmt mit dem Regelungswerk der EuErbVO überein. Denn anders als das EuGVÜ oder das LugÜ 1988 regelt die EuErbVO neben der Vollstreckbarkeit auch die Annahme öffentlicher Urkunden.139 Während Art. 60 EuErbVO die Vollstreckbarkeit der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat voraussetzt, ist dies 131 

Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 928. Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 7 f. Geimer, IPRax 2000, 366, 367; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 11; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 43. 134  Geimer, IPRax 2000, 366, 367; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 11. 135  Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 928. 136  Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 198. 137  Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 7. 138  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 15. 139  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 45. 132  133 

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Teil 1: Anwendungsbereich

für die Annahme nach Art. 59 EuErbVO gerade nicht erforderlich.140 Demnach entspricht es der Systematik der EuErbVO, dass die Vollstreckbarkeit der Urkunde keine Voraussetzung ihrer Qualifikation als öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO sein kann. Denn gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO müssen alle öffentlichen Urkunden angenommen werden, die in den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen.141 Die Einordnung als öffentliche Urkunde im Sinne der EuErbVO erfordert gerade keinen materiellrechtlich vollstreckbaren Inhalt.142 Hierin zeigt sich ein Unterschied zur öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 46 EuEheVO sowie Art. 48 EuUnthVO, da beide vollstreckbare Urkunden für deren Anerkennung voraussetzen.143 Folglich muss auch eine nicht vollstreckbare öffentliche Urkunde angenommen werden und nichtsdestotrotz stellt diese eine öffentliche Urkunde im Sinne der EuErbVO – gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO – dar. Indes entspricht Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO den beiden weiteren Kriterien des Jenard/Möller-Berichts sowie des Unibank-Urteils des EuGH. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO muss sich die Beweiskraft bzw. Authentizität der Urkunde auf die Unterschrift und den Inhalt dieser beziehen. Hier findet sich die zweite von Jenard und Möller festgelegte (und durch den EuGH bestätigte)144 Voraussetzung wieder. Die Beurkundung muss sich demnach sowohl auf die äußeren Tatsachen wie das Datum oder die Unterschrift als auch auf die inhaltlichen Merkmale beziehen.145 Hinsichtlich des Inhalts der Urkunde führt EG 62 S. 2 EuErbVO aus, dass der Begriff der Authentizität die von der betreffenden Behörde in der öffentlichen Urkunde beurkundeten Vorgänge erfassen sollte, wie z. B. die Tatsache, dass die genannten Parteien an dem genannten Tag vor dieser Behörde erschienen sind und die genannten Erklärungen abgegebenen haben. Die Urkundsperson soll demzufolge nicht lediglich passiv tätig werden und schlicht den Willen der Parteien festhalten, vielmehr ist eine aktive inhaltliche Überprüfung der Urkunde gefordert, d. h. dass diese den gesetzlichen Anforderungen einer öffentlichen Urkunde entspricht.146 Infol140  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 335; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 27; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 60. 141  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59. Rn. 7. 142  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59. Rn. 10. 143  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 23; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19; Wagner, NZFam 2014, 121, 123. S. hierzu noch unter Teil 4, S. 247 ff. 144  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 17; Geimer, IPRax 2000, 366, 367. 145  Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 8; Adolphsen, in: MüKo5/ZPO, EuVTVO, Art. 4, Rn. 23; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17. 146  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; Pasqualis, Le problème de la circulation des actes notariés, S. 13; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 54.



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gedessen übernimmt die Urkundsperson die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde.147 Mit einer öffentlichen Urkunde im Sinne der EuErbVO soll somit nicht bloß die Urheberschaft nachgewiesen werden, sondern auch die beurkundeten Vorgänge.148 Die öffentliche Urkunde muss gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO sowohl ihre Herkunft gewährleisten als auch garantieren, dass der beurkundete Inhalt den Tatsachen entspricht.149 Die besondere Beweiswirkung kann demnach durch die Urkundsperson bezüglich des Errichtungsortes und -datums, der Echtheit der Unterschriften und dem Erklärungsinhalt der Parteien sowie der Tatsachen und Handlungen, die in Anwesenheit der Amtsperson oder von ihr selbst vorgenommen und bestätigt wurden, festgehalten werden.150 Notarielle Urkunden im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO entsprechen diesen Kriterien.151 Nicht ausreichend ist hingegen die reine Beglaubigung der Unterschrift eines Schuldners durch eine Behörde mangels Bezug auf den Inhalt des Dokuments.152 Ebenso erfüllen ein einfaches Zeugnis gem. § 39 BeurkG oder eine reine Unterschriftenbeglaubigung gem. § 40 BeurkG diese Voraussetzung nicht.153 Hinsichtlich der Unterschrift ist anzumerken, dass es einer Legalisation oder einer ähnlichen Förmlichkeit nicht bedarf, wie Art. 74 EuErbVO ausdrücklich statuiert.154 Die Beweiskraft – d. h. Authentizität – muss weiterhin gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden sein. Auch diese Anforderung entspricht den im Unibank-Urteil durch den EuGH festgelegten Bestimmungen.155 Eine andere Stelle umfasst dabei insbesondere Notare.156 Denn sie sind in den Ländern des lateinischen Notariatssystems keine Behörde bzw. „autorité 147  Damascelli, Rev. crit. DIP 2013, 425, 426; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3. 148  Bzgl. des wortgleichen Art. 2 lit. c EuGVVO: Dörner, in: NK-Hk/ZPO, EuGVVO, Art. 2, Rn. 10. 149 Vgl. Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 626 f. 150  Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 39. 151  Adolphsen, in: MüKo5/ZPO, EuVTVO, Art. 4, Rn. 23. 152  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 43; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 29; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 7; zur gleichen Voraussetzung nach Art. 50 EuGVÜ: OLG Köln, Beschluss v. 15.10.2007 – 16 W 19/07, Rn. 6, BeckRS 2007, 19702. 153 Vgl. Adolphsen, in: MüKo5/ZPO, EuVTVO, Art. 4, Rn. 23; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 55; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 43. 154  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 53. 155  Zur ursprünglichen Festlegung der Bestimmung durch den EuGH: EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 18, 21; zur Übertragung auf die EuErbVO: Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16; Geimer, IPRax 2000, 366, 367; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 56. 156  Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 3;

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publique“, jedoch stellen sie eine „autorité habilitée à le faire par l’État membre d’origine“ dar.157 Denn in diesen Ländern wird der Notar durch eine öffentliche Stelle ernannt und zugleich mit seiner Autorität betraut.158 Im lateinischen Notariat zeichnen sich die Notare dadurch aus, dass sie eine juristische universitäre Ausbildung genossen haben.159 Als ihre wesentlichen Charakteristiken erscheinen zudem ihre Unparteilichkeit sowie die Pflicht ihre professionellen Dienste auszuüben und dabei stets das Gesetz anzuwenden.160 Zudem gibt es meistens einen numerus clausus der Notare, d. h. ihre Anzahl ist im Verhältnis zur Population begrenzt.161 Im lateinischen Notariat sind Notare überwiegend eine Amtsperson (officier public), die jedoch zugleich eine freiberufliche Tätigkeit ausüben, da sie nicht vom Staat, sondern von ihren Mandanten entlohnt werden.162 Hingegen werden Rechtsakte, die von einem public notary gewisser common law-Länder stammen, nicht von einer Autorität im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO erlassen.163 Public notaries unterscheiden sich insoweit von latin notaries, als dass sie keinen eigenständigen Berufsstand darstellen, sondern ihre Funktion vielmehr akzessorisch ausüben. So sind die englischen public notaries regelmäßig gleichzeitig auch solicitors.164 Die amerikanischen public notaries sind zumeist keine Juristen, sondern Geschäftspersonen, die durch ihre Stellung als public notary bescheinigen, dass eine private Urkunde in ihrer Gegenwart von einer bestimmten Person an einem bestimmten Tag unterschrieben wurde.165 Die Intervention der public notaries innerhalb eines Beurkundungsverfahrens begrenzt sich somit auf die Zertifizierung der Authentizität der Unterschrift und des Datums auf dem zu beurkundenden Dokument.166 Eine inhaltliche Prüfung nehmen sie hingegen nicht vor. Mithin genügt ein Dokument, das von einem public notary beurkundet wurde, weder den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO noch denen des Art. 3 Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 44. 157  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 57. 158  Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 27. 159  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4; Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 27. 160  Damascelli, Rev. crit. DIP 2013, 425, 426; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; für deutsche Notare ist die allgemeine Berufspflicht in § 14 BNotO festgelegt, vgl. hierzu Kanzleiter, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 14, Rn. 1 ff.; Litzenburger, in: BeckOK/BGB, ­BeurkG, § 3, Rn. 1. 161  Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 28. 162  Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 28. 163  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 59. 164  Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 37. 165  Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 39 f. 166  Damascelli, Rev. crit. DIP 2013, 425, 426; Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4; Droz, Rec. cours 280 (1999), S. 37.



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Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO und stellt daher keine öffentliche Urkunde im Sinne der EuErbVO dar. Anzumerken ist weiterhin, dass sich an dieser Stelle die anderen Sprachfassungen als ausdrucksreicher erweisen als die deutsche.167 Sie verdeutlichen besser, dass die Rechtsform der ermächtigten Stelle irrelevant ist, sodass sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Rechtssubjekte in Betracht kommen.168 So stellen die englische oder französische Fassung die „public authority“ bzw. „autorité publique“ der „other authority empowered for that purpose by the Member State of origin“ bzw. „autre autorité habilitée à le faire par l’État membre d’origine“ deutlicher gegenüber. In diesen Sprachfassungen werden beide Stellen als „authority“ oder „autorité“ bezeichnet. Hingegen setzt die deutsche Sprachfassung der „Behörde“ eine „andere hierzu ermächtigte Stelle“ entgegen. Durch diese Formulierung erscheint der falsche Rückschluss möglich, dass die „Stelle“ im Gegensatz zur „Behörde“ nur privatrechtlicher Natur sein könnte. Entscheidend ist allerdings nicht die Rechtsnatur der handelnden Stelle, sondern vielmehr, dass die Befugnisse der fraglichen Stelle auf eine Delegation durch den Staat zurückzuführen sind.169 Beispielsweise kann die deutsche Post als beliehenes Unternehmen gem. § 168 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 33 PostG eine Zustellungsurkunde ausstellen, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO erfüllen würde.170 Ist jedoch keine Behörde oder vom Ursprungsmitgliedstaat ermächtigte Stelle tätig geworden, handelt es sich selbst dann nicht um eine öffentliche Urkunde, wenn diese nach dem Recht des Ursprungsstaates als Grundlage für eine Zwangsvollstreckung herangezogen werden kann.171 Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO dienen zur Abgrenzung von Privaturkunden, die gerade nicht von einer „Emanation der öffentlichen Gewalt“172 herrühren. Denn der freie Verkehr im europäischen Raum soll Privaturkunden nicht erfassen.173 Deren Wirkungen in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Ursprungsstaat beurteilen sich hinsichtlich prozessrechtlicher Fragen nach der jeweiligen lex fori;174 materiellrechtliche Wirkungen werden von der lex successionis bestimmt.175 Wobei gesetzliche Vermutungen 167 

J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 44. J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 44. Geimer, IPRax 2000, 366, 366. 170  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 44. 171 EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 18, 21; Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 930; Geimer, IPRax 2000, 366, 367; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 44. 172 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 7. 173  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18. 174  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; vgl. auch Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7. 175  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; so i. E. auch 168  169 

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und Beweislastverleitungsregeln, entsprechend Art. 18 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 22 Abs. 1 Rom II-VO, als materiellrechtliche Fragen zu qualifizieren und somit dem Erbstatut zu unterstellen sind.176 Weiterhin bestimmt Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO, dass die Beweiskraft (bzw. Authentizität) durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden sein muss. Ursprungsmitgliedstaat ist dabei nach Art. 3 Abs. 1 lit. e EuErbVO der Mitgliedstaat, in dem die öffentliche Urkunde errichtet worden ist. Der Begriff Mitgliedstaat bezeichnet hier wiederum nur die an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaaten.177 Die Zurechnung der Handlung der Behörde bzw. der Stelle zum Mitgliedstaat ist hierbei maßgeblich und nicht ihre räumliche Lage.178 Kritisiert wurde an dieser Stelle die deutsche Formulierung „festgestellt“, da es gerade in Deutschland kein behördliches Feststellungsverfahren für öffentliche Urkunden gibt.179 Angebrachter sei die Verwendung des Begriffs „aufgenommen“, wie er auch in § 415 ZPO zu finden ist.180 Zudem entspreche dieser Terminus besser dem Wortlaut der anderen Sprachfassungen. So lautet die englische Fassung hier „has been established“ und die französische „a été établie“181. Diese Formulierungen scheinen dem Beurkundungsverfahren eher zu entsprechen als eine ausdrückliche Feststellung der Beweiskraft (bzw. Authentizität), wie es der deutsche Wortlaut – je nach Auslegung – verlangen könnte. Maßgeblicher Sinn und Zweck der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO ist allerdings die Abgrenzung von öffentlichen und privaten Urkunden, indem auf die handelnde Person abgestellt wird. Die Auswirkungen auf die Beweiskraft bzw. Authentizität der Urkunde je nach Urkundsperson müssen dabei nicht explizit festgehalten werden. Vielmehr stellen sie eine Rechtsfolge der Handlung der Urkundsperson dar. Entscheidend ist, dass eine öffentliche Amtsperson die Urkunde errichtet oder eingetragen hat gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO. Durch die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO soll sichergestellt werden, dass eine öffentliche Autorität („autorité“, „authoriDutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17, Art. 59, Rn. 7; M. Weller, in: Calvo Caravaca/ Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17. 176  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; wohl auch, aber ungenau auf „die Beweiswirkung“ von Privaturkunden abstellend Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 37. 177  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 21; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 18; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19; siehe hierzu auch unter § 2 II. 1., S. 17 ff. 178  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19; siehe hierzu o. S. 20. 179  DNotV, Stellungnahme, S. 10; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 176. 180  DNotV, Stellungnahme, S. 10; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 176. 181  Der DNotV kritisiert die „Übersetzung von ‚établie‘ […] mit ‚festgestellt‘.“, DNotV, Stellungnahme, S. 10.



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ty“), entweder eine „Behörde“ oder eine staatliche „ermächtigte Stelle“ gehandelt hat und die Urkunde – inklusive Unterschrift und Inhalt i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO – aufgenommen bzw. feststellt hat. Hieraus resultiert die Authentizität der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1, EG 62 EuErbVO. So garantiert allein die Beratung und Abfassung der letztwilligen Verfügungen durch einen Notar (im lateinischen Notariatssystem) die Authentizität dieser Dokumente.182 Folglich kann die Verwendung des Begriffs „festgestellt“ in Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO durch eine sorgfältige Auslegung eventuelle Missverständnisse auflösen. Im Wege sowohl einer systematischen als auch teleologischen sowie wörtlichen Auslegung mit Blick auf die anderen Sprachfassungen erscheint die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO somit eindeutig verständlich. Schließlich wird durch die Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i und ii EuErbVO gewährleistet, dass gem. Art. 59 EuErbVO ausschließlich öffentliche Urkunden frei zirkulieren, deren Urheberschaft in toto einer öffentlichen Autorität, d. h. einer Behörde oder anderen vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle, zuzuordnen ist.183

IV. Erbsache Die Definition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO entspricht, abgesehen von der Beschränkung auf Schriftstücke „in Erbsachen“, der des Art. 2 lit. c EuGVVO. Diese Beschränkung trägt dem Anwendungsbereich der EuErbVO Rechnung. Grundvoraussetzung – auch für die Anwendung des Art. 59 EuErbVO – ist zweifellos, dass die fragliche Urkunde in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung fällt.184

1.  Konkretisierung der Voraussetzung Der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO ist in Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuErbVO auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen eingegrenzt, die gem. Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO jede Form des Überganges von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge umfasst. Entscheidend ist dabei im Rahmen der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO das der Urkunde zugrunde liegende Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis. Hingegen ist der Gegenstand des Verfahrens, in dem sich die Frage der Annah182  183 

Jayme, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 461, 467. Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3. 184  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Geimer, IZPR, Rn. 2330i; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15.

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Teil 1: Anwendungsbereich

me der öffentlichen Urkunde stellt, irrelevant für die Frage des sachlichen Anwendungsbereichs.185 Es liegt daher keine öffentliche Urkunde in Erbsachen gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i und Art. 59 Abs. 1 EuErbVO vor, wenn eine Urkunde ohne erbrechtlichen Gegenstand verwendet wird, selbst wenn es sich um ein erbrechtliches Verfahren, welches gem. Art. 4 ff. EuErbVO der Verordnung unterliegt, handelt.186 Dies entspricht nicht nur dem Regelungsziel der EuErbVO, die Freizügigkeit von Rechtsgeschäften und Rechtsverhältnissen allein erbrechtlicher Natur (und nicht jeglicher) zu fördern,187 wie die genannten Beispiele in EG 63 S. 2 und 3 EuErbVO verdeutlichen,188 sondern auch der Systematik der EuErbVO. Art. 59 EuErbVO verweist selbst durch seinen Absatz 3 für Einwände bezüglich der in der Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse auf das Kapitel III der Verordnung, d. h. die Art. 20–38 EuErbVO.189 Diese Kollisionsnormen bestimmen jedoch ausschließlich das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht (lex successionis).190 Folglich kann der Gegenstand einer Urkunde i. S. d. Art. 59 EuErbVO allein erbrechtlichen Inhalts sein.191 Da die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO betont, dass jede Form des Überganges von Aktiva und Passiva von Todes wegen vom Begriff der „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ umfasst sein soll und EG 9 EuErbVO unterstreicht, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen erstrecken soll, ist der zentrale Terminus der EuErbVO weit zu verstehen.192 Maßgeblich ist allein, dass Vermögenswerte oder Rechtspositionen von Todes wegen, d. h. anlässlich bzw. aufgrund des Todes, übergehen.193 Die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Sinne der EuErbVO umfasst sowohl die gewillkürte als auch die gesetzliche Erbfolge,194 wie sich ebenfalls aus Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO und EG 185 

Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 25 f.; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23–26; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8. 186  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 27 f.; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25 f.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16. 187  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16. 188  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 28; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26. 189  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 28 verweist ebenfalls auf Art. 59 Abs. 3 EuErbVO sowie auf Art. 60 EuErbVO, nach dem die Vollstreckung öffentlicher Urkunden auch nur „denkbar ist, deren Gegenstand erbrechtlicher Natur ist“. 190  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16. 191  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16. 192  Davì, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Intro., Rn. 17; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 4; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 12. 193  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10. 194  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR,



§ 2  Öffentliche Urkunde

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9 EuErbVO ergibt. Hierbei erfasst die gesetzliche Erbfolge ihrerseits die Intestaterbfolge einschließlich des Pflichtteilsrechts.195 Weiterhin fällt durch die weite Auffassung der Rechtsnachfolge von Todes wegen sowohl die Universalals auch die Singularsukzession in den Anwendungsbereich der EuErbVO.196 Ausdrücklich ausgenommen sind gem. Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuErbVO Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Die Bezeichnung des sachlichen Anwendungsbereichs erscheint allerdings dürftig.197 Dutta spricht von einer „rudimentären Definition“198 des Begriffs der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Aussagekräftiger als die Legaldefinition in Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO sind weitere Bestimmungen innerhalb der EuErbVO, deren Heranziehung sich daher zur Bestimmung des Begriffs anbietet.199 Besonders hilfreich ist zunächst Art. 23 EuErbVO, der die Reichweite des Erbstatuts konkretisiert.200 Insbesondere die Aufzählung des Art. 23 Abs. 2 EuErbVO umschreibt anhand vieler Beispiele den Terminus der Rechtsnachfolge von Todes wegen.201 Diese Auflistung stellt den Umfang des Erbstatuts dar, wobei sie nicht abschließend ist,202 wie der Zusatz „insbesondere“ zu Beginn der Liste deutlich macht. Des Weiteren kann zur Erläuterung des Begriffs der Rechtsnachfolge von Todes wegen der Ausnahmekatalog des Art. 1 Abs. 2 EuErbVO herangezogen werden.203 Im Gegensatz zu Art. 23 Abs. 2 EuErbVO ist die Auflistung in Art. 1 Bd. V, EuErbVO, Art. 3, Rn. 4; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 4; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 47; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 12; Weber, IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 83. 195  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Geimer, IZPR, Rn. 2330j. 196  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 4. 197  M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2. 198  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2. 199  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 3. 200  Hellner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 107, 108, Rn. 6; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 1, Rn. 1, Art. 3, Rn. 5; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 5; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 3; Mankowski, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 1, Rn. 3; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 47 ff.; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 1, Rn. 3. 201  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 7; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Looschelders, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 531, 532. 202  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 23, Rn. 1; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 5. 203  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 2; Hellner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 107, 108, Rn. 6; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 1, Rn. 2, Art. 3, Rn. 5; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 13; Looschelders, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 531, 532; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 3.

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Teil 1: Anwendungsbereich

Abs. 2 EuErbVO allerdings abschließend.204 Die in dieser Negativliste aufgeführten Sachgebiete, die oftmals als mit Erbsachen zusammenhängend betrachtet werden können, sind entsprechend EG 11 S. 2 EuErbVO aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Grund hierfür ist, dass für diese Materien entweder bereits andere EU-Rechtsakte gelten, sodass diese untereinander auf diese Weise koordiniert werden,205 oder aber die kollisionsrechtliche Regelung dieser Themen bewusst den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen überlassen wurde.206 Denkbar erscheint gleichwohl, dass letztere sich den Wertungen der EuErbVO angleichen. Ein Mitgliedstaat könnte beispielsweise eine Norm der EuErbVO anwenden, obwohl keine Rechtsnachfolge von Todes wegen im Sinne der EuErbVO vorliegt, dies aber nach nationalem Verständnis dieses Mitgliedstaates der Fall ist. Dann würde die EuErbVO kraft nationalem Recht angewandt werden.207 Der deutsche Gesetzgeber ordnet auf diese Weise freiwillig die Anwendung des Kapitel III (d. h. des kollisionsrechtlichen Teils) der EuErbVO gem. Art. 25 EGBGB an.208 Er qualifiziert also autonom aus der EuErbVO nach Art. 1 Abs. 2 EuErbVO ausgenommene Materien als die Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffend. So werden für den hier relevanten Bereich der öffentlichen Urkunden von vornherein Personenstandsurkunden, die den erbrechtlich relevanten Status einer Person betreffen, gem. Art. 1 Abs. 2 lit. a EuErbVO vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.209 Hiervon sind insbesondere Geburtsurkunden, Heirats- und Lebenspartnerschaftsurkunden oder auch Sterbeurkunden betroffen.210 204 

M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 10. Dörner, ZEV 2012, 505, 507; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 30; Mankowski, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 1, Rn. 5; Nourissat, in: Khairallah/ Revillard, Droit européen des successions, S. 17, 22, Rn. 44; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 14; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 1, 11. 206  Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 30; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 1, Rn. 14; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 11. 207  Zum Ganzen M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 12; so i. E. auch: Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 8; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 1, Rn. 18. 208  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 1, Rn. 2; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 1, Rn. 19, Art. 1 Anh. II: Art. 25 EGBGB, Rn. 3. 209  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Geimer, in Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 148, Rn. 18; Geimer, IZPR, Rn. 2330i; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 3, Rn. 31; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 27; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 60; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 176; sowie zur EuErbVO-E: Hess/Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 45; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4; Schurig, in: FS Spellenberg, 2010, S. 343, 350; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5. 210  M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314 f.; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, 205 



§ 2  Öffentliche Urkunde

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Der Ausnahmekatalog des Art. 1 Abs. 2 EuErbVO ermöglicht dementsprechend im Umkehrschluss zu den dort aufgeführten Materien, die vom Anwendungsbereich der EuErbVO umfasste Rechtsnachfolge von Todes wegen und somit öffentliche Urkunden in Erbsachen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu determinieren.

2.  Beispiele öffentlicher Urkunden in Erbsachen In den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen demnach öffentlich beurkundete Verfügungen von Todes wegen, die nicht den familienrechtlichen Status einer Person zum Gegenstand haben.

a)  Eindeutige Beispiele Dergestalt werden beispielsweise Annahme- und Ausschlagungserklärungen, Nachlassinventare, Teilungserklärungen und Auseinandersetzungsvereinbarungen als öffentliche Urkunde in Erbsachen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO angesehen.211 Dies verdeutlichen ferner auch die Erläuterungen in EG 63 S. 2 und S. 3 EuErbVO.212 Desgleichen können bereits vor dem Tod des Erblassers errichtete öffentlich beurkundete Verfügungen von Todes wegen von der Legaldefinition der EuErbVO erfasst sein,213 wie ebenfalls in EG 63 S. 2 und 3 EuErbVO angedeutet wird. Hiernach kann es sich bei dem in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäft um eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verteilung des Nachlasses, um ein Testament oder einen Erbvertrag oder um eine sonstige Willenserklärung handeln; das beurkundete Rechtsverhältnis kann dabei die Bestimmung der Erben und sonstiger Berechtigter, ihre jeweiligen Anteile und das Bestehen eines Pflichtteils betreffen. Dies spiegelt sich auch in der Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO wider, der als Verfügung von Todes wegen das Testament, das gemeinschaftliche Testament und den Erbvertrag nennt.214

Art. 59, Rn. 5; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 669, Rn. 256; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9 (der allein die Geburts- und Heiratsurkunde als Bsp. anführt). 211  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13 ff.; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 65. 212  Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Makowsky, in: NK/ BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3. 213  Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 37 f.; Hess/Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 45; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5. 214  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18.

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Teil 1: Anwendungsbereich

b)  Insbesondere: Testamente (1)  Deutsche Testamente Als wichtige Anwendungsfälle öffentlicher Urkunden in Erbsachen i. S.d Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO, die in Deutschland errichtet werden, können demgemäß das öffentliche Testament nach § 2232 BGB, das Nottestament gem. § 2249 BGB oder auch der in § 2276 Abs. 1 S. 1 BGB normierte Erbvertrag genannt werden.215 Das deutsche öffentliche Testament nach § 2232 BGB kann sowohl durch Erklärung gegenüber einem Notar gem. § 2232 S. 1 Alt. 1 BGB als auch gem. § 2232 S. 1 Alt. 2 BGB durch Übergabe einer Schrift an den Notar mit der Erklärung, dass diese Schrift den letzten Willen des Erblassers enthalte, erfolgen. Diese Schrift kann laut § 2232 S. 2 BGB sowohl offen als auch verschlossen übergeben werden. Durch den Verweis in § 2276 Abs. 1 S. 2 BGB wird klargestellt, dass die Errichtung des Erbvertrages in der gleichen Form wie das öffentliche Testament vorgenommen werden kann.216 Problematisch erscheint, ob eine verschlossen übergebene Schrift im Rahmen einer Testaments- oder Erbvertragserrichtung den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO gerecht wird, d. h. ob sich die Beweiskraft bzw. Authentizität der Urkunde auf den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht. Da der beurkundende Notar keine Kenntnis vom Inhalt der verschlossenen Schrift ohne den Willen des Erblassers erhält,217 erscheint es fraglich, ob die Authentizität sich dann auch auf den Inhalt der Urkunde bezieht. Bei Übergabe einer offenen Schrift hingegen hat der Notar nach § 17 BeurkG vom Inhalt Kenntnis zu nehmen und den Erblasser zu beraten.218 Dies veranlasst zur Überlegung, ob bei Übergabe einer verschlossenen Schrift die beurkundende Person mangels Kenntnis und einer Prüfungsund Belehrungspflicht219 hinsichtlich des Inhalts, Verantwortung für den Inhalt der Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO übernehmen kann – wie es dem Telos220 der Voraussetzung entspricht. Jedoch erläutert EG 62 S. 2 Eu215  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10 f. 216  Kanzleiter, in: Staudinger (Gem. Testament, Erbvertrag), BGB, § 2276, Rn. 5 f.; Kornexl, in: NK/BGB, BGB, § 2276, Rn. 6, 8; Musielak, in: MüKo/BGB, BGB, § 2276, Rn. 2; Litzenburger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2276, Rn. 3. 217  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 50; Grziwotz, in: BeckOGK, BeurkG, § 30, Rn. 11; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 29; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232, Rn. 27. 218  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 49; Grziwotz, in: BeckOGK, BeurkG, § 30, Rn. 6; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 28; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232, Rn. 26. 219  Zum Entfallen der Belehrungspflicht: Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 50; Grziwotz, in: BeckOGK, BeurkG, § 30, Rn. 11; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 29; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232 Rn. 27. 220  Vgl. hierzu unter § 2 III. 3., S. 26.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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ErbVO den autonomen Begriff der Authentizität insoweit, als dass dieser die beurkundeten Vorgänge erfassen sollte. Als beurkundete Vorgänge werden beispielhaft genannt: die Tatsache, dass die genannten Parteien an dem genannten Tag vor dieser Behörde erschienen sind und die genannten Erklärungen abgegeben haben. Bei der Niederschrift eines öffentlichen Testaments gem. § 2232 S. 1 Alt. 2 BGB hat der Notar neben den allgemeinen Feststellungen – wie z. B. die Bezeichnung und Identität des Erblassers und des Notars – auch zusätzliche Konstatierungen gem. § 30 BeurkG festzuhalten.221 Nach § 30 S. 1 BeurkG muss die Niederschrift auch die Feststellung enthalten, dass die Schrift übergeben wurde; nach S. 3 soll vermerkt werden, ob die Schrift offen oder verschlossen übergeben worden ist. Diese vom Notar in der Niederschrift erfassten Feststellungen stellen die von ihm beurkundeten Vorgänge i. S. d. EG 62 S. 2 EuErbVO dar. Die durch den Notar errichtete Niederschrift und die vom Erblasser übergebene Schrift sind Bestandteil des öffentlichen Testaments, sodass beide von dessen Beweiskraft umfasst sind.222 In Deutschland begründet das notarielle Testament als öffentliche Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO vollen Beweis der beurkundeten Vorgänge.223 Ein öffentliches Testament in der Form des § 2232 S. 2 Alt. 2 BGB begründet somit vollen Beweis darüber, dass die verschlossene Schrift den letzten Willen des Erblassers enthält und dieser das Testament unter den genannten Umständen, nach dem festgehaltenen Beurkundungsverfahren abgegeben hat.224 Durch die Einhaltung der strengen Formvorschriften wird die Beweiskraft bzw. Authentizität der beurkundeten Vorgänge sichergestellt.225 Folglich stellt auch das öffentliche Testament gem. § 2232 S. 1 Alt. 2 BGB in verschlossener Form bzw. ein in dieser Form gem. § 2276 Abs. 1 S. 2 BGB errichteter Erbvertrag eine öffentliche Urkunde nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dar. Zu beachten ist weiterhin, dass bei notariellen Urkunden der Gegenstand des Beweises die gegenüber dem Notar abgegebenen Erklärungen sowie die Wahrheit der Tatsachen ist, wie sie durch den Notar selbst festgestellt wurden.226 Dass der konkrete Inhalt der Urkunde dem Notar bei Übergabe einer verschlos221 

Grziwotz, in: BeckOGK, BGB, § 2232, Rn. 44; Grziwotz, in: BeckOGK, BeurkG, § 30, Rn. 4, 5; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232, Rn. 28; siehe auch Mayer, in: Soergel, Bd. 22, BeurkG, § 30, Rn. 3 ff. 222  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 48; Grziwotz, in: BeckOGK, BGB, § 2232, Rn. 42; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 31, 65. 223  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 61; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232, Rn. 33. 224  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 58 f.; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 129; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232, Rn. 28, 33. 225  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 57; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 1; so auch Jayme, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 461, 462. 226  Reithmann, IPRax 2012, 133, 134; Spellenberg, in: FS Kaissis, 2012, S. 915, 919 (vgl.

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Teil 1: Anwendungsbereich

senen Schrift verborgen bleibt, ist daher für die Qualifikation als öffentliche Urkunde irrelevant. Die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO „Inhalt der öffentlichen Urkunde“ ist somit nicht dahingehend auszulegen, dass der materielle Inhalt des beurkundeten Dokuments gemeint ist. Der konkrete Inhalt einer Urkunde betrifft allein die materielle Beweiskraft, die von Fragen der – hier relevanten – formellen Beweiskraft zu trennen ist.227 Vielmehr muss sich die Beweiskraft der Urkunde auf die beurkundeten Vorgänge und Erklärungen beziehen. Dies ist auch bei einem deutschen öffentlichen Testament gem. § 2232 S. 1 Alt. 2, S. 2 Alt. 2 BGB sowie einem deutschen Erbvertrag nach § 2276 Abs. 1 i. V. m. § 2232 S. 1 Alt. 2, S. 2 Alt. 2 BGB der Fall.

(2)  Französische Testamente Auch das in Frankreich unter den Voraussetzungen der Art. 971–975 Code civil errichtete öffentliche Testament (testament authentique) wird von Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO erfasst.228 Im Gegensatz zum holographischen Testament nach Art. 970 Code civil, wird das öffentliche Testament gem. Art. 971 Code civil vor zwei Notaren oder einem Notar unter Mitwirkung von zwei Zeugen aufgenommen, sodass das Schriftstück i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO in einem Mitgliedstaat (Frankreich) förmlich errichtet229 wird. Der Erblasser diktiert dem Notar den Inhalt des Testaments, letzterer fertigt hiervon eine Niederschrift an, die er anschließend dem Erblasser vorliest und zum Schluss von allen Beteiligten unterschrieben wird (Art. 972–974 Code civil).230 Die Beweiskraft des öffentlichen Testaments erstreckt sich nach französischem Recht auf die durch den Notar innerhalb seiner Befugnisse niedergeschriebenen Feststellungen, z. B. die Identität des Erblassers, die Tatsache, dass dieser an genanntem Tag und Ort das Testament diktiert und unterschrieben hat sowie, dass die benannten Zeugen anwesend waren.231 Folglich erfüllt das französische öffentliche Testament nach Art. 971–975 Code civil zweifellos alle Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i und ii EuErbVO. für deutsche öffentliche Urkunden §§ 415 Abs. 1, 418 ZPO und für französische Art. 1320 Code civil). 227  Zum Begriff der formellen und materiellen Beweiskraft siehe unter § 5 I., S. 110 ff. Zur anzunehmenden formellen Beweiskraft siehe Teil 3, S. 177 ff. 228  Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 64, Art. 59, Rn. 6. 229  Vgl. zur Voraussetzung unter § 2 II. 2., S. 20. 230  Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 85; Ferid, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 123; Malaurie/Brenner, Droit des successions et des libéralités, Rn. 522; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 433 ff. 231  Malaurie/Brenner, Droit des successions et des libéralités, Rn. 522; Pétel-Teyssié, Preuve des obligations, acte authentique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 1369–1371, Fasc. unique, Rn. 101 f.; Pillebout, Testaments, testament authentique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971– 998, Fasc. 10, Rn. 59; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 434.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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Das französische Recht kennt zudem (anders als das deutsche)232 das mystische Testament gem. Art. 976 Code civil. Hierbei übergibt der Erblasser in Gegenwart von zwei Zeugen einem Notar eine verschlossene, verklebte und versiegelte Urkunde mit der Erklärung, dabei handle es sich um sein Testament.233 Geschrieben werden kann das Testament sowohl von dem Erblasser selbst als auch von einem Dritten;234 wobei im letzteren Fall der Erblasser gegenüber dem Notar erklären muss, dass er den Wortlaut der übergebenen Schrift überprüft habe, Art. 976 Abs. 2 Code civil. Bei Übergabe des Testaments verfasst der Notar hierüber gem. Art. 976 Abs. 3 Code civil eine Aufschriftsurkunde235 (acte de suscription), die auf dem Testament selbst oder auf dem Umschlag, der das Testament enthält, zu errichten ist.236 Die Aufschriftsurkunde enthält allgemeine Feststellungen bzgl. des Tages und des Ortes der Übergabe des Testaments bzw. der Errichtung der Urkunde.237 Zudem hat der Notar gem. Art. 976 Abs. 3 Code civil die Art der Übergabe genau zu beschreiben – d. h. ob das Testament bloß verschlossen oder in einem Umschlag überreicht wurde.238 Weiterhin obliegt es dem Notar nach Art. 976 Abs. 3 Code civil alle Förmlichkeiten des Absatzes 2 zu vermerken. Demnach enthält die Urkunde die Feststellung, dass das Schriftstück das eigenhändig unterschriebene Testament des Erblassers enthält sowie die Angabe der Person des Schreibers.239 Die errichtete Aufschriftsurkunde entfaltet in Frankreich als notarielle Urkunde (acte notarié) die besondere Beweiskraft öffentlicher Urkunden (acte authentique).240 Hier232  233 

Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 51. Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 86; Ferid, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 124; Ferid/Sonnenberger, FrzZR Bd. 3, Rn. 5 C 14. 234  Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 86; Malaurie/ Brenner, Droit des successions et des libéralités, Rn. 523; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 441. 235  Übersetzung übernommen von Limbach, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, B. Erbrechtliche Sachnormen (Code civil). 236  Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 41; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 442. 237  Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 40, 44; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 442. 238  Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 45. 239  Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 32, 47; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 442. 240  Ferré-André/Berre, Successions et libéralités, Rn. 353; Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 76; Pétel-Teyssié, Preuve des obligations, acte authentique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 1369–1371, Fasc. unique, Rn. 43; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 443.

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Teil 1: Anwendungsbereich

von zu unterscheiden ist allerdings die Beweiskraft hinsichtlich des Inhalts des verschlossen übergebenen Testaments.241 Indem der Notar keine Kenntnis des Inhalts hat, kann er diesen nicht überprüfen und folglich keine Feststellungen diesbezüglich in die notarielle Urkunde aufnehmen.242 In Frankreich entfaltet das so errichtete Testament daher die bloß simple Beweiskraft privater Urkunden; die Ernsthaftigkeit der Schrift und der Unterschrift des Erblassers unter dem Testament fallen damit nicht unter die besondere Beweiskraft öffentlicher Urkunden.243 Entsprechend den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO bezieht sich die Beweiskraft bzw. Authentizität der Aufschriftsurkunde i. S. d. Art. 976 Abs. 3 Code civil auf die Unterschriften der beteiligten Personen und den Inhalt der öffentlichen Urkunde, d. h. dass das verschlossene Schriftstück das eigenhändig unterschriebene Testament des Erblassers enthält und dieses an genanntem Tag und Ort vor den bezeichneten Zeugen dem benannten Notar übergeben wurde. Folglich stellt auch das mystische Testament nach Art. 976 Code civil durch die errichtete Aufschriftsurkunde (acte de suscription) eine öffentliche Urkunde i. S. d. EuErbVO dar, die nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in einem anderen Mitgliedstaat anzunehmen ist.244

c)  Im Besonderen: Erbnachweise (1)  Französische Erbnachweise Da das französische Recht ein förmliches Erbscheinsverfahren nicht kennt,245 wurde in der Praxis auf diverse Rechtsinstitute zurückgegriffen, um die Erbenstellung außergerichtlich nachzuweisen: acte de notoriété, intitulé d’inventaire, certificat de propriété oder attestation notariée immobilière.246 Es drängt sich 241 

Ferré-André/Berre, Successions et libéralités, Rn. 353; Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 71 f.; Pétel-Teyssié, Preuve des obligations, acte authentique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 1369–1371, Fasc. unique, Rn. 44; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 443. 242  Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 74. 243  Montredon/Bremond, Donations et testament, testament mystique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 971–998, Fasc. 30, Rn. 75; Pétel-Teyssié, Preuve des obligations, acte authentique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 1369–1371, Fasc. unique, Rn. 44. 244  Vgl. auch Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59 Rn. 2; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6. 245  Ausgenommen ist hier das lokale Recht für die Region Elsass-Lothringen, das ein certificat d’héritier kennt, vgl. DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 282; Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 189; Ferid/Sonnenberger, FrzZR Bd. 3, Rn. 5 D 424; Lagarde, Informationsbeschaffung für den Zivilprozess, S. 207, 212; Sipp-Mercier, Abwicklung deutsch-französischer Erbfälle, S. 51; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 799. 246  Ferid/Sonnenberger, FrzZR Bd. 3, Rn. 5 D 425; Sipp-Mercier, Abwicklung deutsch-



§ 2  Öffentliche Urkunde

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die Frage auf, ob diese Nachweise als öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO anzusehen sind und folglich in den Anwendungsbereich des Art. 59 EuErbVO fallen. Das certificat de propriété wird von einem Notar errichtet und dient zum Nachweis der Erbeneigenschaft und damit zur Legitimation für den Übergang von Renten und Namenspapieren.247 Für den Nachweis des erbrechtlichen Übergangs von Immobilien wird von einem Notar die spezielle attestation notariée immobilière ausgestellt.248 Das sog. intitulé d’inventaire stellt den Kopf eines Inventars dar, welcher Namen, Wohnort und Erbeigenschaft der Benannten wiedergibt sowie die Gründe des Notars, die ihn zur Annahme der erbrechtlichen Stellung bewogen haben.249 Die Beweiskraft dieser Urkunde beruht auf der Autorität und Verantwortung des Notars als Urkundsperson,250 wobei es sich nach französischem Recht um eine einfache Beweiskraft handelt, die mittels eines Gegenbeweises entkräftet werden kann.251 Hiervon zu unterscheiden ist die besondere Beweiskraft öffentlicher Urkunden (acte authentique), die nur mittels des speziellen Verfahrens der inscription de faux (vgl. Art. 1371 Code civil) widerlegt werden kann.252 Am häufigsten wird zum Nachweis der Erbenstellung allerdings der acte de notoriété verwendet.253 Dabei beurkundet der Notar die Erbeneigenschaft auf Antrag eines oder mehrerer Erben.254 Früher beruhte der acte de notoriété auf der Aussage zweier Zeugen, die den Erblasser besonders gut gekannt haben.255 französischer Erbfälle, S. 51 f.; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 799. 247  Ferid, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 303; Sipp-Mercier, Abwicklung deutsch-französischer Erbfälle, S. 52; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 801. 248  Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 190; Ferid, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 303; Sipp-Mercier, Abwicklung deutschfranzösischer Erbfälle, S. 52; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 801. 249  Ferid, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 303, 310; Malaurie/Brenner, Droit des successions et des libéralités, Rn. 298; Sipp-Mercier, Abwicklung deutsch-französischer Erbfälle, S. 52; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 801. 250  Malaurie/Brenner, Droit des successions et des libéralités, Rn. 298. 251  Ferid, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 303; Sipp-Mercier, Abwicklung deutsch-französischer Erbfälle, S. 52. 252  Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 801. 253  Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 189; Ferran, Le notaire et le règlement de la succession, Rn. 306; Forgeard/Crône/Gelot, La réforme des successions, S. 100, Rn. 108; Jubault, Les successions – Les libéralités, Rn. 146; Lagarde, Informationsbeschaffung für den Zivilprozess, S. 207, 213; Nuytten, JCP N 12 (1997), 453, Rn. 2; Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730-5, Fasc. 10, Rn. 126; Sipp-Mercier, Abwicklung deutsch-französischer Erbfälle, S. 52. 254  Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 189; Lagarde, Informationsbeschaffung für den Zivilprozess, S. 207, 213; Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730-5, Fasc. 10, Rn. 89. 255  Nuytten, JCP N 12 (1997), 453, Rn. 14 ff.; Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730-5, Fasc. 10, Rn. 80 ff.; Sipp-Mercier, Abwicklung

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Teil 1: Anwendungsbereich

Durch das Gesetz vom 3.12.2001256 wurde diese Form des Nachweises in den Art. 730 ff. Code civil kodifiziert. Gem. Art. 730-1 Abs. 2 Code civil muss die Offenkundigkeitsurkunde (acte de notoriété) sich auf die Todesurkunde des Erblassers beziehen und die Belege nennen, die vorgelegt worden sind, etwa standesamtliche Urkunden und gegebenenfalls Urkunden über Freigiebigkeiten von Todes wegen, welche Auswirkungen auf die Erbfolge haben können.257 Demzufolge hat sich die Verantwortung des beurkundenden Notars durch die Kodifizierung des acte de notoriété geändert.258 Früher hatte der Notar die Eignung der Zeugen zu überprüfen, heute hat er die erforderlichen Recherchen und Überprüfungen zum Nachweis der Erbeneigenschaft anhand von Unterlagen und Urkunden vorzunehmen.259 Nichtsdestotrotz kann der Notar Aussagen von Personen, die ihm sinnvoll erscheinen, weiterhin gem. Art. 730-1 Abs. 4 Code civil fakultativ hinzuziehen – allerdings nicht mehr als traditionelle Zeugen, sondern vielmehr als wissende Personen, welche die Recherchen des Notars bestätigen.260 Des Weiteren enthält der acte de notoriété die unterschriebene Versicherung des oder der Antragsteller, dass er bzw. sie nach ihrer Kenntnis – allein oder gemeinschaftlich mit anderen benannten Personen – zur Erbschaft berufen sind, Art. 730-1 Abs. 3 Code civil.261 Gleichwohl stellt die Urkunde das Produkt der Tätigkeit des Notars dar,262 sodass der acte de notoriété i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO förmlich errichtet wird. Auch die von Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO geforderte Beweiskraft bzw. Authentizität hinsichtlich Unterschrift, Inhalt (sublit. i) und Beurkundungsperson (sublit. ii) liegt bei einem deutsch-französischer Erbfälle, S. 52; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800. 256  Art. 20 der Loi n°2001-1135 du 3 décembre 2001 relative aux droits du conjoint survivant et des enfants adultérins et modernisant diverses dispositions de droit successoral, JORF n°281 du 4 décembre 2001, S. 19279. 257  Übersetzung übernommen von Limbach, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, B. Erbrechtliche Sachnormen (Code civil). 258  Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730‑5, Fasc. 10, Rn. 13 f.; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800. 259  Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730‑5, Fasc. 10, Rn 6, 13 ff.; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800; zur früheren Verantwortung des Notars: Nuytten, JCP N 12 (1997), 453, Rn. 42; Cass. Civ. 1re, Urteil v. 24.10.1984, 83–12558, Bull. civ. 1984 I, n°280, JCP 1985, 160. 260  Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 189; Forgeard/ Crône/Gelot, La réforme des successions, S. 101, Rn. 111; Picard, JCP N 22 (2002), 1309, Rn. 15; Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730‑5, Fasc. 10, Rn. 13, 78 ff. 261  Dagot, JCP N 13 (2002), 1221, Rn. 24; DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 283; Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 189; Picard, JCP N 22 (2002), 1309, Rn. 21; Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730-5, Fasc. 10, Rn. 92 f.; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800. 262  Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–7305, Fasc. 10, Rn. 14, 121; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800.



§ 2  Öffentliche Urkunde

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acte de notoriété vor. Nach Art. 730‑3 Abs. 1 Code civil gilt die in der Form des Art. 730‑1 Code civil errichtete Offenkundigkeitsurkunde als richtig, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.263 Die Beweiskraft des acte de notoriété ist nach französischem Recht demnach nur eine einfache, die mittels aller Beweismittel widerlegt werden kann.264 Deshalb stellt sie nach nationalem französischem Recht keine öffentliche Urkunde (acte authentique) dar, da diese gem. Art. 1371 Code civil nur durch ein spezielles Verfahren (inscription de faux) entkräftet werden kann.265 Die autonome Qualifikation einer öffentlichen Urkunde i. S. d. EuErbVO beurteilt sich jedoch unabhängig von nationalen Verständnissen.266 Indem sich die Authentizität des acte de notoriété sowohl auf die Unterschrift und den Inhalt Urkunde, d. h. auf die beurkundeten Erklärungen i. S. d. EG 62 S. 2 EuErbVO, bezieht, entspricht der acte de notoriété den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO. Auch wird diese Urkunde nur von Notaren erlassen (Art. 730‑1 Abs. 1 Code civil),267 also einer vom französischen Staat (als Ursprungsmitgliedstaat) hierzu ermächtigten Stelle gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO. Somit ist der acte de notoriété als öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu qualifizieren.268 Das Gesetz vom 3.12.2001269 hat zwar allein den acte de notoriété kodifiziert, allerdings kann der Nachweis der Erbenstellung gem. Art. 730 Abs. 1 Code civil durch alle Beweismittel erbracht werden, sodass auch die anderen (oben genannten)270 Notariatsurkunden weiterhin möglich sind. Auch diese stellen öffentliche Urkunden i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dar, da sie als von einem französischen Notar errichtete notarielle Urkunden, deren Authen263  Übersetzung übernommen von Limbach, Frankreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, B. Erbrechtliche Sachnormen (Code civil). 264  Dagot, JCP N 13 (2002), 1221, Rn. 42; Hérail, Acte de notoriété, Rép. civ. Dalloz, Rn. 60; Picard, JCP N 22 (2002), 1309, Rn. 29; Pillebout, Successions, acte de notoriété, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 730–730‑5, Fasc. 10, Rn. 119; Pillebout, Notoriété, in: JurisClasseur Notarial Formulaire, Fasc. 20, Rn. 118; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800. Vergès/Vial/Leclerc, Droit de la preuve, Rn. 409. 265  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 66. Vgl. auch Pétel-Teyssié, Preuve des obligations, Modes de preuve, Acte authentique, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 1369–1371, Fasc. unique, Rn. 110. 266  S. o. § 1, S. 7 ff. 267  Dagot, JCP N 13 (2002), 1221, Rn. 8 ff.; Hérail, Acte de notoriété, Rép. civ. Dalloz, Rn. 10; Terré/Lequette/Gaudemet, Les successions – Les libéralités, Rn. 800. 268  Damscelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Makowsky, in: NK/ BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 66, Art. 59, Rn. 6; i. E. auch Fongaro, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 65, 77; Jacoby, JCP N 18 (2016), 1137, Rn. 8. 269  Loi n°2001‑1135 du 3 décembre 2001 relative aux droits du conjoint survivant et des enfants adultérins et modernisant diverses dispositions de droit successoral, JORF n°281 du 4 décembre 2001. 270  Siehe unter § 2 IV. 2. c) (1), S. 40 f.

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Teil 1: Anwendungsbereich

tizität sich sowohl auf die Unterschrift als auch auf die dargestellten Erklärungen der genannten Beteiligten bezieht, ebenfalls den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i und ii EuErbVO genügen.

(2)  Weitere nationale Erbnachweise (insbesondere deutscher Erbschein) Die Frage, ob mitgliedstaatliche Erbnachweise – namentlich der deutsche Erbschein – von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfasst werden, erweist sich bei einigen nationalen Nachlasszeugnissen als problematisch.271 Da sich hierbei insbesondere die Abgrenzung inwieweit sie als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu qualifizieren sind oder vielmehr als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO ergehen als fraglich herausstellt, wird hierauf erst nach einer Darstellung des verordnungsautonomen Begriffs der Entscheidung i. S. d. EuErbVO näher eingegangen.272

V. Zwischenergebnis Die Legaldefinition einer öffentlichen Urkunde des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO verlangt somit zunächst, dass ein Schriftstück vorliegt, wovon sowohl Urkunden in Papier- als auch in elektronischer Form erfasst sind.273 Dieses Schriftstück muss in einem an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden sein.274 Ein über die Errichtung hinausgehender Bezug zum Errichtungsstaat der Urkunde ist dabei nicht erforderlich. Weitere Voraussetzungen an die öffentliche Urkunde werden in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO unter sublit. i und ii festgelegt. Diese beruhen auf der durch die Unibank-Entscheidung des EuGH etablierten Begriffsbestimmung.275 Der in der deutschen Sprachfassung an dieser Stelle verwendete Begriff der „Beweiskraft“ ist verordnungsautonom als Authentizität zu verstehen.276 Der Terminus der Authentizität stellt dabei einen verordnungsautonomen – in EG 62 EuErbVO näher erläuterten – Begriff dar.277 Nach Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO muss sich die Authentizität der Urkunde sowohl auf die Unterschrift als auch auf den Inhalt der öffentlichen Urkunde beziehen und gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO durch eine öffentliche Autorität festgestellt werden.278 271  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5 f.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19. 272  Zum Begriff der Entscheidung s. u. unter § 3, S. 46 ff.; zur Einordnung mitgliedstaatlicher Erbnachweise siehe unter § 4, insb. II., S. 84 ff. 273  Hierzu unter § 2 I., S. 15 ff. 274  Hierzu unter § 2 II., 17 ff. 275  Hierzu unter § 2 III. 2., S. 24 ff. 276  Hierzu unter § 2 III. 1., S. 21 ff. 277  Siehe hierzu noch unter § 10 II. 1., S. 206 ff. 278  Hierzu und zum Folgenden unter § 2 III. 3., S. 25 ff.



§ 3  Entscheidung

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Die Formulierung „Inhalt der öffentlichen Urkunde“ in Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO bezieht sich lediglich auf die beurkundeten Vorgänge und Erklärungen und nicht auf den materiellrechtlichen Inhalt des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Durch Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO wird sichergestellt, dass sich die Beurkundung sowohl auf die Unterschrift als auch auf die beurkundeten Vorgänge bezieht. Bloße Beglaubigungen stellen keine öffentliche Urkunde dar. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO dient der Abgrenzung von Privaturkunden, die nicht von einer öffentlichen Autorität herrühren. Eine öffentliche Errichtungsstelle kann dabei eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsstaat ermächtige Stelle, wie insbesondere Notare, sein. Damit die öffentliche Urkunde in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt, muss sie zudem einen erbrechtlichen Inhalt („in Erbsachen“) haben.279 Dies ist der Fall, wenn das beurkundete Rechtsverhältnis die Rechtsnachfolge von Todes wegen gem. Art. 1 Abs. 1 EuErbVO betrifft. Darüber hinaus ist anzumerken, dass der in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO legaldefinierte Begriff der öffentlichen Urkunde in der Unionsgesetzgebung zwar nicht unbekannt ist – vgl. Art. 2 lit. c EuGVVO, Art. 4 Nr. 4 EuVTVO und Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 EuUnthVO – und seit der Unibank-Entscheidung des EuGH auch ein europäisches Begriffsverständnis hierfür vorliegt. Bei der Anwendung und Auslegung des Begriffs im Rahmen der EuErbVO darf allerdings nicht vergessen werden, dass es bisher nicht um die Annahme öffentlicher Urkunden ging, sondern ausschließlich um deren Vollstreckung.280 Das Interesse vorheriger Verordnungen beschränkte sich auf die Vollstreckung der in einem Rechtsakt beurkundeten Rechtshandlung und bezog sich hingegen nicht auf die Beweiskraft des Rechtsaktes.281 Folglich ist diese Neuerung, die insbesondere in Art. 59 EuErbVO offenbar wird, auch beim Verständnis des Begriffs der öffentlichen Urkunde zu beachten. Dies gilt namentlich bei der Anwendung und Auslegung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.

§ 3  Entscheidung Bei gerichtlich ausgestellten Erbnachweisen stellt sich die Frage, ob diese verordnungsautonom als öffentliche Urkunde oder als Entscheidung zu qualifizieren sind. Die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO umfasst lediglich die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Zur Bestimmung der von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfassten Erbnachweise ist daher eine Abgrenzung zwischen 279 Hierzu mit Beispielen aus dem deutschen und französischen Recht unter § 2 IV., S. 31 ff. 280  Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 265; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 149, Rn. 345. Siehe auch unter Teil 4, S. 245 f. 281  Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 149, Rn. 345.

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Teil 1: Anwendungsbereich

öffentlichen Urkunden und Entscheidungen i. S. d. EuErbVO erforderlich. Deshalb wird im Folgenden der Begriff der Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO dargelegt. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO ist eine „Entscheidung“ jede von einem Gericht eines Mitgliedstaates in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. Der Begriff des Gerichts wird seinerseits in Art. 3 Abs. 2 EuErbVO legaldefiniert. Hiernach bezeichnet der Begriff jedes Gericht und alle sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln. Letztere jedoch nur, sofern sie ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten und ihre Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sie tätig sind, vor einem Gericht angefochten oder von einem Gericht nachgeprüft werden können (lit. a) und vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in der gleichen Sache (lit. b). Die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO entspricht weitestgehend der mittlerweile gängigen Bestimmung im Unionsrecht. So lässt sich dessen Wortlaut mit den Art. 2 lit. a EuGVVO, Art. 32 EuGVVO a. F., Art. 25 EuGVÜ, Art. 4 Nr. 1 EuVTVO, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 EuUnthVO oder auch Art. 2 Nr. 4 EuEheVO vergleichen. Der Begriff der Entscheidung ist als Verordnungsbegriff verordnungsautonom auszulegen.282 Die hierbei festgelegte Begriffsbestimmung gilt einheitlich für alle Vorschriften der EuErbVO,283 obschon der Entscheidungsbegriff vorwiegend für das zweite und vierte Kapitel (Zuständigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsregelungen) der EuErbVO relevant ist.284

I.  Legaldefinition des Begriffs der Entscheidung Zunächst bestimmt Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO, dass eine Entscheidung im Sinne der Verordnung jede von einem Gericht eines Mitgliedstaates in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten ist.

282 

Siehe zur verordnungsautonomen Auslegung unter § 10, S. 198 ff. So auch der EuGH zu Art. 25 EuGVÜ: EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. C-414–92, Solo Kleinmotoren ./. Boch, Slg. 1994, I-02237, Rn. 19 f. 284  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 7; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 34. 283 



§ 3  Entscheidung

47

1. Entscheidung Die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO erscheint auf den ersten Blick tautologisch,285 weil eine Entscheidung im Sinne der EuErbVO jede Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts darstellen soll. Die Begriffsbestimmung verdeutlicht allerdings, dass der Begriff der Entscheidung i. S. d. Verordnung weit gefasst und weit auszulegen ist.286 Dies lässt sich dem Wortlaut („jede Entscheidung“) entnehmen.287 Zudem betont die Definition, dass der konkreten Bezeichnung der Entscheidung keine Bedeutung zuzumessen ist, wodurch ebenfalls eine weite Auslegung verdeutlicht wird.288 Weiterhin ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO, dass der Begriff der Entscheidung, der dem zweiten und viertel Kapitel zugrunde liegt, der EuGVVO a. F. nachgebildet wurde.289 Dort wurde der Terminus ebenfalls in einem weiten Sinne verstanden.290 Durch diese weite Auslegung wird außerdem das Regelungsziel einer gegenseitigen Anerkennung der Entscheidungen (EG 59 EuErbVO) im europäischen Raum gefördert, sodass eine solche Auslegung auch dem Telos der Norm entspricht.291 Die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO selbst gibt zwar keine konkreten Merkmale vor, die eine Entscheidung charakterisieren.292 Hier285 

Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 39, Rn. 3; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 22. 286  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 22; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 13; Nikolaidis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 3, Rn. 21; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 30; zu Art. 2 lit. a EuGVVO: Hess, in: Schlosser/Hess, EuGVVO, Art. 2, Rn. 2; zu Art. 32 EuGVVO a. F.: Rauscher, IPR, Rn. 2404. 287  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 22; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 30. 288  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 30. 289  Di Cola, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 43, Rn. 1; Hess/Jayme/ Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 41; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 30; Wagner/Scholz, FamRZ 2014, 714, 717. 290 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, Rn. 23 ff.; Gottwald, in: MüKo4/ZPO, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 8 ff.; Krop­ holler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 1 ff., 8 ff.; zum wortgleichen Art. 2 lit. a EuGVVO: Dörner, in: NK-Hk/ZPO, EuGVVO, Art. 2, Rn. 2 („integrationsfreundlich zu interpretieren“); Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 2, Rn. 5. 291  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 22; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 30. 292  Auch der EuGH hat sich in der Rechtsache Oberle (Urteil vom 21.6.2018, Rs. C-20/17, Oberle, Rn. 33 ff.) nicht mit dem Entscheidungsbegriff selbst auseinandergesetzt, sondern aus der Systematik und dem Telos der EuErbVO abgeleitet, dass die Zuständigkeitsregel des Art. 4 EuErbVO auch für solche Verfahren gilt, die nicht zum Erlass einer judiziellen Entscheidung führen. Siehe hierzu: Burandt/Schmuck, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; Dörner, DNotZ 2018, 661, 684; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 16.

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Teil 1: Anwendungsbereich

zu kann allerdings, im Wege der einheitlich-europäischen Auslegung293, die Rechtsprechung des EuGH zu den entsprechenden Vorschriften der EuGVVO (Art. 2 lit. a EuGVVO = Art. 32 EuGVVO a. F. = Art. 25 EuGVÜ) herangezogen werden.294 In ständiger Rechtsprechung bestimmt der EuGH: „Um als eine ‚Entscheidung‘ im Sinne des Übereinkommens [EuGVÜ] angesehen werden zu können, muss die betreffende Entscheidung also von einem Rechtsprechungsorgan eines Vertragsstaates erlassen worden sein, das kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet.“295 Eine Entscheidung in diesem Sinne liegt nach dem EuGH dementsprechend bei einem Prozessvergleich nicht vor, denn dieser beende zwar den Rechtsstreit, jedoch hänge sein Inhalt „vor allem vom Willen der Parteien“ ab.296 Demnach kann auch für die EuErbVO im übertragenden Sinne festgehalten werden, dass eine Entscheidung, die sich auf eine Deklaration des Parteiwillens beschränkt, keine Entscheidung i. S. d. Verordnung darstellt.297 Dies entspricht auch der Systematik der Verordnung, da innerhalb des Art. 3 EuErbVO die „Entscheidung“ nach Art. 3 Abs. 1 lit. g ausdrücklich von einem „gerichtliche[n] Vergleich“ gem. Art. 3 Abs. 1 lit. h EuErbVO unterschieden wird.298 Maßgeblich erscheint, dass eine Entscheidung i. S. d. EuErbVO das Resultat einer gestaltenden Arbeit des Rechtsprechungsorgans (i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO)299 darstellt, „das kraft seines Auftrags selbst über […] Streitpunkte entscheidet“, diese folglich aus seinem eigenen Willensentschluss entstammt bzw. auf diesem beruht. Erforderlich erscheint zudem, dass die Entscheidung eine verbindliche Streitbeilegung darstellt.300 Es muss sich um eine Anordnung mit Außenwirkung handeln, durch die ein Rechtsverhältnis zwischen den Par293 

Siehe hierzu o. unter § 1 II., S. 11. i. E. auch Di Cola, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 43, Art. 2; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III., EuErbVO, Art. 3, Rn. 22; Schmidt, BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 29. 295 EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. C-414/92, Solo Kleinmotoren ./. Boch, Slg. 1994, I-02237, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 14.10.2004, Rs. C-39/02, Maersk Olie & Gas, Slg. 2004, I-09657, Rn. 45. 296 EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. C-414/92, Solo Kleinmotoren ./. Boch, Slg. 1994, I-02237, Rn. 18; dem entsprechend: Cass. civ. 1, Urteil v. 11.2.1997, n°95‑11402, Bull. Civ. 1997 I, S. 33, n° 51; Di Cola, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 43, Rn. 2; Krop­holler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 16; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 2, Rn. 12; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 22; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 44. 297  Di Cola, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 43, Rn. 2. 298  So auch Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 16; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 29; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 36. 299  Vgl. hierzu u. unter § 3 II., S. 57 ff. 300  Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 900; U. Schmidt, EU-ZPR, Rn. 161. 294 So



§ 3  Entscheidung

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teien geregelt wird.301 Hervorzuheben ist dabei allerdings, dass hiervon auch Entscheidungen, die in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes302 getroffen werden, erfasst sind.303 Für die verordnungsautonome Qualifikation einer Entscheidung ist nicht nur die nationale Bezeichnung der Entscheidung irrelevant (Art. 3 Abs. 1 lit. g a. E. EuErbVO), sondern auch deren Entscheidungs- und Verfahrensart. So werden von der Begriffsbezeichnung Feststellungs-, Gestaltungs- und Leistungsklagen erfasst.304 Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO nennt ausdrücklich den Kostenfeststellungsbeschluss, wodurch deutlich wird, dass auch dieser von der freien Zirkulierbarkeit innerhalb des europäischen Raumes profitieren soll, selbst wenn er nach nationalem Recht nicht mit der Hauptentscheidung zusammen erlassen wird.305 Diese Nennung verdeutlicht weiterhin, dass nicht nur Hauptentscheidungen als Entscheidungen im autonomen Sinne zu verstehen sind, sondern auch Nebenentscheidungen hierunter zu subsumieren sind.306 Auch umfasst der autonome Terminus Entscheidungen, unabhängig davon, ob sie aus einem streitigen oder nicht-streitigen Verfahren resultieren, wie EG 59 EuErbVO ausdrücklich verdeutlicht.307 Somit sind auch Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit solche im Sinne der EuErbVO.308 301 

Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 2, Rn. 5; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25. 302  Anmerkung: Die evtl. Beschränkung auf zumindest mögliche kontradiktorische Verfahren entsprechend der EuGH-Rechtsprechung, wird hier nicht weiter erläutert, da sie nicht den Begriff der Entscheidung betrifft, sondern die Anerkennungsvoraussetzungen und daher dort erläutert werden. An dieser Stelle lediglich der Hinweis auf Looschelders, NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 24; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 33; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 39. 303  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 24; U. Schmidt, EU-ZPR, Rn. 161; Hess, in: Schlosser/Hess, EuGVVO, Art. 2, Rn. 3, 12 ff.; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 21; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 916. 304  Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 27; Kropholler, IPR, S. 662; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 2, Rn. 5. 305  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 32; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 40. 306  Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 2, Rn. 11; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 32; Stadler, in: Musielak/Voit, EuGVVO, Art. 2, Rn. 3. 307  Fucik, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 57, 61; Geimer, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 9, 20; Lein, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 4 ff., Rn. 33; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 16; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 32. 308  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art.  3, Rn.  35; Dutta, FamRZ 2013, 4, 13; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17, Vorb. Art. 4, Rn. 4; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 51; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Vor Art. 4–19, Rn. 1; Leipold, in: FS Erecinskiego, 2011, S. 1155, 1169 f.; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; Schall/Simon, in: Geimer/Schüt-

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Teil 1: Anwendungsbereich

2. Erbsache Voraussetzung ist auch, dass es sich um eine Entscheidung „in einer Erbsache“ handelt. Dieses Tatbestandsmerkmal wird zwar nicht von der Verordnung legaldefiniert, entspricht jedoch dem Anwendungsbereich der EuErbVO.309 So normiert Art. 1 Abs. 1 EuErbVO, dass die Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist. Der Begriff „Erbsache“ ist hierbei im verordnungsautonomen Sinne mit dem Terminus „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ gleichzustellen. Dies ergibt sich aus der Systematik und dem Telos der Verordnung. Die EuErbVO verwendet beide Termini an verschiedenen Stellen scheinbar gleichwertig (z. B. Art. 2, 4, 6, 11, 23, 27, 33, 64, 66, 67, 77 EuErbVO). Da die Verordnung in sich systemstimmig sein muss, sind die beiden Begriffe i. S. d. EuErbVO als Synonyme310 zu betrachten. Dies zeigt insbesondere ein Vergleich der objektiven Regelanknüpfungen: Die allgemeine Zuständigkeit wird in Art. 4 EuErbVO für Entscheidungen „in Erbsachen“ geregelt, die allgemeine Kollisionsnorm der EuErbVO (Art. 21) bestimmt hingegen, dass „die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen“ dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Eines der Hauptziele der EuErbVO ist jedoch der Gleichlauf von forum und ius (vgl. EG 27 EuErbVO).311 Dementsprechend können beide Regelanknüpfungen nur die gleichen Anknüpfungsgegenstände bezeichnen. Zudem verdeutlichen die anderen Sprachfassungen ebenfalls eine Gleichstellung,312 indem z. B. in der französischen, spanischen und englischen Version sowohl in Art. 1 Abs. 1 EuErbVO als auch in Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO die Begriffe „successions“, „sucesíon“, „succession“ einheitlich verwendet werden.313 Zur genaueren verordnungsautonomen Bestimmung des Begriffs „Erbsache“ werden die Art. 1, 3 Abs. 1 lit. a und 23 EuErbVO herangezogen.314 Dies entspricht der Vorgehensweise bei dem gleichen Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Legaldefinition einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i Eu-

ze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 37. 309  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 20; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 35. 310  J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 4; aus einem Vergleich mit den anderen Sprachfassungen zum selben Ergebnis kommend Wall, ZErb 2015, 9, 10; a. A.  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Vor Art. 4–19, Rn. 3. 311  Siehe hierzu o. unter § 1 II., S. 10 f. 312  So auch Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 20; Wall, Zerb 2015, 9, 10. 313  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25.1 verweist auf eine „nicht ganz glücklich[e]“ deutsche Formulierung im Vergleich zu den anderen Sprachfassungen. 314 So auch Lein, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 4 ff., Rn. 30; Schall/ Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 21.



§ 3  Entscheidung

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ErbVO. Daher kann an dieser Stelle auf die obigen Erläuterungen315 verwiesen werden, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Besonderheiten hinsichtlich des Begriffs der Entscheidung beschränken. Indem das Merkmal „Erbsache“ Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Verordnung nach Art. 1 Abs. 1 EuErbVO ist, könnte man die Erwähnung dieser Voraussetzung im Rahmen der Definition der Entscheidung als redundant bezeichnen bzw. ihr keine eigenständige Bedeutung zumessen.316 Jedoch dient das Merkmal an dieser Stelle zur Ein- und Abgrenzung. Wenngleich grundsätzlich der Begriff der Entscheidung im Sinne der EuErbVO weit zu verstehen ist, um das Regelungsziel einer weitmöglichsten freien Zierkulierbarkeit von Entscheidungen im europäischen Raum zu fördern (vgl. EG 59 EuErbVO), können nicht alle Entscheidungen, die auch nur mittelbar eine Erbsache betreffen, von der EuErbVO erfasst werden. Die verschiedenen Unionsrechtsakte müssen untereinander systemstimmig voneinander abgegrenzt werden, um ein einheitliches und systemstimmiges europäisches Rechtssystem zu bilden.317 Demnach ist es nicht ausreichend, wenn eine Rechtssache allein als Vorfrage oder inzident erbrechtliche Fragen betrifft.318 Vielmehr soll die EuErbVO ausschließlich „spezifisch erbrechtliche Rechtssachen“ einheitlich regeln.319 Schmidt nennt das anschauliche Beispiel eines Erben, der von dem Mieter der geerbten Wohnung den Mietzins herausverlangt.320 Würde allein aufgrund der als Vorfrage zu prüfenden Erbenstellung des Klägers hier nicht die EuGVVO (somit der allgemeine Gerichtsstand gem. Art. 5 Abs. 1 EuGVVO des Beklagtenwohnsitzes) gelten, wäre grundsätzlich gem. Art. 4 EuErbVO das Gericht des Mitgliedstaates zuständig, wo der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies ist jedoch nicht sachgerecht. Vielmehr ist in dem genannten Beispiel die gerichtliche Zuständigkeit nach der EuGVVO zu bestimmen. Diese schließt zwar gem. Art. 1 Abs. 2 lit. f EuGVVO das Gebiet des Testaments- und Erbrechts aus ihrem Anwendungsbereich aus, doch gilt die Bereichsausnahme nur, wenn der Streitgegenstand erbrechtliche Fragen betrifft.321 Sind im Rahmen einer Vorfrage erbrechtliche Regelungen von Belang, betrifft der Streitgegenstand jedoch allein schuldrechtliche Fragen, ist die EuGVVO 315 

Unter § 2 IV. 1., S. 31 ff. Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 9; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 31. 317  Vgl. zur systematischen Auslegung o. unter § 1 II., S. 10 ff. 318  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 34; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 569, Rn. 66; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 17, Rn. 4. 319  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; s. auch Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 34. 320  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26. 321  Geimer, in: Zöller/ZPO, EuGVVO, Art.  1, Rn. 30; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 1, Rn. 121. 316 So

52

Teil 1: Anwendungsbereich

anwendbar.322 Wenn hingegen der Streitgegenstand erbrechtliche Fragen hervorruft, ist dieser von der EuErbVO zu regeln.323 Somit korrespondiert der Anwendungsbereich der EuErbVO mit dem Ausschluss des Erbrechts aus dem Anwendungsbereich der EuGVVO.324 Im Wege einer rechtsaktübergreifenden systematischen Auslegung ist parallel zur EuGVVO auch die EuErbVO allein auf Streitgegenstände anwendbar, die im Kern erbrechtliche Fragen betreffen. Auf diese Weise werden die verschiedenen europäischen Rechtsakte aufeinander abgestimmt,325 sodass ein systemstimmiges und einheitliches Unionsrecht gewahrt wird. Daher erscheint es zutreffend, eine Rechtssache nur als in einer Erbsache anzusehen, wenn diese „unmittelbar auf einem Erbfall beruht und in einem engem Zusammenhang mit diesem steht“.326 Auf diese Weise grenzt der EuGH die EuGVVO und EuInsVO voneinander ab.327 Im Wege der rechtsaktübergreifenden Auslegung können durch den EuGH verwendete Erläuterungen zu anderen Unionsrechtsakten auf die EuErbVO übertragen werden.328 Demnach handelt es sich um eine Entscheidung in einer Erbsache i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO, wenn der Rechtsstreit seine rechtliche Grundlage in erbrechtlichen Regelungen hat.329 Folglich stellen Streitigkeiten mit an der Erbsache unbeteiligten Dritten zumeist keine Entscheidung in einer Erbsache i. S. d. EuErbVO dar.330 Das trifft beispielsweise auf Streitigkeiten zwischen Gläubigern oder Schuldnern des 322 

Vgl. zur Reichweite der Bereichsausnahme Geimer, in: Zöller/ZPO, EuGVVO, Art. 1, Rn. 75; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 1, Rn. 121 f. 323  Geimer, in: Zöller/ZPO, EuErbVO, Art. 1, Rn. 4; bereits das MPI hat in seiner Stellungnahme empfohlen den Wortlaut von Art. 4 EuErbVO-E dahingehend zu ändern, als dass präzisiert wird, dass allein „proceedings which have as their object matters of succession“ gemeint seien, MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 570, Rn. 69; kritisch zur Abgrenzung anhand des „deutschen Streitgegenstandsbegriff[s]“ Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 15 f. 324  Leipold, in: FS Erecinskiego, 2011, S. 1155, 1168. 325  Vgl. hierzu auch Weber, IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 79, 84. 326  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art.  3, Rn. 27; siehe auch Deixler-Hübner/ Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 34: „Es muss […] unmittelbar eine Rechtssache behandelt werden, die in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt.“; vgl. auch bereits zur EuErbVO-E: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 568 f., Rn. 66. 327  Z. B. EuGH, Urteil v. 22.2.1979, Rs. C-133/78, Gourdain ./. Nadler, Slg. 1979, 00733, Rn. 4; EuGH, Urteil v. 12.2.2009, Rs. C-339/07, Seagon, Slg. 2009, I-00767, Rn. 19; EuGH, Urteil v. 2.7.2009, Rs. C-111/08, SCT Industri, Slg. 2009, I-05655, Rn. 21 f.; EuGH, Urteil v. 10.9.2009, Rs. C-292/08, German Graphics Graphische Maschinen, Slg. 2009, I-08421, Rn. 26; Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Fn. 2; Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 34; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 568 f., Rn. 66; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 27. 328  S. o. unter § 1 II., S. 10 ff. 329  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 5; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 427 („Klagen […] solange sie nur im Erbfall ihren Ursprung haben“). 330  MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 568 f., Rn. 66.



§ 3  Entscheidung

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Erblassers und dessen Erben,331 da hierbei regelmäßig erbrechtliche Fragen nicht die rechtliche Grundlage des Rechtsstreits darstellen. Derart stellen Entscheidungen in einer Erbsache gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO zum Beispiel eine Klage eines Erben auf Herausgabe gegen einen Erbschaftsbesitzer,332 auf Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs,333 auf Erfüllung eines Vermächtnisses oder Pflichtteilsanspruchs,334 oder einer Nachlasserbenschuld,335 oder zur Feststellung der Erbfolge,336 sowie Erbauseinandersetzungsklagen337 dar. Ebenfalls erfasst werden Verfahren zur Bestellung eines Nachlassverwalters338 bzw. Testamentsvollstreckers339 oder der Inventarerrichtung.340 Fraglich erscheint, ob die bloße Entgegennahme erbrechtlich relevanter Erklärungen, wie z. B. Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, Entscheidungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO darstellen. Dass diese auf erbrechtlichen Vorschriften basieren und in einem engen Zusammenhang mit einem Erbfall stehen, somit eine Erbsache betreffen, ist unzweifelhaft. Jedoch ist problematisch, ob eine Entscheidung im autonomen Sinne vorliegt. Innerhalb der EuErbVO werden solche Erklärungen explizit in Art. 13 EuErbVO normiert. Indem dieser 331  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 5; Calvo Caravaca, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 4, Rn. 9; Lein, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 4 ff., Rn. 31; Mansel, in: Armağan Ansay, 2006, S. 185, 204 (bereits zu Zeiten der Vorarbeiten der EuErbVO); Weber, IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 84. 332  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 38; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 567, Rn. 67; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Weber, Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 17, Rn. 4; Weber, IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 85 f. 333  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; vgl. auch MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 569, Rn. 68; wohl auch Fucik, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 57, 61 der auf „alle kontradiktorischen Verfahren zwischen klagenden Pflichtteilsberechtigten, Legataren oder Erben untereinander“ verweist. 334  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art.  3, Rn.  34; Fucik, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 57, 61; Leipold, in: FS Erecinskiego, 2011, S. 1155, 1173; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 427; Volmer, ZEV 2014, 129, 132; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 17, Rn. 4. 335  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 5; Eichel, in: JurisPK/ BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 18; Lein, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 4 ff., Rn. 31; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Weber, IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 86 ff. 336  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 6; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 427. 337  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 6; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 17, Rn. 4. 338  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 6; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 1, Rn. 28; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 17, Rn. 4. 339  MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 569 f., Rn. 68, 70; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 17, Rn. 4. 340  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro. Ch. II, Rn. 6; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 28.

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Teil 1: Anwendungsbereich

Artikel sich systematisch im Rahmen des zweiten Kapitels befindet, könnte dies für eine Einordnung als Entscheidung im verordnungsautonomen Sinne sprechen.341 Denn die Zuständigkeitsregelungen betreffen allein Entscheidungen. Zudem würde dies eines der Hauptziele der EuErbVO, die weitmöglichste freie Zierkulierbarkeit von Entscheidungen, fördern. Allerdings ist zu bedenken, dass durch die Entgegennahme solcher Erklärungen das Gericht über keinerlei Streitpunkte entscheidet. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dieses Merkmal jedoch für die Qualifikation als Entscheidung ausschlaggebend. Wie oben dargestellt,342 ist zur Einordung als Entscheidung im europäisch-autonomen Sinne nach der Rechtsprechung des EuGH maßgebend, dass die Entscheidung durch das Rechtsprechungsorgan gestaltet wurde und eine Anordnung mit Außenwirkung trifft, die das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien regelt. Zwar wird durch die Entgegennahme einer Annahme- oder Ausschlagungserklärung ein Rechtsverhältnis geregelt, welches jedoch im Grunde durch den Willen der Parteien bestimmt wird. Bei der Entgegennahme einer Ausschlagungserklärung beschränkt sich die Tätigkeit des Gerichts auf den Empfang und die Bestätigung einer öffentlich beglaubigten Erklärung, die nicht als Ausübung einer gerichtlichen Funktion343 im Sinne der EuErbVO angesehen werden kann.344 Mithin fehlt es an der kennzeichnenden bestimmenden Gestaltung des Rechtsprechungsorgans. Weller betont zu Recht, dass die Entgegennahme einer Erklärung als passiver Akt von der aktiven Entscheidungsarbeit i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO zu unterscheiden ist.345 Indem die Verordnung für die „Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils“ durch Art. 13 EuErbVO eine eigene Vorschrift für solche Erklärungen vorsieht, zeigt sich vielmehr, dass diese grundsätzlich gerade nicht als Entscheidungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO anzusehen sind. Nach Art. 13 EuErbVO sind für diese Erklärungen „außer dem gemäß dieser Verordnung für die Rechtsnachfolge von Todes wegen zuständigen Gerichts“, d. h. nach Art. 4 EuErbVO, auch die „Gerichte des Mitgliedstaats, in dem eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ für die Entgegennahme einer Erklärung zuständig. Art. 13 EuErbVO regelt folglich, dass die Entgegennahme vor dem allgemein für Erbsachen zuständigen Gericht oder vor dem besonderen Gerichtsstand346 des gewöhnlichen Aufenthalts des Erklärenden abgegeben werden können. Geimer stellt zutreffend fest, dass die Zuständigkeitsregelungen ausschließlich für 341 

So i. E.: Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17, Vorb. Art. 4, Rn. 5; Leipold, in: FS Erecinskiego, 2011, S. 1155, 1174; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10; dagegen Grau, in: FS Schilken, 2015, S. 3, 16. 342  S. o. unter § 3 I. 1., S. 47 ff. 343  Siehe hierzu auch unter § 3 II. 1., S. 58 f. 344  Grau, in: FS Schilken, 2015, S. 3, 16. 345  M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 12. 346  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 4, Rn. 7; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10.



§ 3  Entscheidung

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Entscheidungen i. S. d. EuErbVO und „als Annex darüber hinaus auch für die Entgegennahme erbrechtlich relevanter Erklärungen der Beteiligten (Art. 13)“ gelten.347 Auswirkungen auf die autonome Bestimmung einer Entscheidung hat Art. 13 EuErbVO jedoch nicht, sodass die Entgegennahme erbrechtlich relevanter Erklärungen keine Entscheidungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO darstellt.348 Diese stellen vielmehr öffentliche Urkunden gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dar,349 die nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO innerhalb des europäischen Rechtsraumes frei zirkulieren. Folglich ist die freie Umläufigkeit dieser Erklärungen auf diese Weise, dem effet utile-Grundsatz entsprechend, gewährleistet.

3. Mitgliedstaat Die Entscheidung muss gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO weiterhin eine von einem Gericht „eines Mitgliedstaats“ erlassene Entscheidung sein. Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist, wie die Voraussetzung „in einer Erbsache“,350 sowohl in der Legaldefinition einer öffentlichen Urkunde als auch in der einer Entscheidung i. S. d. EuErbVO enthalten. Beide Begriffe sind verordnungsautonom und dabei einheitlich aufzufassen. Folglich kann hier auf die oben erläuterten Darstellungen zum Begriff des Mitgliedstaates i. S. d. EuErbVO351 verwiesen werden. Hierunter sind ausschließlich alle an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaaten zu verstehen.352 Entscheidungen von Mitgliedstaaten der EU, die nicht an der EuErbVO teilnehmen, werden somit i. S. d. Verordnung als Entscheidungen eines Drittstaates angesehen. Letztere müssen daher nicht nach Art. 39 ff. EuErbVO anerkannt werden.353 Dies entspricht dem Prinzip der Gegenseitigkeit der Anerkennung,354 welches auch die EuErbVO verfolgt (EG 59). Nur an 347  Geimer, in: Zöller/ZPO, EuErbVO, Art. 4, Rn. 12; wohl auch in diesem Sinne Geimer, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 9, 20. 348 So i. E. auch: D’Alessandro, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Geimer, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 9, 20; Geimer, in: Zöller/ZPO, EuErbVO, Art. 4, Rn. 12; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25 („für sich genommen keine Entscheidung“); Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 14. Die Frage des Entscheidungscharakters einer „Entscheidung“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO offenlassend: EuGH, Urteil v. 21.6.2018, Rs. C-20/17, Oberle, Rn. 29 ff. Siehe hierzu: Burandt/Schmuck, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; Dörner, DNotZ 2018, 661, 684; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 16. 349  S. o. unter § 2 IV. 2. a), S. 35. 350  S. o. unter § 3 I. 2., S. 50 ff. 351  Siehe unter § 2 II. 1., S. 17 ff. 352  Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16; Köhler, in: Gierl/Köhler/ Kroiß/Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 2, Rn. 17; Looschelders, NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 21; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 42. 353  So auch Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro., Rn. 16; Geimer, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 9, 19; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 42. 354  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 42.

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Teil 1: Anwendungsbereich

der Verordnung teilnehmende Mitgliedstaaten sind hieran gebunden und müssen diese anwenden. Folglich muss beispielsweise eine deutsche Entscheidung nicht in Dänemark automatisch anerkannt werden, da die dänischen Gerichte nicht an Art. 39 Abs. 1 EuErbVO gebunden sind. Müsste eine dänische Entscheidung allerdings in Deutschland nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO ohne besonderes Verfahren anerkannt werden, würde dies nicht dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerecht werden. Zwar würde in dem genannten Fall nach § 328 ZPO ebenfalls eine Anerkennung kraft Gesetzes erfolgen, jedoch würde hierbei das Gericht von Amts wegen die Anerkennungsfähigkeit, d. h. das Nichtvorliegen von Anerkennungsversagungsgründen, prüfen.355 Hingegen werden die Nichtanerkennungsgründe gem. Art. 40 EuErbVO nur auf Einreden des Beklagten hin überprüft.356 In der EuGVVO wird dies durch die Art. 36 Abs. 2 sowie Art. 45 EuGVVO ausdrücklich klargestellt. Eine solche Normierung fehlt zwar in der EuErbVO. Das Erfordernis einer Einrede ergibt sich jedoch einerseits aus Art. 48 S. 1 EuErbVO, der eine Prüfung der in Art. 40 EuErbVO aufgelisteten Versagungsgründe im Vollstreckbarkeitsverfahren ausdrücklich verbietet, sodass für das Anerkennungsverfahren gleiches gelten muss,357 sowie andererseits aus dem in EG 59 EuErbVO deutlich werdenden Regelungsziel der Verordnung einer freien Zirkulierbarkeit von Entscheidungen durch deren gegenseitige Anerkennung. Zudem orientieren sich die Regelungen zur grenzüberschreitenden Anerkennung an der EuGVVO a. F.,358 die wiederum bereits ein beschleunigtes und vereinfachtes Anerkennungsverfahren anstrebte359 (vgl. EG 2 EuGVVO a. F.). 355  Bach, in: BeckOK/ZPO, ZPO, § 328, Rn. 49; Dörner, in: NK-Hk/ZPO, ZPO, § 328, Rn. 20; Gottwald, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 328, Rn. 7, 10; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 328, Rn. 33. Die Frage, ob § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ebenfalls von Amts wegen zu prüfen ist, wird hier nicht näher erläutert. 356  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 40, Rn. 1; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 40, Rn. 4; Schmidt, BeckOGK, EuErbVO, Art. 40, Rn. 8, a. A. Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 40, Rn. 3; differenzierend und für Art. 40 lit. b EuErbVO ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Anerkennungshindernis annehmend: Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 40, Rn. 7. 357  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 40, Rn. 8. 358  Di Cola, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 43, Rn. 1; Geimer, in: Zöller/ZPO, EuErbVO, Art. 1, Rn. 13; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 5, Rn. 1; Hess/Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 41; Lagarde, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Intro., Rn. 39 ff.; Müller-­Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 284; bereits zur EuErbVO-E: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 568, Rn. 65; siehe auch die Erläuterung zu Art. 27 EuErbVO-E, KOM(2009) 154 endg. v. 14.10.2009, Begr. 4.4. 359  Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 33, Rn. 73; Kropholler/ von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 1; Schärtl, in: JurisPK/ BGB, EuErbVO, Art. 40, Rn. 2; BGH, Beschluss v. 12.12.2007 – XII ZB 240/05, Rn. 23, IPRax 2008, 530 ff.; EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, Rn. 26.



