Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht: Verhandlungen der Fachgruppe für vergleichendes Handels- und Wirtschaftsrecht anlässlich der 36. Tagung für Rechtsvergleichung vom 14. bis 16. September 2017 in Basel 9783161565878, 9783161565885, 3161565878

Vermeintliche Defizite in der behördlichen Durchsetzung und das Streben staatlicher Stellen nach Entlastung haben in den

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German Pages 158 [167] Year 2018

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Titel
Vorwort des Herausgebers
Inhaltsverzeichnis
Jean-Sébastien Borghetti: Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law
Jan von Hein: Eingriffsnormen und ordre public als Instrumente zur Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht im internationalen Verhältnis
Rodolfo Straub: Wirtschaftsaufsicht durch private Selbst- und Koregulierung – Das Beispiel des Schweizer Finanzmarktrechts
Peter L. Murray: The American Class Action – Private Law Enforcement At Work?
Bonne van Hattum: The New Consumer Deal – A Game Changer in the Area of the Resolution of Mass Claims especially in the Netherlands as Market Leader?
Benedict Heil: Private Litigation in German Capital Market Disputes – A Comparative Corporate Governance Approach
Astrid Stadler: Stand und Perspektiven der kollektiven Rechtsdurchsetzung in Deutschland und Europa
Autorenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht: Verhandlungen der Fachgruppe für vergleichendes Handels- und Wirtschaftsrecht anlässlich der 36. Tagung für Rechtsvergleichung vom 14. bis 16. September 2017 in Basel
 9783161565878, 9783161565885, 3161565878

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Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung Herausgegeben von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.

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Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht Verhandlungen der Fachgruppe für vergleichendes Handels- und Wirtschaftsrecht anlässlich der 36. Tagung für Rechtsvergleichung vom 14. bis 16. September 2017 in Basel Herausgegeben von

Peter Jung

Mohr Siebeck

IV Peter Jung, geboren 1965; 2002 Habilitation in Freiburg/Br.; 2003 Professor in Halle; seit 2004 Ordinarius für Privatrecht an der Universität Basel.

ISBN  978-3-16-156587-8 / eISBN 978-3-16-156588-5 DOI 10.1628/978-3-16-156588-5 ISSN  1861-5449 / eISSN 2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Stempel-Garamond gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

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Vorwort Die 36. Tagung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung vom 14. bis 16. September in Basel stand unter dem Generalthema „Das Recht und seine Durchsetzung“. Der vorliegende Band enthält sämtliche Referate, die in der Arbeitssitzung der Fachgruppe für vergleichendes Handels- und Wirtschaftsrecht zum Thema „Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht“ gehalten wurden. Ferner erfolgt der Abdruck eines von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung ausgezeichneten studentischen Seminarbeitrags. Vermeintliche Defizite in der behördlichen Durchsetzung und das Streben staatlicher Stellen nach Entlastung haben in den letzten Jahren verstärkt den Blick auf die private Durchsetzung öffentlichen Wirtschaftsrechts gelenkt. Das gilt namentlich für die kartell- und kapitalmarktrechtliche Regulierung. Pate stand vor allem das US-amerikanische Wirtschafts­recht mit seinem traditionellen Rückgriff auf Instrumente des Private Enforcement. Eine private Durchsetzung öffentlichen Wirtschaftsrechts setzt zunächst voraus, dass die Verletzung von entsprechenden öffentlich-rechtlichen Normen zu Ansprüchen von Privat­personen führt. Eine zentrale Rolle kommt dabei im deutschen Recht den aus einer Verlet­zung so genannter Schutzgesetze folgenden deliktischen Ansprüchen zu. Da die Rechtsfigur des Schutzgesetzes auf der besonderen Ausgestaltung des deutschen Deliktsrechts beruht, vergleicht zunächst Jean-Sébastien Borghetti (Université Panthéon-Assas Paris II) die deutsche ­Praxis deliktsrechtlicher Sanktionierung im Kartell- und Kapitalmarktrecht mit der­jenigen in Frankreich, wo man zwar auf eine deliktsrechtliche Generalklausel zurückgreifen kann, diese aber mit unterschiedlichen Kriterien (z. B. Erfordernis eines dommage direct et certain) wieder einschränkt. Im internationalen Verhältnis stellt sich die von Jan von Hein (Universität Freiburg) behandelte Frage, wie das öffentliche Wirtschaftsrecht zwischen Privatrechtssubjekten mit Hilfe des ordre public-Vorbehalts und international zwingender Eingriffsnormen durchgesetzt werden kann. Der in der Schweiz besonders ausgeprägten pri­vaten Selbstregulierung widmet sich der Beitrag von R ­ odolfo Straub (SIX Swiss Exchange Zürich) am Beispiel der Selbstregulierung der Schweizer Börse, welche etwa auch die Handelsorganisation, die Regelberichterstattung, die Ad hoc-Publizität und die Offenlegung von Management-Transaktionen umfasst. Die weiteren Referate von Peter L. Murray (Harvard Law School), Bonne van Hattum (Universität Amsterdam) und Benedict Heil (Uni-

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Vorwort

versität Frankfurt am Main) behandeln sodann ganz unterschiedliche nationale und supranationale Verfahren kollektiver Rechtsdurchsetzung, d. h. die US-amerikanische Class Action, den Kommissionsvorschlag betreffend Verbandsklagen und seine Auswirkung auf das niederländische Recht zur Abwicklung von Massenschäden (WCAM) sowie das deutsche Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (­KapMuG). Im rechtsvergleichenden Generalbericht von ­Astrid Stadler (Universitäten Konstanz und Rotterdam) werden diese prozessualen Beiträge zusammengeführt, in einen weiteren Rahmen gestellt und noch um Blicke in weitere Rechtsordnungen ergänzt. Ich danke den Referentinnen und Referenten ganz herzlich für ihre Mitwirkung an der Tagung und die Veröffentlichung ihrer Beiträge in diesem Band. Für ihre Mithilfe bei der Organisation der Tagung und der Drucklegung bin ich Frau Esther Jundt und Herrn Dr. Tizian Troxler LL.M. in Basel zu Dank verpflichtet. Basel, im August 2018

Peter Jung

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Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   V Jean-Sébastien Borghetti Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    1 Jan von Hein Eingriffsnormen und ordre public als Instrumente zur Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht im internationalen Verhältnis . . . . . . . . . .   23 Rodolfo Straub Wirtschaftsaufsicht durch private Selbst- und Koregulierung – Das Beispiel des Schweizer Finanzmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   69 Peter L. Murray The American Class Action – Private Law Enforcement At Work? . . . . . . . .   79 Bonne van Hattum The New Consumer Deal – A Game Changer in the Area of the Resolution of Mass Claims especially in the Netherlands as Market Leader? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   91 Benedict Heil Private Litigation in German Capital Market Disputes – A Comparative Corporate Governance Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  109 Astrid Stadler Stand und Perspektiven der kollektiven Rechtsdurchsetzung in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  129 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  153 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  155