§ 3  Entscheidung

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II.  Legaldefinition des Begriffs des Gerichts Ein zentraler Begriff der Legaldefinition der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO ist der des Gerichts.360 Nach dieser Norm ist eine Entscheidung i. S. d. EuErbVO „jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erbsache erlassene Entscheidung […]“. Die Definition der Entscheidung macht das Wesen der Entscheidung im verordnungsautonomen Sinne von dem Organ abhängig, von dem diese stammt.361 Dies führt, wie Schmidt zutreffend anmerkt, zu einer gewissen Zirkularität.362 Allerdings lässt sich die eigenständige Regelung in Art. 3 Abs. 2 EuErbVO damit erklären, dass er an verschiedenen Stellen der EuErbVO363 verwendet wird und stets dieselbe Legaldefinition zur einheitlichen Auslegung der Verordnungsbegriffe herangezogen werden soll. Nach Art. 3 Abs. 2 EuErbVO bezeichnet der Begriff „Gericht“ jedes Gericht und alle sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln, sofern diese anderen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten. Zudem müssen ihre Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sie tätig sind, vor einem Gericht angefochten oder von einem Gericht nachgeprüft werden können (lit. a) und vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in der gleichen Sache (lit. b). Die Definition differenziert somit zwischen den Gerichten im eigentlichen (formalen) Sinne und den sonstigen Autoritäten, die diesen unter gewissen Voraussetzungen gleichgestellt werden – und daher als Pendant zu Gerichten im formalen Sinne als Gerichte im funktionalen Sinne bezeichnet werden.364 Durch dieses weite Verständnis, das in EG 20 EuErbVO unterstrichen wird, sollen die verschiedenen nationalen Systeme und Verfahren im Rahmen der Nachlassabwicklung respektiert werden.365 360  Nikolaidis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 3, Rn. 21 f.; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 14; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 36. 361  Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 9; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 36. 362  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 14. 363  So z. B. neben Art. 3 Abs. 1 lit. g auch in lit. h, Art. 59 Abs. 2 und 3 sowie in jedem Artikel des zweiten Kapitels zur Zuständigkeitsregelung. 364  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 15. 365  Frimston, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25, 31; Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 46; J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 69; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19.

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Teil 1: Anwendungsbereich

Das Tatbestandsmerkmal „mit Zuständigkeiten in Erbsachen“, welches sich auf beide Arten von „Gerichten“ i. S. d. EuErbVO bezieht, ist weit auszulegen. Dies wird auch in EG 20 EuErbVO betont. Es ist keine spezielle oder ausschließliche Zuständigkeit für erbrechtliche Angelegenheiten gemeint, vielmehr soll eine generelle Kompetenz, die Erbsachen miteinbezieht, ausreichend sein.366

1.  Gericht im eigentlichen Sinne Zur ersten Kategorie der sogenannten Gerichte im eigentlichen Sinne gibt Art. 3 Abs. 2 EuErbVO selbst leider keine weiteren Hinweise: ein „Gericht“ ist schlicht „jedes Gericht“. Die nähere Umschreibung in EG 20 EuErbVO, dass hiermit „Gerichte im eigentlichen Sinne, die gerichtliche Funktionen ausüben“ gemeint sind, verdeutlicht immerhin, dass für die verordnungsautonome Qualifikation die ausgeübte Funktion des Organs maßgebend sein soll.367 Dies entspricht zudem ebenfalls der Einordnung im Rahmen der zweiten Kategorie, der Gerichte im funktionalen Sinne.368 Auch dort wird auf die Ausübung gerichtlicher Funktionen abgestellt. Es stellt sich jedoch weiterhin die Frage, inwiefern ein Gericht, das gerichtliche Funktionen ausübt, zu charakterisieren ist. Nach Schmidt sollen hierunter „alle dauerhaft eingerichteten Organe der Judikativen Staatsgewalt, die Rechtsfragen unabhängig, unparteiisch und auf der Grundlage eines geordneten Verfahrens potentiell rechtskräftig entscheiden“ erfasst werden.369 Diese Erläuterung entspricht weitestgehend den Kriterien auf die der EuGH abstellt, um nach Art. 267 AEUV vorlageberechtigte Gerichte zu bestimmen. Im Wege einer europarechtlich einheitlich-europäischen Auslegung erscheint es sinnvoll, sich an diesen Kriterien auch im Rahmen der EuErbVO zu orientieren.370 Der EuGH stellt in ständiger Rechtsprechung auf mehrere Kriterien ab, um zu bestimmen, ob ein vorlageberechtigtes Gericht im europäischen Sinne vorliegt.371 Derart erscheinen als maßgebliche Aspekte die „gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, Anwendung von Rechts366  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 563, Rn. 55 (zur EuErbVO-E); J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 16, 18; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 70, 72. 367  So auch Grau, in: FS Schilken, 2015, S. 3, 15. 368  Hierzu sogleich unter § 3 II. 2., S. 60 ff. 369  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 16. 370  So i. E. auch: Dutta, FamRZ 2013, 4, 4; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 1, Rn. 26; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 9; einen weiteren Gerichtsbegriff nach der EuErbVO als der des vorlageberechtigten Gerichts nach dem EuGH betonend: Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 767 f.; J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 15; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 51. 371  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 9.



§ 3  Entscheidung

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normen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit“.372 Ein streitiges Verfahren ist hingegen nicht erforderlich, vielmehr soll entscheidend sein, dass eine „Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter“ durch das Gericht getroffen wird.373 Weiterhin ist erforderlich, dass es sich um ein staatliches Gericht handelt. Indem der EuGH voraussetzt, dass es sich um eine „obligatorische Gerichtsbarkeit“ handeln soll, die zur „Anwendung von Rechtsnormen“ verpflichtet ist, lässt sich dieses Kriterium auch dieser Rechtsprechung entnehmen. Auf diese Weise wird garantiert, dass die Entscheidungen einen Ausfluss staatlicher Gerichtshoheit darstellen, wie es der EuGH auch seiner Definition der Entscheidung zugrunde legt.374 Infolgedessen werden Schiedsgerichte nicht als Gericht im europäischen Sinne verstanden.375 Unzweifelhaft stellen deutsche Gerichte, die in Erbsachen zuständig sind, d. h. die Amtsgerichte bzw. Landgerichte nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sowie die Amtsgerichte nach § 23a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 GVG, wie auch die Oberlandesgerichte gem. § 119 GVG und der Bundesgerichtshof (§ 133 GVG), Gerichte im eigentlichen Sinne dar.376 Indem das handelnde Gerichtsorgan kein Kriterium darstellt, ist es nicht von Bedeutung, ob ein Richterkollegium oder lediglich ein Einzelrichter handelt.377 Ebenfalls kann der Rechtspfleger, der gem. §§ 3 Nr. 2 lit. c, 16 RPflG für Nachlass- und Teilungssachen 372  EuGH, Urteil v. 27.4.1994, Rs. C-393/92, Gemeente Almelo u. a. ./. Energiebedrijf, Slg. 1994, I-01477, Rn. 21; EuGH, Urteil v. 17.9.1997, Rs. C-54/96, Dorsch Consult ./. Bundesbaugesellschaft Berlin, Slg. 1997, I-04961, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 14.6.2001, Rs. C-178/99, Salzmann, Slg. 2001, I-04421, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 15.1.2002, Rs. C-182/00, Lutz u. a., Slg. 2002, I-00547, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 27.4.2006, Rs. C-96/04, Standesamt Stadt Niebüll, Slg. 2006, I-03561, Rn. 12. 373  EuGH, Urteil v. 14.12.1971, Rs. C-43/71, Politi ./. Ministero delle finanze, Slg. 1971, 01039, Rn. 2 ff.; EuGH, Urteil v. 21.2.1974, Rs. C-162/73, Birra Dreher S. p. a. ./. Amministrazione delle finanze, Slg. 1974, 00201, Rn. 3; EuGH, Beschluss v. 18.6.1980, Rs. C-138/80, Borker, Slg. 1980, 01975, Rn. 4; EuGH, Urteil v. 17.5.1994, Rs. C-18/93, Corsica Ferries, Slg. 1994, I-01783, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 15.1.2002, Rs. C-182/00, Lutz u. a., Slg. 2002, I-00547, Rn. 13; EuGH, Urteil v. 27.4.2006, Rs. C-96/04, Standesamt Stadt Niebüll, Slg. 2006, I-03561, Rn. 13. 374  Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 8; vgl. hier nur EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. C-414–92, Solo Kleinmotoren ./. Boch, Slg. 1994, I-02237, Rn. 17 („Rechtsprechungsorgan eines Vertragsstaates […] das kraft seines Auftrags“); ausführlich zur Definition der Entscheidung o. S. 47 ff. 375  Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art.  3, Rn. 51 f.; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 24; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 9; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 46; Krop­ holler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 12; Mankowski, ZEV 2014, 395, 398 f.; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 903; Schmidt, in: IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26. 376  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 15. 377  Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVO a. F., Art. 32, Rn. 48.

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Teil 1: Anwendungsbereich

und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig ist, als formales Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO angesehen werden.378

2.  Andere Autoritäten als Gerichte Da in vielen Mitgliedstaaten auch Notare gerichtliche Funktionen ausüben, möchte die EuErbVO auch diesen ermöglichen, ihre Zuständigkeiten auszuüben. Dieses Regelungsziel wird explizit in EG 20 S. 1 EuErbVO festgehalten. Weiterhin soll laut EG 20 S. 2 EuErbVO die Bindung an die Zuständigkeitsregeln (Art. 4 ff. EuErbVO) davon abhängen, ob die Notare von der Bestimmung des Begriffs „Gericht“ im Sinne der Verordnung erfasst werden. Dementsprechend ermöglicht Art. 3 Abs. 2 EuErbVO, dass auch andere Autoritäten als Gerichte im funktionellen Sinne379 angesehen werden, sofern sie gewisse Voraussetzungen erfüllen, um sicherzustellen, dass ihre Funktion tatsächlich mit der eines Gerichts im eigentlichen Sinne vergleichbar ist und dass rechtstaatliche Standards gleichermaßen beachtet werden.380

a)  Gerichte im funktionalen Sinne Nach Art. 3 Abs. 2 EuErbVO sollen den Gerichten im eigentlichen Sinne „alle sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln“ gleichgestellt werden, sofern sie die unten zu erläuterten Voraussetzungen381 erfüllen. Hiervon sollen insbesondere Notare oder Registerbehörden erfasst werden, wie EG 20 S. 2 EuErbVO verdeutlicht. Grundvoraussetzung der Gleichstellung ist allerdings, dass die Autorität gerichtliche Funktionen ausübt oder sie in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht (im eigentlichen Sinne) oder unter Aufsicht eines solchen handelt. Da hierbei für die EuErbVO die ausgeübte Funktion entscheidend ist, werden diese Autoritäten auch Gerichte im funktionalen382 oder im funktionellen383 Sinne genannt. Den Gerichten im funktionalen Sinne sind die Gerichte im eigentlichen Sinne gegenüberzustellen.384 378  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 15; bereits zur EuGVVO a. F.: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 48; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 32, Rn. 9. 379  Vgl. zum Begriff J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Überschrift vor Rn. 48. 380  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 48. Vgl. hierzu auch EuGH, Urteil v. 23.5.2019, Rs. C-658/17, WB ./. Przemysława Bac, Rn. 49, 53. 381  S. u. unter § 3 II. 2. b), S. 63 ff. 382  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 15. 383  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Überschrift vor Rn. 48. 384  Siehe hierzu oben unter § 3 II. 1., S. 58 ff.



§ 3  Entscheidung

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Dass Art. 3 Abs. 2 EuErbVO bei der Gleichstellung primär auf die Ausübung gerichtlicher Funktionen abstellt, entspricht seiner Systematik, da auch zur Bestimmung eines Gerichts im eigentlichen Sinne maßgebend hierauf abzustellen ist. Aus diesem systematischen Zusammenhang lässt sich zudem auch der eher vage Ausdruck Ausübung gerichtlicher Funktionen erläutern: Hierzu wird zu prüfen sein, ob die fragliche Autorität Streitigkeiten durch Anwendung von Rechtsvorschriften entscheiden kann.385 Denn dies stellt das Wesensmerkmal der richterlichen Aktivität bzw. gerichtlichen Funktion dar.386 Indem Art. 3 Abs. 2 a. E. EuErbVO selbst auf ein Mindestmaß an „Bindungskraft“ der von einem Gericht im funktionalen Sinne erlassenen „Entscheidung“ abstellt, kann davon ausgegangen werden, dass die Ausübung gerichtlicher Funktionen nur bei Ausübung einer gewissen Entscheidungshoheit vorliegt.387 Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Ausübung gerichtlicher Funktionen voraus, „kraft eigener Befugnis über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheiden zu können“.388 Eine solche Entscheidungsbefugnis ist nicht gegeben, wenn die Befugnis des in Rede stehenden Angehörigen eines Rechtsberufs allein vom Willen der Beteiligten abhängt.389 Dementsprechend unterstreicht EG 20 S. 4 EuErbVO, dass der Begriff „Gericht“ i. S. d. Verordnung keinesfalls die „nichtgerichtlichen Behörden erfassen [soll], die nach innerstaatlichem Recht befugt sind, sich mit Erbsachen zu befassen, wie in den meisten Mitgliedstaaten die Notare, wenn sie, wie dies üblicherweise der Fall ist, keine gerichtlichen Funktionen ausüben“. Dies ist in Deutschland – wie regelmäßig in allen Ländern des lateinischen Notariatssystems – der Fall, da deutsche Notare (bzw. solche des lateinischen Notariats) grundsätzlich weder gerichtliche Funktionen ausüben noch in Ausübung einer Befugnisübertragung oder unter Aufsicht eines Gerichts handeln.390 Denkbar erscheint es, Notare als Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO anzusehen, wenn sie gem. § 23a Abs. 3 GVG in Teilungssachen nach § 342 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zuständig sind.391 Denn insoweit werden deutschen Notaren gerichtliche Aufgaben übertragen. 385 

Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 73. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 73. Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 35. 388  EuGH, Urteil v. 23.5.2019, Rs. C-658/17, WB ./. Przemysława Bac, Rn. 55. 389  EuGH, Urteil v. 23.5.2019, Rs. C-658/17, WB ./. Przemysława Bac, Rn. 55. 390  Álvarez Torné, YbIPL 14 (2012/2013), 409, 411 f.; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 20; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 16; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 11, Art. 3, Rn. 15; Hess, in: Dutta/ Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 131, 132, Rn. 2; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 31; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 224; J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 21; Wall, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 4, Rn. 18. 391  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 20; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 15, Art. 4, Rn. 11. 386  387 

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Teil 1: Anwendungsbereich

An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie eine solche Befugnisübertragung i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO ausgestaltet sein muss. In Betracht kommt eine grundsätzliche Aufgabenübertragung kraft Gesetzes oder eine spezielle Einzelfallübertragung. Der Wortlaut und das Telos von Art. 3 Abs. 2 EuErbVO legen eine besondere Übertragung nahe. Denn Art. 3 Abs. 2 EuErbVO fordert eine Befugnisübertragung „durch ein Gericht“,392 sodass eine gesetzmäßige Übertragung (wie durch § 23a Abs. 3 GVG) hierfür nicht ausreichend erscheint. Zudem stellt Art. 3 Abs. 2 EuErbVO die Befugnisübertragung mit der „Aufsicht eines Gerichts“ gleich. Letztere stellt allerdings zwingend eine konkrete Aufsicht dar. Dementsprechend muss auch die Befugnisübertragung konkret auf den jeweiligen Einzelfall bezogen sein. Folglich fordert Art. 3 Abs. 2 EuErbVO eine spezielle Befugnisübertragung durch ein Gericht für den jeweiligen Einzelfall, damit ein funktionales Gericht in diesem Sinne vorliegt.393 Infolgedessen sind auch die deutschen Notare, die in Teilungssachen nach § 23a Abs. 3 GVG i. V. m. § 342 Abs. 2 Nr. 1 FamFG handeln, nicht als Gericht im Sinne der EuErbVO anzusehen. Im Gegensatz hierzu handeln beispielsweise französische Notare aufgrund einer ausdrücklichen Befugnisübertragung durch das Gericht, wenn sie gem. Art. 841 Code civil und Art. 1361 Code de procédure civile zur Abwicklung eines vorliegenden Erbfalls berufen werden.394 Vorwiegend wird Art. 3 Abs. 2 EuErbVO dazu dienen, Notare als „sonstige Behörden“ („autre autorité“/„other authorities“), die gerichtliche Funktionen ausüben, qualifizieren zu können. Denn in vielen Mitgliedstaaten sind Notare in gewissen Erbsachen (insb. zur Erstellung eines Erbnachweises) ausschließlich zuständig, beispielsweise in Frankreich, Estland, Ungarn, Tschechien sowie in den Niederlanden.395 In anderen nationalen Rechtsordnungen sind sie zudem neben den Gerichten zuständig – wie z. B. in Spanien, Italien, Polen oder Portugal.396 Hervorzuheben ist allerdings, dass die EuErbVO den Notaren in diesen Mitgliedstaaten ermöglichen möchte, ihre erbrechtlichen Tätigkeiten auszuüben (vgl. EG 21 S. 1 EuErbVO). Ob sie als Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO handeln, soll allein für die Anwendung der Zuständigkeitsregeln bedeutsam sein, wie EG 21 S. 2 EuErbVO unterstreicht.397 Des Weiteren bedeutet 392 

Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 76. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 76. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 77; vgl. hierzu auch Le Guidec, Partage judiciaire, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 840–842, Fasc. unique, Rn. 18 f. 395  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 526; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 31; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 224, Fn. 191. 396  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 526; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 31; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 224, Fn. 191. Zur Qualifikation eines polnischen notariellen Erbscheins: EuGH, Urteil v. 23.5.2019, Rs. C-658/17, WB ./. Przemysława Bac, Rn. 71. 397  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 18, 22; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 31. 393  394 



§ 3  Entscheidung

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ihre Qualifikation als Gericht im verordnungsautonomen Sinne nicht zwingend, dass ihre Handlungen automatisch als Entscheidungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO anzusehen sind.398 Vielmehr müssen die oben399 erläuterten Voraussetzungen einer Entscheidung im verordnungsautonomen Sinne ebenfalls vorliegen; auch kommt eine Qualifikation als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO häufig in Betracht.

b)  Voraussetzungen der Gleichstellung Zwar stellt Art. 3 Abs. 2 EuErbVO die funktionellen Gerichte den Gerichten im eigentlichen Sinne gleich, normiert hierzu allerdings einige Bedingungen. Zunächst muss auch bei den funktionalen Gerichten ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit sichergestellt sein.400 Hierzu schreibt Art. 3 Abs. 2 EuErbVO vor, dass „diese anderen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten“ müssen. Schmidt verweist diesbezüglich auf die allgemeinen Grundsätze sowie auf Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta.401 Gemäß letzterem hat „jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen […] Gericht […] verhandelt wird“. Insoweit entspricht der Wortlaut zudem Art. 6 der EMRK, auf welchen Wautelet sich bezieht, da dieser nach der Rechtsprechung des EGMR auch auf Notare anwendbar ist.402 Nach dem EGMR sei das der fraglichen Entscheidung zugrundeliegende Erbauseinandersetzungsverfahren vor den französischen Notaren so eng mit dem gerichtlichen Verfahren verbunden gewesen, dass eine Trennung der beiden Verfahren zur Überprüfung der Einhaltung des Art. 6 EMRK nicht möglich gewesen sei, sodass auch die Notare den Anforderungen des Art. 6 EMRK unterlägen.403 Es ist davon auszugehen, dass Notare aller Mitgliedstaaten die allgemeinen Prozessstandards, namentlich ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör, bereits aufgrund berufsethischer Regelungen einhalten.404 Weiterhin setzt Art. 3 Abs. 2 lit. a EuErbVO voraus, dass die Entscheidungen des fraglichen funktionalen Gerichts vor einem formalen Gericht angefochten oder von einem formalen Gericht nachgeprüft werden können. Auf diese Weise 398 So auch Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art.  3, Rn. 42; Schmidt, in: IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 23. 399  Vgl. o. unter § 3 I., S. 46 ff. 400  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 32. 401  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 51. 402  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 78 m. w. N. in Fn. 99. 403  EGMR, Urteil v. 28.11.2000, Siegel c. France, n°36350/97, Rn. 38; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 78, Fn. 99. 404  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 78; vgl. auch Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 34 („die lateinische Notare kennzeichnende Pflicht zur Unparteilichkeit“).

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Teil 1: Anwendungsbereich

beaufsichtigt beispielsweise das französische Gericht gem. Art. 1364 Code de procédure civile die von ihm auf den Notar übertragenen Aufgaben.405 Zur Gleichstellung der funktionalen Gerichte mit den Gerichten im eigentlichen Sinne verlangt Art. 3 Abs. 2 lit. b EuErbVO ferner, dass die Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das Gericht tätig ist, „vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkungen haben wie eine Entscheidung eines Gerichts [im eigentlichen Sinne] in der gleichen Sache“. Nicht erforderlich ist demnach, dass den fraglichen Entscheidungen tatsächlich dieselbe Rechtskraft zukommt wie Entscheidungen eines formalen Gerichts nach der ersten Kategorie. Es handelt sich vielmehr um eine vergleichbare Wirkung „im Sinne von funktionaler Äquivalenz“.406 Dies wird in der französischen Sprachfassung deutlicher, da diese hier nicht den Terminus Rechtskraft (autorité de la chose jugée407) verwendet, sondern von force et effet équivalents spricht. Auf diese Weise wird das Erfordernis gleichartiger Folgen bzw. Wirkungen mehr hervorgehoben. Problematisch ist an dieser Stelle, dass im lateinischen Notariat die „Entscheidungen“ von Notaren meistens keine der Rechtskraft vergleichbare Wirkungen entfalten.408 Gerade dies ist eines der maßgeblichen Unterschiede zwischen notariellen Akten und Entscheidungen eines Gerichts mit res judicata-Wirkung. Folglich werden Notare in Ländern des lateinischen Notariats die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 lit. b EuErbVO regelmäßig nicht erfüllen und demnach weder durch die Zuständigkeitsregeln des zweiten Kapitels gebunden sein noch können ihre Handlungen Entscheidungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO darstellen. Ihre erlassenen Akte können allerdings öffentliche Urkunden gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO darstellen und nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in anderen Mitgliedstaaten Wirkungen entfalten. Dies hebt EG 22 EuErbVO nachdrücklich hervor.409

III. Zwischenergebnis Die Legaldefinition einer Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO verlangt also, dass eine „Entscheidung“ eines an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaates in einer „Erbsache“ vorliegt, welche durch ein Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO erlassen wurde. Die Merkmale des „Mitgliedstaats“ und der „Erbsache“ sind auch in der Legaldefinition einer öffentlichen Urkunde gem. 405 

Le Guidec, Partage judiciaire, in: JurisClasseur Civil Code, Art. 840–842, Fasc. unique, Rn. 17 ff., 22; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 79. 406  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 3, Rn. 53. 407  Siehe hierzu Germelmann, Rechtskraft in der EU, S. 106 ff.; Karila de Van/Gerbay, Chose jugée, Rép. civ. Dalloz, Rn. 1 ff. 408  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 80; siehe auch Van Boxstael, Rev. not. belge 2012, 838, 842 (insb. zum belgischen Notar). 409 Siehe hierzu auch M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 19.



§ 3  Entscheidung

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Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO enthalten.410 Beide Begriffe sind als Verordnungsbegriffe im Rahmen beider Legaldefinitionen einheitlich auszulegen. Der verordnungsautonome Begriff der „Entscheidung“ ist grundsätzlich weit zu verstehen.411 Maßgeblich ist, dass ein staatliches Rechtsprechungsorgan selbst kraft seines Auftrages ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien durch eine Anordnung mit Außenwirkung regelt. Die Entscheidung muss auf einem Willensentschluss des Gerichts beruhen, nicht hingegen lediglich auf einer Deklaration des Parteiwillens. Der Streitgegenstand muss unmittelbar auf einem Erbfall beruhen, sodass erbrechtliche Regelungen die rechtliche Grundlage des Rechtsstreits sind und es sich um eine Entscheidung „in einer Erbsache“ handelt. Damit eine Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO vorliegt, muss diese von einem Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO stammen.412 Die Verordnung kennt zwei Arten von „Gerichten“: Das Gericht im eigentlichen und im funktionalen Sinne. Die erste Kategorie der Gerichte im eigentlichen Sinne umfasst alle dauerhaft eingerichteten Organe der Judikative, die unabhängig und auf Grundlage eines geordneten Verfahrens durch Anwendung von Rechtsvorschriften Rechtsstreitigkeiten beenden.413 Darüber hinaus erfasst die Verordnung auch andere Autoritäten als sogenannte Gerichte im funktionalen Sinne, worunter insbesondere Notare fallen können.414 Diese stellen jedoch nur „Gerichte“ i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO dar, wenn sie gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer speziellen Befugnisübertragung durch ein Gericht im eigentlichen Sinn oder unter Aufsicht eines solchen handeln. Ferner muss auch vor solchen „Gerichten“ ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit, d. h. vor allem Unparteilichkeit, gegeben sein. Weitere Voraussetzungen sind gem. Art. 3 Abs. 2 lit. a EuErbVO,415 dass die Entscheidung vor einem Gericht im eigentlichen Sinn angefochten oder nachgeprüft werden kann, sowie gem. Art. 3 Abs. 2 lit. b EuErbVO,416 dass der Entscheidung nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das „Gericht“ tätig ist, eine derartige Bindungswirkung zukommt, die mit Entscheidungen eines Gerichts im eigentlichen Sinn vergleichbar ist.

410  Zum Begriff des Mitgliedstaats siehe unter § 3 I. 3., S. 55 ff. Zum Begriff der Erbsache siehe unter § 3 I. 2, S. 50 ff. 411  Hierzu und zum Folgenden unter § 3 I. 1., S. 47 ff. 412  Siehe hierzu unter § 3 II., S. 57 ff. 413  Hierzu unter § 3 II. 1., S. 58 ff. 414  Hierzu unter § 3 II. 2., S. 60 ff. 415  Hierzu unter § 3 II. 2. a), S. 60 ff. 416  Hierzu unter § 3 II. 2. b), S. 63 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins Wie nationale Erbnachweise unter der Geltung der EuErbVO behandelt werden sollen, ist – anders als die oben erläuterten eindeutig zuzuornenden Beispiele von öffentlichen Urkunden417 oder Entscheidungen418 – nicht zweifelsfrei zu beantworten. Im Folgenden soll anhand des Beispiels des deutschen Erbscheins gem. § 2353 BGB der Frage nach der verordnungsautonomen Qualifikation nationaler Erbnachweise nachgegangen werden. In Betracht kommt einerseits eine Einordnung als Entscheidung gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO, sodass nationale Erbnachweise wie gerichtliche Entscheidungen insbesondere von der vereinfachten Anerkennung nach Art. 39 ff. EuErbVO profitieren könnten. Andererseits könnten nationale Erbnachweise, werden sie als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO qualifiziert, der in Art. 59 EuErbVO neu geregelten Annahme unterfallen. Vor dem sich hier stellenden Problem der verordnungsautonom vorzunehmenden Qualifikation (II.) stellt sich die Frage, inwieweit nationale Erbnachweise unter Geltung der EuErbVO relevant sind (I.).

I.  Erbnachweise in der EuErbVO Im Anwendungsbereich der EuErbVO stellt sich die Frage, ob nationale Erbnachweise, die nach einem mitgliedstaatlichen nationalen Recht erlassen wurden, überhaupt noch bestehen oder ob diese durch das neue Europäische Nachlasszeugnis verdrängt werden.

1.  Das Europäische Nachlasszeugnis a)  Grundzüge des Europäischen Nachlasszeugnisses Die EuErbVO sieht erstmalig im europäischen Raum die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: ENZ) vor. Die Idee eines solchen Zeugnisses findet sich bereits in Art. 1 des Haager Übereinkommens vom 2.10.1973 über die internationale Nachlassverwaltung419.420 Das Übereinkom417  418 

Vgl. oben unter § 2 IV. 2. a), S. 35 ff. Vgl. oben unter § 3 I. 2., S. 53 ff. 419  Abrufbar unter: (letzter Aufruf am 14.9.2019). Der Text des Abkommens ist abgedruckt bei: Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Vorb. zu Art. 25 f., Rn. 128. 420  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 306 f. (die Autoren schlugen in dieser Studie eine europäische „lettre de vérification“ vor, vgl. S. 305 ff.); Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 7; Dorsel, in: Geimer/Schütze,



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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men bezweckt, u. a. durch ein in allen Vertragsstaaten anzuerkennendes Nachlassabwicklungszeugnis, eine Vereinheitlichung der internationalen Nachlassverwaltung.421 Indem das Übereinkommen sich allein mit der Verwaltung und Abwicklung von beweglichen Nachlässen beschäftigt, soll das Zeugnis auch allein verfügungsberechtigte Personen und deren Befugnisse bekunden422 – über die Erben gibt es keinen Nachweis (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens).423 Diese begrenzte Nachweisfunktion wird zum Misslingen des Übereinkommens beigetragen haben.424 Zudem mangelte es zu dieser Zeit noch an speziellen erbrechtlichen Kollisionsregeln, sodass die ausstellende Autorität nur schwerlich das im konkreten Fall anwendbare Recht determinieren konnte und das internationale Zeugnis nach dem Übereinkommen folglich – wohl insbesondere aufgrund dessen – keinen Erfolg hatte.425 Das Scheitern des Haager Übereinkommens vom 2.10.1973 zeigt sich auch in der (sehr geringen) Zahl der beigetretenen Vertragsstaaten: in Kraft ist das Übereinkommen lediglich in Portugal, der Slowakei und in der Tschechischen Republik.426 Die EuErbVO sieht – aus diesen Erfahrungen folgernd – in einem eigenen Kapitel VI „Europäisches Nachlasszeugnis“ ausgiebige Regelungen (Art. 62–73 EuErbVO) für ein umfassendes Zeugnis vor. Sinn und Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses ist, wie EG 67 S. 1 der Verordnung verdeutlicht, dass „Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sein sollten, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Vor Art. 62, Rn. 2; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 1; Grau, in: Bönders/Dorf/Müller, Kompetenz und Verantwortung, S. 477, 486; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 743; Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 725; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 5; Padovini, in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, S. 151, 152; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3; Revillard, Droit international privé et européen: Pratique notariale, Rn. 1155; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 74; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 4, 6; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3. 421  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 296; Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 7. 422  Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Vorb. zu Art. 25 f., Rn. 122; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 1; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 744 f.; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 6; Süß, ZEuP 2013, 725, 728. 423  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 307. 424  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 307; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 744 f.; Padovini, in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, S. 151, 153; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 4; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3. 425  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 297, 306; Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 7; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 744 f.; Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 725; Padovini, in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, S. 151, 153 ff.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 4; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3. 426  Vgl. hierzu die Statustabelle des HCCH abrufbar unter: (letzter Aufruf am 14.9.2019).

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Teil 1: Anwendungsbereich

einem anderen Mitgliedstaat […] einfach nachzuweisen“, da dies Voraussetzung für eine „zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Union“ ist. Den Zweck des ENZ regelt in diesem Sinne explizit Art. 63 EuErbVO. Es soll vorwiegend in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten einheitlich als Legitimation der Erbfolge dienen.427 Überdies soll das Zeugnis die widerlegliche Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit seines Inhalts erbringen sowie gutgläubige Dritte, an die der als Erbe im Zeugnis benannte leistet oder von diesem einen zum Nachlass gehörenden Gegenstand erwerben, schützen.428 Das ENZ entfaltet somit sowohl Beweis-, als auch Legitimations- und Gutglaubenswirkung.429 Alle Wirkungen des ENZ werden in Art. 69 EuErbVO geregelt. Indem das ENZ nicht nur die Erbfolge und Testamentsvollstreckung nachweisen soll, sondern auch die Nachlassverwaltung sowie Vermächtnisse betreffen kann, ist es weitreichender als der deutsche Erbschein gem. § 2353 BGB.430 Letzterer lässt sich als ein im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Nachlassgericht nach dem Erbfall, aber auf den Zeitpunkt des Erbfalls dem oder den Erben auf Antrag erteiltes Zeugnis definieren, welches bei Vorhandensein mehrerer Erben Angaben über die Größe des Erbteils enthält und ferner auch die Anordnung einer Nacherbschaft und die Ernennung eines Testamentsvollstreckers angeben muss, soweit sie die Verfügungsmacht des oder der Erben beschränken.431 Ein maßgeblicher Unterschied zwischen dem deutschen Erbschein und dem ENZ liegt außerdem darin, dass die Gutglaubenswirkung des ENZ bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit gem. Art. 69 Abs. 3 und 4 EuErbVO entfällt, wohingegen der deutsche § 2366 BGB (ggf. i. V. m. § 2367 BGB) positive Kenntnis der Unrichtigkeit verlangt.432

427  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 726; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 92; Süß, ZEuP 2013, 725, 745; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 430. 428  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 726; Süß, ZEuP 2013, 725, 745. 429  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 13; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 2; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Vor Art. 62 ff., Rn. 4; Rechberger/Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 48; Süß, ZEuP 2013, 725, 745. 430  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 12; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 354 ff.; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 430. 431  Muscheler, JURA 2009, 329, 330. 432  Vgl. hierzu auch Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 25; Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 14; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 23; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 32, 47; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 292; Süß, ZEuP 2013, 725, 745; Wall, ZErb 2015, 9, 15.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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b)  Beschränkung des ENZ auf grenzüberschreitende Erbfälle Weiterhin ist zu beachten, dass das ENZ gem. Art. 62 Abs. 1 EuErbVO allein zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat (i. S. d. EuErbVO)433 ausgestellt wird und die in Art. 69 EuErbVO aufgeführten Wirkungen entfaltet. Demnach kann einzig bei grenzüberschreitenden Erbfällen ein ENZ beantragt (Art. 65 EuErbVO) und ausgestellt (Art. 67 EuErbVO) werden.434 Um einen grenzüberschreitenden Erbfall handelt es sich dabei zweifelsfrei, wenn Nachlassvermögen bzw. -gegenstände in mehr als einem Mitgliedstaat belegen sind.435 An einem grenzüberschreitenden Bezug soll es zwar fehlen, wenn bloß der Antragsteller seinen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat, der nicht der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers war, in welchem auch alle Nachlassgegenstände belegen sind.436 Kann solch ein Antragsteller jedoch seine Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat plausibel darlegen, z. B. weil er gegenüber einer bestimmten Behörde oder Person seine Erbenstellung nachweisen möchte, handelt es sich wiederum um einen hinreichenden grenzüberschreitenden Bezug des Erbfalls.437 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Antragsteller zum Nachlass gehörende Sachen ins Ausland verbringen und veräußern will und sich hierfür legitimieren muss.438 Lagarde wendet ein, dass nicht ersichtlich sei, warum das ENZ nicht stets beantragt werden könne,439 d. h. sowohl bei grenzüberschreitenden als auch bei rein innerstaatlichen Erbfällen. Denn auch wenn sich ein Sachverhalt im Zeitpunkt des Antrags eines Erbnachweises als reiner Inlandssachverhalt darstellt, könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser später doch Auslandsbezüge aufweise.440 Aus diesem Grund solle von vornherein immer ein ENZ beantragt werden können, der eine evtl. grenzüberschreitende Abwicklung einer Erbsache 433  434 

Hierzu ausführlich o. unter § 2 II. 1., S. 17 ff. und § 3 I. 3., S. 55 ff. So auch Dorsel, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Vor Art. 62, Rn. 8; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 63, Rn. 20; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 63, Rn. 2; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 746; Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 8 f.; Lange, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 161, 175, Rn. 47; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 344; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 27 f.; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 42; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 80; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397; Süß, ZEuP 2013, 725, 737; Vollmer, ZErb 2012, 227, 233; Wall, ZErb 2015, 9, 12. 435  Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 9, Art. 63, Rn. 16; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 43. 436  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 746; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 9, Art. 63, Rn. 16; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 43. 437  Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 63, Rn. 16; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 28. 438  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 63, Rn. 20. 439  Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 726. 440  Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 726.

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Teil 1: Anwendungsbereich

vereinfache. Zudem würde auf diese Weise das Risiko eines Konflikts zwischen einem nationalen Erbnachweis und einem ENZ reduziert.441 Dies erscheint jedoch nicht überzeugend. In reinen Inlandsfällen sind weiterhin allein nationale Erbnachweise zu erteilen.442 In solchen Fällen die Ausstellung eines ENZ zu verlangen wäre zudem nicht zulässig. Andernfalls würde ein ENZ Ländern die derzeit keinen vergleichbaren nationalen Nachweis kennen, einen solchen aufzwingen.443 Dies würde jedoch dem in Art. 5 Abs. 3 EUV verankerten unionsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip widersprechen.444 Nach diesem für alle nicht ausschließlichen Kompetenzen der Union – d. h. die nicht in Art. 3 AEUV genannten und daher insbesondere für die Rechtsetzung – geltenden Prinzip,445 darf die Union nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht ausreichend verwirklicht werden können (sog. Negativkriterium) und diese wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind (sog. Positivkriterium).446 Dass eine Unionsregelung, welche die nationalen Nachweise vollständig ersetzen würde, gemessen an den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 EUV nicht erforderlich ist, verdeutlicht auch der EG 67 S. 3 EuErbVO. An dieser Stelle wird betont, dass das ENZ „entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip nicht die innerstaatlichen Schriftstücke ersetzen [sollte], die gegebenenfalls in den Mitgliedstaaten für ähnliche Zwecke verwendet werden“. Denn zur Erreichung des Regelungsziels der EuErbVO, den Erbnachweis im europäischen Raum zu vereinfachen, um eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung von Erbsachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu ermöglichen (vgl. EG 67 S. 1 EuErbVO), ist ein ENZ mit ausschließlichem Charakter bzw. mit einer Sperrwirkung gegenüber nationalen Nachweisen, nicht erforderlich.447 Vielmehr profitieren nationale Erbnachweise im europäischen Raum von einer freien Zirkulierbarkeit nach Art. 59 EuErbVO. Sollte also nach Ausstellung eines nationalen Erbnachweises später – möglicherweise unerwartet – das Bedürfnis einer grenzüberschreitenden Verwendung entstehen, wie Lagarde 441 

Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 726. Buschbaum/M. Kohler, GPR 2010, 210, 210 = M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 633; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 746; Rechberger, ÖJZ 2012, 14, 17 f.; wohl auch Süß, ZEuP 2013, 725, 737. 443  Süß, ZEuP 2013, 725, 737. 444 So Süß, ZEuP 2013, 725, 737. Zur Begründung eines Nebeneinanders des ENZ und der nationalen Nachweise auf das Subsidiaritätsgebot verweisend: Buschbaum/M. Kohler, GPR 2010, 210, 210 = M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 633; Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 598. 445  Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 3, Rn. 32; Streinz, in: Streinz, EUV/ AEUV, EUV, Art. 5, Rn. 22. 446  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, EUV, Art. 5, Rn. 30 ff.; Hobe, Europarecht, § 7, Rn. 220; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, EUV, Art. 5, Rn. 26. 447  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 17. 442 



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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dies als Argument gegen eine Beschränkung des ENZ auf grenzüberschreitende Erbfälle einwendet,448 ist dies durchaus auch ohne ENZ möglich. Die Vereinfachung und Beschleunigung der Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle, eines der Hauptziele der EuErbVO (vgl. EG 67 S. 1 EuErbVO), wird daher nicht vernachlässigt. Ganz im Gegenteil wird durch die Freizügigkeit nationaler Erbnachweise, die durch die EuErbVO ebenfalls gefördert wird (vgl. EG 22 S. 1 EuErbVO), die grenzüberschreitende Abwicklung von Erbfällen vereinfacht. Die Beschränkung des Europäischen Nachlasszeugnisses auf grenzüberschreitende Fälle unter Ausschluss rein innerstaatlicher Fälle ist somit sachgerecht. Ferner entspricht es der beschränkten Gesetzgebungskompetenz des Unionsgesetzgebers nach Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV (worauf die EuErbVO gestützt wird, vgl. EG 2 EuErbVO) den Anwendungsbereich des neuen ENZ, wie den der gesamten Verordnung, ausschließlich auf grenzüberschreitende Fälle zu beziehen.449 Die in Art. 81 Abs. 2 AEUV aufgelisteten Kompetenztitel beziehen sich auf die „Zwecke des Absatzes 1“ (vgl. Art. 81 Abs. 2 AEUV).450 Hieraus ergibt sich der grenzüberschreitende Bezug als Begrenzung der Unionskompetenz,451 da Art. 81 Abs. 1 AEUV ausdrücklich die Entwicklung einer „justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug“ vorsieht. Auch der Wortlaut des Art. 62 Abs. 1 EuErbVO geht in Hinblick auf das Europäische Nachlasszeugnis ausdrücklich von der „Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat“ aus, somit zweifelsfrei von einem grenzüberschreitenden Erbfall. Des Weiteren ist gem. Art. 65 Abs. 3 lit. f EuErbVO im Antrag auf ein ENZ der beabsichtigte Zweck des Zeugnisses nach Art. 63 EuErbVO anzugeben. Art. 63 Abs. 1 EuErbVO bestimmt den Zweck des ENZ als zur Verwendung durch Erben, durch Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und durch Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre jeweiligen Rechte oder Befugnisse ausüben müssen. Folglich hat der Antragsteller bereits zum Zeitpunkt des Antrags des ENZ dessen grenzüberschreitende Verwendung anzugeben.452 Auch hieraus ergibt sich somit logisch zwingend, dass das ENZ nur für grenzüberschreitende Fälle vorgesehen ist. 448 

S. o. unter § 4 I. 1. b), S. 69. Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Nordmeier, in: NK/ BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 11 f., 27; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 14; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 293; Süß, ZEuP 2013, 725, 737. 450  Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV, Art. 81, Rn. 10. 451  Leible, in: Streinz, EUV/AEUV, AEUV, Art. 81, Rn. 7; Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, AEUV, Art. 81, Rn. 11. 452  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 598; Buschbaum/Simon, Rpfleger 2015, 444, 445; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 63, Rn. 2; Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 62, 2; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, 449 

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Teil 1: Anwendungsbereich

Überdies erscheint dieser eindeutige Wortlaut in Art. 62 und 63 EuErbVO bewusst vom Unionsgesetzgeber gewählt. Der diesen Artikeln zugrundeliegende Art. 36 Nr. 1 S. 1 EuErbVO-E lautete: „Mit der Verordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, das als Nachweis der Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer und der Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Fremdverwalter gilt“. Der Kommissionsvorschlag setzte also noch keinen grenzüberschreitenden Bezug voraus.453 Bereits in dem ersten Berichtsentwurf des Berichterstatters Lechner für den Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments zur EuErbVO-E findet sich die Änderung des Textes in „mit dieser Verordnung wird für grenzüberschreitende Zwecke ein [ENZ] eingeführt“.454 Die Präzisierung des grenzüberschreitenden Bezugs des ENZ, wie sie heute in Art. 62 Abs. 1 EuErbVO steht, entspricht dem Änderungsantrag des Europäischen Parlaments.455 Da der Unionsgesetzgeber diese Voraussetzung ausdrücklich noch in den Gesetzestext aufgenommen hat, lässt sich daraus schließen, dass es sich um eine bewusste Entscheidung des Unionsgesetzgebers handelt.456 Folglich sprechen sowohl Wortlaut als auch Gesetzgeberwille für eine Beschränkung des ENZ auf grenzüberschreitende Erbfälle. Wollte man das ENZ auch auf reine Inlandsfälle anwenden, müsste Art. 62 Abs. 1 EuErbVO gegen seinen ausdrücklichen Wortlaut ausgelegt werden oder eine Analogie erwägt werden. Eine Analogie setzt allerdings eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Hier fehlt es bereits an einer unbewussten Regelungslücke. Der Unionsgesetzgeber hat ausdrücklich und bewusst Art. 62, Rn. 9; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 344; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 44; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 87; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 293; Süß, ZEuP 2013, 725, 737 f.; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 430; a. A. Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2. 453  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Lange, DNotZ 2012, 168, 174; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 344; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 42; Rechberger, ÖJZ 2012, 14, 17. 454 Entwurf eines Berichts zur ersten Lesung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (KOM[2009]0154 – C7–0236/2009 – 2009/0157 [COD]), Berichterstatter Lechner, 23.2.2011, abrufbar unter: (letzter Aufruf am 14.9.2019), S. 43. 455 Bericht zur ersten Lesung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (COM[2009]0154 – C7–0236/2009 – 2009/0157 [COD]), Berichterstatter Lechner, 6.3.2012, S. 46. 456  So auch Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 23.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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in Art. 62 Abs. 1 EuErbVO die „Verwendung [des ENZ] in einem anderen Mitgliedstaat“ normiert. Dies verdeutlicht insbesondere die soeben erläuterte Änderung des Art. 36 Nr. 1 S. 1 EuErbVO-E. Daher kann die Vorschrift weder entgegen Wortlaut und Gesetzgeberwille ausgelegt noch im Wege einer Analogie auf innerstaatliche Fälle angewandt werden. Auch das Telos des Europäischen Nachlasszeugnisses zielt auf seine Verwendung in grenzüberschreitenden Fällen ab. Denn die Grundkonzeption des ENZ besteht daraus, den Berichtigten eine Erleichterung zu ermöglichen, wenn sie ihren Status bzw. ihre Rechte in einem anderen Mitgliedstaat gelten machen (vgl. Art. 62 Abs. 1 und EG 67 S. 1 EuErbVO).457 Folglich entspricht es sowohl dem Wortlaut der EuErbVO als auch dem Gesetzgeberwillen und der Ratio des ENZ, dass dieses allein bei grenzüberschreitenden Erbfällen gilt. Fehlt hingegen ein grenzüberschreitender Bezug, kommen allein mitgliedstaatliche nationale Nachweise zur Anwendung.458

2.  Verhältnis des Europäischen Nachlasszeugnisses zu nationalen Erbnachweisen Fraglich erscheint durch die Neuregelung, ob das Europäische Nachlasszeugnis gem. Art. 62 ff. EuErbVO die bereits existierenden nationalen Erbnachweise, wie z. B. den deutschen Erbschein nach § 2353 BGB, bei grenzüberschreitenden Fällen verdrängt oder diese auch dann weiterhin von Bedeutung sind. Von der EuErbVO selbst wird das Verhältnis nationaler Nachweise zum ENZ nicht geregelt.459 Dass bei reinen Inlandssachverhalten die Ausstellung eines ENZ nach Art. 62 Abs. 1 i. V. m. Art. 65 EuErbVO nicht in Betracht kommt, wurde bereits erläutert.460 In solchen innerstaatlichen Fällen sind weiterhin stets allein die nationalen Erbnachweise, z. B. ein deutscher Erbschein gem. § 2353 BGB oder der französische acte de notoriété nach Art. 730‑1 ff. Code civil, maßgebend. Es stellt sich somit an dieser Stelle die Frage, ob nationale Erbnachweise bei grenzüberschreitenden Fällen unter Geltung der EuErbVO durch das ENZ vollständig verdrängt werden, d. h. einzig das ENZ als grenzüberschreitender Erbnachweis eingesetzt werden kann (a) oder ob die Verordnung vielmehr ein Ne457  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Fornasier, in: Dutta/Weber, Int­ ErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 1; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 9; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 390. 458  So ausdrücklich auch Dorsel, ZErb 2014, 212, 219; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 344; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 52; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 390; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 293. 459  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 749; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 50. 460  S. o. unter § 4 I. 1. b), S. 69 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

beneinander von nationalen Erbnachweisen und dem neu geschaffenen ENZ regelt (b).

a)  Verdrängung nationaler Erbnachweise durch das ENZ Gegen die Geltung nationaler Erbnachweise im Anwendungsbereich der EuErbVO wird zum Teil mit Gründen der Rechtssicherheit argumentiert.461 Die Regeln zum ENZ im sechsten Kapitel der Verordnung sollten als abschließende Spezialvorschriften aufgefasst werden.462 Infolgedessen würde die EuErbVO nationale Erbnachweise nicht erfassen. In grenzüberschreitenden Fällen wäre nur das Europäische Nachlasszeugnis nach Art. 62 ff. EuErbVO von Belang, denn das ENZ würde als spezielles europäisches Regelungswerk nationale Nachweise vollständig verdrängen. Eine Zirkulation nationaler Erbnachweise würde weder durch eine Anerkennung nach Art. 39 EuErbVO noch im Wege einer Annahme nach Art. 59 EuErbVO in Betracht kommen.463 Hiervon unberührt soll jedoch die Beurteilung von Rechtswirkungen eines fremden nationalen Erbnachweises nach nationalem autonomem Recht bleiben.464 Hierfür wird als systematisches Argument ein Vergleich zwischen den Regelungen bezüglich öffentlicher Urkunden und der zum ENZ eingebracht. Denn der Unionsgesetzgeber habe im fünften Kapitel keine Regelung zum Registerzugang öffentlicher Urkunden getroffen. Hinsichtlich des ENZ sieht Art. 69 Abs. 5 EuErbVO indes vor, dass das Zeugnis ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaates darstellt. Indem die EuErbVO somit die Wirkungen des ENZ vollumfänglich regelt und in Bezug auf öffentliche Urkunden darauf verzichtet, werde deutlich, dass das Europäische Nachlasszeugnis den grenzüberschreitenden Erbnachweis abschließend regeln soll.465 461  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 57; i. E. auch Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16. 462  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 57; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 267; Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 37; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 39, Rn. 7, Art. 59, Rn. 16; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 4; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26. 463  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 57 mit Verweis auf Dörner, ZEV 2012, 505, 512 der allerdings aufgrund der mangelnden Kenntnis der Wirkungen nationaler Zeugnisse sowohl eine Anerkennung als auch eine Annahme nach der EuErbVO ablehnt; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 62, Rn. 16; Schall/Simon, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26. 464  Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 267; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18. 465  Zum Ganzen Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 37; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26. Ferner Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 41.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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Für die Nichterfassung nationaler Erbnachweise durch die EuErbVO spreche weiterhin, dass nur auf diese Weise ein Verstärken der bereits bestehenden Ungleichheiten zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten verhindert werden könne.466 Die EuErbVO habe mit dem Europäischen Nachlasszeugnis ein „besonderes einheitliches Rechtsinstitut“ für die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung vorgesehen, anstatt die Zirkulation der vielfältigen nationalen Erbnachweise qua Anerkennung oder Annahme zu fördern.467 Bereits zur EuErbVO-E wurde vertreten, dass angesichts der Regelung des neuen ENZ, „die Zulassung der allgemeinen ‚Zirkulation‘ nationaler Erbscheine jedoch unnötig“ erscheine.468 Ungleichheiten zwischen den einzelnen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen bestehen dabei sowohl hinsichtlich des Nachweisausstellers und der durchgeführten Prüfung vor Ausstellung des Nachweises sowie bezüglich der Wirkungen der nationalen Nachweise.469 Diese Ungleichheiten hier ausführlich zu erläutern wäre zu umfangreich und nicht zweckmäßig. Daher werden an dieser Stelle nur beispielhaft die markantesten Unterschiede geschildert und für eine ausgiebige Darstellung auf die rechtsvergleichende Studie verwiesen, die vom Deutschen Notarinstitut in Zusammenarbeit mit Dörner und Lagarde der Europäischen Kommission im Jahr 2002 vorgelegt wurde.470 So werden Erbnachweise teilweise von Gerichten ausgestellt – so in Deutschland (§ 2353 BGB), Griechenland (Art. 1956 ff. grZGB)471, Österreich (§ 797 ff. AGBGB)472 und Polen (Art. 1025 polZGB)473 – oder auch von Notaren – bei466 

Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 57. Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26, Art. 39, Rn. 4. Hess/Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 53. 469  Vgl. hierzu ausführlich: DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 277 ff.; auch in diesem Sinne: Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 3; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727 ff. 470 Siehe DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 277–289. 471  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 277 f.; Georgiades/Papadimitropoulos, Griechenland, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 277; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 99; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3.1; Tsantinis, Länderbericht Griechenland, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 13, 65; für eine deutsche Fassung der Artikel vgl. Georgiades/Papadimitropoulos, Griechenland, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, B. Erbrechtliche Sachnormen des griechischen ZGB. 472  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 280; Haunschmidt, Länderbericht Österreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 158; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727; Verschraegen, Österreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 399 ff.; für einen Abdruck des Gesetzestextes vgl. Verschraegen, Österreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, II. Materielles Recht, Nr. 1 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. 473  De Vries, Polen, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 345, 347; Kleinschmidt, Ra467  468 

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Teil 1: Anwendungsbereich

spielsweise in Frankreich474, Belgien475, Niederlanden476, Spanien477 und Portugal478. Hinsichtlich der vorgenommenen Überprüfung vor Ausstellung hat beispielsweise das deutsche Nachlassgericht gem. §§ 26, 29 FamFG von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung der genauen Erbfolge durchzuführen. Notare hingegen unterstehen weder einer grundsätzlichen Ermittlungspflicht noch steht ihnen eine der gerichtlichen Beweiserhebung vergleichbare Möglichkeit zu.479 Dergestalt beruft sich der französische Notar auf Angaben der Beteiligten, die er allerdings auf der Basis eigener Nachforschungen zu überprüfen hat;480 dem entspricht die Intensität der niederländischen Überprüfung.481 Hingegen bestätigt der italienische Notar durch Ausstellung eines atto di notorietà lediglich, dass ihm gegenüber eidesstattliche Erklärungen von zwei mit dem Erblasser nicht verwandten Personen, die diesen aber kannten, abgegeben wurden.482 Gegen die Geltung nationaler Erbnachweise unter der EuErbVO wird eingewandt, dass diese bestehenden Ungleichheiten allein durch ein ausschließlich maßgebendes ENZ auf einem unionsrechtlichen Niveau vereinheitlicht werden können.483

belsZ 77 (2013), 723, 727; Łakomy, Länderbericht Polen, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 82; für eine deutsche Fassung der Artikel vgl. De Vries, Polen, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, 2. Teil: Gesetzestexte, B. Materielles Recht und Verfahrensrecht, Nr. 2 Zivilgesetzbuch. 474  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 282; Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 189; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727. 475  DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 282; Hustedt/Genkin, Belgien, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 210; Schür, Länderbericht Belgien, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 89; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 10. 476  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3.2; Van Maas de Bie, Länderbericht Niederlande, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 105; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 9; Weber, Niederlande, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 42 f. 477  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727; Steinmetz/Huzel/García Alcázar, Länderbericht Spanien, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 191 ff. 478  Huzel/Wollmann, Länderbericht Portugal, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 136 ff.; Jayme/Malheiros, Portugal, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 54; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 727. 479  Wall, ZErb 2015, 9, 14. 480  Vgl. hierzu bereits ausführlich unter § 2 IV. 2. c) (1), S. 42. 481  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 728; Van Maas de Bie, Länderbericht Niederlande, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 105; Weber, Niederlande, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 42 f. 482  Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Länderbericht Italien, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 246; DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 285; Hausmann/Trabucci, Italien, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 722; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 728; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3.4. 483 Vgl. Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 57.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

77

Weiterhin wird angebracht, dass die Folgen der Nichtausschließlichkeit des ENZ – insbesondere mit Blick auf die skandinavischen Länder – deutlich würden, da sich zu diesen Mitgliedstaaten starke Disparitäten zeigten. Denn diesen Mitgliedstaaten sind Erbnachweise, die als Entscheidung oder öffentliche Urkunden i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren wären, völlig unbekannt.484 Folglich unterliegen Dokumente, die in diesen Ländern national durchaus als Erbnachweis verwendet werden, nicht der Verordnung. Diese nationalen Dokumente (z. B. die bei der Steuerbehörde einzureichende schwedische Nachlassaufzeichnung)485 müssen daher weder nach Art. 39 EuErbVO in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden – mangels Entscheidungscharakter gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO – noch sind sie gem. Art. 59 EuErbVO annahmefähig, da sie keine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO darstellen. Allerdings müssen nationale Erbnachweise anderer Mitgliedstaaten in diesen Ländern nach der EuErbVO angenommen werden.486 So gilt für einen französischen acte de notoriété in Schweden der Art. 59 EuErbVO. Würden nationale Erbnachweise nicht der EuErbVO unterstellt, müsste ein Mitgliedstaat, der dieses Rechtsinstitut nicht kennt, einen Nachweis aus einem anderen Mitgliedstaat nicht nach Art. 39 oder Art. 59 EuErbVO beachten. Insoweit würde aus praktischer Sicht das Gegenseitigkeitsprinzip gewahrt, da „seine“ Dokumente genauso wenig in anderen Mitgliedstaaten mittels der EuErbVO zirkulieren könnten. Durch das allein geltende ENZ würde hingegen ein einheitlich-unionsweites Niveau hinsichtlich des Nachweises der Erbenstellung herrschen,487 wobei dieser Nachweis in allen Mitgliedstaaten die gleiche freie Zirkulation genießen soll.

b)  Nebeneinander von nationalen Erbnachweisen und ENZ Zu beachten ist jedoch, dass die Verordnung selbst in Art. 62 Abs.  3 S. 1 EuErbVO betont, dass das ENZ nicht an die Stelle der innerstaatlichen Schriftstücke, die in einem Mitgliedstaat zu ähnlichen Zwecken erlassen werden, tritt. Der Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses wird seinerseits explizit in Art. 63 EuErbVO geregelt. In Art. 63 Abs. 2 EuErbVO werden nicht abschließend („insbesondere“) Aspekte aufgelistet, für die das ENZ als Nachweis verwendet werden kann.488 So kann das Europäische Nachlasszeugnis gem. Art. 63 484 

Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 58; Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 166; ferner in diesem Sinne Reinhartz, Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 62, Rn. 6. 485  Siehe hierzu: Carsten, Schweden, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 56; DNotI/ Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 286 ff.; Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 137 ff. 486  So auch Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 58. 487  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 57. 488 Vgl. auch Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 63, Rn. 12; Fornasier, in: Dutta/

78

Teil 1: Anwendungsbereich

Abs. 2 lit. a EuErbVO insbesondere als Nachweis der Rechtsstellung und/oder der Rechte eines Erben dienen oder nach Art. 63 Abs. 2 lit. b EuErbVO die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswerts oder bestimmter Vermögenswerte des Nachlasses an die in dem Zeugnis als Erbe(n) genannte(n) Persone(n) ermöglichen sowie gem. Art. 63 Abs. 2 lit. c EuErbVO die Befugnisse der in dem Zeugnis genannten Person zur Vollstreckung des Testaments oder Verwaltung des Nachlasses nachweisen. Bereits oben489 wurde dargestellt, dass der französische acte de notoriété nach den Art. 730 ff. Code civil im Sinne der EuErbVO eine öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO darstellt, durch die die Erbenstellung nachgewiesen werden kann. Des Weiteren wird z. B. hinsichtlich des Übergangs von Immobilien in Frankreich eine besondere attestation notariée immobilière ausgestellt. Diese beiden Dokumente werden einerseits zum Nachweis der Rechtsstellung eines Erben herangezogen und entsprechen somit dem in Art. 63 Abs. 2 lit. a EuErbVO dargestellten Zweck bzw. ermöglicht die attestation notariée immobilière die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswerts oder bestimmter Vermögenswerte des Nachlasses an den benannten Erben, wie es Art. 63 Abs. 2 lit. b EuErbVO als möglichen Nachweis durch das ENZ vorsieht. Demnach sind sie als Schriftstücke i. S. d. Art. 62 Abs. 3 S. 1 EuErbVO anzusehen, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken wie das Europäische Nachlasszeugnis verwendet werden. Das europäische Zeugnis tritt dabei nicht an deren Stelle, gem. Art. 63 Abs. 3 S. 1 EuErbVO. Demnach soll das ENZ nicht die nationalen Erbnachweise ersetzen. Dem entspricht auch die Tatsache, dass die Verwendung des ENZ laut Art. 62 Abs. 2 EuErbVO nicht verpflichtend ist. Das Europäische Nachlasszeugnis weist somit einen fakultativen Charakter auf.490 Es obliegt den Beteiligten zwischen der Verwendung eines nationalen Nachweises oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses zu wählen.491 Hierbei können Antragsteller frei entscheiWeber, IntErbR, EuErbVO, Art. 63, Rn. 21; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 63, Rn. 18; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 63, Rn. 1 („exemplarisch konkretisierte Zwecke“); J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 63, Rn. 23; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 63, Rn. 12. 489  S. o. unter § 2 IV. 2. c) (1), S. 44 ff. 490  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 4; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 6, Art. 62, Rn. 4; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Vor Art. 62–73, Rn. 1; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Perscha, in: DeixlerHübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 46; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 390; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 13; Vollmer, ZErb 2012, 227, 233; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 23, 27. 491  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 598; Buschbaum/M. Kohler, GPR 2010, 210, 210 = M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 633; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 6; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 4; Hertel, ZEV 2013, 539, 541; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 62, Rn. 13; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 746, 749 f.; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 13; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 107; MPI, RabelsZ



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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den. Das in Kapitel VI der EuErbVO geregelte ENZ stellt ein „optionales“492 Instrument dar, das den Beteiligten einen Korpus verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Regelungen als Alternative zu den jeweiligen mitgliedstaatlichen nationalen Nachweisen verschafft.493 Denn die EuErbVO sieht auch Regelungen hinsichtlich anderer Dokumente vor, die als Nachweis genutzt werden können (wie z. B. Entscheidungen, öffentliche Urkunden oder gerichtliche Vergleiche). Diese Regelungen können von potentiellen Antragstellern eines ENZ ebenfalls genutzt werden.494 So können Beteiligte „ausschließlich auf nationale Erbnachweise setzen, die sich einer erleichterten ‚Annahme‘ nach Art. 59 EuErbVO erfreuen“495.496 Die Gegenansicht, die sich für einen grundsätzlichen Vorrang des ENZ gegenüber nationalen Nachweisen ausspricht,497 stützt sich auf die Vermeidung einer Verstärkung des Ungleichgewichts zwischen den Mitgliedstaaten, die insbesondere die Rechtsordnungen treffen würde, die keine durch die EuErbVO frei zirkulierenden nationalen Nachweise kennen. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht. Ein Hauptziel der EuErbVO ist die Förderung der freien Zirkulierbarkeit nationaler Nachweise, wie es EG 22 S. 1 EuErbVO verdeutlicht. Alle existierenden nationalen Erbnachweise gänzlich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung zu nehmen, widerspricht jedoch diesem Regelungsziel. Des Weiteren betont EG 67 S. 1 EuErbVO das Ziel, die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung zu vereinfachen. Nach der Gegenansicht müsste jedoch bei Vorliegen eines nationalen Zeugnisses trotzdem zwingend bei Bedarf eines Erbnachweises in einem anderen Mitgliedstaat ein ENZ be74 (2010), 522, 677, Rn. 280 (zur EuErbVO-E); Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 32; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 47; Rechberger/Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 2; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 293. 492  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 5 f., Art. 62, Rn. 6; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 750; Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, S. 165, 166; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 12; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 28; Lorenz, ErbR 2012, 39, 42; Perscha, in: Deixler-Hübner/ Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 48; bereits zur EuErbVO-E: MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 677, Rn. 280. 493  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 5; Hertel, ZEV 2013, 539, 541; Jacoby, JCP N 25 (2012), 1272, Rn. 1, 6; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 750; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 62, Rn. 3; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 54; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 17, 31; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 77. 494  Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 12; Lange, in: Dutta/ Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 161, 175, Rn 46. 495  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 746. 496  I. E. auch in diesem Sinne: Herzog, ErbR 2013, 2, 13; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 62, Rn. 4; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 67; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 25, 29. 497  Siehe hierzu o. unter § 4 I. 2. a), S. 76 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

antragt werden.498 In einem solchen Fall stellt allerdings die Annahme eines bereits existierenden Nachweises nach Art. 59 EuErbVO die unkompliziertere und zügigere Möglichkeit dar. Diese Vorgehensweise entspricht somit der Ratio der EuErbVO; die Ausstellung eines ENZ zu verlangen, würde hingegen dem Regelungsziel der Verordnung entgegenwirken. Zudem wäre dann die Verwendung des ENZ, entgegen Art. 62 Abs. 2 EuErbVO, verpflichtend.499 Folglich ist der Ansicht einer Verdrängung nationaler Nachweise in grenzüberschreitenden Fällen durch das ENZ nicht zu folgen. Denkbar ist auch die Konstellation, dass die beteiligten Erbberechtigen sich unterschiedlich entscheiden: So kann ein Antragsteller ein ENZ beantragen, ein anderer hingegen einen nationalen Nachweis. Indem die Verwendung des ENZ gem. Art. 62 Abs. 2 EuErbVO nicht verpflichtend ist, muss hier die Möglichkeit der Ausstellung eines nationalen Teilerbscheins und eines „Teil-ENZ“ gegeben sein.500 An der Zulässigkeit der Erteilung eines solchen „Teil-ENZ“ könnten Zweifel bestehen, da ein solcher in dem Vorschlag der Kommission noch explizit vorgesehen war, jedoch nicht in den endgültigen Verordnungstext übernommen wurde. So regelte Art. 39 EuErbVO-E ein sog. „Teilzeugnis“.501 Nordmeier wendet daher treffend ein, dass die Erteilung eines ENZ „unter dieser Bezeichnung unterbleiben“ sollte.502 Indes ist grundsätzlich auch nach der EuErbVO die Möglichkeit eines teilweisen ENZ gegeben. Denn nach Art. 63 Abs. 2 EuErbVO kann der Nachweis „für einen oder mehrere“ der genannten Aspekte verwendet werden.503 Die Bestimmung des genauen Zwecks des ENZ wird also dem Antragsteller überlassen.504 Ferner wird der Inhalt des ENZ gem. Art. 68 EuErbVO auf die Angaben beschränkt, die für die Zwecke der Ausstellung erforderlich sind. Wird das ENZ somit allein zum Nachweis des Umfangs einer Erbenstellung, nicht aber bzgl. derjenigen eines Miterben beantragt, so wird auch nur die beantragte Erbenstellung im ENZ ausgewiesen.505 Der Umfang des ENZ liegt daher in der Dispositionsfreiheit des Antragstellers.506 Zu beachten ist weiterhin, dass auch wenn bereits ein ENZ vorliegt, daneben ein zusätzlicher nationaler Erbnachweis nützlich sein kann.507 Denn für die Beteiligten können die national vom ENZ teilweise abweichenden Wirkun498 

Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18. Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 749. 501  vgl. hierzu auch MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 682 ff., Rn. 291 ff. 502  Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 30. 503  Süß, ZEuP 2013, 725, 740. 504  Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 42. 505  Kleinschmidt, in: FS Lindacher, 2017, S. 165, 177; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 30. 506  Süß, ZEuP 2013, 725, 740; so i. E. auch Dorsel/Schall, GPR 2015, 36, 42. 507  a. A.  Dorsel, ZErb 2014, 212, 219 f.; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 8; Herzog, ErbR 2013, 2, 13; Schmidt, BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 19. 499  500 



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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gen im Einzelfall von Vorteil sein.508 So ist die Gutglaubenswirkung des deutschen Erbscheins (§ 2366 BGB) stärker als die des ENZ (Art. 69 Abs. 3 und 4 EuErbVO). Auch die auf sechs Monate begrenzte Gültigkeitsdauer der ausgehändigten, beglaubigten Ausfertigungen des ENZ (Art. 70 Abs. 3 EuErbVO) könnte die Beteiligten veranlassen, neben dem bereits erlangten ENZ einen nationalen – zeitlich unbegrenzten – Nachweis zu beantragen. Derart besteht für die Erteilung eines deutschen Erbscheins gem. § 2353 BGB ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn bereits ein ENZ vorliegt, das seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten entfaltet.509 Das ENZ beansprucht keine exklusive Wirkung für sich. Art. 62 Abs. 3 S. 2 EuErbVO bestimmt zwar, dass das ENZ nach seiner Ausstellung zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat auch in dem Mitgliedstaat, dessen Behörden es ausgestellt haben, seine Wirkungen entfaltet. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass ein existierendes ENZ nationale Erbnachweise verdrängt und deren zusätzliche Erteilung sperrt. Ganz im Gegenteil betont Satz 1 des Art. 62 Abs. 3 EuErbVO, dass das ENZ „nicht an die Stelle“ nationaler Erbnachweise tritt. Folglich muss beispielsweise ein deutscher Erbschein nach § 2353 BGB trotz eines bereits bestehenden ENZ erteilt werden.510 Umgekehrt hindert auch die Existenz eines nationalen Erbscheins nicht die Ausstellung eines ENZ.511 Nationale Erbnachweise und das Europäische Nachlasszeugnis können parallel und nebeneinander bestehen.512 Deshalb sollten die Beteiligten sich nicht nur zwischen nationalem Erbnachweis oder ENZ entscheiden müssen, sondern vielmehr kumulativ beides verwenden dürfen.513 508  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 7, 10; Fornasier, in: Dutta/Weber, Int­ ErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 8; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 14; Reinhartz, Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 62, Rn. 6; Schmidt, BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 19; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 25. 509  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 10; Grziwotz, in: MüKo/BGB, BGB, § 2353, Rn. 195; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, § 2365, Rn. 24a. 510  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 9 f.; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 11; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 324; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 32; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 293. 511  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 11; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 17; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 324; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 294; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 32. 512  Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S.  28; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 324; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 31 f.; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 17. In diesem Sinne auch Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 8 f. („unabhängig voneinander“); Perscha, in: DeixlerHübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 50 („nationalen Nachweisen […], die vor, parallel zur oder nach der Erteilung eines ENZ ausgestellt werden können“). 513  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 6, 8; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 15; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62,

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Teil 1: Anwendungsbereich

So können etwa Dritte auf die Vorlage eines deutschen Erbscheins bestehen, z. B. aufgrund seiner im Einzelfall stärkeren Wirkungen.514 Problematisch erscheint hierbei, dass EG 69 S. 3 EuErbVO statuiert, dass eine Behörde oder Person, der ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes ENZ vorgelegt wird, nicht verlangen können sollte, dass statt des ENZ eine Entscheidung, eine öffentliche Urkunde oder ein gerichtlicher Vergleich vorgelegt wird. Allerdings sind Erwägungsgründe einer Verordnung nicht rechtlich bindend. Daher wird eingewendet, insbesondere Privatpersonen könne es nicht verwehrt bleiben, sich auf die Vorlage nationaler Nachweise zu berufen.515 Zudem fehle der EU die Kompetenz für eine generelle Verpflichtung gegenüber Privatpersonen, das ENZ immer als Nachweis zu akzeptieren.516 Gegen eine zwingende Anwendung des EG 69 S. 3 EuErbVO auf Privatpersonen spricht auch, dass die EuErbVO gerade nicht die Verdrängung nationaler Nachweise bezweckt, auch wenn sie die Verwendung des ENZ als einheitlich-europäisches Institut naturgemäß begünstigt. Dies verdeutlicht ausdrücklich Art. 62 Abs. 3 S. 1 EuErbVO. Staatliche Autoritäten hingegen müssen sich an die Aussage des EG 69 S. 3 EuErbVO halten. Würden sie auf die Vorlage eines nationalen Nachweises bestehen und ein ENZ nicht als ausreichenden Nachweis ansehen, würde dies dem ENZ seine praktische Wirksamkeit nehmen. Dies würde dem effet utile-Grundsatz widersprechen,517 somit unionrechtswidrig sein. Im Sinne der EuErbVO erscheint es jedoch möglich, das Bestehen auf die Vorlage eines nationalen Nachweises – auch bei staatlichen Autoritäten – zu erlauben, wenn das bereits existierende ENZ aus dem Inland stammt.518 Denn die Aussage des EG 69 S. 3 EuErbVO beschränkt sich auf die Vorlage eines „in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Zeugnis“. Im Umkehrschluss lässt sich hieraus entnehmen, dass etwa bei Vorlage eines aus Deutschland stammenden ENZ auf die Vorlage eines Erbscheins nach § 2353 BGB bestanden werden kann.519 Rn. 32; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 390; Schmidt, BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 19; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 293 f.; Wagner/Scholz, FamRZ 2014, 714, 719; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 25; Zimmermann, FGPrax 2015, 145, 148. 514  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 22; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 15; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397; Wall, ZErb 2015, 9, 15; dagegen: Hertel, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 62, Rn. 13. 515  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 22; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 5; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 331; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 93. 516  Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528, Fn. 26; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 15. 517  Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 15. 518  Süß, ZEuP 2013, 725, 745 f. 519  Süß, ZEuP 2013, 725, 745 f.; so auch Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 331 mit der Einschränkung, dass dies „zumindest für den privaten Rechtsverkehr gelten“ müsse.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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Anzumerken ist, dass diese Einschränkung des grundsätzlichen Nebeneinanders von nationalen Nachweisen und ENZ nur auf Seiten des Nachweisentgegennehmers gilt, nicht hingegen auf der des Verwenders bzw. Antragstellers selbst.520 Letzterem steht stets ein vollständiges Wahlrecht zu. Aus der Klarstellung des EG 69 S. 3 EuErbVO lässt sich weiterhin entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber davon ausgeht, dass nationale Erbnachweise weiterhin auch unter der EuErbVO zu beachten sind.521 Denn andernfalls wäre der Hinweis, dass bei Vorlage eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten ENZ nicht die Vorlage einer Entscheidung, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer öffentlichen Urkunde gefordert werden darf, entbehrlich – unabhängig davon, ob nationale Erbnachweise als Entscheidung oder als öffentliche Urkunde angesehen werden.522

c) Zwischenergebnis Schließlich ist festzuhalten, dass auch im Anwendungsbereich der EuErbVO nationale Erbnachweise weiterhin bei grenzüberschreitenden Fällen relevant sind. Sie bestehen neben dem ENZ fort.523 Denn das ENZ hat einen komplementären und nicht substituierenden Charakter.524 Es lässt somit auch in Erbfällen mit Auslandsbezug die nationalen Erbnachweise unberührt.525 Insofern kann hinsichtlich des Verhältnisses des Europäischen Nachlasszeugnisses nach Art. 62 ff. EuErbVO und den nationalen Erbnachweisen von einem Dualismus526 gesprochen werden. 520 

Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 5.

521  So auch Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18. 522 Vgl. Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18.

523  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 598; Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 46; Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 40; Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528; Dorsel, ZErb 2014, 212, 220; Dorsel, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Vor Art. 62, Rn. 8; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 6, Art. 62, Rn. 6, 11; Jacoby, JCP N 18 (2016), 1137, Rn. 6; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 748; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 28, 30; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 32 f., 323; wohl ähnlich Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 54 f.; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 53, 55; Rechberger, ÖJZ 2012, 14, 17; Revillard, Droit international privé et européen: Pratique notariale, Rn. 1155; Schaub, in: Muscheler, Hereditare 3, S. 91, 110; Volmer, Rpfleger 2013, 421, 432; Wagner/Scholz, FamRZ 2014, 714, 715, 718. 524  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 16; Rechberger/Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 2. 525  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 6; Grau, in: Bönders/Dorf/Müller, Kompetenz und Verantwortung, S. 477, 487; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 5 f.; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 31; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 54; Schauer, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO, S. 73, 77 f. 526  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 56, 60; Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 41; Buschbaum/M. Kohler, GPR 2010, 210, 210 = M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 633; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 20; Volmer, notar 10 (2016), 323, 326.

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Teil 1: Anwendungsbereich

Durch das Nebeneinander bzw. den Dualismus von nationalen Erbnachweisen und Europäischem Nachlasszeugnis können diese durchaus aufeinandertreffen. Daher müssen die Wirkungen beider Nachweise – vorwiegend bei sich widersprechenden oder nicht miteinander zu vereinbarenden Wirkungen – koordiniert werden. Dies betrifft allerdings nicht die an dieser Stelle erläuterte Frage der verordnungsautonomen Qualifikation nationaler Erbnachweise, namentlich des deutschen Erbscheins, sondern vielmehr die Koordination der Wirkungen des ENZ und nationaler Erbnachweise.527 Diese Frage wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht behandelt. Die Arbeit konzentriert sich auf die Wirkungen der Annahme öffentlicher Urkunden nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Daher soll im Folgenden geprüft werden, ob der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB eine in den Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO fallende öffentliche Urkunde darstellt.

II.  Autonome Qualifikation des deutschen Erbscheins nach der EuErbVO Die verordnungsautonom vorzunehmende Qualifikation nationaler Erbnachweise528 entscheidet nach welchem Regime der EuErbVO diese im europäischen Raum zirkulieren können. Im Folgenden soll die Problematik am Beispiel des deutschen Erbscheins nach § 2353 BGB erörtert werden. Werden nationale Erbnachweise als Entscheidung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO qualifiziert, unterliegen sie folglich dem Kapitel  IV der Verordnung, das die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen regelt. Namentlich wären sie gem. Art. 39 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich in einem anderen Mitgliedstaat ipso iure anzuerkennen. Bei einer verordnungsautonomen Qualifikation als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO würde für nationale Erbnachweise allein das Kapitel V der EuErbVO gelten, welches speziell öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche regelt. Insbesondere würden ihre Wirkungen in anderen Mitglied527 Siehe hierzu Dorsel, ZErb 2014, 212, 221 ff.; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 12 ff.; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 62, Rn. 12 ff.; Kreße, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 62, Rn. 18 ff.; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 35 ff.; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 51 ff.; Soutier, Die Geltung dt. Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 295 ff.; Stamatiadis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 62, Rn. 32 ff.; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 62, Rn. 31 ff. 528 Anmerkung: Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf mitgliedstaatliche Erbnachweise, die durch ein Gericht erlassen wurden, insbesondere auf den deutschen Erbschein nach § 2353 BGB. Der österreichische Einantwortungsbeschluss (§ 178 östAußStG) wird hierbei nicht behandelt. Siehe hierzu: Haunschmidt, Länderbericht Österreich, in: Süß, Erbrecht in Europa, Rn. 93, 96 ff., 157 ff.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Perscha, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 62, Rn. 56; Verschraegen, Österreich, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Rn. 399 ff, 493 ff.; Wittwer, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 7.138.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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staaten durch Art. 59 EuErbVO bestimmt, der die Annahme öffentlicher Urkunden regelt. Zunächst werden im Folgenden die beiden vertretenen Möglichkeiten einer Qualifikation als Entscheidung (1., im Folgenden: erste Ansicht) sowie als öffentliche Urkunde (2., im Folgenden: zweite Ansicht) dargestellt, um anschließend zu einer eigenen Stellungnahme zu gelangen (3.).

1.  Einordnung als Entscheidung (Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO) Zunächst erscheint es möglich, mitgliedstaatliche Erbnachweise als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO einzuordnen.529 Dies würde in erster Linie der verordnungsautonom vorzunehmenden weiten Auslegung des Begriffs der Entscheidung entsprechen.530 Eines der Regelungsziele der EuErbVO ist es, die gegenseitige Anerkennung der in den Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen in Erbsachen zu erleichtern und zu fördern (vgl. EG 59 EuErbVO). Nationale Erbnachweise, wie den deutschen Erbschein, unter den Begriff der Entscheidung zu fassen und somit dem Anerkennungsregime der Art. 39 ff. EuErbVO zu unterstellen, entspricht dieser Ratio der EuErbVO. Als Folge würde auf diese Weise die Attraktivität der Nutzung mitgliedstaatlicher Erbnachweise gesteigert,531 da diese auch grenzüberschreitend unkompliziert eingesetzt werden könnten. Auch wird betont, dass sich nationale Nachweise derart gegenüber der Möglichkeit der Ausstellung eines ENZ nach Art. 62 ff. EuErbVO hervorheben würden und weiterhin ansprechend blieben.532 Laut Dutta sollen „jedenfalls“ mitgliedstaatliche Erbnachweise, „die in einem justizförmigen Verfahren mit Anhörung der Beteiligten vor einem Gericht (i. S. d. [Art. 3] Abs. 2) ausgestellt werden, das in einem potentiell kontradiktorischen Verfahren ‚kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet‘“ als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO qualifiziert werden.533 529  In diesem Sinne: Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 604; Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 37;. Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Eichel, JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12.1 (a. A. noch bis Stand: 1.3.2019); J. P.  Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 36, Art. 59, Rn. 6; Wittwer, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 7.123; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 13. 530  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; siehe hierzu ausführlich unter § 3 I. 1., S. 47 ff. 531  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 50. 532 Vgl. Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17. 533  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 50; diesem zustimmend: Deixler-Hüb-

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Teil 1: Anwendungsbereich

Dies gelte allerdings nur, wenn das Gericht im Erbscheinsverfahren über ein potentiell umstrittenes Erbrecht entscheiden kann. Handele es sich jedoch um ein Verfahren, bei dem auch bei umstrittenem Erbrecht keine Möglichkeit eines kontradiktorischen Verfahrens gegeben sei, lehnt Dutta die Einordnung als Entscheidung i. S. d. EuErbVO ab. Denn dann werde der Erbnachweis „allein aufgrund des Betreibens eines Beteiligten“ ausgestellt, ohne dass anderen Beteiligten die Möglichkeit gegeben wird, sich in dem Verfahren einzubringen bzw. zu widersprechen mit der Folge, dass die erlassende Stelle nicht über das umstrittene Erbrecht entscheide. Solche Erbnachweise seien dann regelmäßig als öffentliche Urkunde von Art. 3 Abs. 1 lit. i und somit auch von Art. 59 EuErbVO erfasst.534 Nationale, notarielle Erbnachweise werden von den Vertretern dieser Ansicht – mangels Qualifikation der Notare als Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO oder, da sie regelmäßig den Erbnachweis auf Antrag eines Beteiligten und „ohne justizförmiges Verfahren zur Ermittlung der materiellen Rechtslage“ erteilen – nicht als Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO, sondern als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO qualifiziert.535 Solchermaßen stellen nach Schmidt polnische, portugiesische oder französische notarielle Erbnachweise keine Entscheidungen i. S. d. der EuErbVO dar.536 Derart unterscheidet Dutta je nach nationalem Verfahrensablauf zur Erstellung des fraglichen Erbnachweises, ob schließlich eine Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde i. S. d. Verordnung vorliegt und somit Art. 39 ff. oder Art. 59 f. EuErbVO anzuwenden sind. Dieser Differenzierung stimmt Schmidt zu und betont dabei, dass das Fehlen einer materiellen Rechtskraft bei nationalen Erbnachweisen nicht relevant sei,537 der Einordnung als Entscheidung im verordnungsautonomen Sinne also nicht entgegenstehe. Auch nach Dutta sei eine „etwaige Rechtskraft“ im Rahmen der Anerkennung nach Art. 39 EuErbVO nicht von Bedeutung.538 Vielmehr seien die Vermutungs-, Legitimationsund Gutglaubenswirkung eines nationalen Erbscheines als materiellrechtliche Wirkungen qua Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat zu erstrecken.539

ner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 37; J. P.  Schmidt, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 13. 534  Zum Ganzen Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Dutta, IPRax 2015, 32, 38. 535  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 24. 536  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 9, 24. Zur Qualifikation eines polnischen notariellen Erbscheins als öffentliche Urkunde: EuGH, Urteil v. 23.5.2019, Rs. C-658/17, WB ./. Przemysława Bac, Rn. 71. 537  J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8. 538  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2. 539  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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Hierbei zieht er einen Vergleich zur Anerkennung von Gestaltungsentscheidungen.540 Entscheidend für das Vorliegen einer Entscheidung i. S. d. EuErbVO ist nach dieser Ansicht demnach die Einordnung als Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO der ausstellenden Stelle und ein potentiell kontradiktorisches Verfahren. Vereinzelt541 wird auch lediglich auf das Merkmal der erlassenden Stelle abgestellt. Zur Übertragung dieser Maßstäbe auf den deutschen Erbschein nach § 2353 BGB soll zuvor kurz dessen Verfahrensablauf skizziert werden. Das deutsche Erbscheinsverfahren verläuft gem. § 2353 BGB, §§ 352 ff. FamFG wie folgt: Handelt es sich um eine unstreitige Sache, d. h. kein Beteiligter hat dem beantragten Erbschein widersprochen, kann der erteilte Feststellungsbeschluss (§§ 38, 352e Abs. 1 FamFG) sofort vollzogen werden, indem der Erbschein erteilt wird.542 Bei einer streitigen Sache hingegen, wenn also der gem. § 352e Abs. 1 FamFG zu erlassende Feststellungsbeschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht, ist dessen sofortige Wirksamkeit auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses gem. § 352e Abs. 2 S. 2 FamFG zurückzustellen.543 Das Nachlassgericht muss dann vor Erteilung des Erbscheins die einmonatige Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) abwarten.544 Wird Beschwerde eingelegt, wird das Verfahren dem Beschwerdegericht vorgelegt, das dann über die streitige Sache entscheidet. Aufgrund der potentiellen Entscheidung des Beschwerdegerichts über eine streitige Erbsache, wird der schließlich erteilte Erbschein nach der hier dargestellten Ansicht als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO qualifiziert. Weiterhin betont Dutta dabei, dass diese Einordnung auch dann gelte, wenn nach dem nationalen Verfahrensrecht des Ursprungsstaates zwischen dem eigentlichen Erbnachweis und der diesem zugrundeliegenden Entscheidung unterschieden wird – wie dies bei dem deutschen Erbschein der Fall ist.545 Denn die Erteilung des deutschen Erbscheins ist strikt von dem Feststellungsbeschluss gem. §§ 38, 352e FamFG zu differenzieren, dessen Vollzug er darstellt.546 Folg540  541 

Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 604; Eichel, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10. 542  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 184 ff.; Grziwotz, in: MüKo/ FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 34 f.; Zimmermann, in: Kreidel, FamFG, § 352e, Rn. 83 ff. 543  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 188 f.; Grziwotz, FamRZ 2016, 417, 419; Grziwotz, in: MüKo/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 36; Zimmermann, in: Kreidel, FamFG, § 352e, Rn. 88. 544  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 194; Grziwotz, in: MüKo/ FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 47; Zimmermann, in: Kreidel, FamFG, § 352e, Rn. 99. 545  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 50. 546  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 186, 201; Kroiß, in: NK/

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Teil 1: Anwendungsbereich

lich sei der deutsche Erbschein als Entscheidung nach Art. 39 ff. EuErbVO in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen.547 Ferner wird angebracht, dass auf diese Weise nationale Erbnachweise, wie der deutsche Erbschein, leichter grenzüberschreitend zirkulieren können. Denn die mitgliedstaatlichen nationalen Rechtsordnungen weisen verschiedene Arten von Erbrechtsnachweisen auf, die mit unterschiedlichen Vermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkungen ausgestattet sind. Daher werden nationale Nachweise teilweise nur sehr zurückhaltend als ausländische Entscheidung anerkannt oder als Substitut eines inländischen Nachweises beachtet.548 Durch die Art. 39 ff. EuErbVO wird eine vereinfachte Anerkennung der nationalen Erbnachweise, die von einem Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO erlassen wurden, ermöglicht.549 Indem nationale Erbnachweise, die nicht von einem Gericht im verordnungsautonomen Sinne stammen, als öffentliche Urkunden gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO qualifiziert werden können und infolgedessen nach Art. 59 EuErbVO grenzüberschreitend anzunehmen sind, entstehe auch keine Ungleichbehandlung zwischen den unterschiedlichen nationalen Erbnachweisen.550 Denn auf diese Weise ermögliche die EuErbVO allen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen, gleich ihres nationalen Erteilungsverfahrens, eine europaweite Zirkulation.

2.  Einordnung als öffentliche Urkunde (Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO) Es wird allerdings auch vertreten, dass mitgliedstaatliche Erbnachweise wie der deutsche Erbschein im verordnungsautonomen Sinne als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu qualifizieren sind.551 Zunächst ist für dieses Verständnis anzubringen, dass auch diese Einordnung dem Telos der EuErbVO entspricht. In EG 60 EuErbVO wird betont, dass die BGB, BGB, § 2353, Rn. 106; Grziwotz, in: MüKo/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 30 f.; Siegmann/Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 31. 547  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 50; Dutta, IPRax 2015, 32, 38; so auch: Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32, Fn. 69; Eichel, JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 10; Geimer, in: Zöller/ZPO, EuErbVO, Art. 1, Rn. 17; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art 59, Rn. 6, Art. 69, Rn. 10. 548  Zum Ganzen: Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; Dutta, FamRZ 2013, 4, 14. 549  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 604. 550  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 604. 551  In diesem Sinne: Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 737, 739, 783; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, Art. 62, Rn. 4; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/ Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 6, Rn. 2; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 108 f.; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 28 f.; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5, Art. 59, Rn. 4; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19 ff.; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Schaub, in: Muscheler, Hereditare 3, S. 91, 109; Wall, ZErb 2015, 9, 13; offen lassend Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 148, Rn. 17.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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Verordnung, die Annahme und Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden in einer Erbsache in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleisten soll, um den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Der Verkehr öffentlicher Urkunden ist ein erklärtes Regelungsziel der EuErbVO. Diesen sieht EG 22 EuErbVO gerade für die Urkunden vor, die nicht dem Entscheidungsregime nach Art. 39 ff. EuErbVO unterliegen,552 sondern vielmehr nach Art. 59 EuErbVO im europäischen Raum zirkulieren können und sollen. Derart soll auch der deutsche Erbschein eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO darstellen, der folglich nach Art. 59 EuErbVO in allen anderen Mitgliedstaaten i. S. d. EuErbVO zu akzeptieren sei.553 Die Vertreter dieser Ansicht führen an, dass die Regelungen des vierten Kapitels der EuErbVO – die nach der ersten Ansicht554 anzuwenden sind – nicht auf nationale Erbnachweise passen.555 Denn solche sind weder nach Art. 39 ff. EuErbVO anerkennungsfähig noch nach Art. 43 ff. EuErbVO vollstreckbar. Nach Art. 43 EuErbVO sind die in einem Mitgliedstaat ergangenen und in diesem Staat vollstreckbaren Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar, wenn sie auf Antrag eines Berechtigten dort nach dem Verfahren der Art. 45 bis 58 EuErbVO für vollstreckbar erklärt worden sind. Die EuErbVO verlangt also ein Exequaturverfahren – anders als z. B. die EuGVVO (Art. 39 EuGVVO). Ausdrückliche Voraussetzung der Vollstreckung ist zunächst, dass die Entscheidung nach dem Recht ihres Ursprungsstaates vollstreckbar ist. Hierfür ist eine Vollstreckbarkeit in formeller Hinsicht ausreichend,556 wie der EuGH bereits zum insoweit vergleichbaren Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ entschied.557 Das bedeutet, dass es sich um eine Entscheidung handeln muss, die nach ihrem 552 

Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 737, 783; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/ Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 6, Rn. 2; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, Art. 62, Rn. 4; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 109; Mansel, in: Calvo Caravaca/ Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Schaub, in: Muscheler, Hereditare 3, S. 91, 109; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12.1 (bis einschließlich Stand: 1.3.2019, seit Stand: 1.6.2019 a. A.); J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 394 f.; Schurig, in: FS Spellenberg, 2010, S. 343, 352 (zur EuErbVO-E); Süß, ZEuP 2013, 725, 749; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 176 f. 554  S. o. unter § 4 II. 1., S. 85 ff. 555  Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 285. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass sich der EuGH in der Rechtssache Oberle (Urteil vom 21.6.2018, Rs. C-20/17, Oberle, Rn. 33 ff.) einzig mit der Auslegung der Zuständigkeitsregel des Art. 4 EuErbVO befasst hat und die Auslegungsfrage des Entscheidungsbegriffs im Anerkennungsrecht noch ungeklärt ist. Siehe hierzu: Burandt/Schmuck, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; Dörner, DNotZ 2018, 661, 684; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 16. 556  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 43, Rn. 7; Neumayr, in: Deixler-Hübner/ Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 10; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 43, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 43, Rn. 17; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 43, Rn. 5. 557  EuGH, Urteil v. 29.4.1999, Rs. C-267/97, Coursier, Slg. 1999, I-02543, Rn. 29, 33. 553 

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Teil 1: Anwendungsbereich

Ursprungsrechts generell vollstreckbar ist.558 Die Vollstreckbarkeit im autonomen Sinne betrifft allerdings nicht die konkreten Voraussetzungen, unter denen diese Entscheidung im Urteilsstaat vollstreckt werden können.559 Es handelt sich daher auch um eine im Ursprungsstaat vollstreckbare Entscheidung i. S. d. Art. 43 EuErbVO, wenn konkrete560 oder faktische561 Vollstreckungshindernisse bestehen. Auch eine vorläufige Vollstreckbarkeit nach nationalem Recht erfüllt diese Voraussetzung des Art. 43 EuErbVO.562 Weiterhin muss die Entscheidung einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen.563 Dies wird in Art. 43 EuErbVO zwar nicht ausdrücklich vorausgesetzt, ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Vollstreckbarkeit. Eine Entscheidung, die keine vollstreckungsfähigen Anordnungen beinhaltet, kann tatsächlich nicht durchgesetzt bzw. vollstreckt werden. Auch im deutschen autonomen Recht wird dieses Erfordernis aus § 704 ZPO hergeleitet.564 Einen vollstreckungsfähigen Inhalt weisen namentlich Leistungsurteile auf, da sie auf die Zahlung einer Geldforderung, die Herausgabe einer Sache, die Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung oder auch auf die Abgabe von Willenserklärungen gerichtet sind.565 Diese Anordnungen sind faktisch durchsetzbar und stellen folglich einen vollstreckungsfähigen Inhalt dar. Dabei bestimmt die konkret geschuldete Leistung die Art der Vollstreckung.566 Hingegen fehlt es regelmäßig Feststellungs- und Gestaltungsurteilen an einem vollstreckungsfähigen Inhalt.567 Wird in einer Entscheidung das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt (vgl. § 256 Abs. 1 ZPO) oder tritt die Rechtsänderung unmittel558 

J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 43, Rn. 17. EuGH, Urteil v. 29.4.1999, Rs. C-267/97, Coursier, Slg. 1999, I-02543, Rn. 33. Neumayr, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 12; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 43, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 43, Rn. 17. 561  Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 43, Rn. 9; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 43, Rn. 5 beide mit Verweis auf EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn. 70 (zum insoweit vergleichbaren Art. 38 Abs. 1 EuGVVO a. F.). 562  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 43, Rn. 7; Neumayr, in: Deixler-Hübner/ Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 10; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 43, Rn. 7; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 43, Rn. 18; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 43, Rn. 5. 563  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 43, Rn. 2; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 43, Rn. 8; Neumayr, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 9; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 43, Rn. 5. 564  Giers, in: NK-Hk/ZV, ZPO, § 704, Rn. 18; Götz, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 704, Rn. 5; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, § 704, Rn. 5. 565 Vgl. Neumayr, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 9; vgl. zum deutschen autonomen Recht: Giers, in: NK-Hk/ZV, ZPO, § 704, Rn. 18; Götz, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 704, Rn. 6; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, § 704, Rn. 5. 566  Giers, in: NK-Hk/ZV, ZPO, § 704, Rn. 18 (zum deutschen autonomen Recht). 567  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 43, Rn. 8; vgl. zum deutschen autonomen Recht: Giers, in: NK-Hk/ZV, ZPO, § 704, Rn. 19 f.; Götz, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 704, Rn. 6 f.; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, § 704, Rn. 5. 559  560 



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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bar durch das rechtskräftige Urteil ein, wie dies bei einem Gestaltungsurteil der Fall ist, beinhaltet die Entscheidung keine vollstreckbaren Inhalte. Dergestalt stellen beispielsweise im Erbrecht Pflichtteilsklagen, Pflichtteilsergänzungsklagen, Vermächtnisklagen oder Erbschaftsklagen, die auf Herausgabe gewisser Sachen gerichtet sind, Entscheidungen mit einem vollstreckungsfähigen Inhalt dar.568 Nationale Erbnachweise stellen generell ein Dokument dar, durch das die Erbenstellung ggf. auch der jeweilige Erbteil nachgewiesen werden kann. Dieser festgestellte Nachweis stellt allerdings keinen vollstreckungsfähigen Inhalt dar. Mitgliedstaatliche Erbnachweise können also nicht vollstreckt werden.569 Insbesondere hinsichtlich des deutschen Erbscheins bedeutet dies folgendes: Der deutsche Erbschein wird in § 2353 BGB als ein „Zeugnis [des Erben] über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbteils“ legaldefiniert. Der Erbschein stellt somit die Erbenstellung und den Erbteil fest. Er ordnet allerdings keine Handlung, Unterlassung, Abgabe einer Willenserklärung oder Herausgabe einer Sache an. Der deutsche Erbschein beinhaltet daher keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, sodass er nicht vollstreckbar ist. Wollte man auf den Feststellungsbeschluss nach § 352e FamFG abstellen, obschon dieser strikt von der Erteilung des Erbscheins zu differenzieren ist, da diese erst den Vollzug des Beschlusses darstellt,570 beinhaltete auch dieser keine vollstreckbaren Anordnungen. Denn in dem Feststellungsbeschluss werden allein die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet (§ 352e Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG). Folglich können die Art. 43 ff. EuErbVO nicht auf den deutschen Erbschein angewendet werden. Demgemäß ist es zutreffend, dass die Regelungen zur Vollstreckung von Entscheidungen innerhalb des vierten Kapitels der EuErbVO nicht auf nationale Erbnachweise passen.571 Es könnte eingewendet werden, dass auch nicht alle Entscheidungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO vollstreckbar sind und nichtsdestotrotz Entscheidungen in diesem Sinne darstellen. Allerdings sind auch die anderen Regelungen des vierten Kapitels zur Entscheidungsanerkennung (Art. 39 ff. EuErbVO) nicht auf nationale Erbnachweise anwendbar.572 568  Fucik, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 3; Neumayr, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 2. 569  So auch Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 285; zum österreichischen Einantwortungsbeschluss: Neumayr, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 43, Rn. 2. 570 Vgl. Schäuble, ZErb 2011, 267, 268; Schlögel, in: BeckOK/FamFG, § 352e, Rn. 12. 571  In diesem Sinne: Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 285. 572 So auch: Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 4  f., Art. 62, Rn. 18; Hertel, DNotZ 2012, 687, 689; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 109; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Wall, ZErb 2015, 9, 11 f.; Weber, Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 21.

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Teil 1: Anwendungsbereich

Nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Es gilt daher der Grundsatz der ipso iure-Anerkennung.573 Im europäischen Zivilprozessrecht wird hinsichtlich der Art und Weise der Anerkennung herrschend der Lehre der Wirkungserstreckung gefolgt, die somit ebenfalls für die EuErbVO gilt.574 Auch der EuGH betont in ständiger Rechtsprechung, Anerkennung bedeute, dass eine „ausländische Entscheidung grundsätzlich im ersuchten Staat dieselbe Wirkung entfalten muss wie im Urteilsstaat“575. Dergestalt spricht sich der EuGH für eine Erstreckung der Wirkungen einer Entscheidung, die sich aus dem Recht ihres Ursprungsstaates ergeben, im Anerkennungsstaat aus. Maßgebliche Wirkung einer Entscheidung, die im Wege der Anerkennung erstreckt werden kann, ist die materielle Rechtskraft.576 Entsprechend der Lehre der Wirkungserstreckung richtet sich daher sowohl die inhaltliche (objektive) als auch die persönliche (subjektive) Grenze der Rechtskraft nach dem Recht des Ursprungsstaates der Entscheidung.577 Übertragen auf den deutschen Erbschein, als Beispiel eines nationalen Erbnachweises, würde dies bedeuten, dass diesem im Anerkennungsstaat dieselbe Rechtskraft wie in Deutschland als Ursprungsstaat qua Anerkennung zugesprochen werden müsste. Jedoch kommt einem Erbschein nach § 2353 BGB keine Rechtskraftwirkung zu.578 Vielmehr ist ein deutscher Erbschein widerleg573  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 39, Rn. 1; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 4, 6; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 10. 574  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 39, Rn. 11; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 3; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 9; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 11; a. A. Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 13 (Kumulationstheorie). 575 EuGH, Urteil v. 4.2.1988, Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, I-00645, Rn. 11; bestätigt in EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn 66; EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, EuZW 2013, 60, Rn. 34. 576  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 867; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 7; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 10; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 14. 577  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 10; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 14. 578  BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 29.8.2005 – 1 BvR 219/05, ZEV 2006, 74, 74; BGH, Urteil v. 14.4.2010 – IV ZR 135/08, FamRZ 2010, 1068, 1069, Rn. 12; Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, BGB, § 2353, Rn. 13; Grziwotz, in: MüKo/BGB, BGB, § 2353, Rn. 2; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 15; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 9 f.; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 108; Muscheler, JURA 2009, 567, 570; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; Siegmann/Höger, BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 9; Wall, in: Geimer/



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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bar.579 Ein unwirksamer Erbschein ist gem. § 2361 BGB vom Nachlassgericht einzuziehen, wodurch dieser kraftlos wird.580 Dem Erbschein mangelt es daher an einer res judicata-Wirkung,581 die im Wege der Anerkennung im Ausland erstreckt werden könnte. Folglich stellt der Erbschein nach § 2353 BGB richtigerweise keine Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO dar.582 Des Weiteren wird von den Vertretern der hier dargestellten Auffassung eingebracht, dass selbst wenn man nationale Erbnachweise der Anerkennung nach Art. 39 ff. EuErbVO unterstellen würde, diese sich auf die verfahrensrechtlichen Wirkungen des konkreten Erbnachweises beschränken würde.583 Indem der Erbschein keiner Rechtskraft fähig ist und auch keine Gestaltungswirkung aufweist, sondern einzig materiellrechtliche Vermutungen gem. §§ 2365 ff. BGB begründet, wäre die Anerkennung „wirkungsleer“.584 Anders als die Wirkungen einer Entscheidung, ergeben sich die eines Erbscheins als Urkunde nicht aus dieser selbst, sondern aus dem materiell anwendbaren Recht.585 Im Gegensatz zu den Regelungen des Kapitel IV der EuErbVO werden die Regelungen des Kapitel V dem Charakter nationaler Erbnachweise gerecht. Insbesondere der Wortlaut von Art. 59 EuErbVO lässt sich geeignet auf nationale Erbnachweise anwenden.586 Zudem differenziert Art. 59 EuErbVO in seinen jeweiligen Absätzen klar zwischen der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden (Abs. 1), deren Authentizität (Abs. 2) sowie der in einer Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse (Abs. 3). Hinsichtlich der in Absatz 3 genannten „beurkundeten Rechtsverhältnissen“ erläutert EG 63 S. 3 EuErbVO, dass es sich hierbei etwa um die Bestimmung der Erben und sonstiger Berechtigter nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht, ihre jeweiligen Anteile und das Bestehen eines PflichtSchütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 4, Rn. 31; Wall, ZErb 2015, 9, 11; Zimmermann, ZEV 2010, 457, 457. 579  Bereits zur EuErbVO-E an einer Anerkennung nationaler Erbnachweise „im Hinblick auf die Widerlegbarkeit der Legitimationswirkung nationaler Erbnachweise“ zweifelnd: Hess/ Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 47, Fn. 168. 580  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, BGB, § 2361, Rn. 1; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2361, Rn. 1; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Schall/ Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; Siegmann/ Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2361, Rn. 1. 581  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21. 582  Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 108 f.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 70. 583  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5. 584  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5. 585 Vgl. Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 164; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6; Lorenz, ErbR 2012, 39, 42; Schäuble, ZErb 2011, 267, 268; Süß, ZErb 2009, 342, 347. 586  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12.

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Teil 1: Anwendungsbereich

teils oder um jedes andere Element, das nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht bestimmt wurde, handeln kann. Diese in EG 63 EuErbVO aufgezählten beurkundeten Rechtsverhältnisse sprechen für eine Annahmefähigkeit nationaler Erbnachweise gem. Art. 59 EuErbVO.587 Auch der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB stellt eine Bescheinigung über die vom Nachlassgericht ermittelte Erbfolge und den evtl. Beschränkungen der Erbenstellung dar.588 Folglich enthält der Erbschein die Bestimmung der Erben und bei Beschränkungen der Erbenstellung auch Elemente, die nach dem Erbstatut bestimmt wurden i. S. d. EG 63 S. 3 EuErbVO. Der Inhalt eines deutschen Erbscheins stellt somit „die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten […] Rechtsverhältnisse“ i. S. d. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO dar.589 Der Erbschein bezeugt nämlich ein Rechtsverhältnis, regelt dieses aber nicht.590 Die Regelung eines Rechtsverhältnisses ist ihrerseits charakteristisch für eine Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO.591 Trotz vorangehendem Feststellungsbeschluss fehlt somit dem Erbschein die erforderliche Regelung eines Rechtsverhältnisses,592 sodass er nicht als Entscheidung, sondern als öffentliche Urkunde nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu qualifizieren ist. Des Weiteren wird durch die Qualifikation nationaler Erbnachweise als öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO die Gleichbehandlung der verschiedenen mitgliedstaatlichen Erbnachweise garantiert. Würden die von einem Gericht in einem potentiell kontradiktorischen Verfahren erlassenen Erbnachweise (z. B. der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB und der griechische Erbnachweis nach Art. 1956 ff. grZGB)593 als Entscheidung behandelt, würden einzig diese Nachweise dem Anerkennungsregime der Art. 39 ff. EuErbVO unterstellt. Die anderen mitgliedstaatlichen Nachweise (z. B. der französische acte de notoriété oder der italienische atto di notiretà)594 stellen hingegen unzweifelhaft öffentliche Urkunden dar, die den Regelungen des vierten Kapitels nicht unterliegen. Vielmehr unterliegen diese nationalen Erbnachweise der Annahme nach Art. 59 EuErbVO. Folglich würden einige nationale Erbnachweise 587  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19. 588 Vgl. Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, BGB, § 2353, Rn. 2; Grziwotz, in: MüKo/ BGB, BGB, § 2353, Rn. 5; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 17; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 5; Siegmann/ Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 1, 12; Weidlich, in: Palandt, BGB, § 2353, Rn. 2. 589  In diesem Sinne auch Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19, 21. 590  Dörner, DNotZ 2018, 661, 685; vgl. auch Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 13, Art. 39, Rn. 5. 591  Siehe hierzu unter § 3 I. 1., S. 48; siehe auch Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 13, Art. 39, Rn. 5. 592 Vgl. Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5. 593  Vgl. hierzu unter § 4 I. 2. a), S. 75. 594  Vgl. hierzu unter § 4 I. 2. a), S. 76.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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nach den Art. 39 ff. EuErbVO und andere nach Art. 59 EuErbVO in einem anderen Mitgliedstaat ihre Wirkungen entfalten können. Diese Ungleichbehandlung hinsichtlich der grenzüberschreitenden Beachtung der nationalen Erbnachweise erscheint nicht gerechtfertigt. Sie würde vielmehr einem Hauptanliegen der EuErbVO, nämlich eine grenzüberschreitende rechtssichere Nachlassabwicklung zu ermöglichen, entgegenwirken.595 Ferner würde sie dem Bestreben eines internationalen Entscheidungseinklangs widersprechen.596

3.  Stellungnahme für eine Qualifikation als öffentliche Urkunde Grundvoraussetzung einer Diskussion, ob nationale Erbnachweise im Sinne der EuErbVO als Entscheidung oder als öffentliche Urkunde zu qualifizieren sind, ist, dass beide Einordnungen nach der jeweiligen Begriffsbestimmung der EuErbVO möglich erscheinen. Denn die EuErbVO stellt in Art. 3 EuErbVO eigene Begriffsbestimmungen auf, die einer einheitlichen Anwendung der Verordnung dienen sollen. Ausgangspunkt einer verordnungsautonom vorzunehmenden Qualifikation ist daher, dass diese den festgelegten Begriffen der EuErbVO entspricht. Daher soll am Beispiel des deutschen Erbscheins zunächst geprüft werden, ob dieser nationale Erbnachweis der Legaldefinition der öffentlichen Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO (a.) sowie der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO (b.) entspricht. Nur wenn beide Einordnungen grundsätzlich anhand der autonomen Begriffsbestimmungen möglich sind (c.), ist eine kritische Analyse der Frage der Qualifikation vorzunehmen (d.).

a)  Subsumtion des deutschen Erbscheins unter die Legaldefinition öffentlicher Urkunden i. S. d. EuErbVO Der Begriff der „öffentlichen Urkunde“ wird in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO als ein Schriftstück in Erbsachen, das als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht (sublit. i) und durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist (sublit. ii), legaldefiniert.597 Zunächst stellt der erteilte deutsche Erbschein unzweifelhaft eine schriftlich verkörperte Urkunde dar, sodass ein Schriftstück598 i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vorliegt. Das Schriftstück muss zudem eines „in Erbsachen“ sein. Dieses Merkmal entspricht dem Anwendungsbereich der Verordnung, sodass 595  Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd.  III, EuErbVO, Art. 39, Rn. 8. 596  Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 21. 597  Zur Legaldefinition der öffentlichen Urkunde ausführlich unter § 2, S. 15 ff. 598  Siehe hierzu ausführlich unter § 2 I., S. 15 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

hierfür Art. 1 EuErbVO heranzuziehen ist. Demgemäß ist die EuErbVO auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden. Diese wiederum wird in Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO als jede Form des Überganges von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge bestimmt. Der Erbschein gibt die Person des Erben und gegebenenfalls seine Verfügungsbeschränkungen an.599 Er bezeugt daher die Erbfolge und die auf den Erben übergegangenen Rechte und Pflichten von Todes wegen, also die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ im Sinne der EuErbVO. Die Bestimmung des Erben durch das Nachlassgericht umfasst dabei sowohl Fälle der gesetzlichen als auch der gewillkürten Erbfolge; beide werden von dem weiten Begriff der Erbsache i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. a EuErbVO erfasst. Somit handelt es sich bei dem Erbschein nach § 2353 BGB um ein Schriftstück in Erbsachen im verordnungsautonomen Sinne. Des Weiteren müsste dieser „in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen“ worden sein. Maßgeblich ist hier nicht die geographische Lokalisierung der Errichtungs- oder Eintragungsstelle, sondern dass eine mitgliedstaatliche Autorität gehandelt hat, die der Urkunde eine besondere Beweiskraft verleiht und diese von schlichten Urkunden abgrenzt.600 Der Erbschein wird durch das zuständige deutsche Nachlassgericht gem. § 2353 BGB i. V. m. §§ 342 ff. FamFG erteilt.601 Das Nachlassgericht stellt dabei eine deutsche, d. h. mitgliedstaatliche, hoheitliche Autorität dar. Somit wird der deutsche Erbschein in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet.602 Gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO müsste sich die Beweiskraft – bzw. Authentizität i. S. d. EG 62 EuErbVO –603 des Erbscheins ferner auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde beziehen (sublit. i) und durch eine ermächtigte Stelle festgestellt worden sein (sublit. ii).604 Durch diese Anforderungen soll sichergestellt werden, dass die Urkundsperson bzw. erlassende Stelle Verantwortung sowohl für die äußeren Tatsachen als auch für die inhaltlichen Merkmale der Urkunde übernimmt.605 Indem die Authentizität gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO durch eine Behörde oder ermächtigte Stelle festgestellt worden sein 599  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, BGB, § 2353, Rn. 2; Grziwotz, in: MüKo/BGB, BGB, § 2353, Rn. 5; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 17; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 5; Siegmann/Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 1, 12. 600  S. o. unter § 2 II., S. 17 ff. 601  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 2 ff.; Grziwotz, in: MüKo/ BGB, BGB, § 2353, Rn. 46 ff.; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 17 ff., 65 ff.; Siegmann/ Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 16; Weidlich, in: Palandt, BGB, § 2353, Rn. 6. 602  So auch Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 176. 603  Vgl. zur Begriffserläuterung oben unter § 2 III.1., S. 21 ff. 604  Siehe hierzu oben unter § 2 III., S. 21 ff., insb. unter 3., S. 25 ff. 605  Vgl. oben unter § 2 III. 3., S. 25 ff.



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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muss, soll die öffentliche Urkunde von Privaturkunden abgegrenzt werden, die keine Emanation der öffentlichen Gewalt darstellen.606 Der deutsche Erbschein erbringt als öffentliche Urkunde i. S. d. § 417 ZPO den vollen Beweis darüber, dass er seinem Inhalt und den Begleitumständen nach ergangen ist (sog. äußere Beweiskraft).607 Folglich entspricht er den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO. Diese Beweiskraft kommt dem Erbschein als öffentliche Urkunde zugute, da er von einer Emanation der öffentlichen Gewalt, dem Nachlassgericht, erlassen wird. Insofern erfüllt der Erbschein auch die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO. Mithin bezieht sich die Authentizität des deutschen Erbscheins, die durch eine ermächtigte Stelle i. S. d. EuErbVO festgestellt wurde sowohl auf die Unterschrift und den Inhalt, sodass dieser den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i und ii EuErbVO entspricht.608 Folglich stellt der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB eine öffentliche Urkunde i. S. d. der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dar.

b)  Subsumtion des deutschen Erbscheins unter die Legaldefinition einer Entscheidung nach der EuErbVO Nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO ist eine „Entscheidung“ jede von einem Gericht eines Mitgliedstaates in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten.609 Der Begriff des Gerichts wird seinerseits in Art. 3 Abs. 2 EuErbVO ebenfalls legaldefiniert.610 Hiernach bezeichnet der Begriff „Gericht“ jedes Gericht und alle sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln. Letztere jedoch nur, sofern diese anderen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten und ihre Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sie tätig sind, vor einem Gericht angefochten oder von einem Gericht nachgeprüft werden können (lit. a) und vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in der gleichen Sache (lit. b). Zentraler Begriff der Legaldefinition einer Entscheidung i. S. d. EuErbVO ist der des Gerichts. Diesen bestimmt Art. 3 Abs. 2 EuErbVO verordnungsauto606  607 

Vgl. oben unter § 2 III. 3., S. 25 ff. Geimer, in: Zöller/ZPO, ZPO, § 417, Rn. 1 f.; Grziwotz, in: MüKo/BGB, BGB, § 2353, Rn. 6; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 417, Rn. 1 f.; Krafka, in: BeckOK/ZPO, ZPO, § 417, Rn. 3, 5; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 4; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 417, Rn. 5 f. 608  Auch in diesem Sinne: Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 176 f. 609  Zur Legaldefinition der Entscheidung siehe unter § 3 I., S. 46 ff. 610  Zur Legaldefinition des Gerichts siehe unter § 3 II., S. 57 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

nom. Hierbei differenziert die Verordnung zwischen den Gerichten im eigentlichen bzw. formalen Sinne und den anderen Autoritäten, die den Gerichten im formalen Sinne gleichzustellen sind (Gerichte im funktionalen Sinne).611 Unter einem Gericht im eigentlichen Sinne, das gerichtliche Funktionen ausübt (vgl. EG 20 EuErbVO), werden dauerhaft eingerichtete Organe der Judikative verstanden, die Rechtsfragen unabhängig, unparteiisch und durch Anwendung von Rechtsvorschriften entscheiden.612 Der deutsche Erbschein wird durch das zuständige deutsche Nachlassgericht gem. § 2353 BGB i. V. m. §§ 342 ff. FamFG erteilt.613 Sachlich ist das Amtsgericht als Nachlassgericht gem. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG i. V. m. § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG zuständig. Dieses stellt ein deutsches staatliches Gericht dar, das unabhängig und unparteiisch in Anwendung von Rechtsnormen Streitigkeiten entscheiden kann. Folglich entspricht das Nachlassgericht den Voraussetzungen an ein Gericht im eigentlichen bzw. formalen Sinne nach Art. 3 Abs. 2 EuErbVO. Des Weiteren stellt das deutsche Nachlassgericht auch ein „Gericht eines Mitgliedstaats“614 i. S. d. EuErbVO dar, da Deutschland ein an der EuErbVO teilnehmender Mitgliedstaat ist. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO muss es sich weiterhin um eine Entscheidung „in einer Erbsache“ handeln, damit es sich um eine Entscheidung im verordnungsautonomen Sinne handelt. Dieses Tatbestandsmerkmal entspricht demjenigen innerhalb der Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO.615 Es begrenzt die fraglichen Dokumente auf den Anwendungsbereich der EuErbVO. Wie bereits oben festgestellt, bezeugt der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB die Erbfolge und die auf den Erben übergegangenen Rechte und Pflichten von Todes wegen, somit die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ im Sinne der EuErbVO und betrifft daher eine Erbsache.616 Fraglich ist jedoch, ob der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB dem Merkmal einer „Entscheidung“617 gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO entspricht. Die 611 

S. o. ausführlich unter § 3 II., S. 57 ff. Siehe hierzu unter § 3 II. 1., S. 58 ff. Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 2 ff.; Grziwotz, in: MüKo/ BGB, BGB, § 2353, Rn. 46 ff.; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 17 ff., 65 ff.; Siegmann/ Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 16; Weidlich, in: Palandt, BGB, § 2353, Rn. 6. 614  Vgl. hierzu unter § 3 I. 3., S. 55 ff. 615  Hierzu bereits ausführlich unter § 3 I. 2., S. 50. 616  S. o. unter § 4 II. 3. a), S. 95 f. 617  Siehe hierzu unter § 3 I. 1., S. 46 ff. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der EuGH sich in der Rechtssache Oberle (Urteil vom 21.6.2018, Rs. C-20/17, Oberle, Rn. 33 ff.) nicht mit dem Entscheidungsbegriff selbst befasst, sondern einzig aus der Systematik und dem Telos der Verordnung hergeleitet hat, dass die Zuständigkeitsregel des Art. 4 EuErbVO auch für Verfahren gilt, die nicht zum Erlass einer judiziellen Entscheidung führen. Siehe hierzu: Burandt/ Schmuck, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; Dörner, DNotZ 2018, 661, 684; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 25; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 4, Rn. 16. 612  613 



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins

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Verordnung selbst gibt keine genaueren Angaben zum Begriff der „Entscheidung“ als Voraussetzung für das Vorliegen einer Entscheidung nach. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO. Durch Heranziehung der ständigen Rechtsprechung des EuGH kann der Begriff im Wege einer einheitlich-europäischen Auslegung näher bestimmt werden. Maßgeblich erscheint, dass das Rechtsprechungsorgan „kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet“618. Die fragliche Entscheidung muss demnach das Resultat einer gestaltenden Arbeit des Gerichts darstellen. Ob nationale Erbnachweise, die wie der deutsche Erbschein durch ein Gericht erlassen werden, das Merkmal der „Entscheidung“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO erfüllen, ist in der Literatur – wie oben erläutert –619 umstritten. Die erste Ansicht620 bejaht dieses Tatbestandsmerkmal, „jedenfalls“ bei Erbnachweisen „die in einem justizförmigen Verfahren mit Anhörung der Beteiligten vor einem Gericht (i. S. d. [Art. 3] Abs. 2) ausgestellt werden, das in einem potentiell kontradiktorischen Verfahren ‚kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet‘“.621 Dies soll namentlich für den deutschen Erbschein gelten, da bei einer streitigen Erbsache eine Entscheidung des Beschwerdegerichts vorliegt, somit eine potentielle Entscheidung über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte.622 Folglich entsprechen nationale Erbnachweise wie der deutsche Erbschein nach dieser Ansicht der Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO. Nach der zweiten Auffassung623 stellen nationale Erbnachweise wie der deutsche Erbschein keine Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO dar. Nationalen Erbnachweisen fehle es an anerkennungsfähigen und vollstreckbaren Wirkungen, die jedoch Wesensmerkmal einer Entscheidung seien. Hiernach sind nationale Erbnachweise vielmehr als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO anzusehen.

c) Zwischenergebnis Schließlich können nationale Erbnachweise wie der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB, je nachdem welcher der beiden dargestellten Ansichten gefolgt 618 Insoweit übertragbare Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ: EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. C-414/92, Solo Kleinmotoren ./. Boch, Slg. 1994, I-02237, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 14.10.2004, Rs. C-39/02, Maersk Olie & Gas, Slg. 2004, I-09657, Rn. 45. Siehe hierzu ausführlich unter § 3 I. 1., S. 48 ff. 619  Siehe oben unter § 4 II., S. 84 ff. 620  Vgl. unter § 4 II. 1., S. 85 ff. 621  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17; diesem zustimmend: Deixler-Hübner/Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 3, Rn. 37; J. P.  Schmidt, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 3, Rn. 8; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 3, Rn. 13. Siehe hierzu o. unter § 4 II. 1., S. 85 ff. 622  S. o. unter § 4 II. 1., S. 87 ff. 623  Vgl. unter § 4 II. 2., S. 88 ff.

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Teil 1: Anwendungsbereich

wird, entweder unter die Begriffsbestimmung einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO oder unter den Begriff einer Entscheidung nach der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO subsumiert werden. Infolgedessen erscheint eine verordnungsautonome Qualifikation nationaler Erbnachweise als Entscheidung oder als öffentliche Urkunde grundsätzlich möglich. Es stellt sich daher die Frage, welche Qualifikation zutreffend ist.

d)  Kritische Argumentation zur Frage der Qualifikation Da es möglich erscheint, den deutschen Erbschein sowohl unter die Legaldefinition der Entscheidung gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO als auch unter die Legaldefinition der öffentlichen Urkunde nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu subsumieren, stellt sich nun die Frage, welche Qualifikation angemessener erscheint. Die von der zweiten Auffassung624 vorgebrachten Argumente überzeugen. Nationale Erbnachweise, namentlich der deutsche Erbschein, sind als öffentliche Urkunden i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu qualifizieren. Hingegen überzeugt die erste Ansicht,625 nationale Erbnachweise (teilweise) als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO anzusehen, nicht. Zur Einordnung als Entscheidung wird von der ersten Ansicht dahingehend differenziert, ob der fragliche Erbnachweis in einem potentiell kontradiktorischem Verfahren vor einem Gericht i. S. d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO erlassen wurde oder nicht.626 Die daraus folgende Ungleichbehandlung zwischen mitgliedstaatlichen Erbnachweisen in Form einer Entscheidung und denen, die unstrittig als öffentliche Urkunde zu behandeln sind, ist jedoch nicht gerechtfertigt.627 Angebracht wird von den Vertretern der ersten Auffassung, dass auf diese Weise die Attraktivität nationaler Erbnachweise gegenüber dem Europäischen Nachlasszeugnis nach Art. 62 ff. EuErbVO erhöht würde.628 Dies kann jedoch weder eine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung sein noch ein Argument für die Qualifikation als Entscheidung. Denn es kann dem Verordnungsgeber nicht der Wille unterstellt werden, seine eigene neue Kreation nicht fördern zu wollen – gar dessen Bedeutung im Verhältnis zu bereits existierenden nationalen Zeugnissen zu mindern. Indem bei einer grenzüberschreitenden Einbringung eines Nachweises zunächst stets das nationale Erlassverfahren im Ursprungsstaat nachzuprüfen wäre, widerspricht diese Differenzierung zudem dem Regelungsziel der EuErbVO einer zügigen, unkomplizierten und einfachen Nachlassabwicklung (vgl. EG 67 EuErbVO). 624 

S. o. unter § 4 II. 2., S. 88 ff. S. o. unter § 4 II. 1., S. 85 ff. 626  Vgl. hierzu unter § 4 II. 1., S. 85. 627  S. o. unter § 4 II. 2., S. 95. 628  S. o. unter § 4 II. 1., S. 85. 625 



§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins 101

Des Weiteren überzeugt das Abstellen auf ein potentiell kontradiktorisches Verfahren zur Einordnung als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO insbesondere hinsichtlich des deutschen Erbscheins nach § 2353 BGB nicht. Zutreffend ist, dass das deutsche Erbscheinsverfahren je nach beantragtem Erbrecht (streitiges oder unstreitiges), unterschiedlich verlaufen kann. Im Falle eines streitigen Erbrechts, d. h. wenn der beantragte Erbschein dem Willen eines Beteiligten widerspricht, hat das Nachlassgericht den Feststellungsbeschluss gem. § 352e Abs. 2 S. 1 FamFG zu erlassen und den Beteiligten bekannt zu geben. Das Gericht hat dann nach S. 2 die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückzustellen. Nach Ablauf des Beschwerdeverfahrens (durch Ablauf der Beschwerdefrist oder durch erfolgloser Ausschöpfung des Rechtsweges) ergeht der Feststellungsbeschluss dann schließlich in Rechtskraft.629 Aufgrund dieser möglichen Überprüfung der Richtigkeit des angekündigten Erbscheins, diesen als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO zu qualifizieren, ist jedoch nicht überzeugend. Diese Qualifikation missachtet, dass zwischen dem tatsächlich erteilten Erbschein und dem diesen vorangehenden Feststellungsbeschluss strikt zu differenzieren630 ist. Die Vertreter dieser Ansicht wenden ein, dass zur verordnungsautonomen Qualifikation nationalverfahrensrechtliche Besonderheiten nicht zu beachten seien.631 Jedoch ist einzig der Erbschein nach § 2353 BGB für die Wirkungen der §§ 2365 ff. BGB, die diesen zu einem starken nationalen Erbnachweis machen, maßgeblich.632 Von dem Feststellungsbeschluss nach § 352e FamFG gehen diese Wirkungen nicht aus. Dass der faktisch erteilte Erbschein das allein relevante Dokument darstellt, wird auch dadurch verdeutlicht, dass ein erteilter Erbschein, trotz nicht eingetretener Rechtskraft des Feststellungsbeschlusses, gleichwohl wirksam ist.633 Folglich kann zur Qualifikation des Erbscheins nicht dessen verfahrensrechtliche Vorstufe herangezogen werden. Wollte man, trotz der vorzunehmenden Differenzierung, auf den Feststellungsbeschluss abstellen, würde dies auch zu keiner Anerkennungsmöglichkeit verhelfen. Denn auch der Feststellungsbeschluss gem. § 352e Abs. 1 S. 2 FamFG kann nicht in materielle Rechtskraft erwachsen.634 Vielmehr ergeht er 629  Schlögel, in: BeckOK/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 16; Zimmermann, in: Kreidel, FamFG, § 352e, Rn. 99. 630  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, FamFG, § 352e, Rn. 186, 201; Kroiß, in: NK/ BGB, BGB, § 2353, Rn. 106; Grziwotz, in: MüKo/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 30 f.; Siegmann/Höger, in: BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 31. 631  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 3, Rn. 17. 632  So i. E. auch Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26, Fn. 56; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 30, Rn. 21; Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Art. 25, Rn. 914. 633  Schlögel, in: BeckOK/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 16; Grziwotz, in: MüKo/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 47; Zimmermann, in: Kreidel, FamFG, § 352e, Rn. 102. 634  Hoeren, in: NK-Hk/BGB, FamFG, § 352e, Rn. 2; Schall/Simon, in: Geimer/Schütze,

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Teil 1: Anwendungsbereich

lediglich in formelle Rechtskraft, vgl. § 45 FamFG.635 Die formelle Rechtskraft ist jedoch keine anerkennungsfähige Entscheidungswirkung im engeren Sinne, sondern eine Urteilseigenschaft.636 Aus deutscher Sicht ist sie lediglich Voraussetzung für den Eintritt von Urteilswirkungen, wie etwa die materielle Rechtskraft.637 Durch den Feststellungsbeschluss bescheinigt das Gericht einzig, dass es die zur Erteilung erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.638 Dergestalt ist ein Gericht, dass über eine Feststellungsklage bzgl. eines Erbrechts zu entscheiden hat, nicht an das Erbscheinsverfahren gebunden.639 Synonym für den Feststellungsbeschluss wird teilweise auch der Begriff einer „gutachterlichen Bescheinigung“ verwandt,640 wodurch die Abgrenzung zur gerichtlichen Entscheidung im eigentlichen Sinne deutlich wird. Eine in Rechtskraft erwachsende Entscheidung, die das Erbrecht bescheinigt, kann einzig durch eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erlangt werden.641 Auch der Feststellungsbeschluss ist somit, trotz – bzw. aufgrund – seiner alleinigen formellen Rechtskraft nicht anerkennungsfähig.642 Folglich stellen weder der Feststellungsbeschluss gem. § 352e Abs. 1 S. 2 FamFG noch der Erbschein nach § 2353 BGB eine Entscheidung im verordnungsautonomen Sinne nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO dar.643 Die zweite Ansicht beachtet die Unterscheidung zwischen Feststellungsbeschluss und Erbschein und qualifiziert folglich den allein maßgeblichen Erbschein im verordnungsautonomen Sinne als öffentliche Urkunde und – mangels Rechtskraftwirkung – nicht als Entscheidung.644 Zu Recht wird der deutsche Erbschein daher als öffentliche Urkunde nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO qualifiziert. Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; Wall, ZErb 2015, 9, 11; Weber, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 21. 635  Schlögel, in: BeckOK/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 16. 636  Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 866. 637  Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 866. 638 Vgl. Schlögel, in: BeckOK/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 11 f. 639 Vgl. Grziwotz, MüKo/BGB, BGB, § 2353 Anhang, Verfahrensrecht zum Erbschein, Rn. 165, 172; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 21; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2359, Rn. 6; Schall/Simon, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; Schlögel, in: BeckOK/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 6; Zimmermann, ZEV 2010, 457, 459. 640  Schall/Simon, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd.  III, EuErbVO, Art. 3, Rn. 26; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 21. 641  BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 29.8.2005 – 1 BvR 219/05, ZEV 2006, 74, 74; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 7 ff.; Muscheler, JURA 2009, 567, 570; Schlögel, in: BeckOK/FamFG, FamFG, § 352e, Rn. 6; Siegmann/Höger, BeckOK/BGB, BGB, § 2353, Rn. 9, 36; Zimmermann, ZEV 2010, 457, 457, 460. 642  So auch Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 21. 643  So auch Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 70; ausdrücklich zum Erbschein: Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; zum Feststellungsbeschluss: Wall, ZErb 2015, 9, 11. 644  S. o. unter § 4 II. 2., S. 88 ff.

§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins 103



Besonders überzeugend ist die zweite Ansicht mit Blick auf die fehlende Rechtskraftwirkung des Erbscheins, die jedoch der Anerkennung immanent ist, sodass folglich die Anerkennungsregeln der Art. 39 ff. EuErbVO nicht auf den Erbschein anwendbar sind.645 Hinsichtlich des Anerkennungsregimes der EuErbVO wird von Dutta als Vertreter der ersten Auffassung eingewandt, dass es bei der Anerkennung auf eine „etwaige ‚Rechtskraft‘ im Hinblick auf die bescheinigte Rechtsposition, etwa die Erbenstellung einer Person, [nicht ankomme]“.646 Auf diese Weise bleibt die Ansicht insoweit kohärent. Denn die fehlende Rechtskraftwirkung sowohl des Erbscheins nach § 2353 BGB als auch des Feststellungsbeschlusses nach § 352e Abs. 1 FamFG hindert hiernach die Anerkennung des Erbscheins nicht. Diese Auffassung begründet Dutta allerdings nicht. Die Frage, ob eine rechtskräftige Entscheidung für eine Anerkennung erforderlich ist, kann an dieser Stelle dahinstehen.647 Denn nichtsdestotrotz würde ein Verzicht auf das Erfordernis der Rechtskraft für die Anerkennung nach Art. 39 EuErbVO zu keiner sinnvollen Anerkennung nationaler Erbnachweise führen. Die Anerkennung bezieht sich stets allein auf verfahrensrechtliche Wirkungen der anzuerkennenden Entscheidung.648 Folgte man der ersten Ansicht, wäre die Anerkennung eines deutschen Erbscheins „wirkungsleer“.649 Mangels Rechtskraft oder Gestaltungswirkung des Erbscheins beinhaltet dieser keine anerkennungsfähigen Wirkungen.650 Bei einer Entscheidung, die keine anerkennungsfähigen Wirkungen aufweist, ist keine Anerkennung möglich.651 Zu Recht wird von den Vertretern der zweiten Ansicht daher betont, dass der Erbschein allein materiellrechtliche Wirkungen begründet, die einer Anerkennung nicht zugänglich sind.652 645 

S. o. unter § 4 II. 2., S. 91 ff.

646  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2. 647  Hierzu näher: Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO,

Art. 39, Rn. 3; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 39, Rn. 4; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 8. Ferner allgemein zum europäischen Recht: Kropholler, IPR, S. 664; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.30; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 6. 648  Geimer, IZPR, Rn. 2776, 2799; Geimer, in: Zöller/ZPO, ZPO, § 328, Rn. 29 (zu § 328 ZPO und §§ 107 ff. FamFG); Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 731 (zu § 108 FamFG); Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Schäuble, ZErb 2011, 267, 268; Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Art. 25, Rn. 914; Wall, ZErb 2015, 9, 11. 649  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5. 650  Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Art. 25, Rn. 914; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 114; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Schäuble, ZErb 2011, 267, 268; Wall, ZErb 2015, 9, 11. 651  Geimer, IZPR, Rn. 2799. 652  Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Art. 25, Rn. 914; Geimer, in: Zöller/ ZPO, ZPO, § 328, Rn. 93; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 5; Schäuble, ZErb 2011, 267, 268.

104

Teil 1: Anwendungsbereich

Diese materiellrechtlichen Wirkungen des Erbscheins, d. h. seine Vermutungs-, Legitimation- und Gutglaubenswirkung, sind nach Dutta als Vertreter der ersten Ansicht „ähnlich wie bei der Anerkennung von Gestaltungsentscheidungen“ im Wege der Anerkennung nach Art. 39 EuErbVO zu erstrecken.653 Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Zunächst überzeugt die Parallele zu Gestaltungsentscheidungen nicht. Gestaltungsentscheidungen beinhalten anerkennungsfähige Wirkungen, da sie eine Rechtsänderung direkt herbeiführen, indem sie eine Rechtslage schaffen, die vorher nicht gegeben war.654 Der Erbschein hingegen ändert nicht die materielle Rechtslage, er bezeugt lediglich die gegebene Rechtslage.655 Zudem knüpfen die Wirkungen eines Erbscheins nicht an den Erbschein selbst an, sie ergeben sich erst aus dem anwendbaren materiellen Recht.656 Da diese Wirkungen dem Erbschein nicht eigen sind, können sie auch nicht im Wege der Anerkennung ins Ausland erstreckt werden. Vielmehr ist hierfür das anwendbare Erbstatut nach der EuErbVO zu bestimmen; gegebenenfalls kann eine Substitution erforderlich sein.657 Würde man dennoch die Wirkungen eines Erbscheins im Wege der Anerkennung ins Ausland erstrecken wollen, würde dies zu unüberschaubaren Folgen führen. Hertel wendet anschaulich ein, dass eine Anerkennung der Wirkungen eines Erbnachweises „Chaos“ zur Folge hätte: Denn nach der Wirkungserstreckungslehre müsste einem ausländischen Erbnachweis im Inland die Wirkungen nach seinem Ursprungsrecht zugutekommen. Beispielsweise würde die Legitimations-, Vermutungs- und Gutglaubensfunktion eines griechischen Erbnachweises in Deutschland nach griechischem Recht beurteilt werden und wäre diesem nach Art. 39 EuErbVO auch automatisch zuzusprechen. Einem polnischen Erbnachweis wiederum würden die Wirkungen nach polnischem Recht in Deutschland zukommen. Diese ausländischen Wirkungen müssten dann im Rahmen des deutschen Rechts (inkl. seiner sachenrechtlichen Besonderheiten) beachtet werden. Um dieses „Chaos“ zu bewältigen, müsste nach Hertel die Anerkennung nach der Wirkungsgleichstellungs- oder der Kumula653  654 

Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, S. 152; Kropholler, IPR, S. 681; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.43. 655  Gierl, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, BGB, § 2353, Rn. 3; Grziwotz, in: MüKo/BGB, BGB, § 2353, Rn. 2. 656  Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Art. 25, Rn. 914; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6; Süß, ZErb 2009, 342, 347 (zu Urkunden); zur EuErbVO-E in diesem Sinne: Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 2010, Einf. EuErbVO-E, Rn. 38 wonach Art. 34 EuErbVO-E nicht dazu führen könne, dass materiellrechtliche Gutglaubenswirkungen erbrechtlicher Legitimationsurkunden unbeschadet des bei Erteilung der Urkunde maßgeblichen Erbstatuts europäisiert werden. 657 Vgl. Dörner, in: Staudinger (Int. Erbrecht), EGBGB, Art. 25, Rn. 914; Grziwotz, in: MüKo/BGB, BGB, § 2353, Rn. 192; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6; Herzog, in: Staudinger (Erbverzicht, Erbschein, Erbschaftskauf ), BGB, Einl. zu §§ 2353–2370, Rn. 117 ff.; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 732; Wall, ZErb 2015, 9, 13.

§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins 105



tionstheorie verlaufen, d. h. der ausländische Erbnachweis wäre dem deutschen Erbschein gleichzustellen.658 Eine Gleichstellung steht jedoch im Widerspruch zur Wirkungserstreckungslehre, die im europäischen Zivilverfahrensrecht vom EuGH – zu Recht – bevorzugt wird und auch der EuErbVO zugrunde liegt.659 Ferner verdeutlichen die Ausführungen Hertels, dass eine automatische „Anerkennung“ der materiellrechtlichen Wirkungen von Erbnachweisen sehr kompliziert verlaufen und zu undurchsichtigen sowie unvorhersehbaren Ergebnissen führen würde. Jedoch widerspräche dies dem Regelungsziel der EuErbVO einer einfachen und zügigen Nachlassabwicklung. Zudem erscheint eine „Anerkennung“ der Vermutungs-, Legitimations- und Gutglaubenswirkungen vor dem Hintergrund der divergierenden Erteilungsverfahren mit unterschiedlich intensiven Prüfungen zu weitreichend und nicht zweckmäßig.660 Demgegenüber bietet das fünfte Kapitel der EuErbVO zur Regelung der grenzüberschreitenden Wirkungen nationaler Erbnachweise, namentlich des deutschen Erbscheins, angemessene Vorschriften. Denn würde ein deutscher Erbschein zunächst in einem anderen Mitgliedstaat (z. B. Spanien) nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO anerkannt, später aber in Deutschland gem. § 2361 BGB eingezogen oder für kraftlos erklärt, müsste diese Kraftloserklärung auch in Spanien erfolgen. Hierfür sieht die EuErbVO in Kapitel IV aber keine Regelungen vor. In Kapitel V der EuErbVO hingegen regelt Art. 59 EuErbVO speziell die Annahme öffentlicher Urkunden – nach Abs. 1 beschränkt auf die formelle Beweiskraft. Darüber hinaus werden in diesem Artikel auch mögliche Einwände bezüglich der Authentizität einer Urkunde (Abs. 2) sowie hinsichtlich der beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse (Abs. 3) geregelt. Das fünfte Kapitel bietet somit geeignete Vorschriften für nach der primären grenzüberschreitenden Wirkungsentfaltung auftauchende Fragen. Demnach erscheint es passender, nationale Erbnachweise, insbesondere den deutschen Erbschein nach § 2353 BGB, dem Regime des fünften Kapitels der EuErbVO (und nicht der Anerkennung nach Art. 39 ff. EuErbVO) zu unterstellen. Weiterhin würde die Anwendung der Art. 39 ff. EuErbVO auf nationale Erbnachweise bedeuten, dass diese dem vierten Kapitel der EuErbVO unterstellt würden. Die Regelungen des vierten Kapitels der EuErbVO passen jedoch nicht auf nationale Erbnachweise. Neben der fehlenden Anerkennungsfähigkeit na658 

Zum Ganzen Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6. Wirkungserstreckung noch ausführlich unter § 6 I., S. 136 ff. Zur EuGH-Rechtsprechung siehe EuGH, Urteil v. 4.2.1988, Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, 00645, Rn. 10 f.; EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn. 66; EuGH, Urteil v. 13.10.2011, Rs. C. 139/10, Prism Investments ./. Jaap Anne van der Meer, Slg. 2011, I-09511, Rn. 38; EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, Rn. 34. 660  In diesem Sinne auch bereits DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 306; Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 7 f. 659  Zur

106

Teil 1: Anwendungsbereich

tionaler Erbnachweise, sind diese zudem nicht vollstreckbar. Folglich sind die Art. 43 ff. EuErbVO, die die Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen anordnen, nicht auf Erbnachweise anwendbar.661 Art. 60 Abs. 1 EuErbVO hingegen differenziert seinem Wortlaut nach ausdrücklich: „Öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat […] für vollstreckbar erklärt“. Art. 60 EuErbVO, der systematisch Teil des fünften Kapitels der EuErbVO ist, verdeutlicht somit ebenfalls, dass dieses Kapitel den nationalen Erbnachweisen gerecht wird. Daher ist der zweiten Ansicht zuzustimmen, dass die Regelungen des fünften Kapitels der EuErbVO auf nationale Erbnachweise als öffentliche Urkunden anzuwenden sind; hingegen das vierte Kapitel der EuErbVO nicht für nationale Erbnachweise passt. Auch der Verordnungsgeber scheint davon auszugehen, dass nationale Erbnachweise wie der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB im Sinne der EuErbVO eine öffentliche Urkunde darstellen. In EG 67 EuErbVO wird das Europäische Nachlasszeugnis erläutert. Zweck des ENZ soll nach EG 67 S. 1 und 2 EuErbVO sein, dass die Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sein sollten, ihren jeweiligen Status bzw. Rechte und Befugnisse grenzüberschreitend einfach nachweisen können. Die EuErbVO betont aber gleichzeitig in EG 67 S. 3, dass das ENZ nicht „die innerstaatlichen Schriftstücke ersetzen [soll], die gegebenenfalls in den Mitgliedstaaten für ähnliche Zwecke verwendet werden.“ Die Verwendung des Begriffs „Schriftstück“ entspricht dem deutschen Wortlaut der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO. Auch in der englischen Sprachfassung wird an beiden Stellen der Terminus „document“ gebraucht. Nationale Erbnachweise, sowohl notarielle als auch gerichtliche, sind dabei gerade Schriftstücke bzw. Dokumente, die zum Nachweis der Erbenstellung dienen und somit hier von der EuErbVO gemeint sind. Hätte der Verordnungsgeber gewisse Erbnachweise als Entscheidung ansehen wollen, hätte er dies an dieser Stelle (EG 67 S. 3 EuErbVO) präzisiert. An anderen Orten der Verordnung werden die verschiedenen Dokumentsarten stets aufgelistet. So erläutert beispielsweise EG 69 S. 2 EuErbVO, dass es den Beteiligten freistehen solle, „die anderen nach dieser Verordnung zur Verfügung stehenden Instrumente (Entscheidung, öffentliche Urkunde und gerichtlicher Vergleich) zu verwenden“. Eine solche Auflistung hat der Verordnungsgeber in EG 67 S. 3 EuErbVO bewusst nicht vorgenommen, da mitgliedstaatliche Erbnachweise im Sinne der EuErbVO regelmäßig als öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. 1 EuErbVO vorkommen. Demzufolge sind nationale Erbnachweise und insbesondere der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB – entsprechend der zweiten Ansicht662 – als öffent661  662 

Vgl. ausführlich hierzu unter § 4 II. 2., S. 89 ff. S. o. unter § 4 II. 2., S. 88 ff.

§ 4  Einordnung nationaler Erbnachweise am Beispiel des deutschen Erbscheins 107



liche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zu qualifizieren und folglich Kapitel V der EuErbVO zu unterstellen. Hingegen entspricht der deutsche Erbschein, als nationaler Erbnachweis, nicht der Legaldefinition einer Entscheidung. Denn das Tatbestandsmerkmal der „Entscheidung“ gem. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO zeichnet sich primär dadurch aus, dass das Gericht eigenständig und frei auf der Grundlage von Rechtsvorschriften eine Entscheidung trifft.663 Namentlich der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB stellt jedoch keine rechtsgestaltende Entscheidung des Nachlassgerichts dar.664 Zwar kann das Erteilungsverfahren unterschiedlich verlaufen, je nachdem ob einer der Beteiligten gem. § 352e Abs. 2 S. 1 FamFG dem Feststellungsbeschluss widerspricht oder nicht. Der endgültig erteilte Erbschein bezeugt allerdings „nur“ die Erbenstellung, er begründet sie hingegen keinesfalls.665 Der Erbschein kann daher nicht als Resultat der gestaltenden Arbeit des Nachlassgerichts angesehen werden. Folglich entspricht er nach der hier vertretenen Auffassung nicht dem Merkmal der „Entscheidung“ i. S. d. Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO. Vielmehr stellt er eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dar; mit dieser Legaldefinition stimmt der Erbschein – wie oben gezeigt –666 überein.

e)  Ergebnis zur Qualifikation des deutschen Erbscheins Folglich stellen sowohl notariell als auch gerichtlich ausgestellte Erbnachweise, die nicht in Rechtskraft erwachsen, öffentliche Urkunden i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO dar. Insbesondere ist der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB als öffentliche Urkunde in diesem Sinne zu qualifizieren. Innerhalb des europäischen Raumes sollen diese frei zirkulieren können. Dieses Regelungsziel der EuErbVO wird in EG 60 EuErbVO deutlich, wonach die Verordnung die Annahme und Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden in einer Erbsache in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleisten soll. Der deutsche Erbschein unterliegt somit der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.

663 

Hierzu bereits unter § 3 I. 1., S. 47 ff. Muscheler, JURA 2009, 329, 330. Muscheler, JURA 2009, 329, 330. 666  Siehe unter § 4 II. 3. a), S. 95 ff. 664  665 

Teil 2

Methode der Annahme Um den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, soll die EuErbVO die Annahme und Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden in einer Erbsache in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleisten. Diesem in EG 60 der EuErbVO festgehaltenen Bestreben entsprechen die Artikel 59 und 60 der EuErbVO, indem Art. 59 die Annahme und Art. 60 die Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden normiert. Der Terminus der „Annahme“ öffentlicher Urkunden stellt allerdings sowohl im Internationalen Privatrecht als auch im Internationalen Zivilverfahrensrecht einen neuartigen und unbekannten Begriff dar. Daher stellt sich die Frage, was unter einer „Annahme“ einer öffentlichen Urkunde nach Art. 59 EuErbVO zu verstehen ist. Im Folgenden soll daher die neue Methode der Annahme öffentlicher Urkunden dargelegt werden. Hierfür wird zunächst die dogmatische Methode der Annahme zu qualifizieren sein (§ 5), wobei insbesondere die Vorschrift des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dogmatisch einzuordnen ist. Daraufhin wird die durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angeordnete grenzüberschreitende Beweiskraftwirkung näher zu analysieren sein (§ 6). Im Anschluss daran stellt sich die Frage möglicherweise vorzunehmender Einschränkungen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung (§ 7).

§ 5  Qualifikation der „Annahme“ Nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hat eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaates nicht offensichtlich widersprechen würde. Liegt also eine in einem anderen Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde – d. h. eine solche, die der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO entspricht1 – vor, so ordnet Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als Rechtsfolge die „Annahme“ der gleichen formellen Beweiskraft oder der damit am ehesten ver1 

Zur Legaldefinition siehe unter § 2, S. 15 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

gleichbaren Wirkung im Annahmemitgliedstaat wie im Ursprungsmitgliedstaat an. Öffentliche Urkunden sind komplexe Rechtsakte mit unterschiedlichen Wirkungen.2 Dabei stellt die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, neben ihrer Vollstreckbarkeit und ihrer materiellrechtlichen Wirkungen, eine der drei zentralen Wirkungen dar, die öffentlichen Urkunden zukommen.3

I.  Vorab: Das Wesen einer öffentlichen Urkunde Für das Verständnis von Art. 59 EuErbVO ist es vorab notwendig, die Wesensart einer öffentlichen Urkunde aufzuzeigen. Es ist zwischen dem instrumentum und negotium einer öffentlichen Urkunde zu unterscheiden.4 Dabei wird unter dem Begriff des instrumentum allein die Urkunde selbst als Instrument bzw. Dokument, d. h. die tatsächlich schriftlich bzw. elektronisch vorliegende Urkunde,5 aufgefasst.6 Mitumfasst ist die der Urkunde anhaftende Beweiskraft. Hierbei wird die Urkunde allerdings ausschließlich als Träger der Informationen betrachtet. Im deutschen Beweisrecht wird hierfür deshalb der Terminus der formellen Beweiskraft (in Abgrenzung zur materiellen Beweiskraft) verwendet. Dieser Begriff findet sich auch in der deutschen Sprachfassung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO wieder. Die besondere formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde7 bezieht sich auf die durch die Urkundsperson aufgezeichneten tatsächlichen Elemente.8 Sol2 

21.

Ancel/Vincent, JCP N 2 (2016), 1009, Rn. 3. Ancel/Vincent, JCP N 2 (2016), 1009, Rn. 3; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19,

3 Vgl.

4  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; siehe auch Ancel/ Vincent, JCP N 2 (2016), 1009, Rn. 3, 5; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 21 f.; Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 165; Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 54 ff., 59; Callé, L’acte public en droit international privé, S. 234, Rn. 451; Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rn. 534; Corneloup, La publicité des situations juridiques, Rn. 457; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327, 350; Godechot-Patris, Rec. Dalloz 2012, 2462, 2468; Goré, TCFDIP 1998–2000, S. 23, 34; Huet, Les conflits de lois en matière de preuve, S. 273, Rn. 228 f.; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 643, 645; Münch, in: Lipp/ Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45, 55; Nicod, JCP N 5 (2013), 1014, Rn. 6; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 291, 781; Rigaux, Rev. crit. DIP 1961, 1, 8 f.; Pasqualis, Le problème de la circulation des actes notariés, S. 15; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 202. I. E. auch Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1496. 5  S. o. unter § 2 I., S. 15 f. 6 Vgl. Cornu/Association Henri Capitant, Vocabulaire juridique, S. 557; Terré, Introduction générale au droit, Rn. 218. 7  Siehe hierzu auch unter § 9, S. 183 ff. und § 10, S. 198 ff. 8 Vgl. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 116; Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rn. 420; CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques,



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

111

che tatsächlichen bzw. faktischen Elemente können beispielsweise die Abgabe einer Erklärung in einer bestimmten Sprache, an einem gewissen Ort, zu einer konkreten Zeit und gegebenenfalls vor besonderen Personen betreffen.9 Bei der (formellen) Beweiskraft des instrumentum geht es allein um den Umstand, dass die beurkundete Erklärung tatsächlich abgegeben oder der beurkundete Vorgang tatsächlich stattgefunden hat.10 Der Begriff instrumentum verdeutlicht, dass die Urkunde ausschließlich als Instrument bzw. Träger betrachtet wird. Der lateinische Begriff steht dabei allgemein für Gerätschaft aller Art, Werkzeug, Beförderungsmittel und auch Zeugnis oder Urkunde.11 Der Fokus liegt hierbei auf äußeren Aspekten der Urkunde. Die Urkunde wird gewissermaßen als Beförderungsmittel, anders ausgedrückt als „Mantel“12, innerer Elemente angesehen. Dementsprechend betrifft die Beweiskraft gegenständlich einzig diese äußeren bzw. formellen Aspekte der öffentlichen Urkunde. Die Beweiskraft des instrumentum bezieht sich lediglich auf die Existenz der tatsächlichen Elemente, die die Urkunde festhält. Davon zu unterscheiden ist das unter dem sog. „Mantel“ der Urkunde liegende negotium. Die öffentliche Urkunde umschließt als Instrument sozusagen den rechtlichen Inhalt der Urkunde.13 Um den in der öffentlichen Urkunde einbegriffenen rechtlichen Inhalt zu beschreiben, wird der lateinische Begriff des negotium verwendet.14 Dieser steht für Tätigkeit, Aufgabe, Angelegenheit oder auch Geschäft.15 Der Begriff veranschaulicht somit, dass das innere Wesen der Urkunde, nämlich das bezeichnete (Rechts-)geschäft bzw. -verhältnis hiermit gemeint ist. S. 60; Fitchen, JPIL 7 (2011), S. 33, 39 (Fn. 20), 41; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 9  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 10  Rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien: CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60. Vgl. zum deutschen Recht: Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 2; Krafka, in: BeckOK/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 8. Zum französischen Recht: Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 112; Nicod, JCP N 5 (2013), 1014, Rn. 6. 11 Vgl. Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Sp. 332. 12  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43, Fn. 14; Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 165; Geimer, IZPR, Rn. 2330b; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 8; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297, 781 („enveloppe“); Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 202. 13  Corneloup, La publicité des situations juridiques, Rn. 457; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 14 Vgl. Cornu/Association Henri Capitant, Vocabulaire juridique, S. 681; M. Kohler/ Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 648; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297; Pasqualis, Le problème de la circulation des actes notariés, S. 16; Terré, Introduction générale au droit, Rn. 218; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47. 15  Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Sp. 1184 f.

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Teil 2: Methode der Annahme

Art. 59 EuErbVO spricht in seinen Absätzen 3 und 4 von „in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“. Durch EG 63 S. 1 EuErbVO wird präzisiert, dass die Formulierung „die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ als Bezugnahme auf den in der Urkunde niedergelegten materiellen Inhalt verstanden werden sollte. Hierbei beschreibt der Verordnungsgeber das negotium einer Urkunde.16 Die rechtliche Wirksamkeit des beurkundeten Rechtsaktes ist demnach nicht Teil des instrumentum bzw. der äußeren Beweiskraft.17 Im deutschen Rechtsverständnis wird als Gegenüberstellung zur formellen Beweiskraft bzgl. des instrumentum für das negotium der Begriff der materiellen Beweiskraft herangezogen. Die materielle Beweiskraft – auch innere Beweiskraft genannt – betrifft die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten; also die Frage, ob das der Urkunde zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiellrechtlich wirksam ist,18 zum Beispiel, ob das in der Urkunde festgehaltene Rechtsgeschäft tatsächlich wirksam zustande gekommen ist, sowie ob es ein besonderes Rechtsgeschäft darstellt. Auch die Frage, ob sich aus der Urkunde die Tatbestandsmerkmale einer entscheidungserheblichen Norm ergeben, also die Bedeutung der Urkunde für das Beweisthema, betrifft nicht die formelle Beweiskraft.19 Solche materiellrechtlichen Aspekte werden herkömmlich nach den meisten nationalen Rechtsordnungen nicht als Teil der äußeren Beweiskraft, also des instrumentum, angesehen.20 Vielmehr sind Fragen der Wirksamkeit und Wirkungen einer Urkunde als „rechtliche Subsumtionsergebnisse“21 Gegenstand des negotium. 16  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Münch, in: Lipp/ Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47. So wohl auch Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 350. 17 Vgl. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327; Huet, Les conflits de lois en matière de preuve, S. 273, Rn. 228; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297; sowie Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109, 112 (zum französischen Recht) und 116, 121 (zum deutschen Recht). Siehe auch zum deutschen Recht Nagel/ Gottwald, IZPR, § 10, Rn. 130; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 120, Rn. 32. Zum französischen Recht Nicod, JCP N 5 (2013), 1014, Rn. 6. Rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien: CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60. 18  Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 8; Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 415, Rn. 17 ff. 19  Vgl. für das deutsche Recht Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 415, Rn. 17; Schilkens, Zivilprozessrecht, S. 258, Rn. 542. Ferner Stürner, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 47, 55. 20  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4. Zum französischen Recht: Beaumont/Fitchen/ Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109; Goré, TCFDIP 1998–2000, S. 23, 29; Nicod, JCP N 5 (2013), 1014, Rn. 6. Ferner CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60 (rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien). 21  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5. Siehe auch Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109, Fn. 129 („The special evidential value of an au-



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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Dabei wird das in der Urkunde aufgezeichnete Rechtsverhältnis (das negotium) durch das instrumentum verkörpert bzw. getragen. Trotz dieser Verbindung des instrumentum als Träger des negotium muss die dargestellte Differenzierung zwischen dem Träger und dem getragenen Inhalt bei der rechtlichen Beurteilung einer Urkunde beachtet werden. Insbesondere bei der Determinierung der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde sowie ihrer Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist diese Unterscheidung zu berücksichtigen – und zum Verständnis des Art. 59 EuErbVO erforderlich.22

II.  Dogmatische Einordnung der Norm 1.  Verfahrensrechtliche Kollisionsnorm Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ordnet an, dass eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung hat, sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaates nicht offensichtlich widersprechen würde. Dogmatisch verwendet der Verordnungsgeber hier die Regelungstechnik des Kollisionsrechts als Verweisungsrecht, nicht hingegen die verfahrensrechtliche Anerkennungsmethode.23 Als Kollisionsnormen (règle de conflit de lois) werden Verweisungs- oder Anknüpfungsregeln bezeichnet, die sich mit der Auswahl einer von mehreren in Betracht kommenden materiellen Rechtsordnungen befassen.24 Es handelt sich um indirekte Regeln, da sie die konkrete Rechtsfrage niemals in der Sache materiellrechtlich beantworten, sondern stets das Recht bezeichnen, das die Rechtsfrage beantworten wird.25 Kegel/Schurig erläutern diesbezüglich, dass allein die Anwendung des materiellen Rechtssatzes auf den konkreten Fall, nicht jedoch die Entscheidung in der Sache selbst, von der Rechtsfolge der Kollisionsnorm erfasst ist.26 Die eigentliche (Sach-)Entscheidung ist Rechtsfolge thentic instrument […] does not include or extend to legal issues that are […] based on a process of reasoning“). 22 Vgl. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5. 23  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 28, 32; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Dutta, FamRZ 2013, 4, 13; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 161, Rn. 498; Geimer, IZPR, Rn. 2330a; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, 34; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15, Fn. 49. 24  Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 1; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 743; P. Mayer, La distinction entre règles et décisions, Rn. 3, 119 ff.; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 207; Rauscher, IPR, Rn. 159. 25  Audit/d’Avout, DIP, Rn. 172; Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131, 132; Goldschmidt, in: FS Wolff, 1952, S. 203, 207; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 208. 26  Kegel/Schurig, IPR, S. 311; so auch bereits Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241, 282.

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Teil 2: Methode der Annahme

der materiellen Norm (Sachnorm).27 Eine Kollisionsnorm ist hingegen „bloße“ Rechtsanwendungsnorm.28 Wichtig ist zudem, dass eine Kollisionsnorm nicht nur jede Norm ist, die eine Rechtsordnung für anwendbar erklärt, sondern vielmehr „jeder Rechtssatz, der auf diese Weise formuliert werden kann“.29 Strukturell bestehen Kollisionsnormen – wie materielle Sachnormen – aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge. Allerdings wird die dogmatische Aufteilung des Tatbestandes und der Rechtsfolge einer Kollisionsnorm unterschiedlich gesehen.30 Weitgehende Einigkeit herrscht jedoch dahingehend, dass die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung die Rechtsfolge einer Kollisionsnorm ausmacht.31 Kegel/Schurig grenzen anschaulich die Rechtsfolgenseite der Kollisionsnorm, d. h. das „Bewirkte“, von der Tatbestandsseite, als das, was unter gewissen Voraussetzungen bewirkt werden soll, ab.32 Dabei gehöre zum Vorausgesetzten alles, ohne dessen Vorhandensein die spezielle Rechtswirkung nicht eintreten würde.33 Voraussetzung der Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung ist demnach einerseits, dass der fragliche Lebenssachverhalt mit einer bestimmten Rechtsordnung verknüpft wird (Anknüpfungspunkt) sowie die Eingrenzung des Anwendungsbereiches der Kollisionsnorm auf eine bestimmte Rechtsfrage (Anknüpfungsgegenstand). Anders ausgedrückt wird eine Kollisionsnorm „erst dadurch zur Kollisionsnorm, dass sie eine von ihr inhaltlich umschriebene Summe von Rechtsnormen […] einem nach räumlichen Gesichtspunkten bestimmten Tatbestandsmerkmal zuordnet“34. Überwiegend werden dabei sowohl Anknüpfungsgegenstand als auch Anknüpfungspunkt zum Tatbestand einer Kollisionsnorm gezählt.35 Dabei kann der dogmatische Streit, 27  Audit/d’Avout, DIP, Rn. 171 ff.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 4, Rn. 3; Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 2; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 208; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 58. 28  Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131, 132; Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 1; Rauscher, IPR, Rn. 159; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 51, 55, 58. 29  Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 59. 30  Ausführlich hierzu Schinkels, Normsatzstruktur des IPR, S. 31 ff., 73 ff.; Schurig, Kollisionsnorm und Sachnorm, S. 78 ff.; vgl. auch von Hein, MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 57; P. Mayer, La distinction entre règles et décisions, Rn. 142; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 742, Fn. 24; Weller, IPRax 2011, 249, 430, Fn. 11. 31  Audit/d’Avout, DIP, Rn. 171; Dörner, StAZ 1988, 345, 347; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 4, Rn. 4; Kegel/Schurig, IPR, S. 312; Kropholler, IPR, S. 105; Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 1, 33 f.; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 742; Mansel, Connecting Factor, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 441, 441; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 208; Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241, 241 f.; Rauscher, IPR, Rn. 159; Schinkels, Normsatzstruktur des IPR, S. 75; Schurig, Kollisionsnorm und Sachnorm, S. 87; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 87; Zitelmann, IPR, Bd. I, S. 205. 32  Kegel/Schurig, IPR, S. 311. So bereits Schurig, Kollisionsnorm und Sachnorm, S. 84. 33  Schurig, Kollisionsnorm und Sachnorm, S. 84; Kegel/Schurig, IPR, S. 311. 34  Von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 554, Rn. 5. 35 So von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 554, Rn. 6; Dörner, StAZ 1988, 345, 347; von



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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was Tatbestand und was Rechtsfolge einer Kollisionsnorm ist, hier offenbleiben, da aus den unterschiedlichen Sichtweisen keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Der Anknüpfungsgegenstand (catégorie de rattachement) fasst bestimmte Rechtsfragen oder Kategorien von Rechtsfragen als Sammel-, Funktions- bzw. Systembegriff zusammen.36 Dadurch wird der sachliche Anwendungsbereich der Kollisionsnorm festgelegt.37 Um den jeweiligen Sachverhalt mit einer bestimmten Rechtsordnung bezüglich des abstrakten Anknüpfungsgegenstandes zu verknüpfen, wird das maßgebliche Sachverhaltselement ebenfalls abstrakt bezeichnet – sog. Anknüpfungspunkt (point de rattachement).38 Nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hat eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat. Der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO verweist eindeutig für die Frage der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde als Anknüpfungsgegenstand auf den Ursprungsmitgliedstaat als Anknüpfungspunkt. Die Vorschrift bestimmt somit, welches Recht auf die Rechtsfrage der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde anzuwenden ist. Folglich stellt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Kollisionsnorm dar.39 Wie oben bereits erläutert,40 ist das Entscheidende einer Kollisionsnorm, dass sie derart formuliert werden kann, dass der Rechtssatz einen anderen Rechtssatz bzw. eine Rechtsordnung für anwendbar erklärt und nicht unmittelbar eine Sachentscheidung trifft. Dementsprechend Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 57; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 4, Rn. 4, § 5, Rn. 1; Rauscher, IPR, Rn. 159; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 87; wohl auch M.-P. Weller, IPRax 2011, 429, 430; Zitelmann, IPR, Bd. I, S. 205 ff. Ähnlich aber den Tatbestand weiter fassend: Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241, 245 (auch die „Lebensverhältnisse“ zum Tatbestand zählend); Schurig, Kollisionsnorm und Sachnorm, S. 87 und Kegel/Schurig, IPR, S. 311 (zudem den „materiellrechtlichen Sachverhalt“ und den „Sachrechtssatz“ in den Tatbestand miteinbeziehend). Den Tatbestand hingegen enger fassend: Kropholler, IPR, S. 105 und Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 33 (den Anknüpfungspunkt zur Rechtsfolgenseite einordnend); Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 744 (den Anknüpfungsgegenstand der Rechtsfolgenseite zuordnend). 36  Von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 56; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 4, Rn. 4; Krop­holler, IPR, S. 104; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 231. 37  Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 744; Mansel, Connecting Factor, in: Basedow/ Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 441, 441. 38  Audit/d’Avout, DIP, Rn. 171 f.; von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 558, Rn. 14; von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 57; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 5, Rn. 1; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 742; P. Mayer/Heuzé, DIP, Rn. 117; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 231; Szászy, International Civil Procedure, S. 109; M.-P. Weller, IPRax 2011, 429, 430; Zitelmann, IPR, Bd. I, S. 206. 39  D’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 250; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 28, 32; Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 16; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Dutta, FamRZ 2013, 4, 13; Fongaro, in: Fulchiron/ Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 65, 77; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 161, Rn. 498; Geimer, IZPR, Rn. 2330a; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, 34; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15, Fn. 49. 40  S. o. unter § 5 II. 1., S. 114.

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Teil 2: Methode der Annahme

wird die hier verwendete Regelungstechnik in EG 61 S. 3 EuErbVO besonders deutlich. Denn an dieser Stelle wird der Wortlaut von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO wie folgt umformuliert: Somit richtet sich die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates. Die Formulierung des EG 61 S. 3 EuErbVO entspricht deutlich einer Verweisungsnorm des IPR, da für einen bestimmten tatbestandlichen Gegenstand (hier die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde) als Rechtsfolge keine direkte materiellrechtliche Wirkung bestimmt, sondern die Auswahl einer abstrakt anwendbaren Rechtsordnung getroffen wird. Der Verordnungsgeber hat mit Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Rechtsordnungen zur Bestimmung der formellen Beweiskraft einer Urkunde getroffen. Denkbar wäre z. B. auch die Anknüpfung an das Recht des Verwendungsstaates41 der Urkunde, an die lex fori42 oder das Erbstatut. Als Anknüpfungspunkt wurde hier der Ursprungsmitgliedstaat der öffentlichen Urkunde gewählt. Ursprungsmitgliedstaat einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist dabei gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO der Mitgliedstaat, in dem die Urkunde förmlich errichtet oder eingetragen wurden.43 Mit dem Anknüpfungspunkt einer Kollisionsnorm soll grundsätzlich das jeweils mit dem Anknüpfungsgegenstand am engsten verbundene Recht zur Anwendung berufen werden.44 Nach der auf Savigny zurückgehenden Suche nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses, ist es Aufgabe des Kollisionsrechts, „daß bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist, (worin dasselbe seinen Sitz hat)“45. Anknüpfungsziel ist, den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses bzw. Systembegriffs zu lokalisieren, um diese Rechtsordnung für anwendbar zu erklären.46 Übertragen auf den Anknüpfungsgegenstand der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, hat der Verordnungsgeber zu Recht den Schwerpunkt der Beweiskraft einer Urkunde 41  So z. B. der Vorschlag des Vorsitzes des Rats für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 5, Punkt 16. Ferner bereits der Vorschlag in CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. VI. 42 Dafür MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 671, Rn. 261. 43  Zum Ursprungsmitgliedstaat bereits oben unter § 2 II. 1., S. 17 ff. 44 Grundlegend hierzu von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, S. 28, 108; vgl. auch von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 514, Rn. 55; von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 19, 29 ff.; Lagarde, Rec. Cours 196 (1986), S. 29 ff.; Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 4; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 748 f.; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 245; M.-P. Weller, IPRax 2011, 429, 429; Mansel, Connecting Factor, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 441, 442; Szászy, International Civil Procedure, S. 225. 45  Von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, S. 28, 108. 46  Von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 29; Lorenz, in: BeckOK/BGB, EGBGB, Einl. IPR, Rn. 4; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 748.



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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geographisch im Ursprungsmitgliedstaat gesehen und als Anknüpfungspunkt gewählt. Es entspricht mit Savignys Worten der „eigentümlichen Natur“47 einer öffentlichen Urkunde, dass sich ihre Beweiskraft nach dem Errichtungsstaat richtet. Denn die einer Urkunde beizulegende formelle Beweiskraft ist mit ihrer Errichtung eng verknüpft.48 Eine Rechtsordnung verleiht einer öffentlichen Urkunde eine besondere Beweiskraft aufgrund ihrer Errichtung durch eine vertrauenswürdige Amtsperson. Über diesen verliehenen Grad an Vertrauen und Sicherheit kann folglich am besten das Recht des Errichtungsstaates entscheiden.49 Zudem hängt die Beweiskraft mit der Einhaltung gewisser Formvorschriften zusammen,50 die sich wiederum aus dem für die Tätigkeit der Amtsperson anwendbaren Recht, d. h. dessen Herkunftsrecht, ergeben. Derart entspricht der Anknüpfungspunkt des Ursprungsstaates der öffentlichen Urkunde zur Bestimmung der Beweiskraft dieser Verbundenheit. Ferner kann dieser Anknüpfungspunkt klar ermittelt werden, sodass das anwendbare Recht berechenbar und vorhersehbar ist. Dies entspricht dem unionsrechtlichen Anknüpfungsprinzip der Rechtssicherheit.51 Das unionsrechtliche Postulat der Rechtssicherheit ist auch in der EuErbVO richtungsweisend (vgl. EG 37 EuErbVO). Indem für die Beweiskraft an den Ursprungsmitgliedstaat der Urkunde angeknüpft wird, kann bei Vorliegen einer Urkunde mit Sicherheit ihr Ursprungsstaat und somit ihre formelle Beweiskraft bestimmt werden. Ferner kann auch bereits bei Errichtung einer Urkunde mit Sicherheit vorhergesehen werden, welche formelle Beweiskraft der Urkunde beigemessen werden wird. Demnach ist die Bestimmung der formellen Beweiskraft einer Urkunde für die Betroffenen klar und vorhersehbar.52 Dies wäre beispielsweise bei einer Anknüpfung an den jeweiligen Verwendungsstaat der Urkunde nicht der Fall, da der Verwendungsort nicht stets absehbar ist. Die getroffene Auswahl des Anknüpfungspunktes in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO entspricht somit dem „klassischen“53 Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung und dem unionsrechtlichen Prinzip der Rechtssicherheit. Wird eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO einem Gericht, einer Behörde oder einer sonstigen zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates vorgelegt, die nicht aus demselben Mitgliedstaat stammt, muss sie gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO „angenommen“ werden. Dabei ordnet Art. 59 Abs. 1 47  48 

Von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, S. 28, 108. Siehe hierzu auch Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rn. 534. 49 Vgl. Callé, L’acte public en droit international privé, S. 203, Rn. 398 (der den Gedanken zwar anbringt, sich im Ergebnis aber für die Anwendung der lex fori ausspricht). 50 Vgl. Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rn. 534; Huet, Les conflits de lois en matière de preuve, S. 127, Rn. 100, S. 279, Rn. 234, S. 305, Rn. 255; Rigaux, Rev. crit. DIP 1961, 1, 17 f. 51  M.-P. Weller, IPRax 2011, 429, 434 (zur Rechtssicherheit als Anknüpfungsprinzip). 52  Siehe zur Bedeutung der auf Vorhersehbarkeit gerichteten Parteiinteressen auch Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rn. 209; Groud, La preuve en DIP, S. 125 f. 53 Zu den Anknüpfungsprinzipien im „klassischen“ und europäischen Kollisionsrecht siehe M.-P. Weller, IPRax 2011, 429, 429 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

EuErbVO als Rechtsfolge die Anwendung der Rechtsordnung des Ursprungsmitgliedstaates der Urkunde an. Daher muss die annehmende Stelle zur Bestimmung der anzunehmenden Beweiskraft zwingend das Ursprungsrecht der öffentlichen Urkunde determinieren. Das ermittelte mitgliedstaatliche Ursprungsrecht der Urkunde muss anschließend angewandt werden, um die genaue formelle Beweiskraft der Urkunde zu bestimmen. Da der Anknüpfungsgegenstand vorliegend die formelle Beweiskraft der Urkunde ist, beschränkt sich der Verweis des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auch auf das ausländische Recht bezüglich dieser formellen Beweiskraft. Die Kollisionsnorm beschränkt derart bereits durch ihren Anknüpfungsgegenstand auf Tatbestandsseite die sachliche Reichweite ihrer Rechtsfolge.54 Die formelle Beweiskraft ist eine prozessuale Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde.55 Daher muss das nationale Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates angewandt werden, um die Beweiskraft zu determinieren.56 Deshalb wird Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zu Recht als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm57 bezeichnet. Hierdurch wird präzisiert, dass es sich nicht um eine Kollisionsnorm im Rahmen des materiellen Kollisionsrechts – in Abgrenzung zum formellen Verfahrensrecht – handelt.58 Die Bezeichnung benennt folglich genau den Charakter des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als Verweisungsnorm prozessualer bzw. verfahrensrechtlicher Art.

2.  Keine anerkennungsrechtliche Vorschrift Der Unionsgesetzgeber hat sich mit der Formulierung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eindeutig für die oben dargelegte Methodik des IPR, d. h. für eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm,59 entschieden. Diese methodische Anweisung unterscheidet sich nicht nur von derjenigen der prozessualen Anerkennungsmethode, sondern auch von der sogenannten Rechtslagenanerkennung (auch kollisionsrechtliche Anerkennung genannt). 54  Von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 56; a. A. (auf Rechtsfolgenseite) Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 744. 55  Callé, L’acte public en droit international privé, S. 313, Rn. 597. 56  Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23 f. 57  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 28, 32; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 63; Dutta, FamRZ 2013, 4, 13; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, 34; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. Wohl auch Fucik, in: Rechberger/ZöchlingJud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 84. Auch als Kollisionsnorm sehend, wenn auch ohne den Zusatz „verfahrensrechtlich“ Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 161, Rn. 498. A. A. Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, Fn. 4; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, Fn. 5. 58  Siehe zur Verwendung des Begriffs „materiell“ im IPR Kropholler, IPR, S. 103. 59  S. o. unter § 5 II. 1., S. 113 ff.