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Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law Jean-Sébastien Borghetti For the sake of this contribution, supervisory regulations shall be understood as rules that are intended to regulate specific economic activities, or specific aspects of the general economic activity, such as antitrust rules, rules on the functioning of capital markets, of banks, etc. These regulations are sometimes analysed as public law rules1, as they are not directly aimed at regulating relations between private persons. Their violation, however, does not only pose a threat to the smooth and efficient functioning of the economic activities, which they purport to organise. It may also cause harm to individual persons (either legal or natural), whose interests (very often financial ones) have been hurt by this violation. An obvious example is the excessive price, which consumers must pay for products or services as a result of anticompetitive practices by professionals. Such cases raise the questions if, and under what conditions, persons who suffer (financial) harm due to the violation of these regulations are entitled to be compensated for this harm by the author of the violation. These questions are generally regarded as difficult ones, if only because they stand at the junction of public and private law2. In French law, however, the first one receives a very clear answer, which is yes. For reasons that will be made clear in a moment, French law sees no problem at all in accepting that the violation of supervisory regulations may give rise to individual claims for compen­sation, if this violation has caused harm, be it pure economic loss, to private persons. This is actually nearly a non-issue in French law, and the very subject of this contribution is thus quite surprising from a French perspective. But it certainly starts to make sense when the French 1  See e.g., from a Swiss perspective, B. Maurenbrecher, Privatrechtliche Haftung für die Verletzung aufsichtsrechtlicher Vorschriften, in: Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag, Schulthess, 2017, p. 555, 557. 2  It should be noted, however, that, while the divide between private and public law is particularly strong in French law, supervisory regulations are usually regarded in France as being part of private law.

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Jean-Sébastien Borghetti

position is contrasted to the German one. As is well known, German law is in principle reluctant to allow individual claims for the violation of supervisory regulations, even if it has become slightly more welcoming to them lately, partly under European pressure. It is of course interesting to identify the reasons for these different approaches, to see how they materialise in specific contexts and to look at the concrete results they lead to. As comparative lawyers commonly experience, rules that look very different in the codes or in the books can lead to outcomes that are quite close in practice – and the reverse is also true, of course. It is therefore worth investigating if the apparently contrasting approaches of French and German law do indeed lead to results that are significantly different. This can be done, obviously, from the perspective of the on-going debate on the private enforcement of supervisory regulations3. Is this type of enforcement efficient and/or de­sirable? Should it be combined with, or supersede public enforcement? This classic discussion shall not be reopened here, however, as it goes far beyond the subject of this contribution. It will be for the reader to decide if the elements put forward hereunder speak in favour or against private enforcement and its development. It should only be mentioned that the debate on private enforcement is not as developed in French law as it is in other legal systems, such as Germany’s, or, even more so, the United-States’4. One reason for this might be that public enforcement has always been seen as quite natural in France, a country with a strong tradition of State interventionism and where the violation of a supervisory regulation very often constitutes a criminal offence. Even though the public enforcement of supervisory regulations is in fact not always very efficient, private enforcement is thus generally seen as a possible adjuvant to public enforcement, but not really as a substitute, or even a necessity. The exact scope of this contribution also needs to be specified. As is indicated by its title, this short study is limited to tort claims for the violation of super­ visory regulations. Claims in contract are therefore excluded. The title may further suggest that only claims brought before civil courts will be considered. This makes perfect sense from a German perspective, since, in German law, compensation claims associated with such violations will normally be brought before civil courts, and the existence of a contractual relationship does not as such bar the application of tort rules between the parties. Things are different in French law, however. First of all, French courts have developed a strict no-option rule, known as ‘règle du non-cumul’, whereby liability in tort is inapplicable, and only contractual liability may apply, as soon 3  On this broader issue, see e.g. R. Schulze (ed.), Compensation of Private Losses, Sellier, 2011; F. Wilman, Private enforcement of EU law before national courts: the EU legislative frame­work, Edward Elgar Publishing, 2015. 4  Even though French lawyers do not of course ignore it; see e.g. J. Prorok, La respons­ abilité civile sur les marchés financiers, dissertation Paris II, 2016, no. 76–78.

Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law

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as there is a valid contractual relationship between the parties and the harm for which compensation is sought has something to do with that contract5. This means that some claims based on the violation of supervisory regulations will be in contract under French law, for example between a buyer and a seller who acted in breach of antitrust rules6, whereas they would probably be in tort under German law. Besides, it is possible in French law to bring a claim for damages before a criminal court, when the plaintiff is a direct victim of the offence for which the defendant is being prosecuted and when he has suffered harm as a result of it7. Criminal proceedings are to some extent more favourable than civil ones to plaintiffs, especially because the latter may rely on the investigation work and the evidence put forward by the public prosecutor. Given that violations of supervisory regulations often constitute criminal offences under French law, it therefore frequently happens that persons having suffered harm due to such violations choose to bring their compensation claim against the violator before a criminal court, and not a civil one8. The nature of the court that hears the case has normally no impact on the material rules that are being applied, however9. It should also be noted that, in many cases where a supervisory regulation has been violated, the plaintiff in theory has an option between suing the legal person that committed the violation, or suing the directors or board members who took the decision to commit this violation. Given the limited size of this contribution and the intricacies of directors’ liability in German and in French law, which may cloud the main issues at stake, only the liability of companies will be considered here. The contrast between French and German law as regards tort claims for violations of supervisory regulations originates in the differences between the tort law systems of both countries (I). In order to reveal this contrast, two concrete examples, drawn from capital markets law and competition law, shall be analysed (II). Finally, future perspectives and the possibility of a greater convergence between the systems will be considered (III).

5  On the origins of that rule, see J.-S. Borghetti, Strict Liability in Tort and the Boundaries of Tort Law, Essays in Honour of Jaap Spier, Jan Sramek Verlag, 2016, p. 19. 6  M. Chagny/B. Deffains, Réparation des dommages concurrentiels, Dalloz, 2015, no. 45. 7 Art. 2 code de procédure pénale (criminal instruction code). 8  J. Prorok (Fn. 4), no. 177. 9  It is an undisputed solution, though, that a civil fault in the sense of art. 1240 code civil (see under II.2) is necessarily established by the finding of the criminal court that the defendant committed a criminal fault.

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Jean-Sébastien Borghetti

I. General Rules on Tort Law Be it in France or in Germany, supervisory regulations usually do not address, and consequently do not regulate specifically, damages claims that may arise due to harm caused to third parties by their violation. From this follows that normally the general rules of tort law apply, if at all, to such claims. Differences between French law and German law are in this respect quite strong. While the latter is markedly reluctant to allow tort claims based on the violation of public law rules, the former sees no problem in it. Since German law (I) is probably more familiar to the reader than French law (II), they will be presented in that order.