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

119

Die dogmatische Einordnung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO muss deshalb so deutlich klargestellt werden, weil die Vorschrift innerhalb ihrer Entstehungsgeschichte wesentlich umformuliert wurde. Die Änderungen im Laufe der Genese entsprechen einer dogmatischen Entscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Grenzlinie zwischen IZPR und IPR. Im Folgenden soll daher die Entstehungsgeschichte des Artikels 59 EuErbVO dargestellt (a) und als Mittel zur Auslegung herangezogen werden (b).

a) Entstehungsgeschichte (1)  Verordnungsentwurf der Kommission Die ursprüngliche Fassung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO lautete im Vorschlag der Kommission (Art. 34 EuErbVO-E)60 wie folgt: „Artikel 34 Anerkennung öffentlicher Urkunden Die in einem Mitgliedstaat aufgenommenen öffentlichen Urkunden werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, sofern ihre Gültigkeit nicht im Ursprungsmitgliedstaat nach den dort geltenden Verfahren angefochten wurde und unter dem Vorbehalt, dass diese Anerkennung nicht der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaates entgegensteht.“

Die Vorschrift des Art. 34 EuErbVO-E verwendete sowohl in der Überschrift als auch in ihrem Normtext ausdrücklich den Begriff der Anerkennung. Herkömmlich war der Begriff allein aus dem IZPR im Bereich der Anerkennung von ausländischen gerichtlichen Entscheidungen bekannt. Auch die Struktur der Norm entsprach der Methode der verfahrensrechtlichen Anerkennung. Dabei wird prinzipiell schlicht die Anerkennung angeordnet, ohne diese näher zu erläutern. Sodann werden mögliche Anerkennungshindernisse in derselben oder in einer separaten Vorschrift angeführt. Derart regelt Art. 36 EuGVVO die automatische Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen. Der Anerkennung entgegenstehende Anerkennungshindernisse werden in Art. 45 EuGVVO aufgelistet. Auch im Verordnungsentwurf der Kommission wurde auf diese Weise die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen in Art. 29 EuErbVO-E angeordnet, Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung in Art. 30 EuErbVO-E bestimmt. Der Aufbau des Art. 34 EuErbVO-E entsprach dieser Methodik. Denn er bestimmte, dass eine öffentliche Urkunde grundsätzlich ipso iure anzuerkennen ist, außer bei einem anhängigen Anfechtungsverfahren bezüglich der Gültigkeit der Urkunde oder bei Entgegenstehen des ordre public des Anerkennungsstaates. Somit ordnete die Vorschrift die grundsätzliche An60  Vorschlag

für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM(2009) 154 endg. v. 14.10.2009, S. 26.

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Teil 2: Methode der Annahme

erkennung an und regelte zugleich zwei Anerkennungshindernisse (motifs de non-reconnaissance)61. Bisher wurden öffentliche Urkunden allerdings nicht der Anerkennungsmethode unterstellt. Zwar tauchte der Begriff bereits in Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO auf, die auch wie eine anerkennungsrechtliche Regelung formuliert und aufgebaut sind.62 Beide Vorschriften betreffen jedoch lediglich vollstreckbare öffentliche Urkunden.63 Zudem stellt der Hinweis auf die Anerkennung in beiden Vorschriften einen tatbestandlichen Verweis auf die Anerkennungsvoraussetzungen, sprich die in der Verordnung für gerichtliche Entscheidungen normierten Versagungsgründe, dar.64 Das Nichtvorliegen von Anerkennungsversagungsgründen nach Art. 22 EuEheVO bzw. Art. 24 EuUnthVO stellt eine Tatbestandsvoraussetzung für die Vollstreckbarkeit dar.65 Anders stellte sich die Rechtslage bei dem Entwurf der EuErbVO dar: Der Verordnungsentwurf differenzierte bereits die Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden, die in Art. 35 EuErbVO-E normiert war, von der in Art. 34 EuErbVO-E geregelten Anerkennung. Die bisherigen Regelungen einer „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden unterschieden sich daher von derjenigen des Art. 34 EuErbVO-E.66 Deshalb stellte sich die Frage, was die Kommission mit der „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden meinte.67

61  Vgl.

hierzu auch Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 150, Rn. 68 ff. 62  Mansel, in: in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; vgl. hierzu auch ausführlich Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 336 ff. Siehe auch unter Teil 4, S. 247 ff. 63  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 64; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 671, Rn. 260. 64  M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 650; Lagarde, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 5, 14, Rn. 22 (zu Art. 46 EuEheVO). 65 Vgl. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 601; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 264 f.; CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 124; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5. So. i. E. auch bzgl. Art. 46 EuEheVO: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuEheVO, Art. 46, Rn. 4 ff. A. A. zu Art. 48 EuUnthVO: Picht, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 6 ff. 66  So auch Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 263; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 336 ff.; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 39 ff.; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 67  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 65; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 343; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 670, Rn. 259; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 42; Süß, ZErb 2009, 342, 347.



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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(2)  Kritische Stimmen gegen den Verordnungsentwurf Der Verordnungsentwurf der Kommission zur „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden in Art. 34 EuErbVO-E löste ablehnende Stimmen aus. Insbesondere aufgrund der Verwendung des Begriffs „Anerkennung“ und der anerkennungsrechtlichen Struktur der Norm wurde der Entwurf kritisch gesehen. Es wurden Bedenken geäußert, ob die Norm eine Rechtslagenanerkennung bei erbrechtlichen öffentlichen Urkunden implementieren wollte.68 Nach Coester-Waltjen wird bei der Rechtslagenanerkennung „eine im Ausland aufgrund eines privaten oder eines behördlichen Aktes geschaffene Rechtslage unabhängig von der Anwendung der eigenen Kollisionsnormen des Anerkennungsstaates und auch unabhängig von der Frage des im Ursprungsstaat angewandten Rechts im Anerkennungsstaat als wirksam betrachtet“69. Diese neuartige, von der verfahrensrechtlichen Anerkennung inspirierte Art der grenzüberschreitenden Wirkung war und ist allerdings methodisch umstritten70 und derzeit in keinem Bereich geltendes Recht.71 Bereits vor der Bekanntgabe des Kommissionsvorschlags zur EuErbVO im Jahre 2009 wurde im Schrifttum zunehmend diskutiert, ob im europäischen IPR ein System- oder Prinzipienwechsel weg von der klassischen Verweisungsmethode hin zu einer Anerkennungsmethode stattfindet.72 Es wurde deutlich, dass auf europäischer Ebene die „gegenseitige Anerkennung“ sehr beliebt ist.73 Aus der Perspektive der Kommission wird der Begriff der Anerkennung weit gefasst, da zur Herstellung eines europäischen Raumes der Freiheit, der Sicher68  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4. Siehe auch Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 19; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 260, 266; Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 145, Rn. 5; Geimer, IZPR, Rn. 2330. 69  Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393. 70  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Siehe zu den verschiedenen Literaturvorschlägen: d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 223, 227 ff.; Bollée, Rev. crit. DIP 96 (2007), 307, 337 ff.; Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, S. 121, 126 ff.; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 397 ff.; Funken, Das Anerkennungsprinzip im IPR, S. 217 ff.; Lagarde, RabelsZ 68 (2004), 225, 236 ff.; Lagarde, in: Liber amicorum GaudemetTallon, 2008, S. 481, 493 ff.; Leifeld, Das Anerkennungsprinzip, S. 163 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 712 ff.; P. Mayer, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 27, 27 ff.; P. Mayer, in: Mélanges Lagarde, 2005, S. 547, 560 ff.; Wagner, FamRZ 2011, 609, 611 ff. 71  Hierzu auch Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 256 f.; ferner Grünberger, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 82, 88 ff. 72 Vgl. Jayme/C. Kohler, IPRax 2001, 501, 501 ff.; Henrich, IPRax 2005, 422, 422 ff.; Lagarde, RabelsZ 68 (2004), 225, 225 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 687 ff.; Mansel, IPRax 2011, 341, 341 f.; Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/C. Kohler, IPRax 2011, 335, 338 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 2 ff.; P. Mayer, in: Mélanges Lagarde, 2005, S. 547, 558 ff.; Nordmeier, IPRax 2012, 31, 31 ff. Ferner d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 215 ff. 73  Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 12, Rn. 31; Lechner, ZErb 2014, 188, 192; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 27.

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Teil 2: Methode der Annahme

heit und des Rechts (vgl. Art. 67 Abs. 1 AEUV) ein weiterer Ausbau des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung erforderlich ist.74 Die Kommission verwendet den Begriff der Anerkennung dabei nicht auf den bekannten Bereich der verfahrensrechtlichen Anerkennung von staatlichen Entscheidungen begrenzt. Vielmehr wird neben der Urteilsanerkennung hiermit auch die sog. kollisionsrechtliche Anerkennung von Rechtslagen bezeichnet.75 Vor dem Hintergrund dieser bereits angespannten Lage löste die Bekanntgabe des Art. 34 EuErbVO-E scharfe Kritik aus,76 die bis zur Forderung einer ersatzlosen Streichung der Norm reichte.77 Zum Teil wurde das grundsätzliche Bedürfnis solch einer Vorschrift in Frage gestellt.78 Vor allem wurde die Frage gestellt, was die „Anerkennung“ einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 34 EuErbVO-E bedeuten bzw. wie weit diese reichen sollte.79 Des Weiteren wurde – zu Recht – eingewandt, dass die Methode der Urteilsanerkennung auf Urkunden nicht übertragbar sei.80 Die Befürchtung, dass ausländischen öffentlichen Urkunden im Inland materiellrechtliche Wirkungen eingeräumt werden könnten, womöglich sogar unter Ausschaltung einer kollisionsrechtlichen Prüfung,81 74  Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 662. Näher zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung siehe Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 346 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 664 ff. 75  Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 662 f., 664. 76  M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314 ff.; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 643 ff.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 669 ff.; Remde, RnotZ 2012, 63, 78, 84; Simon/Buschbaum, GPR 2010, 162, 164. Vgl. ferner hierzu Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 601 f.; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Mansel, in: Calvo Caravaca/ Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Mondel/Tschugguel, in: Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Die EuErbVO, Vor Art. 59, Rn. 2; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 300; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, 3. 77  Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 165; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 651; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 669, Rn. 255. 78  Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 164 f.; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 314; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 632, 643 ff., 647; Remde, RnotZ 2012, 65, 84. 79  Bauer, in Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 643; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 343; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 670, Rn. 259. 80  Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 49 f.; Fitchen JPIL 8 (2012), 323, 325, 334; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 136, Rn. 6; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 647 ff.; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 300; Remde, RnotZ 2012, 65, 84; Wagner, DnotZ 2010, 506, 517. A. A. Pasqualis, Le problème de la circulation des actes notariés, S. 15 f. 81  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 602; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 65; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Fucik, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 83; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 649; Mondel/Tschugguel, in: Burgstal-



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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wurde durch die Begründung der Kommission bestärkt. Diese erläuterte: „Die Anerkennung bedeutet, dass diesen Urkunden hinsichtlich ihres Inhalts und der dort festgehaltenen Sachverhalte dieselbe Beweiskraft zukommt wie inländischen öffentlichen Urkunden oder wie in ihrem Ursprungsstaat, dass für sie dieselbe Echtheitsvermutung gilt“82. Die Begründung der Kommission zeigt also, dass die „Anerkennung“ so verstanden werden sollte, dass sowohl dem instrumentum („festgehaltenen Sachverhalte“) als auch dem negotium („hinsichtlich ihres Inhalts“) einer öffentlichen Urkunde entweder die inländischen Beweiskraftregelungen des Verwendungsstaates oder die des Ursprungsstaates zugutekommen sollten.83 Inwiefern eine Auswahl zwischen den Rechtsordnungen des Verwendungsstaates oder des Ursprungsstaates stattfinden sollte, ließ die EuErbVO-E allerdings ungeklärt.84 Ferner betonte EG 26 S. 3 EuErbVO-E, dass die Anerkennung im Sinne des Art. 34 EuErbVO-E dazu führen sollte, dass eine ausländische Urkunde „hinsichtlich ihres Inhalts die gleiche Beweiskraft und die gleichen Wirkungen wie im Ursprungsstaat“ hat „und für sie die – widerlegbare – Vermutung der Rechtsgültigkeit gilt“. Sowohl durch die Begründung der Kommission als auch durch EG 26 S. 3 EuErbVO-E wird also deutlich, dass die von der Kommission angedachte „Anerkennung“ die grenzüberschreitende Wirkung sowohl der Urkunde als instrumentum als auch des in ihr enthaltenen Inhalts (negotium) betreffen sollte.85 Eine derartige „Anerkennung“, die das in der Urkunde enthaltene negotium (z. B. ein Testament) sowie den dadurch herbeigeführten Status (z. B. testamentarischer Erbe) miteinbezieht, würde die Anerkennung einer Rechtslage bedeuten.86 Die Folge wäre, dass selbst eine unwirksame öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat gem. Art. 34 EuErbVO-E „anerkannt“ werden müsste, solange sie nicht in ihrem Ursprungsmitgliedstaat angefochten würde. Als weitere Konsequenz der von der Kommission vorgeschlagenen Regelung wurde kritisch angezeigt, dass auch eine Anfechtung oder ein Widerruf eines Testaments wohl einzig im Ursprungsmitgliedstaat möglich wäre,87 wie es EG 26 S. 4 EuErbVO-E nahelegt. Dies würde ler/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Die EuErbVO, Vor Art. 59, Rn. 2; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Walther, Der Gleichlaufgrundsatz, S. 203 f. 82  Begründung der Kommission zur EuErbVO-E, KOM(2009) 154 endg. V. 14.10.2009, S. 8. 83  Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 164; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 344. 84  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 344; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 43. 85  Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 165; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 325, 345; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 650; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16 (der sich allerdings für eine Rechtslagenanerkennung ausspricht, vgl. Rn. 9, 11). 86 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8. 87  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 256; Remde,

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Teil 2: Methode der Annahme

jedoch der beabsichtigten Verfahrensvereinfachung widersprechen.88 Zudem wäre die Frage nach dem auf die Anfechtung bzw. auf den Widerruf anzuwendendem Recht unklar. Denn Art. 34 und EG 26 S. 4 EuErbVO-E verweisen ausdrücklich einzig für die geltenden Verfahrensvorschriften auf den Ursprungsmitgliedstaat, schweigen jedoch hinsichtlich des materiell anwendbaren Rechts. Die für Gerichtsentscheidungen entwickelte Methode der Anerkennung passt jedoch nicht auf öffentliche Urkunden. Denn Gegenstand der verfahrensrechtlichen Anerkennung sind gerichtliche Entscheidungen. Die maßgebliche Eigenschaft einer Entscheidung ist, dass durch sie ein Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig beendet wird, indem Gesetze in einem geregelten Verfahren durch ein unabhängiges staatliches Organ angewendet werden.89 Einer Entscheidung liegt somit der Willensentschluss eines unabhängigen Richters hinsichtlich des fraglichen Rechtsverhältnisses zugrunde.90 Anders ist dies bei öffentlichen Urkunden. Die Beurkundungsperson trifft keine streitentscheidende Regelung eines Rechtsverhältnisses, vielmehr entstammt das beurkundete Rechtsgeschäft lediglich dem Willen der Parteien.91 Die Urkundsperson beurkundet – anders ausgedrückt „empfängt“ sie – lediglich das Rechtsgeschäft, dabei wird aber keinerlei Entscheidungsgewalt ausgeübt.92 Der Richter einer Entscheidung ist derart Autor sowohl des instrumentum als auch des negotium der gerichtlichen Entscheidung. Demgemäß bilden bei einer gerichtlichen Entscheidung der Inhalt (negotium) und der Mantel (instrumentum) eine untrennbare Einheit.93 Hingegen ist die Beurkundungsperson allein Autor des instrumentum der öffentlichen Urkunde, nicht jedoch des negotium, das dem ParRnotZ 2012, 65, 84; Wagner, DnotZ 2010, 506, 717. A. A. Pasqualis, Le problème de la circulation des actes notariés, S. 16. 88  Remde, RnotZ 2012, 65, 84. 89 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2851 ff.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Martiny, Handbuch IZVR III/1, Rn. 464 f.; Pasqualis, Le problème de la circulation des actes notariés, S. 14 f.; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 900; zum Entscheidungsbegriff in der EuErbVO siehe bereits ausführlich unter § 3 I. 1., S. 47 ff. 90  Callé, JCP N 15 (2013), 1085, Rn. 7; Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 50; Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 406. 91  Callé, JCP N 15 (2013), 1085, Rn. 7; Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 50; Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 81; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 150, Rn. 67; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 149, Rn. 347; Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 407; Niboyet/ de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297. 92  Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 355; Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 50; Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 79; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 161, Rn. 396; Gaudemet-Tallon, Compétence et exécution des jugements en Europe, Rn. 517; Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 407; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 148. 93  Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 781.



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

125

teiwillen entspricht.94 Dementsprechend ist der Inhalt der Urkunde von dessen instrumentum zu trennen.95 Hieraus folgt, dass eine gerichtliche Entscheidung eine rechtsverbindliche Feststellung trifft, die in Rechtskraft erwachsen kann, die grenzüberschreitend im Wege der Anerkennung wirken kann.96 Eine öffentliche Urkunde trifft hingegen keine rechtsverbindliche und rechtskraftfähige Feststellung, die anerkennungsfähig wäre.97 Die private Erklärung der Parteien – das negotium einer Urkunde – wird durch die Errichtung oder Eintragung einer Urkundsperson auch nicht zur unanfechtbaren Erklärung erhoben.98 Öffentliche Urkunden sind, im Gegensatz zu gerichtlichen Entscheidungen, die in res judicata erwachsen, stets anfechtbar.99 Dies wird auch in EG 26 S. 4 EuErbVO-E bestätigt. Da das substantielle Rechtsverhältnis der Parteien nicht durch die Urkunde – das instrumentum – selbst verändert wird, kann die „Anerkennung“ einer Urkunde nicht die unbestreitbare grenzüberschreitende Wirkung dieses Rechtsverhältnisses bewirken. Zugespitzt wurde hierzu angebracht, dass auch private Verträge, die in einem Staat zwischen zwei Personen geschlossen werden, in einem anderen Staat nicht „anerkannt“ werden.100 Die Wirksamkeit und die Wirkungen des der Urkunde zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses ergeben sich vielmehr aus dem materiell anwendbaren Recht.101 Dieses muss bei 94 

Callé, L’acte public en droit international privé, S. 234, Rn. 451; Callé, JCP N 15 (2013), 1085, Rn. 7; Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 50; Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 83. 95  Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 781. 96  Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 355; Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162. 164; Callé, JCP N 15 (2013), 1085, Rn. 7; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; M. Kohler/ Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 648; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 300; Remde, RnotZ 2012, 65, 84; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5.2; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 97  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 325, 327; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 648; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 670, Rn. 259; Musger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 17, 17; Remde, RnotZ 2012, 65, 84; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5.2; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 98  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327. 99  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 125; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 670, Rn. 259; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4. Ferner Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 354 f. 100  Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 149, Rn. 66; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 161, Rn. 395 f.; Gaudemet-Tallon, Compétence et exécution des jugements en Europe, Rn. 517; Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 407. 101  Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 164; Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 81; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 149, Rn. 347 und 161, Rn. 396; Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 407; Huet, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 184, 193; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315 f.; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 649; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 670,

126

Teil 2: Methode der Annahme

grenzüberschreitenden Fällen allerdings kollisionsrechtlich bestimmt werden. Die „Anerkennung“ nach Art. 34 EuErbVO-E konnte somit nicht gegenständlich das in der Urkunde dargelegte Rechtsverhältnis betreffen, wie es die Formulierung des EG 26 S. 3 EuErbVO-E andeutete.102 Aufgrund der missverständlichen Formulierung des Art. 34 EuErbVO-E und des EG 26 EuErbVO-E wurde befürchtet, die Vorschrift könnte derart ausgelegt werden, dass die kollisionsrechtlichen Regelungen über die Wirksamkeit und die Wirkungen des einer öffentlichen Urkunde zugrundeliegende Rechtsgeschäfts – im Wege der Rechtslagenanerkennung103 – umgangen werden könnten.104 Die Gefahr eines Systemwechsels weg von der Verweisungshin zur Anerkennungsmethode im europäischen Erbrecht wurde von der Literatur als gefährlich angesehen,105 sodass zum Teil die ersatzlose Streichung der Vorschrift gefordert wurde.106 Dem Kommissionsvorschlag des Art. 34 EuErbVO-E wurde vorgeworfen, er unterscheide nicht zwischen dem instrumentum der Urkunde, dem Urkundsmantel, und dem der Urkunde zugrundeliegendem Rechtsverhältnis, dem negotium.107 Es wurde angebracht, die Vorschrift müsse eindeutig klarstellen, dass das negotium einer öffentlichen Urkunde den kollisionsrechtlichen Regelungen der Verordnung unterliegt.108 Somit würde deutlich aufgezeigt, dass die Wirksamkeit und Wirkungen des beurkundeten Rechtsverhältnisses nach dem anwendbaren materiellen Recht zu bestimmen sind. Ferner wurde gegen die Verwendung des Begriffs „Anerkennung“ plädiert.109 Dieser sollte allein für die Urteilsanerkennung verwendet werden, nicht jedoch auch für die Freizügigkeit von Urkunden. Denn die Verwendung desselben Fachbegriffs mit unterschiedlichen Bedeutungen, birgt die Gefahr von Unklarheiten und Konfusionen.110 Rn. 259; Musger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 17, 18; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13; Remde, RnotZ 2012, 65, 84; Süß, Zerb 2009, 342, 347. 102  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5.2. 103 Dafür Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 54 ff., 59. 104  M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 649 f.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4; Mondel/Tschugguel, in: Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Die EuErbVO, Vor Art. 59, Rn. 2. 105  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 601 f.; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 269; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8. 106  Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 165; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 669, Rn. 255. 107  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 344; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5.2. 108  M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 651. 109  Fitchen, JPPIL 8 (2012), 323, 334; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 651. 110  Vgl. auch Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 13,



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

127

(3)  Entwicklung des Entwurfs im Legislativprozess Auch die Vorschläge des Rates der Europäischen Union im Laufe des Legislativprozesses blieben zunächst bei dem Begriff und der Methodik der Anerkennung.111 Interessanterweise wurde allerdings bereits in einem Vermerk vom 1.10.2010 des Ratsvorsitzes explizit darauf hingewiesen, dass „sich der Begriff ‚öffentliche Urkunde‘ genau genommen auf zwei Aspekte bezieht: zum einen auf das Instrumentum, das die Form der Urkunde darstellt, und zum anderen auf das Negotium, das heißt den Inhalt der Urkunde, der sich insbesondere auf die Vereinbarung zwischen den Parteien, Erklärungen vor einer Behörde (dem Notar) und die Feststellungen dieser Behörde erstreckt“112.113 Nachdem dem Rat der Notariate der Europäischen Union (CNUE) verschiedene Fragen unterbreitet worden waren, insbesondere über die Arten öffentlicher Urkunden innerhalb der europäischen Union sowie über deren Wirkungen,114 wurde auf dessen Stellungnahme115 hin betont, dass hinsichtlich des „Geltungsbereichs der Beglaubigung“116 Differenzen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen und diese Unterschiede sich in der grenzüberschreitenden Wirkung der Beweiskraft der Urkunden widerspiegeln sollten.117 Ferner wird nun teilweise bereits der Begriff der „Annahme“ verwendet.118 Zudem wird zunehmend in Vermerken hervorgehoben, dass bei den Bedingungen für eine Annahme zwischen dem negotium und dem instrumentum unterschieden werden muss.119 Derart wird in den durch den Vorsitz des Rates 2011 Rn. 31; Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (KOM[2009] 0154 – C7–0236/2009 – 2009/0157[COD]) v. 23.2.2011, PE441.200v02–00, gesammelt von dem Berichterstatter Kurt Lechner, Änderungsanträge 1–121 [im Folgenden: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 23.2.2011], S. 65; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4. 111  Siehe Vermerke des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 9239/10 v. 5.5.2010, S. 39; Dok. 11637/10 v. 30.6.2010, S. 41 und Dok. 18096/10 v. 22.12.2010, S. 40. 112 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 3, Punkt 7. 113  Vgl. hierzu auch Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 350. 114  Siehe Vermerk des Vorsitzes und des künftigen ungarischen Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 18096/10 v. 22.12.2010, S. 40, Fn. 1. 115  Siehe hierzu Cover Note from the General Secretariat of the Council to the Working Party on Civil Law Matters (Succession), Dok. 6421/11 v. 14.2.2011. 116 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 3, Punkt 5. 117 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 3. 118 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 4; Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 11067/11 v. 6.6.2011, S. 11, Punkt 25. 119 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 4 f.; Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Dok. 10126/11 v. 20.5.2011, S. 11,

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Teil 2: Methode der Annahme

veröffentlichten „Politische[n] Vorgaben für die künftigen Arbeiten“120 dargelegt: „Hinsichtlich der Bedingungen für die Annahme einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat sollte unterschieden werden zwischen dem in der Urkunde enthaltenen Rechtsgeschäft oder sonstiger darin bescheinigter Rechtsverhältnisse auf der einen Seite und der Form der Urkunde und der darin offiziell beurkundeten Tatsachen auf der anderen Seite. Die erste Gruppe von Elementen, d. h. der ‚Inhalt‘ der Urkunde, insofern er sich auf das darin enthaltene Rechtsgeschäft oder auf die durch den Notar authentisierten Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Erbsache bezieht, unterliegt dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht. Die Anforderungen an die ‚Authentizität‘ der Urkunde hinsichtlich ihrer Form und der darin offiziell beurkundeten Tatsachen sollten hingegen dem für die Tätigkeit des betreffenden Notars maßgeblichen Recht unterliegen.“

Die zitierte Passage zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen dem instrumentum und dem negotium einer öffentlichen Urkunde hinsichtlich ihrer Wirkungen erforderlich ist.121 Der Unionsgesetzgeber bekräftigt dies hier deutlich. Ferner wird an dieser Stelle ausdrücklich herausgestellt, dass das instrumentum dem Ursprungsrecht einer öffentlichen Urkunde unterstellt werden soll, demgegenüber das negotium sich nach dem Erbstatut richtet. Es ist anzumerken, dass die Geltung des Erbstatuts bezüglich des negotium hier als feststehende Tatsache („unterliegt“) gesehen wird. Es wird damit aufgezeigt, dass das Kollisionsrecht also zur Bestimmung des anwendbaren Rechts für das in der Urkunde enthaltene Rechtsgeschäft maßgeblich ist. Die Anerkennungsmethode im Sinne einer Rechtslagenanerkennung soll eindeutig nicht herangezogen werden. Hinsichtlich des instrumentum wird lediglich im Konjunktiv vorgeschlagen, dass das „für die Tätigkeit des betreffenden Notars“ maßgebliche Recht angewendet werden „sollte“. Es wird also zugleich die Idee vorgebracht, auch das instrumentum kollisionsrechtlich an eine bestimmte Rechtsordnung anzuknüpfen. Dem Primat der engsten Verbindung entsprechend wird angebracht, die durch die Urkundsperson „offiziell beurkundeten Tatsachen“ dem Recht, das für seine Tätigkeit maßgeblich ist, sprich das Ursprungsrecht der Urkunde, zu unterstellen. Zusammenhängend mit der Unterscheidung zwischen instrumentum und negotium der Urkunde, wird in den „Politischen Vorgaben“ ebenfalls hinsichtlich möglicher Rechtsbehelfe zwischen beiden deutlich differenziert: Die „Authentizität“, die Teil des instrumentum ist, soll „bei der zuständigen Behörde des UrPunkt 24; Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Dok. 10767/11 v. 27.5.2011, S. 11, Punkt 25; Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 11067/11 v. 6.6.2011, S. 12, Punkt 27. 120  Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Dok. 10126/11 v. 20.5.2011, S. 11, Punkt 24; Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 11067/11 v. 6.6.2011, S. 27, Punkt 27. 121  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. Siehe hierzu auch oben unter § 5 I., S. 110 ff.



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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sprungsmitgliedstaates gegebenenfalls nach dem Recht dieses Mitgliedstaates vorgesehenen Verfahren eingelegt“ werden. Demgegenüber sollen „Einwände im Zusammenhang mit dem ‚Inhalt‘ der Urkunde bei dem nach Kapitel II [EuErbVO-E] zuständigen Gericht geltend gemacht werden“.122 Auch im Europäischen Parlament ist man übereingekommen, die grenzüberschreitende Wirkung von öffentlichen Urkunden nicht der Anerkennungsmethode zu unterstellen.123 Dies verdeutlichen z. B. die Änderungsanträge 78 sowie 79, die beide den von der Kommission vorgeschlagenen Begriff der „Anerkennung“ in der geänderten Fassung nicht verwenden.124 Alternativ wurde auch vorgeschlagen Art. 34 EuErbVO-E mit „Verkehr öffentlicher Urkunden“ statt mit „Anerkennung“ zu betiteln.125 Zudem war sich das Parlament einig, die grenzüberschreitenden Wirkungen einer Urkunde auf ihre (formelle) Beweiskraft zu begrenzen.126 Bereits in den zuerst veröffentlichten Änderungsanträgen wurde in Änderungsantrag 79 vorgeschlagen, dass die in einem „Mitgliedstaat errichteten öffentlichen Urkunden […] in anderen Mitgliedstaaten die gleiche Beweiskraft wie deren inländische Urkunden […]“ haben sollten.127 Hier werden die Rechtsfolgen von Art. 34 EuErbVO-E einerseits präzisiert und andererseits wird die von der Kommission vorgeschlagene anerkennungsrechtliche Vorschrift in eine kollisionsrechtlich formulierte Vorschrift geändert. Auch in den später veröffentlichten weiteren Änderungsanträgen wird die Begrenzung der grenzüberschreitenden Wirkungen auf die Beweiskraft, namentlich auf die formelle Beweiskraft, betont.128 Auch sind alle Änderungsanträge entsprechend der kollisionsrechtlichen Methodik formuliert, sodass die Ablehnung einer Anerkennungsmethode nochmals deutlich wird. So lautet der von Angelika Niebler eingebrachte Änderungsantrag 223: „Die in einem Mitgliedstaat in Erbsachen errichteten öffentlichen Urkunden können in den Mitgliedstaaten frei zirkulieren und sind von jedem Verfahren der Legalisation oder ähnlichen Förmlichkeiten befreit. Sie haben vorbehaltlich der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Bestimmungsmitgliedstaats in anderen Mitgliedstaaten die gleiche for122 

Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Dok. 10126/11 v. 20.5.2011, S. 11, Punkt 25; Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 11067/11 v. 6.6.2011, S. 27, Punkt 28. 123  Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 13, Rn. 31. 124  Lechner, Entwurf eines Berichts v. 23.2.2011, Änderungsanträge 78 und 79, S. 43. 125 Änderungsantrag 222, in: Entwurf eines Berichts über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, Vorschlag für eine Verordnung (KOM[2009] 0154 – C7–0236/2009 – 2009/0157[COD]) v. 13.5.2011, PE464.765v01–00, gesammelt von dem Berichterstatter Kurt Lechner, Änderungsanträge 122–245 121 [im Folgenden: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 13.5.2011], S. 56. 126  Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 13, Rn. 31. 127  Änderungsantrag 79, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 23.2.2011, S. 43. 128 Änderungsanträge 223 und 224, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 13.5.2011, S. 57.

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Teil 2: Methode der Annahme

melle Beweiskraft wie deren inländische Urkunde, jedoch nicht mehr, als ihnen im Ursprungsmitgliedstaat zusteht.“129

Ferner weist der Berichterstatter Lechner darauf hin, dass das Europäische Parlament sich „relativ problemlos darauf geeinigt“ hatte, das negotium von der grenzüberschreitenden Annahme der Beweiskraft unangetastet zu lassen.130 Das in der Urkunde enthaltene Rechtsgeschäft soll sich nach dem durch das IPR bestimmten Recht richten.131 Die Änderungsanträge betreffend Art. 34 EuErbVO-E befassen sich zwar nicht mit dem negotium einer öffentlichen Urkunde.132 Sie beschränken allerdings eindeutig, wie gerade dargestellt, die Rechtsfolgen der Vorschrift auf die Beweiskraft der Urkunde. Im Umkehrschluss kann dem entnommen werden, dass es nach Auffassung des Parlaments hinsichtlich des Inhalts der Urkunde bei der Überprüfung anhand des anwendbaren materiellen Rechts bleiben sollte133 – wie es der Schilderung des Berichterstatters Lechners134 entspricht. Dementsprechend wurde Art. 34 EuErbVO-E in einer konsolidierten Entwurfsfassung vom 29.6.2011 gänzlich neu formuliert. Diese Version übernimmt einige von den gerade dargestellten Vorstellungen des Europäischen Parlaments.135 Der Begriff der Anerkennung wurde in der Überschrift der Vorschrift durch den der „Annahme“ ersetzt und im Text der Norm findet sich dieser ebenfalls nicht mehr. Stattdessen wurde die grenzüberschreitende „Annahme“ explizit auf die formelle Beweiskraft beschränkt. Zudem wurde die Struktur des Artikels vollkommen verändert und entspricht nun nicht mehr derjenigen einer anerkennungsrechtlichen Vorschrift: „Artikel 34: Annahme öffentlicher Urkunden 1.  Eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde hat in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, es sei denn, dies ist mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats offensichtlich unvereinbar. Eine Person, die eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat verwenden möchte, kann die Behörde, die die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat errichtet, ersuchen, das in Anhang [X] wiedergegebene Standardformblatt auszufüllen, in dem die Wirkungen aufgeführt sind, die die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat entfaltet. 129 

Änderungsantrag 223, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 13.5.2011, S. 57. Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 13, Rn. 31. Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 13, Rn. 31. 132  Vgl. Änderungsanträge 78 und 79, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 23.2.2011, S. 43; Änderungsanträge 222, 223 und 224, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 13.5.2011, S. 56 f. 133  So i. E. auch Remde, RNotZ 2012, 65, 85. 134  Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 13, Rn. 31. 135  Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 5, 9, Rn. 18. 130  131 



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

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2.  Etwaige Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit der Authentizität einer öffentlichen Urkunde werden bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats eingelegt. 3.  Etwaige Einwände im Zusammenhang mit den Rechtsgeschäften oder Rechtsverhältnissen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten sind, werden bei den nach den Artikeln 4[, 5a] oder 6 [6a] zuständigen Gerichten geltend gemacht. 4.  Ungeachtet des Absatzes 3 ist ein Gericht, vor dem die Wirksamkeit einer öffentlichen Urkunde als Vorfrage aufgebracht wird, für die Entscheidung über diese Frage zuständig. 5.  Eine öffentliche Urkunde, die angefochten wurde, kann hinsichtlich des angefochtenen Aspekts keine Wirkung in einem anderen Mitgliedstaat entfalten, solange die Anfechtung bei dem zuständigen Gericht anhängig ist.“136

Die Fassung dieses Entwurfs entspricht im Wesentlichen, insbesondere der Wortlaut des Absatzes 1, der endgültigen Fassung des Art. 59 EuErbVO. Die Formulierung des Absatzes 1 weist hierbei bereits die Struktur einer verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm auf.137 Die Änderung zeigt deutlich, dass der Unionsgesetzgeber bewusst diese Formulierung gewählt hat, um sich eindeutig von der ursprünglichen Fassung des Art. 34 EuErbVO-E und seiner missverständlichen anerkennungsrechtlichen Methodik zu distanzieren. Des Weiteren wird in dieser Textfassung zum ersten Mal die Differenzierung zwischen dem instrumentum und dem negotium einer öffentlichen Urkunde hervorgehoben. Systematisch werden beide voneinander getrennt in den beiden neu hinzugefügten Absätzen 2 und 3 behandelt. Derart wird veranschaulicht, dass Einwände gegen die Urkunde einerseits die Authentizität betreffen können (Abs. 2), andererseits aber auch im Zusammenhang mit den in der Urkunde enthaltenen Rechtsgeschäften oder Rechtsverhältnissen stehen können (Abs. 3). Erstere, die das instrumentum betreffen, werden dem Ursprungsstaat zugeordnet; hinsichtlich des negotium sollen die nach der Verordnung zuständigen Gerichte über Einwände entscheiden.138 Die gesetzessystematische Trennung beider Aspekte in jeweils eigenen Absätzen verdeutlicht die vorzunehmende Unterscheidung. Sowohl der Rat als auch das Europäische Parlament haben diese Änderung bewusst vorgenommen, sodass sich hier der Gesetzgeberwille durch die Entwicklung im Legislativprozess deutlich widerspiegelt. Bis zur endgültigen Verabschiedung des Verordnungstextes wurde die Überschrift zwischenzeitlich in „Akzeptierung öffentlicher Urkunden“139 umbe136  Vermerk des Vorsitzes und des künftigen polnischen Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 11870/11 v. 29.6.2011, S. 43 f. 137  Siehe hierzu ausführlich oben unter § 5 II. 1., S. 113 ff. 138  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 354. 139 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 15827/11 v. 27.10.2011, S. 2; Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 17068/11 v. 18.11.2011, S. 44; Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Dok. 17715/11 ADD 1 v. 29.11.2011, S. 45; Überarbeitetes Addendum zum Vermerk, Dok. 17715/11 ADD REV 1 v. 1.12.2011, S. 47; Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, Dok. 18320/11 ADD 1 v. 8.12.2011, S. 46.

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Teil 2: Methode der Annahme

nannt, um anschließend wieder zur „Annahme“140 zurückzukehren. Dabei wurden allerdings auch wichtige Präzisierungen an den weiteren Absätzen des Artikels vorgenommen:141 In Absatz 2 wurde näher bestimmt, dass „Klagen auf Anfechtung der Authentizität“ dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates unterliegen. Demgegenüber sollen nach Absatz 3 „Klagen auf Anfechtung der in einer öffentlichen Urkunde erfassten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ nach dem nach der Verordnung anwendbaren Recht entschieden werden. Dergestalt entsprach die durch den Berichterstatter Lechner am 6.3.2012 dem Plenum des Europäischen Parlaments vorgelegte geänderte Fassung des Art. 34 EuErbVO-E bereits der jetzigen Fassung des Art. 59 EuErbVO.142

(4)  Zwischenergebnis zur Entstehungsgeschichte Schließlich kann festgehalten werden, dass durch die Entwicklung des Verordnungsentwurfs im Laufe des Legislativprozesses deutlich wird, dass der europäische Gesetzgeber auf die kritischen Stimmen143 bezüglich des Vorschlags der Kommission reagiert hat. Dementsprechend wurde der missverständliche144 und vorgeprägte Begriff der „Anerkennung“ geändert und die Vorschrift mit „Annahme öffentlicher Urkunden“ neu betitelt. Zudem wurde die Norm derart inhaltlich geändert, dass nun deutlich zwischen dem instrumentum einer öffentlichen Urkunde und deren negotium unterschieden wird. Diese Veränderung entspricht dem zweiten Hauptvorwurf der Literatur gegen den Kommissionsvorschlag von Art. 34 EuErbVO-E. Denn bereits in Absatz 1 der endgültigen Vorschrift wird klargestellt, dass die „Annahme“ sich allein auf die „formelle 140  Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 18475/11 ADD 1, 12.12.2011, S. 45; Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 18475/11 ADD 1 REV 2 v. 6.1.2012, S. 45; Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den Rat, Dok. 18475/11 ADD 1 REV 3 v. 10.1.2012, S. 45; Informatorischer Vermerk des Generalsekretariats für den Ausschuss der Ständigen Vertreter/Rat, Dok. 7443/12 v. 21.3.2012, S. 39. 141  Siehe Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 15827/11 v. 27.10.2011, S. 3; Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 17068/11 v. 18.11.2011, S. 44; Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Dok. 17715/11 ADD 1 v. 29.11.2011, S. 46; Überarbeitetes Addendum zum Vermerk, Dok. 17715/11 ADD REV 1 v. 1.12.2011, S. 48; Addendum zum Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, Dok. 18320/11 ADD 1 v. 8.12.2011, S. 47. 142  Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (COM[2009]0154 – C7–0236/2009 – 2009/0157[COD]) v. 6.3.2012, PE441.200v03–00, für den Rechtsausschuss dem Plenum des EP vorgelegt von dem Berichterstatter Kurt Lechner [im Folgenden: Lechner, Bericht v. 6.3.2012], S. 45 f. Einzig in Absatz 4 wurden die Wörter „inzidente Frage“ in der endgültigen Version in „Vorfrage“ geändert. 143  S. o. unter § 5 II. 2. a) (2), S. 121 ff. 144  So auch der Berichterstatter Lechner in seinen jeweiligen Begründungen, siehe Entwurf eines Berichts v. 23.2.2011, S. 65 sowie Bericht v. 6.3.2012, S. 62.



§ 5  Qualifikation der „Annahme“

133

Beweiskraft“ einer öffentlichen Urkunde beziehen muss, d. h. auf das instrumentum. Das inhaltlich beurkundete Rechtsgeschäft (negotium) wird hiervon systematisch getrennt in Absatz 3 normiert und es wird klargestellt, dass es diesbezüglich bei einer Prüfung des anwendbaren materiellen Rechts bleibt.

b)  Entstehungsgeschichte als Auslegungsmittel für Art. 59 EuErbVO Die endgültig am 27.7.2012 im Amtsblatt der EU veröffentlichte Version der EuErbVO stellt somit eine deutliche Abkehr von der Anerkennungsmethode dar. Öffentliche Urkunden sollen nach der EuErbVO weder wie gerichtliche Entscheidungen nach der verfahrensrechtlichen Anerkennung innerhalb der EU verkehren, noch sollen sie ihnen gleichgestellt werden und im Wege einer Rechtslagenanerkennung zirkulieren. Im Gegensatz zu verfahrensrechtlichen Anerkennungsregeln regelt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO keine „Anerkennung“, indem der Wortlaut den Begriff nun nicht mehr verwendet. Der neue Terminus der Annahme unterstreicht den Unterschied zwischen gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden.145 Der Begriff der Anerkennung ist somit in der EuErbVO für gerichtliche Entscheidungen (vgl. Art. 39 ff. EuErbVO) reserviert.146 Bezüglich öffentlicher Urkunden hat sich der europäische Gesetzgeber, der Kritik gegen den Kommissionsentwurf folgend, bewusst gegen die Verwendung dieses Begriffs sowie der damit zusammenhängenden Methodik entschieden.147 Daher sollte der Begriff der „Anerkennung“ sowie der Terminus der reconnaissance nicht mehr in Bezug auf öffentliche Urkunde verwendet werden.148 Denn die Begriffe „Anerkennung“ und „Annahme“ stellen keine austauschbaren Synonyme dar,149 sondern vielmehr zwei Termini technici für zwei verschiedene Methoden des internationalen Rechts. 145  Fongaro, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 65, 77; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 143, Rn. 322; Revillard, Droit international privé et européen: Pratique notariale, Rn. 1152. Siehe hierzu ausführlich Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 303 f., 305 f. 146  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 51; Fucik, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 83; Mondel/Tschugguel, in: Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Die EuErbVO, Vor Art. 59, Rn. 2; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9. 147  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 41 f. 148  So aber Nourissat, JCP G 36 (2015), 935, Rn. 25; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 153, 155; ebenso dafür Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. 149  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 42 f., die Autoren verweisen darauf, dass teilweise eingereichte Länderberichte meldeten, dass die Begriffe in den jeweiligen Rechtsordnungen als identische oder austauschbare Begriffe angesehen werden, siehe aufgelistete Berichte in Fn. 39.

134

Teil 2: Methode der Annahme

Auch die Struktur der Vorschrift wurde im Vergleich zu Art. 34 EuErbVO-E grundlegend verändert und normiert nun nicht mehr die grundsätzliche Anerkennung öffentlicher Urkunden, sofern keine Anerkennungshindernisse eingreifen wie eine anhängige Anfechtungsklage oder der ordre public-Vorbehalt. Wie oben dargestellt bestimmt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO vielmehr kollisionsrechtlich das auf die Frage der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde anwendbare Recht und stellt damit eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm dar.150 Eine Abkehr zur nach dem Kommissionsentwurf möglichen Rechtslagenanerkennung wird erstens durch die Streichung des Begriffs „Anerkennung“ deutlich. Zudem wurde im Laufe der Genese präzisiert, dass allein die „formelle Beweiskraft“ – in Abgrenzung zur materiellen Beweiskraft – angenommen werden muss. Dies stellt eine bewusst durch den europäischen Gesetzgeber vorgenommene Reduktion der Vorschrift dar.151 Der Unionsgesetzgeber hat hierbei, wie gerade dargestellt, auf die bezüglich des Kommissionsvorschlags ausgeübte Kritik reagiert, dass öffentliche Urkunden nicht der Anerkennungsmethode unterstellt werden können. Die Änderungen im Laufe der Entstehungsgeschichte des Art. 59 EuErbVO bekräftigen, dass die Annahme einer öffentlichen Urkunde nicht das negotium einer Urkunde betreffen soll.152 Die Annahme einer Urkunde, d. h. die grenzüberschreitende Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, beschränkt sich somit allein auf die formelle Beweiskraft, die das instrumentum betrifft. Des Weiteren verdeutlichen die im Laufe des Legislativprozesses hinzufügten Absätze, dass zwischen dem instrumentum und dem negotium einer öffentlichen Urkunde zu differenzieren ist.153 Einzig Art. 59 Abs. 3 EuErbVO behandelt das negotium einer Urkunde und stellt klar, dass die beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren Recht zu beurteilen sind.154 Zu Recht wird daher angebracht, dass Art. 59 Abs. 3 EuErbVO einen Vorbehalt zu Gunsten des IPR statuiert.155 Daraus ergibt sich ebenfalls, dass die Annahme einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 150 

Siehe hierzu oben unter § 5 II. 1., S. 113 ff. Burandt, FuR 2013, 377, 387; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 329; Franzmann/ Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 145, Rn. 5; Geimer, IZPR, Rn. 2330; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 631; i. E. Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 44. 152  So ausdrücklich Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8. Ferner Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 602; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 269; Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 257, 264; Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 109 f.; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 27. 153  Godechot-Patris, Rec. Dalloz 2012, 2462, 2468. 154  Hierzu ausführlich unten unter § 10 II. 2., S. 215 ff. 155  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 602; Buschbaum, in: Hager, Die neue Eu151 



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

135

Abs. 1 EuErbVO weder die Wirksamkeit noch die materiellrechtlichen Wirkungen einer öffentlichen Urkunde beinhalten kann.156 Die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO betrifft allein den sog. „Urkundsmantel“, d. h. das instrumentum – hingegen nicht das negotium einer Urkunde.157 Somit kann festgehalten werden, dass die Änderungen im Laufe der Entstehungsgeschichte des Art. 59 EuErbVO einer dogmatischen Entscheidung des Unionsgesetzgebers bezüglich der Grenzlinie zwischen IZPR und IPR entsprechen. Der Gesetzgeber hat sich hier gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung bezüglich öffentlicher Urkunden entschieden und derart das Verhältnis zwischen kollisionsrechtlicher und anerkennungsrechtlicher Methode geregelt.158 Die „Annahme“ öffentlicher Urkunden nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO stellt demnach ein „Bekenntnis zur ‚Anknüpfungsmethode‘“ des Kollisionsrechts dar.159 Der neue Begriff der „Annahme“ ist ein unvoreingenommener Begriff im internationalen Recht – sowohl im IPR als auch im IZPR – und sollte als autonomes Konzept in Bezug auf die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden gesehen werden.160

§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft Eines der Regelungsziele der EuErbVO ist es, den freien Verkehr öffentlicher Urkunden zu fördern, vgl. EG 22 EuErbVO. Hierzu bestimmt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, dass eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat hat. Damit ordnet die Vorschrift die grenzüberschreitende Wirkung der formellen Beweiskraft an. Wie bereits oben erläutert, stellt die Norm eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm dar.161 ErbVO, S. 39, 43, Fn. 15; Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 257 f. 156  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 603; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45. 157  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43, Fn. 15; Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 8; Kindler/Kränzle, in: Groll, Erbrechtsberatung, E., Rn. 310; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; i. E. d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 250; Lagarde, in: YbPIL 15 (2013/2014), S. 1, 4; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15, 18 f. A. A. C. Kohler, in: YbPIL 15 (2013/2014), S. 13, 17, Fn. 12. 158 Vgl. Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 262 f.; Wagner, NZFam 2014, 121, 123; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 148. 159  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 44. 160  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 43; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7. 161  S. o. unter § 5 II. 1., S. 113 ff.

136

Teil 2: Methode der Annahme

I. Wirkungserstreckung Als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm ordnet Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als Rechtsfolge die Anwendung der Rechtsordnung des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde an, um dessen formelle Beweiskraft zu bestimmen. Im Inland soll einer ausländischen öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO die „gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ zukommen. Demnach ordnet die Vorschrift die Erstreckung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, die dieser nach dem Recht ihres Ursprungsstaates zukommt, auf den Verwendungsstaat an.162 Ziel des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist es, der formellen Beweiskraft einer Urkunde grenzüberschreitende Entfaltung zu ermöglichen. Dies verdeutlicht auch bereits ein Ratsdokument im Laufe der Entstehungsgeschichte der EuErbVO. Dort heißt es: „Die Beweiskraft und die Wirkungen, die die Urkunde im Ursprungsstaat hat, werden also in gewisser Weise in die anderen Mitgliedstaaten exportiert“.163 Es handelt sich somit um eine Wirkungserstreckung164 der formellen Beweiskraft,165 einer wesentlichen Wirkung öffentlicher Urkunden. Anders als nach der alten Rechtslage vor Geltung der EuErbVO, wo trotz Vorliegen einer Legalisation oder Apostille bezüglich der Echtheit der Urkunde, die jeweilige lex fori über die Beweiskraft entschied, bestimmt nun gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO das Urspungsrecht die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde.166 162  Callé, JCP N 15 (2013), 1085, Rn. 9; Callé, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 231, 233; Dutta, FamRZ 2013, 4, 13; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 63; Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4, 13; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 31; Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 305; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 46 f.; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; Wittwer, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 7.137. 163 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 5, Punkt 15. 164  Keine Wirkungsgleichstellung, siehe dazu ausführlich unter § 6 II., S. 141 ff. 165  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 38; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 40; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 62, Rn. 3; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 6, Rn. 1; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 736; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7; Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 305, 308; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 53, 57; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14, Fn. 48. 166  Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 779.



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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Die Rechtsfolge tritt dabei sofort qua Gesetz ein.167 Eines besonderen Verfahrens oder eines zusätzlichen förmlichen Nachweises – wie im Rahmen der Echtheitsnachweise der Legalisation oder Apostille –168 bedarf es hiernach nicht. Wird eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO einer Behörde oder einem Gericht eines Mitgliedstaates vorgelegt, muss diese Zielstelle die Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO „annehmen“, d. h. ihre formelle Beweiskraft beachten, ohne dass es einer Zwischenentscheidung oder Bestätigung hierüber bedarf.169 Auch ein spezielles Verfahren wie das Exequaturverfahren im Rahmen der Vollstreckung nach Art. 60 Abs. 1 i. V. m. Art. 45–48 EuErbVO gibt es bei der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht. Die Verfahrensweise der Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO lässt einen Vergleich zum gleichen System bei Entscheidungen bzw. Urteilen zu.170 Art. 39 Abs. 1 EuErbVO ordnet für Entscheidungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO ausdrücklich die ipso iure-Anerkennung an.171 Nach überwiegend vertretener Auffassung bedeutet Anerkennung – im verfahrensrechtlichen Sinne – eine Wirkungserstreckung der Wirkungen einer ausländischen Entscheidung auf das anerkennende Inland.172 Die Wirkungen der Anerkennung 167 

Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 30; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 168 Das Beglaubigungsverfahren der Legalisation ermöglicht es, durch einen Bestätigungsvermerk auf der fraglichen Urkunde einer Auslandsvertretung des Verwendungsstaates, die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels, mit dem die Urkunde versehen ist zu bestätigen (§ 13 Abs. 2 KonsularG). Zur Befreiung dieses recht umständlichen Beglaubigungsverfahrens wurde am 5.10.1961 das Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (BGBl. 1965 II S. 875) unterzeichnet. Die Legalisation wurde durch die sog. Apostille ersetzt. Letztere wird gem. Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens auf der Urkunde selbst oder auf einem mit ihr verbundenen Blatt durch die Errichtungsstelle der Urkunde selbst angebracht. Siehe hierzu näher Hertel, Legalization of public documents, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1094 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 10.28; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 782; Schmidt, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. V, Nr. 760, 6 ff.; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 136 f. 169 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 30. 170  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 31; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 171  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 39, Rn. 1; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 5, Rn. 2, Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6. 172  Adolphsen, Europäisches ZivilverfahrensR, Kap. 5, Rn. 10; D’Alessandro, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6; Geimer, IZPR, Rn. 2776 ff.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 335; Kegel/Schurig, IPR, S. 1061; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; Kropholler, IPR, S. 678 f.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.6; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 8; Martiny, Handbuch IZVR III/1, Rn. 362; Nagel/Gottwald,

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Teil 2: Methode der Annahme

bestimmen sich dabei nach denjenigen, die der Entscheidung nach dem Recht ihres Entscheidungsstaates zukommen.173 Für das Unionsrecht bekräftigt der EuGH seit der Hoffmann-Entscheidung in einer ständigen Rechtsprechung, dass durch die Anerkennung „den Entscheidungen die Wirkungen beigelegt werden, die ihnen in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind“174.175 Auch wenn die Hoffmann-Entscheidung zu Art. 26 EuGVÜ und die bestätigenden Urteile zu Art. 33 EuGVVO a. F. ergingen, entsprechen die Vorschriften sowohl Art. 33 EuGVVO n. F. als auch Art. 39 EuErbVO, sodass die Rechtsprechung auf die heutige Rechtslage übertragbar ist.176 Demnach vertritt der EuGH für die verfahrensrechtliche Anerkennung die Lehre der Wirkungserstreckung. Vorteilhaft an der Erstreckung der ursprünglichen Wirkungen einer Entscheidung erscheint, dass der Umfang von Entscheidungswirkungen grundsätzlich mit der Gestaltung des Verfahrens zusammenhängt bzw. beides aufeinander abgestimmt ist.177 Je weitreichender die Wirkungen in einem Rechtssystem sind, desto sorgfältiger und eingehender werden die Regelungen des Verfahrens durch den jeweiligen Gesetzgeber gestaltet sein.178 Sich bei der (verfahrensrechtlichen) Anerkennung an den ursprünglichen Wirkungen zu halten ist daher zweckmäßig und richtig. Der Vergleich der Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zu der herkömmlichen Wirkungserstreckung bei der Anerkennung von Entscheidungen kann allerdings nur ein begrenzter Vergleich sein. Denn der Gegenstand der jeweiligen Wirkungserstreckung ist ein anderer. Wie bereits ausgeführt unterscheiden sich Entscheidungen und Urkunden erheblich voneinander.179 Die Verwendung des Begriffs „Wirkungserstreckung“ bezogen auf Art. 59 Abs. 1 EuErbVO beIZPR, § 12, Rn. 112; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 9; Thole, in: Hess, Anerkennung, S. 25, 51; Wagner, FamRZ 2013, 1620, 1628; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 11; Weber, IZPR erbrechtlicher Streitigkeiten, S. 161; Wiedemann, Vollstreckbarkeit, S. 121. 173  Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd.  III, EuErbVO, Art. 39, Rn. 11; Geimer, IZPR, Rn. 2777; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 335; Martiny, Handbuch IZVR III/1, Rn. 362 f.; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6; Rauscher, IPR, Rn. 2411; Wagner, FamRZ 2013, 1620, 1628. 174  EuGH, Urteil v. 4.2.1988, Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, 00645, Rn. 10, IPRax 1989, 159 m. Anm. Schack, 139. 175 EuGH, Urteil v. 4.2.1988, Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, 00645, Rn. 10 f.; EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn. 66; EuGH, Urteil v. 13.10.2011, Rs. C. 139/10, Prism Investments ./. Jaap Anne van der Meer, Slg. 2011, I-09511, Rn. 38; EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, Rn. 34. 176  So auch D’Alessandro, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 39, Rn. 1. 177  Vgl. zum autonomen deutschen IZVR Mansel, in: Heldrich/Kono, Herausforderungen des IZVR, S. 63, 71. 178 Vgl. Fischer, in: FS Henckel, 1995, S. 199, 209; Müller, ZZP 79 (1966), 199, 204. 179  S. o. unter § 5 II. 2. a) (2), S. 121 ff.



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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deutet daher nicht, dass eine verfahrensrechtliche Anerkennung oder Rechtslagenanerkennung von Urkunden gemeint ist. Vielmehr bestimmt der Terminus die Vorgehensweise der Wirkungserstreckung. Der Terminus beschreibt, dass die Wirkungen des grenzüberschreitend wirkenden Gegenstandes nach dessen Ursprungsrecht zu bestimmen und diese anschließend auf das Inland zu erstrecken sind. Wie bei der Anerkennung eines Urteils dessen Rechtskraft nach dem Recht des Entscheidungsstaates determiniert wird (z. B. § 322 Abs. 1 ZPO für deutsche Urteile oder Art. 480 Abs. 1, 455 Abs. 2 Code de procédure civile für französische Entscheidungen) und auf das anerkennende Inland erstreckt wird,180 soll bei einer ausländischen öffentlichen Urkunde die Beweiskraft gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nach dem Recht des Ursprungsstaates bestimmt werden und auf den Annahmestaat erstreckt werden. Der Vergleich ist somit auf die Vorgehensweise bzw. die Methodik der Wirkungserstreckung begrenzt, bedeutet indes keine gegenständliche Parallele. Zum Teil wird die Übertragung des Grundsatzes der Wirkungserstreckung auf die formelle Beweiskraft von öffentlichen Urkunden, der Qualifikation des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm gegenübergestellt.181 Es wird also teilweise vertreten, dass zwischen der Eigenschaft einer verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm und der Wirkungserstreckung ein Widerspruch herrsche. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Indem Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm anordnet, dass die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde sich nach dem Recht ihres Ursprungsstaates richtet, ordnet die Norm vielmehr gleichzeitig hinsichtlich der formellen Beweiskraft eine Wirkungserstreckung an. Denn die formelle Beweiskraft, als eine zentrale Wirkung einer öffentlichen Urkunde, wird durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO vom Ursprungsstaat auf den Annahmestaat erstreckt. Der Verordnungsgeber hat sich bei der Wahl des Anknüpfungspunktes bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO für den Ursprungsmitgliedstaat der öffentlichen Urkunde entschieden.182 Dadurch entsteht die soeben erläuterte Parallele zur Wirkungserstreckung. Indem Art. 59 Abs. 1 EuErbVO das Recht des Ursprungsmitgliedstaates zur Bestimmung der formellen Beweiskraft für anwendbar erklärt, stellt die Norm dogmatisch eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm dar und ordnet zugleich die Erstreckung der formellen Beweiskraft – als zentrale Wirkung der öffentlichen Urkunde – in ausländischen Mitgliedstaaten an. Es liegt hier kein Gegensatz vor. Vielmehr handelt es sich um „zwei Seiten derselben 180  Geimer, IZPR, Rn.  2804; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 33, Rn. 36 f.; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 36, Rn. 5; Linke/ Hau, IZVR, Rn. 12.42; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 10; Weber, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 14. 181  So ohne nähere Begründung Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 6, Rn. 2, Fn. 2; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, Fn. 4; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, Fn. 5. 182  Siehe hierzu ausführlich unter § 5 II. 1., S. 116 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

Medaille“. Allgemein werden beide Begriffe dazu verwendet, Regelungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beschreiben. Die Verwendung beider Begriffe bezogen auf ein und dieselbe Norm muss sich dabei nicht ausschließen. Der Begriff „verfahrensrechtliche Kollisionsnorm“ beschreibt die dogmatisch verwendete Regelungstechnik des Gesetzgebers. Für einen bestimmten Anknüpfungsgegenstand wird mittels eines Anknüpfungspunktes das auf den Gegenstand anwendbare Recht bestimmt. Der Begriff „Wirkungserstreckung“ stellt eine Beschreibung des Inhalts der Norm dar, genauer gesagt der Rechtsfolgenanordnung. Der Terminus beschreibt die Verfahrensweise, die Wirkungen eines konkreten Gegenstandes aus seinem Entstehungsrecht zu exportieren und auf das Ausland zu erstrecken. Der Begriff „Wirkungserstreckung“ steht somit für die Beurteilung der Wirkungen nach dem Recht des Entstehungsstaates eines fraglichen Gegenstandes. Hingegen bedeutet die Qualifikation als Kollisionsnorm, dass eine Regelung vorliegt, welche die Kollision mehrerer Rechtsordnungen hinsichtlich eines fraglichen Anknüpfungsgegenstandes regelt. Eine Aussage über das konkret anzuwendende Recht beinhaltet der Begriff nicht, da es sich um eine dogmatisch allgemeingültige und abstrakte Einordnung handelt. Demnach beschreiben beide Begriffe die verwendete Methode einer Norm, sie fokussieren sich jedoch auf unterschiedliche Aspekte. Beide Begriffe hinsichtlich derselben Norm zu benutzen widerspricht sich dabei nicht. Vielmehr können beide Begrifflichkeiten zur Charakterisierung einer Norm zutreffen, wenn die Kollisionsnorm derart aufgebaut ist, dass sie die Rechtsfolge anordnet, worauf der Begriff der Wirkungserstreckung gerichtet ist. Dies hängt sowohl von der Wahl des Anknüpfungsgegenstandes als auch des Anknüpfungspunktes ab. Wenn der Anknüpfungsgegenstand einer Kollisionsnorm die Wirkungen einer Rechtsfrage als Funktionsbegriff erfasst und zur Bestimmung des anwendbaren Rechts für diesen Anknüpfungsgegenstand als Anknüpfungspunkt das Recht des Entstehungsstaates auswählt, stellt die Rechtsfolgenanordnung eine Wirkungserstreckung dar. In einem solchen Falle widersprechen sich beide Begrifflichkeiten nicht. Dann umschreiben beide Begriffe zutreffend dieselbe Regelung. So ist es auch bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm knüpft die Vorschrift zur Bestimmung des anwendbaren Rechts für den Anknüpfungsgegenstand der formellen Beweiskraft einer Urkunde an das Ursprungsrecht dieser an. Der Anknüpfungsgegenstand betrifft die Wirkungen – namentlich die formelle Beweiskraft – einer öffentlichen Urkunde und nicht etwa die Formgültigkeit der Urkunde oder die Wirksamkeit des beurkundeten Vorganges. Zudem wurde als Anknüpfungspunkt durch den Unionsgesetzgeber das Recht des Ursprungsmitgliedstaates, nicht des Verwendungsstaates oder der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt, gewählt.183 Derart ordnet Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm 183 

Siehe hierzu ausführlich oben unter § 5 II. 1., S. 116.



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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zugleich die Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft des Ursprungsstaates der Urkunde auf den Verwendungsstaat an. Daher stellt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm dar und ordnet ebenfalls eine Wirkungserstreckung an.

II.  Keine Wirkungsgleichstellung Die durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angewandte Verfahrensweise der Wirkungserstreckung ist ferner wichtig zu betonen, da sie die Ablehnung einer Gleichstellung der ausländischen Urkunde mit einer inländischen aufzeigt.184 Die Gleichstellungslehre ist von der Urteilsanerkennung her bekannt. Nach dieser Lehre soll eine ausländische Entscheidung einer inländischen gleichgestellt werden.185 Danach entfaltet eine ausländische Entscheidung im Zielstaat die gleichen Wirkungen wie eine Entscheidung des Zielstaates.186 Die Wirkungen der ausländischen Entscheidungen sollen sich nach dieser Lehre somit im Zielstaat einzig nach dem Recht des Zielstaates beurteilen.187 Wie oben dargelegt hat sich der EuGH bezüglich der verfahrensrechtlichen Anerkennung von Entscheidungen explizit für das System der Wirkungserstreckung ausgesprochen – wodurch er sich zugleich gegen die Gleichstellungslehre ausgesprochen hat.188 Bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hat sich der europäische Verordnungsgeber, indem er den Anknüpfungspunkt des Ursprungsmitgliedstaates bewusst für Urkunden gewählt hat, ebenfalls gegen eine Gleichstellung entschieden. Die formelle Beweiskraft einer Urkunde richtet sich gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nach deren Ursprungsrecht und nicht nach dem Recht des Annahmestaates. Dies wird auch anhand der Entstehungsgeschichte der Norm deutlich. In der Begründung der Kommission zur EuErbVO-E war noch unklar, an welches Recht angeknüpft werden sollte. Denn dort hieß es, dass einer Urkunde „dieselbe Beweiskraft zukommt wie inländischen öffentlichen Urkunden oder wie in 184 Vgl. Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 38; Callé, JCP N 15 (2013), 1085, Rn. 9; Callé, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 231, 233; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 736, Fn. 61; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; i. E. Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 154; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15, Fn. 51. 185 Bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung dafür: Matscher, in: FS Schima, 1969, S. 265, 277 ff., 284; Matscher, ZZP 103 (1990), 294, 307 f.; Reu, Anwendung fremden Rechts, S. 86. In der aktuellen Literatur wird die Theorie wohl nicht mehr vertreten, vgl. zum autonomen dt. Recht Bach, in: BeckOK/ZPO, ZPO, § 328, Rn. 54.1. Ferner hierzu auch Geimer, IZPR, Rn. 2778. 186  Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 883 (der sich allerdings für die sog. Kumulationstheorie ausspricht, Rn. 886). 187  Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 260; Martiny, Handbuch IZVR III/1, Rn. 366 (beide zur verfahrensrechtlichen Anerkennung). 188  Hierzu oben unter § 6 I., S. 136 f.

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Teil 2: Methode der Annahme

ihrem Ursprungsstaat“189. Es war somit nicht nur unklar, ob das Recht des Ursprungsstaates oder des Zielstaates für die Beweiskraft maßgebend sein sollte. Offen blieb auch, ob eine Wahl zwischen den beiden Rechtsordnungen möglich sein sollte.190 Weiterhin wurde während der Genese anfangs auch die Möglichkeit eingebracht, dass „die Beweiskraft und die Wirkungen der Urkunde nach dem Recht des Mitgliedstaats bestimmt werden, in dem die Urkunde vorgelegt wird“.191 Dies hätte eine Gleichstellung der ausländischen Urkunde mit einer inländischen bedeutet. In der endgültigen Fassung verdeutlicht der eindeutige Wortlaut von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO die bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers gegen eine Gleichstellung der ausländischen öffentlichen Urkunde mit einer inländischen und für eine Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach ihrem Ursprungsrecht auf den Annahmemitgliedstaat. Ferner hebt Bauer zu Recht hervor, dass eine „bloße Gleichstellung“ ausländischer mit inländischen Urkunden dem „Geist“ der EuErbVO widersprechen würde.192 Denn die Verordnung möchte den freien Verkehr der öffentlichen Urkunden innerhalb der EU fördern, wie EG 22 EuErbVO deutlich macht.193 Eine Gleichstellung würde den freien Verkehr hingegen hindern. Denn wenn eine ausländische Urkunde eine Beweiskraft vorweist, die öffentliche Urkunden des Annahmestaates nicht haben bzw. haben können, dann scheitert eine Gleichstellung. Diese Folge widerspricht aber dem praktischen Bedürfnis auch unbekannten Beweiskraftwirkungen Geltung im Inland zukommen zu lassen, d. h. die Urkunde frei verkehren zu lassen. Würde der jeweilige Annahmestaat die fremde Urkunde hinsichtlich ihrer Beweiskraft trotzdem inländischen gleichstellen, würden in verschiedenen Mitgliedstaaten derselben öffentlichen Urkunde unterschiedliche Wirkungen zukommen. Auch diese Folge entspricht nicht dem „Geist“ der EuErbVO, den freien Verkehr öffentlicher Urkunden zu fördern. Zudem würde diese Folge für die Betroffenen einen negativen Überraschungseffekt darstellen, wenn einer öffentlichen Urkunde im Wege der Annahme eine Beweiskraft zugesprochen wird, die man bei der Erstellung noch gar nicht bedachte bzw. bedenken konnte.194 Somit spricht auch das Telos des Art. 59 Abs. 1 189  Begründung

S. 8.

190 

der Kommission zur EuErbVO-E, KOM(2009) 154 endg. v. 14.10.2009,

Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 344. des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 5, Punkt 16. 192  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 39. 193  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, 39. 194  Dieses Argument wird auch im Rahmen der verfahrensrechtlichen Anerkennung gegen die Gleichstellungslehre angebracht, vgl. Kropholler, IPR, S. 679; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.8; Martiny, Handbuch IZVR III/1, Rn. 376; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 884; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 12. 191 Vermerk



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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EuErbVO gegen eine Gleichstellung und für eine Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft von öffentlichen Urkunden. Deshalb muss der Ansicht Hertels widersprochen werden, wonach eine ausländische öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat der Verordnung, der selbst öffentliche Urkunden kennt, „dieselbe Beweiswirkung wie inländische öffentlichen Urkunden des Verwendungsstaates“ haben soll.195 Nur wenn der Verwendungsstaat öffentliche Urkunden nicht kennt, wie Finnland, Schweden oder Zypern, soll laut Hertel der öffentlichen Urkunde dieselbe Beweiswirkung wie in ihrem Ursprungsmitgliedstaat zukommen.196 Hertel begründet diese Unterscheidung damit, dass die Anwendung der lex fori genüge, wenn sie „in etwa zur gleichen Beweiskraft kommt“,197 was in der römisch-germanischen Rechtsfamilie mangels nennenswerter Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen zur Beweiskraft gegeben sei.198 Ferner vereinfache die Anwendung der lex fori erheblich die praktische Anwendung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.199 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Die grundsätzliche Anwendung der lex fori des Annahmestaates widerspräche dem eindeutigen Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sowie seiner Dogmatik als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm, wonach das Recht des Ursprungsmitgliedstaates der Urkunde zur Bestimmung der formellen Beweiskraft anwendbar ist. Gleichzeitig impliziert dies, wie soeben dargelegt, dass gerade keine Gleichstellung der Beweiskraft mit inländischen Urkunden stattfinden soll, sondern eine Wirkungserstreckung. Folge der Ansicht von Hertel wäre, dass einer deutschen öffentlichen Urkunde in Frankreich die Beweiskraft nach Art. 1319 Code civil zukommen würde; in Finnland würde sich ihre Beweiskraft allerdings nach den §§ 415 ff. ZPO richten. Folglich würden derselben Urkunde in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Beweiskraftwirkungen zukommen. Dieses Ergebnis würde dem internationalen Entscheidungseinklang widersprechen. Zudem würde dies dem Regelungsziel der EuErbVO, eine vereinfachte und schnelle Nachlassabwicklung innerhalb der EU durch frei zirkulierende öffentliche Urkunden zu ermöglichen (vgl. EG 22 S. 1, 60 EuErbVO), entgegenwirken. Ferner können auch praktische Einfachheitserwägungen nicht überzeugen. Denn es entspricht gerade dem Wesen des Internationalen Privatrechts fremdes Recht anzuwenden.

195 

Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. 197  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. 198  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18. 199  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. 196 

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Teil 2: Methode der Annahme

III.  Keine Doppelbegrenzung Umstritten ist, ob Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine unbegrenzte Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft anordnet oder lediglich eine nach dem Annahmerecht begrenzte Erstreckung ermöglicht. In dem Fall, dass die Beweiskraft nach dem Ursprungsrecht der öffentlichen Urkunde „geringer“ bzw. „schwächer“ ist als nach dem Recht des Annahmestaates, bleibt es unstrittig bei den geringeren Wirkungen nach dem Ursprungsrecht.200 Problematisch ist der umgekehrte Fall: Wenn eine Urkunde nach ihrem Ursprungsrecht weitergehende Wirkungen entfaltet als das inländische Recht seinen eigenen zuschreibt. Dann stellt sich die Frage, ob die Annahme dazu führen kann, dass einer ausländischen Urkunde stärkere bzw. weitergehende Beweiskraftwirkungen zukommen als einer inländischen Urkunde oder ob dies nicht möglich ist und die Wirkungserstreckung der Annahme deshalb begrenzt werden muss. Teilweise wird in der Literatur vertreten, Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ordne die grenzüberschreitende Beweiskraftwirkung in den Grenzen sowohl des Ursprungs- als auch des Zielmitgliedstaates an.201 Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sehe eine „Doppelbegrenzung“202 der formellen Beweiskraftwirkungen nach dem Recht des Ursprungs- und des Zielmitgliedstaates vor. Nach dieser Ansicht kann eine öffentliche Urkunde durch die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO keine Beweiskraftwirkungen entfalten, die über die Wirkungen des Rechts des Annahmestaates gehen. Folglich kann einer öffentlichen Urkunde hiernach niemals mehr Beweiskraft zukommen als das inländische Recht des Annahmestaates vorsieht.203 Demzufolge begrenzt das Annahmerecht die grenzüberschreitende Beweiskraft einer Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Die Doppelbegrenzung ergebe sich aus der Formulierung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO „die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat 200  Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 429; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 52 f.; i. E. Kleinschmidt, RabelsZ, 723, 742 f.; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41. 201  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43; Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 603; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Kindler/Kränzle, in: Groll, Erbrechtsberatung, E., Rn. 310; Simon/ Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397; Wittwer, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 7.137. So wohl auch Carrascosa González, El Reglamento Sucesorio Europeo, S. 314; Geimer, IZPR, Rn. 2330s ff.; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 33 ff. Offen lassend Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 632. 202  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 603; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397; Stürner, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 47, 54, 65. Zustimmend Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. 203 Vgl. Dutta, IPRax 2015, 32, 38; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11 (der sich gegen eine Doppelbegrenzung ausspricht).



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“.204 Einerseits ergebe sich die formelle Beweiskraft einer Urkunde aus dem Ursprungsrecht der Urkunde, sodass einer ausländischen Urkunde nicht mehr Beweiskraft als nach ihrem Ursprungsrecht zuerkannt werden könne.205 Andererseits könne ausländischen Urkunden im Inland keine Beweiskraft zukommen, die über die Wirkungen inländischer öffentlicher Urkunden hinausgehen.206 Die Rechtsordnung des Annahmestaates stelle nach der Wortlautformulierung einen „Vergleichsmaßstab“ für die anzunehmende Beweiskraft dar.207 Die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO beinhalte demnach eine Begrenzung der Beweiskraftwirkung nach dem Recht des Zielmitgliedstaates.208 Folglich könnten dem Annahmestaat unbekannte Wirkungen einer öffentlichen Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat im annehmenden Inland nicht zugesprochen werden. Dieser Auffassung ist jedoch nicht zuzustimmen. Wie bereits oben erörtert,209 ordnet Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft einer ausländischen öffentlichen Urkunde auf den annehmenden Staat an. Das Ursprungsrecht einer Urkunde bestimmt demnach grundsätzlich die formelle Beweiskraft dieser Urkunde im Annahmestaat. Die ausländische Urkunde wird gerade nicht einer inländischen gleichgestellt.210 Eine Doppelbegrenzung nach dem Ursprungs- und dem Zielrecht würde dem Telos der Wirkungserstreckung widersprechen.211 Dies wird namentlich in der Formulierung des EG 61 S. 3 EuErbVO deutlich:212 „Somit richtet sich die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats.“ Demzufolge ist allein das Recht des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde zur Determinierung 204  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43, Fn. 15; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Geimer, IZPR, Rn. 2330t; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 34; Kindler/Kränzle, in: Groll, Erbrechtsberatung, E., Rn. 310, Fn. 3; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397. 205  Geimer, IZPR, Rn. 2330q f. 206  Kindler/Kränzle, in: Groll, Erbrechtsberatung, E., Rn. 310; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397. 207  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 603; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2397. 208  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43, 15. 209  S. o. unter § 6 I., S. 136 ff. 210  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 15, Fn. 39; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18. Siehe bereits unter § 6 II., S. 141 ff. 211 Vgl. Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21. 212  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21.

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Teil 2: Methode der Annahme

ihrer grenzüberschreitenden formellen Beweiskraft entscheidend. Das Recht des Annahmestaates wird hier nicht erwähnt, auch nicht als „Vergleichsmaßstab“ für die anzunehmende Beweiskraft und erst recht nicht als Begrenzung der Annahme. Das Telos des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO spricht somit gegen eine Doppelbegrenzung der Annahme. Weiterhin wird für eine Doppelbegrenzung angebracht, dass die Begrenzung der formellen Beweiskraft nach dem Recht des Annahmestaates praktische Vorteile habe.213 Indem der Richter sein eigenes Recht anwenden kann, würde ihm die Erforschung des ihm unbekannten Ursprungsrechts erspart.214 Laut Geimer soll das von Art. 59 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO vorgesehene Formblatt, das die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde in ihrem Ursprungsmitgliedstaat beschreibt, der Annahmestelle die Erforschung des fremden Rechts zwar erleichtern, jedoch zweifelt er an dem praktischen Erkenntniswert der „Bestätigungen in abstrakten und formalisierten Wendungen“.215 Zudem führe die Erforschung der Beweiskraft nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde zu einer Verfahrensverzögerung, die der Intention der EuErbVO widerspreche.216 Dieser Argumentation ist allerdings zu widersprechen. Sie scheint sich sogar selbst zu widersprechen. Denn wenn eine Doppelbegrenzung nach dem Ursprungs- und dem Zielstaat vorgenommen werden soll, dann muss auch nach dieser Auffassung zur Bestimmung der ersten Grenze zunächst das ausländische Ursprungsrecht angewandt werden. Wenn die Annahmestelle die Beweiskraft einer Urkunde einzig nach ihrem Recht beurteilen können soll, stellt dies tatsächlich eine Gleichstellung dar. Dieser steht allerdings der eindeutige Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, der eine Wirkungserstreckung anordnet,217 entgegen. Ferner wendet Geimer ein, dass ohne eine Begrenzung nach dem Recht des Annahmestaates die Beweiswirkung einer ausländischen Urkunde im Inland unterschiedlich ausfallen könnte, wenn in einer Erbangelegenheit unterschiedliche Rechtsquellen angewendet würden.218 Zur Erläuterung verweist er hierbei exemplarisch auf ein französisches Testament, das im Rahmen eines deutschen Nachlassverfahrens neben einer deutschen und einer schweizerischen Urkunde 213  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 34; Geimer, IZPR, Rn. 2330t. 214  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 34; Geimer, IZPR, Rn. 2330t. 215  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 34; Geimer, IZPR, Rn. 2330t. 216  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 34; Geimer, IZPR, Rn. 2330t. 217  S. o. unter § 6 I., S. 136 ff. 218  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 35; Geimer, IZPR, Rn. 2330u.



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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eingebracht wird.219 Für die schweizerische Urkunde würde § 438 ZPO gelten, für die deutsche § 437 ZPO und allein für die französische würde Art. 59 Abs. 1 EuErbVO greifen.220 Wenn Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Begrenzung der Annahme nach dem Recht des Zielstaates erlaube, würde in dem Beispielsfall der französischen Urkunde die gleiche Beweiskraft wie der schweizerischen in Deutschland zuerkannt werden. Das Beispiel soll somit wohl verdeutlichen, dass durch eine Doppelbegrenzung bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ausländischen Urkunden unabhängig von ihrer Herkunft dieselbe Beweiskraft in einem Zielstaat zukommen würde. Dem genannten Beispiel sowie dem damit veranschaulichten Argument Geimers kann jedoch nicht gefolgt werden. Aufgrund der Tatsache, dass drittstaatliche Urkunden nicht von der geförderten europäischen Freizügigkeit profitieren können, sollte die Freizügigkeit nicht herabgesetzt werden. Dies würde nicht dem europäischen Bestreben, ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts durch die Ausräumung von Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Rechten bei einem grenzüberschreitenden Erbfall zu erleichtern (vgl. EG 7 EuErbVO) entsprechen. Zwar könnte der Vorteil, dass durch die Begrenzung der Beweiskraft nach dem Zielstaat Urkunden aus verschiedenen Staaten im Zielstaat dieselbe Beweiskraft zukommt, zunächst positiv erscheinen. Allerdings würde der angebrachte Vorteil nur dann zutreffen, wenn das autonome Recht des Zielstaates eine Gleichstellung ausländischer mit inländischen Urkunden vornimmt. Bei einem autonomen Recht, das ausländischen Urkunden im Inland hingegen keine Wirkungen zukommen lässt, bewahrheitet sich der angebrachte Vorteil nicht. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die gleichzeitige Folge einer Doppelbegrenzung wäre, dass ein und dieselbe Urkunde in verschiedenen Zielstaaten unterschiedliche Wirkungen hätte. Es erscheint jedoch zweckmäßiger einer öffentlichen Urkunde im europäischen Raum dieselbe Beweiskraft zukommen zu lassen; statt ihre Beweiskraft je nach Verwendungsstaat anders zu beurteilen. Letzteres würde überdies dem internationalen Entscheidungseinklang widersprechen. Des Weiteren beruft sich Lechner auf den Willen des Europäischen Parlaments. Denn im Parlament herrschte laut Lechner Einigkeit darüber, die grenzüberschreitende Annahme auf die formelle Beweiskraft sowohl nach dem Recht des Ursprungsstaates als auch des Zielstaates zu beschränken.221 Deshalb dürfe die Formulierung „die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ entsprechend dem Vorschlag des Europäischen Parlaments so zu verstehen sein, dass 219  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 35, 14; Geimer, IZPR, Rn. 2330u, 2330g. 220  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 152, Rn. 35, 14; Geimer, IZPR, Rn. 2330u, 2330g. 221  Lechner, ZErb 2014, 188, 192.

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die Beweiskraft durch den Annahmestaat begrenzt werden könne, wenn die ursprüngliche Beweiskraft dem Annahmestaat unbekannt ist.222 Dieser Auslegung der zweiten Alternative kann jedoch nicht zugestimmt werden. Dass das Parlament eine Doppelbegrenzung befürwortete, zeigt sich zwar auch in den Änderungsanträgen zu Art. 34 EuErbVO-E. So lauten die Änderungsanträge 79 und 223 „[…] die gleiche [formelle] Beweiskraft wie deren inländische Urkunden, jedoch nicht mehr, als ihnen im Ursprungsstaat zusteht“223. Es ist allerdings anzumerken, dass diese Formulierung sehr an die Gleichstellungslehre erinnert. Denn die Reihenfolge des vorgeschlagenen Textes benennt primär die Gleichstellung der ausländischen Wirkungen mit den inländischen („wie deren inländische Urkunden“). Erst im Anschluss wird hinzugefügt „jedoch nicht mehr, als ihnen im Ursprungsstaat zusteht“, sodass nach den vorgeschlagenen Änderungsanträgen erst im Nachhinein die inländischen Wirkungen mit den ursprünglichen verglichen werden sollten. Der Gedanke der Gleichstellung steht allerdings der durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angeordneten Wirkungserstreckung entgegen. Daneben hielt im Laufe der Genese auch der Rat eine Bestimmung der Beweiskraft nach dem Recht des Bestimmungs- und des Ursprungsstaates für möglich, um der Vielfalt der Verfahrensordnungen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.224 Zugleich wurde allerdings seitens des Rates bereits zu Beginn der Genese der EuErbVO in einem Vermerk der Nachteil solch einer Begrenzung der Beweiskraft durch den Annahmestaat angemerkt:225 „Diese Lösung hätte den Nachteil, dass es den Mitgliedstaaten überlassen wird, die Beweiskraft und die Wirkungen ausländischer Urkunden zu bestimmen. Insbesondere in denjenigen Mitgliedstaaten, die keine öffentliche Urkunde kennen, könnte dies zu einer Minderung der Beweiskraft im Vergleich zu der Beweiskraft führen, die die Urkunde im Ursprungsstaat hat.“

Die Minderung der Beweiskraft steht jedoch im Gegensatz zum Regelungsziel der EuErbVO, die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden zu fördern. Wie in der zitierten Passage des Ratsvermerks explizit und zutreffend ausgeführt wird, würde eine Doppelbegrenzung bedeuten, dass in den Mitgliedstaaten, die keine öffentlichen Urkunden kennen, niemals die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden aus anderen Mitgliedstaaten gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angenommen werden müsste.226 Solch eine Nichtannahme, aber auch eine „bloße“ Min222 

Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102, 110. 79, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 23.2.2011, S. 43; Änderungsantrag 223, in: Lechner, Entwurf eines Berichts v. 13.5.2011, S. 57. 224 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 5, Punkt 16 f. 225 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 5, Punkt 17. 226  Vgl. auch Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25. 223  Änderungsantrag



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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derung der Beweiskraftwirkung, würde dem effet utile-Grundsatz227 widersprechen, wonach stets die größtmögliche praktische Wirksamkeit einer Regelung erstrebt werden soll. Sinn und Zweck des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist die Förderung der grenzüberschreitenden Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Eine Doppelbegrenzung würde somit dem effet utile-Grundsatz und dem Telos des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO widersprechen. Bei Betrachtung der gesamten Entwicklung der Genese des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO wird folglich deutlich, dass sich der Verordnungsgeber schließlich gegen eine doppelte Begrenzung der grenzüberschreitenden Beweiskraft nach dem Recht des Ursprungs- und des Zielstaates entschieden hat. Die jetzige Fassung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist nicht wie die im Parlament geäußerten Änderungsanträge228 79 und 223 gefasst. Dies zeigt, dass der Unionsgesetzgeber sich bewusst gegen eine solche Formulierung entschieden hat und durch den endgültigen Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO die unbegrenzte Wirkungserstreckung deutlich machen wollte. Einzige Grenze der Annahme einer öffentlichen Urkunde nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO stellt der ausdrücklich genannte ordre public-Vorbehalt dar.229 Zudem war sich der europäische Gesetzgeber der Vielfalt der Verfahrensordnungen und der daraus resultierenden schwierigen Erforschung des fremden Verfahrensrechts zur Bestimmung der formellen Beweiskraft der anzunehmenden Urkunde bewusst.230 Um dem Rechnung zu tragen, wurde die Möglichkeit des Formblatts (Art. 59 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO) vorgesehen.231 Nach richtiger Auffassung wird die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO „oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ nicht als Begrenzung der Beweiskraftwirkung nach dem Recht des Annahmestaates aufgefasst. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO enthält demnach keine „Doppelbegrenzung“, insbesondere stellt das Recht des Annahmestaates keine Grenze der Beweiswirkungen dar.232 Die Vertreter dieser zutreffenden Ansicht wenden gegen die sogenannte Doppelbegrenzung ein, dass andernfalls der ordre public-Vorbehalt am Ende des 227 

Siehe hierzu bereits unter § 1 III., S. 12. Siehe hierzu oben unter § 6 III., S. 148. Siehe hierzu unten unter § 7 II., S. 165 ff. 230  Vgl. Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 13510/10 v. 1.10.2010, S. 5, Punkt 16 f.; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 33. 231  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 33. 232  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 39; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Int. Erbrecht, Teil 1, § 6, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40; i. E. Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 306 f.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 32; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art 59, Rn. 17 f.; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25. 228  229 

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Teil 2: Methode der Annahme

Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sinnlos wäre.233 Denn wenn sowohl das Ursprungsrecht der Urkunde als auch das Recht des Annahmestaates als Grenze zur Bestimmung der Beweiskraft einer ausländischen Urkunde heranzuziehen seien, dann stelle die lex fori des Annahmestaates ohnehin eine Obergrenze dar.234 Ein offensichtlicher Widerspruch zur öffentlichen Ordnung des Annahmemitgliedstaates, dessen Recht bereits als Doppelgrenze die Wirkungen der Urkunde begrenzt hat, käme dann folglich nicht mehr in Betracht. Bauer merkt zwar an, dass der ordre public-Vorbehalt nicht gänzlich funktionslos wäre, da theoretisch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public auch denkbar sei, wenn der ausländischen Urkunde eine Beweiskraft wie einer inländischen zukomme.235 Dabei gibt er das Beispiel eines gem. § 6 BeurkG ausgeschlossenen Notars als Beurkundungsperson der fraglichen Urkunde.236 Nichtsdestotrotz würde der Einwand eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung „weitgehend obsolet“.237 Buschbaum entgegnet diesem Argument – als Vertreter einer Doppelbegrenzung –, dass die alleinige Beschränkung der Annahme durch den ordre public, dessen Ausnahmecharakter aushebeln würde, da weitreichendere Beweiskraftwirkungen öffentlicher Urkunden „je nach Ursprungsmitgliedstaat nicht nur ausnahmsweise, sondern typischerweise stark voneinander abweichen“.238 Jedoch kommt es bei dem ordre public-Vorbehalt gerade nicht auf die typischerweise vorliegenden Divergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen an. Der ordre public-Einwand soll der Annahme der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nur dann entgegenstehen, wenn das Ergebnis der Annahme im konkreten Einzelfall mit der öffentlichen Ordnung des Annahmemitgliedstaates nicht vereinbar ist.239 Ob ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, wird somit nicht durch einen abstrakt-generellen Vergleich der Ursprungs- mit den Annahmeregelungen festgestellt. Vielmehr ist dabei zu prüfen, ob die spezifische Folge der An233  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 39; Burandt, FuR 2013, 377, 387; Dutta, IPRax 2015, 32, 38; Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn. 67; Fucik, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 84; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 58; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25. 234  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21. 235  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32 f.; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 39. 236  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32 f.; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 39. 237  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 32; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 39. 238  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43, Fn. 15. 239  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23.



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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nahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO im konkreten Einzelfall gegen wesentliche Rechtsgrundsätze des annehmenden Mitgliedstaates verstieße und daher in einem nicht hinnehmbaren Widerspruch zur Rechtsordnung des Annahmestaates stünde.240 Derart angewendet behält der ordre public-Vorbehalt des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO seine Eigenheit als Ausnahme, anders ausgedrückt als „Notbehelf“241. Darüber hinaus kann an dieser Stelle erneut ein vorsichtiger Vergleich zur Urteilsanerkennung gezogen werden. Bei letzterer wird in der Literatur teilweise die sogenannte Kumulationstheorie der herrschenden Wirkungserstreckung gegenübergestellt.242 Der Gedanke der Kumulationstheorie bezüglich der grenzüberschreitenden Wirkung von Gerichtsentscheidungen entspricht dem der Doppelbegrenzung bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Nach der Kumulationstheorie sind die Wirkungen einer anerkannten Entscheidung kumulativ nach dem Recht des Ursprungsstaates und dem Recht des Anerkennungsstaates zu bestimmen.243 Da aus dieser Begrenzung folgt, dass einer Entscheidung in verschiedenen Anerkennungsstaaten unterschiedliche Wirkungen zukommen können, je nachdem welche Wirkungen das anerkennende Inland kennt, wird diese Theorie auch bei der Urteilsanerkennung kaum vertreten. Sie widerspricht nicht nur dem Grundsatz der Freizügigkeit von Entscheidungen in der EU,244 sondern auch dem internationalen Entscheidungseinklang. Wie bereits oben dargelegt, folgt auch der EuGH weder der Kumulations- noch der Gleichstellungslehre, sondern der uneingeschränkten Wirkungserstreckung.245 Zwar berufen sich die Vertreter der Kumulationstheorie auf die „jüngeren Entscheidungen“246 des EuGH, namentlich die Apostolides- und Prism-Entscheidungen.247 In den beiden Urteilen bestätigt der EuGH jedoch ausdrück240  241 

Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 71. 242 So Roth, IPRax 2014, 136, 138; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 886; Schack, in: FS Schilken, 2015, S. 445, 451; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 13; U. Schmidt, EU-ZPR, Rn. 184. Siehe zur Wirkungserstreckung bei der Urteilsanerkennung bereits unter § 6 I., S. 138 f. Siehe ferner Wiedemann, Vollstreckbarkeit, S. 134–41(die sich überzeugend bzgl. der Erstreckung der Vollstreckbarkeit nach der EuGVVO gegen eine Kumulation und für eine Wirkungserstreckung ausspricht). 243 Vgl. Generalanwalt Darmon, Schlussanträge v. 9.7.1987, Rs. C-145/86, Rn.  20; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 886; Schack, in: FS Schilken, 2015, S. 445, 454; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 13; U. Schmidt, EU-ZPR, Rn. 184. 244  Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 25; Wiedemann, Vollstreckbarkeit, S. 138 f. (zur Vollstreckbarkeit nach der EuGVVO). 245  S. o. unter § 6 I., S. 138 ff. 246  Schack, in: FS Schilken, 2015, S. 445, 454.; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 14 („jüngerer Zeit“). 247  Schack, in: FS Schilken, 2015, S. 445, 454; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 886, Fn. 2 mit Verweis auf EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn. 66 und EuGH, Urteil v. 13.10.2011, Rs. C. 139/10, Prism Investments ./. Jaap Anne van der Meer, Slg. 2011, I-09511, Rn. 38; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErb-

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Teil 2: Methode der Annahme

lich seine Hoffmann-Rechtsprechung248 zur Anerkennung und fügt hinsichtlich der in beiden Fällen fraglichen Vollstreckung hinzu: „einem Urteil bei seiner Vollstreckung Rechtswirkungen zuzuerkennen, die es im Ursprungsmitgliedstaat nicht hat […] oder die ein unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangenes Urteil derselben Art nicht erzeugen würde“ ginge nicht an.249 Wenn Schack und Schärtl sich durch die Bezugnahme auf die Apostolides- und Prism-Entscheidungen auf die Beachtung des Rechts des Vollstreckungsstaates bei der Anerkennung berufen wollen, kann dies nicht überzeugen. Denn die Anerkennung ist von der Vollstreckung einer Entscheidung zu unterscheiden: Nach dem System der den beiden Entscheidungen zugrundeliegenden EuGVVO a. F. sowie der EuErbVO ist für die Vollstreckung eine „originäre Verleihung der Vollstreckbarkeit“250 durch die sogenannte Vollstreckbarerklärung (Exequatur) im und durch den Vollstreckungsstaat erforderlich.251 Die tatsächliche Vollstreckung richtet sich nach dem inländischen Recht des Vollstreckungsstaates.252 Im Gegensatz zur Vollstreckung setzt die Anerkennung jedoch gerade kein spezielles durchzuführendes Verfahren voraus, sondern verläuft automatisch. Die EuGH-Rechtsprechung zur Vollstreckbarkeit kann daher nicht auf die Anerkennung übertragen werden. Ferner erscheint die Aussage, durch diese zwei Entscheidungen werde deutlich, dass der EuGH seine Rechtsprechung in „jüngerer Zeit relativiert“253 habe und die Wirkungserstreckung „offensichtlich im Sinne der Kumulationstheorie begrenzt“254, nicht zutreffend. Denn zeitlich nach diesen beiden Urteilen bestätigte der EuGH in seiner Gothaer-Entscheidung255 vielmehr nochmals deutlich, dass er an der Lehre der unbegrenzten Wirkungserstreckung festhalte.256 Somit gilt auf unionsrechtlicher Ebene die Lehre der Wirkungserstreckung hinsichtlich der Urteilsanerkennung uneingeschränkt.257 VO, Art. 39, Rn. 14 mit Verweis auf EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn. 66. 248  S. o. unter § 6 I., S. 138 f. 249  EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides ./. Orams, Slg. 2009, I-03571, Rn. 66; EuGH, Urteil v. 13.10.2011, Rs. C. 139/10, Prism Investments ./. Jaap Anne van der Meer, Slg. 2011, I-09511, Rn. 38. 250  Geimer, IZPR, Rn. 2779. 251 Vgl. D’Alessandro, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 14.1. 252 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2779, 3100 ff.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 33, Rn. 2; Linke/Hau, IZVR, Rn. 14.43; Nagel/Gottwald, IZPR, § 15, Rn. 1; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Intro Ch. IV, Rn. 1. 253  Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 14. 254  Schack, in: FS Schilken, 2015, S. 445, 454. 255  EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, Rn. 34. 256  So auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 36, Rn. 4, 8; Stadler, in: Musielak/Voit, EuGVVO, Art. 36, Rn. 2; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 11. 257  D’Alessandro, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6; Dörner, in:



§ 6  Grenzüberschreitende Wirkung der Beweiskraft

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Im Sinne eines einheitlichen EU-Rechts lässt sich der Grundgedanke der uneingeschränkten Wirkungserstreckung, der implizit eine Absage einer Gleichstellung oder Kumulation bedeutet, auch auf die grenzüberschreitende Beweiskraftwirkung von Urkunden übertragen. Auch diese Überlegung spricht somit gegen eine Doppelbegrenzung bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Ferner spricht auch der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO – entgegen den Befürwortern einer Doppelbegrenzung –258 gegen eine Doppelbegrenzung nach dem Recht des Ursprungs- und Zielstaates. Denn der Wortlaut „die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ formuliert ausdrücklich zwei Alternativen („oder“). Dies steht einer kumulativen Anwendung beider Alternativen entgegen. Die beiden Alternativen schließen sich vielmehr in ihrer konkreten Anwendung gegenseitig aus. Die ausländische öffentliche Urkunde soll durch die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO entweder „die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat“ im Annahmestaat entfalten können „oder“ – d. h. in einem anderen Falle – „die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“. Zudem bezieht sich die vergleichbare Wirkung bei letzterer Alternative auf die Beweiskraft der Urkunde nach dem Recht ihres Ursprungsstaates, nicht der des annehmenden Zielstaates.259 Denn durch das „damit“ bezieht sich der Verordnungstext auf die voranstehende Möglichkeit. Die „vergleichbare Wirkung“ soll „damit“, d. h. mit der formellen Beweiskraft „wie im Ursprungsmitgliedstaat“ vergleichbar sein. Dies wird auch in anderen Sprachfassungen deutlich. So lautet die französische Fassung „l’État membre d’origine ou y produisent les effets les plus comparables“. Auch hier verweist die zweite Alternative „les effets les plus comparables“ hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs auf die erste Alternative, d. h. „l’État membre d’origine“, somit die Wirkungen im Ursprungsmitgliedstaat der Urkunde. Besonders deutlich wird dies in EG 61 S. 2 EuErbVO: „Die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung sollte durch die Bezugnahme auf Art und Umfang der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat bestimmt werden“.260 DemNK-Hk/ZPO, EuGVVO, Art. 36, Rn. 3; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 33, Rn. 1, 12; Gottwald, in: MüKo4/ZPO, EuGVVO a. F., Art. 33, Rn. 3; Köhler, in: NK/ Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 39, Rn. 2; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Vor Art. 33, Rn. 9; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. I, EuGVVO, Art. 36, Rn. 3 f.; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.6 f.; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 8; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 22; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 9; Stadler, in: Musielak/Voit, EuGVVO, Art. 36, Rn. 2; Thole, in: Hess, Anerkennung, S. 25, 51. Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 11. 258  Siehe hierzu oben unter § 6 III., S. 144. 259  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 33; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40. 260  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40.

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Teil 2: Methode der Annahme

nach soll die formelle Beweiskraft prinzipiell sowohl im Falle von Art. 59 Abs. 1 Alt. 1 als auch bei Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO nach dem Recht des Ursprungsstaates der Urkunde bestimmt werden. Die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO möchte der Urkunde also eine Beweiskraft zukommen lassen, die derjenigen im Ursprungsmitgliedstaat möglichst vergleichbar bzw. ähnlich ist, nicht hingegen die Beweiskraft, die die Urkunde als inländische im Annahmestaat hätte.261 Folglich entfaltet eine ausländische öffentliche Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO im Annahmestaat schwächere Beweiskraftwirkungen als eine entsprechende Urkunde des Annahmestaates, wenn ihr nach ihrem Ursprungsrecht lediglich diese schwächeren Wirkungen zukommen.262 Denn einer Urkunde kann nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO maximal die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat zukommen.263 Wenn die ursprünglichen Beweiskraftwirkungen der Urkunde nach ihrem Ursprungsrecht stärker bzw. weitreichender sind als die Wirkungen inländischer Urkunden, sind diese grundsätzlich im Annahmestaat ebenfalls gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hinzunehmen.264 Dann ist der ausländischen öffentlichen Urkunde die zur formellen Beweiskraft wie im Ursprungsstaat „am ehesten vergleichbare Wirkung“ zu verleihen. In letzterem Fall soll die Formulierung „oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ dem Annahmestaat ermöglichen, diese weitreichenderen Wirkungen, die ihm vielleicht zwar bekannt, aber stärker sind als die Wirkungen, die er seinen eigenen öffentlichen Urkunden beimisst, oder die ihm eventuell vollkommen unbekannt sind, trotzdem grenzüberschreitend zur Geltung kommen zu lassen. Die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO stellt somit keine Doppelbegrenzung, sondern eine Anpassungsregel dar.265

261  Vgl. i. E. Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 33; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40. 262  Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 429; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 53; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 742 f.; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18. Wohl auch Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 356. 263  Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 429; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 53. 264  Fitchen, JPIL 8 (2012), S.  323, 356; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 32. Wohl auch Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26. 265  Vgl. zum Ganzen Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40, 42. Zur Anpassung sogleich ausführlich unter § 7 I., S. 155 ff.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 155

§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung Die verfahrensrechtliche Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sieht zwei einschränkende Korrekturmöglichkeiten der grenzüberschreitenden Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft vor: Die Vorschrift enthält eine Anpassungsregelung (I.) sowie einen ordre public-Vorbehalt als Grenze der Annahme (II.).

I. Anpassung Wenn die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nach ihrem Ursprungsrecht im Annahmestaat vollkommen unbekannt oder zwar bekannt, jedoch deutlich weitreichender ist, ermöglicht Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO eine Anpassung vorzunehmen.266 Die zweite Alternative „oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dient der Anpassung fremder Beweiskraftwirkungen in einem inländischen Verfahren.267 Die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist allerdings im Verhältnis zur ersten Alternative als subsidiär anzusehen.268 Nach Art. 59 Abs. 1 Alt. 1 EuErbVO kommt einer ausländischen öffentlichen Urkunde im Inland „die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat“ zu. Wenn die Beweiskraftwirkungen der ausländischen öffentlichen Urkunde dem Annahmestaat prinzipiell bekannt sind, ist ein Rückgriff auf die „am ehesten vergleichbare Wirkung“ nicht zulässig. Denn der Grundsatz der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist die Wirkungserstreckung der ursprünglichen formellen Beweiskraftwirkungen einer öffentlichen Urkunde.269 So unterstreicht EG 61 S. 3 EuErbVO, dass die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem 266  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art.  59, Rn. 42. Wohl auch Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 33 („sollte sich das fremde Beweisrecht nicht ‚eins zu eins‘ umsetzen lassen“). Ausdrücklich eine Anpassung für unbekannte Wirkungen annehmend Dutta, IPRax 2015, 32, 38; Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22. 267  Bauer, in: GS Unberath, S. 19, 33; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41; Dutta, IPRax 2015, 32, 38; Herzog, ErbR 2013, 2, 12; Hess/Mariottini/Camara, Regulation (EC) n. 650/2012 of July 2012, S. 21; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42; Münch, in: Lipp/ Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 57 f.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22; wohl auch Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 732; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 154. Zur entgegengesetzten Ansicht, die hierin eine sog. Doppelbegrenzung sieht s. o. unter § 6 III., S. 144 ff. 268 Vgl. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24. Wohl auch Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 27. 269  Zur Wirkungserstreckung unter § 6 I., S. 136 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

anderen Mitgliedstaat sich nach dem Recht des Ursprungsstaates der Urkunde richtet. Dies entspricht der grundsätzlichen Zurückhaltung, die gegenüber dem Rechtsinstitut der Anpassung geboten ist, die stets nach dem Grundsatz des geringsten Eingriffs270 in das geltende Recht zu erfolgen hat. Die Methodik der Anpassung dient generell der Auflösung von Normenwidersprüchen.271 Solche können entstehen, wenn an sich verbundene Rechtsfragen kollisionsrechtlich unter verschiedene Anknüpfungsgegenstände subsumiert werden und folglich unterschiedlichen Rechtsordnungen unterworfen werden. Im internationalen Zivilprozessrecht können Friktionen zwischen verschiedenen Rechtsordnungen entstehen, weil die verschiedenen Justizverfahren und -behörden nicht aufeinander abgestimmt sind.272 Auch diese Reibungen im Rechtsverkehr zwischen verschiedenen Staaten sind im Wege der Anpassung zu lösen – Basedow bezeichnet diese Anpassung als „kooperative Anpassung“ als Pendant zur „systembezogenen“ Anpassung, die sich aus der analytischen Methode des IPR ergibt.273 Die Anwendung mehrerer Rechtsordnungen hinsichtlich zusammenhängender Rechtsfragen kann zu Normenwidersprüchen führen, wobei versucht wird, diese in drei Arten einzuteilen: Normenmangel, Normenhäufung oder qualitativer Normendiskrepanz.274 Eine klare Systematisierung, insbesondere hinsichtlich der daraus zu schließenden Rechtsfolgen, hat sich jedoch nicht herausgebildet, sodass es keine „festen Regeln“ zur Lösung der Anpassungsprobleme gibt.275 Im Einzelfall wird im Wege der Anpassung entweder das Kollisionsrecht oder das Sachrecht modifiziert,276 um ein – auf einer Wertentscheidung beruhendes –277 „vernünftiges Ganzes“278 zu bilden. Vorliegend beschreibt die als qualitative Normendiskrepanz bezeichnete Lösungsmöglichkeit am besten die fragliche Situation. Hierunter wird der 270 

Siehe hierzu Kegel/Schurig, IPR, S. 362; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 780 f. Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131, 151; von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 243; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 31; Kegel/Schurig, IPR, S. 358; Kropholler, in: FS Ferid, 1978, S. 279, 279; Kropholler, IPR, S. 234; Looschelders, in: Staudinger (Einl. IPR), 2019, Rn. 1239; Looschelders, in: FS von Hoffmann, 2011, S. 266, 267; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 780. 272  Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131, 155 f. 273  Basedow, in: Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131, 151 ff. 274 Vgl. von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 709, Rn. 252; von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 248–250; Kropholler, IPR, S. 236 f.; Kropholler, in: FS Ferid, 1978, S. 279, 280, 282 ff.; vgl. ferner Looschelders, in: Staudinger (Einl. IPR), 2019, Rn. 1240, 1243. 275  Kropholler, in: FS Ferid, 1978, S. 279, 282; Kropholler, IPR, S. 237; Looschelders, in: Staudinger (Einl. IPR), 2019, Rn. 1233. Vgl. hierzu auch von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 251 ff.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 35. 276  Von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 254; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 35; Kegel/Schurig, IPR, S. 361; Kropholler, IPR, S. 237; Kropholler, in: FS Ferid, 1978, S. 279, 282; Looschelders, in: Staudinger (Einl. IPR), 2019, Rn. 1247; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 780; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 236 f. 277  Kropholler, IPR, S. 238. 278  F. Sturm/G. Sturm, in: Staudinger (Einl. IPR), 2012, Rn. 251. 271 



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 157

Fall gefasst, dass eine Rechtsfigur einer fremden Rechtsordnung, die in das inländische Recht einwirken soll, in letzterer aber keine Entsprechung findet und deshalb die Anwendung des materiellen Sachrechts korrigiert bzw. angepasst werden muss.279 Im Fall des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO soll die Rechtsfigur der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat angenommen werden, d. h. in dieser Rechtsordnung einwirken. Wenn in letzterer die ausländische Beweiskraftwirkung nicht bekannt ist, kann folglich eine Korrektur des materiellen Sachrechts als Anpassung erforderlich sein. Da Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm ist,280 erfolgt die Anpassung im (nationalen) Verfahrensrecht des Annahmestaates. Es muss dann im Annahmestaat die funktional vergleichbare bzw. äquivalente Wirkung zur Ursprungswirkung hergestellt werden.281 Dass die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Anpassungsregel – und keine Doppelbegrenzung –282 normiert, wird bereits durch die Genese der Vorschrift deutlich. So wird in einem Vermerk des Rates über „Öffentliche Urkunden in Erbsachen“ durch den Vorsitz explizit vorgeschlagen, „der öffentlichen Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat dieselbe Wirkung zu verleihen wie die, die sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie erstellt wurde, hat, oder eine möglichst vergleichbare Wirkung, wenn die im Ursprungsmitgliedstaat bestehende Wirkung in dem anderen Mitgliedstaat unbekannt ist (eine Art ‚Anpassung‘)“.283 Dem Verordnungsgeber war das Erfordernis einer Anpassungsmöglichkeit aufgrund der Vielfalt der mitgliedstaatlichen Verfahrensrechtsordnungen, einschließlich des Beweisrechts, somit bewusst. Des Weiteren entspricht es dem Telos der Norm, die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden zu fördern (EG 22 S. 1 EuErbVO), eine Annahme der formellen Beweiskraft einer Urkunde auch dann zu ermöglichen, wenn die konkreten Beweiskraftwirkungen dem Annahmestaat unbekannt sind. Nach dem unionsrechtlichen Postulat des effet utile ist eine Norm derart auszulegen, dass die praktische Wirksamkeit und die größtmögliche Durchsetzung der Norm erreicht wird.284 Durch die Möglichkeit einer Anpassung wird eine größtmögliche 279 Vgl. Kropholler, IPR, S. 237, 240; Looschelders, Die Anpassung im IPR, S. 13; F. Sturm/G. Sturm, in: Staudinger (Einl. IPR), 2012, Rn. 254. Ferner von Hein, in: MüKo/ BGB, Einl. IPR, Rn. 269. 280  S. o. unter § 5 II. 1., S. 113 ff. 281  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 395. 282  Hierzu bereits oben unter § 6 III., S. 144 ff. 283 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 12, Rn. 19. Hierauf verweisend Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42, Fn. 115; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22, Fn. 60. 284  S. o. unter § 1 III., S. 11 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

Wirkung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erzielt. Bei Diskrepanzen zwischen dem Recht des Ursprungsstaates einer öffentlichen Urkunde und dem Verfahrensrecht des Annahmestaates, kann letzteres somit angepasst werden. Die Annahme der formellen Beweiskraft gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO kann durchgesetzt werden ohne über das „Notventil“285 des ordre public-Vorbehalts zu einer Einschränkung der Annahme zu gelangen.286 Ebenfalls für eine Anpassungsregel spricht der Wortlaut der Formulierung selbst. Wie bereits oben erörtert,287 verweist die zweite Alternative „oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung“ zum Vergleich auf die formellen Beweiskraftwirkungen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde und nicht auf das Recht des Annahmestaates. Demnach soll die ursprüngliche Beweiskraftwirkung als Maßstab herangezogen werden, um dieser eine „am ehesten vergleichbare“ Wirkung im annehmenden Inland herstellen zu können. Das Verfahrensrecht des Annahmestaates wird dementsprechend angepasst, um der öffentlichen Urkunde die ihrem Ursprungsrecht „am ehesten vergleichbare“ Beweiskraftwirkung gewähren zu können. Diese Methodik entspricht derjenigen der materiellrechtlichen Lösung der Anpassung, wonach das Sachrecht modifiziert angewandt wird.288 Das materielle Recht wird dann eingeschränkt, ergänzt oder umgebildet,289 um dem fremden Rechtsinstitut innerhalb der lex fori Geltung zu verschaffen. Dabei soll das fremde Rechtsinstitut als solches hingenommen werden und allein in seinen Wirkungen einem funktionsäquivalenten inländischen Rechtstyp zugeordnet werden.290 Die herzustellenden funktionsäquivalenten Wirkungen können nur dadurch erzeugt werden, indem das ursprüngliche Rechtsinstitut als Vergleichsmaßstab herangezogen wird. Die französische Sprachfassung der zweiten Alternative „ou y produisent les effets les plus comparables“ verdeutlicht ebenfalls die vom Wortlaut gewollte Methodik der Anpassung. Die öffentliche Urkunde als solche soll grundsätzlich angenommen werden. Wenn ihr im Annahmestaat nicht die gleichen Wirkungen zukommen können (Alt. 1), soll sie vergleichbare Wirkungen produzieren (produire) können (Alt. 2). Die französische Formulierung „produisent“ ver285  Kropholler, IPR, 286 Vgl. Mansel, in:

S. 246. Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42; i. E. auch Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41; Bauer, in: GS Unberath, 2015, 19, 33. 287  S. o. unter § 6 I., S. 136. 288 Siehe hierzu von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 712, Rn. 256; Kegel/Schurig, IPR, S. 361; Kropholler, IPR, S. 237; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 237 f. 289  Kropholler, IPR, S. 237. 290  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 31, Rn. 3 zur Hinnahmetheorie in Bezug auf Art. 31 EuErbVO, dessen Gedanke auf Art. 59 Abs. 1 EuErbVO übertragbar ist, vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42 und sogleich S. 159 ff. Ferner zur Hinnahmetheorie von Hoffmann/Thorn, IPR, § 12, Rn. 31; Mansel, in: Staudinger (Int. Sachenrecht), EGBGB, Art. 43, Rn. 246.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 159

anschaulicht die Ergebnisorientiertheit der Alternative, die ebenfalls der Anpassungstechnik entspricht.291 Innerhalb der EuErbVO ist die Anpassung ebenfalls in Art. 31 EuErbVO geregelt.292 Demgemäß ist ein nach dem Erbstatut bestehendes dingliches Recht in einem Mitgliedstaat, dessen Rechtsordnung dieses dingliche Recht nicht kennt, an das in der fraglichen Rechtsordnung, in der das dingliche Recht geltend gemacht wird, am ehesten vergleichbare Recht anzupassen. Die Situation des Art. 31 EuErbVO kann mit der vorliegenden verglichen werden.293 Wenn das Verfahrensrecht des Annahmestaates die formelle Beweiskraft der fraglichen Urkunde nicht kennt, muss eine vergleichbare Wirkung hergestellt werden, ohne die Verfahrensvorschriften des Annahmestaates zu beeinträchtigen.294 Maßgebend bleibt auch im Rahmen der zweiten Alternative das Ursprungsrecht der öffentlichen Urkunde; die ursprünglichen Beweiskraftwirkungen werden an ein funktional vergleichbares Rechtsinstitut der Annahmerechtsordnung angepasst.295 Die Anpassungsvorschrift des Art. 31 EuErbVO unterstreicht weiter, dass dabei „die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen zu berücksichtigen sind“.296 Die Anpassung gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO orientiert sich an derjenigen nach Art. 31 EuErbVO. Dies ergibt sich zunächst aus der parallelen Formulierung „am ehesten vergleichbare“ Recht bzw. Wirkung. Rechtsaktübergreifend findet sich diese Formulierung ebenfalls in Art. 29 EuGüVO und Art. 29 EuPartVO, die gleichermaßen die Anpassung dinglicher Rechte anordnen.297 Zudem betont EG 17 EuErbVO, „die in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehene Anpassung unbekannter dinglicher Rechte sollte andere Formen der Anpassung im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Verordnung nicht ausschließen“.298 Der Verordnungsgeber war sich demnach bewusst, dass auch „andere Formen der Anpassung“ bei der Anwendung der EuErbVO notwendig werden würden. Der Umstand, dass die Anpassung dinglicher Rechte ausdrücklich in einem eigenen Artikel geregelt wird, soll demnach keinesfalls die Anpassung in anderen Fällen ausschließen. Der in Art. 31 EuErbVO normierten An291  Vgl. zur Ergebnisorientiertheit der Anpassung von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 708, Rn. 250; F. Sturm/G. Sturm, in: Staudinger (Einl. IPR), 2012, Rn. 257. 292  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42. 293  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42. 294  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42. 295  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22. 296 Hierzu Mansel, in: Staudinger (Int. Sachenrecht), EGBGB, Art. 43, Rn. 986. 297 Vgl. Mansel, in: Staudinger (Int. Sachenrecht), EGBGB, Art. 43, Rn. 245.1. 298  Von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 251; Looschelders, in: Staudinger (Einl. IPR), 2019, Rn. 1233; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 31, Rn. 32; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 84.

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Teil 2: Methode der Annahme

passungsregelung kann dabei ein „Modellcharakter“299 für das Instrument der Anpassung im unionsrechtlichen Kollisionsrecht zugestanden werden.300 Eine solche andere Form der Anpassung im Zusammenhang mit der Anwendung der EuErbVO wird durch Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO normiert. Ähnlich ordnet Art. 54 Abs. 1 EuGVVO eine Anpassung für Gerichtsentscheidungen an:301 „Enthält eine Entscheidung eine Maßnahme oder Anordnung, die im Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht bekannt ist, so ist diese Maßnahme oder Anordnung soweit möglich an eine im Recht dieses Mitgliedstaats bekannte Maßnahme oder Anordnung anzupassen, mit der vergleichbare Wirkungen verbunden sind und die ähnliche Ziele und Interessen verfolgt“. Diese vorgeschriebene Vorgehensweise ist ebenfalls auf die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO übertragbar. Gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO hat eine öffentliche Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat in dem annehmenden Mitgliedstaat die mit der ursprünglichen formellen Beweiskraft „am ehesten vergleichbare Wirkung“. Diese „am ehesten vergleichbare Wirkung“ ist derart herzustellen, dass dabei die mit der ursprünglichen formellen Beweiskraft verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihr verbundenen Wirkungen im Ursprungsmitgliedstaat zu berücksichtigen sind. Nach Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO hat eine Annahmestelle somit im Rahmen ihrer lex fori der ausländischen öffentlichen Urkunde die nach ihrem Ursprungsrecht „am ehesten vergleichbare Wirkung“ zu gewähren. Wichtig ist dabei, dass das Ursprungsrecht der öffentlichen Urkunde maßgebend bleibt. Das Verfahrensrecht des Annahmestaates ist derart anzupassen, dass der ausländischen öffentlichen Urkunde eine funktional möglichst vergleichbare formelle Beweiskraft zukommt. Zur Determinierung der vergleichbaren Wirkung i. S. d. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO werden die mit der ursprünglichen formellen Beweiskraft verfolgten Ziele und Interessen und die damit im ursprünglichen Verfahrensrecht verbundenen Wirkungen zu berücksichtigen sein (vgl. Art. 31 EuErbVO). Sinn und Zweck der Annahme ist die grenzüberschreitende Erstreckung der formellen Beweiskraftwirkung einer öffentlichen Urkunde. Daher muss eine Art minimale formelle Beweiskraft der ausländischen Urkunde angenommen werden,302 unabhängig davon, ob inländischen öffentlichen Urkunden eine solche zugeschrieben wird. Laut Damascelli soll derart einer notariellen Urkunde in einem Mitgliedstaat, der solche nicht kennt, zumindest die Beweis299 

Mansel, in: Staudinger (Int. Sachenrecht), EGBGB, Art. 43, Rn. 985. Mansel, in: Staudinger (Int. Sachenrecht), EGBGB, Art. 43, Rn. 985; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 1, Rn. 84. 301  Hierauf verweisend von Hein, in: MüKo/BGB, Einl. IPR, Rn. 251. 302  Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 428; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 52; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23. 300 Vgl.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 161

wirkung zukommen, die einem dortigen privatschriftlichen gerichtlich anerkannten Schriftstück entsprechen würde.303 Dies erscheint jedoch mit Blick auf die von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angeordnete Wirkungserstreckung – und nicht Gleichstellung – nicht ausreichend. Vielmehr verpflichtet Art. 59 Abs. 1 EuErbVO den anerkennenden Staat sich an den Wirkungen nach dem Ursprungsrecht der Urkunde zu orientieren und ihr auf diese Weise die „am ehesten vergleichbaren Wirkungen“ zu verleihen. Die Annahmestelle muss ihr eigenes Verfahrensrecht der ausländischen formellen Beweiskraft anpassen, indem sie der öffentlichen Urkunde im Verhältnis zu ihrem Ursprungsrecht eine funktional äquivalente Wirkung verleiht. Soll eine notarielle Urkunde in einem Mitgliedstaat angenommen werden, der solche Urkunden nicht kennt, so muss die fragliche Annahmestelle die mit der ursprünglichen formellen Beweiskraft verfolgten Ziele und Interessen beachten und demgemäß Art und Umfang der zu erstreckenden Beweiswirkung der Urkunde hieran orientieren. Handelt es sich beispielsweise um eine deutsche notarielle Urkunde, so erscheint es möglich, dass eine finnische Annahmestelle gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO den Umfang der Beweiskraft der Urkunde entsprechend §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO auf alle in der Urkunde bezeugten Tatsachen annimmt und in einem Verfahren als vollständig bewiesen ansieht.304 Genauso erscheint es möglich, dass der finnische Richter einen vorgelegten Beweis des Gegenteils nach § 415 Abs. 2 bzw. § 418 Abs. 2 ZPO im Wege einer Anpassung gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO mit einem Höchstmaß an Sorgfalt kritisch würdigt. Unterschiedlich wird in der Literatur die Frage der Behandlung einer nach ihrem Ursprungsrecht unwiderlegbaren öffentlichen Urkunde beurteilt. Zum Teil wird hierin ein Fall des ordre public gesehen.305 Nach hier vertretener Ansicht sollen solche Urkunden über Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO angepasst angenommen werden.306 Es ist jedoch hierzu anzumerken, dass diese Frage (derzeit) eher theoretischer Natur ist, da es in keinem mitgliedstaatlichen Recht 303  Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 428; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 52. 304  Siehe zur formellen Beweiskraft gem. §§ 415, 418 ZPO: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 26, Rn. 1, 6 ff., 31 ff.; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 28 ff., § 418, 18 f.; Geimer, in: Zöller/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 5, § 418, Rn. 3; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 10, § 418, Rn. 3; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 26 f., § 418, Rn. 7. 305  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Pintens, in: Löhnig/Schwab/Henrich u. a., Erbfälle unter der EuErbVO, S. 1, 31. Zurückhaltender: Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 80; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.2. Offen: Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 30, Fn. 76. 306  Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 308; Volgger, in: Deixler-Hübner/ Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19 (zum österreichischen Recht); wohl ähnlich Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 54.

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Teil 2: Methode der Annahme

solche unwiderlegbaren Urkunden gibt.307 Diskutiert wird der Fall einer ausländischen öffentlichen Urkunde, die nach ihrem Ursprungsrecht eine unwiderlegbare formelle Beweiskraft entfaltet und zum Beispiel in Deutschland nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angenommen werden. Dann würde die Annahme dieser unwiderlegbaren formellen Beweiskraft gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine deutlich weitreichendere Wirkung bedeuten als inländischen deutschen Urkunden zukommt. Denn gem. § 415 Abs. 2 und § 418 Abs. 2 ZPO ist der Beweis der unrichtigen Beurkundung bei deutschen öffentlichen Urkunden zulässig. Eine deutsche Annahmestelle hätte gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO die Möglichkeit, der ausländischen öffentlichen Urkunde die „am ehesten vergleichbare Wirkung“ statt gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 1 EuErbVO die „gleiche“ Wirkung wie in ihrem Ursprungsmitgliedstaat zukommen zu lassen. Die Annahmestelle müsste dafür die ursprüngliche formelle Beweiskraft der Urkunde determinieren, insbesondere die damit verbundenen Ziele und Interessen sowie damit zusammenhängende Wirkungen innerhalb des ursprünglichen Verfahrensrechts. Anschließend könnte die Annahme i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO der fraglichen formellen Beweiskraft durch Anpassung des deutschen Verfahrensrechts, vorliegend des § 415 Abs. 2 bzw. § 418 Abs. 2 ZPO, erfolgen. Dergestalt wären die Anforderungen an den Beweis einer unrichtigen Beurkundung wohl auf das höchstmögliche Maß heraufzustellen.308 Das Beweismaß der §§ 415 Abs. 2 und 418 Abs. 2 ZPO entspricht als Beweis des Gegenteils bereits demjenigen des Hauptbeweises.309 Es ist daher die volle Überzeugung des Gerichts erforderlich, dass der Beurkundungsvorgang nicht wahr ist.310 Es ist der Vollbeweis zu erbringen, sodass es nicht ausreicht, die richterliche Überzeugung bloß zweifelhaft zu machen.311 Den Grad des Beweismaßes im Wege der Anpassung bei einer ausländischen Urkunde heraufzustellen, erscheint daher nicht möglich. Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Entkräftung der Beweiswirkung der Urkunde kann jedoch im konkreten Fall sehr streng gehandhabt werden, um dem Gebot der „am ehesten vergleichbaren Wirkung“ einer nach ihrem Ursprungsrecht unwiderlegbaren öffentlichen Urkunde zu entsprechen. Derart kann die „inhaltliche Auseinandersetzung mit den zum Gegenbeweis angebotenen Beweismitteln und der von ihnen ausgehenden Überzeugungskraft“312 im Rahmen der Beweiswürdigung 307  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32 f. Siehe hierzu ausführlich unter § 9, S. 189. 308 Vgl. Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 308. So auch zum österreichischen Recht Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19. 309  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 26, Rn. 18, 35; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 12, § 418, Rn. 5; Schreibeler, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 30, § 418, Rn. 8. 310  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 26, Rn. 18 f. 311  Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 12, § 418, Rn. 5. 312  BGH, Beschluss v. 5.10.2000 – X ZB 13/00, NJW-RR 2001, 571 (zu § 418 Abs. 2 ZPO).



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 163

besonders rigoros ausgeübt werden. Dabei hängt die konkret anzuwendende Strenge im Einzelfall von der Ausgestaltung des fraglichen ausländischen Verfahrensrechts ab – namentlich von den verfolgten Zielen und Interessen der formellen Beweiskraft nach ihrem Ursprungsrecht. Auf diese Weise kann einer öffentlichen Urkunde, die nach ihrem Ursprungsrecht unwiderleglich ist, in Deutschland eine möglichst funktional äquivalente Wirkung i. S. d. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO zugestanden werden. Die fragliche Urkunde kann im Wege der Anpassung somit gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO angenommen werden. Laut Dutta ist in einem solchen Fall ein Verstoß gegen den deutschen ordre public anzunehmen,313 sodass die Annahme zu verweigern sei. Denn der Richter dürfe nicht gezwungen werden „sehenden Auges eine Entscheidung auf falscher Tatsachengrundlage zu treffen“.314 Die Befürchtung Duttas ist jedoch nicht gerechtfertigt. Da die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, wie soeben dargelegt, die Anpassung des deutschen Verfahrensrechts ermöglicht, wird der deutsche Richter nicht zu einer Entscheidungsfällung auf Grundlage falscher Tatsachen gezwungen. Vielmehr ist bei Vorliegen einer nach ihrem Ursprungsrecht unwiderlegbaren öffentlichen Urkunde, dieser in Deutschland die „am ehesten vergleichbare Wirkung“ zu verleihen. Wie oben erläutert wird der Richter im konkreten Fall die Beweiswürdigung mit einem Höchstmaß an Sorgfalt und Strenge durchzuführen haben, um der ursprünglichen Unwiderlegbarkeit eine funktional möglichst äquivalente Wirkung zukommen zu lassen. Auf diese Weise wird über die Anpassung ein möglicher Verstoß gegen den ordre public bereits vermieden.315 Dies entspricht dogmatisch der vorrangingen Anwendung des Rechtsinstituts der Anpassung,316 um den Charakter des ordre public als absolute Ausnahmeregelung beizubehalten. Zudem entspricht die Annahme auch unwiderlegbarer Urkunden im Wege einer Anpassung gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO dem Telos des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, die ursprüngliche formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde möglichst auf den Annahmestaat zu erstrecken. Wenn die „gleiche formelle Beweiskraft“ (Alt. 1) nicht erstreckbar ist, soll der öffentlichen Urkunde die „am ehesten vergleichbare Wirkung“ (Alt. 2) im Annahmestaat verliehen 313  Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in; MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn 67; zustimmend Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Pintens, in: Löhnig/Schwab/Henrich u. a., Erbfälle unter der EuErbVO, S. 1, 31. 314  Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in; MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn 67. 315  Zu dieser Möglichkeit allgemein Looschelders, Die Anpassung im IPR, S. 127. 316 Hierzu Kropholler, in: FS Ferid, 1978, S. 279, 288; Looschelders, Die Anpassung im IPR, S. 127; Sonnenberger, in: MüKo5/BGB, Einl. IPR, Rn. 446; so auch in Bezug auf Art. 6 EGBGB von Hein, in: MüKo/BGB, EGBGB, Art. 6, Rn. 88.

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Teil 2: Methode der Annahme

werden. Auf diese Weise wird auch der Sinn und Zweck der Annahme so weit wie möglich durchgesetzt, sodass die praktische Wirksamkeit der Vorschrift i. S. d. effet utile-Grundsatzes erwirkt wird. Ferner erscheint eine Lösung über die Anpassung vorteilhafter, da durch die normative Regelung der Anpassung innerhalb der EuErbVO (Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 sowie Art. 31 EuErbVO) eine methodische Herangehensweise, wie soeben dargelegt,317 vorgegeben wird. Mit Blick auf eine europaweit einheitliche Anwendung der EuErbVO, scheint dieser Weg gegenüber dem ungeregelten ordre public, der insbesondere bei seiner Anwendung im Einzelfall hinsichtlich der Folgen innerhalb Europas uneinheitlich gehandhabt wird,318 erfolgversprechender. Entscheidend gegen die Annahme eines ordre public-Verstoßes bei unwiderlegbaren öffentlichen Urkunden spricht darüber hinaus, dass ein solches Rechtsinstitut der deutschen Rechtsordnung nicht völlig fremd ist und somit nicht mit der deutschen öffentlichen Ordnung vollkommen unvereinbar erscheint. Dutta verweist selbst auf die nach deutschem Recht unwiderleglichen Urkunden nach § 165 ZPO oder § 80 ZVG.319 Auch normiert § 417 ZPO die unwiderlegbare formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen.320 Da der deutschen Rechtsordnung durchaus unwiderlegbare öffentliche Urkunden bekannt sind, sprich ein derart ausgestaltetes Rechtsinstitut dem deutschen Recht nicht völlig fremd ist, kann hierin kein untragbarer Widerspruch zur deutschen öffentlichen Ordnung gesehen werden. Der ordre public-Einwand stellt eine Ausnahmeregelung dar, die nur bei offensichtlichen Widersprüchen angenommen werden kann,321 wie auch der EuGH in seiner ständigen Rechtsprechung unterstreicht.322 Dabei wendet sich die Abwehrklausel gegen das konkrete Ergebnis der Rechtsanwendung im Ein317  318 

S. o. unter § 7 I., S. 159 ff. Von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 729, Rn. 284; Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, S. 1, 45 f.; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 474 ff. Siehe hierzu noch unter § 7 II., S. 175. 319  Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in; MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn 67; hierauf kritisch hinweisend J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.2. 320  Vgl. hierzu Geimer, in: Zöller/ZPO, ZPO, § 417, Rn. 2; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 417, Rn. 2; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 417, Rn. 7. 321  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24. Ferner zur ordre public-Klausel des Art. 35 EuErbVO J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 35, Rn. 4. 322  Vgl. zu Art. 27 EuGVÜ: EuGH, Urteil v. 4.2.1988, Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, I-00645, Rn. 21; EuGH, Urteil v. 10.10.1996, Rs. C-78/95, Hendrikman und Feyen ./. Magenta Druck & Verlag, Slg. 1996, I-04943, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-01935; Rn. 21; zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a. F.: EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides, Slg. 2009, I-03571, Rn. 55; EuGH, Urteil v. 6.9.2012, Rs. C-619/10, Trade Agency, Rn. 48; EuGH, Urteil v. 23.10.2014, Rs. C-302/13, flyLAL-­Lithuanian Airlines, Rn. 46.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 165

zelfall, nicht gegen die ausländischen Rechtsvorschriften als solche.323 Auf die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO übertragen bedeutet dies, dass die Folgen der Annahme der fraglichen formellen Beweiskraft im Einzelfall konkret für die inländische Wertordnung untragbar sein müssen, um einen ordre public-Verstoß zu bejahen.324 Würde bei Vorliegen einer unwiderlegbaren Urkunde stets der ordre public-Einwand eingreifen sollen, würde dies im Ergebnis zu einer Wirkungsgleichstellung mit dem Recht des Annahmestaates führen, die jedoch von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO explizit nicht gewollt ist. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ordnet vielmehr eine Wirkungserstreckung der ursprünglichen formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde auf den Annahmemitgliedstaat an.325 Demnach ist bei einer unwiderlegbaren öffentlichen Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat der pauschalen Bejahung des ordre public-Vorbehalts, wie zum Teil vertreten,326 zu widersprechen. Vielmehr sind diese Fälle, wie soeben dargelegt, über eine Anpassung gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO zu lösen. Schließlich ist grundsätzlich gem. Art. 59 Abs. 1 Alt. 1 EuErbVO das Urspungsrecht zur Bestimmung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde maßgebend (vgl. EG 61 S. 2 EuErbVO). Wenn die Beweiskraftwirkung jedoch im Annahmestaat vollkommen unbekannt oder deutlich weitreichender ist, erlaubt Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO eine Anpassung dieser ursprünglichen Wirkung an ein funktional äquivalentes Rechtsinstitut des Verfahrensrechts des Annahmestaates.327 Derart ermöglicht Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Annahme im Wege der Anpassung auch bei fremden Beweiskraftwirkungen, die zwar nicht im offensichtlichen Widerspruch zum ordre public des Annahmestaates stehen, aber dennoch nicht „eins zu eins“ umgesetzt werden können.328

II.  Ordre public-Vorbehalt Die Annahme öffentlicher Urkunden aus einem anderen Mitgliedstaat muss laut Art. 59 Abs. 1 EuErbVO a. E. nur erfolgen „sofern dies der öffentlichen Ord323  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 35, Rn. 2; Bonomi, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 35, Rn. 5; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 35, Rn. 4; Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 35, Rn. 7; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 35, Rn. 10. 324 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23. Zum ordre public sogleich ausführlich unter § 7 II., S. 165 ff. 325  Siehe ausführlich unter § 6 I., S. 136 ff. und § 6 II., S. 141 ff. 326  Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in; MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn 67; zustimmend Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Pintens, in: Löhnig/Schwab/Henrich u. a., Erbfälle unter der EuErbVO, S. 1, 31. 327  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42. 328 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42. Ferner i. E. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41.

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Teil 2: Methode der Annahme

nung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaates nicht offensichtlich widersprechen würde“. Damit sieht Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ausdrücklich den im europäischen IPR und IZPR üblichen ordre public-Vorbehalt als Grenze der Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraftwirkung einer öffentlichen Urkunde vor.329 Entsprechend findet sich innerhalb der EuErbVO ein ordre public-Vorbehalt für die Anwendung ausländischen Rechts in Art. 35 EuErbVO sowie für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Art. 40 lit. a EuErbVO und ferner als Grenze der Vollstreckbarkeit in Art. 52 S. 1, 60 Abs. 3 und 61 Abs. 3 EuErbVO.330 Die Vorschrift des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ordnet an, dass kein Widerspruch zur öffentlichen Ordnung des betreffenden Mitgliedstaates durch die Annahme entstehen soll. Betroffener Mitgliedstaat („État membre concerné“, „Member State concerned“) ist dabei der mit der Annahme tangierte Mitgliedstaat, sprich der Annahmestaat.331 Maßgeblich ist hierbei der nationale ordre public des Annahmestaates.332 Bezugspunkt der ordre public-Grenze ist demnach die jeweils inländische öffentliche Ordnung.333 Allerdings ist diese inländische öffentliche Ordnung zugleich durch eine europäische Dimension des ordre public-Verständnisses inhaltlich begrenzt.334 Der ordre public-Vorbehalt enthält dergestalt einen doppelten Bezugsrahmen:335 In erster Linie stellt das inländische Recht des fraglichen Mitgliedstaates, vorwiegend die innerstaatlichen Verfassungsgarantien, eine innere Grenze dar. Diese wird durch einen europäischen ordre public als äußerer Rahmen umgrenzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu ordre public-Klauseln in europäischen Rechtsakten bestimmen die Mitgliedstaaten zwar selbst, welche inhaltlichen Anforderungen sich aus ihrer innerstaatlichen öffentlichen Ordnung ergeben; die Abgrenzung des Begriffs gehört jedoch zur europäisch-autonomen Auslegung.336 Folglich werden die Grenzen und Min329  Vgl. auch Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 28 f. 330 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 29. 331  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 72; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 28. 332  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23. 333  Mansel, in: Armağan Ansay, 2006, S. 185, 215; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24. 334  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; Martiny, in: FS Sonnenberger, 2004, S. 523, 532; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 462. 335  Hierzu und zum Folgenden Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 345 (zum parallelen ordre public-Einwand des Art. 34 Nr. EuGVVO a. F.). 336 EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-01935, Rn. 22 f.;



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 167

destanforderungen des ordre public-Einwands europäisch bestimmt und durch den EuGH auch kontrolliert.337 Dabei gewährleistet der europäische ordre public die Einhaltung der europäischen Grundwerte, wie sie insbesondere in der EMRK und in der EU-Grundrechtecharta festgehalten sind.338 Dies wird auch in EG 58 S. 2 EuErbVO unterstrichen, wonach die Annahme öffentlicher Urkunden nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung versagt werden darf, wenn dies gegen die EU-Grundrechtecharta und insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot in deren Art. 21 verstoßen würde. Bei der ordre public-Prüfung handelt es sich stets um eine im konkreten Einzelfall vorzunehmende Prüfung. Es werden dabei nicht abstrakt die ausländischen Vorschriften überprüft, sondern das konkrete Ergebnis ihrer Anwendung im fraglichen Fall.339 Nur wenn die Wirkungen der Annahme einer öffentlichen Urkunde nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in concreto, d. h. in dem fraglichen Einzelfall, dem ordre public des Annahmestaates widersprechen, kann der ordre public-Einwand greifen.340 Hierbei muss im Besonderen darauf achtgegeben werden, dass die konkreten Wirkungen der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO allein die formellen Beweiskraftwirkungen einer öffentlichen Urkunde betreffen.341 Denn als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm begrenzt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO durch den Anknüpfungsgegenstand der formellen Beweiskraft seinen sachlichen Anwendungsbereich hierauf. Das der ordre public-Prüfung zugrundzulegende Objekt

EuGH, Urteil v. 11.5.2000, Rs. C-38/98, Renault, Slg. 2000, I-02973, Rn. 27 f.; EuGH, Urteil v. 2.4.2009, Rs. C-394/07, Gambazzi, Slg. 2009, I-02563, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides, Slg. 2009, I-03571, Rn. 56 f. Vgl. ferner Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 72; zum insoweit vergleichbaren Art. 40 lit. a EuErbVO: Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 40, Rn. 6; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 40, Rn. 15; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 40, Rn. 7; allgemein Martiny, in: FS Sonnenberger, 2004, S. 523, 532 ff.; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 460 ff. 337 Vgl. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 72; Mansel, in: Armağan Ansay, 2006, S. 185, 215 f. 338  Kropholler, IPR, S. 252 f.; Mansel, in: Armağan Ansay, 2006, S. 185, 215 f.; Martiny, in: FS Sonnenberger, 2004, S. 523, 526, 538; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 461. 339  Ausdrücklich in Bezug auf Art. 59 Abs. 1 EuErbVO: Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23. Ferner allgemein von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 718, Rn. 265 f.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 150; Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public im IPR, S. 34; Kropholler, IPR, S. 245; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 770; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 465. 340  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23. 341  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; Münch, in: Lipp/ Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 53; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 37; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 30. Siehe hierzu bereits unter § 5 II. 1., S. 115 und noch ausführlich unter § 10, S. 198 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

kann demnach einzig die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat sein.342 Daraus folgt ferner, dass der nicht von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfasste materielle Inhalt der fraglichen öffentlichen Urkunde, d. h. das beurkundete Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis, im Rahmen einer ordre public-Kontrolle nicht zu prüfen ist.343 Denn die Wirkungen der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sind lediglich auf die Urkunde als instrumentum beschränkt und betreffen nicht das der Urkunde zugrundeliegende negotium.344 Bei der Frage, ob die öffentliche Ordnung des Annahmestaates der Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO widerspricht, spielt der materiellrechtliche Inhalt der öffentlichen Urkunde keine Rolle.345 Deshalb könnte beispielweise die Annahme einer französischen öffentlichen Urkunde nicht anhand des ordre public-Einwands mit der Begründung verweigert werden, dass der beurkundete acte de partage einem unehelichen Kind kein Erbe zuspricht.346 Die materiellrechtliche Wirksamkeit des in der öffentlichen Urkunde enthaltenen Rechtsverhältnisses oder Rechtsgeschäfts (negotium) stellt keine Voraussetzung für die Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dar.347 Dementsprechend braucht und darf der ordre public-Einwand gegen die Annahme nicht für eine materiellrechtliche Überprüfung genutzt werden. Es handelt sich bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO vielmehr um einen rein verfahrensrechtlichen ordre public.348 Abzugrenzen ist dieser von dem materiellrechtlichen ordre public, wie er in der EuErbVO bei Art. 35 enthalten ist.349 Gem. Art. 35 EuErbVO darf die Anwendung einer Vorschrift des nach dem Kollisionsrecht der EuErbVO bezeichneten Rechts eines Staates nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist. Der materiellrechtliche ordre public-Einwand kommt zum Tragen, wenn das Ergebnis der Anwendung des kollisionsrechtlich anwendbaren ausländischen Rechts für die inländische öffentliche Ordnung untragbar wäre.350 Gegenstand der Prüfung ist hierbei die 342  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25; Mansel, in: Calvo Caravaca/ Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23. 343 Vgl. Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 53; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 31. 344  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3, 33. Hierzu bereits unter § 5 I., S. 110 ff. 345  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 31; a. A. Foyer, in: Khairallah/ Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 163, Rn. 402. 346  So aber Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 163, Rn. 402. 347  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 31. 348  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 35, Rn. 1; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 53; wohl a. A. Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 739. 349  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 35, Rn. 1. 350 Vgl. von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I., S. 714, Rn. 258.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 169

Anwendung des materiellen ausländischen Rechts auf den fraglichen Fall. Hierin liegt der Unterschied zur ordre public-Prüfung bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Da der sachliche Anwendungsbereich der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm auf die formelle Beweiskraft begrenzt ist, kann bei der ordre public-Prüfung auch lediglich die Anwendung des ausländischen Verfahrensrechts kontrollierbar sein – nicht hingegen das materielle ausländische Recht. Würde die Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO einen materiellrechtlichen ordre public-Vorbehalt vorsehen, würde das Verfahren der Annahme indirekt in eine Anerkennung des negotium überführt und somit die Vorschriften der EuErbVO umgangen.351 Denn die Wirksamkeit des negotium ist eine question de fond,352 die gem. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO dem nach der EuErbVO (Art. 4 ff.) zuständigen Gericht zu stellen ist, das nach dem laut der EuErbVO (Art. 20 ff.) anwendbaren Recht hierüber entscheidet.353 Folglich normiert Art. 59 Abs. 1 EuErbVO einen rein verfahrensrechtlichen ordre public-Vorbehalt. Des Weiteren ist der ordre public in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO von demjenigen des Art. 40 lit. a EuErbVO zu unterscheiden. Nach Art. 40 lit. a EuErbVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Der „anerkennungsrechtliche“354 ordre public-Vorbehalt des Art. 40 lit. a EuErbVO umfasst sowohl den materiellrechtlichen als auch den verfahrensrechtlichen ordre public.355 Der anerkennungsrechtliche ordre public kann eingreifen, wenn das Ergebnis der ausländischen Entscheidung wegen ihres Inhalts (materiellrechtlicher ordre public) oder wegen ihres Zustandekommens (verfahrensrechtlicher ordre public) untragbar wäre.356 Dies hängt damit zusammen, dass im Rahmen des Art. 40 lit. a EuErbVO der ordre public-Einwand ein Anerkennungsversagungsgrund in Bezug auf eine Entscheidung ist. Die Anerkennung einer Entscheidung nach Art. 39 EuErbVO umfasst die Entscheidung als Ganze, d. h. sowohl hinsichtlich ihres bisherigen Verfahrensverlaufes als auch hinsichtlich ihres Inhalts – namentlich ihrer materiellen Rechtskraft (res judicata).357 Im Gegensatz dazu erfasst die Annahme von öffentlichen Urkunden gem. Art. 59 351  Vgl. zu diesem Gedanken im Rahmen des EuGVÜ Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 410. 352  Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 410. 353  Hierzu noch ausführlich unter § 10 II. 2., S. 215 ff. 354  Geimer, IZPR, Rn. 23, 26. 355  D’Alessandro, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 40–41, Rn. 6; Binder, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 40, Rn. 9; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 40, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 40, Rn. 5 f.; Pretelli, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 40, Rn. 12; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 40, Rn. 18; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 40, Rn. 10. 356  Martiny, in: FS Sonnenberger, 2004, S. 523, 529. 357 Vgl. Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 8 ff.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 10 ff.; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 6, 14 ff.

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Teil 2: Methode der Annahme

Abs. 1 EuErbVO lediglich die formelle Beweiskraft der Urkunde. Der materielle Inhalt der Urkunde (negotium) wird hingegen nicht durch die Annahme in einen anderen Mitgliedstaat erstreckt. Da sich Gegenstand und Umfang der Wirkungserstreckung der Urteilsanerkennung und der Urkundenannahme unterscheidet, kann sich der dagegen gerichtete ordre public-Einwand ebenfalls nur unterscheiden. In Abgrenzung zum „anerkennungsrechtlichen“ ordre public in Bezug auf Urteilsanerkennungen, kann bei der Annahme von öffentlichen Urkunden von einem „annahmerechtlichen“ ordre public gesprochen werden. Dabei stellt dieser einen rein verfahrensrechtlichen ordre public-Vorbehalt dar. Weiterhin unterstreicht der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO die zurückhaltende Handhabung, die bei Anwendung des ordre public-Vorbehalts geboten ist: Der Widerspruch zur öffentlichen Ordnung des Annahmemitgliedstaates muss „offensichtlich“ sein.358 Nur wenn die Annahme einen untragbaren Verstoß, d. h. einen eklatanten Unterschied zum sonstigen (inländischen) Anwendungsergebnis, darstellt, liegt ein offensichtlicher Verstoß vor.359 Das Erfordernis der Offensichtlichkeit verdeutlicht zugleich den Ausnahmecharakter des ordre public. Laut der ständigen Rechtsprechung des EuGH in Bezug zum ordre public soll dieser nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden,360 da er ein „Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele“361 europäischer Verordnungen – die Erleichterung der Freizügigkeit – darstellt. Aus diesem Grunde ist die ordre public-Klausel stets eng auszulegen.362 Diese ständige Rechtsprechung des EuGH zu anderen europäischen Verordnungen, ist auf Art. 59 Abs. 1 EuErbVO übertragbar, sodass auch der hieFerner zum insoweit übertragbaren Art. 34 EuGVVO a. F. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 34, Rn. 8 ff. 358  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 29. 359 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24; ferner Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73; allgemein Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public im IPR, S. 33; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 249. 360  Vgl. zu Art. 27 EuGVÜ: EuGH, Urteil v. 4.2.1988, Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, I-00645, Rn. 21; EuGH, Urteil v. 10.10.1996, Rs. C-78/95, Hendrikman und Feyen ./. Magenta Druck & Verlag, Slg. 1996, I-04943, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-01935; Rn. 21; zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a. F.: EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides, Slg. 2009, I-03571, Rn. 55; EuGH, Urteil v. 6.9.2012, Rs. C-619/10, Trade Agency, Rn. 48; EuGH, Urteil v. 23.10.2014, Rs. C-302/13, flyLAL-Lithuanian Airlines, Rn. 46. 361 EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-01935, Rn.  21; EuGH, Urteil v. 11.5.2000, Rs. C-38/98, Renault, Slg. 2000, I-02973, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 28.4.2009, Rs. C-420/07, Apostolides, Slg. 2009, I-03571, Rn. 55. 362  EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-01935, Rn. 21; EuGH, Urteil v. 11.5.2000, Rs. C-38/98, Renault, Slg. 2000, I-02973, Rn. 26.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 171

rin enthaltene ordre public-Einwand als eng auszulegende Ausnahmeregelung anzusehen ist.363 Ferner soll das Kriterium der Offensichtlichkeit, welches erstmals in dem Haager Übereinkommen von 1956 explizit aufgenommen wurde, das Erfordernis einer besonderen Begründung für das Vorliegen der Ausnahme statuieren.364 Eine Annahmestelle, die die Annahme einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anhand des ordre public-Einwands verweigern möchte, muss demnach den im konkreten Einzelfall vorliegenden Verstoß eingehend begründen.365 Demnach handelt es sich nur dann um einen „offensichtlichen“ und somit zu berücksichtigenden Widerspruch zum ordre public, wenn der Verstoß mit der inländischen öffentlichen Ordnung untragbar ist.366 Die Annahme der formellen Beweiskraft einer fremden öffentlichen Urkunde muss gegen wesentliche Rechtsgrundsätze verstoßen und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Annahmestaates stehen.367 Wie soeben erörtert, handelt es sich dabei um einen rein verfahrensrechtlichen ordre public.368 Es muss daher im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob die Folgewirkungen der Annahme der formellen Beweiskraft nach dem Recht des Ursprungsstaates einer öffentlichen Urkunde mit dem verfahrensrechtlichen ordre public des Annahmestaates, d. h. seinen wesentlichen Rechtsgrundsätzen des inländischen Verfahrensrechts, unvereinbar ist. Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public liegt dabei erst vor, wenn bei Anwendung der ausländischen Rechtsordnung bzw. Rechtsnorm nicht mehr von einem „geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren“369 gesprochen werden kann.370 Dabei kommen aus Sicht des Annahmemitgliedstaates sowohl Verfahrensverstöße bei der Errichtung der

363  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24. Vgl. auch Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 356. 364  So ausdrücklich zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Giuliano/Lagarde, Bericht, S. 70 und ebenso allgemein unter Bezug hierauf Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public im IPR, S. 12; entsprechend auf Art. 59 EuErbVO bezogen Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24. 365  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 24. 366  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73. 367  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73. 368  S. o. unter § 7 II., S. 168 ff. 369 Ständige Rechtsprechung des BGH zum ordre public im Rahmen der Urteilsanerkennung, die hierauf übertragbar ist, siehe z. B. zu Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ: BGH, Beschluss v. 21.3.1990 – XII ZB 71/89, NJW 1990, 2201, 2203; zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a. F.: BGH, Beschluss v. 14.6.2012 – IX ZB 183/09, NJW-RR 2012, 1013, 1014, Rn. 11. 370  Vgl. zum insoweit übertragbaren Art. 40 lit. a EuErbVO: Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 40, Rn. 13; zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a. F.: Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 34, Rn. 13.

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Teil 2: Methode der Annahme

Urkunde als auch Verstöße in der Ausgestaltung der Beweiskraftwirkung („Art und Umfang“, vgl. EG 61 S. 2 EuErbVO) in Betracht.371 Als nicht hinnehmbarer Verfahrensverstoß während der Errichtung einer Urkunde wurde zum Beispiel die Unterzeichnung der Urkunde unter Zwang oder Drohung angebracht.372 Allerdings ist bei der im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Würdigung zu beachten, welche Rechtsmittel in der Ursprungsrechtsordnung der Urkunde bei Verfahrensverstößen vorgesehen sind.373 Denn auch bei Vorliegen eines Verfahrensverstoßes, sollte die Annahme nicht über den ordre public-Einwand verweigert werden, wenn Rechtsmittel im Ursprungsmitgliedstaat gegen diesen Verstoß hätten ausgeschöpft werden können.374 Dies unterstreicht auch Art. 59 Abs. 2 EuErbVO.375 Ferner erscheint es denkbar, dass die formelle Beweiskraftwirkung einer Urkunde diskriminierend ausgestaltet ist und somit gegen Art. 21 der EU-Grundrechtecharta verstößt,376 obschon ein solcher Verstoß aufgrund der Tatsache, dass Art. 59 Abs. 1 EuErbVO allein mitgliedstaatliche Urkunden erfasst und sowohl die EU-Grundrechtecharta als auch die EMRK für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist, nur schwerlich vorstellbar ist und selten in Betracht kommen dürfte.377 So könnte die Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO a. E. verweigert werden, wenn nach dem Ursprungsrecht einer öffentlichen Urkunde die besondere formelle Beweiskraft einzig den eigenen Staatsangehörigen oder nur Personen, die einer bestimmten Religion zugehören, zugesprochen würde. Anzumerken ist hierbei allerdings, dass im Rahmen des ordre public-Einwands eine Einzelfallabwägung vorzunehmen ist.378 Wirkt diese abstrakt diskriminierende Vorschrift gegenüber den konkret betroffenen Parteien nicht diskriminierend, z. B. weil alle Betroffenen Staatsangehörige des fraglichen Staates sind und daher von der besonderen Beweiskraftwirkung profitieren, so liegt im konkreten Einzelfall kein ordre public-Verstoß vor. 371  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 75; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 33. 372  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.3. 373  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 77; zum insoweit übertragbaren Art. 34 EuGVVO a. F. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 34, Rn. 14. 374  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 31, 34; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 78; vgl. allgemein Kropholler, IPR, S. 668; zum übertragbaren Art. 34 EuGVVO a. F. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Art. 34, Rn. 14. 375  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 31; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 78. 376  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 80; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.1. 377 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26. 378  Siehe hierzu bereits soeben unter § 7 II., S. 167.



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 173

Weiterhin wird, wie bereits erörtert,379 in der Literatur teilweise vorgebracht, dass bei Vorliegen einer unwiderlegbaren öffentlichen Urkunde ein ordre public-Verstoß gegeben sein kann.380 Dieser Ansicht nach soll ein offensichtlicher Widerspruch zur deutschen öffentlichen Ordnung angenommen werden, wenn das fragliche ausländische Verfahrensrecht ein Entkräften der Beweiswirkung durch den Nachweis des Gegenteils nicht zulässt,381 der Urkunde also eine unwiderlegbare formelle Beweiskraft zukommt. Dem ist jedoch aus den bereits dargelegten Gründen nicht zuzustimmen.382 Vielmehr sind diese Fälle vorrangig über die in Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO vorgesehene Anpassung zu lösen. Darüber hinaus wurde in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass hier – wie stets beim ordre public – eine Prüfung im konkreten Einzelfall vorzunehmen ist.383 Namentlich bei gefälschten Urkunden, die womöglich durch Korruption erlangt wurden, wird bei der Beurteilung der Frage, ob der ordre public-Einwand greift, im fraglichen Einzelfall genau zu prüfen sein, was die konkreten Folgen der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sind und ob diese mit der inländischen öffentlichen Ordnung vereinbar sind oder nicht. Denn allein das Vorliegen einer gefälschten Urkunde begründet noch keinen ordre public-Verstoß.384 Liegt jedoch eine gefälschte Urkunde vor, die womöglich durch Korruption erlangt wurde, die nach ihrem Ursprungsrecht entweder unwiderlegbar ist oder nur in einem speziellen Verfahren i. S. d. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO in ihrem Ursprungsstaat angefochten werden kann, wo nicht von einem Rechtsschutz nach rechtsstaatlichen Prinzipien auszugehen ist, so würde ein ordre public-Verstoß wohl anzunehmen sein.385 Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob der ordre public-Einwand greift, ist somit, ob es den im Einzelfall konkret Betroffenen nach dem Ursprungsrecht der Urkunde möglich 379  Hierzu unter § 7 I., S. 161 ff. 380 Dafür: Dutta, in: MüKo/BGB,

EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Pintens, in: Löhnig/Schwab/Henrich u. a., Erbfälle unter der EuErbVO, S. 1, 31. Zurückhaltender: Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 80; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.2. Offen: Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 30, Fn. 76. Diese Fälle hingegen (wie nach hier vertretener Auffassung, siehe S. 161 ff.) über Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO lösend Müller-Lukoschek, Die neue EuErbVO, § 2, Rn. 308; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19 (zum österreichischen Recht). 381  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14; Dutta, FamRZ 2013, 4, 14; Dutta, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 18, Rn 67; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Pintens, in: Löhnig/Schwab/Henrich u. a., Erbfälle unter der EuErbVO, S. 1, 31. 382  Hierzu unter § 7 I., S. 161 ff. 383  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.2.; zustimmend Bauer, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 80. 384  I. E. Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 34. 385  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 31, 34; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 80; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 26.

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Teil 2: Methode der Annahme

ist, in einem rechtsstaatlichen und geordneten Verfahren Rechtsschutz gegen eine falsche Beurkundung zu ersuchen.386 Des Weiteren ist in Bezug auf Falschbeurkundungen darauf hinzuweisen,387 dass für die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine öffentliche Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vorliegen muss. Liegt bereits keine öffentliche Urkunde nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vor, ist Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht anwendbar. Dies ist namentlich bei offensichtlichen Fälschungen der Fall.388 Denn bei manifesten Fälschungen fehlt es regelmäßig an einer authentischen Unterschrift einer staatlich ermächtigen Errichtungsstelle i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i und ii EuErbVO. Da durch Bestechung bzw. Korruption erlangte Urkunden oftmals keine öffentlichen Urkunden im Sinne der EuErbVO darstellen, werden sie bereits nicht in den Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO fallen, sodass sich in solchen Fällen die Frage des ordre public gar nicht mehr stellen wird. Wird ein ordre public-Verstoß bejaht, ist dessen Rechtsfolge grundsätzlich die Verweigerung der Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.389 Die öffentliche Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat entfaltet dann im Annahmestaat keinerlei formelle Beweiskraftwirkungen.390 Die Nichtannahme reicht allerdings nur soweit, wie das konkrete Ergebnis der Anwendung des Rechts des Ursprungsstaates hinsichtlich der formellen Beweiskraft der Urkunde gegen den inländischen ordre public verstößt.391 Soweit die fremde formelle Beweiskraft mit dem ordre public des Annahmestaates vereinbar ist, ist diese anzunehmen.392 Dies macht der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO mit der Formulierung „sofern dies der öffentlichen Ordnung […] nicht offensichtlich widersprechen würde“393 deutlich. Auch entspricht es dem unionsrechtlichen Postulat des effet utile, dem durch die verfahrensrechtliche Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO berufenen Recht die möglichst weitgehendste Durchsetzung zu ermöglichen.394 Zudem ergibt sich die Möglichkeit einer teilwei386 

Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 78, 80. Hierzu noch ausführlich unter § 10 II. 1., S. 213 ff. 388 Vgl. Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 31; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 58; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Fucik, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 87; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47. 389  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 74; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 28. 390  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25. 391  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 74 (der diese Lösung jedoch zu Unrecht mit der Alternative der „am ehesten vergleichbare Wirkung“ begründet und daher mit der Anpassung vermischt). 392  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 74. 393  Hervorhebung durch die Verfasserin. 394  Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 35, Rn. 18; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 35, Rn. 18 (beide zum insoweit vergleichbaren Art. 35 EuErbVO). 387 



§ 7  Einschränkende Korrekturen der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung 175

sen Annahme ebenfalls aus einem argumentum a maiore ad minus.395 Denn kann die Annahme nach der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bei einem ordre public-Verstoß vollständig versagt werden, dann ist es erst Recht möglich, eine weniger eingreifende Rechtsfolge anzuwenden, indem die Annahme nur teilweise abgelehnt und teilweise bejaht wird. Entsteht durch die (teilweise) Nichtanwendung des Ursprungsrechts eine ausfüllungsbedürftige Lücke, so stellt sich die Frage, wie diese zu füllen ist. Diese Frage wird im autonomen sowie im unionsrechtlichen IPR und IZPR unterschiedlich gehandhabt,396 was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass die Lösung in einer konkreten Einzelfallabwägung zu suchen ist.397 Wichtig ist dabei stets, dass der Eingriff möglichst schonend erfolgen soll.398 Überzeugend erscheint auch hier aufgrund des effet utile-Grundsatzes, sich weitestgehend an der Verwirklichung des Ursprungsrechts der Urkunde zu orientieren und dieses modifiziert anzuwenden und bloß subsidiär auf die lex fori zurückzugreifen, wenn dies im Ausnahmefall notwendig ist.399 Als Rechtsfolge eines ordre public-Verstoßes ist die öffentliche Urkunde somit hinsichtlich derjenigen formellen Beweiskraftwirkungen, die der öffentlichen Ordnung des Annahmemitgliedstaates nicht widersprechen, anzunehmen und die Ursprungsrechtsordnung diesbezüglich anzuwenden; in Bezug auf die untragbare(n) Wirkung(en) ist soweit wie möglich das Ursprungsrecht modifiziert heranzuziehen oder ausnahmsweise die lex fori unter Beachtung der Ursprungsrechtsordnung anzuwenden.400

395 

Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25. Von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 729, Rn. 284; Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, S. 1, 45 f.; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 474 ff. 397 Vgl. Kropholler, IPR, S. 248. 398  Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public im IPR, S. 35. Ferner Kegel/ Schurig, IPR, S. 539 (die jedoch hieraus den Schluss ziehen neue Sachnormen bilden zu müssen). 399  So zum insoweit vergleichbaren Art. 35 EuErbVO Looschelders, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 35, Rn. 18; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 35, Rn. 18 f. Allgemein von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 729 ff., Rn. 284 ff.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6, Rn. 154; Kreuzer, in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, S. 1, 45 f.; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 475 f. 400  Vgl. i. E. Köhler, NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3. 396 

Teil 3

Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft Wird eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO einem Gericht, einer Behörde oder einer sonstigen zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates vorgelegt, die nicht aus demselben Mitgliedstaat wie die Urkunde stammt, muss diese gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angenommen werden. Nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hat die öffentliche Urkunde die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung. Die anzunehmende Beweiswirkung beschränkt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dabei ausdrücklich auf die „formelle Beweiskraft“. In diesem Teil der Arbeit soll die nach Art. 59 EuErbVO anzunehmende formelle Beweiskraft näher erörtert werden. Als verordnungsautonomer Begriff (§ 8), wird der Anknüpfungsgegenstand der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO verordnungsautonom auszulegen sein (§ 10). Zuvor wird ein mitgliedstaatlich übergreifend geltendes Grundverständnis der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden als Grundlage eines europäischen Begriffsverständnisses herausgearbeitet (§ 9). Abschließend soll eine verordnungsautonome Definition der formellen Beweiskraft formuliert werden (§ 11).

§ 8  Verordnungsautonomer Begriff der formellen Beweiskraft Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bestimmt, dass die in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung hat. Bei der Anwendung der Norm muss beachtet werden, dass diese als Verordnungsvorschrift prinzipiell autonom auszulegen ist.1 Demnach ist auch der Begriff der „formellen Beweiskraft“ verordnungsautonom zu verstehen und unabhängig von nationalen Rechtsverständnissen zu betrachten. Ein verordnungsautonom explizit festgelegter Begriff der „formellen Beweiskraft“ liegt jedoch nicht vor. Eine Legaldefinition, wie sie in Art. 3 EuErbVO für einige in der Verordnung verwendete Begriffe aufgestellt wurde, gibt es

1 

Zur verordnungsautonomen Auslegung siehe unter § 1, S. 7 ff.

178

Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

für den Begriff der „formellen Beweiskraft“ nicht. Es fehlt daher an einem europäisch normierten Begriff der „formellen Beweiskraft“.2 Allerdings findet sich in EG 61 S. 2 EuErbVO folgende Erläuterung: „Die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in einem Mitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung sollte durch Bezugnahme auf Art und Umfang der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat bestimmt werden.“ Erwägungsgründe sind zwar keine rechtsverbindlichen Vorschriften. Zur Auslegung einer Verordnungsvorschrift stellen sie jedoch eine besonders ergiebige Orientierungshilfe dar.3 Aufgrund der Tatsache, dass sie vom Verordnungsgesetzgeber selbst verfasst wurden, lässt sich durch sie auf der Grundlage des ursprünglichen Gesetzgeberwillens das Telos einer Norm ermitteln. An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, ob der Begriff der formellen Beweiskraft ausschließlich autonom auszulegen ist oder ob die Verordnung hier einen Verweis auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten vornimmt und somit kein autonomes Verständnis des Begriffs zugrunde zu legen ist.4 Solch eine Verweisung auf das mitgliedstaatliche nationale Recht zur Bestimmung eines Begriffs nimmt das europäische Recht kaum vor, da es nicht dem Zweck der Rechtsangleichung innerhalb der EU entspricht.5 Selten findet sich zum Beispiel ein ausdrücklicher Verweis zur Begriffsdefinition in Richtlinien.6 So ist laut Art. 2 lit. d KonsultationsRL „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie „eine Person, die nach dem betreffenden Mitgliedstaat als Arbeitnehmer aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts und entsprechend den einzelstaatlichen Gepflogenheiten geschützt ist“. Auch der EuGH unterstreicht in einer ständigen Rechtsprechung, dass die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitsgrundsatz verlangen, „dass die Begriffe einer Vorschrift des [Unionsrechts], die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten [Union] autonom und einheitlich auszulegen sind“7. 2  So auch Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 27; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 162, Rn. 400; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14. 3  S. o. unter § 1 III., S. 12. 4 Zur methodischen Frage der autonomen Auslegung allgemein siehe EuGH, Urteil v. 8.12.1987, Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik ./. Palumbo, Slg. 1987, 04861, Rn. 6–11; ferner ausführlich Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 4 ff.; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 336; ferner Bajons, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 53, 54 ff. 5  Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 6; i. E. auch Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 887. 6  Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 4. 7  EuGH, Urteil v. 19.9.2000, Rs. C-287/98, Linster, Slg. 2000, I-06917, Rn. 43; EuGH, Urteil v. 9.11.2000, Rs. C-357/98, Yiadom, Slg. 2000, I-09265, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 27.1.2005, Rs.C-188/03, Junk, Slg. 2005, I-00885, Rn. 29; EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs.



§ 8  Verordnungsautonomer Begriff der formellen Beweiskraft

179

Grundsätzlich herrscht somit eine Vermutung für eine verordnungsautonome Auslegung zur Ermittlung des Sinnes und der Bedeutung bzw. Tragweite eines Begriffs.8 Nur wenn der europäische Rechtsakt ausdrücklich auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten zur Bestimmung des Sinngehaltes eines bestimmten Begriffs verweist, ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen.9 Der Unionsgesetzgeber präzisiert in EG 61 S. 2 EuErbVO, dass der Begriff der formellen Beweiskraft „durch Bezugnahme auf Art und Umfang der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat“ zu bestimmen ist. Auf den ersten Blick könnte diese Erläuterung als Verweis auf das nationale Recht des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde zur Begriffsbestimmung verstanden werden. Der Ausdruck „durch Bezugnahme“ verdeutlicht allerdings, dass der Unionsgesetzgeber zur Bestimmung der Beweiskraft zwar auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates verweist, dabei jedoch stets die europäische Dimension nicht außer Acht gelassen werden soll. Es soll nicht einzig das nationale Recht des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde bestimmen, was „Art und Umfang der formellen Beweiskraft“ ist. Vielmehr soll nur „durch Bezugnahme“ ermittelt werden, wie die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde ausgestaltet ist. Das Recht des Ursprungsstaates wird somit zur Anwendung berufen. Hierbei wird der Charakter des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm deutlich.10 Als europäische Kollisionsnorm besteht Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, wie alle Verweisungsnormen, aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge. Rechtsfolge ist die Anwendbarkeit einer mitgliedstaatlichen Rechtsordnung. Vorliegend ordnet Art. 59 Abs. 1 EuErbVO die Anwendung des Rechts des Ursprungsmitgliedstaates einer öffentlichen Urkunde an. Der Tatbestand des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO setzt sich aus dem Anknüpfungspunkt des Ursprungsmitgliedstaates und dem Begriff der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde als Anknüpfungsgegenstand zusammen. Durch den Anknüpfungsgegenstand einer Kollisionsnorm wird der Anwendungsbereich dieser Norm sachlich auf bestimmte Rechtsfragen begrenzt.11 C-316/05, Nokia, Slg. 2006, I-12083, Rn. 21; EuGH, Urteil v. 21.10.2010, Rs. C-467/08, Padawan, Slg. 2010, I-1005, Rn. 32; EuGH, Urteil v. 18.10.2011, Rs. C-34/10, Brüstle, Slg. 2011, I-9821, Rn. 25. Ebenso statt „Bedeutung“ aber das Wort „Tragweite“ benutzend: EuGH, Urteil v. 18.1.1984, Rs. C-327/82, Ekro, Slg. 1984, I-00107, Rn. 11; EuGH, Urteil v. 17.3.2005, Rs. C-170/03, Feron, Slg. 2005, I-2299, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 16.7.2009, Rs. C-5/08, Infopaq International, Slg. 2009, I-06569, Rn. 27; EuGH, Urteil v. 3.7.2012, Rs. C-128/11, UsedSoft, Rn. 39. 8  Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 6; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 336; vgl. i. E. auch Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 886; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 763. 9 Vgl. Schwartze, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 4, Rn. 24. 10  Zur Qualifikation als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm siehe ausführlich unter § 5 II. 1., S. 113 ff. 11  Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 744; Mansel, Connecting Factor, in: Basedow/

180

Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Der sachliche Anwendungsbereich einer Kollisionsnorm einer EU-Verordnung kann jedoch nicht durch nationales Recht bestimmt werden. Sonst würde die Reichweite der europäischen Vorschrift durch die jeweilige mitgliedstaatliche Rechtsordnung determiniert, die die Vorschrift anwendet. Dies würde einer unionsweiten einheitlichen Regelung widersprechen bzw. diese überflüssig machen. Die Qualifikation sowie die dafür erforderliche Auslegung einer europäischen Kollisionsnorm, namentlich des Anknüpfungsgegenstandes, erfolgt deshalb regelmäßig weder nach der lex fori noch nach der lex causae, sondern autonom.12 Der Anknüpfungsgegenstand einer europäischen Verweisungsnorm geht bewusst nicht von einem konkreten nationalen Rechtsbegriff aus, sondern nutzt verallgemeinerte Begriffe, um eine „möglichst hohe Anschlussfähigkeit“ in den verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu erlangen.13 So ist auch laut Martens ein Begriff autonom (und nicht als Verweis auf nationales Recht) zu verstehen, wenn er der Bestimmung der Art und des Umfangs eines vereinheitlichten Rechtsaktes dient, wie es bei Begriffen, die dessen Regelungsgegenstand betreffen, der Fall ist.14 Nur auf diese Weise wird eine einheitliche und gleiche Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten gewährleistet.15 Denn ohne ein europäisch-autonomes Begriffsverständnis besteht ein hohes Risiko, dass jeder Mitgliedstaat eine eigene „autonome“ Auslegung vornimmt, wodurch das Gegenteil einer europaweiten einheitlich-autonomen Auslegung stattfindet.16 Bei der Anwendung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO würde ohne unionsweites autonomes Konzept des Anknüpfungsgegenstandes der formellen Beweiskraft das Risiko bestehen, dass mitgliedstaatliche Annahmestellen ihr eigenes Verständnis der anzunehmenden „formellen Beweiskraft“ zugrunde legen. Diese Gefahr wird zudem dadurch verstärkt, dass dies teilweise in der Literatur vertreten wird.17 Würde zum Beispiel eine spanische Annahmestelle die Reichweite des Anknüpfungsgegenstandes der formellen Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anders auffassen als eine deutsche, könnte einem französischen acte de notoriété in beiden Ländern eine unterschiedliche Beweiskraft zukommen. Gerade dieses Ergebnis möchte Art. 59 Abs. 1 EuErbVO jedoch verhindern. Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 441, 441. Siehe hierzu auch bereits unter § 5 II. 1., S. 115. 12  Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 590; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 762 f.; Rauscher, IPR, Rn. 480, 482; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 220; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 61. 13  Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 756. 14  Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 337. 15  Audit, Clunet 2004, 789, 796, Rn. 12; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 149; Kropholler, IPR, S. 80; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 336. 16  Audit, Clunet 2004, 789, 802, Rn. 28; Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 590. 17  Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 162, Rn. 400: „à défaut d’une définition autonome, on se rapportera à la conception française“.



§ 8  Verordnungsautonomer Begriff der formellen Beweiskraft

181

Deshalb ist der Funktionsbegriff des Anknüpfungsgegenstandes „formelle Beweiskraft“ in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich verordnungsautonom auszulegen. Zusammenhängend ist auch im konkreten Fall die Qualifikation, d. h. die Subsumtion einer Rechtsfrage unter den Rechtssatz des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, verordnungsautonom vorzunehmen. Da es jedoch (noch) keinen explizit festgelegten EU-Begriff der „formellen Beweiskraft“ gibt,18 muss dieser zunächst entwickelt und herausgearbeitet werden. Auf diese Weise wurden bereits verschiedene europäische Rechtsbegriffe, wie z. B. „Zivil- und Handelssachen“,19 „Rechtshängigkeit“20 oder „Rechtskraft“21 im Rahmen der EuGVVO bzw. dessen Vorgängerregelungen, im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung des EuGH konzipiert.22 Bei der Herausarbeitung eines europäischen Begriffsverständnisses sind primär die bekannten Auslegungskriterien unter Beachtung der europäischen Dimension heranzuziehen.23 Zudem dienen rechtsvergleichende Studien zum Rechtsverständnis eines Begriffs in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen der Ausarbeitung eines gemeinsamen Begriffs.24 Denn das europäische Recht ist nicht hermetisch von den nationalen Rechtsordnungen abgetrennt.25 Vielmehr stehen beide Rechts18  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 27; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 162, Rn. 400; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14. 19 EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. C-29/76, LTU ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 01541, Rn. 3–5; EuGH, Urteil v. 22.2.1979, Rs. C-133/78, Gourdain ./. Nadler, Slg. 1979, 00733, Rn. 3–6; EuGH, Urteil v. 16.12.1980, Rs. C-814–79, Niederlande ./. Rüffer, Slg. 1980, 03807, Rn. 7–16; EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-172/91, Sonntag ./. Waidmann, Slg. 1993, I-01963, Rn. 18–29. Vgl. hierzu ferner Bajons, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 53, 56; Hess/Richard, Brussel I, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 219, 221 f. 20  EuGH, Urteil v. 8.12.1987, Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik ./. Palumbo, Slg. 1987, 04861, Rn. 6 ff., 13–19; ferner Bajons, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 53, 62 ff.; Niboyet, in: Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzzetto, Architecture pour un code européen du DIP, S. 281, 282. 21  EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, Gothaer Allg. Versicherung Ag u. a. ./. Samskip GmbH, Rn. 35 f., 40; siehe hierzu auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1, 19; Roth, IPRax 2014, 136, 138; Wiedemann, Vollstreckbarkeit, S. 125 ff. 22  Vgl. mit weiteren Beispielen auch Audit, Clunet 2004, 789,792, Rn. 6 ff.; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 338 ff., 343 f.; Viangalli, La théorie des conflits de lois et le droit communautaire, Rn. 851 ff. 23  Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Rn. 4; Hess, IPRax 2006, 348, 353; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Einf., Rn. 6; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 12; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Einl., Rn. 42. Zur verordnungsautonomen Auslegung s. o. unter § 1, S. 1 ff. 24  Audit, Clunet 2004, 789, 802, Rn. 30; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 355; ferner i. E. Flessner, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 1, 5 f. 25  Hess/Richard, Brussel I, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 219, 222.