1. German Law German law is markedly restrictive as far as the scope of tort law is concerned. The main provision of the German civil code (BGB) on ‘unlawful acts’, section 823 I, sets a list of protected rights10. Personal or obligational rights are not part of them, which means that pure economic loss (reiner Vermögensschaden) is not directly compensable under that text11, and victims of such a loss caused by the violation of a supervisory regulation must therefore rely on another legal basis to try and get compensation. They may turn, first of all, to section 823 II BGB, which provides for the liability of the person who infringes a statutory provision intended to protect another person12. Section 823 II allows for the compensation of pure economic loss whenever the statutory norm that has been violated was intended to protect persons in the same situation as the plaintiff precisely from that type of harm13. German lawyers, and especially judges at the Bundesgerichtshof (BGH), Germany’s highest court in civil matters, are usually rather strict when it comes to deciding if a statutory provision is intended to protect another person. In theory, the protective purpose of a norm should be appreciated based on the reg10  Section 823 par. I BGB: “A person who, intentionally or negligently, unlawfully injures the life, body, health, freedom, property or another right of another person is liable to make compensation to the other party for the damage arising from this”. Translations in English from BGB provisions are borrowed from the website www.gesetze-im-internet.de. 11  But it may be compensated when the plaintiff’s Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb has been violated. 12  Section 823 par. II BGB: “The same duty is held by a person who commits a breach of a statute that is intended to protect another person. If, according to the contents of the statute, it may also be breached without fault, then liability to compensation only exists in the case of fault”. 13  Section 823 par. II BGB also requires that the defendant was at fault, but the BGH has eased the evidentiary burden for the plaintiff and sets a rebuttable presumption that the violation of the protective norm was caused by the defendant’s negligence.

Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law

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ulator’s or the legislator’s intention, but trying to identify this intention often amounts to ‘looking for what is not there’, as some authors have put it14. In practice, judges usually seem to rely on a ‘reasonable’ interpretation of the statutory norm, influenced by a strong concern for the coherence and sustainability of the whole tort law system. As a result, the courts regard many supervisory regulations, whose violation does cause pure economic losses to various persons, as being aimed at protecting the general interest only, and not individual rights15. Another option, for those suffering pure economic loss caused by the violation of a supervisory regulation, is to turn to section 826 BGB, which deals with the intentional infliction of damage contra bonos mores16. Section 826 may in theory be relied on to compensate any type of harm, but, in practice, it is mostly relevant in cases of pure economic loss, when the plaintiff cannot rely on a protective statutory provision in the sense of section 823 II17. The first condition for the application of section 826 is that the defendant acted contra bonos mores. While it is by no means easy to define what ‘good morals’ mean in an increasingly pluralistic society, it seems accepted, in the business and commercial context, that an action is contra bonos mores when it runs counter the objectives of the existing legal and economic order. Section 826 has thus been relied on quite extensively in case of unfair competition, before the legislator adopted special provisions in that field. The second condition for section 826 to apply is that the damaging act must have been intentional. Courts have adopted a lax conception of intention in that context, and it is enough that the defendant knew for sure that his conduct would harm someone else, even if he did not purport to cause harm to the plaintiff (dolus eventualis). Even recklessness (Leichtfertigkeit) may amount to intention, in the sense of section 82618. When the conditions of liability are met, the defendant must compensate the harm caused to the plaintiff and for which he is liable. As in most legal systems, the full compensation principle applies. While the BGB is not very precise on how damages should be calculated, the BGH has developed detailed rules on the subject, depending on the context and the type of loss that has been suffered. The defendant’s liability is reduced, however, if the plaintiff contributed to his harm through his own fault (section 254 par. I BGB), or if he failed to avoid or mitigate the loss through reasonable means (section 254 par. II BGB).

14  H. Kötz/G. Wagner, Deliktsrecht, 13 th ed., Vahlen, 2016, no. 228, citing G. Williams (1960) 23 MLR 233, 244 writing on the English tort of breach of a statutory duty. 15  For some examples, see G. Wagner, MüKoBGB, 7 th ed., Beck, 2017, § 823, no. 404 ff. 16  Section 826 BGB: “A person who, in a manner contrary to public policy, intentionally inflicts damage on another person is liable to the other person to make compensation for the damage”. 17  H. Kötz/G. Wagner (Fn 14), no. 250. 18 See H. Kötz/G. Wagner (Fn. 14), no. 266 ff.

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Jean-Sébastien Borghetti

2. French Law The French civil code (code civil) sets a very general rule on tort law, now formulated at article 1240 (formerly 1382)19: “Any human action whatsoever which causes harm to another creates an obligation in the person by whose fault it occurred to make reparation for it”. The formulation of this provision is out-dated, but the meaning is clear: “a person is liable for the harm caused by his fault”, as the recently published reform bill on civil liability (projet de réforme de la responsabilité civile), which purports to reformulate this rule without changing it, puts it20. Not only is the rule extremely broadly formulated, but French courts take a rather lax approach to the three conditions which article 1240 sets for liability: fault, harm and causation. Fault receives no official definition in French law, neither in the code civil nor in case law. However, the existence of fault is regarded by the Cour de cassation, France’s highest court in civil matters, as a question of law, as opposed to a question of fact. This means that the Court, relying on the facts that have been ascertained by lower judges, decides, if asked, whether or not fault existed in any given case. In practice, the absence of a definition of fault, combined with the extreme terseness of the Cour de cassation’s decisions, gives judges great leeway when deciding whether or not fault can be found in any given case21. The Cour de cassation, in particular, does not have to say precisely what elements it took into account to recognise the existence or the absence of fault, and its decisions on that count usually boil down to ‘there was fault’ or ‘there was no fault’, without any further precision. This of course makes it quite difficult to say what exactly is fault under French law, and what its elements are. Scholars usually agree, however, that fault can be defined as the violation of a duty22. This duty can be the general duty of care (not to be found in any text, but whose existence is undisputed), whereby everyone is to act carefully, with a view to avoiding causing damage to others, in each 19 French contract law has been thoroughly reformed through Order (ordonnance) no. 2016-131 of 10 February 2016, which entered into force on 1st October 2016. This reform has entailed a renumbering of part of the code civil, and the general provisions on tort law, formerly arts 1382 to 1386, have become arts 1240 to 1244, without their content being modified. 20 Art. 1241 projet de réforme de la responsabilité civile: “On est responsable du dommage causé par sa faute”. The French ministry of Justice published the reform bill in March 2017. The French text of the bill, as well as an English translation by S. Whittaker, is available on the Ministry’s website: http://www.textes.justice.gouv.fr/textes-soumis-a-concertation-10179/ projet-de-reforme-du-droit-de-la-responsabilite-civile-29782.html. 21  On the very specific judicial style of the Cour de cassation and its implications, see J.-S. Borghetti, Legal Methodology and the Role of Professors in France – Professorenrecht is not a French word!, in: J. Basedow/H. Fleischer/R. Zimmermann (ed.), Legislators, Judges, and Professors, Mohr Siebeck, 2016, p. 209. 22  See e.g. G. Viney/P. Jourdain/S. Carval, Les Conditions de la responsabilité, 4th ed., LGDJ, 2013, no. 445 ff.

Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law

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and every circumstance. It can also be any duty set out in a statute or regulation. Unlike, for example, English law, French law therefore does not distinguish ‘ordinary’ liability for fault and liability for the violation of a statutory duty. The violation of any duty, be it statutory or not, amounts to a fault, which in turn may give rise to liability based on article 1240 code civil if it has caused harm. It should be added that the violation of a duty amounts to fault regardless of its author’s inner dispositions, i. e. regardless of whether he acted intentionally or even negligently. As a matter of fact, case law has adopted a purely ‘objective’ conception of fault, which boils down to the unlawful behaviour, irrespective of the characteristics, capacities and state of mind of the person who adopted this behaviour23. A small child acting in a unreasonable way (for an adult) or violating a statutory duty will thus be liable in exactly the same way as an adult, if his behaviour has caused harm. French law is equally broad minded when it comes to harm. Any type of harm can normally be compensated. Unlike section 823 par. I BGB, article 1240 code civil does not set a limitative, or even non-limitative, list of protected interests. Any interest (provided it is not unlawful) is therefore protected under the general liability for fault provision. Accordingly, compensation of pure economic loss has always been accepted under article 1240. Most French lawyers have actually never regarded it as an issue. Besides, French courts have long been willing to compensate loss of chance (perte de chance), i. e. the ‘present and certain disappearance of a favourable eventuality’24. A compensable loss of chance can be recognised and compensated in a variety of contexts, including when the chance that was lost consisted in making a profit. French courts thus go very far in the way of compensating economic loss, since plaintiffs may obtain damages in tort not only for having lost earnings that were (nearly) certain, but also, in some circumstances, for the loss of mere profit expectancies. Finally, French law is also rather unrestrictive as far as causation is concerned. The notion is not defined by the code civil and the courts have consistently refused to fill this gap. Most concepts used in other countries to limit causation are not known, or at least not used, in France. For example, the Cour de cassation has never adopted the adequate causation test and ignores the ‘scope of the rule’ principle (known in French as relativité aquilienne). The result is, once again, much leeway for the courts. 23 

G. Viney/P. Jourdain/S. Carval (Fn. 22), no. 444. again, the reform bill on civil liability purports to confirm existing law. Its art. 1238 provides: “A loss of a chance is reparable only where it is the present and certain disappearance of a favourable eventuality. | This loss must be calculated by reference to the chance lost and cannot be equal to the advantage which this chance would have procured if it had been realised” (“Seule constitue une perte de chance réparable, la disparition actuelle et certaine d’une éventualité favorable. | Ce préjudice doit être mesuré à la chance perdue et ne peut être égal à l’avantage qu’aurait procuré cette chance si elle s’était réalisée”). 24  Here

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Jean-Sébastien Borghetti

If the conditions of liability are met, the defendant is bound to fully compensate the victim for the losses directly flowing from the harm. The defendant’s debt will be reduced if the plaintiff’s fault contributed to causing his own harm (a constant solution, which is however not mentioned in the code civil), but the Cour de cassation has steadily refused to impose on him a duty to mitigate his losses25. Neither the code civil nor the Cour de cassation set out clear rules on how damages should be measured. The Cour de cassation regards this as a question of fact, on which it exerts no control. Lower judges therefore freely decide on the amount of damages that should be awarded to the plaintiff, and there exist no official guidelines in this respect26. As may be suspected, the difference between French and German tort law is not only one of rules. The spirit of the whole tort system, and the way lawyers look at things, are quite different in the two countries. German lawyers are obviously eager to preserve legal certainty, hence the very precise character of many rules. Besides, the German system as a whole reflects a strong concern for the need to limit the scope of liability27. Things are very different in France. In the field of tort law, at least, the concern for legal certainty is clearly not as strong as the conviction, broadly shared among lawyers, that ‘victims’ – as plaintiffs tend to be systematically called – deserve to be protected and compensated28. Besides, the courts, and especially the Cour de cassation, have clearly rated the preservation of a large amount of judicial discretion above legal certainty. Given the apocalyptic prophecies that are sometimes made about the economic consequences of an open-ended tort system, one might actually wonder how it is possible that her tort system has not made France bankrupt29. Part of the answer probably lies in at least two factors. The first one is that the awards granted by French judges are actually rather low. This is true for non-patrimonial losses, as some international comparisons suggest, but this is also true for economic losses30. Although there are not many studies on this issue, empirical evidence collected from various sources suggests that French courts are often 25  See the leading case Cass. 2e civ., 19 June 2003, no. 01-13.289 and 00-22.302, Bull. civ. II, no. 203. 26 However, each appellate court has its own unofficial guidelines for the compensation of non-patrimonial losses flowing from personal injuries. 27 See J. Fedtke, The Culture of German Tort Law, (2012) Journal of European Tort Law, 3(2), p. 183. 28 See J.-S. Borghetti, The Culture of Tort Law in France, (2012) Journal of European Tort Law, 3(2), p. 158. 29 Admittedly, the economic situation of France is not as flourishing as Germany’s, but the country is not bankrupt and no economist seems to have suggested that France’s economic difficulties should be traced back to the rules of tort law. 30  See e.g. Ph. Pierre/F. Leduc (ed.), La Réparation intégrale en Europe. Études comparatives des droits nationaux, Larcier, 2012.

Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law

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timid when it comes to compensating economic or financial losses. A second reason is that French lawyers do not exploit the full potential of the existing rules, and not as many claims are brought as could have been expected. This is rather surprising, considering that access to justice is relatively cheap and easy, but the fact is that there are many circumstances where tort claims could be brought, but are not. The violation of supervisory regulations actually is a good example of this.

II. Typical tort claims for the violation of supervisory regulations Supervisory regulations are so diverse that it is not possible to consider tort claims that arise in connection with all of them. Examples have to be chosen. The focus will be here on damages claims for the violation of the ad hoc disclosure duty on capital markets (I) and for the violation of the prohibition of cartels and anti-competitive agreements (II), which are both particularly topical and illustrate the different approaches taken in Germany and in France.

1. Liability for damage caused by the violation of the ad hoc disclosure duty on capital markets Capital market regulations include a number of rules on mandatory information by issuers of financial instruments. Rules are especially detailed for companies seeking to issue new instruments on the market, but issuers of financial instruments already on the market have an obligation to inform the public of inside information, which is likely to have a significant effect on the prices of those instruments or on the price of related derivative financial instruments. This obligation to disclose inside information, or ad hoc disclosure duty, as it is sometimes called, was set forth in the 2003 European Directive on market abuse31, and is now found in the 2014 European Regulation on market abuse, which has repealed and superseded the latter32. This duty is therefore common to all legal systems in the European Union, including France’s and Germany’s. The 2016 Regulation, and the 2003 Directive before it, only provide that Member States must ensure that the appropriate administrative measures can be taken or administrative sanctions be imposed against the persons who have violated the obligations imposed upon them by the European instrument33. They remain silent about the potential liability in tort for the violation of the 31  Directive 2003/6/EC of the European Parliament and of the Council of 28 January 2003 on insider dealing and market manipulation (market abuse), art. 6. 32 Regulation (EU) No. 596/2014 of the European Parliament and of the Council of 16 April 2014 on market abuse (market abuse regulation), art. 17. 33 Art. 14.1 of the 2003 Directive and art. 30 of the 2014 Regulation.