182

Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

systemebenen in einem wechselseitigen, zusammenwirkenden Verhältnis zueinander.26 Derart betonte der EuGH in seiner Rechtsprechung zum Begriff der „Zivil- und Handelssachen“, dass „für die Auslegung des Begriffs […] nicht das Recht irgendeines der beteiligten Staaten maßgebend ist, sondern dass die Zielsetzungen und die Systematik des Übereinkommens [EuGVÜ] sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, herangezogen werden müssen“.27 Die Herangehensweise des EuGH kann auf die Herausarbeitung eines verordnungsautonomen Konzepts der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO übertragen werden. Demnach sind im Rahmen der traditionellen Auslegungscanones insbesondere die Systematik und die Zielsetzung der EuErbVO sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze der EU, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben, von Bedeutung. Zu betonen ist hierbei, dass die Ausarbeitung einer autonomen Konzeption, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergibt, nicht voraussetzt, dass diese nach allen nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten so verstanden wird. Bereits im Rahmen des EuGVÜ wurde angemerkt, dass andernfalls der Anwendungsbereich der Verordnungen auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ reduziert würde.28 Herrscht in den meisten – auch wenn nicht in allen – Mitgliedstaaten weitgehende Übereinstimmung in Bezug auf einen Rechtsbegriff oder der juristischen Lösung eines Problems, so spricht vieles dafür, dieses Verständnis für das Unionsrecht zu übernehmen.29 Indem Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm zur genauen Bestimmung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates der Urkunde verweist, legt das nationale Ursprungsrecht die konkrete formelle Beweiskraft fest. Allerdings wird bei der Anwendung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO der Anknüpfungsgegenstand der formellen Beweiskraft dabei zunächst verordnungsautonom zu qualifizieren sein. Daher soll im Folgenden ein verordnungsautonomes Begriffsverständnis der „formellen Beweiskraft“ einer öffentlichen Urkunde herausgearbeitet werden. Hierzu werden in erster Linie die traditionellen Auslegungskriterien herangezogen, wobei entsprechend der soeben dargelegten Rechtsprechung des EuGH der Schwerpunkt auf die Zielsetzung und Systematik der Vorschrift gesetzt wird (§ 10). Vorab wird anhand einer rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme der 26 Vgl. Grundmann, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 9, Rn. 2 ff. 27  EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. C-29/76, LTU ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 01541,

Rn. 5. Siehe hierzu bereits unter § 1 III., S. 12 f. 28  Geimer, NJW 1977, 491, 492; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 1, Rn. 20 (zur EuGVVO a. F.). Ferner allgemein Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 130. 29  Kropholler, IPR, S. 81; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 81.



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen hinsichtlich der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden geprüft, ob es in den Rechtsordnungen eine weitgehende Übereinstimmung diesbezüglich gibt und wenn ja, was diese als Fundament eines europäischen Verständnisses beinhaltet (§ 9).

§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund als Grundlage für einen europäischen Begriff der formellen Beweiskraft Die grundsätzlich autonom vorzunehmende Auslegung des Unionsrechts schließt zwar zu Recht den unmittelbaren Rückgriff auf das nationale Recht einzelner Mitgliedstaaten aus, jedoch impliziert dies keinen Ausschluss einer rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme der verschiedenen Rechtsordnungen.30 Ein rechtsvergleichender Ansatz kann bei der europäisch-autonomen Auslegung unterstützend zu den anderen Auslegungscanones herangezogen werden.31 Insbesondere zur Herausarbeitung allgemeiner Rechtsgrundsätze sowie zur Lückenfüllung im Unionsrecht dient die Rechtsvergleichung zur Erforschung einer diesbezüglichen weitgehenden Übereinstimmung.32 Auch die Rechtsprechung des EuGH beruht auf rechtsvergleichenden Betrachtungen. Zwar finden sich solche in Entscheidungen des EuGH meistens nicht explizit.33 Jedoch übernimmt hier häufig der Generalanwalt (mit der Intervention der Mitgliedstaaten und der Kommission) vergleichende Vorarbeiten, die in die Entscheidungen des EuGH einfließen.34 Zudem ergibt sich eine 30  Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 451, 494 f.; Michaels, Rechtsvergleichung, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1265, 1269; vgl. Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 358 f.; ferner i. E. Everling, JZ 2000, 217, 218; Flessner, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 1, 5 f.; Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 888; Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 116, 138. 31  Kakouris, Pace Int. L. Rev. 6 (1994), 267, 273 f., 279; Schwartze, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 4, Rn. 30; Stotz, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 22, Rn. 7. 32  Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 451, 493 f.; Michaels, Rechtsvergleichung, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1265, 1269; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 352 f., 355 ff., 357; Rösler, Auslegung des Gemeinschaftsrechts, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. I, S. 122, 123. 33  Daig, in: FS Zweigert, 1981, S. 395, 411; Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 533; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 151; Kakouris, Pace Int. L. Rev. 6 (1994), 267, 276; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 80; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 495; Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 116; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 338; Smits, in: Twigg-Flesner, European Union Private Law, S. 33, 40. 34  Z. B. Generalanwalt Darmon, Schlussanträge v. 2.12.1991, Rs. C-172/91, Rn. 27–41; Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 18.7.2007, Rs. C-175/06, Rn. 40 ff.; Generalanwältin Trstenjak, Schlussanträge v. 27.1.2009, Rs. C-533/07, Rn. 48–52. Daig, in: FS Zweigert,

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

vergleichende Sicht bereits aus der personellen Besetzung der Richter aus allen Mitgliedstaaten.35 Dementsprechend wurde der EuGH geradezu als „Hochburg der angewandten Rechtsvergleichung“36 bezeichnet. Ferner ist zu beachten, dass, auch wenn der EuGH stets Entscheidungen in Bezug auf einen konkreten Fall trifft, seine Lösungen innerhalb der gesamten Europäischen Union, d. h. in allen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen (insbesondere nicht nur derjenigen, aus der das vorlegende Gericht stammt), akzeptabel sein müssen.37 Daher ist bei der Auslegung des Unionsrechts auch immer rechtsvergleichend zu forschen.38 Derart erfolgt auch die europäischautonome Auslegung des EuGH mit Hilfe einer rechtsvergleichenden Heranziehung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, wobei der EuGH sich nicht auf einzelne nationale Rechtsordnungen bezieht, sondern auf gemeinsame Traditionen der Mitgliedstaaten, um eine einheitlich-autonome Definition zu formulieren.39 Darüber hinaus betonten die europäischen Richter insbesondere zu Anfangszeiten des EU-Rechts, die Auslegung des EU-Rechts beziehe sich auf die „Zielsetzung und Systematik des Übereinkommens [EuGVÜ] sowie auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben“40.41 Namentlich in der Anfangsphase des europäischen Rechts kam der Rechtsvergleichung eine prägende Funktion zu.42 Ergeben sich hieraus gemeinsame Werte innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, so kann sich – mit den Worten des EuGH-Richters Pescatore – auch der EuGH daran gebunden fühlen,43 wenn diese mit den Regelungszielen des 1981, S. 395, 413; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 152; Kakouris, Pace Int. L. Rev. 6 (1994), 267, 276; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 80; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 495; Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 116; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 338, 346, 348. 35  Daig, in: FS Zweigert, 1981, S. 395, 413; Everling, JZ 2000, 217, 222; Grundmann/ Riesenhuber, JuS 2001, 529, 533; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 151; Kakouris, Pace Int. L. Rev. 6 (1994), 267, 276; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Einl., Rn. 80; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 493; Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 136; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 353; Stotz, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 22, Rn. 3. 36  Daig, in: FS Zweigert, 1981, S. 395, 415. 37  Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 343; Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 355 f., 359. 38  Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 452. 39  Vgl. z. B. EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs. C-283/05, ASML, Slg. 2006, I-12041, Rn. 26; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 61. 40  EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. C-29/76, LTU ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 01541, Rn. 5. 41  Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 151. 42  Bajons, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 53, 54. 43  Pescatore, RIDC 32 (1980), 337, 353, 355.



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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fraglichen Rechtsaktes übereinstimmen.44 Bei der Herausbildung eines neuen Rechtsinstituts ist somit mangels europäischer Regelungskonzepte die Heranziehung rechtsvergleichender Befunde als zusätzliches Mittel der Auslegung, neben den allgemeinen Auslegungscanones, erforderlich. Ein europäisch-einheitliches Begriffsverständnis, das für alle Mitgliedstaaten gelten und dort angewendet werden soll, kann demnach nur gefunden werden, wenn einerseits Sinn und Zweck sowie Systematik des europäisch normierten Instituts herangezogen werden, andererseits aber auch nationale Konzeptionen der Mitgliedstaaten synthetisch einbezogen werden.45 Das Unionsrecht stellt, wie bereits erwähnt,46 keine von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen hermetisch abgetrennte Rechtsordnung dar.47 Beide Rechtssystemebenen stehen vielmehr in einem wechselseitigen und zusammenwirkenden Verhältnis zueinander.48 So hat der EuGH hervorgehoben, dass das Unionsrecht darauf beruht, „dass die Mitgliedstaaten nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf rechtlichem Gebiet miteinander verflochten sind, und muss daher den Grundsätzen und Vorstellungen Rechnung tragen, die den Rechtsordnungen dieser Staaten […] gemeinsam sind“49.50 Im Folgenden soll daher neben der vorzunehmenden verordnungsautonomen Auslegung51 des Anknüpfungsgegenstandes der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden geprüft werden, inwieweit die nationalrechtlichen Konzeptionen der Mitgliedstaaten der EuErbVO synthetisch betrachtet Gemeinsamkeiten aufweisen. Die herausgearbeiteten mitgliedstaatlich übergreifend geltenden Aspekte hinsichtlich der besonderen formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden können als Grundlage eines europäischen Begriffs der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden dienen. Ein mitgliedstaatlich gemeinsamer Kern der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden kann zur Qualifikation des Anknüpfungsgegenstandes der formellen Beweiskraft i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO herangezogen werden. Hierzu soll vornehmlich die im Auftrag des Policy Department for Citizen’s Rights and Constitutional Affairs auf Ersuchen des Rechtsausschusses (JURI) des Europäischen Parlaments von Beaumont, Fitchen und Holliday herausgege-

44  Kropholler, IPR, S. 81. 45 Vgl. Daig, in: FS Zweigert,

1981, S. 395, 401. S. o. unter § 8, S. 182. 47  Hess/Richard, Brussel I, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 219, 222. 48 Vgl. Grundmann, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 9, Rn. 2 ff. 49  EuGH, Urteil v. 18.5.1982, Rs. C-155/79, AM & S ./. Kommission, Slg. 1982, o1575, Rn. 18. 50  Obwexer, in: Gamper/Verschraegen, Rechtsvergleichung als jur. Auslegungsmethode, S. 115, 118. 51  Hierzu unter § 10, S. 198 ff. 46 

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

bene Studie52 zur Beweiskraft öffentlicher Urkunden im Bereich des Erbrechts in allen 25 Mitgliedstaaten des EuErbVO verwendet werden. Die Studie erfolgte dabei in drei Phasen. Zunächst wurden Fragebögen erstellt, die daraufhin an die jeweiligen Landesberichterstatter und zusätzlich über den Rat der Notariate der EU (CNUE) an mitgliedstaatliche Notariate übermittelt wurden. Zuletzt wurden anhand der ausgefüllten Fragebögen Länderberichte zu den einzelnen Mitgliedstaaten sowie ein Abschlussbericht erstellt. Durch den Abschlussbericht konnten die Herausgeber eine vergleichende Zusammenstellung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich der beweiserheblichen Wirkungen öffentlicher Urkunden in den Mitgliedstaaten der EuErbVO herausarbeiten.53 In erster Linie besteht in den Rechtsordnungen des lateinischen Notariatssystems herkömmlich Einigkeit darüber, dass die Beweiskraft öffentlicher bzw. notarieller Urkunden an die persönlich gemachten Feststellungen des Notars gebunden ist.54 Aufgrund der Intervention des Notars bzw. einer hoheitlich delegierten Autorität wird den öffentlichen Urkunden auf nationaler Ebene eine erhöhte Beweiskraft im Verhältnis zu privaten Urkunden, die ohne Einschreiten einer Amtsperson erstellt wurden, verliehen.55 Diese verstärkte Beweiskraft beruht auf der notariellen Herkunft sowie der hieraus zugleich folgenden (vermuteten) Echtheit der Urkunde, sprich dass die Urkunde von derjenigen Beurkundungsperson ausgestellt wurde, die als dessen Autor hervortritt.56 Dabei bezieht sich die verstärkte Beweiswirkung öffentlicher Urkunden auf die durch die Amtsperson beurkundeten Tatsachen und Handlungen.57 Derart betrifft die formelle Beweiskraft primär die Modalitäten der Erstellung der Urkunde, wie das Datum und den Ort der Ausfertigung sowie die Anwesenheit bestimmter Personen und deren Identitätsüberprüfung oder sonstige 52  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts in the Member States of the European Union, in the context of succession, Study, PE 556.935, 2016 (im Folgenden im Text als „Studie“ bezeichnet). 53  Vgl. zum Ganzen Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 23–25. 54  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 21; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. Ferner Fitchen, JPIL 7 (2011), S. 33, 39 (zum französischen und deutschen Recht). Siehe z. B. zum belgischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 64; zum französischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109; zum niederländischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 170 f.; zum portugiesischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 185 f.; zum spanischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 219. Ferner zum deutschen und französischen Recht Coester-Waltjen, Int. Beweisrecht, Rn. 420. 55  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20, Fn. 51. 56  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. 57  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297.



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

187

Handlungen, die in Anwesenheit der beurkundenden Amtsperson vorgenommen wurden.58 Dementsprechend werden auch gegenüber der Urkundsperson abgegebene Erklärungen der Beteiligten, die in der Urkunde niedergeschrieben wurden, von dessen formeller Beweiskraft umfasst.59 Diesbezüglich muss jedoch angemerkt werden, dass unionsweite Einigkeit in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen darüber herrscht, dass zwar aus den beurkundeten Parteierklärungen Rechtsakte (opération juridique) entstehen können, letztere jedoch stets anfechtbar und überprüfbar sind.60 Die Rechtmäßigkeit eines in einer Urkunde konstatierten Rechtsgeschäfts oder -verhältnisses ist folglich kein Teil der Beweiskraft, da diese lediglich die Existenz der Erklärungen beweist.61 Die Studie hob ebenfalls die unionsweit gemeinsame Funktion einer öffentlichen Urkunde hervor, ein Beweismittel mit einer erhöhten Beweiskraft bezüglich der Authentizität und der amtlich überprüften Fakten darzustellen.62 Die erhöhte Beweiskraft zeigt sich in einer qualitativ verstärkten Vertrauenswürdigkeit, die der Urkunde durch das nationale Verfahrensrecht entgegengebracht wird.63 Laut Kohler und Buschbaum stellt diese force probante supérieure öffentlicher Urkunden einen acquis communautaire dar.64 So wurde durch die Studie festgestellt, dass fast alle nationalen Rechtsordnungen die Möglichkeit der Errichtung eines notariellen Testaments als öffentliche Urkunde kennen,65 das mit einer erhöhten Beweiskraft ausgestattet

58  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. 59  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. 60  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. 61 Vgl. CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60; Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. Siehe z. B. explizit zum belgischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 64, 66; zum französischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109 f.; zum portugiesischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 186; zum spanischen Recht Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 219. 62  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32 f. 63  Vgl. auch Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4. 64  M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 647; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315. 65  Das Institut einer öffentlichen Urkunde ist lediglich in 3 Mitgliedstaaten der EuErbVO unbekannt: Finnland, Schweden und Zypern, vgl. bereits unter § 2 II. 1., S. 19 sowie Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 39. Ausführlich zum finnischen Rechtssystem siehe Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 105 ff.; zum schwedischen Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 227 ff.; zum zyprischen Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 86 ff.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

ist.66 Dabei beruht die starke formelle Beweiskraft des öffentlichen Testaments auf der Errichtung durch einen Notar bzw. einer staatlich delegierten Autorität.67 Auch wenn die genaue Ausgestaltung der formellen Beweiskraft aufgrund verschiedener nationaler (Verfahrens-)Rechtssysteme punktuelle Unterschiede aufweist, zeigt sich eine unionsweite gemeinsame Konzeption der Beweiskraft öffentlicher Urkunden dahingehend, dass Tatsachen, die in einer öffentlichen Urkunde niedergeschrieben sind, von einer beweisrechtlichen Vermutung profitieren, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der Urkunde bewiesen wurden.68 Infolgedessen profitiert eine Partei zum Beweis einer Tatsache, die in einer öffentlichen Urkunde festgehalten ist, bereits von der erhöhten Beweiskraft durch bloße Vorlage der Urkunde. Es bedarf keinerlei zusätzlicher Beweise, um die fragliche Tatsache zu beweisen – anders als bei Privaturkunden.69 Beispielsweise kann allein durch die Vorlage eines öffentlichen Testaments bewiesen werden, dass die Urkunde tatsächlich den persönlich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem konkreten Ort gegenüber der genannten Urkundsperson abgegebenen letzten Willen des Testators enthält. Demgegenüber müsste bei Vorlage eines privaten Testaments jedes einzelne Element bewiesen werden.70 Die besondere formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden kann somit unionsweit als force probante pleine et entière bezeichnet werden.71 Die Beweiskraftwirkung gilt vollumfänglich und automatisch. Das Gericht kann die durch die öffentliche Urkunde als erwiesen erbrachten Tatsachen weder frei würdigen noch als unzureichend ansehen.72 Diese charakteristische Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde äußert sich dergestalt, dass sie eine weitreichende Bindungswirkung für die Gerichte entfaltet.73 Der allgemein geltende Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung wird durch die formelle Beweiskraft der vorgelegten öffentlichen Urkunde stark eingeschränkt.74 Auch hierin ist eine unionsweite Gemeinsamkeit zu sehen.75 66 

Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 29 f. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 30, 32. 68  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32 f.; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4. 69  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32 f. 70  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32. 71  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60. 72  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60. 73  M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 646; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. 74  M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 646; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 34. 75  M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 646; so auch Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18; ferner CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60. 67 



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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Anhand der Evaluierung aller 25 mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen zur Beweiskraft öffentlicher Urkunden in Erbsachen konnte weiterhin ermittelt werden, dass in allen 22 Rechtsordnungen, die das Rechtsinstitut einer öffentlichen Urkunde kennen,76 die öffentliche Urkunde das stärkste der jeweils geregelten Beweismittel ist. Im Vergleich zu anderen nationalen Beweismitteln, kommt der öffentlichen Urkunde beweisrechtlich der höchste Status zu.77 Zugleich wurde durch die Studie festgestellt, dass in allen 22 mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Möglichkeit einer Widerlegung dieser starken Beweiskraft öffentlicher Urkunden vorgesehen ist.78 Die Widerlegbarkeit der formellen Beweiskraft kann somit als gemeinsamer Kern des europaweiten Verständnisses der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden festgehalten werden. Unterschiede bestehen allerdings in der Art der Widerlegbarkeit.79 Zum Teil erscheint die formelle Beweiskraft besonders stark, da sie mittels eines speziellen Verfahrens geschützt wird. In diesen Mitgliedstaaten kann die formelle Beweiskraft nur im Wege eines eigens dafür vorgesehenen Verfahrens der Falschheitsbehauptung widerlegt werden (z. B. in Frankreich, Belgien, Italien, Luxemburg)80. In anderen Mitgliedstaaten ist es hingegen möglich, die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Rahmen allgemeiner Verfahren, in denen die Urkunde vorgelegt wird, inzident zu widerlegen (z. B. in Deutschland, Österreich, Polen, Spanien)81. Die verschiedenartige Art der Widerlegung, teilweise mittels eines speziellen Verfahrens und zum Teil in inzidenter Weise, stellt einen wesentlichen Unterschied der jeweiligen mitgliedstaatlichen Ausgestaltung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden dar. Die jeweils andersartige Regelung durch die Mitgliedstaaten ist daher bei der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung öffentlicher Urkunden im Rahmen der EuErbVO zu beachten. Die in Art. 59

76  Das Institut einer öffentlichen Urkunde ist in 3 Mitgliedstaaten der EuErbVO unbekannt: Finnland, Schweden und Zypern, vgl. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 39 sowie bereits unter § 2 II. 1., S. 17. Ausführlich zum finnischen Rechtssystem siehe Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 105 ff.; zum schwedischen Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 227 ff.; zum zyprischen Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 86 ff. 77 Zum Ganzen Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32. 78  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32 f. 79  Hierzu und zum Folgenden Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33. 80 Siehe hierzu Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109 (Frankreich), S. 65 (Belgien), S. 140 (Italien); S. 159 (Luxemburg). 81 Siehe hierzu Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 116 (Deutschland), S. 56 (Österreich), S. 176 f. (Polen), S. 219 f. (Spanien).

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

EuErbVO geregelte Annahme berücksichtigt diese Divergenz, wie noch dargelegt wird.82 Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung der Widerlegung der formellen Beweiskraft muss betont werden, dass die Widerlegung stets – sowohl im Rahmen spezieller Verfahren als auch inzidenter Weise – hohen und streng geregelten Anforderungen unterliegt und daher selten erfolgreich ist.83 So wird in den rechtsvergleichenden Ergebnissen der Studie unterstrichen, dass, selbst wenn es auf den ersten Blick einfacher erscheint, den Versuch einer Widerlegung der Beweiskraft inzident einzubringen, dies nicht zugleich bedeutet, dass dieser Versuch auch gelingt.84 Denn in keinem der 22 Mitgliedstaaten, welche die Institution der öffentlichen Urkunde kennen, wird ohne zulässigen und zwingenden Beweis des Gegenteils ein durch eine öffentliche Urkunde bewiesener Aspekt widerlegt – und dies unabhängig von der konkreten Verfahrensart.85 Alle nationalen Rechtsordnungen schützen und halten die besondere Beweiskraft, die sie öffentlichen Urkunden verleihen, nachdrücklich aufrecht.86 Mithin kann als weitere gemeinsame europäische Wurzel des Konzepts der formellen Beweiskraft festgehalten werden, dass sie nur unter streng geregelten und hohen Anforderungen widerlegt werden kann.87 Die strikten und strengen Regelungen unterliegende Widerlegung ist der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden somit immanent. Sie ist das Pendant ihrer verstärkten Beweiswirkung. Denn nur hierdurch stellt die öffentliche Urkunde ein besonders starkes Beweismittel mit einer erhöhten Beweiskraft dar. Dementsprechend wird in Mitgliedstaaten, die für die Widerlegung bzw. Infragestellung der Authentizität einer öffentlichen Urkunde ein spezielles Verfahren der Falschheitsbehauptung vorsehen, die Notion der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde direkt hiermit verknüpft. So zeigt sich laut Damascelli der Grundgedanke der besonderen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde in der Unmöglichkeit, die Authentizität der öffentlichen Urkunde und damit deren Glaubwürdigkeit abzuerkennen, außer mittels des hierfür eigens vorgesehenen Verfahrens.88 Derart wird in diesen Rechtsordnungen die Beweiskraft öffentlicher Urkunden über die Widerlegbarkeit durch Falschheitsbehauptung definiert.89 82  83 

Hierzu ausführlich unter § 10 II. 1., S. 206 ff., 210 ff. Vgl. auch Fitchen, JPIL 7 (2011), S. 33, 43. 84  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33; i. E. auch Fitchen, JPIL 7 (2011), S. 33, 46. 85  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33. 86  Fitchen, JPIL 7 (2011), S. 33, 46. 87  Vgl. i. E. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33. 88  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 51; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 427 (zum italienischen Recht). 89 Vgl. Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 51; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 427 (zum italienischen Recht).



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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Beispielsweise erbringt im französischen Recht nach Art. 1371 Code civil eine öffentliche Urkunde bis zur Falschheitserklärung (inscription de faux) den vollen Beweis dessen, was die Urkundsperson als persönlich ausgeführt oder festgestellt bezeugt hat.90 Art. 1371 Abs. 1 Code civil: „L’acte authentique fait foi jusqu’à inscription de faux de ce que l’officier public dit avoir personnellement accompli ou constaté.“

Deutsch:91 „Die öffentliche Urkunde erbringt bis zur Eintragung als falsch [durch das spezifische Verfahren der sog. inscription de faux] den vollen Beweis dessen was die Urkundsperson als persönlich ausgeführt oder festgestellt bezeugt hat.“

Ebenso definiert Art. 2700 des italienischen Codice civile die Beweiskraft öffentlicher Urkunden über die Unmöglichkeit diese in Frage zu stellen, außer über die spezielle querela di falso.92 Art. 2700 Codice civile: „L’atto pubblico fa piena prova, fino a querela di falso, della provenienza del documento dal pubblico ufficiale che lo ha formato, nonche’ delle dichiarazioni delle parti e degli altri fatti che il pubblico ufficiale attesta avvenuti in sua presenza o da lui compiuti.“

Deutsch:93 „Die öffentliche Urkunde begründet bis zur Fälschungsklage vollen Beweis über die Herkunft der Urkunde von der Amtsperson, die sie errichtet hat, sowie über die Erklärungen der Parteien und über die anderen Tatsachen, welche die Amtsperson als in ihrer Anwesenheit vorgefallen oder von ihr vorgenommen bestätigt.“

Demgegenüber wird in Mitgliedstaaten, die kein spezielles Verfahren kennen, sondern einen inzidenten Beweis der unrichtigen Beurkundung vorsehen, die Beweiskraft öffentlicher Urkunden anhand ihrer Reichweite und damit verbundenen Einschränkung der freien richterlichen Beweiswürdigung definiert. Die erhöhte Beweiskraft der öffentlichen Urkunde ist hier in der formellen Beweiskraft festgeschrieben, wonach die Urkunde den vollen Beweis über den beurkundeten Vorgang erbringt.94 90  Siehe hierzu Malaurie/Morvan, Introduction au droit, Rn. 251; Malinvaud, Introduction à l’étude du droit, Rn. 550; ferner Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109. 91  Übersetzung von der Verfasserin. 92 Vgl. Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 51; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 427; ferner Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 140. 93 Übersetzung übernommen aus der deutschen Ausgabe des italienischen Zivilgesetzbuches, übersetzt von Bauer, Max/Eccher, Bernhard/König, Bernhard/Kreuzer, Josef/Zanon, Heinz, aktualisiert durch das Amt für Sprachangelegenheiten, Stand 31.5.2015. 94  Bajons, Schlussbemerkung, in: Nagel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence, Rn. 58.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

So begründen deutsche öffentliche Urkunden, die eine vor einer Behörde oder Urkundsperson abgegebene Erklärung eines Dritten wiedergeben, gem. § 415 Abs. 1 ZPO „vollen Beweis des durch die Behörde oder Urkundsperson beurkundeten Vorganges“.95 Nach § 418 Abs. 1 ZPO begründet auch die sogenannte Zeugnisurkunde, in der die Urkundsperson über selbst vorgenommene oder wahrgenommene Vorgänge und Tatsachen berichtet, „vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen“.96 Der beurkundete Vorgang, sprich die niedergeschriebenen Tatsachen, erbringen „vollen Beweis“, sodass der Richter diese seiner Tatsachenentscheidung zugrunde zu legen hat, ohne sie frei würdigen zu können.97 Die §§ 415–418 ZPO schränken somit den gem. § 286 Abs. 1 ZPO allgemein geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung – entsprechend der in § 286 Abs. 2 ZPO geregelten Ausnahme – ein.98 In gleicher Weise bestimmt der österreichische § 292 Abs. 1 östZPO, öffentliche Urkunden „begründen vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt, oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird“.99 Auch hiernach ist der Richter aufgrund des „vollen“ Beweises gem. § 292 Abs. 1 östZPO an die Angaben der öffentlichen Urkunde gebunden, sodass er diese – entgegen dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gem. § 272 Abs. 1 östZPO – nicht frei würdigen kann.100 Ähnlich wird die Beweiskraft spanischer öffentlicher Urkunden in Art. 319 Abs. 1 LEC normiert. Dieser lautet wie folgt: Art. 319 Abs. 1 LEC: „Con los requisitos y en los casos de los artículos siguientes, los documentos públicos comprendidos en los números 1. a 6. del artículo 317 harán prueba plena del hecho, acto o estado de cosas que documenten, de la fecha en que se produce esa documentación y de la identidad de los fedatarios y demás personas que, en su caso, intervengan en ella.“

95  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 25, Rn. 35; Preuß, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 415, Rn. 21; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 24. 96  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 25, Rn. 86; Preuß, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 418, Rn. 1. 97 Vgl. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 25, Rn. 17; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 2; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 26. 98  Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Vor § 415, Rn. 8; Greger, in: Zöller/ZPO, ZPO, § 286, Rn. 3; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 286, Rn. 71; Prütting, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 286, Rn. 24 f. 99  Siehe hierzu Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 953; Rechberger, in: Rechberger, ZPO, Vor § 292, Rn. 15, § 292, Rn. 1; Rechberger, in: Rechberger/Simotta, öst. Zivilprozeßrecht, Rn. 858; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621,625 f. 100  Bajons, Österreich, in: Nagel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence, Rn. 17 ff., 19, 53; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 821, 953; Rechberger, in: Rechberger, ZPO, § 272, Rn. 4; Rechberger, in: Rechberger/Simotta, öst. Zivilprozeßrecht, Rn. 811, 623; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 626.



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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Deutsch:101 „Eine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 317 Nr. 1 bis 6 erbringt vollen Beweis über die in ihr beschriebenen Tatsachen, Handlungen oder Zustände, ferner über ihr Ausstellungsdatum, die Identität der Aussteller und sonstigen Personen, die an der Errichtung teilgenommen haben.“

Laut Art. 319 Abs. 1 LEC erbringt die öffentliche Urkunde prueba plena über die beurkundeten Tatsachen und Handlungen. Das Gericht ist demgemäß in seiner Beweiswürdigung hinsichtlich der beurkundeten Feststellungen gebunden. Dies stellt eine Ausnahme zum auch in Spanien allgemein geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung dar.102 Trotz unterschiedlicher Ausgestaltung des Verfahrens zur Widerlegung der Beweiskraft öffentlicher Urkunden, zeigen alle nationalen Regelungen die gemeinsame Intention auf, die Schwierigkeit der Widerlegung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden hervorzuheben.103 Auch wenn die Widerlegung nicht unmittelbar Teil der Definition der Beweiskraft ist, wie bei den Rechtsordnungen, die ein besonderes Verfahren der Falschheitsbehauptung vorsehen; so wird die Widerlegung in den Rechtsordnungen, die den Beweis der unrichtigen Beurkundung inzident zulassen, im Zusammenhang mit der Beweiskraft normiert. Beispielsweise wird der Beweis des Gegenteils für deutsche öffentliche Urkunden in § 415 Abs. 2 und § 418 Abs. 2 ZPO geregelt.104 Ähnlich ordnet für österreichische Urkunden § 292 Abs. 2 östZPO an: „Der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung ist zulässig“.105 So wird der Beweis der unrichtigen Beurkundung zwar systematisch getrennt in einem anderen Absatz als die formelle Beweiskraft geregelt, jedoch in derselben Vorschrift wie diese. Es wird somit deutlich, dass die Widerlegung der formellen Beweiskraft unabhängig von ihrer verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden immanent ist. Zugleich unterstreichen alle mitgliedstaatlichen Regelungen die Bindung des Gerichts hinsichtlich der Tatsachenentscheidung des Richters als unmittelbare prozessuale Konsequenz der formellen Beweiskraft. Denn entweder ist 101  Übersetzung übernommen aus Schwonke/Tölg, Spanien, in: Nagel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence, Rn. 43. 102  Schwonke/Tölg, Spanien, in: Nagel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence, Rn. 15 f., 43. 103 Vgl. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33. 104  Zu § 415 Abs. 2 ZPO: Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 32 ff.; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 11 ff.; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 28 ff. Zu § 418 Abs. 2 ZPO: Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 418, Rn. 21 ff.; Huber, in: Musielak/ Voit, ZPO, § 418, Rn. 5 f.; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 418, Rn 8 f. 105 Siehe hierzu Bajons, Österreich, in: Nagel/Bajons, Beweis  – Preuve  – Evidence, Rn. 53; Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 56; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 953; Rechberger, in: Rechberger/Simotta, öst. Zivilprozeßrecht, Rn. 825, 858; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 626.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

das Gericht bis zum Beweis des Gegenteils an die beurkundeten Tatsachen gebunden oder bis zur Falschheitserklärung durch ein eigens dafür vorgesehenes Verfahren. Unabhängig von der mitgliedstaatlichen Ausgestaltung der Widerlegung, schränkt die formelle Beweiskraft stets die freie richterliche Beweiswürdigung ein.106 Besonders hervorzuheben ist eine weitere unionsweite Gemeinsamkeit in Bezug auf öffentliche Urkunden. Es ist stets möglich, eine öffentliche Urkunde materiellrechtlich zu entkräften.107 In allen durch die Studie evaluierten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wird die formelle Beweiskraft bezüglich der festgestellten Tatsachen auf der Ebene des verfahrensrechtlichen Beweisrechts von der materiellrechtlichen Ebene strikt getrennt.108 Derart können materiellrechtliche Elemente, selbst wenn sie sich aus den in der Urkunde enthaltenen Tatsachen ergeben, stets überprüft werden, da sie nicht Teil der formellen Beweiskraftwirkung der Urkunde sind. Die öffentliche Urkunde bezeugt nicht die inhaltliche (materielle) Richtigkeit der beurkundeten Erklärungen.109 Die Frage, ob die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen der Wahrheit entsprechen, wird durch die öffentliche Urkunde nicht bewiesen.110 Die materiell-rechtliche Beurteilung der öffentlichen Urkunde ist von ihrer formellen Beweiskraft strikt zu trennen. Zur Verdeutlichung der Differenzierung wird in der deutschen Literatur die Frage der inhaltlichen Richtigkeit, die der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegt, als materielle Beweiskraft bezeichnet.111 Die von der materiellen Beweiskraft zu unterscheidende formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde beweist einzig die Abgabe der Erklärungen, also die Tatsache, dass die Erklärung tatsächlich mit dem in der Urkunde festgehaltenen Wortlaut abgegeben wurde.112 106  Vgl. hierzu auch Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 31; CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60 (rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien); Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Geimer, IZPR, Rn. 2330o; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 34. 107 Vgl. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33 f.; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 845. 108  Vgl. i. E. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33. 109  Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 49. Zum deutschen Recht: Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 28; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers. §  415, Rn. 10 f.; Preuß, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 415, Rn. 7. 110  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60 (rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien). 111  Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Vor § 415, Rn. 8; Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor § 415, Rn. 7; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers. § 415, Rn. 9 f.; Krafka, in: BeckOK/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 7; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45. Hierzu auch bereits unter § 5 I., S. 112 f. 112  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 60 (rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien); Rechberger, in: Rechberger, Europäischer



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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So ist namentlich die formelle Beweiskraft hinsichtlich der beurkundeten Aspekte eines öffentlichen Testaments von seiner materiellrechtlichen Gültigkeit zu unterscheiden. Unabhängig von jedweder formellen Beweiskraftwirkung eines öffentlichen Testaments kann dieses jederzeit aus materiellrechtlichen Gründen angefochten und eine darin enthaltene Erklärung somit rechtlich beseitigt werden.113 Derart können Einwände gegen die formelle oder materielle Wirksamkeit des notariellen Testaments eingebracht werden. Beispielweise kann im Rahmen eines Verfahrens trotz Vorlage eines öffentlichen Testaments und seiner formellen Beweiskraftwirkung der Beweis eines bisher unbekannten Kindes des Erblassers die materielle Erbfolge einer testamentarischen notariellen Anordnung ändern. Folglich umfasst die formelle Beweiskraft im Sinne der mitgliedstaatlichen nationalen Rechtsordnungen nicht die inhaltliche Richtigkeit und Wirksamkeit des in der Urkunde enthaltenen Rechtsgeschäfts oder Rechtsverhältnisses.114 Auch wenn die abgegebenen und in der öffentlichen Urkunde niedergeschriebenen Erklärungen der Partei/en von der formellen Beweiskraft erfasst werden, bedeutet dies lediglich, dass deren Existenz bzw. tatsächliche Abgabe, so wie in der Urkunde festgehalten, nicht mehr in Frage gestellt werden kann.115 Die aus den Erklärungen resultierenden Rechtsfolgen sind kein Teil der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Diese werden nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren Recht beurteilt.116 Es herrscht somit eine mitgliedstaatlich übergreifende Einigkeit darüber, die materiellrechtliche Gültigkeit der beurkundeten Rechtsgeschäfte oder -verhältnisse von der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden zu differenzieren.117 Schließlich kann festgehalten werden, dass in allen Mitgliedstaaten der EuErbVO, die öffentliche Urkunden als Rechtsinstitut kennen, diese automatisch, d. h. ohne zusätzliches Überprüfungsverfahren, eine im Vergleich zu anderen Beweismitteln erhöhte besondere Beweiskraftwirkung entfalten. Die Funktion der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde ist dabei, ein Beweismittel mit einer verstärkten Beweiskraft hinsichtlich der beurkundeten Tatsachen und Handlungen, welche die Urkundsperson selbst überprüft, wahrgenommen Rechtsraum, S. 5, 15; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 49; i. E. auch Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. Zum deutschen Recht Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 28; Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor § 415, Rn. 6; Preuß, in: Prütting/ Gehrlein, ZPO, § 415, Rn. 6. 113  Hierzu und zum Folgenden Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 33 f. 114  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4 (zur EuErbVO-E); Wautelet, in: Bonomi/ Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 49. 115  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 49. 116  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 49; ferner Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2. 117  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4 (zur EuErbVO-E).

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

oder vorgenommen hat, darzustellen. Dabei beruht die formelle Beweiskraft stets auf dem Vertrauen in die hoheitlich delegierte Urkundsperson, sodass die durch solch eine Person beurkundeten Tatsachen nur schwerlich in Frage gestellt werden können. Diese gemeinsame europäische Wurzel begrenzt sich allerdings unionsweit auf die durch die Urkundsperson bezeugten Tatsachen, wie sie beispielsweise auch in EG 62 S. 2 EuErbVO dargelegt werden. Von der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde wird in allen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen der rechtliche Inhalt der Urkunde differenziert, da die Urkundsperson diesbezüglich keine Kontrolle ausübt. Somit verdeutlicht die unionsweite Studie, dass in allen nationalen Rechtsordnungen die Unterscheidung zwischen der sich lediglich auf das instrumentum beziehenden Beweiskraft und dem in der Urkunde enthaltenen bzw. daraus resultierenden materiellrechtlichen Inhalt, dem negotium, praktiziert wird.118 In allen nationalen Rechtsordnungen wird die starke formelle Beweiskraftwirkung mit der Urkunde als äußeren Träger (instrumentum) verknüpft, wovon der innere Urkundengehalt (negotium) und dessen Wirksamkeit und Rechtsfolgen getrennt werden.119 Durch die rechtsvergleichende Bestandsaufnahme wurde gezeigt, dass in den Mitgliedstaaten der EuErbVO ein übereinstimmendes Grundverständnis in Bezug auf die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden besteht: Die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden zeichnet sich dadurch aus, dass sie aufgrund der Errichtung durch eine staatlich delegierte Autorität im Vergleich zu Privaturkunden eine erhöhte Beweiskraft hat. Daher ist die formelle Beweiskraft an die persönlichen Feststellungen der errichtenden Urkundsperson gebunden. Hinsichtlich der beurkundeten Feststellungen entfaltet die öffentliche Urkunde eine weitreichende Bindungswirkung für Gerichte bei der Tatsachenentscheidung. Die formelle Beweiskraft ist widerlegbar. Die Widerlegung unterliegt jedoch hohen Anforderungen. Von der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden nicht erfasst ist die materiell-rechtliche Richtigkeit und Wirksamkeit des beurkundeten Inhalts. Die herausgearbeitete mitgliedstaatlich übergreifend geltende Konzeption der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden kann als „Begriffskern“120 zur Qualifikation des Anknüpfungsgegenstandes des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO herangezogen werden. Die Qualifikation und die dafür erforderliche Auslegung europäischer Rechtsakte erfolgt zwar grundsätzlich verordnungsautonom, allerdings kann das nationale gemeinsame Vorverständnis der Mitgliedstaaten der 118  Zur Unterscheidung zwischen instrumentum und negotium bereits ausführlich unter § 5 I., S. 110 ff. 119 Vgl. Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45. Hierzu bereits ausführlich unter § 5 I., S. 110 ff. 120  Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 758.



§ 9  Mitgliedstaatlicher Hintergrund

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EuErbVO hinsichtlich des Rechtsinstituts der formellen Beweiskraft als Grundlage für einen europäisch-einheitlichen Begriff dienen. Das Recht der Europäischen Union stellt das gemeinsame Recht aller Mitgliedstaaten dar.121 Indem das Unionsrecht auf den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen aufbaut, hängt es zugleich in gewisser Weise davon ab. Beide Rechtssysteme stehen, wie bereits erwähnt, in einem wechselseitigen und zusammenwirkenden Verhältnis zueinander.122 Insbesondere hinsichtlich des europäischen Kollisionsrechts ist zu beachten, dass das Kollisionsrecht dazu dient, die nationale Rechtsordnung eines Mitgliedstaates für anwendbar zu erklären. Das Kollisionsrecht stellt derart eine „Rahmenordnung“123 dar. Diese Rahmenordnung beruht auf den in ihr liegenden nationalen Rechtsordnungen. Wie das autonome Kollisionsrecht eines Staates im Grunde trotz seiner Autonomie auf dem jeweiligen nationalen Rechtsverständnis und den innerstaatlichen Wertungen beruht,124 beruht das europäische Kollisionsrecht in gleicher Weise auf dem gemeinsamen Rechtsverständnis aller Mitgliedstaaten der EU.125 Würde das europäische Kollisionsrecht eine Materie regeln, die es in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht gibt, würde diese Kollisionsnorm nie zur Anwendung gelangen, da sich die Rechtsfrage nicht stellen würde und nicht bestimmt werden müsste, welches Recht darüber zu entscheiden hat. Namentlich auf Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bezogen würde es an einer zu erstreckenden Wirkung fehlen, wenn der Funktionsbegriff des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO eine Materie umfasste, die es in der gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO für anwendbar erklärten nationalen Rechtsordnung des Ursprungsstaates der Urkunde nicht gibt. Es würde an einer „Grundlage einer Wirkungserstreckung“ fehlen.126 Aus diesem Grunde ist das soeben aufgezeigte übereinstimmende Grundverständnis der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden als Basis für ein europäisches Konzept zu nutzen. Das gemeinsame mitgliedstaatliche Fundament ist neben der verordnungsautonomen Auslegung127 anhand der klassischen Auslegungscanones des Anknüpfungsgegenstandes des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zur Determinierung eines europäischen Begriffs der formellen Beweiskraft einzubeziehen. Anzumerken ist zuletzt, dass an dieser Stelle nur die unionsweiten Gemeinsamkeiten des Rechtsverständnisses in Bezug auf die Beweiskraft öffentlicher Urkunden in Erbsachen erörtert wurden. Das Ziel der vorgenommenen Unter121  122 

Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 914. S. o. unter § 8, S. 181 f. 123  Grundmann, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 9, Rn. 11. 124 Vgl. Kropholler, IPR, S. 33, 124 f.; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 749 f. 125  Vgl. hierzu Kropholler, IPR, S. 104 f.; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 756 ff. 126  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 4 (zur EuErbVO-E). Zur Wirkungserstreckung siehe unter § 6 I., S. 136 ff. 127  Hierzu sogleich unter § 10, S. 198 ff.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

suchung war einen gemeinsamen mitgliedstaatlichen Kern zu Qualifikation des Anknüpfungsgegenstandes der formellen Beweiskraft herauszuarbeiten. Dies soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der Beweiskraftwirkungen trotzdem beachtliche Unterschiede herrschen. Denn die nationalen Verfahrensrechte der einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden sich erheblich voneinander, sodass auch die innerstaatlichen Funktionen und Ausgestaltungen der Beweiskraftwirkungen öffentlicher Urkunden entsprechend variieren.128 Deshalb ist zur Bestimmung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im konkreten Fall die Anwendung des gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anzuwendenden Ursprungsrecht der Urkunde geboten.129

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft Der Begriff der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden, der Anknüpfungsgegenstand der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO,130 soll nun verordnungsautonom ausgelegt werden. Hierzu werden die traditionellen Auslegungskriterien herangezogen, wobei entsprechend der Rechtsprechung des EuGH131 der Schwerpunkt auf die Zielsetzung und Systematik der Vorschrift gesetzt werden soll sowie europäische Besonderheiten berücksichtigt werden sollen.

I. Wortlaut Die Annahme ist dem deutschen Wortlaut nach sowohl in Art. 59 Abs. 1 als auch in EG 61 S. 1 EuErbVO ausdrücklich auf die „formelle Beweiskraft“ beschränkt. Die Formulierung der deutschen Sprachfassung unterscheidet sich auf den ersten Blick von den anderen Sprachfassungen der Verordnung. So lautet die französische Formulierung „force probante“, die englische „evidentiary effects“ oder die spanische „valor probatorio“. Die Präzisierung „formelle“ findet sich allein in der deutschen, nicht hingegen in den anderen Sprachfassungen. Es stellt sich daher die Frage, warum in der deutschen Fassung die Annahme 128 Vgl. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 15; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4; hierzu ferner Stürner, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 47, 53, 65; i. E. auch Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 627. 129  A. A. Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20 (Anwendung der lex fori außer in Schweden, Finnland, Zypern). 130  Hierzu unter § 5 II. 1., S. 113 ff. 131  S. o. unter § 8, S. 181 f.

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 199



explizit auf die formelle Beweiskraft beschränkt ist. Fraglich ist, ob es eine bewusste Entscheidung des Unionsgesetzgebers war. Wenn dies der Fall ist, stellt sich weiter die Frage, welche Bedeutung dem Zusatz „formelle Beweiskraft“ zukommt. Andernfalls stellt sich die Frage, ob es sich um eine sprachliche Inkohärenz handelt, die im Wege der autonom-wörtlichen Auslegung den anderen Sprachfassungen anzugleichen ist. Aus der EuErbVO selbst lässt sich nicht unmittelbar ein Grund für die Beschränkung der Annahme auf die formellen Beweiskraftwirkungen entnehmen.132 Dutta führt hierzu aus, dass sämtliche Beweiswirkungen der Urkunde hierunter zu subsumieren sind, die diese nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates in einem Verfahren entfaltet. Formell bedeute verfahrensbezogen. Da jedoch ohnehin sämtliche Beweiswirkungen verfahrensbezogen seien, erscheine dieser Zusatz überflüssig. Dementsprechend können andere Sprachfassungen als die deutsche auf die Einschränkung verzichten.133 Dieser Argumentation folgend könnte im Wege einer verordnungsautonomen Auslegung der deutsche Begriff „formelle Beweiskraft“ auch schlicht auf „Beweiskraft“ reduziert werden. Der Erklärung Duttas, der Begriff der formellen Beweiskraft sei so auszulegen, dass hiermit alle verfahrensbezogenen Beweiswirkungen gemeint sind, ist zuzustimmen. Der Grund hierfür liegt in erster Linie in der dogmatischen Charakteristik des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm.134 Denn die Vorschrift verweist als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm auf die Ursprungsrechtsordnung der öffentlichen Urkunde zur Bestimmung ihrer formellen Beweiskraftwirkung. Sachlich beschränkt die Norm ihren Anwendungsbereich dadurch auf Tatbestandsebene auf die Rechtsfrage der formellen Beweiskraft und folglich auf die Verfahrensvorschriften der anwendbaren Rechtsordnung, die die formelle Beweiskraft regeln. Nichtsdestotrotz ist die deutsche Wortlautformulierung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht unberechtigt. Die Verwendung des Begriffs lässt sich aufgrund der Entstehungsgeschichte nachvollziehen und zudem durch einen Vergleich mit den anderen Sprachfassungen einschließlich der jeweiligen Rechtsverständnisse erklären. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erscheint der deutsche Zusatz „formelle Beweiskraft“ berechtigt und sinnvoll. Die ursprüngliche Fassung des Art. 34 EuErbVO-E lautete: „die in einem Mitgliedstaat aufgenommenen öffentlichen Urkunden werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt“. Nachdem der Entwurf der Kommission sich der 132 

Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10. Zum Ganzen Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10. Zustimmend Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. 134  Zur dogmatischen Einordnung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO siehe bereits unter § 5 II. 1., S. 113 ff. 133 

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

scharfen Kritik ausgesetzt sah, eine Rechtslagenanerkennung im Bereich öffentlicher Urkunden in Erbsachen normieren zu wollen, wurde die Vorschrift sowohl strukturell als auch begrifflich geändert.135 Die endgültige Fassung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist daher nicht mehr anerkennungsrechtlich aufgebaut und formuliert.136 Durch die Präzisierung, dass allein die „formelle Beweiskraft“ grenzüberschreitend wirken soll, betont der Verordnungsgeber, dass er eine Rechtslagenanerkennung nicht gewollt hat. So hebt Münch zu Recht hervor, dass die „Beifügung des Adjektivs sehr guten Sinn!“ macht.137 Gegenständlich wird die anzunehmende Beweiswirkung hierdurch ausdrücklich auf das instrumentum einer Urkunde beschränkt. Die materielle Beweiskraft, die das negotium einer Urkunde betrifft, soll von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO unberührt bleiben.138 Hätte der Verordnungsgeber in der deutschen Sprachfassung auf den Zusatz „formelle“ verzichtet, wäre der Wortlaut zwar ebenfalls verordnungsautonom so zu verstehen gewesen, dass der Anknüpfungsgegenstand des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dessen sachlichen Anwendungsbereich lediglich auf die Beweiswirkungen begrenzte, welche das instrumentum betreffen. Es hätte jedoch das Risiko bestanden, dass der schlichte Begriff „Beweiskraft“ derart hätte ausgelegt werden können, dass die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde insgesamt anzunehmen wäre. Dann wäre nach dem deutschen Rechtsverständnis sowohl die formelle als auch die materielle Beweiskraft der Urkunde vom Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO möglicherweise erfasst gewesen. Denn im deutschen Rechtsverständnis wird die äußere bzw. formelle Beweiskraft der inneren bzw. materiellen gegenübergestellt.139 Die Beweisregeln der ZPO normieren nur die formelle Beweiskraft.140 Die materielle Beweiskraft bezeichnet die inhaltliche 135 

Zur Entstehungsgeschichte bereits ausführlich unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff. Siehe hierzu ausführlich unter § 5 II. 2. b), S. 133 ff. 137  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45. 138 Ausdrücklich Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 269; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 8; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3, 33; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 27; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3, 48 f.; so auch d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 224 f., Fn. 89; i. E. Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43; Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Callé, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 231, 233; Carrascosa González, El Reglamento Sucesorio Europeo, S. 314; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 161, Rn. 396 ff.; Kindler/Kränzle, in: Groll, Erbrechtsberatung, E., Rn. 310; R. Magnus, in: BeckOGK, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 21; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 153 f., 158; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 19, 73. 139  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 25, Rn. 17; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers. § 415, Rn. 9 f.; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45. Siehe hierzu bereits oben unter § 5 I., S. 110 ff. 140  Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, §  415, Rn. 31; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 120, Rn. 32. 136 

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 201



Richtigkeit der Urkunde und unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts nach § 286 ZPO.141 Die schlichte Wortlautformulierung „Beweiskraft“ hätte solch eine weite Auslegung zumindest nicht ausgeschlossen. Die grenzüberschreitende Wirkung der materiellen Beweiskraft würde allerdings bedeuten, dass die inhaltliche Wirksamkeit und Richtigkeit der Urkunde nicht mehr überprüft werden könnten und somit nicht mehr der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterlägen. Folglich würde ein im Ausland beurkundeter Rechtsakt im Inland als wirksam behandelt werden, ohne dessen Wirksamkeit nach dem auf die Rechtslage kollisionsrechtlich anwendbaren Recht zu prüfen.142 Dies würde eine Rechtslagenanerkennung darstellen, die aber vom Verordnungsgeber nicht gewollt ist.143 Indem der deutsche Wortlaut ausdrücklich die anzunehmende Beweiswirkung auf die „formelle Beweiskraft“ beschränkt, steht er einer Auslegung, die eine Rechtslagenanerkennung befürworten würde, explizit entgegen. Angesichts der kontroversen Entstehungsgeschichte der Norm scheint eine Klarstellung durch den Wortlaut durchaus angebracht. Auf diese Weise wird eine anderweitige Auslegung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bereits durch den Wortlaut ausgeschlossen. Des Weiteren lässt sich die deutsche Sprachfassung vor dem Hintergrund linguistischer Besonderheiten der Rechtssprache erklären. Bei der – insbesondere wörtlichen – Auslegung von EU-Rechtstakten ist zwar stets zu beachten, dass der Verordnungsbegriff europäisch-autonom und somit unabhängig von nationalen Begriffsauffassungen auszulegen ist; dies bedeutet jedoch nicht, dass nationale Verständnisse gänzlich unbeachtet bleiben sollen.144 Denn das EU-Recht und dessen Wortlaut entstammt regelmäßig nationalen Vorstellungen,145 sodass sich aus diesem heraus und dessen Rechtsverständnis Indizien für eine verordnungsautonome Auslegung ergeben können.146 Dabei muss allerdings stets bedacht werden, dass das Auslegungsziel eine autonome Wortbedeutung ist.147 Denn nur so kann eine einheitliche 141 

Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 415, Rn. 31; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers. § 415, Rn. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 120, Rn. 32; Teske, Der Urkundenbeweis, S. 123. 142 Vgl. Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 20; Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, S. 121, 122; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393; Lagarde, in: Lagarde, La reconnaissance des situations en DIP, 19, 19; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 715; P. Mayer, in: Mélanges Lagarde, 2005, S. 547, 560; Wagner, FamRZ 2011, 609, 609. 143  Hierzu ausführlich unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff. und b), S. 133 ff. 144 Vgl. Kropholler, IPR, S.  81; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 337; Schwartze, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 4, Rn. 25; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 61. Ferner Daig, in: FS Zweigert, 1981, S. 395, 400 ff. 145  Daig, in: FS Zweigert, 1981, S. 395, 410; Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 590. 146  Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 16. 147  Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 590.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Rechtsanwendung gewährleistet werden.148 Hierbei ist vor allem der spezifische Gesetzessprachgebrauch zu berücksichtigen.149 Denn juristische Fachbegriffe haben innerhalb ihrer jeweiligen Rechtsordnung ihre eigene Bedeutung, für die es in anderen Rechtsordnungen womöglich kein entsprechendes Pendant gibt.150 Dergestalt kann es sich sogar als zweckmäßig erweisen, in den jeweiligen Sprachversionen eines vereinheitlichten Rechtsakts unterschiedliche Begrifflichkeiten zu verwenden.151 Auf diese Weise können mit den juristischen Termini verbundene Konzepte übermittelt werden, die wiederum dem einheitlichen Verständnis entsprechen, das vermittelt werden soll. Durch unterschiedliche Begriffe in den verschiedenen Sprachfassungen können Widersprüche vermieden werden und das Regelungsziel deutlicher übermittelt werden als mit einer wortwörtlichen Übersetzung, die das damit verbundene Rechtsverständnis nicht beachtet hätte. Leichte Abweichungen des Wortlauts in unterschiedlichen Sprachfassungen können daher hilfreich sein, wenn hierdurch verschiedene Interpretationsmöglichkeiten verhindert werden.152 Vorliegend ist die deutsche Sprachfassung nicht nur für deutsche, sondern ebenso für österreichische Anwender von Bedeutung. Daher drängt sich die Frage auf, ob der Begriff „formelle Beweiskraft“ in beiden Rechtsordnungen unterschiedliche Bedeutungen hat oder gleich verstanden wird. Wenn dem juristischen Terminus in Deutschland und Österreich die gleiche Bedeutung zukommt, ist weiter zu überprüfen, ob die anderen Sprachfassungen diesem Verständnis widersprechen oder sich ebenfalls in diesem Sinne verstehen lassen. Wenn ersteres der Fall ist, sprich die Sprachfassungen derart voneinander abweichen, dass die wörtliche Auslegung zu keinem ergiebigen Ergebnis führt, muss auf die anderen Auslegungscanones zurückgegriffen werden.153 Wenn letzteres zutrifft, d. h. die Begriffsbedeutungen im deutschen und österreichischen Recht übereinstimmen, ist der präzisere Terminus der Sprachfassung als Auslegungshilfe zur verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft heranzuziehen. Denn eine im Verhältnis zu anderen Sprachfassungen präzisere Formulierung kann sich als vorteilhaftes Mittel 148 

Kropholler, in: FS MPI, 2001, S. 583, 590. Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 17. Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 338. 151 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Dannemann/Ferreri/Graziadei, in: Twigg-Flesner, European Union Private Law, S. 70, 81. 152  Dannemann/Ferreri/Graziadei, in: Twigg-Flesner, European Union Private Law, S. 70, 74. 153  Vgl. EuGH, Urteil v. 27.10.1977, Rs. 30/77, Regina ./. Bouchereau, Slg. 1977, I-01999, Rn. 14; EuGH, Urteil v. 8.12.2005, Rs. C-280/04, Jyske Finans, Slg. 2005, I-10683, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 25.4.2013, Rs. C-89/12, Bark, Rn. 40; EuGH, Urteil v. 9.4.2014, Rs. C-616/11, T-Mobile Austria, Rn. 32; Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 345; Stotz, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 22, Rn. 12. 149  150 

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 203



zur einheitlichen Auslegung erweisen. Wird in einer Sprachfassung ein spezifischer juristischer Begriff verwendet, so kann diesem Fachterminus einschließlich seiner rechtlichen Bedeutung der Vorzug gegenüber anderen Fassungen eingeräumt werden, wenn sich auch die anderen Sprachversionen derart verstehen lassen.154 Fraglich ist somit zunächst, ob das österreichische Recht ebenfalls den Begriff der formellen Beweiskraft kennt und wenn ja, welches Rechtsverständnis hiermit zusammenhängt. Im österreichischen Recht wird anhand derselben Begrifflichkeiten wie im deutschen Beweisrecht zwischen der formellen und materiellen Beweiskraft unterschieden.155 Auch nach österreichischem Recht bezeugt die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, dass die beurkundeten Erklärungen durch den benannten Aussteller abgegeben wurden.156 Nach § 292 Abs. 1 östZPO begründen öffentliche Urkunden „vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt, oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird“. Welche Bedeutung der Urkundeninhalt für das konkrete Beweisthema hat, ist nach österreichischem – wie nach deutschem – Recht hingegen Teil der materiellen Beweiskraft.157 Der Begriff der „formellen Beweiskraft“ wird somit in beiden nationalen Rechtsordnungen, die diese Sprachfassung unmittelbar anwenden, als juristischer Fachbegriff gleich verstanden. Fraglich ist nun, ob die anderen Sprachfassungen dieser Bedeutung widersprechen oder sie vielmehr auch in diesem Sinne verstanden werden können. Die französische Sprachfassung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO verwendet den Begriff „force probante“. Allein diese stellt die anzunehmende Beweiswirkung dar. Nach französischem Begriffsverständnis wird mit force probante der Beweiswert eines Rechtsaktes in Bezug auf die zu beweisenden Tatsachen bezeichnet.158 Zur Benennung der materiellen Richtigkeit des Inhalts der Urkun-

154 

Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10, Rn. 17. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 950; Fucik, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 74, Rn. 4; Rechberger, in: Rechberger, ZPO, Vor § 292, Rn. 15; Rechberger, in: Rechberger/Simotta, öst. Zivilprozeßrecht, Rn. 858; vgl. ferner Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 626. 156  Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 950; Fucik, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 74, Rn. 4; Rechberger, in: Rechberger, ZPO, § 292, Rn. 1; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 625. 157 Zum österreichischen Recht Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 950; Rechberger, in: Rechberger/Simotta, öst. Zivilprozeßrecht, Rn. 858; Rechberger, in: Rechberger, ZPO, § 292, Rn. 3. Zum deutschen Recht Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 3; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 26. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers. § 415, Rn. 10. 158  Cornu/Association Henri Capitant, Vocabulaire juridique, S. 470. 155 

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de wird im Französischen hingegen von „efficacité substantielle“159 oder auch von „validité et effets de la convention“160 gesprochen. Auch in der spanischen Rechtssprache wird einzig von „valor probatorio“ (wie in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO) oder „fuerza probatoria“ gesprochen, um die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden zu bezeichnen.161 So lautet der Titel des Art. 319 LEC, der die Beweiskraft öffentlicher Urkunden normiert, „Fuerza probatoria de los documentos públicos“. Die hiervon zu trennende inhaltliche Richtigkeit der in der Urkunde enthaltenen Erklärungen wird im Spanischen mit verdad instínseca benannt.162 Demnach stimmen die verschiedenen Sprachfassungen trotz unterschiedlicher Wortlautformulierungen sinngemäß überein. Auch wenn sich die Sprachfassungen auf den ersten Blick von der deutschen unterscheiden, indem sie auf das Adjektiv „formelle“ verzichten, widerspricht dies nicht dem soeben dargelegten – deutschen bzw. österreichischen – Begriffsverständnis. Vielmehr decken sich die Rechtsverständnisse in Bezug auf den gewählten Terminus des Anknüpfungsbegriffs in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Die verwendeten juristischen Begriffe vermitteln in den verschiedenen Sprachfassungen der EuErbVO die Begriffsauffassung, die auch dem exakten deutschen Begriff der „formellen Beweiskraft“ entspricht. Darüber hinaus sind in den anderen Sprachfassungen als der deutschen bzw. österreichischen auch ohne die Präzisierung „formelle“ keine Unklarheiten gegeben. Eine Auslegung, die eine Rechtslagenanerkennung befürworten würde, hätte im Wortlaut der anderen Sprachfassungen keine Stütze und kommt daher auf Grund der eindeutigen Begriffe zur formellen Beweiskraft in den anderen Sprachfassungen von vornherein  – auch ohne zusätzliches Adjektiv  – nicht in Betracht. Denn in den anderen Rechtsordnungen gibt es keine Begrifflichkeiten wie die deutsche formelle und materielle Beweiskraft. Anders als nach deutschem Sprachgebrauch haben die Rechtsbegriffe zur Benennung der äußeren und inneren Beweiskraft in den anderen Sprachen keinen gemeinsamen „Stamm“ wie den deutschen Begriff der „Beweiskraft“. Deshalb benötigen sie im Gegensatz zur deutschen Sprachfassung keine zusätzlichen Adjektive zur 159  Callé, L’acte public en droit international privé, S. 202, Rn. 394; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 845; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47; ähnlich d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 230 („effets substantiels“). 160 Vgl. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5; ähnlich Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297 („validité du contenu de l’acte“). 161 Vgl. Luis Vilchez, in: Abel Lluch/Picó i Junoy, Aspectos problemáticos en la valoración de la prueba civil, S. 50; Sacristán Represa, in: Fernández-Ballesteros/Rifá Soler/Valls Gombau, Comentarios a la nueva LEC, Art. 319, Rn. 6 ff.; Schwonke/Tölg, Spanien, in: Nagel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence, Rn. 40 ff. 162  Gimeno Sendra, Derecho procesal civil, S.  576; Luis Vilchez, in: Abel Lluch/ Picó i Junoy, Aspectos problemáticos en la valoración de la prueba civil, S. 50; Sacristán Represa, in: Fernández-Ballesteros/Rifá Soler/Valls Gombau, Comentarios a la nueva LEC, Art. 319, Rn. 10, 12.



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Unterscheidung der formellen und materiellen Beweiskraft. Denn der verwendete Begriff „force probante“ oder „valor probatorio“ bezeichnet bereits einzig die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde als instrumentum – entsprechend dem deutschen Terminus der formellen Beweiskraft. Folglich ist die Formulierung „formelle Beweiskraft“ in der deutschen Sprachfassung nicht überflüssig, sondern präzise. Vor dem Hintergrund der kontroversen Entstehungsgeschichte erscheint diese Präzisierung zudem ebenfalls notwendig. So verdeutlicht der deutsche klare Wortlaut, dass Art. 59 Abs. 1 EuErbVO lediglich das instrumentum und nicht das negotium der anzunehmenden öffentlichen Urkunde erfasst.163 Daher sollte bei der Anwendung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO der präzise deutsche Wortlaut vorzugsweise im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung beachtet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Begriff im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als europäischer Terminus zu verstehen ist. Auch wenn – oder gerade weil – es ein deutsches nationales Verständnis dieses Rechtsbegriffs gibt, kann dieses allenfalls als ein Auslegungsargument im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung, namentlich im Zusammenspiel mit systematischen, teleologischen sowie historischen Argumenten herangezogen werden. Der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist daher in allen Sprachfassungen der EuErbVO so zu verstehen, dass der Anknüpfungsgegenstand der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden alle – zugleich aber lediglich die – Beweiswirkungen erfasst, die sich auf die Urkunde als instrumentum beziehen.

II. Systematik Zur verordnungsautonomen Auslegung des Begriffs „formelle Beweiskraft“ in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sind im Folgenden systematische Überlegungen heranzuziehen. Denn sowohl die innere Systematik des fraglichen Rechtsaktes, d. h. des Art. 59 EuErbVO selbst, als auch die äußere Ordnung der EuErbVO als Ganzes betrachtet, stellen ein kohärentes System dar. Art. 59 EuErbVO besteht insgesamt aus vier Absätzen. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO beinhaltet die verfahrensrechtliche Kollisionsnorm zur Annahme der formellen Beweiskraft.164 Der Begriff der formellen Beweiskraft grenzt als Anknüpfungsgegenstand, wie bereits dargelegt,165 den sachlichen Anwendungsbereich der Kollisionsnorm – zugleich der Annahme – ein. Demgegenüber normieren die Absätze 2 und 3 des Art. 59 EuErbVO mögliche Einwände gegen die öffentliche Urkunde (1. und 2.). Der vierte und letzte Absatz der Vor163  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 8; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 45. 164  Siehe hierzu ausführlich unter § 5 II. 1., S. 113 ff. 165  Vgl. unter § 5 II. 1., S. 115.

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schrift stellt eine Vorfragenregelung dar (3.). Im Gegensatz zu Art. 59 Abs. 1 EuErbVO stellen alle drei weiteren Absätze Zuständigkeitsregelungen dar.166 Darüber hinaus wird der Begriff der öffentlichen Urkunde in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO legaldefiniert (4.).

1.  Art. 59 Abs. 2 EuErbVO Einwände mit Bezug auf die Authentizität einer öffentlichen Urkunde werden nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO sowohl den Gerichten als auch dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates der Urkunde zugewiesen. Die Authentizität ist ein verordnungsautonomer Begriff, wie in EG 62 S. 1 EuErbVO ausdrücklich erläutert wird. Erwägungsgrund 62 beschreibt den Begriff wie folgt: Die „Authentizität“ einer öffentlichen Urkunde sollte ein autonomer Begriff sein, der Aspekte wie die Echtheit der Urkunde, die Formerfordernisse für die Urkunde, die Befugnisse der Behörde, die die Urkunde errichtet, und das Verfahren, nach dem die Urkunde errichtet wird, erfassen sollte. Der Begriff sollte ferner die von der betreffenden Behörde in der öffentlichen Urkunde beurkundeten Vorgänge erfassen, wie z. B. die Tatsache, dass die genannten Parteien an dem genannten Tag vor dieser Behörde erschienen sind und die genannten Erklärungen abgegeben haben. Der verordnungsautonome Begriff der Authentizität erfasst derart mehrere Elemente, die herkömmlich getrennt behandelt werden.167 Vornehmlich umfasst der Begriff laut EG 62 S. 1 EuErbVO die Echtheit der Urkunde. Die Erläuterungen des EG 62 S. 2 EuErbVO entsprechen dem regelmäßigen Umfang der Beweiskraft von Urkunden. Bisher wurden Beweiskraft und Echtheit sowohl nach nationalen Rechtsordnungen als auch im internationalen Recht voneinander getrennt.168 So unterscheiden zum Beispiel das deutsche (§§ 415 ff. und § 437 ZPO) sowie das österreichische Recht (§ 292 und § 310 östZPO) die Echtheit und die Beweiskraft von Urkunden strikt voneinander. Auch die im Anwendungsbereich der EuErbVO nun entbehrlichen Verfahren der Legalisation oder Apostille (vgl. Art. 74 EuErbVO) erfassten einzig die Echtheit von Urkunden, nicht jedoch deren Beweiskraft.169

166  Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd.  III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14. 167 Vgl. Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 150, Rn. 25; Geimer, IZPR, Rn. 2330m. 168  Siehe zur Unterscheidung Hess/Jayme/Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, S. 44; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 737 f.; Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/C. Kohler, IPRax 2011, 335, 337. 169  Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 783; Schmidt, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. V, Nr. 761, 13.



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Allerdings enthalten alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, die das Institut der öffentlichen Urkunde kennen, eine Echtheitsvermutung für die jeweiligen inländischen öffentlichen Urkunden (z. B. § 437 ZPO in Deutschland, § 310 Abs. 1 östZPO in Österreich, Art. 455 grZPO in Griechenland, Art. 244 polZPO in Polen)170.171 Vor diesem Hintergrund lässt sich nachvollziehen, dass der europäische Begriff der Authentizität auch die Echtheit einer öffentlichen Urkunde erfasst.172 Dementsprechend hat auch Art. 74 EuErbVO, der die Entbehrlichkeit der Echtheitsnachweise der Legalisation oder Apostille normiert, für erbrechtliche Urkunden im Anwendungsbereich der EuErbVO lediglich klarstellenden Charakter.173 Dass die Zirkulation öffentlicher Urkunden im Anwendungsbereich der EuErbVO keiner Echtheitsnachweise bedarf, ergibt sich bereits direkt aus Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.174 Denn die Annahme der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde impliziert, dass es sich um eine authentische Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO handelt, somit um eine (zumindest vermutet) echte Urkunde – sprich dass die Urkunde tatsächlich von der Stelle errichtet wurde, die laut der Urkunde ihr Aussteller ist.175 Der verordnungsautonome Begriff der Authentizität erfasst ferner laut EG 62 S. 1 EuErbVO „die Formerfordernisse für die Urkunde“. Diesbezüglich ist anzumerken, dass hiermit die Formerfordernisse für die Urkunde als instrumentum gemeint sind, nicht jedoch die Formwirksamkeit des negotium.176 Letztere beurteilt sich nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren Formstatut.177 Wird die formelle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen bestritten, so handelt es sich um einen Einwand gem. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO,178 worüber das gem. Art. 27 EuErbVO anwendbare Recht entscheidet. Die in EG 62 S. 1 Eu170  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 56 (Österreich), S. 125 (Griechenland), S. 176 (Polen). 171  CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 61 (rechtsvergleichend für Deutschland, Frankreich, Polen und Rumänien). Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 32 (rechtsvergleichend für alle 22 Mitgliedstaaten, die das Institut einer öffentlichen Urkunde kennen); ferner Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10. 172  So wohl auch Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 737 f. 173  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 74, Rn. 10; R. Magnus, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 74, Rn. 7; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 74, Rn. 5. 174  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 737, Fn. 67; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 74, Rn. 5. 175  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 27; i. E. auch Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10. 176  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44; vgl. auch Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17. 177  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 9; Geimer, IZPR, Rn. 2330c; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 43. 178 Vgl. Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

ErbVO erläuterten „Formerfordernisse“ (auf Englisch „formal prerequisites“, auf Französisch „exigences de forme“) werden gemeinsam mit den „Befugnisse[n] der Behörde, die die Urkunde errichtet, und das Verfahren, nach dem die Urkunde errichtet wird“ aufgelistet. All diese Elemente beziehen sich auf das formelle Errichtungsverfahren der Urkunde als öffentlichen Akt – nicht hingegen auf die materiellrechtliche Wirksamkeit des Inhalts der Urkunde. Aufgelistet werden hier formal-prozessuale Erfordernisse der Urkunde.179 Münch spricht diesbezüglich von Förmlichkeiten im weiten Sinne, die Aspekte wie die Zuständigkeit, die Förmlichkeit im engen Sinne und das nationale Verfahrensrecht bezüglich der Beurkundung erfassen.180 Einwände nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO betreffen demnach die Verletzung von Vorschriften, welche die Ausübung der Tätigkeit der Errichtungsstelle bei der Anfertigung einer Urkunde normieren.181 Wird beispielsweise bezweifelt, dass das notarielle Amtssiegel tatsächlich dasjenige des die Urkunde erstellenden Notars ist, handelt es sich um einen Einwand hinsichtlich der „Formerfordernisse für die Urkunde“ i. S.d EG 62 S. 1 und Art. 59 Abs. 2 EuErbVO. Ebenfalls handelt es sich um einen Einwand gem. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO, wenn die örtliche Zuständigkeit des Notars bestritten wird.182 Der verordnungsautonome Begriff der Authentizität erscheint auf den ersten Blick sehr weit gefasst, da er sowohl Elemente der Beweiskraft einer Urkunde (EG 62 S. 2 EuErbVO) als auch die Echtheit sowie Verfahrens- und Formerfordernisse der Urkundserrichtung (EG 62 S. 1 EuErbVO) umfasst. Letztere stellen Errichtungsvoraussetzungen einer öffentlichen Urkunde dar, aus denen die formelle Beweiskraft als verfahrensrechtliche Folge resultiert. Münch sieht in EG 62 EuErbVO eine „rechtsdogmatisch schlichte Unterscheidung in Tatbestand und Rechtsfolge“.183 Vom Tatbestand umfasst seien die formal-prozessualen Elemente der Echtheit und der Förmlichkeiten im weiten Sinne, die in EG 62 S. 1 EuErbVO beschrieben werden.184 EG 62 S. 2 EuErbVO betreffe hingegen die Wirkungsweise der Urkunde, somit die Rechtsfolge.185 Dem ist zwar zuzustimmen. Jedoch darf unter „Rechtsfolge“ lediglich die prozessuale Rechtsfolge, d. h. die Beweiskraftwirkung einer Urkunde, gemeint sein; nicht 179  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 57; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 38. 180  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 56 f. 181  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 29; Damascelli, in: Commentaire Dalloz, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 53; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 229; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44. 182  Vgl. Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 6, Punkt 16; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 53, Fn. 17; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 429, Fn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44. 183  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 57. 184  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 56 f. 185  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 57.

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 209



hingegen die ebenfalls aus der Urkunde resultierenden materiellrechtlichen Rechtsfolgen, denn diese sind gerade kein Bestandteil der Beweiskraft. Ferner erfasst die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Gegensatz zur Authentizität nicht nur deren „Umfang“, der zum Teil in EG 62 S. 2 EuErbVO umschrieben wird, sondern auch die „Art“, d. h. die Widerlegbarkeit der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde. Daher umschließt der verordnungsautonome Begriff denjenigen der formellen Beweiskraft nicht. Er stellt also keinen Oberbegriff dar. Der verordnungsautonome Begriff der Authentizität enthält Überschneidungen mit demjenigen der Beweiskraft, beide unterscheiden sind dennoch strikt voneinander. Demzufolge ist die von der Authentizität erfasste Echtheit der Urkunde von ihrer formellen Beweiskraft auch im Rahmen der EuErbVO zu differenzieren. Dabei liegt die Authentizität einer öffentlichen Urkunde ihrer formellen Beweiskraft zugrunde – sie stellt ihre Basis dar.186 Die Authentizität einer öffentlichen Urkunde ist somit Grundvoraussetzung für eine Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.187 Nichtsdestotrotz ist der verordnungsautonome Begriff von demjenigen der Beweiskraft zu trennen. Während der Terminus der Authentizität weit gefasst ist und verschiedene Elemente einer öffentlichen Urkunde erfasst, ist die formelle Beweiskraft auf die prozessualen Folgen bzw. von einer Urkunde ausgehenden verfahrensrechtlichen Wirkungen beschränkt. Dass beide Begriffe auch im Rahmen der EuErbVO nicht deckungsgleich sind, verdeutlicht bereits der Wortlaut des Art. 59 EuErbVO, der in Absatz 1 explizit allein die formelle Beweiskraft normiert und in Absatz 2 die Authentizität erfasst. Auch in den anderen Sprachfassungen wird zwischen „force probante“, „evidentiary effects“, „valor probatorio“ (Absatz 1) und „authenticité“, „authenticity“, „authenticidad“ (Absatz 2) unterschieden. Die Authentizität einer öffentlichen Urkunde, die nach dem soeben erläuterten verordnungsautonomen Verständnis der EuErbVO als Grundlage der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde dient,188 wird durch Art. 59 Abs. 2 EuErbVO zu Recht dem Ursprungsmitgliedstaat der Urkunde zugeschrieben.189 Hierbei wird die Natur sowohl der Authentizität als auch der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde als staatliches Zeichen des Vertrauens in die Tätigkeit einer amtlichen Beurkundungsperson deutlich. Der Erstellung einer Urkunde durch eine Amtsperson erteilt der Staat eine besondere Stellung durch 186 

Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44. 187  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44. 188  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44. 189  Vgl. Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 6, Punkt 16; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 152; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

die Verleihung besonderer Wirkungen, die dem Akt an sich – dem instrumentum – anhängen. Erklärungen bloßer Privatpersonen hingegen bringt der Staat kein erhöhtes Vertrauen entgegen, sodass an solche Erklärungen keine verstärkten Wirkungen verliehen werden. Die Aufnahme privater Erklärungen in eine öffentliche Urkunde ändert hieran nichts.190 Deshalb umfasst die formelle Beweiskraft nicht die inhaltliche Richtigkeit privater Erklärungen, auch wenn sie in einer öffentlichen Urkunde niedergeschrieben wurden. Die besondere „unbestreitbar[e]“ Beweiskraft öffentlicher Urkunden aufgrund der „Beteiligung einer Behörde oder einer anderen vom Ursprungsmitgliedstaat ermächtigten Behörde“ bei dessen Erstellung hob der EuGH bereits in seinem Unibank-Urteil hervor.191 Die erhöhte Beweiskraft sowie die Authentizität einer öffentlichen Urkunde beruhen somit auf einer teilweisen Delegation der Souveränität eines Staates.192 Die Ausübung derartiger hoheitlicher Amtstätigkeiten kann allein durch die Gerichte und nach dem Recht desjenigen Staates überprüft werden, der sie auch übertragen hat.193 Zudem ist die Überprüfung der Authentizität durch den Ursprungsmitgliedstaat nach dessen Recht „evident sinnvoll“ in Anbetracht der Tatsache, dass diese Fragen das Errichtungsverfahren der fraglichen Urkunde nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates betreffen.194 Insbesondere bei Rechtsordnungen, die ein spezielles Verfahren zur Infragestellung der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (z. B. die französische inscription de faux195 oder die italienische querela di falso196) kennen, ermöglicht die Regelung des Art. 59 Abs. 2 EuErbVO dieses Verfahren zu wahren.197 190  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 327. Vgl. hierzu auch bereits unter § 5 II. 2. a) (2), S. 124 f. 191  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 15; vgl. hierzu auch bereits unter § 2 III. 2., S. 24 ff. 192 Vgl. Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 58; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 152; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 38, Fn. 92. 193 Vgl. Callé, in: Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen du droit des successions internationales, S. 45, 58; Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 84; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 152. 194  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42. 195  Geregelt in Art. 303–316 Code de procédure civile. Hierzu Chainais/Ferrand/Guinchard, Procédure civile, S. 519 ff., Rn. 737 ff.; Lacroix-Andrivet, in: Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, Rn. 341.121 ff.; Héron/Le Bars, Droit judiciaire privé, S. 852 ff., Rn. 1083 ff.; sowie Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 109. 196  Geregelt in Art. 221–227 Codice di procedura civile. Siehe hierzu Rentería, Manuel de droit privé et de justice préventive en Europe, S. 172, Rn. 1. 13. 19 sowie Beaumont/Fitchen/ Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 140. 197  J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 37. Vgl. bereits Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 8448/11 v. 11.4.2011, S. 6, Punkt 17. Kritisch Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 156, Rn. 51 ff.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft

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Die Regelung des Art. 59 Abs. 2 EuErbVO wahrt auf diese Weise die besondere formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde, welche der Ursprungsstaat ihr zuteilt. Denn ohne die Anordnung des Art. 59 Abs. 2 EuErbVO würde eine gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anzunehmende öffentliche Urkunde, dessen Authentizität nach ihrem Ursprungsrecht nur durch ein spezielles Verfahren widerlegt werden kann, in einem Annahmestaat, dem solch ein besonderes Verfahren fremd ist, bestritten werden können. Mangels Verfahrensvorschriften, die ein derartiges besonderes Verfahren der Falschheitsbehauptung regelten, könnte der Annahmestaat der ursprünglichen Beweiskraft nicht gerecht werden. Selbst wenn der Annahmestaat auch ein spezielles Verfahren kennt, würde dieses auf die ausländische Urkunde angewandt, wodurch zwangsläufig die Beweiskraft der Urkunde im Sinne ihres Ursprungsrechts stark modifiziert würde.198 Im Ergebnis würde dies einer Gleichstellung der ausländischen mit der inländischen formellen Beweiskraft hinsichtlich der Widerlegbarkeit der Urkunde bedeuten. Dies würde dem Telos der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO widersprechen, die gerade keine Gleichstellung, sondern eine unbegrenzte Wirkungserstreckung normiert.199 Wenn eine Ursprungsrechtsordnung zur Widerlegung der Beweiskraft hingegen kein besonderes Verfahren vorsieht (z. B. Deutschland200, Österreich,201 Polen202, Slowenien203), gilt die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaates des Art. 59 Abs. 2 EuErbVO ausnahmsweise nicht.204 Dann umfasst die zu erstreckende Beweiswirkung nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bereits die Widerlegung der Urkunde.205 Denn wie in EG 61 S. 2 EuErbVO erläutert wird, umfasst der Terminus der formellen Beweiskraft i. S. d. 198  Vgl. zu diesem Gedanken bereits vor Geltung der EuErbVO Callé, L’acte public en droit international privé, S. 204, Rn. 399. 199  Siehe unter § 6 I., S. 136 ff. 200  Vgl. § 415 Abs. 2 und § 418 Abs. 2 ZPO. Siehe hierzu Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 26, Rn. 16 ff., 34 ff.; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 415, Rn. 11 ff., § 418, Rn. 5 f.; Schreiber, in: MüKo/ZPO, ZPO, § 415, Rn. 28 ff., § 418, Rn. 8 f. 201  Vgl. § 292 Abs. 2 östZPO. Siehe hierzu Fasching, Zivilprozeßrecht, Rn. 953; Rechberger, in: Rechberger, ZPO, § 292, Rn. 4; Rechberger, in: Rechberger/Simotta, öst. Zivilprozeßrecht, Rn. 858 sowie Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 56. 202  Vgl. § 247 polZPO. Siehe hierzu Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 176 f.; CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 66. 203  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 212 f. 204  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 37. Wohl auch Geimer, IZVR, Rn. 2331b; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 155, Rn. 49 (jedoch unklar hierzu Geimer, IZVR, Rn. 2330w; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 155, Rn. 41). A. A. Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 29; Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 53. 205  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 57.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Art. 59 Abs. 1 EuErbVO „Art und Umfang der Beweiskraft“. Bestimmt das gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anwendbare Ursprungsrecht der Urkunde, dass hinsichtlich der „Art“ der Beweiskraft eine Widerlegung der formellen Beweiskraft, namentlich hinsichtlich einzelner niedergeschriebener Tatsachen, durch einen inzidenten Beweis des Gegenteils in dem Verfahren, in dem die fragliche Urkunde vorgelegt wird, möglich ist – d. h. ohne spezielles Verfahren der Falschheitsbehauptung – so umfasst der Geltungsbereich der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm auch das Entkräften der Beweiswirkung.206 Dies steht im Einklang mit Art. 59 Abs. 2 EuErbVO. Denn auch hiernach richtet sich die Widerlegung der Beweiskraft nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates der öffentlichen Urkunde. Im Unterschied zu einer Lösung über Art. 59 Abs. 2 EuErbVO entscheidet allerdings kein Gericht des Ursprungsmitgliedstaates, sondern des Annahmestaates. Stets entscheidet allerdings das Recht des Ursprungsstaates der Urkunde über die Widerlegung der Beweiskraft, wie es Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm zur Determinierung der formellen Beweiskraft bestimmt. Sieht das Ursprungsrecht der Urkunde jedoch kein spezielles Verfahren zur Widerlegung der Beweiskraft ihrer Urkunden vor, so steht der Beurteilung der Widerlegung im Annahmestaat nichts entgegen. Denn selbst ein Annahmestaat, der für seine inländischen Urkunden ein besonderes Verfahren vorsieht, kann ohne verfahrensrechtliche Schwierigkeiten nach dem ausländischen Verfahrensrecht einer öffentlichen Urkunde den Beweis des Gegenteils inzident in einem Verfahren durchführen.207 Der von Art. 59 Abs. 2 EuErbVO bezweckte Schutz eines speziell vorgesehenen Verfahrens der Falschheitsbehauptung, wie die französische inscription de faux, ist bei Nichtvorliegen eines solchen Verfahrens nicht notwendig. Wichtig ist im Rahmen der Annahme nach Art. 59 EuErbVO die Anwendung des Rechts des Ursprungsmitgliedstaates der fraglichen Urkunde. Indem der Annahmestaat gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zur Bestimmung der Widerlegbarkeit der öffentlichen Urkunde ihr Ursprungsrecht anwendet, wird dieses Recht vollständig gewahrt. Auf diese Weise richtet sich die formelle Beweiskraft einer Urkunde entsprechend Art. 59 Abs. 1 EuErbVO vollumfänglich nach dem Recht ihres Ursprungsstaates. Einzig wenn die vorliegende öffentliche Urkunde aufgrund fehlender Authentizität als solche, d. h. gänzlich, annulliert werden soll, sind die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaates gem. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO ausschließlich zuständig.208 Andernfalls würde in die Souveränität des Ursprungsstaates als Delegierender hoheitlicher Autorität eingegriffen. Denn die Autorität und besonde206 Vgl. 207  Vgl.

Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47. allgemein zu diesem Gedanken in Bezug auf die kollisionsrechtliche Regelung der Beweiskraft Huet, Les conflits de lois en matière de preuve, S. 299, Rn. 249. 208  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 213

ren Beweiswirkungen der öffentlichen Urkunde beruhen auf ihrer hoheitlichen Errichtungsstelle als „Emanation der öffentlichen Gewalt“209 des Staates. Zudem folgt aus Art. 59 Abs. 2 EuErbVO, dass, solange kein Einwand in Bezug auf die Authentizität der fraglichen öffentlichen Urkunde erhoben worden ist, die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht verweigert werden kann.210 Demnach müssen auch unechte Urkunden grundsätzlich nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angenommen werden.211 Lediglich wenn es sich um eine evident falsche Urkunde handelt, kann die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO abgelehnt werden.212 Dogmatisch handelt es sich im Falle einer evident falschen Urkunde jedoch nicht um eine „Verweigerung“ der Annahme. Vielmehr besteht dann nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO keine Pflicht der Annahmestelle die vorliegende Urkunde anzunehmen, da es sich um keine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO handelt und somit Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht greift.213 Denn der Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO unterliegen allein öffentliche Urkunden i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO. Dies bedeutet, dass die Authentizität der Urkunde sich auf die Unterschrift der Beurkundungsperson bezieht (Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO), die zwangsläufig eine durch den Ursprungsmitgliedstaat ermächtige Stelle ist (sublit. ii). Indem der verordnungsautonome Begriff der Authentizität die Echtheit der Urkunde umfasst (EG 62 S. 1 EuErbVO), sind öffentliche Urkunden i. S. d. Legaldefinition und Art. 59 EuErbVO nur solche Urkunden, die echt sind bzw. deren Echtheit nach dem Ursprungsrecht vermutet wird.214 Eine öffentliche Urkunde ist somit gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anzunehmen, soweit nach dem Recht ihres Ursprungsmitgliedstaates die Echtheit der Urkunde zu vermuten ist und solange kein Einwand nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO erhoben wird.215 209 Generalanwalt

La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 7. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 48; Dutta, in: MüKo/ BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 38. 211  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 48; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8, 16; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 28; wohl a. A.  Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 157, Rn. 56; offen Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 633. 212  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 58; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 30 f.; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8, 16; Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Fucik, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 4, Rn. 87; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 56; offen Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 157, Rn. 55; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 633. 213  Vgl. i. E. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 56. 214  Hierzu bereits oben § 10 II. 1., S. 207. 215  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 28. 210 Vgl.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Hierzu muss jedoch zumindest der Anschein einer authentischen öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO gegeben sein, damit eine Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zu erfolgen hat.216 Dies ist bei evident falschen Urkunden, zum Beispiel bei einer fiktiven Errichtungsbehörde, nicht der Fall.217 Denn dann mangelt es bereits an einer authentischen Unterschrift einer staatlich ermächtigen Errichtungsstelle i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO. Bauer gibt als drastisches Beispiel die Urkunde eines Wasserwerkbesitzers an, die als offensichtlich unechte Urkunde nicht anzunehmen sei.218 In einem solchen Fall würde bereits keine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vorliegen. Das Vorliegen einer solchen ist jedoch Voraussetzung zur Anwendung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.219 Liegt keine öffentliche Urkunde vor, fehlt es für eine Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO an einem anzunehmenden Gegenstand. Folglich kann aus Art. 59 Abs. 2 EuErbVO systematisch der Schluss gezogen werden, dass die Authentizität einer öffentlichen Urkunde als verordnungsautonomer Begriff Grundlage für die formelle Beweiskraft der Urkunde ist.220 Sowohl die Authentizität als auch die formelle Beweiskraft haften der Urkunde als instrumentum an. Deshalb werden sie systematisch zusammenhängend in den beiden ersten Absätzen des Art. 59 EuErbVO behandelt. Die Authentizitätsprüfung nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO betrifft gegenständlich die Urkunde als Träger (instrumentum).221 Derselbe Gegenstand liegt der grenzüberschreitenden Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft der Urkunde nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zugrunde. Ferner werden sowohl die formelle Beweiskraft als auch die Authentizität einer öffentlichen Urkunde durch die beiden ersten Absätze des Art. 59 EuErbVO an das Ursprungsrecht der Urkunde angeknüpft. Hintergrund hierfür ist der Zusammenhang zwischen beiden mit der Urkunde als instrumentum verknüpften verfahrensrechtlichen Wirkungen und dessen Errichtung durch eine staatliche Autorität im Sinne einer „Emanation der öffentlichen Gewalt“222. 216 

Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 58; Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 30; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8, 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 56. 217  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 47. 218  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 30. 219  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 16; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 9; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 4. 220  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55. 221  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55. 222 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 7.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 215

Somit betrifft Art. 59 Abs. 2 EuErbVO allein Einwände mit Bezug zum instrumentum der Urkunde,223 nicht zu deren negotium. Ebenso umfasst die aus der Authentizität einer öffentlichen Urkunde resultierende formelle Beweiskraft einzig Aspekte des instrumentum. Die Annahme des Art. 59 EuErbVO erfasst insofern die grenzüberschreitende Wirkung der formellen Beweiskraft einer Urkunde als instrumentum, was deren Authentizität i. S. d. EG 62 EuErbVO voraussetzt und beinhaltet.

2.  Art. 59 Abs. 3 EuErbVO Im Gegensatz zu Art. 59 Abs. 2 EuErbVO betrifft Art. 59 Abs. 3 EuErbVO einzig Einwände bezüglich des negotium der öffentlichen Urkunde, nicht jedoch des instrumentum.224 Dieser Gegensatz wird durch die systematische Trennung in zwei verschiedene Absätze des Art. 59 EuErbVO verdeutlicht. Nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO sollen Einwände „mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ bei den nach den Art. 4 ff. EuErbVO zuständigen Gerichten erhoben und nach dem gem. der Art. 20 ff. EuErbVO anwendbaren Recht entschieden werden. Die Formulierung „die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ soll laut EG 63 S. 1 EuErbVO als Bezugnahme auf den in der öffentlichen Urkunde niedergelegten materiellen Inhalt verstanden werden. Es handelt sich bei Art. 59 Abs. 3 EuErbVO somit um materiellrechtliche Einwände bezüglich der in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse.225 Wird die materielle Richtigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts oder -verhältnisses bezweifelt, soll hierüber nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren Erbrecht durch das international zuständige Gericht entschieden werden.226 Die „beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ i. S. d. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO werden zudem in EG 63 S. 2 und 3 EuErbVO beispielhaft erläutert. Laut EG 63 S. 2 EuErbVO kann es sich bei dem in einer öffentlichen Ur223  Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 163, Rn. 404; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 44; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55. 224  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52 f.; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55. Ferner i. E. Foyer, in: Khairallah/Revillard, Perspectives du droit des successions européennes, S. 135, 163, Rn. 404 f. 225  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 93; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 53; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40 f.; i. E. auch d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 250; Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 53 f; Geimer, IZVR, Rn. 2331l; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 158, Rn. 59; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 61; Wittwer, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 7.143. 226  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 53; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 429 f.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

kunde beurkundeten Rechtsgeschäft „etwa um eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verteilung des Nachlasses, um ein Testament oder einen Erbvertrag oder um eine sonstige Willenserklärung handeln“. Nach EG 63 S. 3 EuErbVO kann es sich bei einem beurkundeten Rechtsverhältnis „etwa um die Bestimmung der Erben und sonstiger Berechtigter nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht, ihre jeweiligen Anteile und das Bestehen eines Pflichtteils oder um jedes andere Element, das nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht bestimmt wurde, handeln“. Beispielsweise erfasst Art. 59 Abs. 3 EuErbVO also den Fall, wenn zwar nicht bezweifelt wird, dass ein Testierender die in der Urkunde niedergelegte Erklärung selbst abgegeben hat, jedoch strittig ist, ob diese Erklärung eine wirksame Erbeinsetzung nach dem anwendbaren Erbstatut ist.227 Auch bei Einwänden bezüglich der Wirksamkeit einer abgegebenen Willenserklärung einer Partei eines Erbvertrags, zum Beispiel aufgrund eines Irrtums, greift Art. 59 Abs. 3 EuErbVO. Da es sich hierbei um erbrechtliche Fragen handelt, ist deren Regelung durch die Kollisionsregeln der EuErbVO systemkohärent.228 Erwägungsgründen kommt zwar kein rechtlich verbindlicher Charakter zu, allerdings stellen sie zur Ermittlung des Gesetzgeberwillens eine wesentliche Quelle dar.229 EG 63 S. 1 EuErbVO beschreibt die beurkundeten Rechtsgeschäfte oder -verhältnisse ausdrücklich als den „in der öffentlichen Urkunde niedergelegten materiellen Inhalt“. Hierdurch verdeutlicht der Unionsgesetzgeber die Unterscheidung zwischen dem negotium und dem instrumentum einer Urkunde. Der hier genannte materielle Inhalt einer Urkunde (negotium) wird explizit von der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde bezüglich des Aktes als instrumentum differenziert. Einzig letztere wird in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO genannt. In der deutschen Sprachfassung unterstreichen die Adjektive formell und materiell ausdrucksvoll den Unterschied zwischen der formellen Beweiskraft einer Urkunde bezüglich des Aktes als instrumentum in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO und dem in EG 63 S. 1 EuErbVO erläuterten materiellen Inhalt des Aktes als negotium. Aber auch in anderen Sprachfassungen wird diese Unterscheidung deutlich. Laut der französischen Fassung des EG 63 S. 1 EuErbVO sollen die „actes juridiques ou relations juridiques consignés dans un acte authentique“ derart interpretiert werden „comme faisant référence au contenu quant au fond consigné dans l’acte authentique“. Das beurkundete Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis als Inhalt („contenu“) der Urkunde betrifft demnach den „fond consigné dans l’acte“, der wiederum die „validité au fond“ (materielle Richtigkeit) betrifft.230 227 

Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 53. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41. 229  Siehe hierzu unter § 1 III., S. 11. 230  Lagarde, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 5, 14, Rn. 22; Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 732. 228 

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 217



Ebenso wird in der englischen Sprachfassung von „referring to the contents as to substance recorded in the authentic instrument“ gesprochen. Auch hier wird deutlich, dass einzig die in einer Urkunde enthaltene „substance“ ­(„Substanz“231) gemeint ist, nicht jedoch die äußere Beweiskraft des instrumentum. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO verdeutlicht, dass die Annahme einer öffentlichen Urkunde keine materiellrechtlichen Wirkungen hat.232 Im Umkehrschluss aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO folgt, dass die Annahme einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO das negotium nicht umfasst, sondern sich allein auf das instrumentum begrenzt. So hebt Mansel explizit hervor, dass das negotium nicht nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angenommen werden kann.233 Die inhaltliche Wirksamkeit der öffentlichen Urkunde, welche das negotium betrifft, ist keine Voraussetzung der Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.234 Zutreffend wird Art. 59 Abs. 3 EuErbVO deshalb auch als IPR-Vorbehalt bezeichnet.235 Denn Art. 59 Abs. 3 EuErbVO hält fest, dass die Wirksamkeit einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Erklärung sich in allen Mitgliedstaaten nach dem Kollisionsrecht der EuErbVO richtet.236 Grenzüberschreitend erstreckt wird nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO lediglich die beweisrechtliche Funktion der öffentlichen Urkunde.237 Art. 59 EuErbVO normiert weder eine Anerkennung einer Rechtslage noch deren Annahme.238 Wie bereits erörtert, soll der neue Terminus der Annahme gerade die Ablehnung einer Rechtslagenanerkennung verdeutlichen.239 Folglich schließt die Annahme einer öffentlichen Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht die gerichtliche Über231  232 

Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 61. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52. So auch Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 93 der sich jedoch in Widerspruch dazu für eine Rechtslagenanerkennung nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ausspricht; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 54; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 53. 233  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52. 234  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 3, Rn. 62. 235  Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 602; Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 43, Fn. 15. I. E. auch Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13. Hierzu bereits unter § 5 II. 2. b), S. 134. 236  Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 358; Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 59; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 53. 237  Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 59; Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1500. 238  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52. So i. E. auch Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 358; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 263; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20. Ferner i. E. Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1500. 239  Siehe hierzu unter § 5 II. 2. b), S. 133 ff.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

prüfung ihrer materiellen Wirksamkeit aus.240 Denn Art. 59 Abs. 3 EuErbVO ordnet ausdrücklich an, dass das nach der EuErbVO zuständige Gericht nach dem auf den materiellen Inhalt anwendbaren Recht hierüber entscheidet. Beispielsweise kann das nach der EuErbVO zuständige Gericht unabhängig von der Annahme eines öffentlichen Testaments nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, dessen Formwirksamkeit nach dem gem. Art. 27 EuErbVO bestimmten Formstatut beurteilen.241 Teilweise wird eingewandt, dass Art. 59 Abs. 3 EuErbVO für die Berücksichtigung von Rechtsvermutungen im Rahmen der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO spreche.242 Denn der Anordnung des Art. 59 Abs. 3 EuErbVO bedürfe es nicht, wenn die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse von vornherein nicht Gegenstand der Annahme wären.243 Nach Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO entfaltet eine öffentliche Urkunde, gegen die Einwände gem. Art. 59 Abs. 3 S. 1 EuErbVO erhoben wurden, in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat hinsichtlich des bestrittenen Umstands keine Beweiskraft, solange die Sache bei dem zuständigen Gericht anhängig ist. Dieser Suspensiveffekt mache laut Bauer nur Sinn, wenn es eine Beweiswirkung zu suspendieren gebe. Da der Einwand nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO ausdrücklich auf die beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse bezogen ist, könne „nur die Vermutung der Annahme des Rechtsakts oder Rechtsverhältnisses“ suspendiert sein.244 Dem muss allerdings widersprochen werden. Es ist zwar richtig, dass Art. 59 Abs. 3 S. 1 EuErbVO nur Einwände des beurkunden Rechtsgeschäfts oder Rechtsverhältnisses betrifft. Der Wortlaut lautet jedoch „Einwände mit Bezug auf“ die beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse und gerade nicht „Einwände gegen die Annahme der Beweiskraft bezüglich der beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“. Suspendiert wird einzig die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, wie der Wortlaut des Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO ausdrücklich vorgibt.245 Gleichermaßen lautet auch EG 65 S. 1 EuErbVO wie folgt: Eine öffentliche Urkunde, gegen die Einwände erhoben wurden, sollte in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat 240  Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd.  III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 13; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 32. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 41. 241  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 20; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 12. 242  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 738. 243  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 738. 244 Zum Ganzen Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33 (widersprüchlich hierzu erscheint die spätere Aussage zu Art. 59 Abs. 3 EuErbVO: „suspendiert wird dabei die Beweiskraft“, Rn. 101). 245  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 54.

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 219



keine formelle Beweiskraft entfalten, solange die Einwände anhängig sind. Der Erwägungsgrund benutzt hier denselben Wortlaut wie Art. 59 Abs. 1 EuErbVO (formelle Beweiskraft), wodurch betont wird, dass Folge einer Einwanderhebung gem. Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO einzig die Suspendierung der formellen Beweiskraft i. S.d Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist. Diese betrifft jedoch lediglich das instrumentum der öffentlichen Urkunde.246 Somit verdeutlichen die innere Systematik des Absatzes 3 sowie dessen Wortlaut die von der EuErbVO gewollte Differenzierung zwischen dem instrumentum und negotium einer öffentlichen Urkunde. Art. 59 Abs. 3 S. 1 EuErbVO stellt klar, dass mögliche Einwände gegen das beurkundete Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis lediglich den materiellen Inhalt einer Urkunde (negotium) betreffen.247 Dieser Inhalt beurteilt sich nach dem materiell anwendbaren Recht, welches nach den Art. 20 ff. EuErbVO bestimmt wird. Hiervon zu trennen ist die formelle Beweiskraft i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, deren mögliche Suspendierung in Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO geregelt wird. Bei der angeordneten Suspensivwirkung nach Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO handelt es sich darüber hinaus um eine beschränkte Suspendierung der Beweiskraft.248 Während bei Art. 59 Abs. 2 S. 2 EuErbVO eine unbegrenzte, d. h. vollumfängliche, Aufhebung der Beweiskraft angeordnet wird, soll gem. Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO eine Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat einzig hinsichtlich des bestrittenen Umstands keine Beweiskraft entfalten.249 Derart präzisiert EG 65 S. 2 EuErbVO: „Betreffen die Einwände nur einen spezifischen Umstand mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse, so sollte die öffentliche Urkunde in Bezug auf den angefochtenen Umstand keine Beweiskraft in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat entfalten, solange die Einwände anhängig sind“.250 Hinsichtlich anderer beurkundeter Elemente der öffentlichen Urkunde bleibt die formelle Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO unberührt bestehen.251 Sollte eine öffentliche Urkunde aufgrund eines materiellrechtlichen Einwands allerdings gänzlich – 246  247 

Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 53. 248  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 100; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 55; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 46. 249 Vgl. Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 22; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 48, 55; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 60. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 46. 250  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 55. 251  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 100; Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 60; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 46.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

in toto – für ungültig erklärt werden, entfaltet sie gar keine Beweiskraft mehr (EG 65 S. 3 EuErbVO).252 Eine Einschränkung der grenzüberschreitenden Beweiskraftwirkung einer öffentlichen Urkunde, gegen die materiellrechtliche Einwände erhoben wurden, wird somit nur für die Fälle angeordnet, die sich auf die Beweiskraft der Urkunde auswirken können. Wenn die materiell-rechtliche Beurteilung möglicherweise Konsequenzen auf die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde haben könnte, soll die Urkunde, solange ein Verfahren anhängig ist, diesbezüglich sicherheitshalber nicht grenzüberschreitend wirken. An dieser Stelle wird nochmals die Trennung zwischen negotium und instrumentum einer Urkunde deutlich. Wenn eine öffentliche Urkunde in Bezug auf ihr instrumentum gem. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO erfolgreich angefochten wurde, verliert sie die mit der öffentlichen Urkunde verbundene besondere formelle Beweiskraft.253 Wenn eine öffentliche Urkunde in Bezug auf die Gültigkeit des negotium nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO erfolgreich angefochten wurde, ist die Urkunde als instrumentum zwar gültig, aber ihre beweiserhebliche Bedeutung kann sich entsprechend ändern.254 Dem entspricht die Regelung des Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO sowie EG 65 S. 2 EuErbVO. Denn unangefochtene Umstände des beurkundeten Rechtsgeschäfts haben keinen Zusammenhang mit der formellen Beweiskraft der Urkunde, sodass es diesbezüglich keiner vorsorglichen Suspendierung der Beweiswirkung bedarf. Demgegenüber hat die Einwanderhebung gem. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO bezüglich der Authentizität der öffentlichen Urkunde direkt Auswirkungen auf die formelle Beweiskraft, da beide unmittelbar der Urkunde als instrumentum anhaften. Aufgrund dieser untrennbaren Verbundenheit wird gem. Art. 59 Abs. 2 S. 2 EuErbVO die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde vollumfänglich aufgehoben. Die Einwanderhebung gem. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO kann jedoch lediglich mittelbare Auswirkungen auf die formelle Beweiskraft der Urkunde haben, wodurch der Suspensiveffekt nach Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO begrenzbar ist. Laut Bauer soll die limitierte Suspensivwirkung des Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO nur von Bedeutung sein, wenn die formelle Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO Rechtsvermutungen umfasst. Denn nur dann komme es zu Überschneidungen zwischen der Beweiskraft der Rechtsvermutung und dem angefochtenen Umstand des Rechtsgeschäfts, sodass die Beweiskraft der Rechtsvermutung suspendiert werden müsse. Die Rechtsvermutung, dass eine 252  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Mansel, in: Calvo Caravaca/ Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 55. 253  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 65, 73, 80, 91 109, 117, 125, 133, 140, 146, 159, 165, 186, 198, 206, 213. 254  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 65, 73, 80, 91 109, 117, 125, 133, 140, 146, 159, 165, 186, 198, 206, 213.

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 221



bestimmte Person Erbe ist, werde nach einem Einwand gegen die Erbenstellung aufgehoben. Soweit sich die Beweiskraft jedoch darauf begrenze, dass eine Erklärung von einer Person tatsächlich abgegeben wurde, stelle der Einwand gegen die rechtliche Wirksamkeit dieser Erklärung die Beweiskraft, dass die Erklärung abgegeben wurde nicht in Frage.255 Zwar ist es richtig, dass die formelle Beweiskraft hinsichtlich der Abgabe einer bestimmten Erklärung nicht in Frage gestellt wird, wenn dessen rechtliche Wirksamkeit überprüft wird. Jedoch kann aus Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO nicht der Schluss gezogen werden, dass Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auch die Annahme von Rechtslagenvermutungen umfasse. Würde die anzunehmende Beweiskraft gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO Rechtslagenvermutungen umfassen, dann müsste Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO im Gegenteil gar nicht erst eine limitierte Suspensivwirkung anordnen. Die Einwanderhebung gegen die Erbenstellung würde nach dieser Ansicht entsprechend der Regelung des Art. 59 Abs. 2 S. 2 EuErbVO die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde insgesamt aussetzen müssen. Denn ein Einwand gegen die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde hat unmittelbare und untrennbare Auswirkungen auf diese, sodass der Suspensiveffekt nicht begrenzbar ist. Da die Beweiskraft i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO allerdings von dem in der Urkunde beurkundeten materiellen Inhalt zu trennen ist, hängt eine Einwanderhebung gegen die Erbenstellung gem. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO nicht unmittelbar mit der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zusammen. Deshalb kann die Suspendierung der formellen Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO limitiert werden. Die Suspendierung des Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO soll mögliche Konsequenzen einer materiellrechtlichen Prüfung auf die grenzüberschreitende formelle Beweiskraft einer Urkunde erfassen und vorbeugen. In EG 65 S. 2 EuErbVO wird deutlich erläutert, dass die Suspensivwirkung gelten soll, wenn Einwände „nur einen spezifischen Umstand mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ betreffen. In der französischen Sprachfassung wird ebenso von einem „élément spécifique lié aux actes juridiques ou relations juridiques“ gesprochen, in der englischen von „specific matter relating to the legal acts or legal relationships“. Die angeordnete Suspensivwirkung wird zudem in EG 65 S. 2 EuErbVO derart beschrieben, dass die „öffentliche Urkunde in Bezug auf den angefochtenen Umstand keine Beweiskraft“ entfalten sollte. Die Aussetzung der grenzüberschreitenden Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde soll demnach nicht die Infragestellung der Beweiskraft selbst erfassen (dieser Fall würde ohnehin unter Art. 59 Abs. 2 EuErbVO fallen). Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO dient vielmehr dem Zweck, aufgrund möglicher Folgen einer materiellrechtlichen Prü255 

Zum Ganzen Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 101.

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fung eines konkreten Inhalts – „spezifischen Umstand[s]“ – der Urkunde auf die formelle Beweiskraft „in Bezug auf den angefochtenen Umstand“ (EG 65 S. 2 EuErbVO) vorbeugend zu suspendieren. Denn eine erfolgreiche Anfechtung des materiellen Inhalts der öffentlichen Urkunde kann Auswirkungen auf die von der Beweiskraft erfassten und nun als falsch nachgewiesenen Elemente haben.256 Wenn das fragliche Rechtsgeschäft oder -verhältnis (negotium) der Urkunde durch das Verfahren nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO allerdings für gänzlich ungültig erklärt wird, hat das instrumentum als Träger des negotium bildlich gesprochen nichts mehr zu tragen, sodass auch keine Beweiskraft mehr nützlich wäre. Dem entspricht die Erläuterung des EG 65 S. 3 EuErbVO, wonach eine öffentliche Urkunde, die aufgrund eines Einwands für ungültig erklärt wird, keine Beweiskraft mehr entfalten sollte. Im Umkehrschluss hieraus ergibt sich, dass solange das negotium nicht gänzlich für ungültig erklärt wurde, die öffentliche Urkunde als instrumentum weiterhin Umstände des negotium zu tragen hat. Demnach erstreckt eine öffentliche Urkunde ihre formelle Beweiskraft gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO solange sie, respektive das in ihr beurkundete Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis, nicht in einem Verfahren nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO für vollständig ungültig erklärt wurde.257 Folglich entspricht die unterschiedliche Regelung der Suspensivwirkung der Beweiskraft in Art. 59 Abs. 2 S. 2 und Art. 59 Abs. 3 S. 2 EuErbVO der unterschiedlichen Behandlung der Authentizität und des materiellen Inhalts einer öffentlichen Urkunde im Rahmen des Art. 59 EuErbVO. Während bei einem Einwand gegen die Authentizität einer Urkunde deren Beweiskraft vollumfänglich suspendiert werden muss, da beide untrennbar zusammenhängen, weil sie beide das instrumentum einer Urkunde betreffen, kann die vorsorgliche Aussetzung der Beweiskraft bei Einwänden zum materiellen Inhalt der Urkunde beschränkt werden, da die Einwände das negotium einer Urkunde betreffen und keine unmittelbare Verbindung mit der formellen Beweiskraft des instrumentum aufweisen. Lediglich wenn das Ergebnis des Verfahrens bezüglich materiellrechtlicher Fragen des in der Urkunde enthaltenen negotium Auswirkungen auf die Beweiskraft des instrumentum haben kann, ist es aus Gründen der Rechtssicherheit notwendig, die grenzüberschreitende Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sowohl zeitlich als auch gegenständlich beschränkt aufzuheben. Des Weiteren wird der Auslegung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, wonach dieser eine Rechtslagenanerkennung eröffne, zu Recht die innere Systematik des gesamten Art. 59 EuErbVO entgegengehalten. Aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Art. 59 Abs. 1 EuErbVO Rechtsvermutungen 256 Vgl. Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 186 sowie S. 65, 73, 80, 91 109, 117, 125, 133, 140, 146, 159, 165, 186, 198, 206, 213. 257  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 55.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 223

betreffe, würde der Systematik des Artikels widersprechen. Denn systematisch wird die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO von den Absätzen 2 bis 4 unterschieden, da nur letztere Zuständigkeitsvorschriften beinhalten. Aus der Zuständigkeitsregelung des Art. 59 Abs. 3 EuErbVO könne daher keine – dem Wortlaut zudem widersprechende – Erweiterung des Anwendungsbereichs der in Absatz 1 geregelten Annahme abgeleitet werden. Deshalb lasse sich eine materielle Ausweitung des Regelungsgehalts des ersten Absatzes aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO nicht herleiten.258 Würde die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, entgegen der hier vertretenen Ansicht, auch Rechtslagenvermutungen umfassen, hätte dies zudem „problematische“ Konsequenzen – wie selbst Bauer, der sich für eine solche ausspricht, zugesteht.259 Denn eine Rechtsvermutung nehme dem Richter nicht nur die Feststellung des Entstehungstatbestandes ab, sondern auch die konkrete Rechtsanwendung. Weiterhin räumt Bauer ein, dass die enge Verknüpfung von Rechtslagenvermutungen mit der anwendbaren lex causae gegen die Anerkennung von fremden Rechtslagen spreche. Eine solche Rechtslagenanerkennung baue darauf auf, dass das Ursprungsrecht der öffentlichen Urkunde zugleich auch die lex successionis sei. Wenn dies jedoch nicht der Fall sei, würde der Vermutung möglicherweise „der Boden entzogen“. Wenn beispielsweise das nach der EuErbVO anwendbare Erbstatut keine testamentarische Erbfolge kenne, fehle der Rechtsvermutung der Erbenstellung aus einem öffentlichen Testament jedwede Grundlage. Negative Folge der zum Teil vertretenen Rechtslagenanerkennung hinsichtlich öffentlicher Urkunden ist, dass die rechtliche Lösung einer Rechtsfrage zur freien Disposition der Parteien gegeben würde. Die Konsequenz dessen wäre eine unkontrollierbare und missbrauchsanfällige Situation, weshalb die Rechtslagenanerkennung abzulehnen ist. Bauer führt selbst aus, „soweit die Rechtsvermutung reicht, können die Parteien so dem Gericht eine womöglich falsche rechtliche Grundlage vorgeben“260. Denn von Amts wegen kann das Gericht keine Einwände nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO (wie nach Abs. 2) erheben.261 Diese Folge sei laut Bauer im Interesse der Erleichterung des Urkundsverkehrs hinzunehmen, wobei als „Notbehelf“ der ordre public bliebe.262 Dem muss jedoch widersprochen werden. Ein wesentliches Regelungsziel der EuErbVO ist zwar die Förderung der freien Zirkulation öffentlicher Urkunden, jedoch nicht zu Lasten der richtigen Rechtsanwendung. Zudem erscheint 258  Zum Ganzen Franzmann/Schwerin, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 59, Rn. 14. 259 Hierzu und zum Folgenden Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 34. 260  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 36. 261  Bauer, in: Dutta//Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 36, 93. 262  Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 36.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

es nicht zweckmäßig den ordre public-Vorbehalt als „Notbehelf“ heranziehen zu wollen. Der ordre public soll nicht die Anwendung des kollisionsrechtlich anwendbaren Rechts garantieren, sondern vielmehr im konkreten Einzelfall eine Ergebniskorrektur erlauben, wenn das Ergebnis der Rechtsanwendung nicht mit der öffentlichen Ordnung eines Staates zu vereinbaren ist.263 Darüber hinaus stellt der ordre public nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO einen rein verfahrensrechtlichen ordre public dar, dessen Prüfungsgegenstand gerade nicht der materielle Inhalt der Urkunde (negotium) ist.264 Folglich ist der Ansicht, Art. 59 Abs. 1 EuErbVO umfasse auch Rechtsvermutungen, nicht zu folgen. Somit betrifft die Prüfung gem. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO gegenständlich den „Urkundengehalt“265 (negotium).266 Wenn der materiellrechtliche Inhalt einer Urkunde, der bildhaft gesagt durch die Urkunde als instrumentum getragen wird, überprüft werden soll, ist Art. 59 Abs. 3 EuErbVO einschlägig. Dieser Absatz von Art. 59 EuErbVO stellt klar, dass in Bezug auf das negotium einer öffentlichen Urkunde das kollisionsrechtlich anwendbare Recht entscheidend ist. Eine Prüfung bezüglich des Trägers des negotium ist hiervon zu unterscheiden, wie durch die systematische Aufteilung in zwei verschiedene Absätze deutlich wird. Soll die dem instrumentum anhaftende Authentizität der öffentlichen Urkunde überprüft werden, greift Art. 59 Abs. 2 EuErbVO.267

3.  Art. 59 Abs. 4 EuErbVO Art. 59 Abs. 4 EuErbVO normiert eine Zuständigkeitsvorschrift bezüglich Vorfragen „mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“. Wird eine Frage mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse als Vorfrage in einem Verfahren bei einem Gericht eines Mitgliedstaates vorgebracht (vgl. EG 64 EuErbVO), so ist dieses Gericht gem. Art. 59 Abs. 4 EuErbVO für die Entscheidung über diese Vorfrage zuständig.268 Die Vorschrift betrifft Verfahren, die nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen, da andernfalls die Zuständigkeit sowie das anwendbare Erb263 Vgl. allgemein von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, S. 718, Rn. 265 f.; von Hoffmann/ Thorn, IPR, § 6, Rn. 150; Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public im IPR, S. 34; Kropholler, IPR, S. 245; Mansel, in: FS Canaris, 2017, S. 739, 770; Wurmnest, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom O-Verordnung?, S. 445, 465. 264  S. o. unter § 7 II., S. 168 ff. 265  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55. 266  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52 f.; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55; Stürner, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 47, 55; i. E. Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 40, 53. 267  Hierzu oben unter § 10 II. 1., S. 206 ff. 268 Vgl. Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7; Makowsky, in: NK/ BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 63; Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 42.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 225

recht nach der EuErbVO geregelt wird und folglich bereits Art. 59 Abs. 3 EuErbVO greift.269 Für solche Verfahren, für die der Anwendungsbereich der EuErbVO gem. Art. 1 EuErbVO nicht eröffnet ist, ergibt sich die gerichtliche Zuständigkeit jedoch bereits aus den jeweils anwendbaren Zuständigkeitsregeln, wie z. B. Art. 4 ff. EuGVVO.270 Die internationale Zuständigkeit eines Gerichts umfasst grundsätzlich auch die Beantwortung von Vorfragen.271 Es handelt sich daher bei Art. 59 Abs. 4 EuErbVO um eine rein deklaratorische Vorschrift.272 Art. 59 Abs. 4 EuErbVO dient allein der Klarstellung, dass öffentliche Urkunden nicht in Rechtskraft erwachsen können und daher die materiellrechtliche Würdigung des beurkundeten Inhalts dem konkret zuständigen Gericht – auch für Vorfragen – unterliegt.273 Eine Bindung des Gerichts folgt nur bezüglich der formellen Beweiskraft einer Urkunde aus Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Der vierte Absatz des Art. 59 EuErbVO stellt somit klar, dass die beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse, d. h. das negotium einer öffentlichen Urkunde, strikt von der anzunehmenden formellen Beweiskraft gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zu trennen ist. Die Beurteilung des materiellen Inhalts einer öffentlichen Urkunde in Erbsachen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO ist somit unabhängig von dessen formeller Beweiskraft. Einzig letztere wird nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat der öffentlichen Urkunde angenommen, indem die formelle Beweiskraft der Urkunde sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates richtet und folglich auf den Annahmestaat erstreckt wird.

4.  Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO Art. 59 Abs. 1 EuErbVO regelt die grenzüberschreitende formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde. Auch wenn der Begriff der formellen Beweiskraft zwar nicht durch die EuErbVO selbst definiert wird, wird die öffentliche Urkunde in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO legaldefiniert. Die Legaldefinition der öffentlichen Urkunde wurde bereits eingehend dargelegt, sodass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.274 An dieser Stelle soll die verordnungsautonome Definition vornehmlich als systematisches Auslegungsmittel zur Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft herangezogen werden. Indem die EuErbVO systematisch ein zusammenhängendes Regelungswerk darstellt, ist die Legal269  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 56. 270  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7. 271  Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 23; ferner allgemein: Geimer, IZPR, Rn. 868; Wall, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuErbVO, Art. 4, Rn. 42. 272  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7. 273  Köhler, in: NK/Nachfolgerecht, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7. 274  Siehe § 2, S. 15 ff.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

definition der öffentlichen Urkunde des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO in die Vorschrift des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hineinzulesen. Laut Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO ist eine „öffentliche Urkunde“ ein Schriftstück in Erbsachen, das als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft (sublit. i) sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und (sublit. ii) durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist. Der in der deutschen Sprachfassung des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO verwendete Begriff „Beweiskraft“ ist, wie bereits erörtert, verordnungsautonom als „Authentizität“ auszulegen.275 Nach der EuErbVO liegt somit eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i und Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nur dann vor, wenn die Authentizität der Urkunde sich sowohl auf die Unterschrift als auch auf den Inhalt der Urkunde bezieht (Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO). Zudem muss die Urkunde von einer staatlich ermächtigten Stelle herrühren (Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO). Diese Voraussetzungen hängen unmittelbar mit der an einer öffentlichen Urkunde geknüpften Verleihung besonderer Beweiswirkungen zusammen.276 Hieraus ergibt sich, dass sich die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auf die Unterschrift und den Inhalt der gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vorliegenden öffentlichen Urkunde bezieht. Hinsichtlich des Inhalts der Urkunde führt EG 62 S. 2 EuErbVO aus, dass der Begriff der Authentizität die von der betreffenden Behörde in der öffentlichen Urkunde beurkundeten Vorgänge erfassen sollte, wie z. B. die Tatsache, dass die genannten Parteien an dem genannten Tag vor dieser Behörde erschienen sind und die genannten Erklärungen abgegebenen haben. Mit „Inhalt der öffentlichen Urkunde“ ist hier somit nicht der materiellrechtliche Inhalt i. S. d. negotium der Urkunde gemeint.277 Anders als Kleinschmidt vorbringt, bleibt nicht „im Dunkeln, ob damit die wiedergegebenen Tatsachen oder auch etwaige daraus gezogene Schlussfolgerungen gemeint sind“278. Vielmehr zeigen die Herkunft der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO sowie das gesamtsystematische Zusammenspiel der EuErbVO, dass allein die in der Urkunde niedergelegten Tatsachen mit „Inhalt der öffentlichen Urkunde“ gemeint sind. Die in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO aufgestellten Anforderungen an eine öffentliche Urkunde im Sinne der EuErbVO beruhen auf der durch den EuGH etablierten Begriffsbestimmung einer öffentlichen Urkunde.279 Der EuGH be275 

Siehe unter § 2 III. 1., S. 21 ff. Siehe hierzu § 2 III. 2., S. 24 ff. 277 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 18, 33. 278  Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 738. 279  Hierzu ausführlich unter § 2 III. 2., S. 24 ff. 276 



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 227

tonte in seinem Unibank-Urteil280, unter Bezugnahme auf den Jenard/MöllerBericht281 zum EuGVÜ, „die Beurkundung muss sich auf den Inhalt [und] nicht nur z. B. auf die Unterschrift beziehen“282. Es ist offensichtlich, dass auch die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO „auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde“ aus dem Jenard/Möller-Bericht283 und dem Unibank-Urteil284 zum EuGVÜ stammt. Die Voraussetzung soll in erster Linie der Abgrenzung zu bloßen Privaturkunden und Unterschriftenbeglaubigungen dienen.285 Die Formulierung soll deutlich machen, dass die Authentizität einer Urkunde mit der ausgeübten Amtstätigkeit der Beurkundungsperson zusammenhängt. Die öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i und Art. 59 EuErbVO soll gänzlich von einer öffentlichen Amtsperson herrühren.286 Die Tätigkeit der Beurkundungsperson, d. h. die durch sie ausgeführte Kontrolle wofür sie die vollständige Verantwortung übernimmt, soll sich auf den gesamten Inhalt der Urkunde beziehen und sich folglich nicht darauf beschränken, die Richtigkeit der Unterschrift der Parteien zu bestätigen.287 Damit eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO vorliegt, die mit einer besonderen Beweiskraft ausgestattet ist, muss die hoheitliche Errichtungsstelle den gesamten Inhalt der Urkunde bezeugen. Denn auf dieser Bezeugung beruht anschließend die Authentizität und formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Wie die durch die Beurkundungsperson selbst ausgeführte eigene Unterschrift aufgrund der ihr anvertrauten bzw. delegierten hoheitlichen Stellung als authentisch gilt und mit einer besonderen formellen Beweiskraft durch den Ursprungsstaat versehen wird, können nur diejenigen „Inhalte“ der fraglichen Urkunde mit einer besonderen formellen Beweiskraft ausgestattet werden, die in gleichem Maße durch die Beurkundungsperson selbst ausgeführt oder persönlich konstatiert und überprüft wurden. Eine Kontrolle des materiellrechtlichen Inhalts findet durch den Notar bei der Errichtung einer öffentlichen Urkunde jedoch nicht statt.288 Im Gegensatz zu einer richterlichen Entscheidung, spricht die Urkundsperson keine eigene rechtliche Entscheidung aus, die Urkunde entspricht vielmehr dem Willen der 280  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, IPRax 2000, 409 m. Anm. Geimer, 366, DNotZ 1999, 919 m. Anm. Fleischhauer, 925. 281  Jenard/Möller, Bericht, S. 80, Rn. 72. 282  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 17. 283  Jenard/Möller, Bericht, S. 80, Rn. 72. 284  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 17. 285  Vgl. ausführlich unter § 2 III. 2., S. 24 ff. 286 Vgl. Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 426. 287  Damascelli, in: JbItalR 28 (2015), S. 49, 50; Damascelli, Rev. crit. DIP 102 (2013), 425, 426. Siehe hierzu auch bereits unter § 2 III. 3., S. 25 f. 288 Vgl. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 35; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Parteien.289 Aus diesem Grunde stellt die Urkunde auch keine Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO290 dar. Folglich kann sich die formelle Beweiskraft als Ausstrahlung des Vertrauens in die Tätigkeit der amtlichen Beurkundungsperson nicht auf den nicht überprüften materiellen Inhalt beziehen.291 Dies wird auch in EG 62 S. 2 EuErbVO veranschaulicht, der lediglich von durch die „Behörde in der öffentlichen Urkunde beurkundeten Vorgänge[n]“ spricht. Die Urkundsperson beurkundet bzw. bezeugt die Abgabe gewisser Erklärungen sowie die Vornahme von Handlungen oder die Anwesenheit bestimmter Personen. Indem hierin eine aktive Kontrolle der Beurkundungsperson liegt, bezieht sich die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde auf diese bezeugten Elemente. Offensichtlich wird dies zum Beispiel bei einem deutschen öffentlichen Testament gem. § 2232 S. 1 Alt. 2 BGB in verschlossener Form. Ein solches begründet vollen Beweis darüber, dass die verschlossene Schrift den letzten Willen des Erblassers enthält und dieser das Testament unter den genannten Umständen, nach dem festgehaltenen Beurkundungsverfahren abgegeben hat.292 Die formelle Beweiskraft i. S. d. des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO kann sich rein faktisch in diesem Falle nicht auf den materiellen Inhalt des in der Urkunde enthaltenen Testaments beziehen, da dieser dem Notar unbekannt ist. Inhalt der Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO ist die Tatsache, dass die Urkunde das Testament der bezeichneten Person, welches diese zu dem angegebenen Zeitpunkt am genannten Ort dem benannten Notar mit der Erklärung übergeben hat, dass diese seinen letzten Willen enthalte. Das Pendant der ausgeübten Beurkundungstätigkeit ist die besondere formelle Beweiskraft, die einer öffentlichen Urkunde verliehen wird. Es handelt sich aufgrund der Beurkundungstätigkeit einer hoheitlich delegierten Person, um eine privilegierte bzw. stärkere Beweiskraft als die von privaten Urkunden, die ohne amtliche Beurkundungsperson errichtet werden. Darüber hinaus zeigt das gesamtsystematische Zusammenspiel der EuErbVO, dass mit der Formulierung „Inhalt der öffentlichen Urkunde“ in Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO einzig der Inhalt der Urkunde als instrumentum, d. h. als Träger der beurkundeten Aspekte gemeint ist. Hiervon unterscheidet die EuErbVO den materiell-rechtlichen Inhalt der Urkunde (negotium).293 Durch die gewählten Wortlautformulierungen innerhalb der EuErbVO als einheitliches Regelungswerk wird die Differenzierung deutlich. Denn in Art. 3 Abs. 1 289  M. Kohler/Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 648; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297. 290  Siehe hierzu unter § 3 I., S. 45 ff. 291  So auch Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297. 292  Baumann, in: Staudinger (Testamentserrichtung, -aufhebung), BGB, § 2232, Rn. 58 f.; Hagena, in: MüKo/BGB, BGB, § 2232, Rn. 129; Kroiß, in: NK/BGB, BGB, § 2232, Rn. 28, 33. 293  Zu der Unterscheidung bereits unter § 5 I., S. 110 ff. und § 10 II. 2., S. 215 ff.

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 229



lit. i EuErbVO spricht der Verordnungsgeber von „Unterschrift und Inhalt der öffentlichen Urkunde“294, auf die sich die Authentizität i. S. d. EG 62 EuErbVO beziehen soll. Hiermit ist einzig der Inhalt der Urkunde als beurkundete Tatsachen gemeint, nicht jedoch daraus womöglich resultierende materielle Rechtsfolgen. Zur Bezeichnung des materiellrechtlichen Inhalts wird ausdrücklich die Formulierung „in der öffentlichen Urkunde niedergelegte materielle Inhalt“295 (EG 63 S. 1 EuErbVO)296 verwendet. In diesem Erwägungsgrund wird die Formulierung des Art. 59 Abs. 3 EuErbVO „die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ erläutert, womit der materiellrechtliche Inhalt der Urkunde, d. h. das negotium, gemeint ist.297 Auch die anderen Sprachfassungen der EuErbVO machen die Unterscheidung zwischen dem Inhalt der Urkunde als instrumentum und materiellem Inhalt des negotium durch die unterschiedlichen Formulierungen deutlich. So wird in Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO in der französischen Sprachfassung schlicht von „signature et le contenu de l’acte authentique“, in der englischen von „signature and content of the authentic instrument“ und in der spanischen von „firma y al contenido del documento“ gesprochen. Demgegenüber lautet EG 63 S. 1 EuErbVO auf Französisch „contenu quant au fond consigné dans l’acte authentique“, auf Englisch „contents as a substance recorded“ und auf Spanisch „contenido material registrado en el documento público“. Folglich wird in den verschiedenen Sprachfassungen ebenfalls durch die genauen Bezeichnungen („fond“, „substance“, „material“) explizit zwischen dem materiellrechtlichen Inhalt (negotium) und der öffentlichen Urkunde als instrumentum i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO unterschieden. Die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO „Inhalt der Urkunde“ bezeichnet lediglich letztere, d. h. die in der Urkunde durch die amtliche Urkundsperson niedergelegten Tatsachen. Demnach bezieht sich die Authentizität gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde, wobei letzteres die in der Urkunde niedergelegten Tatsachen bezeichnet und nicht den materiellrechtlichen Inhalt i. S. d. des negotium der Urkunde. Die durch die staatlich ermächtigte Urkundsperson gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO errichtete öffentliche Urkunde bezeugt somit die Authentizität der beurkundeten Tatsachen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO. Die an die authentischen Elemente der öffentlichen Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO geknüpfte formelle Beweiskraft soll nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auf andere Mitgliedstaaten erstreckt werden. 294 

Hervorhebung durch die Verfasserin. Hervorhebung durch die Verfasserin. 296  Vgl. hierzu auch unter § 10 II. 2., S. 215 ff. 297  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 52 f.; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55, 61. Ausführlich hierzu unter § 10 II. 2., S. 215 ff. 295 

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Folglich bezieht sich die besondere formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auf die durch eine hoheitlich delegierte Amtsperson bezeugten Tatsachen, die in der öffentlichen Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO festgehalten sind.

5.  Zwischenergebnis zur Systematik Aus der systematischen Auslegung sind somit folgende Erkenntnisse zur Determinierung der formellen Beweiskraft als Anknüpfungsgegenstand der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zu ziehen. Die formelle Beweiskraft i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist untrennbar mit ihrem gegenständlichen Träger der öffentlichen Urkunde als instrumentum verknüpft. Einzig öffentlichen Urkunden i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO kommt eine verstärkte Beweiskraft zu. Die besondere formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden beruht auf der Erstellung durch eine hoheitlich delegierte Amtsperson als „Emanation der öffentlichen Gewalt“,298 wie bereits der EuGH in seinem Unibank-Urteil299 hervorhob. Ferner stellt die Authentizität der Urkunde die Grundlage für die formelle Beweiskraft dar. Authentizität bedeutet dabei im verordnungsautonomen Sinne, dass die formal-prozessualen Grundvoraussetzungen einer öffentlichen Urkunde eingehalten wurden (vgl. EG 62 EuErbVO). Wenn dies der Fall ist, entfaltet die Urkunde als besondere Wirkung die formelle Beweiskraft nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Indem die Authentizität die Basis für die formelle Beweiskraft darstellt, können die darauf aufbauenden Wirkungen auch nur so weit reichen wie die Grundlage. Demzufolge erstreckt sich die formelle Beweiskraft einer Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auf die Wirkungen einer öffentlichen Urkunde, die einer Urkunde zugesprochen werden, da sie die Form- und Verfahrensvorschriften ihrer Erstellung erfüllt. Der authentischen öffentlichen Urkunde als instrumentum wird vertraut, sodass ihr in Bezug auf die authentischen Aspekte eine privilegierte formelle Beweiskraft zugesprochen wird. Demgegenüber wird dem materiellrechtlichen Inhalt (negotium) der Urkunde kein derart erhöhtes Vertrauen entgegengebracht. Systematisch wird der materielle Inhalt einer Urkunde in Art. 59 Abs. 3 und 4 EuErbVO separat von dessen instrumentum, welches in Art. 59 Abs. 1 und 2 EuErbVO behandelt wird, normiert. Bereits der strukturelle Aufbau des Art. 59 EuErbVO veranschaulicht somit die vorgenommene Differenzierung zwischen instrumentum und negotium einer öffentlichen Urkunde. 298 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge v. 2.2.1999, Rs. C-260/97, Rn. 7. 299  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, Rn. 15;

hierzu auch bereits ausführlich unter § 2 III. 2., S. 24 ff.

vgl.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 231

Die formelle Beweiskraft sowie die Authentizität einer öffentlichen Urkunde werden beide aufeinanderfolgend und somit zusammenhängend in Absatz 1 und 2 behandelt. Erst hiernach folgen die Absätze 3 und 4, die beide den materiellen Inhalt einer Urkunde betreffen. Der strukturelle Aufbau der Vorschrift verdeutlicht auf diese Weise die vorzunehmende Unterscheidung zwischen instrumentum und negotium einer öffentlichen Urkunde. Art. 59 EuErbVO ist bewusst nicht derart aufgebaut, dass in Absatz 1 die Annahme der formellen Beweiskraft angeordnet wird, Absatz 2 die Einwände mit Bezug auf das beurkundete Rechtsgeschäft behandelt und Absatz 3 wiederum Einwände bezüglich der Authentizität. Systematisch verknüpft wird das instrumentum der öffentlichen Urkunde in Art. 59 Abs. 1 und 2 EuErbVO behandelt und das hiervon zu trennende negotium seinerseits systematisch zusammenhängend in Art. 59 Abs. 3 und 4 EuErbVO. Die Unterscheidung zwischen instrumentum und negotium einer öffentlichen Urkunde unterstreicht insbesondere die systematische Aufteilung der möglicherweise zu erhebenden Einwände gegen eine öffentliche Urkunde.300 Einwände gegen eine öffentliche Urkunde werden einerseits in „Einwände mit Bezug auf die Authentizität“ nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO und andererseits in „Einwände mit Bezug auf die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ nach Art. 59 Abs. 3 EuErbVO aufgeteilt. Durch die separate Regelung beider Einwände in zwei verschiedenen Absätzen wird hier systematisch eine klare Trennung vorgenommen. Diese reflektiert zutreffend inhaltliche Unterschiede. Zudem wird in Art. 59 Abs. 3 EuErbVO klargestellt, dass über den niedergelegten materiellen Inhalt die zuständigen Gerichte nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren Recht entscheiden. Im Umkehrschluss aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO ergibt sich daher, dass die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO einzig das instrumentum der Urkunde und nicht ihr negotium betrifft. Folglich kann der inneren Systematik des Art. 59 EuErbVO entnommen werden, dass die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auf ihrer Authentizität i. S. v. EG 62 EuErbVO beruht. Die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i und Art. 59 Abs. 1 EuErbVO betrifft die authentisch bezeugten tatsächlichen Elemente der Urkunde. Solange keine Einwände gem. Art. 59 Abs. 2 EuErbVO gegen die Authentizität erhoben werden, soll die öffentliche Urkunde gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ihre hieraus resultierende formelle Beweiskraft grenzüberschreitend erstrecken können. Letztere umfasst allerdings nicht den materiellen Inhalt der Urkunde, d. h. die „beurkundeten Rechtsgeschäfte und Rechtsverhältnisse“, der in Art. 59 Abs. 3 und 4 EuErbVO behandelt wird. 300 Vgl. Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 55; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 36.

232

Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

III. Telos Um den Begriff der formellen Beweiskraft von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO verordnungsautonom auszulegen, sollen nun teleologische Argumente vorgebracht werden. Das Telos europäischer Rechtsnomen lässt sich am ehesten anhand der Erwägungsgründe bestimmen, da diese wesentliche Regelungsziele und Grundgedanken des Unionsrechtsaktes darlegen.301 Der Sinn und Zweck der Annahme wird in erster Linie in EG 60 EuErbVO erläutert: „Um den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollte diese Verordnung die Annahme und Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden in einer Erbsache in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleisten“. Darauffolgend wird in EG 61 EuErbVO die Annahme öffentlicher Urkunden näher beschrieben. Demnach sollten öffentlichen Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung entfalten (EG 61 S. 1 EuErbVO). Zudem unterstreicht EG 22 S. 1 EuErbVO, dass die in den Mitgliedstaaten von Notaren in Erbsachen errichteten Urkunden nach der EuErbVO verkehren sollen. Ein Regelungsziel der Verordnung ist demnach den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und insbesondere notarieller Urkunden in Erbsachen zu fördern.302 Notarielle Urkunden, vorrangig solche des lateinischen Notariatssystems, genießen ein besonderes Vertrauen. Sie werden aufgrund erhöhter Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Verhältnis zu Privaturkunden bevorzugt verwendet.303 Fertigt eine Person ihr Testament nicht schlicht handschriftlich als privates, sondern als notariell-öffentliches Testament an, liegt dies hauptsächlich an der damit verbundenen Rechtssicherheit. Es kann vorausschauend geplant werden, dass die Urkunde einen erhöhten Beweiswert haben wird.304 Die erhöhte Beweiskraft notarieller bzw. öffentlicher Urkunden bezieht sich allerdings einzig auf durch die Urkundsperson beurkundete Tatsachen.305 So wird in EG 62 S. 2 EuErbVO beispielhaft dargelegt, dass die beurkundeten Vorgänge „z. B. die Tatsache, dass die genannten Parteien an dem genannten Tag vor dieser Behörde erschienen sind und die genannten Erklärungen abgegeben haben“ erfassen. Auf diese Elemente bezieht sich das erhöhte Vertrauen, welches öffentlichen Urkunden entgegengebracht wird. Die in EG 22 S. 1 EuErb301 

Hierzu bereits ausführlich unter § 1 III., S. 11. Bauer, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Wittwer, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 7.137. 303 Vgl. Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297. 304  Vgl. zum deutschen Recht Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Vor § 415, Rn. 1. 305  Beaumont/Fitchen/Holliday, The evidentiary effects of authentic acts, S. 20; Callé, L’acte public en droit international privé, S. 202, Rn. 394; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 297. 302 

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 233



VO betonte Freizügigkeit öffentlicher Urkunden, die durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erreicht werden soll, bezieht sich demzufolge hierauf. Überdies lassen sich in Abgrenzung zum speziell geschaffenen Europäischen Nachlasszeugnis306 Rückschlüsse auf den Telos des die Annahme nationaler öffentlicher Urkunden regelnden Art. 59 EuErbVO und somit auf die Reichweite der Annahme der formellen Beweiskraft schließen. Der Zweck des ENZ wird in Art. 63 sowie in EG 67 EuErbVO näher erläutert. Demnach soll das ENZ eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der EU ermöglichen und sicherstellen, dass die Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sind, ihren Status und/ oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat einfach nachzuweisen. Hierzu werden die Wirkungen des ENZ in Art. 69 EuErbVO ausdrücklich festgelegt. So bestimmt Art. 69 Abs. 2 S. 2 EuErbVO: „Es wird vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen“. Art. 69 Abs. 2 S. 2 EuErbVO stellt zunächst eine Richtigkeitsvermutung auf, dass die fragliche Rechtsstellung zutreffend wiedergegeben wird.307 Indem gem. Art. 69 Abs. 2 S. 2 EuErbVO des Weiteren vermutet wird, dass die benannte Person keinen anderen als in dem ENZ aufgeführten Bedingungen und Beschränkungen unterliegt, enthält die Regelung auch eine Vollständigkeitsvermutung.308 Diese Rechtsvermutungen gewähren Inhabern eines ENZ einen umfangreichen Nachweis ihrer Rechtsstellung, sei es als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter.309 Darüber hinaus wird gem. Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist. Auf den ers306  307 

Zu den Grundzügen des ENZ siehe unter § 4 I. 1. a), S. 66 ff. Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 69, Rn. 7; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 3; Lange, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 161, 168, Rn. 23 f.; Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 69, Rn. 8 ff.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 17. 308  Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 69, Rn. 8; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 3; Lange, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 161, 168, Rn. 23 f.; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 12; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 18. 309  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9; Fongaro, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 65, 75.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

ten Blick erscheint dieser Satz, insbesondere im Verhältnis zur Regelung des Art. 69 Abs. 2 S. 2 EuErbVO, unklar.310 Allein die durch das ENZ bescheinigte Rechtsstellung der fraglichen Person kann mit „Sachverhalte“ hier nicht gemeint sein, denn dann hätten S. 1 und S. 2 des Art. 69 Abs. 2 EuErbVO dieselbe Aussage.311 Die anderen Sprachfassungen des Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO enthalten einen weiter gefassten Terminus als das deutsche Wort „Sachverhalt“. Derart spricht die französische Fassung von „éléments“ und nicht von „faits“, obwohl letzteres die wörtliche Übersetzung von „Sachverhalt“ darstellen würde. Auch die englische Sprachfassung lautet „elements“ statt „facts“. Während der Genese der EuErbVO lautete die deutsche Version des die Wirkungen des ENZ normierenden Art. 42 EuErbVO-E zeitweise auch „Elemente, die nach dem auf die Rechtsnachfolge gemäß Kapitel III anwendbaren Recht festgelegt wurden“.312 Folglich ist der deutsche Begriff „Sachverhalt“ in Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO entsprechend den anderen Sprachfassungen als „Elemente“ zu verstehen.313 Dieselben Begrifflichkeiten finden sich in den jeweiligen Sprachfassungen auch in EG 71 S. 2 EuErbVO. Dieser gibt als Beispiel für „Sachverhalte“ – sprich „Elemente“ –, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht festgestellt wurden, die „materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen“ an.314 Dem entspricht, dass das ENZ gem. Art. 65 Abs. 3 lit. i sowie Art. 68 lit. j EuErbVO Angaben zur gegebenenfalls mittels einer Verfügung von Todes wegen geregelten Erbfolge enthalten soll. Werden zum Beispiel gem. Art. 68 lit. k EuErbVO Angaben über die Art der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft im ENZ gemacht, so werden diese Angaben als „Elemente“ des ENZ ebenfalls von Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO erfasst.315 Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO regelt somit eine Vermutungswirkung, die sich auf alle Elemente erstreckt, auf deren Grundlage die im ENZ bescheinigte Rechtsstellung als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder

310  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 8; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 3; Rechberger/Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 52. 311  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 8; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 3; a. A. Dorsel, ZErb 2014, 212, 216. 312 Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Zivilrecht“ (Erbrecht), Dok. 10390/10 v. 7.6.2010, S. 10 (Hervorhebung durch die Verfasserin). Vgl. auch Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 10, Fn. 22. 313  Vgl. i. E. Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9, 9.1. 314  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 10; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9.1. 315  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 235

Nachlassverwalter festgestellt wurde und die gem. Art. 68 EuErbVO deshalb auch im ENZ anzugeben sind.316 Dies können sowohl festgestellte Rechtsverhältnisse sein, wie die von EG 71 S. 2 EuErbVO beispielhaft genannte materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen. Des Weiteren soll das ENZ Angaben zu den Umständen der Ausstellung, wie die Ausstellungsbehörde oder das Ausstellungsdatum sowie zur Person des Ausstellers des ENZ (Art. 68 lit. a-e EuErbVO) enthalten. Diese Elemente stellen allerdings keine Rechtsverhältnisse, sondern Tatsachen dar. Deshalb enthält Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO auch eine als Vermutungswirkung der Richtigkeit ausgestaltete Beweiswirkung in Bezug auf die im ENZ angegebenen Tatsachen.317 Derart benennt auch EG 71 S. 2 und S. 3 die „Beweiskraft“ des Zeugnisses, die sich auf Tatsachen bezieht.318 Folglich regelt Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO eine Richtigkeitsvermutung hinsichtlich der Tatsachen, aus denen sich die bescheinigte Rechtsstellung des ENZ-Inhabers ergibt, die gem. Art. 68 EuErbVO in dem ENZ anzugeben sind.319 Die in Art. 69 Abs. 2 S. 1 EuErbVO geregelte Beweiswirkung des ENZ enthält daher sowohl eine Richtigkeitsvermutung bezüglich der festgestellten Tatsachen als auch hinsichtlich der festgestellten Rechtsverhältnisse als „Feststellungsgrundlagen“320 der bescheinigten Rechtsstellung.321 Demnach stellt das ENZ ein grenzüberschreitend wirkendes Instrument dar, das sowohl nach Art. 69 Abs. 2 EuErbVO mit einer Beweiswirkung, ausgestaltet als Vermutungswirkung hinsichtlich Tatsachen und Rechtsverhältnissen als auch mit Gutglaubenswirkungen gem. Art. 69 Abs. 3 und 4 EuErbVO ausgestattet wurde.322 Auch entfaltet es nach Art. 69 Abs. 5 EuErbVO eine Legitimations316  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; a. A. Dorsel, ZErb 2014, 212, 216. 317 Vgl. Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 11; Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 69, Rn. 10 f.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9; a. A. Dorsel, ZErb 2014, 212, 216. 318  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9 (diese Aussage überrascht jedoch, da Dutta sich im Rahmen des Art. 59 [Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10] für eine Annahme der „rechtslagenbezogenen Beweiswirkungen“ ausspricht). 319 Vgl. Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9 f. 320  Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4. 321  Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 69, Rn. 5; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9 f.; Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 69, Rn. 10; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 9; i. E. Fornasier, in: Dutta/ Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 69, Rn. 4; Rechberger/Kieweler, in: Rechberger/ZöchlingJud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 52. 322 Vgl. Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 69, Rn. 1; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 7 ff., 12 ff.; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 69, Rn. 13; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Rechberger/ Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 54; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 392 f.; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 1, 3.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

wirkung innerhalb Europas.323 Die Regelungen zum ENZ sind somit sowohl verfahrensrechtlicher als auch materiellrechtlicher Natur.324 Dergestalt stellt das ENZ ein genuines rein europäisches Zeugnis dar.325 Auf Grund dieser vollständigen vereinheitlichten Regelungen des Zeugnisses, kann dieses automatisch weitreichend grenzüberschreitend wirken und in Europa frei zirkulieren.326 Das mit derart umfassenden Wirkungen ausgestattete ENZ steht der Anordnung des Art. 59 EuErbVO für mitgliedstaatliche öffentliche Urkunden bzw. Erbnachweise entgegen.327 Im Gegensatz zum ENZ erstrecken mitgliedstaatliche Erbnachweise nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ausdrücklich lediglich ihre formelle Beweiskraft in andere Mitgliedstaaten der EU – nicht jedoch den in ihr enthaltenen Rechtsstatus.328 Hätte der europäische Gesetzgeber mit Art. 59 Abs. 1 EuErbVO für nationale Erbnachweise den gleichen Zweck wie denjenigen des ENZ verfolgt, hätte er eine wie Art. 69 Abs. 2 S. 1 und 2 EuErbVO lautende Anordnung in Art. 59 EuErbVO eingefügt. Im Umkehrschluss aus den Regelungen des ENZ wird daher deutlich, dass Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht der Zirkulation von Rechtsvermutungen dienen soll.329 Eine analoge Anwendung von Art. 69 EuErbVO zur Determinierung der Wirkungen von öffentlichen Urkunden aus anderen Mitgliedstaaten, wie sie zum Teil vertreten wird,330 kommt nicht in Betracht.331 Denn die grenzüberschreitende Wirkung von öffentlichen Urkunden wird innerhalb der Verordnung in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO geregelt. Demgemäß wird die Wirkungserstreckung ausdrücklich auf die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden begrenzt. Etwaige materiellrechtliche Rechtsvermutungen werden nicht von 323  Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 69, Rn. 1; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 69, Rn. 29 ff.; Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 69, Rn. 13; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; Rechberger/Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 68; J. Schmidt, ZEV 2014, 389, 393; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 69, Rn. 3, 52. 324 Vgl. Fornasier, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Vorb. Art. 69, Rn. 7 f.; Schauer, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Art. 69, Rn. 2. Siehe ferner bereits zur diesbezüglichen Gesetzgebungskompetenz Mansel, in: Armağan Ansay, 2006, S. 185, 193 f. 325  Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 158 f., 161; Rechberger/ Kieweler, in: Rechberger/Zöchling-Jud, EuErbVO in Österreich, Kap. 5, Rn. 49. 326  Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 161. 327  In diesem Sinne auch M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. So schlug bereits die vom Deutschen Notarinstitut in Zusammenarbeit mit Dörner und Lagarde der Europäischen Kommission im Jahr 2002 vorgelegte vorbereitende Studie ausdrücklich „statt einer Anerkennungslösung […] die Schaffung eines internationalen Nachweises“ vor, DNotI/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen, S. 306; hierzu auch Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 7 f. 328 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 37. 329 Vgl. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 37. 330  Hess/Mariottini/Camara, Regulation (EC) n. 650/2012 of July 2012, S. 22. 331  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 32.

§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 237



Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfasst.332 Diese gesetzliche Anordnung ist eindeutig und entspricht auch dem Verordnungsgeberwillen. Wie bereits dargelegt, stellt dies eine bewusste Entscheidung des europäischen Gesetzgebers dar, der sich gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung entschieden hat.333 Daher liegt keine planwidrige Regelungslücke vor, die jedoch Voraussetzung einer Analogie ist.334 Des Weiteren fehlt es auch an einer vergleichbaren Interessenlage, die ebenfalls für eine Analogie erforderlich ist. Denn, wie soeben dargestellt, legt Art. 69 EuErbVO die weitreichenden Wirkungen des ENZ fest, damit dieses als umfangreiches Nachlasszeugnis europaweit als Rechtsstellungsnachweis eingesetzt werden kann (Art. 63 Abs. 1 EuErbVO). Diese Interessen verfolgt Art. 59 EuErbVO jedoch nicht. Die Annahme soll vielmehr den freien Verkehr öffentlicher, namentlich notarieller, Urkunden fördern und dabei laut EG 60 EuErbVO den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Da somit weder eine planwidrige Regelungslücke bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO vorliegt, noch die Interessenlage zwischen Art. 59 und Art. 69 EuErbVO vergleichbar ist, kann Art. 69 EuErbVO nicht analog zur Bestimmung der anzunehmenden Wirkungen gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO herangezogen werden. Aus Art. 69 EuErbVO und den umfangreichen Wirkungen des ENZ lässt sich folglich schließen, dass die nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO grenzüberschreitend wirkende formelle Beweiskraft einer Urkunde sich auch einzig hierauf beschränkt. Im Gegensatz zu den Regelungen des Europäischen Nachlasszeugnisses sollen nationale Erbnachweise in der Form öffentlicher Urkunden durch Art. 59 EuErbVO keine derart weitreichenden Wirkungen entfalten. Während Sinn und Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses die Schaffung eines grenzüberschreitenden Nachweises einer konkreten erbrechtlichen Rechtsstellung ist,335 wie in EG 67 und Art. 63 EuErbVO ausdrücklich bestimmt wird, bezweckt die Annahme mitgliedstaatlicher Erbnachweise nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dies nicht. Der Sinn und Zweck der Annahme wird in EG 60 EuErbVO erläutert. Demgemäß dient die Annahme öffentlicher Urkunden innerhalb der EU „den verschiedenen Systemen zur Regelung von Erbsachen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen“. Ziel der Annahme nach Art. 59 EuErbVO ist demnach die Zirkulation der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen öffentlichen Urkunden in Erbsachen innerhalb Europas zu fördern. Den grenzüberschreitenden 332 

Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 32, f. 2., S. 118 ff. Die Feststellung von Lücken, S. 25; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202 ff.; Reimer, Jur. Methodenlehre, Rn. 568 ff., 577 ff.; Schmidt-Kessel, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 17, Rn. 35. 335  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 63, Rn. 1; Nordmeier, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 62, Rn. 2; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 62, Rn. 8. 333  Siehe hierzu bereits unter § 5 II. 334  Vgl. hierzu allgemein Canaris,

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

Nachweis einer Rechtsstellung soll die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO allerdings nicht bezwecken. Hätte der Verordnungsgeber den grenzüberschreitenden Nachweis einer Rechtsstellung anhand nationaler Urkunden bezweckt, hätte er dies entsprechend den expliziten Vorschriften für das ENZ in Art. 63 ff., namentlich Art. 69 EuErbVO, auch hinsichtlich der Annahme öffentlicher Urkunden in Art. 59 EuErbVO getan. Um den für die Annahme öffentlicher Urkunden in EG 60 EuErbVO genannten Zweck zu erreichen, erläutert EG 61 EuErbVO, dass öffentliche Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat entfalten sollen. Der Verordnungsgeber spricht hier einzig von Beweiskraftwirkungen, nicht jedoch von Rechtvermutungs-, Gutglaubens- oder Legitimationswirkungen wie er es im Rahmen des ENZ, wie soeben dargestellt, ausdrücklich und ausdifferenziert macht. Es handelt sich somit um eine bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers das neue ENZ sowohl mit Beweiswirkungen als auch mit Rechtsvermutungs-, Gutglaubens- und Legitimationswirkungen auszustatten. Ebenso hat der europäische Gesetzgeber im Gegensatz dazu die grenzüberschreitende Zirkulation bereits existierender nationaler öffentlicher Urkunden in Art. 59 EuErbVO auf die formellen Beweiskraftwirkungen bewusst beschränkt. Telos des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist folglich die grenzüberschreitende formelle Beweiskraftwirkung öffentlicher Urkunden in Erbsachen zu ermöglichen, sodass diese innerhalb der verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtssysteme zur Regelung von Erbsachen einsetzbar sind. Die Annahme des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO beschränkt sich demnach auf die formellen Beweiskraftwirkungen, die sich auf die durch eine staatliche Autorität – zumeist notariell – beurkundeten Tatsachen bezieht, nicht jedoch auf weitergehende materielle Rechtslagen oder gar Gutglaubensfunktionen nationaler Erbnachweise.

IV. Entstehungsgeschichte Die kontroverse Entstehungsgeschichte des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sowie dessen Entwicklung als Mittel der Auslegung wurde bereits ausführlich erörtert, sodass hierauf verwiesen werden kann.336 Die Genese macht in erster Linie eine Ablehnung der sogenannten Anerkennungsmethode deutlich.337 Öffentliche Urkunden sollen durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO weder wie gerichtliche Entscheidungen nach der verfahrensrechtlichen Anerkennung in336 

Hierzu unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff. und b), S. 133 ff. Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8; sowie Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 22; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 266; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Geimer, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 5, 8; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11. 337 Vgl.



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 239

nerhalb der EU verkehren, noch sollen sie ihnen gleichgestellt werden und im Wege einer Rechtslagenanerkennung zirkulieren. Die Annahme der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden soll demnach weder die Wirksamkeit noch die materiellrechtlichen Wirkungen einer öffentlichen Urkunde beinhalten.338 Sie betrifft vielmehr lediglich den „Urkundsmantel“, d. h. das instrumentum, als Träger der durch die Urkundsperson aufgezeichneten tatsächlichen Elemente.339 Ferner tritt durch die Entstehungsmaterialien im Besonderen das Telos der Annahme hervor. Treffend merkte der Berichterstatter des Europäischen Parlaments Lechner in seinen Beobachtungen an, die Annahme öffentlicher Urkunden „i. S. ihrer freien Zirkulation und der ‚Anerkennung‘ ihrer Echtheit und formellen Beweiskraft“ sei zu begrüßen.340 An dieser Stelle tritt unverkennbar der Gesetzgeberwille hervor, dass die Annahme öffentlicher Urkunden deren Echtheit und formelle Beweiskraft betrifft. Dies entspricht ebenfalls dem verordnungsautonomen Authentizitätsbegriff, vgl. EG 62 EuErbVO.341 Sinn und Zweck des Art. 59 EuErbVO ist die Freizügigkeit öffentlicher Urkunden der Mitgliedstaaten als instrumentum und nicht als negotium zu fördern. Derart führt der Berichterstatter Lechner später in einer Analyse zur verabschiedeten Fassung der EuErbVO aus, die Beschränkung der Annahme auf die „formelle Beweiskraft“ stelle klar, dass „für das in der Urkunde niedergelegte Rechtsgeschäft selbst und dessen grenzüberschreitende Anerkennung das Kollisionsrecht maßgeblich ist und die im Land der Urkundserrichtung für den dokumentierten Rechtsakt maßgebliche Rechtslage (negotium) nicht auf dem Wege einer ‚Anerkennung von Urkunden‘ grenzüberschreitend transportiert werden kann“.342 Die Entstehungsgeschichte macht folglich den Willen des europäischen Gesetzgebers besonders deutlich, der sich gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung hinsichtlich öffentlicher Urkunden entschieden hat. Der Begriff der formellen Beweiskraft wurde mit Absicht im Laufe der Genese in die Vorschrift eingefügt und auch bewusst gewählt. Hierdurch soll die Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO auf die Beweiswirkungen in Bezug auf das instrumentum der Urkunde beschränkt werden.343 338  Buschbaum, in: GS Hübner, 339 Vgl. Buschbaum, in: Hager,

2012, S. 589, 603. Die neue EuErbVO, S. 39, 43, Fn. 15; Geimer, in: Dutta/ Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 143, 146, Rn. 8; Kindler/Kränzle, in: Groll, Erbrechtsberatung, E., Rn. 310; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2, 8. 340  Lechner, Bericht v. 6.3.2012, S. 62. 341  Hierzu unter § 10 II. 1., S. 206 ff. 342  Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO, S. 27 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 343  Hierzu bereits ausführlich unter § 5 II. 2. b), S. 133 ff.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

V.  Ergebnis zur verordnungsautonomen Auslegung Der Begriff der formellen Beweiskraft (evidentiary effects, force probante, valor probatorio) als Anknüpfungsgegenstand des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bezieht sich somit verordnungsautonom einzig auf die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde als instrumentum. Hiervon unangetastet bleibt das in der öffentlichen Urkunde enthaltene Rechtsgeschäft oder -verhältnis (negotium).344 Diese Differenzierung ergibt sich in erster Linie aus der Systematik der Vorschrift.345 Als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm verweist Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zur Bestimmung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde auf das Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates. Demgegenüber verweist Art. 59 Abs. 3 EuErbVO klarstellend für den materiellen Inhalt einer Urkunde (negotium) auf das im dritten Kapitel der EuErbVO geregelte Kollisionsrecht zur Bestimmung des anwendbaren Rechts. Das nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anwendbare Recht regelt somit einzig die formelle Beweiskraft einer Urkunde als instrumentum. Das hiervon zu unterscheidende negotium wird systematisch getrennt in Art. 59 Abs. 3 und 4 EuErbVO behandelt. Der präzise deutsche Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO verdeutlicht durch die Formulierung „formelle Beweiskraft“ die Unterscheidung zwischen instrumentum und negotium.346 Die formelle Beweiskraft ist mit der Urkunde als instrumentum verknüpft und wird der materiellen Beweiskraft, die ihrerseits das negotium betrifft, gegenüber gestellt. Ferner zeigen Telos und Genese der Vorschrift, dass die Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO die Zirkulation öffentlicher Urkunden innerhalb der verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtssysteme ermöglichen soll.347 Deshalb soll die formelle Beweiskraft grenzüberschreitend erstreckt werden, wobei diese lediglich die Echtheits- sowie Tatsachenvermutung bezüglich der beurkundeten Elemente enthält. Die formelle Beweiskraft bei erbrechtlichen öffentlichen Urkunden bezieht sich dabei regelmäßig auf den Wortlaut der abgegebenen letztwilligen Erklärungen sowie auf die Begleitumstände wie Zeitpunkt und Ort der Abgabe und Angaben zur Person der Beteiligten (vgl. EG 62 S. 2 EuErbVO). Weitergehende Rechtslagenvermutungen, die materiell-rechtlich öffentlichen Urkunden zum Teil durch die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zugeschrieben werden, sind kein Bestandteil des freien Verkehrs der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden.348 Solche Rechtsvermutungen betreffen das negotium der Urkunde, welches nicht von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfasst ist. 344 Zum Ganzen ausdrücklich Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 33. 345  Zur systematischen Auslegung ausführlich unter § 10 II., S. 205 ff. 346  Zur Auslegung des Wortlauts ausführlich unter § 10 I., S. 198 ff. 347  Zur teleologischen Auslegung ausführlich unter § 10 III., S. 232 ff.; zur Entstehungsgeschichte siehe § 10 IV., S. 238 ff. sowie § 5 II. 2. a), S. 119 ff. 348 Vgl. Buschbaum, in: Hager, Die neue EuErbVO, S. 39, 58 f.; Mansel, in: Calvo Cara-



§ 10  Verordnungsautonome Auslegung des Begriffs der formellen Beweiskraft 241

Denn die Vermutung einer Rechtslage beweist nicht das Vorliegen einer Tatsache, sondern das daraus folgende Vorliegen einer rechtlichen Situation oder eines Rechtsstatus nach dem materiellen Recht.349 Ein beurkundetes Rechtsgeschäft stellt zwar gegebenenfalls die Voraussetzung für das Vorliegen einer Rechtslage dar, ob dies allerdings der Fall ist, muss nach dem anwendbaren Recht geprüft werden.350 Diese materielle Beweiswürdigung obliegt der freien Würdigung des Richters.351 Ob aus dem beurkundeten Rechtsverhältnis, so wie es in der Urkunde dargelegt und aufgrund der anzunehmenden formellen Beweiskraft als Tatsache bewiesen wird, materielle Rechtsfolgen zu schließen sind, sodass eine Rechtslage vorliegt, ist eine Frage, die die Annahmestelle nach dem anwendbaren Recht zu prüfen hat. Im Gegensatz zum bewirkten Tatsachenbeweis der Beweiskraft (force probante) gewährleistet die Anerkennung einer Rechtsvermutung die Rechtsmäßigkeit einer Rechtslage im Verhältnis zwischen den betroffenen Parteien sowie gegenüber Dritten.352 Dies wird durch Art. 59 EuErbVO allerdings nicht bezweckt. Das Konzept der formellen Beweiskraft i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO umfasst einzig die besondere Beweiskraft der öffentlichen Urkunde in dem Sinne, dass sie einen verstärkten Beweis der beurkundeten Tatsachen darstellt. Prozessuale Folge der gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zu erstreckenden formellen Beweiskraftwirkung einer öffentlichen Urkunde ist die Einschränkung der freien richterlichen Beweiswürdigung hinsichtlich der Tatsachenentscheidung des Richters.353 Denn die annehmende Stelle ist an die ursprüngliche formelle Beweiskraft der Urkunde gebunden, d. h. sie muss die sich aus der Urkunde ergebenden Tatsachen so wie sie dort stehen, als gegeben ansehen. Sobald die öffentliche Urkunde nach ihrem Ursprungsrecht für eine gewisse Tatsache einen privilegierten Beweis darstellt, muss der Annahmestaat sich dieser besonderen formellen Beweiskraft beugen.354 Die Bindungswirkung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO bezieht sich dabei sowohl auf den „Umfang“ als auf die „Art“ der formellen Beweiskraft, wie ausdrücklich in EG 61 S. 2 EuErbVO erläutert wird. Der „Umfang“ der formellen Beweiskraft bedeutet die gegenständliche Reichweite der Beweiskraft, sprich welche Tatsachen Bestandteil der erhöhten Beweiskraft nach dem Ursprungsrecht sind und welche nicht. Dabei umfasst die vaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 37; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 73; a. A.  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 738 f. 349  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 36. 350  Hertel, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. V, EuErbVO, Art. 59, Rn. 5. 351  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 61. 352  Callé, L’acte public en droit international privé, S. 202. 353  Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 10; Geimer, IZPR, Rn. 2330o; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 34. 354  Wautelet, in: Bonomi/Wautelet, EuErbVO, Art. 59, Rn. 11.

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Teil 3: Einzelheiten der anzunehmenden Beweiskraft

verordnungsautonome Reichweite des Anknüpfungsgegenstandes die formelle Beweiskraft in Bezug auf die durch die Urkundsperson festgehaltenen Tatsachen, d. h. die Urkunde als instrumentum. Welche Tatsachenaspekte von einer verstärkten Beweiskraft profitieren und welche nicht, richtet sich nach dem gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anwendbaren Ursprungsrecht. Das gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anwendbare Ursprungsrecht einer öffentlichen Urkunde entscheidet etwa darüber, ob der Wortlaut der abgegebenen Erklärung, die Abgabe der Erklärung durch die angegebene Person vor der benannten Autorität an niedergelegtem Ort und Datum und das Herrühren der Urkunde von der angegebenen Urkundsperson von einer erhöhten formellen Beweiskraft profitieren oder nicht.355 Mit der „Art“ der Beweiskraft wird auf die Art ihrer Geltung verwiesen. Die Frage, ob eine formelle Beweiskraftwirkung solange gilt, bis sie auf inzidente Weise widerlegt wird oder ob es hierzu eines besonderen Verfahrens bedarf sowie die jeweiligen beweisrechtlichen Anforderungen an die Widerlegung, richtet sich gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ebenfalls nach dem Ursprungsrecht der Urkunde.356 Der Anknüpfungsgegenstand umfasst nicht nur die gegenständliche Reichweite der formellen Beweiskraft („Umfang“, EG 61 S. 2 EuErbVO), sondern auch dessen Infragestellung („Art“, EG 61 S. 2 EuErbVO). Denn die Widerlegbarkeit der formellen Beweiskraft ist eine wesentliche Eigenschaft öffentlicher Urkunden, wie Art. 59 Abs. 2 EuErbVO deutlich macht. Sieht das Ursprungsrecht der öffentlichen Urkunde zur Widerlegung ihrer formellen Beweiskraft ein spezielles Verfahren vor, so schreibt Art. 59 Abs. 2 EuErbVO zunächst vor, dass hierfür das Recht des Ursprungsmitgliedstaates anzuwenden ist (wie es sich bereits aus Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ergibt) sowie auch, dass die Gerichte des Ursprungsstaates zuständig sind. Auf diese Weise gewährleistet die Verordnung die vollumfängliche Wahrung solch spezieller Verfahren. Sinn und Zweck der Annahme ist zwar die Förderung des freien Verkehrs öffentlicher Urkunden durch die Wirkungserstreckung ihrer formellen Beweiskraft. Der erhöhten Beweiskraft ist allerdings eine Widerlegung – auch wenn sie regelmäßig nur schwerlich und eng eingegrenzt möglich ist – immanent.357 Das Wesen einer öffentlichen Urkunde zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie – anders als gerichtliche Entscheidungen – keine res judicata besitzen.358 Diese Charakte355 Vgl. J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17, 19; Makowsky, in: NK/ BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 8 f. 356 Vgl. J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 17 f.; Somarakis, in: Pamboukis, EuErbVO, Art. 59, Rn. 25; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art.  59, Rn. 8; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 35. 357  Vgl. auch unter § 9, S. 189 ff. 358  Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 325; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3. Hierzu ausführlich unter § 5 II. 2. a) (2), S. 125 ff.



§ 11  Formulierung einer verordnungsautonomen Definition

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ristik wurde insbesondere in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift hervorgehoben.359 Schließlich kann festgehalten werden, dass das verordnungsautonome Begriffsverständnis der formellen Beweiskraft i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sich allein auf die öffentliche Urkunde als instrumentum beschränkt. Dabei umfasst der Terminus Art und Umfang der formellen Beweiskraft, die wiederum auf der Authentizität der Urkunde beruht. Der Begriff beinhaltet gegenständlich die Beweiswirkung einer öffentlichen Urkunde hinsichtlich ihrer Echtheit und der beurkundeten Tatsachen. Die Art der formellen Beweiskraft erfasst ihre Widerlegbarkeit, d. h. die Ausgestaltung der Widerlegung in inzidenter Weise oder nur mittels eines eigens dafür vorgesehenen Verfahrens sowie die beweisrechtlichen Anforderungen der Widerlegung.

§ 11  Formulierung einer verordnungsautonomen Definition der formellen Beweiskraft Aus dem herausgearbeiteten mitgliedstaatlich übergreifend geltenden Grundverständnis360 in Bezug auf die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden sowie der verordnungsautonomen Auslegung361 des Art. 59 EuErbVO kann als verordnungsautonomes Begriffsverständnis der formellen Beweiskraft (force probante/evidentiary effects) einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO folgende Definition formuliert werden: Der Begriff „formelle Beweiskraft“ bezeichnet die dem instrumentum einer öffentlichen Urkunde anhaftende Beweiswirkung. Durch die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gelten deren Echtheit und die persönlich durch die Urkundsperson beurkundeten Tatsachen – vorbehaltlich der hohen Anforderungen unterliegenden Widerlegung – als bewiesen. Von der formellen Beweiskraft nicht erfasst ist die materielle Richtigkeit und Wirksamkeit des beurkundeten Inhalts (negotium). Die Definition soll zur Qualifikation des Anknüpfungsgegenstandes der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden bei der Anwendung der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO dienen.

359  360 

Siehe hierzu ausführlich unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff. sowie § 10 IV., S. 238 ff. Hierzu ausführlich unter § 9, S. 183 ff., insb. S. 196. 361  Hierzu ausführlich unter § 10, S. 198 ff., insb. unter § 10 V., S. 240 ff.