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above-mentioned disclosure duty. Member States have therefore been left on their own to deal with this issue, which may arise either where incorrect information has been made public (for example with the publication of deceptive reports on the issuer’s financial situation), or where information that ought to have been disclosed has not been published, or has been published too late. As could be expected, Germany and France have taken two very different paths in this respect, which clearly reflect the above-mentioned differences in their approach to tort law, but whose end-points may not be that far apart. a) Germany The disclosure duty set forth in the market abuse Directive, and now in the market abuse Regulation, is replicated at section 26 (formerly section 15) of the German Securities Trading Act (Gesetz über den Wertpapierhandel, known as WpHG)34. The WpHG also contains two provisions, sections 97 and 98 (formerly sections 37b and 37c), introduced in 2002, on civil liability for failure to publish insider information without undue delay (section 97) and civil liability for the publication of false insider information (section 98)35. German courts have been faced with several liability cases based on the alleged violation of section 26 WpHG, and they have had to decide both on the applicability of sections 823 par. II and 826 BGB to such claims, and on the conditions of application of sections 97 and 98 WpHG. aa) Claims based on sections 823 par. II and 826 BGB Investors having suffered financial losses due to the violation of section 26 WpHG have of course tried to rely on section 823 par. II to obtain damages, arguing that section 26 WpHG was a protective norm. One argument they could rely on is that section 26 par. III WpHG explicitly provides that sections 97 and 98 WpHG do not affect liability claims based on other provisions: “Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben unberührt”. Following the dominant doctrinal opinion36, however, German courts have consistently ruled that section 26 must be regarded as a norm seeking to pro-

34  The

WpHG has been modified on several occasions. The latest modification has been made through the law of 23 June 2017 | 1693 and came into force at the beginning of 2018. It has resulted in the renumbering of the provisions that are discussed here, but the content of these has not been significantly modified. 35  On the introduction of these provisions, in English, see T. M. J. Möllers, The Progress of German Information Disclosure Requirements: A Comparative Law Perspective in Light of Recent Developments in European Capital Markets Law, (2004) N.C.J. Int’l L. & Com. Reg., vol. 30, p. 279, 302. 36  See eg H. Kötz/G. Wagner (Fn. 14), no. 228.

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tect the capital market as an institution, but not as one intended to protect individual investors37. Those trying to rely on the BGB have therefore had to fall back on section 826 BGB. Their efforts have only been mildly successful, though. The requirement that the defendant acted contra bonos mores, first of all, has been the matter of some discussion. According to the BGH, this requirement was met for example in the famous Infomatec case38, but it is debated if the mere disclosure of incorrect information violates morality, or if some extra element is required, such as the personal interest of the board members who have disclosed the information (as was the case in Infomatec)39. The causation requirement has been even more demanding. As a matter of fact, the plaintiff has to demonstrate his actual reliance on the ad hoc announcement. This is extremely difficult, since an investment decision typically rests on a number of factors, and it is only in particular circumstances that a plaintiff will be able to demonstrate that one specific ad hoc announcement has been decisive for his decision to invest. Despite some suggestions, the BGH has refused to reverse the burden of proof in such cases or to resort to the ‘general investment mood’ (Anlagestimmung) mechanism, whereby information directed at potential investors can create a feeling of reliance, allowing the presumption that it is this reliance that prompted the investment decision40. Finally, there has been much debate among German authors as to how damages should be calculated, if the other conditions of liability are met41. Some authors argue that the plaintiff who has bought financial instruments on the basis of incorrect ad hoc information should be entitled to the negative interest and to natural restitution, as provided for by section 249 par. I BGB, i. e. to rescind the sale and get his money back. Others are in favour of compensating the alternative interest only, i. e. the difference between the price actually paid for the asset and the price that should have been paid if the ad hoc disclosure duty had been

37 BGH, 19 July 2004, II ZR 218/03, Infomatec; BGH, 9 May 2005, II ZR 287/02, EM.TV; BGH, 13 December 2011, XI ZR 51/10, IKB. On the debate in Swiss law, see D. Dedeyan, Haftung als Regulierungsinstrument im Finanzmarktrecht? – Am Beispiel der Ad-hoc-Publizität, in: Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag, Schulthess, 2017, p. 619, 626 and the references cited. 38 BGH, 19 July 2004, II ZR 218/03. See also e.g. BGH, 9 May 2005, II ZR 287/02, EM.TV. 39 See M. Casper, The Significance of the Law of Tort with the Example of the Civil ­Liability for Erroneous ad hoc Disclosure, in: R. Schulze (Fn. 3), 91, 94. 40 BGH, 19 July 2004, II ZR 218/03, Infomatec. On this debate, see M.-Ph. Weller, ­Civil liability for incorrect capital market information. An antagonism between freedom and ­liability, RTDF 2013, 1, p. 44, 47. 41  See e.g. T. M. J. Möllers (Fn. 35), p. 306. For a comparative approach to this question, see E. Vandendriessche, Investor Losses. A comparative legal analysis of causation and assessment of damages in investor litigation, Intersentia, 2015, no. 355–365.

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performed. In the Infomatec case, the BGH endorsed the view that the negative interest could be claimed under section 826 BGB42. bb) Claims based on sections 97 and 98 WpHG The liability set forth in sections 97 and 98 WpHG rests on issuers of financial instruments (but not on directors personally). It is in theory broader than the one based on section 826 BGB, in so far as it is for the defendant to prove that the violation of the duty was neither intentional nor the result of gross negligence. Neither section 97 nor section 98 addresses the issue of causation, however, which means that the same requirements apply in this respect as when section 826 BGB is at stake43. Accordingly, the BGH has decided that, under sections 97 and 98, the plaintiff can get either the negative interest, if he proves that he relied on the incorrect information to buy the financial instruments (a point which had been previously the subject of some debate in the academia), or the alternative interest, in which case he does not have to prove reliance44. At the end of the day, and even though a foreign author has described the WpHG provisions on civil liability as an alibi, i. e. a mechanism created by the legislator to create the false impression that the interests of investors are being cared of45, German law has become rather welcoming to damages claims based on the violation of the ad hoc disclosure duty. b) France The disclosure duty provided for in the market abuse directive used to be found in the ‘general regulation’ (règlement général) of the French financial markets authority (Autorité des marchés financiers), known as AMF, which has been entrusted by the French Parliament with the power to adopt regulations. Since the coming into force of the 2016 regulation on market abuse, which is directly applicable in France as in all other Member States, the règlement général does not mention explicitly the ad hoc disclosure duty anymore, but its article 223-1 sets out that “information provided to the public must be accurate, precise and fairly presented” 46. The fact that the violation of the ad hoc disclosure duty (whether spelled out in a European regulation or in the AMF règlement général) constitutes a fault in the sense of article 1240 code civil has never really been a matter of discussion47. 42 BGH, 19 July 2004, II ZR 218/03. But the plaintiff may alternatively claim compensation for the alternative interest: BGH, 9 May 2005, II ZR 287/02, EM.TV. 43  See BGH, 13 December 2011, XI ZR 51/10, IKB. 44 BGH, 13 December 2011, XI ZR 51/10, IKB. 45  J. Prorok (Fn. 4), no. 283. 46  “L’information donnée au public par l’émetteur doit être exacte, précise et sincère”. 47  Some cases have been brought before criminal courts and fault established as a result of

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This is accepted regardless of whether this fault actually consists in an omission (a piece of information that should have been disclosed was not disclosed in time) or in a positive action (a false piece of information has been communicated to the public). The whole German discussion on whether this disclosure duty constitutes a protective norm is therefore totally alien to French lawyers, who have never questioned the possibility to rely on article 1240 code civil to obtain compensation for damage caused by the violation of capital market regulations. French courts have also been quite undemanding as far as the causation requirement is concerned. The Cour de cassation established a presumption that the misleading piece of information disclosed by the issuer did have an impact on the plaintiff’s decision to invest48, or even not to sell his investment in a case where crucial information that would have caused the price to drop on the market had been withheld49. What has been debated is the nature of compensable loss in such cases. At some point, French courts were willing to combine the causation presumption with the admission that an investor could get the full difference between the price he had paid for the financial instruments on the basis of the false information and the price at which he had sold his shares after the falseness of the information was revealed50. This solution was surprisingly generous to investors, and amounted to transferring the market risk on the issuers. French courts have changed their position, however. They still apply the causation presumption, but they now consider that the investor can only be compensated for having lost a chance to make an informed investment decision and to better invest his money. As the Cour de cassation puts it: “he who buys or keeps securities on the basis of inaccurate, imprecise or misleading information on the situation of the issuing company only loses a chance to invest his money in another asset or to give up the asset he already had”51. As is usual with the Cour de cassation, no substantial reasons were given for this solution, but it seems likely that the Court wishes to avoid the transfer the defendant’s being convicted for the offence of ‘dissemination of false information’ (diffusion de fausse information), now mentioned at art. L. 465-2 code monétaire et financier (monetary and financial code); see e.g. Cass. crim., 5 November 1991, no. 90-82605, Bull. crim. no. 394. 48  Cass. crim., 15 May 1997, no. 96-80399; Cass. crim., 4 April 2001, no. 00-84322. 49  Cass. crim., 29 November 2000, no. 99-80324, Bull. crim. no. 359; Cass. crim., 4 April 2001, no. 00-84322. 50  See esp. Cass. crim., 15 March 1993, no. 92-82263, Bull. crim. no. 113; Cass. com., 22 November 2005, no. 03-20600. On the detailed evolution of case law on this issue, see J. ­Prorok (Fn. 4), no. 180–219. 51  Cass. com., 9 March 2010, no. 08–21547 and 08–21793: “celui qui acquiert ou conserve des titres […] au vu d’informations inexactes, imprécises ou trompeuses sur la situation de la société émettrice perd seulement une chance d’investir ses capitaux dans un autre placement ou de renoncer à celui déjà réalisé”.

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of the market risk from the investors to the issuers, as was previously the case, and to limit the amount of damages that are paid. An investor cannot be compensated for the full value of his investment any more, even if he proves that he invested and lost his money on the basis of false or inaccurate ad hoc information. He can only get damages for what has been called the “abstract change in his position”52. The loss that is being compensated is indeed an abstract one, since the courts do not seem to rely on concrete facts to measure exactly how significant the chance was that the investor would have invested differently if he had been correctly informed, and what alternative investment he would have made. The reference to a loss of chance in effect allows judges to award a lump sum, instead of measuring the actual loss suffered by the investor. This obviously runs counter the full compensation principle, which should apply in theory, and suggests that the Cour de cassation is more interested in sanctioning the issuer’s fault than in compensating the investor’s loss53. There are actually good reasons for this, even it the solution has been criticised. One of them is that measuring the actual investor’s loss in such cases is extremely difficult, and may require a type of market expertise that can only be obtained at a very high cost. Another reason is that, if causation is presumed, then compensating the actual loss suffered by the investor creates a clear risk of over-compensation. In this perspective, lump sum compensa­tion can be seen as a counterpart to presumed causation. Whether or not this is a good compromise, it is worth noting, in a comparative perspective, that the French solution in effect punishes the issuer for having flawed the market more than it compensates the investor for his actual loss. An author even argues that French courts seek first of all to compensate ‘market damage’, i. e. damage caused to the market itself, rather than the loss suffered by investors, and that this is in line with the aim of market information duties54. This is interesting and suggests how the protective purpose of the violated reg52 

J. Prorok (Fn. 4), no. 221. authors even analyse this solution as a hidden example of punitive damages; see e.g. Th. Bonneau/F. Drummond, Droit des marchés financiers, 3rd ed., Economica, 2010, no. 754. This is debatable, however, as it is by no means certain that the compensation that is awarded under the ‘loss of chance’ heading is greater than the actual loss caused by the violation of the ad hoc disclosure duty. 54  J. Prorok (Fn. 4), no. 225, 233. This author further criticises the use of the ‘loss of chance’ concept in these circumstances and argues that investors should be compensated for their non-patrimonial loss (dommage moral): J. Prorok (Fn. 4), no. 226–227. As a matter of fact, it is an established solution in French law that legal persons can suffer non-patrimonial harm; on this issue, see V. Wester-Ouisse, Le préjudice moral des personnes morales, JCP G 2003, I, 145. Whatever the merits of this general rule, however, the loss caused to an investor by incorrect information is obviously patrimonial and it is hard to see how a non-patrimonial loss could arise in the context of the violation of the ad hoc disclosure duty; for further discussion on this point, see E. Vandendriessche (Fn. 41), no. 147–148. 53  Some

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ulation may play a role in French law, albeit not in the same way as in Germany. The fact that the disclosure duty is intended first of all to serve market efficiency is not regarded as a bar to liability claims, as it is under section 823 par. II BGB, but it probably does influence the way in which courts adjudicate such claims and how they define compensable harm.