Teil 4

Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts Die in der EuErbVO geregelte Annahme öffentlicher Urkunden soll nun in das Gesamtgefüge des Unionsrechts gestellt werden. Nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hat eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widersprechen würde. Als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm erklärt Art. 59 Abs. 1 EuErbVO das Ursprungsrecht einer öffentlichen Urkunde zur Bestimmung ihrer formellen Beweiskraft für anwendbar.1 Die ursprüngliche formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde soll gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO in andere Mitgliedstaaten erstreckt werden. Es handelt sich bei der Annahme nach der EuErbVO um eine Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft.2 Vor der Geltung der EuErbVO kannte das Unionsrecht keine Art. 59 EuErbVO vergleichbare Regelung.3 Das Unionsrecht regelte anfangs einzig die europaweite Vollstreckung öffentlicher Urkunden. Art. 59 EuErbVO regelt die Annahme der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden jedoch unabhängig von deren Vollstreckbarkeit.4 Die Vollstreckung öffentlicher Urkunden wird separat in Art. 60 EuErbVO normiert.5 Die grenzüberschreitende Wirkung öffentlicher Urkunden beschränkte sich ursprünglich lediglich auf deren Vollstreckbarkeit.6 So bestimmt Art. 58 Abs. 1 1 

Zur Einordnung als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm siehe § 5 II. 1., S. 113 ff. grenzüberschreitenden Wirkung der Annahme siehe unter § 6, S. 135 ff., insb. zur Wirkungserstreckung unter § 6 I., S. 136 ff. Zur formellen Beweiskraft als anzunehmende Wirkung siehe Teil 3, S. 177 ff., insb. § 10 V., S. 240 ff. und § 11, S. 243. 3 Ausdrücklich Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; ferner Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 261; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 2; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 336, 343; Makowsky, in: NK/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1; Schaub, in: Muscheler, Hereditare 3, S. 91, 109; Volgger, in: Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO, Vor Kap. V, Rn. 2. 4  Bauer, in: GS Unberath, 2015, S. 19, 19, Fn. 2; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6. 5  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 59, Rn. 1, Art. 60, Rn. 1. Ferner Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 164 (zur EuErbVO-E). 6  C. Kohler, in: YbPIL 15 (2013/2014), S. 13, 16; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde 2  Zur

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Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts

EuGVVO: „Öffentliche Urkunden, die im Ursprungsstaat vollstreckbar sind, sind in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. […]“. Ähnlich lauteten die Vorgängerregelungen des Art. 57 Abs. 1 EuGVVO a. F. sowie des Art. 50 EuGVÜ.7 Nach dem Regelungssystem der EuGVVO wurde zur Vollstreckung einer Urkunde allerdings vorausgesetzt, dass es sich um eine beweiskräftige Urkunde handelt. Gem. Art. 58 Abs. 2 EuGVVO muss die vorgelegte Urkunde, um in einem anderen Mitgliedstaat gem. Art. 58 Abs. 1 EuGVVO vollstreckbar zu sein, „die Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen, die im Ursprungsmitgliedstaat erforderlich sind“. Die Beweiskraft wird hier einzig nach dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats bestimmt.8 Es handelt sich – anders als bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO – nicht um ein europäisch-autonomes Begriffsverständnis der Beweiskraft.9 Auch stellt die Beweiskraft der Urkunde im Rahmen der EuGVVO lediglich ein Tatbestandselement dar.10 Die nationalen förmlichen Errichtungsvoraussetzungen, die die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde begründen, müssen eingehalten werden, damit eine öffentliche Urkunde vorliegt, dessen Vollstreckungs- bzw. Titelwirkung grenzüberschreitend wirken kann.11 Die Beweiskraftwirkung als solche soll jedoch nach Art. 58 EuGVVO nicht grenzüberschreitend erstreckt werden.12 Die Vorschrift unterscheidet sich somit wesentlich von Art. 59 EuErbVO. Anzumerken ist darüber hinaus, dass die EuGVVO keinesfalls die „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden regelt.13 Die Regelungen der EuGVVO stellen öffentliche Urkunden nicht gerichtlichen Entscheidungen gleich, ihnen wird insbesondere keine res judicata-Wirkung zugeschrieben.14

im europäischen Rechtsverkehr, S. 33 (zu Art. 50 EuGVÜ); Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Musger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 17, 17. 7 Siehe hierzu Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 1 ff.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 9 f. Zu Art. 50 EuGVÜ: Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 41 ff. 8  Gottwald, in: MüKo5/ZPO, EuGVVO, Art. 58, Rn. 3; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 44 (zu Art. 50 EuGVÜ); E. Pfeiffer/M. Pfeiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. I, EuGVVO, Art. 58, Rn. 3; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 37. 9  Zur verordnungsautonomen Definition der formellen Beweiskraft siehe unter Teil 3, S. 177 ff., insb. unter § 11, S. 243 f. 10  Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 37; i. E. Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 45 (zu Art. 50 EuGVÜ). 11 Vgl. Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 45 (zu Art. 50 EuGVÜ). 12  Vgl. i. E. Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 37 f. 13  Wagner, NZFam 2014, 121, 122. 14  Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1500.



Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts 

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Erst die am 1.3.2001 in Kraft getretene EuEheVO a. F. ordnete in ihrem Art. 13 Abs. 3 an: „Für die Durchführung dieser Verordnung werden öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, […] unter denselben Bedingungen wie die in Absatz 1 genannten Entscheidungen anerkannt und für vollstreckbar erklärt“.15 Auch die neue Fassung der EuEheVO, die seit dem 1.5.2005 gilt, bestimmt in Art. 46: „Öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, […] werden unter denselben Bedingungen wie Entscheidungen anerkannt und für vollstreckbar erklärt“. Ebenso wie Art. 46 EuEheVO regelt Art. 48 EuUnthVO, dass öffentliche Urkunden „wie Entscheidungen […] anzuerkennen und in der gleichen Weise vollstreckbar“ sind.16 Aufgrund der Formulierung der Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO wird diesbezüglich teilweise vertreten, öffentliche Urkunden würden dem Anerkennungsregime gerichtlicher Entscheidungen unterstellt.17 In einer öffentlichen Urkunde enthaltene Rechtsakte, die grundsätzlich einer Wirksamkeitsprüfung nach dem kollisionsrechtlich anwendbaren materiellen Recht unterliegen, sollen „auch in ihrem materiellen Inhalt verfahrensrechtlich anzuerkennen“ sein.18 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO lediglich vollstreckbare öffentliche Urkunden erfassen.19 Solche entfalten

15  Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 12; Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 905. Ferner hierzu Ancel/Muir Watt, Rev. crit. DIP 90 (2001), 403, 436 ff. 16  Zur umstrittenen Bedeutung der Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO siehe Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1500; Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 337, Fn. 58; Hau, in: Prütting/Helms, FamFG, § 108, Rn. 6 ff.; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Wagner, NZFam 2014, 121, 122 f. Ausführlich zu Art. 46 EuEheVO: Geimer, in: Zöller/ZPO, EuEheVO, Art. 46, Rn. 3 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 2865b ff.; zu Art. 48 EuUnthVO: Lipp, in: MüKo/FamFG, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 32 ff. 17  Zu Art. 46 EuEheVO: Ancel/Muir Watt, Rev. crit. DIP 90 (2001), 403, 440 (zur Eu­ EheVO a. F.); Dornblüth, Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen, S. 63 (zur EuEheVO a. F.); Gottwald, in: MüKo/FamFG, EuEheVO, Art. 46, Rn. 3; U. Magnus, in: U. Magnus/Mankowski, Brussels Iibis Regulation, Art. 46, Rn. 11; C. Mayer, StAZ 2018, 106, 112; Paraschas, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. II, EuEheVO, Art. 46, Rn. 1, 10; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 2. Zu Art. 48 EuUnthVO: Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 6; Picht, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 6. Zu beiden d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 244 f., Fn. 89. 18 Zur EuEheVO Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 2 (hierzu allerdings widersprüchlich Rn. 10); ferner zur EuUnthVO i. E. Picht, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, Bd. III, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 6; so auch zu beiden Verordnungen C. Kohler, in: YbPIL 15 (2013/2014), S. 13, 16 f. 19  Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 9 f.; Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 909. Siehe hierzu bereits oben unter § 2 III. 3., S. 26 und unter § 5 II. 2. a) (1), S. 120.

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Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts

keine – im verfahrensrechtlichen Sinne – anerkennungsfähigen Wirkungen.20 Deshalb sind öffentliche Urkunden einer Anerkennung im verfahrensrechtlichen Sinne nicht zugänglich.21 Die Vollstreckbarkeit stellt keine anerkennungsfähige Wirkung dar, da sie originär im Vollstreckungsstaat verliehen wird.22 Bei Gerichtsentscheidungen stellen die materielle Rechtskraft und die Gestaltungswirkung anerkennungsfähige Wirkungen dar.23 Einer Urkunde kommen diese Wirkungen allerdings nicht zu, da in einer Urkunde keine autoritative Feststellung enthalten ist.24 Den anerkennungsfähigen prozessualen Wirkungen einer Gerichtsentscheidung steht die sogenannte Tatbestandswirkung gegenüber. Als Tatbestandswirkung wird die Wirkung bezeichnet, die der Entscheidungsinhalt auf gesetzliche Tatbestände haben kann.25 Inwieweit eine Entscheidung auf dem Gebiet des materiellen Rechts Auswirkungen haben kann, richtet sich nach dem einschlägigen materiellen Recht, welches kollisionsrechtlich bestimmt werden muss.26 Denn die materiell-rechtlich normierten Rechtsfolgen sind keine originären Entscheidungswirkungen, sondern eine Frage des anwendbaren materiellen Rechts.27 Deshalb stellt die Tatbestandswirkung keine anerkennungsfähige Wirkung dar. Übertragen auf öffentliche Urkunden, können die Wirkungen einer Urkunde mit den Tatbestandswirkungen einer Entscheidung verglichen 20 

Geimer, IZPR, Rn. 2865b; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuGVVO a. F., Art. 57, Rn. 27, EuEheVO, Art. 1. Rn. 43; Art. 46, Rn. 4; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, S. 37 (zu Art. 50 EuGVÜ); Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 909; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13; Wagner, DnotZ 2011, 176, 181; i. E. Callé, Rev. crit. DIP 94 (2005), 377, 386. 21  Hau, in: Prütting/Helms, FamFG, § 108, Rn. 6 f.; Musger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 17, 17; Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 845; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 912; i. E. Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 628. 22  Geimer, IZPR, Rn. 2824; Kropholler, IPR, S. 682; Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 908; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158, Rn. 6; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 868; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 9; J. Schmidt, in: BeckOGK, EuErbVO, Art. 39, Rn. 15. 23  Geimer, IZPR, Rn. 2799; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.41; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158, Rn. 2; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 866 f., 869. 24  Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 908; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13. Vgl. i. E. auch R. Magnus, in: BeckOGK, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 20. 25  Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 908; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13. 26  Adolphsen, Europäisches ZivilverfahrensR, Kap. 5, Rn. 42a; Geimer, IZPR, Rn. 2786, 2826; Kropholler, IPR, S.  681; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, EuGVVO a. F., Vor Art. 33, Rn. 17; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 628; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 9; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 870. 27  Kropholler, IPR, S. 681; Linke/Hau, IZVR, Rn. 12.45; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 158, Rn. 4; Schärtl, in: JurisPK/BGB, EuErbVO, Art. 39, Rn. 9 f.; Weber, in: Dutta/Weber, IntErbR, EuErbVO, Art. 39, Rn. 18.



Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts 

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werden.28 Mit den in einer Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäften werden materiellrechtliche Rechtsfolgen verknüpft. Indem diese jedoch durch das materielle Recht angeordnet werden, stellen sie keine originäre Urkundswirkung dar. Vielmehr bestimmt das nach dem Kollisionsrecht bestimmte anwendbare Recht, ob es mit der Urkunde bzw. dem beurkundeten Rechtsverhältnis materielle Rechtsfolgen verbindet. Laut Mayer sollen gem. Art. 46 EuEheVO Privatscheidungen, an denen eine Behörde durch Registrierung oder Beurkundung mitgewirkt hat, europaweit ohne kollisionsrechtliche Wirksamkeitsprüfung anerkannt werden.29 Die Wirksamkeit einer Scheidung von der Art der beteiligten Behörde und damit verbundenen konstitutiven oder bloß deklaratorischen Wirkung abhängig zu machen, sei für die Beteiligten nicht nachvollziehbar und letztlich zufällig. Dass Privatscheidungen keine vollstreckbaren Urkunden sind, sei unerheblich. Denn die Anerkennung setze nicht die Vollstreckung voraus, sodass es der Anerkennung nach Art. 46 EuEheVO nicht entgegenstehen könne, dass die Urkunde nicht vollstreckungsfähig ist.30 Dieser Argumentation muss jedoch widersprochen werden. Wie soeben dargelegt,31 fehlt es öffentlichen Urkunden an anerkennungsfähigen Wirkungen. Dass eine vollstreckbare Urkunde tatsächlich nicht vollstreckt wird, kann kein Argument dafür sein, dass die Urkunde für Art. 46 EuEheVO generell nicht vollstreckungsfähig sein muss. Ganz im Gegenteil ist eine Urkunde mit vollstreckungsfähigem Inhalt Voraussetzung für die Anwendung des Art. 46 EuEheVO, d. h. für die grenzüberschreitende Vollstreckbarerklärung der Urkunde.32 Zudem ist die EuEheVO nach richtiger Ansicht auf Privatscheidungen nicht anwendbar, auch wenn eine Behörde registrierend oder beurkundend daran mitgewirkt hat.33 Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 2 Nr. 1, 2 und 4 EuEheVO ist die EuEheVO nur auf solche Entscheidungen anwendbar, bei denen die rechtliche Gestaltung durch die erlassende Behörde und nicht durch die Willenserklärungen der Parteien bewirkt wird.34 Die Registrierung oder Beurkundung stellt jedoch keinen autoritativen Scheidungsausspruch der handelnden 28 Vgl.

Rechberger, in: FS Geimer, 2002, S. 903, 909; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 13; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 628. 29  C. Mayer, StAZ 2018, 106, 112, 115 f. 30  Zum Ganzen: C. Mayer, StAZ 2018, 106, 112. 31  S. o. S. 247 f. 32  Andrae, in: NK/BGB, EuEheVO, Art. 46, Rn. 2, 11; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 9 f.; siehe ferner die Nachweise unter Teil 4, Fn. 19. 33  Geimer, in: Zöller/ZPO, EuEheVO, Art. 1, Rn. 3; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 10; Spellenberg, in: Staudinger (Brüssel Iia-VO), Eu­ EheVO, Art. 21, Rn. 16 ff. 34 Vgl. Geimer, in: Zöller/ZPO, EuEheVO, Art. 1, Rn. 3; Gruber, in: NK/BGB, EuEheVO, Art. 1, Rn. 14; i. E. Helms, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 337, 344; Spellenberg, in: Staudinger (Brüssel Iia-VO), EuEheVO, Art. 21, Rn. 14 f., 20, 51.

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Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts

Stelle dar.35 Vielmehr ist der Rechtsgrund der Scheidung der private Wille der Parteien, der lediglich beurkundet oder registriert wird.36 Richtigerweise ist sowohl die Formulierung des Art. 46 EuEheVO als auch des Art. 48 EuUnthVO als Verweis auf die jeweiligen Anerkennungsversagungsgründe im Rahmen der Prüfung der Vollstreckbarkeit zu verstehen.37 Das Nichtvorliegen von Anerkennungsversagungsgründen nach Art. 22 EuEheVO bzw. Art. 24 EuUnthVO stellt eine Tatbestandsvoraussetzung für die Vollstreckbarkeit der Urkunde dar.38 Dafür spricht auch, dass Art. 31 Abs. 2 Eu­EheVO für das Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren auf die Versagungsgründe verweist, die in den Art. 22 ff. EuEheVO als Anerkennungsversagungsgründe für Entscheidungen geregelt sind. Die Vorschriften des Art. 46 EuEheVO sowie des Art. 48 EuUnthVO stellen somit reine Vollstreckbarkeitsregelungen dar.39 „Anerkennung“ bedeutet demnach lediglich die „Anerkennung“ der von der Urkunde ausgehenden formellen Beweiskraftwirkung.40 Weder die „Anerkennung“ nach Art. 46 EuEheVO noch diejenige gem. Art. 48 EuUnthVO betrifft die materiellrechtliche Wirksamkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts, welches sich nach dem anwendbaren Recht beurteilt.41 35  Geimer, in: Zöller/ZPO, EuEheVO, Art. 1, Rn. 3. 36 Vgl. Geimer, in: Zöller/ZPO, EuEheVO, Art. 1, Rn. 3. 37 

Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 45; Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 259 f.; Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 354; Callé, Rev. crit. DIP 94 (2005), 377, 386; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; M. Kohler/ Buschbaum, Rev. crit. DIP 99 (2010), 629, 650; Lagarde, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 5, 14, Rn. 22 (zu Art. 46 EuEheVO); Mansel, in: Calvo Caravaca/ Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 7; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5 (zu Art. 46 EuEheVO); Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 39 f.; Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 2, 10; Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 10. Kritisch zu Art. 46 EuEheVO ferner: Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 82 f.; Geimer, IZPR, Rn. 2865a ff.; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuEheVO, Art. 1, Rn. 42; Art. 46, Rn. 4 ff. Siehe bereits oben unter § 5 II. 2. a) (1), S. 120. 38 Vgl. Buschbaum, in: GS Hübner, 2012, S. 589, 601; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 264 f.; Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 259 f.; CNUE, Etude comparative sur les actes authentiques, S. 124; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 316; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5; Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 39 f. So. i. E. auch bzgl. Art. 46 EuEheVO: Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, EuEheVO, Art. 46, Rn. 4 ff. 39  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5 (ausdrücklich zu Art. 46 EuEheVO). Ferner i. E. Fitchen, JPIL 8 (2012), S. 323, 337 f., 342; Hellner, Maintenance obligations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1184, 1191; Lagarde, in: YbPIL 15 (2013/2014), S. 1, Fn. 2. 40  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5 (ausdrücklich zu Art. 46 EuEheVO); zustimmend: Hau, in: Prütting/Helms, FamFG, § 108, Rn. 6 (zu Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO) sowie zu Art. 48 EuUnthVO: Hau, in: Prütting/Helms, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 158; Lipp, in: MüKo/FamFG, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 34. Siehe auch Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 305. 41 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2865b; Hau, in: Prütting/Helms, FamFG, § 108, Rn. 6; Mansel/



Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts 

251

Seit der Geltung der EuErbVO kann darüber hinaus Art. 59 EuErbVO als Auslegungshilfe für Art. 46 EuEheVO sowie Art. 48 EuUnthVO hinzugezogen werden. So bringt Magnus richtigerweise an, dass sich zum Verständnis des Art. 48 EuUnthVO eine Orientierung an Art. 59 EuErbVO anbiete.42 Der Unionsgesetzgeber hat in Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ausdrücklich den grenzüberschreitenden Verkehr öffentlicher Urkunden als Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft normiert. Die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden beschränkt sich auf die Beweiskraftwirkungen hinsichtlich der Echtheit und der beurkundeten Tatsachen.43 Von der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden strikt zu trennen ist die materielle Richtigkeit des beurkundeten Inhalts, die auch als materielle Beweiskraft bezeichnet wird. Letztere wird von der Annahme gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht erfasst. Im Sinne einer unionsweit einheitlichen autonomen Auslegung, kann Art. 59 Abs. 1 EuErbVO zur Interpretation anderer Vorschriften, die ebenfalls die Zirkulation öffentlicher Urkunden regeln, herangezogen werden. Durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO hat der Unionsgesetzgeber deutlich gemacht, dass er sich gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung entschieden hat.44 Das negotium einer öffentlichen Urkunde soll auch weiterhin einer Wirksamkeitsprüfung nach dem kollisionsrechtlich berufenen materiellen Recht unterliegen. Ferner merkt Buschbaum zu Recht an, dass die Entstehungsgeschichte der EuErbVO ebenfalls verdeutlicht, dass vor der Vorschrift des Art. 34 EuErbVO-E keine europäische Regelung einer „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden vorlag. Andernfalls wäre die Genese der EuErbVO nicht so kontrovers verlaufen.45 Durch die Entstehungsgeschichte der EuErbVO werde demnach auch deutlich, dass weder Art. 46 EuEheVO noch Art. 48 EuUnthVO eine „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden normieren.46 Die Regelungen in Art. 46 EuEheVO und in Art. 48 EuUnthVO sind somit im Wege einer rechtsaktübergreifenden systematischen Auslegung47 anhand des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO derart zu verstehen, dass lediglich die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden „anzuerkennen“ ist, nicht jedoch die inhaltliche Richtigkeit der beurkundeten Erklärungen.48

Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 5 (zu Art. 46 EuEheVO); R. Magnus, in: BeckOGK, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 21; Lipp, in: MüKo/FamFG, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 35 (beide zu Art. 48 EuUnthVO); i. E. Rauscher, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuEheVO, Art. 46, Rn. 2, 10; wohl auch Niboyet/de Geouffre de la Pradelle, DIP, Rn. 845. 42  R. Magnus, in: BeckOGK, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 21. 43  Siehe unter § 10, S. 198 ff. und § 11, S. 243 f. 44  Siehe hierzu unter § 5 II. 2. b), S. 133 ff. 45  Zur Entstehungsgeschichte der EuErbVO unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff. 46  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 263. 47  Siehe hierzu ausführlich unter § 1 II., S. 10 ff. 48  Vgl. i. E. R. Magnus, in: BeckOGK, EuUnthVO, Art. 48, Rn. 21 (zu Art. 48 EuUnthVO).

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Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts

Die durch Art. 59 Abs. 1 EuErbVO deutlich gewordene Entscheidung des Unionsgesetzgebers gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung, die zu­gleich ein „Bekenntnis zur Anknüpfungsmethode“49 des Kollisionsrechts dar­ stellt, wird in den beiden Güterrechtsverordnungen für Ehegatten (EuGü­ VO) und für eingetragene Lebenspartner (EuPartVO), die ab dem 29.1.2019 gelten, bestätigt. Die zwei Güterrechtsverordnungen stimmen weitest­gehend überein.50 Der Unionsgesetzgeber hat die ursprünglich als ein­heitlich geplante Güterrechtsverordnung aus politischen Gründen in zwei Rechtsakten erlassen.51 Sowohl in Art. 58 EuGüVO als auch in Art. 58 EuPartVO ist die „Annahme öffentlicher Urkunden“ geregelt. Art. 58 EuGüVO/EuPartVO stellt das wörtliche Spiegelbild des Art. 59 EuErbVO dar. Dies liegt daran, dass die EuErbVO als Vorbild für die Güterrechtsverordnungen gedient hat.52 Ähnlich wie bei der Entstehungsgeschichte der EuErbVO war der Vorschlag der Europäischen Kommission zu den beiden Güterrechtsverordnungen anerkennungsrechtlich formuliert.53 Art. 32 EuGüVO-E54 bzw. Art. 28 EuPartVO-E55, aus denen später Art. 58 EuGüVO/EuPartVO erging, lauteten wie folgt: „Artikel 32/Artikel 28: Anerkennung öffentlicher Urkunden (1) Die in einem Mitgliedstaat errichteten öffentlichen Urkunden werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, sofern ihre Gültigkeit nicht nach Maßgabe des anzuwendenden Rechts angefochten wurde und ihre Anerkennung nicht in offensichtlichem Widerspruch zu der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaats stehen würde.

49 

Münch, in: Lipp/Münch, Die neue EuErbVO, S. 31, 44. Siehe hierzu ausführlich unter § 5 II., S. 113 ff. 50  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1, 5; Rademacher, CDT 10 (2018), 7, 9. 51  Dutta, FamRZ 2016, 1973, 1973; vgl. Garber, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 5.6; Kroll-Ludwigs, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuGüVO-E, Einf., Rn. 4 ff., EuPartVO-E, Einf., Rn. 1. 52  Dutta, FamRZ 2016, 1973, 1985; Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 6; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1, 6. Siehe ferner Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 306; C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509, 1512, 1513. 53 Zu EuGüVO-E/EuPartVO-E: Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 306 ff; Martiny, IPRax 2011, 437, 437 ff., 452. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der EuErbVO siehe unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff., zum Vorschlag der Kommission (Art. 34 EuErbVO-E) unter § 5 II. 2. a) (1), S. 119 ff. 54  Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM(2011) 126 endg. v. 16.3.2011, S. 28. 55  Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, KOM(2011) 127 endg. v. 16.3.2011, S. 25.



Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts 

253

(2) Die Anerkennung öffentlicher Urkunden bewirkt, dass diesen Urkunden Beweiskraft hinsichtlich ihres Inhalts verliehen wird und für sie die – widerlegbare – Vermutung der Rechtsgültigkeit gilt.“

Nach dem Kommissionsvorschlag sollten öffentliche Urkunden in anderen Mitgliedstaaten nicht nur vollstreckt, sondern auch anerkannt werden.56 Dabei sollte die Anerkennung laut Art. 32 Abs. 2 EuGüVO-E bzw. Art. 28 Abs. 2 EuPartVO-E bewirken, dass der Urkunde „Beweiskraft hinsichtlich ihres Inhalts verliehen wird und für sie die – widerlegbare – Vermutung der Rechtsgültigkeit gilt“. Anders als gerichtliche Entscheidungen erwächst der beurkundete rechtsgeschäftliche Inhalt (negotium) einer Urkunde nicht in eine anerkennungsfähige Rechtskraft.57 Herkömmlich richten sich die Wirksamkeit und die Rechtswirkungen des beurkundeten Rechtsverhältnisses nach dem materiellen Recht, welches kollisionsrechtlich bestimmt werden muss.58 Durch eine „Anerkennung“ nach Art. 32 EuGüVO-E oder Art. 28 EuPartVO-E würde diese kollisions- und materiellrechtliche Prüfung ausgeschaltet.59 Die Einwände, die im Rahmen der Genese der EuErbVO bereits gegen einen Methodenwechsel vom kollisionsrechtlichen Verweisungsprinzip hin zu einer sogenannten Anerkennungsmethode geäußert wurden,60 gelten hier gleicherweise. Zu Recht ist der europäische Gesetzgeber bei seiner zur EuErbVO getroffenen Entscheidung im Rahmen der EuGüVO und EuPartVO geblieben. Im Laufe der Genese machen namentlich die Änderungsanträge im Europäischen Parlament deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die EuErbVO als Vorbild für die künftigen Güterrechtsverordnungen angesehen hat.61 So entsprechen der Änderungsantrag 98 zur EuGüVO-E und der Änderungsantrag 100 zur EuPartVO-E wortgetreu Art. 59 EuErbVO.62 Hierauf verweisen beide Änderungs56  57 

Martiny, IPRax 2011, 437, 452. Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 306. A. A. wohl Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1497, 1500 (wonach Urkunden einen „very little, if any, quasi-res judicata effect“ haben können). 58 Vgl. Buschbaum/M.°Kohler, GPR 2010, 162, 164; Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 306; Crône, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 77, 81; Foyer, in: Khairallah/Revillard, Droit européen des successions, S. 141, 149, Rn. 347 und 161, Rn. 396; Gothot/Holleaux, La Convention de Bruxelles, Rn. 407; Huet, in: Liber amicorum Revillard, 2007, S. 184, 193; M. Kohler/Buschbaum, IPRax 2010, 313, 315 f.; Martiny, IPRax 2011, 437, 452. Bereits unter § 5 II. 2. a) (2), S. 125. 59 Vgl. Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 306. 60  Siehe hierzu ausführlich unter § 5 II. 2. a) (2), S. 121 ff. Siehe ferner Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1498 ff., 1502 ff. 61 Vgl. auch Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 257; Kroll-Ludwigs, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuGüVO-E, Einf., Rn. 7. 62 Siehe Änderungsantrag 98 zur EuGüVO-E: Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Ent-

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anträge explizit: „(Entspricht Artikel 59 der Verordnung [EU] Nr. 650/2012)“63. Nach der in Kraft getretenen Fassung des Art. 58 Abs. 1 EuGüVO/EuPartVO hat eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern das der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widerspricht.64 Wie bei Art. 59 Abs. 1 EuErbVO betrifft die Wirkungserstreckung des Art. 58 Abs. 1 EuGüVO/ EuPartVO lediglich die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden, nicht hingegen ihre inhaltliche Richtigkeit. Der Unionsgesetzgeber hat an seiner Entschließung des Art. 59 EuErbVO festgehalten und diese auf den Bereich des Güterrechts übertragen. Sowohl während der Genese der EuErbVO als auch derjenigen der beiden Güterrechtsverordnungen hat sich der Verordnungsgeber gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung entschlossen. Die anerkennungsrechtlich formulierten Kommissionsvorschläge (Art. 34 EuErbVO-E, Art. 32 EuGüVO-E, Art. 28 EuPartVO-E) wurden im Laufe der jeweiligen Entstehungsgeschichten vollständig geändert, sodass eine bewusste Abkehr von der Anerkennungsmethode deutlich wird.65 Die verabschiedeten Annahmevorschriften (Art. 59 EuErbVO, Art. 58 EuGüVO/EuPartVO) veranschaulichen die dogmatische Entscheidung des Unionsgesetzgebers für das Kollisionsrechtssystem zur Beurteilung der inhaltlichen Richtigkeit der beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse. Das Konzept der Annahme öffentlicher Urkunden, das durch Art. 59 EuErbVO geschaffen wurde, wurde in den beiden Güterrechtsverordnungen übernommen.66 Wie Art. 59 Abs. 3 EuErbVO stellen auch in den beiden Güterrechtsverordnungen Art. 58 Abs. 3 EuGüVO/EuPartVO klar, dass die „beurkundeten scheidungen im Bereich des Ehegüterrechts (COM[2011] 0126 – C7–0093/2011 – 2011/0059 [CNS]), P7_TA (2013) 0338. Siehe hierzu auch Kroll-Ludwigs, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bd. IV, EuGüVO-E, Einf., Rn. 90. Siehe ferner Änderungsantrag 100 zur EuPartVO-E: Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften (COM[2011] 0127 – C7–0094/2011 – 2011/0060 [CNS]). 63  Zur EuGüVO-E: Änderungsantrag 98, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts (COM[2011] 0126 – C7–0093/2011 – 2011/0059 [CNS]), P7_ TA (2013) 0338. Zur EuPartVO-E: Änderungsantrag 100, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften (COM[2011] 0127 – C7–0094/2011 – 2011/0060 [CNS]). 64  Siehe hierzu auch Garber, in: Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rn. 5.274 ff. 65  Zur Entstehungsgeschichte der EuErbVO ausführlich unter § 5 II. 2. a), S. 119 ff. 66 Vgl. Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 43.



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Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ nach dem durch das vereinheitlichte Kollisionsrecht zu bestimmende anwendbare Recht beurteilt werden. Derart wird insbesondere gewährleistet, dass auch in grenzüberschreitenden Fällen eine materiellrechtliche Prüfung des Inhalts öffentlicher Urkunden erfolgen kann.67 Die Annahme öffentlicher Urkunden ist demnach auf die formelle Beweiskraftwirkung i. S. d. Unionsrechts68 beschränkt, welche einzig das instrumentum einer Urkunde und nicht deren negotium betrifft.69 Die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers gegen die sogenannte Rechtslagenanerkennung öffentlicher Urkunden bestätigt die am 15.8.2016 in Kraft getretene EuUrkVO, die ab dem 16.2.2019 anwendbar ist. Art. 2 Abs. 4 EuUrkVO bestimmt ausdrücklich: „Diese Verordnung gilt nicht für die in einem Mitgliedstaat vorgenommene Anerkennung rechtlicher Wirkungen des Inhalts öffentlicher Urkunden, die von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats ausgestellt werden“. Eine inhaltliche „Anerkennung“ des Urkundeninhalts wird durch die EuUrkVO explizit nicht bezweckt.70 Die EuUrkVO überlässt somit die Frage der „Anerkennung“ des negotium einer Urkunde dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten.71 Die EuUrkVO beschränkt sich lediglich auf den Echtheitsnachweis von öffentlichen Urkunden.72 Hierzu normiert die Verordnung ein System zur Vereinfachung der Anforderungen zum Vorlegen öffentlicher Urkunden (Art. 1 Abs. 1 EuUrkVO). Gegenstand der Verordnung ist einerseits die Befreiung von Legalisation und Apostille (Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 4 EuUrkVO) und andererseits die Vereinfachung sonstiger Förmlichkeiten (Art. 1 Abs. 1 lit. b EuUrkVO) bei beglaubigten Kopien (Art. 5 EuUrkVO) und Übersetzungen (Art. 6 EuUrkVO).73 Darüber hinaus sind der EuUrkVO mehrsprachige Formulare angehängt (Anhänge I–X), die als Übersetzungshilfen einer öffentlichen Urkunde beigefügt

67  68 

Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 43. Zur europäischen Definition der formellen Beweiskraft siehe unter § 11, S. 243. 69 So auch Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; ausdrücklich zu Art. 59 EuErbVO: Mansel, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3, 6, 33. Siehe hierzu ausführlich unter § 10 V., S. 240 ff. Zur Unterscheidung zwischen instrumentum und negotium siehe § 5 I., S. 110 ff. 70  Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1496, 1498; Dutta, in: MüKo/BGB, EuErbVO, Art. 59, Rn. 3; Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 310; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1, 7; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 13; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 784. 71  Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 310. 72 Vgl. Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 310; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 1017, 1, 7, Fn. 7; Schack, Int. ZivilverfahrensR, Rn. 784. 73  C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509, 1513; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 1017, 1, 7; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 16 f.; Sieberichs, StAZ 2016, 262, 263.

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werden können, ohne eine eigenständige Rechtswirkung zu entfalten (Art. 7 und 8 EuUrkVO).74 Dabei werden vom Anwendungsbereich der EuUrkVO nur bestimmte, von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellte öffentliche Urkunden gem. Art. 3 Nr. 1 EuUrkVO mit einem Inhalt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 EuUrkVO erfasst.75 Die von der EuUrkVO erfassten öffentlichen Urkunden werden in Art. 3 Nr. 1 EuUrkVO legaldefiniert. Hervorzuheben ist dabei, dass die Definition sich von dem herkömmlichen, europäischen Begriffsverständnis unterscheidet.76 Das seit der Unibank-Entscheidung77 des EuGH geltende Verständnis einer öffentlichen Urkunde liegt auch der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO zugrunde.78 Im Gegensatz zur „klassischen“79 europäischen Definition, definiert die EuUrkVO den Begriff nicht über die charakteristischen Eigenschaften, welche eine öffentliche Urkunde ausmachen, sondern maßgeblich über die Errichtungsstelle der Urkunde. Die von der EuUrkVO erfassten Urkunden werden enumerativ aufgelistet. Nach Art. 3 Nr. 1 EuUrkVO sind öffentliche Urkunden zum Beispiel solche, die von einer „Behörde oder Amtsperson als Organ der Rechtspflege […] ausgestellt sind“ (lit. a), „Urkunden der Verwaltungsbehörden“ (lit. b) sowie „notarielle Urkunden“ (lit. c). Namentlich letztere werden auch von der EuErbVO erfasst, wenn sie einen erbrechtlichen Inhalt haben.80 Gem. Art. 3 Nr. 1 lit. d EuUrkVO sind öffentliche Urkunden i. S. d. EuUrkVO auch „amtliche Bescheinigungen, die auf Privaturkunden angebracht sind, wie z. B. amtliche Vermerke über die Registrierung eines Dokuments, Sichtvermerke zur Feststellung seines Bestehens zu einem bestimmten Zeitpunkt sowie amtliche und notarielle Beglaubigungen von Unterschriften“. Solche Urkunden entsprechen jedoch nicht dem Begriffsverständnis einer öffentlichen Urkunde i. S. d. EuErbVO. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO setzt insbesondere voraus, dass die Authentizität der Urkunde sich auf die Unterschrift und auf den Inhalt der Urkunde bezieht. Schlichte Beglaubigungen von Unterschriften oder auf Privaturkunden 74 

Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 1017, 1, 7; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 17 ff.; Sieberichs, StAZ 2016, 262, 264 ff. 75  Siehe hierzu auch Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 1, 12 ff.; Sieberichs, StAZ 2016, 262, 263. 76  Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 13. Kritisch hierzu noch zur EuUrkVO-E Rechberger, in: Rechberger, Europäischer Rechtsraum, S. 5, 8 f.; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 624 ff. 77  EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715, IPRax 2000, 409 m. Anm. Geimer, 366, DNotZ 1999, 919 m. Anm. Fleischhauer, 925. Siehe hierzu ausführlich unter § 2 III. 2., S. 24 ff. 78  Zum Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. EuErbVO siehe unter § 2, S. 15 ff. 79  Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 13. 80  Siehe zur Legaldefinition der öffentlichen Urkunde nach der EuErbVO unter § 2, S. 15 ff. Zum erbrechtlichen Inhalt unter § 2 IV., S. 31 ff.



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angebrachte amtliche Bescheinigungen erfüllen diese Voraussetzung nicht.81 Bei ihnen bezeugt die amtliche Beurkundungsperson nicht den gesamten Inhalt der Urkunde, was Voraussetzung für die mit der Urkunde verbundene formelle Beweiskraft ist, die gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO grenzüberschreitend gelten soll.82 Die öffentliche Urkunde i. S. d. EuUrkVO ist somit weiter gefasst als diejenige i. S. d. EuErbVO. Ferner umfasst die EuUrkVO inhaltlich gem. Art. 2 Abs. 1 EuUrkVO Urkunden, die personenrechtliche Informationen (lit. a-j: Geburt, Leben, Tod, Name, Ehe, eingetragene Partnerschaft, Abstammung, Adoption) oder statusrechtliche Merkmale wie den Wohnsitz (lit. k) oder die Staatsangehörigkeit (lit. l) belegen.83 Den von der EuUrkVO erfassten öffentlichen Urkunden soll ohne Echtheitsnachweis wie der Legalisation oder einer Apostille vertraut werden.84 Nur bei berechtigten Zweifeln an der Echtheit der Urkunde, kann die Behörde des Empfangsmitgliedstaats gem. Art. 14 EuUrkVO eine Überprüfung über das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) durchführen.85 Hervorzuheben ist, dass die EuUrkVO lediglich Formalerleichterungen zur Vereinfachung des Echtheitsnachweises und zur faktischen Verwendung von Urkunden regelt.86 Die EuUrkVO normiert weder die Erstreckung der formellen Beweiskraftwirkung öffentlicher Urkunden noch eine Anerkennung ihres beurkundeten Inhalts.87 Ursprünglich verfolgte die Kommission hinsichtlich der Freizügigkeit von Personenstandsurkunden viel weitreichendere Anliegen.88 Das 2010 durch die Kommission veröffentlichte Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EUBürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“ machte sehr deutlich, dass die „Anerkennung der Rechtswirkungen“ von Urkunden der Kommission ein wichtiges Anliegen ist.89 Im Grünbuch führte die Kommission aus, 81  82 

Siehe bereits unter § 2 III. 3., S. 29 ff. Siehe hierzu unter § 10 II. 4., S. 227 ff. 83  Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 12. 84  Sieberichs, StAZ 2016, 262, 263. 85  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1, 7; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 19 ff.; Sieberichs, StAZ 2016, 262, 263 f.; ferner Stürner, in: Münch/ Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 47, 51 f. 86  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 13. 87  Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 13. 88 Vgl. Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 1, 7 ff., 23; Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 162; Wagner, DNotZ 2011, 176, 178 f. Ferner M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 135 ff. 89  Grünbuch, Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern, v. 15.12.2010, KOM(2010) 747 endg., S. 3, 11, 14 f. (Frage 8); Buschbaum, StAZ 2011, 106, 107; Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 307; Heger, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 25, 27 ff.; Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 309;

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die Anerkennung der Rechtswirkungen einer Personenstandsurkunde solle dazu dienen, dass ein „in einem Mitgliedstaat erteilter Rechtsstatus in einem anderen Mitgliedstaat mit denselben Rechtsfolgen anerkannt werden“ könne.90 Richtigerweise wies die Kommission darauf hin, dass die „Anerkennung von Rechts wegen“ impliziere, dass „jeder Mitgliedstaat […] die Wirkungen einer in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Rechtsstellung akzeptiert und anerkennt[,] […] auch wenn die Anwendung des Rechts ihres Staates zu einem anderen Ergebnis führe würde“ als dasjenige, das die Urkunde bezeugt.91 Insbesondere aus diesem Grunde wurde – zu Recht – kritisch auf das Grünbuch der Kommission reagiert.92 Wie bereits oben erläutert,93 erscheint es sachgerechter, die Wirksamkeit und die Rechtsfolgen des rechtlichen Inhalts einer Urkunde nach dem anwendbaren Recht zu prüfen, welches zunächst kollisionsrechtlich bestimmt werden muss, anstatt den rechtlichen Inhalt – entsprechend der Methode der Urteilsanerkennung – als gegeben anzuerkennen. Zudem ist die Ausgestaltung einer inhaltlichen Rechtslagenanerkennung nicht hinreichend konkretisiert.94 Es fehlt an näheren Voraussetzungen, wie zum Beispiel der Festlegung einer Verbindung zum Ursprungsstaat, gewisse an die Rechtslage zu stellende Mindeststandards (z. B. Formerfordernisse) und Anerkennungsversagungsmöglichkeiten (z. B. ein ordre public-Vorbehalt) sowie einer BestimWagner, DNotZ 2011, 176, 179 ff.; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 12, 135. Ferner hierzu Grünberger, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 82, 120 f. 90  Grünbuch, Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern, v. 15.12.2010, KOM(2010) 747 endg., S. 3. Dafür Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1498 ff. 91  Grünbuch, Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern, v. 15.12.2010, KOM(2010) 747 endg., S. 14. Hierzu zu Recht kritisch Bundesregierung, Stellungnahme zu dem Grünbuch der Kommission, 1, 10. 92  So z. B. die Stellungnahme im Auftrag des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht: Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/C. Kohler, IPRax 2011, 335, insb. 338 ff.; hierzu Mansel, IPRax 2011, 341; die Stellungnahme des Rats der Notariate der EU: CNUE, Contribution au livre vert, insb. S. 7; die Stellungnahme der Bundesregierung: Bundesregierung, Stellungnahme zu dem Grünbuch der Kommission, 1, insb 8 ff., 10 ff. Ferner Buschbaum, StAZ 2011, 106, 107 ff.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3; Wagner, DNotZ 2011, 176, 186 ff.; Wagner, NZFam 2014, 121, 121 ff., 123; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 141 ff. 93  S. o. S. 248 f.; sowie ausführlich unter § 5 II. 2. a) (2), S. 121 ff. 94  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3; Sonnenberger, in: FS Spellenberg, 2010, S. 371, 389; Wagner, FamRZ 2011, 609, 614; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 141, 146. So auch Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1504 (die sich jedoch grds. Für die nähere Ausgestaltung der Methode der Rechtslagenanerkennung ausspricht). Ferner allgemein d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 223 ff.



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mung des genauen Umfangs der Wirkungen einer Anerkennung.95 Gegen eine „Anerkennung von Rechts wegen“ spricht darüber hinaus die Überlegung, dass sie nicht gänzlich die unterschiedliche Bestimmung personenrechtlicher Fragen beseitigt.96 Das Ziel einer unionsweiten einheitlichen Bestimmung personenrechtlicher Statusfragen kann einzig durch eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts auf EU-Ebene erreicht werden.97 Denn bei Geltung eines einheitlichen Kollisionsrechts wird gewährleistet, dass unionsweit dasselbe Eheschließungs-, Lebenspartnerschafts- oder Namensstatut angewandt wird, unabhängig davon, ob die Wirkung begründet werden soll oder ob eine bereits begründete Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat gelten soll und dafür dessen Wirksamkeit geprüft wird.98 Demgegenüber würde eine Rechtslagenanerkennung allein im Anerkennungsstaat gelten, nicht jedoch im Ursprungsstaat, in dem die Beurkundung erstmalig vorgenommen wird.99 Da jeder Mitgliedstaat sowohl erstmaliger Begründungs- als auch Anerkennungsstaat sein kann, würde die Methode einer Rechtslagenanerkennung in jedem Mitgliedstaat zu einem Parallelsystem führen.100 Bei einem unionsweit vereinheitlichten Kollisionsrecht hingegen, würde ein Mitgliedstaat sowohl als begründender Erststaat als auch als Zweitstaat dasselbe Kollisionsrecht anwenden. Am 24.4.2013 legte die Kommission den Verordnungsvorschlag zur EuUrkVO (EuUrkVO-E) vor.101 Bereits hier hatte die Kommission von der inhalt95 Auf eine nähere Darstellung der unterschiedlichen Literaturvorschläge wird an dieser Stelle verzichtet, siehe hierzu allgemein: allgemein d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 225 ff.; Bollée, Rev. crit. DIP 96 (2007), 307, 337 ff.; Coester-Waltjen, in: FS Jayme, 2004, S. 121, 126 ff.; Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 397 ff.; Funken, Das Anerkennungsprinzip im IPR, S. 217 ff.; Lagarde, in: Liber amicorum Gaudemet-Tallon, 2008, S. 481, 493 ff.; Leifeld, Das Anerkennungsprinzip, S. 163 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 715 ff.; Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3 ff.; P. Mayer, in: Mélanges Lagarde, 2005, S. 547, 560 ff.; Wagner, FamRZ 2011, 609, 611 ff. 96  Mansel, IPRax 2011, 341; Mansel, IPRax 2014, 87, 88; Wagner, DNotZ 2011, 176, 188; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 143. So auch Bundesregierung, Stellungnahme zu dem Grünbuch der Kommission, 1, 13. 97  Mansel, IPRax 2011, 341; Mansel, IPRax 2014, 87, 88. So auch Bundesregierung, Stellungnahme zu dem Grünbuch der Kommission, 1, 9, 13; Buschbaum, StAZ 2011, 106, 110 f.; Buschbaum/Simon, GPR 2011, 305, 307; Wagner, DNotZ 2011, 176, 188; Wagner, FamRZ 2011, 609, 615; Wagner, NZFam 2014, 121, 123; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 143. A. A. Coester-Waltjen, Recognition of legal situations, in: Basedow/ Rühl/Ferrari/De Miguel Asensio, Encyclopedia of Private International Law, S. 1495, 1503 f.; Grünberger, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 82, 119, 144 f., 156 ff. 98  Buschbaum, StAZ 2011, 106, 110; i. E. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3; Mansel, IPRax 2014, 87, 88; Wagner, DNotZ 2011, 176, 188; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 144. 99  Buschbaum, StAZ 2011, 106, 110; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 144. Ferner i. E. Wagner, NZFam 2014, 121, 121. 100  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 3. 101  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur För-

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Teil 4: Einordnung der Annahme in das Gesamtgefüge des Unionsrechts

lichen „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden Abstand genommen.102 Der Anwendungsbereich wurde in Art. 2 EuUrkVO-E103 wie folgt bestimmt: „Artikel 2: Anwendungsbereich 1. Diese Verordnung gilt für die Annahme öffentlicher Urkunden, die den Behörden eines anderen Mitgliedstaats vorgelegt werden müssen. 2. Diese Verordnung regelt nicht die Anerkennung des Inhalts öffentlicher Urkunden, die von den Behörden anderer Mitgliedstaaten ausgestellt wurden.“

Die EuUrkVO-E sollte gem. Art. 2 Nr. 1 EuUrkVO-E die „Annahme“ öffentlicher Urkunden regeln und nicht deren „Anerkennung“.104 Es sollte einzig die Zirkulation des instrumentum öffentlicher Urkunden geregelt werden.105 Den rechtlichen Inhalt der öffentlichen Urkunde (negotium) sollte die Annahme ausdrücklich nicht betreffen (Art. 2 Nr. 2 EuUrkVO-E).106 Der Kommissionsvorschlag differenzierte somit richtigerweise zwischen den verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Wirkungen öffentlicher Urkunden.107 Dabei beschränkte sich die „Annahme“ im Verordnungsvorschlag auf die Echtheit der Urkunde.108 Den Terminus der „Annahme“ auf den Nachweis der Echtheit und auf die Voraussetzungen der Vorlage öffentlicher Urkunden zu derung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, KOM(2013) 228 final v. 24.4.2013; hierzu auch Heger, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 25, 28 f.; Lagarde, in: YbPIL 15 (2013/2014), S. 1, 3 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 4 f. 102  Vgl. ausdrücklich die Begründung der Kommission zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, KOM(2013) 228 final v. 24.4.2013, S. 6. Ferner Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 270; M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 12, 148. 103  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, KOM(2013) 228 final v. 24.4.2013, S. 18. 104  Begründung der Kommission zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, KOM(2013) 228 final v. 24.4.2013, S. 8; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 10; ferner Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 623. 105  Pataut, in: Lagarde, La reconnaissance des situations, S. 147, 163. 106  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 5; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 10; Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 627. 107  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Güßregen, EuZW 2013, 405, 405. Vgl. hierzu auch d’Avout, TCFDIP 2014–2016, S. 215, 250. 108  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 10.



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reduzieren, widerspricht allerdings dem Begriffsverständnis, wonach die Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden hiermit verbunden wird. Die Verwendung des Begriffs der „Annahme“ entsprach hier nicht dem durch die EuErbVO vorgeprägten Verständnis.109 Anders als die EuErbVO und die EuGüVO/EuPartVO sah die EuUrkVO-E auch keinen ordre public-Vorbehalt als Grenze der Annahme vor.110 Der Kommissionsvorschlag zur EuUrkVO benutzte den Terminus der „Annahme“ somit nicht im Sinne seiner unionsrechtlichen Bedeutung. Zu Recht kritisiert Buschbaum daher die Verwendung des Begriffs der „Annahme“ im Rahmen der EuUrkVO-E.111 Die endgültig verabschiedete EuUrkVO stellt eine weitere Abschwächung des ursprünglichen Regelungsziels dar.112 Die durch die EuUrkVO-E vorgeschlagene „Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden“113 (so der Titel des Kommissionsvorschlags), ist zu einer „Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden“114 (Titel der EuUrkVO) geworden. Dass die EuUrkVO nicht mehr den Begriff der „Annahme“ verwendet ist konsequent. Denn der Terminus der „Annahme“ bezeichnet die grenzüberschreitende Erstreckung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden.115 Die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden ist jedoch aus dem Anwendungsbereich der EuUrkVO ausgeschlossen, wie in EG 47 S. 1 EuUrkVO ausdrücklich erläutert wird. Folgerichtig wird der Begriff der formellen Beweiskraft in der EuUrkVO nicht verwendet. Selbst die Legaldefinition der öffentlichen Urkunde, welche im Kommissionsvorschlag noch die „formelle Beweiskraft“ voraussetzte (Art. 3 Abs. 1 EuUrkVO-E),116 verzichtet in der EuUrkVO hierauf (vgl. Art. 3 Nr. 1 EuUrkVO). Deshalb wird in der EuUrkVO der neue Unionsrechtsbegriff der „Annahme“ richtigerweise nicht verwendet. 109  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 270. 110  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264. 111  Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264; Buschbaum, in: FS Martiny, 2014, S. 259, 270. 112  Heger, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 25, 33, 35; Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 2, 7. 113  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, KOM(2013) 228 final v. 24.4.2013, S. 1. 114  Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, ABl. EU v. 26.7.2016, L 200/1. 115  Siehe hierzu oben unter § 5, S. 109 ff. und Teil 3, S. 177 ff., dort insb. § 11, S. 243 f. 116  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 5. Zu Recht kritisch Rechberger, in: FS Klamaris, 2016, S. 621, 624 ff.

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Zwar gebrauchen Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 EuUrkVO die Formulierung „annehmen“. An dieser Stelle benutzt der Verordnungsgeber den Terminus jedoch nicht bewusst. Die Verwendung des Wortes „annehmen“ stellt hier ein redaktionelles Versehen dar. Regelungsgehalt der Vorschriften ist nicht die Annahme der Urkunden im Sinne einer Erstreckung ihrer ursprünglichen formellen Beweiskraft. Die Vorschriften regeln lediglich die Entgegennahme beglaubigter Kopien und Übersetzungen.117 Dies verdeutlichen auch die jeweiligen Überschriften, wonach es sich um die „Vereinfachung sonstiger Förmlichkeiten“ handelt. Die Normen sind nicht mit „Annahme“ beglaubigter Kopien bzw. Übersetzungen betitelt. Sowohl Art. 5 Abs. 2 als auch Art. 6 Abs. 2 EuUrkVO stellen lediglich einen Hinweis dar, dass solche Dokumente auch zur Vorlage in einem anderen Mitgliedstaat ausreichen sollen.118 Gem. Art. 5 Abs. 1 EuUrkVO darf ein Mitgliedstaat bei verlangter Vorlage eines Originals grundsätzlich nicht zusätzlich auch die Vorlage einer beglaubigten Kopie verlangen. Diesbezüglich erläutert Art. 5 Abs. 2 EuUrkVO, dass eine beglaubigte Kopie „angenommen“ werden soll, wenn eine beglaubigte Kopie vorgelegt werden darf. Art. 5 Abs. 2 EuUrkVO bestimmt somit, dass wenn die Vorlage einer beglaubigten Kopie in einem Mitgliedstaat ausreichend ist (statt eines Originals), die Vorlage der beglaubigten Kopie nicht verweigert werden darf. Etwaige mit der Vorlage verbundene Rechtsfolgen oder Wirkungen regelt die Vorschrift nicht. Entsprechend der Überschrift des Art. 5 EuUrkVO handelt es sich schlicht um die „Vereinfachung sonstiger Förmlichkeiten bei beglaubigten Kopien“. Die Norm regelt hingegen nicht die „Annahme“ im unionsrechtlichen Sinn, die die grenzüberschreitenden verfahrensrechtlichen Wirkungen einer solchen betrifft.119 Gleiches gilt für Art. 6 Abs. 2 EuUrkVO hinsichtlich der Vorlage einer beglaubigten Übersetzung. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte im Rahmen der Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 EuUrkVO nicht von „Annahme“ gesprochen werden. Die Formulierungen der Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 EuUrkVO sollten aufgrund des Postulats eines einheitlichen und systemstimmigen EU-Rechts als „entgegengenommen“ verstanden werden.120 Durch die EuUrkVO wird somit aufrechterhalten, dass die Annahme unionsweit die Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden bezeichnet. Die Genese der EuUrkVO verdeutlicht, dass der Verordnungsgeber sich sowohl von der Rechtslagenanerkennung als auch von der Annahme in Bezug auf Personenstandsurkunden distanziert hat.121 Die Abkehr von der ur117 

Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 14, 17. Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 14. Zur Wirkung der Annahme ausführlich § 6, S. 135 ff. 120  So i. E. Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 17, Fn. 63. („es kann ebensogut auch ‚Akzept‘ i. S. v. ‚Entgegennehmen‘ bzw. ‚Inempfangnahme‘ hiermit bloß gemeint sein“). 121 Vgl. Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 2. 118  119 



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sprünglich stark verfochtenen inhaltlichen Anerkennung öffentlicher Urkunden wird namentlich in Art. 2 Abs. 4 und EG 18 S. 2 EuUrkVO betont. Ferner normiert die EuUrkVO, im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag, nicht die Annahme öffentlicher Urkunden. Dies entspricht dem Verständnis der Annahme im unionsrechtlichen Sinne. Denn der Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Nr. 1 EuUrkVO ist weiter gefasst als im „klassischen, europäischen“122 Sinne und erfasst auch Dokumente, die herkömmlich nicht als öffentliche Urkunden angesehen werden. Damit zusammenhängend enthält die EuUrkVO auch keine Regelungen zur formellen Beweiskraft von Urkunden (EG 47 S. 1 EuUrkVO). Die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden stellt allerdings den Gegenstand der Annahme im unionsrechtlichen Sinn dar.123 Daher ist es systemkohärent, dass die EuUrkVO nicht die Annahme öffentlicher Urkunden normiert. Schließlich ist festzuhalten, dass die Annahme öffentlicher Urkunden – wie sie erstmalig in Art. 59 EuErbVO geregelt wurde – unionsrechtlich die Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde bezeichnet. Dabei begrenzt sich die Wirkungserstreckung auf die formelle Beweiskraft, wie sie in dieser Arbeit herausgearbeitet wurde.124 Eine inhaltliche Rechtslagenanerkennung öffentlicher Urkunden wird nicht normiert. Die bezüglich Art. 59 EuErbVO getroffene Entscheidung des europäischen Gesetzgebers wurde durch die weitere Entwicklung des Unionsrechts bestätigt. Insbesondere durch Art. 58 EuGüVO/EuPartVO und die EuUrkVO sowie ihrer jeweiligen Entstehungsgeschichte wurde das Konzept der Annahme im Unionsrecht verfestigt.

122  123 

Münch, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 1, 13. So auch Buschbaum, in: Fulchiron/Bidaud-Garon, Vers un statut européen, S. 255, 264. 124  Siehe unter Teil 3, S. 177 ff., insb. § 11, S. 243.

Fazit Ziel dieser Arbeit war es, die Bedeutung der in Art. 59 EuErbVO erstmalig geregelten „Annahme“ öffentlicher Urkunden und den Regelungsgehalt der Vorschrift zu bestimmen.1 Bevor die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammengefasst werden, ist festzuhalten, dass die „Annahme“ einen eigenständigen juristischen Fachbegriff des europäischen Rechts darstellt. Die Annahme bezeichnet die Methode der grenzüberschreitenden Wirkung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Die von der Europäischen Kommission in ihrem Grünbuch „Erb- und Testamentsrecht“2 gestellte Frage „Können auf erbrechtliche Urkunden dieselben Vorschriften angewandt werden wie für die Anerkennung […] gerichtlicher Entscheidungen?“3 muss negativ beantwortet werden. Erbrechtliche Urkunden, wie sie in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO legaldefiniert werden,4 unterscheiden sich wesentlich von Entscheidungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO.5 Daraus folgt, dass die grenzüberschreitende Wirkung von Entscheidungen, wie sie durch die verfahrensrechtliche Anerkennung geregelt ist, nicht auf Urkunden übertragbar ist.6 Zu Recht hat der Unionsgesetzgeber im Laufe der kontroversen Entstehungsgeschichte der EuErbVO von der Idee einer „Urkundsinhaltsanerkennung“7 Abstand genommen.8 Die in Art. 59 EuErbVO neu geregelte Annahme öffentlicher Urkunden berücksichtigt die Wesensart öffentlicher Urkunden, indem sie zwischen deren instrumentum und negotium unterscheidet.9 Gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO soll lediglich die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden unionsweit angenommen werden, wie sie in dieser Arbeit verordnungsautonom ausgelegt und definiert wurde.10 Die Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO 1 

S. o. Einleitung, S. 1 ff. Erb- und Testamentsrecht, v. 1.3.2005, KOM(2005) 65 endg., S. 11, Punkt

2  Grünbuch,

4.2.

3  4 

Siehe hierzu Einleitung, S. 1 ff. Siehe § 2, S. 15 ff. 5  Siehe § 3, S. 45 ff. 6  Siehe § 5 II. 2. a) (2), S. 121 ff. und Teil 4, S. 245 ff. 7  Mansel, IPRax 2011, 341. 8  Siehe § 5 II. 2., S. 118 ff. 9  Vgl. hierzu § 5 I., S. 110 ff. und § 10 II., S. 205 ff. 10  Siehe § 10, S. 198 ff. und § 11, S. 243.

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Fazit

ist somit auf den „Urkundsmantel“, d. h. das instrumentum der Urkunde beschränkt.11 Das der Urkunde zugrundeliegende, durch das instrumentum getragene beurkundete Rechtsverhältnis (negotium) wird von Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nicht erfasst. Hinsichtlich des beurkundeten Rechtsverhältnisses bleibt eine materielle Überprüfung nach dem Kollisionsrecht des Annahmemitgliedstaates und des danach im Einzelfall anwendbaren Rechts maßgeblich, wie Art. 59 Abs. 3 EuErbVO festlegt.12 Die Wirksamkeit sowie die Wirkungen des in einer öffentlichen Urkunde eines Mitgliedstaates beurkundeten Rechtsgeschäfts oder -verhältnisses beruhen in einem anderen Mitgliedstaat demnach nicht auf einer Annahme gem. Art. 59 EuErbVO.

I.  Zusammenfassende Ergebnisse 1.  Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist anzuwenden, wenn es sich um eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO handelt.13 Dafür muss ein Schriftstück in Papier- oder in elektronischer Form vorliegen, das in einem an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedstaat durch eine öffentliche Autorität errichtet oder eingetragen wurde. Das der Urkunde zugrundeliegende Rechtsgeschäft oder -verhältnis muss einen erbrechtlichen Inhalt haben, um vom Anwendungsbereich der EuErbVO erfasst zu sein. 2.  Der in der deutschen Sprachfassung des Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO verwendete Begriff der „Beweiskraft“ ist verordnungsautonom als „Authentizität“ auszulegen.14 Die Authentizität der Urkunde (vgl. EG 62 EuErbVO) muss sich nach Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. i EuErbVO auf die Unterschrift und den Inhalt, d. h. die beurkundeten Vorgänge und Erklärungen als vorliegende Tatsachen beziehen. In Abgrenzung zu Privaturkunden ist Voraussetzung einer authentischen öffentlichen Urkunde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. i sublit. ii EuErbVO zudem, dass diese von einer Behörde oder einer sonstigen vom Ursprungsmitgliedstaat ermächtigten Stelle (wie z. B. Notare) herrührt.15 3.  Auch im Anwendungsbereich der EuErbVO sind nationale Erbnachweise – wie der französische acte de notoriété oder der deutsche Erbschein – weiterhin bei grenzüberschreitenden Fällen relevant.16 Sie bestehen neben dem Europäischen Nachlasszeugnis gem. Art. 62 ff. EuErbVO fort.17 11  Siehe § 5 I., S. 110 ff. und § 10 V., S. 240 ff. 12  Siehe § 10 II. 2., S. 215 ff. und § 10 V., S. 240 ff. 13  14 

Siehe § 2, S. 15 ff. Siehe § 2 III. 1., S. 21 ff. 15  Siehe § 2 III., S. 21 ff. und § 10 II. 4., S. 225 ff. 16  Siehe zum acte de notoriété § 2 IV. 2. c) (1), S. 40 ff.; zum Erbschein § 2 IV. 2. c) (2), S. 44 und § 4 II., S. 84 ff. 17  Siehe § 4 I. 2., S. 73 ff.

Fazit

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4.  Der deutsche Erbschein nach § 2353 BGB ist als öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO und nicht als Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO zu qualifizieren.18 Auf den deutschen Erbschein ist somit das fünfte Kapitel der EuErbVO, insbesondere Art. 59 EuErbVO, anzuwenden. 5.  Die „Annahme“ ist ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts. Die Annahme normiert die Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden.19 Die Wirkungserstreckung bedeutet ihrerseits, dass die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde sich nach dem Recht ihres Ursprungsstaates bestimmt und auf das annehmende Inland erstreckt wird. 6.  Die „Annahme“ öffentlicher Urkunden stellt keine Rechtslagenanerkennung dar.20 Der Begriff der „Anerkennung“ bzw. der reconnaissance sollte im Zusammenhang mit öffentlichen Urkunden nicht verwendet werden. Der Begriff der „Anerkennung“ bezeichnet vielmehr ausschließlich die grenzüberschreitende Wirkung von gerichtlichen Entscheidungen.21 7. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO stellt eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm dar.22 Die Vorschrift bestimmt, dass die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates unterliegt. Zugleich begrenzt die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde als Anknüpfungsgegenstand den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift. Als Anknüpfungspunkt hat der Unionsgesetzgeber zu Recht den Ursprungsstaat der Urkunde ausgewählt. Die einer Urkunde zugeschriebene formelle Beweiskraft ist mit ihrer Errichtung durch eine Amtsperson eng verknüpft, sodass das Ursprungsrecht einer öffentlichen Urkunde das am engsten mit der formellen Beweiskraft verbundene Recht ist. 8.  Indem Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm die Anwendung des Rechts des Ursprungsmitgliedstaates zur Bestimmung der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde festlegt, ordnet die Vorschrift zugleich die Erstreckung der ursprünglichen formellen Beweiskraft auf den Verwendungsstaat an. Die Norm regelt somit eine Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft.23 Die Erstreckung erfolgt unmittelbar qua Gesetz. Zugleich bedeutet die Wirkungserstreckung eine Ablehnung einer Gleichstellung der ausländischen Urkunde mit inländischen Urkunden.24 Die formelle Beweiskraft richtet sich gem. Art. 59 Abs. 1 EuErbVO nach dem Recht des Ursprungs18 

Siehe § 4 II., S. 84 ff. Siehe § 6 I., S. 136 ff. Siehe § 5 II. 2., S. 118 ff. und § 10 II. 2., S. 215 ff. 21  Siehe § 5 II. 2., S. 118 ff. 22  Siehe § 5 II., S. 113 ff. 23  Siehe § 6 I., S. 136 ff. 24  Siehe § 6 II., S. 141 ff. 19  20 

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Fazit

mitgliedstaates und nicht nach dem Recht des Annahmestaates. Daraus folgt auch, dass Art. 59 Abs. 1 EuErbVO keine sogenannte „Doppelbegrenzung“ nach dem Recht des Ursprungs- und des Annahmestaates normiert.25 9.  Grundsätzlich hat eine öffentliche Urkunde laut Art. 59 Abs. 1 Alt. 1 EuErbVO durch die Annahme im Zielmitgliedstaat „die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat“. Wenn die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nach dem Ursprungsrecht im Annahmestaat vollkommen unbekannt oder zwar bekannt, jedoch deutlich weitreichender ist, ermöglicht Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO eine Anpassung.26 Demnach ist der öffentlichen Urkunde im Annahmestaat die mit dem Ursprungsrecht „am ehesten vergleichbare Wirkung“ zu gewähren. Zur Vorgehensweise der Anpassung bietet sich eine Orientierung an Art. 31 EuErbVO an, der die Anpassung dinglicher Rechte explizit regelt. Die durch die zweite Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO geregelte Anpassung ist jedoch im Verhältnis zur ersten Alternative des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO subsidiär. 10.  Als Grenze der Annahme nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sieht die Vorschrift ausdrücklich den ordre public-Vorbehalt vor.27 Die Annahme kann verweigert werden, wenn ihr Ergebnis für die öffentliche Ordnung des Annahmemitgliedstaates untragbar wäre. Bezugspunkt ist die inländische öffentliche Ordnung, wobei diese durch einen europäischen Rahmen umgrenzt wird. Der ordre public-Einwand des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO sollte als annahmerechtlicher ordre public bezeichnet werden. Es handelt sich um einen rein verfahrensrechtlichen ordre public. Prüfungsobjekt ist einzig die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde. Der Einwand darf nicht für eine materiellrechtliche Überprüfung der Urkunde benutzt werden, da die beurkundete materielle Rechtslage nicht Teil der Annahme ist. 11.  Der annahmerechtliche ordre public des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO ist einerseits abzugrenzen von dem materiellrechtlichen ordre public des Art. 35 EuErbVO, der das Ergebnis der Anwendung des kollisionsrechtlich anwendbaren ausländischen Rechts betrifft. Andererseits ist er abzugrenzen von dem anerkennungsrechtlichen ordre public des Art. 40 lit. a EuErbVO, der den materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen ordre public umfasst.28 12.  Die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde ist der Anknüpfungsgegenstand des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO.29 Der Terminus der formellen Beweis25 

Siehe § 6 III., S. 144 ff. Siehe § 7 I., S. 155 ff. 27  Siehe § 7 II., S. 165 ff. 28  Siehe § 7 II., S. 165 ff. 29  Siehe § 5 II. 1., S. 113 ff. 26 

Fazit

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kraft stellt einen verordnungsautonomen Begriff dar,30 welcher zwar auf einem mitgliedstaatlichen Begriffsverständnis aufbaut,31 jedoch verordnungsautonom auszulegen ist.32 Folgende Definition bietet sich zur Qualifikation des europäischen Begriffs an:33 Der Begriff „formelle Beweiskraft“ bezeichnet die dem instrumentum einer öffentlichen Urkunde anhaftende Beweiswirkung. Durch die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gelten deren Echtheit und die persönlich durch die Urkundsperson beurkundeten Tatsachen – vorbehaltlich der hohen Anforderungen unterliegenden Widerlegung – als bewiesen. Von der formellen Beweiskraft nicht erfasst ist die materielle Richtigkeit und Wirksamkeit des beurkundeten Inhalts (negotium).

13.  Grundlage eines europäischen Begriffs der formellen Beweiskraft ist ein in der Gesamtheit der Mitgliedstaaten übereinstimmend geltendes Begriffsverständnis.34 Ein solches Grundverständnis herrscht dahingehend, dass der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden aufgrund der Errichtung durch eine hoheitlich delegierte Urkundsperson eine erhöhte Beweiskraft im Vergleich zu Privaturkunden zukommt. Deshalb ist die formelle Beweiskraft öffentlicher Urkunden an die persönlichen Feststellungen der errichtenden Amtsperson gebunden. Hinsichtlich der beurkundeten Feststellungen entfaltet die Urkunde eine weitreichende Bindungswirkung für die gerichtliche Tatsachenentscheidung. Die formelle Beweiskraft ist in allen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen widerlegbar, entweder inzident im Rahmen des Verfahrens, in welchem die Urkunde vorgelegt wird, oder mittels eines speziellen Verfahrens. Die Widerlegung unterliegt stets hohen Anforderungen, sodass sie selten erfolgreich ist. Die streng geregelte Widerlegbarkeit der formellen Beweiskraft ist das Pendant ihrer verstärkten Beweiswirkung. Von der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden nicht umfasst ist die inhaltliche Richtigkeit des beurkundeten Inhalts. 14.  Die verschiedenen Sprachfassungen des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, die einheitlich auszulegen sind, stimmen überein. Der Anknüpfungsbegriff bezeichnet in den unterschiedlichen Wortlautformulierungen stets den gleichen Begriffskern. Der Inhalt der anzunehmenden Wirkung wird im deutschen Wortlaut durch die Formulierung „formelle Beweiskraft“ präzise wiedergegeben. Der Begriff „formelle Beweiskraft“ verdeutlicht, dass lediglich das instrumentum und nicht das negotium einer Urkunde Gegenstand der Annahme ist.35 15.  Aus Art. 59 Abs. 2 EuErbVO folgt, dass eine öffentliche Urkunde anzunehmen ist, soweit nach dem Recht ihres Ursprungsmitgliedstaates die Echtheit zu 30  31 

Siehe § 8, S. 177 ff. Siehe § 9, S. 183 ff. 32  Siehe § 10, S. 198 ff. insb. § 10 II. 5., S. 230 ff. und § 10 V., S. 240 f. 33  Siehe § 11, S. 243. 34  Siehe § 9, S. 183 ff. 35  Siehe § 10 I., S. 198 ff.

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Fazit

vermuten ist und solange kein Einwand nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO erhoben wird.36 Hierzu muss jedoch zumindest der Anschein einer authentischen öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO gegeben sein. Dies ist bei einer evident falschen Urkunde nicht der Fall.37 16. Grundvoraussetzung der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde ist deren Authentizität. Der verordnungsautonome Begriff der Authentizität umfasst einerseits formal-prozessuale Erfordernisse der Urkunde wie die Echtheit sowie Verfahrens- und Formerfordernisse der Urkundserrichtung, und andererseits prozessuale Rechtsfolgen, die mit der Urkunde als instrumentum verknüpft werden. Die Authentizität und die formelle Beweiskraft überschneiden sich daher zum Teil, sind jedoch strikt voneinander zu unterscheiden.38 Da beide dem instrumentum der Urkunde anhaften, werden sie durch Art. 59 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO mit dem Ursprungsmitgliedstaat der Urkunde verknüpft. 17.  Nach Art. 59 Abs. 2 EuErbVO entscheidet über Einwände in Bezug auf die Authentizität von öffentlichen Urkunden das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates. Dadurch werden die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen mit einem speziellen Verfahren der Falschheitsbehauptung gewahrt. Kennt das Ursprungsrecht der Urkunde kein eigenes Verfahren zur Widerlegung der Beweiskraft, umfasst die Wirkungserstreckung nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als Art der formellen Beweiskraft auch deren Widerlegbarkeit, sodass auch im Annahmestaat durch Anwendung des Ursprungsrechts der Urkunde über die Widerlegung der formellen Beweiskraft entschieden werden kann.39 18.  Die Annahme hat keine materiellrechtlichen Wirkungen und betrifft nicht das negotium der öffentlichen Urkunde. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO. Eine Überprüfung des materiellrechtlichen Inhalts einer öffentlichen Urkunde ist gem. Art. 59 Abs. 3 EuErbVO vor einem nach Art. 4 ff. EuErbVO zuständigen Gericht nach dem gem. Art. 20 ff. EuErbVO anwendbaren Recht zu entscheiden.40 Aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO kann nicht der Schluss gezogen werden, die Annahme umfasse auch Rechtslagenvermutungen.41 19.  Der europäische Gesetzgeber hat sich im Laufe der Entstehungsgeschichte des Art. 59 EuErbVO bewusst gegen eine Rechtslagenanerkennung entschieden.42 Die Vorschrift des Art. 59 EuErbVO stellt eine bewusste Reduktion des 36 

Siehe § 10 II. 1., S. 206 ff. Siehe § 10 II. 1., S. 213 f. Siehe § 10 II. 1., S. 206 ff. 39  Siehe § 10 II. 1., S. 206 ff. 40  Siehe § 10 II. 2., S. 215 ff. 41  Siehe § 10 II. 2., S. 218 ff. 42  Siehe § 5 II., S. 113 ff. und § 10 IV., S. 238 ff. 37  38 

Fazit

271

Kommissionsvorschlags dar. Die systematische Aufteilung der hinzugefügten Absätze des Art. 59 EuErbVO entspricht der Differenzierung zwischen dem instrumentum und dem negotium einer öffentlichen Urkunde.43 20.  Das Telos des Art. 59 EuErbVO steht demjenigen des im sechsten Kapitel geregelten Europäischen Nachlasszeugnisses gegenüber. Regelungszweck der Annahme ist es, die Zirkulation nationaler öffentlicher Urkunden in Erbsachen zu fördern und dabei die verschiedenen mitgliedstaatlichen Systeme zu beachten. Im Gegensatz zur bezweckten grenzüberschreitenden Beweiskrafterstreckung öffentlicher Urkunden nach Art. 59 EuErbVO stellt das ENZ ein genuin europäisches Nachlasszeugnis dar, welches zur erleichterten grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung mit umfassenden Beweis-, Gutglaubens- und Legitimationswirkungen ausgestattet wurde.44 21.  Die Annahme stellt als neue Methode der grenzüberschreitenden Wirkungserstreckung der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden einen Bestandteil der Gesamtsystematik des Unionsrechts dar.45 Die Regelung wurde in Art. 58 EuGüVO/EuPartVO übernommen. Sie kann zur Auslegung anderer Vorschriften, die – wie zum Beispiel Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO – die grenzüberschreitende Geltung öffentlicher Urkunden betreffen, herangezogen werden. Auch wurde das Konzept der Annahme durch die neue EuUrkVO aufrechterhalten, da diese eine Annahme explizit nicht regelt.

II. Ausblick Das durch Art. 59 EuErbVO erstmalig normierte Konzept der Annahme öffentlicher Urkunden stellt eine gelungene Regelung zur Förderung der Zirkulation öffentlicher Urkunden innerhalb der EU dar. Die durch die Annahme angeordnete Beweiskraftwirkungserstreckung sollte auch für die weitere Entwicklung des Unionsrechts wegweisend sein.46 An seiner zu Art. 59 EuErbVO getroffenen Entscheidung, welche eine Abkehr von der Rechtslagenanerkennung und zugleich ein Befürworten der kollisionsrechtlichen Methode darstellt, sollte der europäische Gesetzgeber in Zukunft festhalten. Die Förderung der Zirkulierbarkeit öffentlicher Urkunden durch die grenzüberschreitende Geltung ihrer formellen Beweiskraft ist zu begrüßen. Wie bei der EuGüVO und der EuPartVO ist zu hoffen, dass die europaweite Geltung öffentlicher Urkunden sich an der Annahme nach Art. 59 EuErbVO orientiert. 43 

Siehe § 5 II., b), S. 133 ff. Siehe § 10 III., S. 232 ff. Siehe Teil 4, S. 245 ff. 46  So auch M.-P. Weller, in: Weller, Europäisches Kollisionsrecht, A., Rn. 148. 44  45 

272

Fazit

Es wäre wünschenswert, wenn die in Art. 59 EuErbVO geregelte Annahme Einfluss auf die laufenden Verhandlungen zu einer Revision der EuEheVO47 haben könnte. Derzeit enthält der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Neufassung der EuEheVO in Bezug auf Art. 46 EuEheVO keine maßgebliche Änderung. Art. 55 des Kommissionsvorschlags behält die Formulierung des Art. 46 EuEheVO bei.48 Die aufgezeigten Missverständnisse, die hinsichtlich der aktuell geltenden Regelung des Art. 46 EuEheVO herrschen,49 können zwar – wie vorgeschlagen – im Rahmen der verordnungsautonomen Auslegung über eine rechtsaktübergreifende Orientierung an Art. 59 EuErbVO gelöst werden. Durch eine Neuformulierung der Vorschrift könnte jedoch Rechtsklarheit und -sicherheit erreicht werden. Dabei würde es sich anbieten Art. 59 EuErbVO als Vorbild für eine Neufassung des Art. 46 EuEheVO heranzuziehen, wie es bereits bei Art. 58 EuGüVO/EuPartVO geschehen ist.50 Besonders aussichtsreich wäre es, wenn zur Qualifikation des Begriffs der formellen Beweiskraft die in dieser Arbeit vorgenommene verordnungsautonome Auslegung sowie die daraus resultierende Definition in der Praxis herangezogen würden.51 In erster Linie bezieht sich der Definitionsvorschlag zwar auf den Anknüpfungsgegenstand der verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO. Dennoch kann er auf die wortgleichen Vorschriften des Art. 58 EuGüVO/EuPartVO übertragen werden. Auch auf gegebenenfalls noch folgende Regelungen der Annahme öffentlicher Urkunden in anderen Rechtsgebieten können die herausgearbeiteten Ergebnisse zum „Institut der Annahme“52 nach Art. 59 EuErbVO Anwendung finden. Darüber hinaus sollte zur Vermeidung von Missverständnissen und somit zwecks Rechtsklarheit und -sicherheit erwogen werden, in zukünftigen Verordnungen den Begriff der formellen Beweiskraft in den regelmäßig vorliegenden Katalog von Legaldefinitionen aufzunehmen. Die in dieser Arbeit formulierte Definition könnte dabei als Vorbild dienen. 47  Vgl. hierzu den aktuellen Kommissionvorschlag: Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführung (Neufassung), COM(2016) 411 final v. 30.6.2016. Siehe dazu C. Kohler/Pintens, FamRZ 2016, 1509, 1515 ff.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1, 8 ff.; Mansel/Thorn/ Wagner, IPRax 2018, 121, 154; M.-P. Weller, IPRax 2017, 222, 222 ff. 48  Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführung (Neufassung), COM(2016) 411 final v. 30.6.2016, S. 66. Hierzu Buschbaum, in: Münch/Lipp, Freizügigkeit notarieller Urkunden, S. 37, 45 f.; Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 354. 49  Siehe hierzu Teil 4, S. 245 ff. 50 Dafür Buschbaum, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Scheidung ohne Gericht?, S. 353, 358 f. Zu Art. 58 EuGüVO/EuPartVO s. Teil 4, S. 245 ff. 51  Siehe § 11, S. 243. 52  Mansel, in: Liber amicorum Kohler, 2018, S. 301, 303.

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Sachverzeichnis Anerkennung 18, 26, 47, 66, 85, 92, 103, 118, 121, 124, 138, 141, 151, 169, 238, 246, 249, 252, 255, 260 – Anerkennungsmethode 2, 113, 118, 120, 126, 128, 133, 238, 253 – Anerkennungsprinzip 253 – Rechtslagenanerkennung siehe Rechtslagenanerkennung – Urteilsanerkennung 122, 126, 141, 151, 170, 258 Annahme 7, 16, 25, 31, 109, 127, 130, 133, 146, 157, 168, 174, 198, 213, 217, 223, 232, 239, 245, 252, 255, 260 – dogmatische Einordnung 113 – Einordnung im Gesamtgefüge des Unionsrechts 245 – Entstehungsgeschichte 119 – keine Anerkennung 118 – Methode 109 – Qualifikation 109, siehe Qualifikation – verfahrensrechtliche Kollisionsnorm 113, siehe auch verfahrensrechtliche Kollisionsnorm Anpassung 155 – Art. 31 EuErbVO 159, 164, – Art. 59 Abs. 1 Alt. 2 EuErbVO 155 – Methodik 156 – unwiderlegbare Urkunden 161, 173 Apostille 136, 137, 206, 207, 255, 257 Apostolides ./. Orams 90, 92, 105, 138, 151, 152 Auslegung siehe verordnungsautonome Auslegung Authentizität 21, 187, 190, 256 – autonomer Begriff 21, 23, 44, 208 – Einwände siehe Einwanderhebung – Verhältnis zur Beweiskraft 21, 44, 208, 226, 230

Beweiskraft 21, 177 – Auslegung innerhalb der EuErbVO 198 – Erläuterung des Begriffs 21 – formelle siehe formelle Beweiskraft – grenzüberschreitende Wirkung 135, siehe Annahme – Herkunft des Begriffs 24 – materielle 38, 112, 194, 200, 251 – verordnungsautonomer Begriff 177, 196 Beweiswürdigung 22, 162, 188, 191, 201, 241 Doppelbegrenzung, keine 144, 145 Echtheit – Authentizität siehe Authentizität – Begriff 21, 186, 206, 243, 251 – EuUrkVO 255, 260 – Infragestellung 206, 213 effet utile-Grundsatz 12, 16, 55, 82, 149, 157, 164, 174 Einwanderhebung – Authentizität 190, 206, 211, 213, 220, 231 – Rechtsgeschäft/-verhältnis 215, 231 – Suspensivwirkung 218, 222 Entscheidung – Begriff i. S. d. EuErbVO 45, 47 – Erbsache 50 – Legaldefinition 46 – Mitgliedstaat 55 Entstehungsgeschichte – als Auslegungsmittel 113, 238 – Kritik des Kommissionsentwurfs 121 – Legislativprozess 127 – Verordnungsentwurf der Kommission 119

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Sachverzeichnis

ENZ siehe Europäisches Nachlasszeugnis Erbnachweis – deutscher Erbschein siehe Erbschein – französischer siehe französische Erbnachweise – Qualifikation i. S. d. EuErbVO 66, 84 – Urkunden 35, siehe auch öffentliche Urkunde Erbsache 31, 50 Erbschein – autonome Qualifikation 84, 95, 100, 107 – Entscheidung i. S. d. EuErbVO 85, 95 – öffentliche Urkunde i. S. d. EuErbVO 88, 97, 107 Erbvertrag 35, 36, 38, 216 Errichtung und Eintragung 20 Errichtungsmitgliedstaat siehe Ursprungsmitgliedstaat Eintragungsmitgliedstaat siehe Ursprungsmitgliedstaat EuEheVO 11, 26, 46, 120, 247, 249, 272 EuErbVO‑E 18, 72, 80, 119, 121, 199, 234, 254 EuGüVO 159, 252, 261, 271 EuGüVO‑E 252, 253 EuGVVO 11, 16, 18, 31, 46, 51, 56, 89, 119, 138, 152, 160, 181, 246 EuPartVO 159, 252, 254, 261, 271 EuPartVO‑E 253 Europäisches Nachlasszeugnis 66 – grenzüberschreitende Erbfälle 69 – Grundzüge 66 – Nebeneinander von ENZ und nationalen Erbnachweisen 77 – Teil-ENZ 80 – Verhältnis zu nationalen Erbnach­ weisen 73, 83 – Wirkungen 68, 233 – Zweck 233 EuUnthVO 11, 19, 26, 45, 120, 247, 250, 271 EuUrkVO 255, 257, 260, 261, 263 EuUrkVO‑E 250, 261 formelle Beweiskraft – Definition 243

– mitgliedstaatliches Grundverständnis 183 – verordnungsautonome Auslegung 198 – verordnungsautonomer Begriff 177 französische Erbnachweise 40 – acte de notoriété 40, 42, 73, 78, 94, 180 – attestation notariée immobilière 40, 78 – certificat de propriété 40, 41 – intitulé d’inventaire 41 – testament authentique 38 Gericht – Gericht im eigentlichen Sinne 58 – Gericht im funktionalen Sinne 60 – Legaldefinition 57, 64 – Notare siehe Notare Gothaer Allg. Versicherung u. a. ./. ­Samskip GmbH 47, 56, 92, 105, 138, 152, 181 grenzüberschreitende Beweiskraftwirkung 135, 136, 141, 144, 155, 177 Hoffmann ./. Krieg 92, 105, 138, 164, 170 inscription de faux siehe Widerlegung der Beweiskraft instrumentum 110, 123, 127, 132, 168, 196, 200, 207, 214, 220, 230, 240, 243, 255, 260 ipso iure-Anerkennung siehe Anerkennung Kollisionsnorm siehe verfahrensrechtliche Kollisionsnorm Krombach 164, 166, 170 Kumulationstheorie 92, 141, 151 lateinisches Notariat 27, 31, 61, 186, 232 Legaldefinition – Entscheidung siehe Entscheidung – Gericht siehe Gericht – öffentliche Urkunde siehe öffentliche Urkunde Legalisation 27, 129, 136, 137, 206, 255, 257

Sachverzeichnis

LTU ./. Eurocontrol 12, 13, 181, 182, 184 Methode der Annahme 109, siehe auch Annahme Mitgliedstaat 55, siehe auch Ursprungs­ mitgliedstaat negotium 110, 123, 127, 132, 168, 196, 205, 215, 219, 229, 230, 239, 243, 251, 255, 260 Notare 41, 60, 65, 76, 188, 208, 227, 232 Oberle 47, 55, 89, 98 öffentliche Urkunde 15 – Anknüpfungsgegenstand 115, 118, 140, 167, 179, 182, 198, 200, 205, 230, 240 – Beispiele 35 – Legaldefinition 15 – Wesen 110 ordre public 165, 223 – annahmerechtlicher 168, 170 – europäischer 166 – materiell-rechtlicher 168 – nationaler 166 – verfahrensrechtlicher 168, 169 Prism Investments ./. Jaap Anne van der Meer 105, 138, 151, 152 Privaturkunde 25, 29, 45, 97, 188, 196, 227, 232, 256 Qualifikation 84, 95, 100, 109, 113 Rechtslagenanerkennung 118, 121, 126, 133, 200, 217, 222, 237, 239, 251, 255, 259 Rechtslagenvermutung 221, 223, 240, 241 Rechtsvergleichung 75, 181 – formelle Beweiskraft 181, 183, 190, 196 – Frankreich 189, 191, 198, 203 – Italien 189, 191 – Österreich 189, 192, 193, 202, 203, 206 – Spanien 189, 192, 193, 198, 204 Renault 167, 170 res judicata 64, 93, 125, 169, 242, 246

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Schriftstück 15 Solo Kleinmotoren ./. Boch 46, 48, 59, 99 Testamente – deutsche 36, 228 – französische 38, siehe auch französische Erbnachweise Unibank 24, 26, 27, 29, 44, 210, 227, 230, 256 Unionsrecht 245 Urkunde – öffentliche siehe öffentliche Urkunde – private siehe Privaturkunde – vollstreckbare 24, 26, 89, 120, 245, 247, 249 Ursprungsmitgliedstaat – Anknüpfungspunkt 116, 117, 140, 141, 179 – Begriff 17 – Eintragung 20 – Errichtung 20 – Mitgliedstaat 17, 55 verfahrensrechtliche Kollisionsnorm 113 – Anknüpfungsgegenstand 114, 116, 140, 167, 179, 198, 205, 230, 242 – Anknüpfungspunkt 114, 116, 140, 141, 179 – Kollisionsnorm 113, 118, 121, 131, 136, 143, 155, 167, 179, 197, 205, 212, 245 – règle de conflit de lois 113 verordnungsautonome Auslegung 7, 198, 240 – Historie 13, 238 – Systematik 10, 205, 230 – Telos 11, 232, 239 – Wortlaut 9, 198 Vollstreckbarkeit 16, 25, 56, 84, 89, 106, 109, 120, 152, 166, 232, 245, 248, 250 WB ./. Przemysława Bac 60, 61, 62, 86 Widerlegung der Beweiskraft siehe auch Einwanderhebung – inscription de faux 41, 43, 191, 210, 212

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Sachverzeichnis

– inzident 189, 190, 191, 193, 212, 242 – spezielles Verfahren 43, 190, 210, 211, 242 Wirkungserstreckung 92, 104, 136, 161, 165, 197, 211, 245, 251, 254, 262

– Funktionsweise 136, 141, 144, 153, 155 – Parallele zu Entscheidungen 137 – Verhältnis zur verfahrensrechtlichen Kollisionsnorm 139 Wirkungsgleichstellung, keine 141