2. Liability for damage caused by cartels and anti-competitive agreements Liability in tort for the violation of competition law rules is a vast subject and this section will concentrate on liability for concerted practices, i. e. for the violation of article 101 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU) or equivalent national rules, which prohibit cartels and other anti-competitive agreements. This liability has been to a large extent harmonised through the 2014 European Directive on private damages actions55, which has been recently implemented in most Member States56. It is interesting to see, however, how German and French courts have dealt with this issue before this implementation. a) Germany The year 2005 was a turning point in Germany, as far as damages claims for the violation of competition law are concerned. Before that date, there had been some discussion on the applicability of section 823 par. II BGB to such violations. Some authors and lower courts argued that provisions prohibiting anti-­ competitive practices were not protective norms in the sense of that text and that even direct purchasers had no standing to sue the members of a cartel, as the conspiring parties did not specifically direct their cartel against their commercial partners, but, rather, only aimed at raising prices. This was a very restrictive position, though, which further proved incompatible with the one adopted by the European Court of Justice (ECJ) in its famous Courage57 and Manfredi58 cases. In the latter decision, in particular, the ECJ held that “any individual can rely on the invalidity of an agreement or practice prohibited under [article 101 55  Directive 2014/104/EU of the European Parliament and of the Council of 26 November 2014 on certain rules governing actions for damages under national law for infringements of the competition law provisions of the Member States and of the European Union. 56  For a comparative study of the implementation is several Member States, including France and Germany, see Implementation of the EU Damages Directive into Member State law, Concurrences 3, 2017. 57 ECJ, 20 September 2001, Courage Ltd v. Bernard Crehan and Bernard Crehan v. Courage Ltd and Others, C-453/99. 58 ECJ, 13 July 2006, Vincenzo Manfredi v Lloyd Adriatico Assicurazioni SpA (C-295/04), Antonio Cannito v Fondiaria Sai SpA (C-296/04) and Nicolò Tricarico (C-297/04) and Pasqualina Murgolo (C-298/04) v Assitalia SpA, C-295/04.

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TFEU] and, where there is a causal relationship between the latter and the harm suffered, claim compensation for that harm” (pt 59). Things changed with the adoption in 2005 of the 7th Amendment (7. Novelle) to the German Act against Restraints of Competition (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, known as GWB). This reform renewed the legal framework of damages claims for infringement of competition law rules59. The key provision is now section 33 par. III GWB, which provides that whoever intentionally or negligently violates a provision of the GWB, articles 101 or 102 TFEU or a decision taken by the competition authority shall be liable for ­damage arising therefrom60. The broadness of this provision in effect deprives sections 823 par. II and 826 BGB of their relevance in the field of competition law. The state of German law in case of the violation of article 101 TFEU was further clarified in 2011 in the important ORWI ruling by the BGH61 – even though the facts had happened in the 1990s and the decision was thus grounded on section 823 par. II BGB in combination with article 101 TFEU, and not section 33 GWB. On that occasion, the BGH ruled that compensa­tion claims resulting from the violation of art. 101 were not only open to buyers directly affected by an anti-competitive agreement, but also to indirect buyers. The Court also set out a method to calculate the harm suffered by the plaintiffs (in this case, the difference between the lowest price offered before the entering into the non-competition agreement and the average price offered by the parties to the agreement); and it ruled that the parties to the agreement could rely on the passing-on defence and that they were jointly and severally liable for the harm caused by the agreement. These rules anticipated those established by the 7th Amendment, and even those found in the 2014 Directive on private damages actions, which has now been incorporated into the GWB through the 9th Amendment, which entered into force on 9 June 2017. These changes in liability rules have made German law rather welcoming to damages claims based on the violation of antitrust regulations, and such claims seem to have flourished over the last years – mostly follow-on claims, of course, i. e. claims that are brought after an infringement of competition law was established by a competition authority, as opposed to stand-alone claims. 59 

On this reform, see F. Bien, Germany, Concurrences 3, 2017, p. 5. 7 th Amendment also contained interesting provisions on various aspects of private damages claims, including the admission, albeit under restrictive conditions, of the ­‘passing-on-defence’ (section 33 par. III, 2 nd sentence GWB 2005), the binding effect of decisions issued by competition authorities (including those from other member States) as far as the existence of a violation of competition law is concerned (section 33 par. IV GWB), and the disgorgement of the infringer’s profits (Vorteilsabschöpfung) at the request of associations (section 34a GWB). 61 BGH, 28 June 2011, KZR 75/10. 60  The

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b) France As could be expected, the possibility to bring a claim in damages for harm caused by the violation of antitrust regulations has never really been disputed in France. Neither has the fact that the violation of article 101 TFEU or equivalent national provisions constitutes a fault in the sense of article 1240 code civil. Plaintiffs, however, have been faced with other problems in their path to compensation62. The identification of the defendant has been one of them. Despite the lack of any written rule on this point until recently, French courts have been willing to accept that a decision by a competition authority that recognises an anticom­ petitive practice can be used by a plaintiff as proof of fault in a claim for damages63. The problem is that competition authorities ascertain the existence of such practices at the level of groups of companies, even though such groups are not recognised as legal entities under French law, where only individual companies are regarded as legal persons. Plaintiffs thus have had to prove that the particular company they were suing (ex hypothesi a member of the group of companies sanctioned by the competition authority) had been personally at fault – a difficult task in practice. In its latest decisions, however, the Cour de cassation has made this proof easier, thus anticipating the solutions found in the 2014 Directive on private damages actions64. Another issue has been the identification of the precise harm suffered by the plaintiff and the proof of causation between the anti-competitive agreement and that harm. Some courts have been willing to ease the plaintiff’s task, however. The Paris first instance court, for example, ruled on one occasion at least that anticompetitive practices necessarily cause harm to companies that were victims of it65. But French courts have been surprisingly restrictive on other issues. The Cour de cassation, in particular, has established a (rebuttable) presumption whereby buyers of products whose price has been inflated due to anti-competitive agreements are presumed to have passed this increase onto the price of their own products66. The reason for this presumption, according to the Court, 62  On the procedural specificities of private claims for the violation of antitrust rules, see A. Pezard, Damages Actions in Private Antitrust Enforcement: French Report, in: B. Cortese (ed.), EU Competition Law Between Public and Private Enforcement, Wolters Kluwers, 2014, p. 263. 63 See M. Chagny/B. Deffains (Fn. 6), no. 38 and the decisions cited. 64  See e.g. Cass. com., 6 October 2015, no. 13-24854. 65  TGI Paris, 30 March 2011, no. 09/073089, Numéricable c. France Télécom. One may actually wonder how victims are to be identified, if no harm is proven. In this ruling, however, the Court said that this harm could be only ‘moral’, i. e. non-patrimonial; on this issue, see supra Fn. 54. 66  Cass. com., 15 June 2010, no. 09-15816.

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is that the passing on of extra costs is the usual and normal practice67. A lower court even went as far as refusing to grant compensation to the buyer of products whose price had been inflated due to an anti-competitive agreement, even though the buyer had not passed the extra cost onto his own products, on the ground that he could have done so and that he had freely chosen not to68. This solution is quite surprising, especially in the French context, as it runs counter the principle of effectiveness of Union law, and further amounts to recognising a duty for the buyer to mitigate his loss, even though the Cour de cassation has been very clear, on other occasions, that such a duty does not exist in French law69. Yet another issue has been the calculation of damages. Judges very often do not give details on how they measure the plaintiff’s losses caused by the anti-­ competitive agreement, and the sums they grant appear to be in effect mere lump sums, usually rather small70. At the end of the day, despite the very general clause of article 1240 code civil, and the fact that damages claims for the violation of competition rules were allowed in France as early as the first half of the 19th century71, French law appears to have been rather less favourable to private claims than German law. At any rate, the number of compensation claims brought before the courts in connection with the violation of competition rules has been quite small so far72. This is somehow surprising, but may be the sign that French courts do not regard private enforcement as a priority73. It also confirms that the potential of French tort law rules is not always exploited to the full74. One reason for this could be that, although all types of harm are theoretically compensable under it, French law is primarily concerned with personal injuries, and French courts, even if not deliberately, are significantly less favourable to plaintiffs who complain of pure economic losses arising in a professional context, than to plaintiffs whose bodily integrity has been violated.

67 

Cass. com., 15 May 2012, no. 11-18495. T. com. Nanterre, 11 May 2006, no. 2004/FO2643, SA Laboratoires Arkopharma c. Sté Roche et Sté F. Hoffmann La Roche. 69 See supra Fn. 25. 70  M. Chagny/B. Deffains (Fn. 6), no. 69. 71  Cass. civ., 9 December 1836, cited by S. Carval, Responsabilité civile et droit de la concurrence, Resp. civ. ass. 2017, 5, dossier 7, no. 3. 72  M. Chagny/B. Deffains (Fn. 6), no. 28. The authors do not give precise figures, but all others authors agree with them on this point, and the number of published cases is rather small. It should be added that, as could be expected, most claims are follow-on claims. In 2015, only one stand-alone compensation claim by a consumer for the violation of competition rules had been identified: CA Paris, 1st June 2007, no. 06/21059. 73 See M. Chagny/B. Deffains (Fn. 6), 55 ff. on the importance of public enforcement in this field. 74  See under II.2. 68 

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Yet, things may be changing as far as damages claims for the violation of competition rules are concerned. Recently, some interesting decisions have been handed down, which have granted generous damages and/or have gone in some detail on how they set those damages75. More importantly, France has implemented the 2014 Directive on private damages claims76, which should make such claims easier.

III. Perspectives The observations that have been made on German and French law point to a strengthening of private enforcement. This tendency is likely to confirm itself in the future and raises the question of a possible unification across Europe of rules applicable to tort claims arising out of the violation of supervisory regulations.

1. The strengthening of private enforcement As the French example shows, it is one thing to allow or even facilitate private claims for the violation of supervisory regulations; and it is another one to have many such claims brought before the courts, and plaintiffs being effectively compensated for the loss they have suffered. Material law rules are only one among the many factors that determine the number of claims that are brought before the courts, and probably not the most important one. Many of these factors are non-legal, and legislators, be it at the national or the European level, have limited control over them, at least on the short term. One lever they can use, however, is the facilitation of multiple or group claims. The European Union has been contemplating the introduction of a collective redress mechanism at the European level, but has not imposed it so far77. It is mostly on the national level that things have been moving recently78. Many Member States have now introduced some form of collective redress. Germany

75 

See the lower court decisions cited by M. Chagny/B. Deffains (Fn. 6), no. 69. implementation has been made into the commercial code (code de commerce) through ordonnance n° 2017-303 du 9 mars 2017 relative aux actions en dommages et intérêts du fait des pratiques anticoncurrentielles and décret n° 2017-305 du 9 mars 2017 relatif aux actions en dommages et intérêts du fait des pratiques anticoncurrentielles. On this implementation, see S. Carval, Les actions en dommages-intérêts des victimes de pratiques anticoncurrentielles. À propos de l’ordonnance et du décret du 9 mars 2017, JCP G 2017, 298. 77  See esp. the Commission Recommendation of 11 June 2013 on common principles for injunctive and compensatory collective redress mechanisms in the Member States concerning violations of rights granted under Union Law (2013/396/EU). 78  See e.g. C. Hodges, The Reform of Class and Representative Actions in European Legal Systems, Hart Publishing, 2008. 76 The

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has actually remained quite conservative in this respect79, but several private companies are now active in that country, which buy claims against one same tortfeasor from potential plaintiffs and bundle them together. This appears to be a rather efficient form of collective redress, even though it is not based on ad hoc legislation. These companies do not seem to have settled shop in France yet, for reasons that are not totally identified, but which probably have to do with the restrictive rules of the code civil on the assignment of claims80. However, after many years of debate and discussion, class actions have recently been introduced into French law. The legislator has taken a cautious approach and only allows such actions on an opt-in basis and in specific sectors. Competition law is one of them81. It is now possible for associations to bring a class action on behalf of consumers who have suffered harm as a result of anti-competitive practices. There seems to have been no such action so far, but a few years are probably needed before associations and lawyers get used to this new instrument. Another factor that could have a significant impact on the liability of those who violate supervisory regulations is the introduction of punitive damages. As is well known, most European countries, especially continental ones, are hostile to this type of non-compensatory damages, at least in their internal legal order82. A growing number of voices are advocating the introduction of punitive damages or closely related mechanisms, however, precisely for the sake of private enforcement83. 79 See, however, the Capital Market Model Claims Act (Kapitalanleger – Musterverfahrensgesetz, known as KapMuG), which enables a more effective treatment of investor’s claims involving identical issues of law or fact through model case proceedings. Besides, in the field of consumer protection and competition law, representative actions allow consumer organisations or organisations promoting commercial or independent professional interests to act in court on behalf of a group of harmed individuals in the area of competition law and consumer protection; see e.g. section 33 par. II GWB. 80  These rules have been modified by the recent reform of contract law, however, which has made the assignment of claims much easier; see J.-S. Borghetti, Vertragsdritte – Forderungsabtretung, Schuld- und Vertragsübernahme nach der Reform des französischen Schuldrechts, in: F. Bien/J.-S. Borghetti, Die Reform des französischen Vertragsrechts, Mohr Siebeck, 2018, p. 199; H.-J. Sonnenberger, Die Reform des französischen Schuldvertragsrechts, des Regimes und des Beweises schuldrechtlicher Verbindlichkeiten durch Ordonnance Nr. 2016-131 vom 10.02. 2016, ZEuP 2017, p. 778, 793. 81 Art. L. 623-1 code de la consommation (consumer code). For a general presentation of class actions in French competition law, see M. Behar-Touchais, Banque et droit, hors-série, 1st November 2014, p. 34. 82  They have become more open to the enforcement of foreign decisions awarding punitive damages. On the convergence of German and French law in this respect, see M. Lendermann, Strafschadenersatz im internationalen Rechtsverkehr. Die Behandlung ausländischer punitive damages im deutsch-französischen Rechtsvergleich, Mohr Siebeck, 2018. 83  The introduction of punitive damages has for instance been advocated by France’s most respected tort lawyer, prof. Geneviève Viney, for more than ten years; see e.g. L’appréciation du préjudice, Gaz. Pal. 19 May 2005, no. 99, p. 89. For a broader approach, see e.g. L. Meur-

Tort claims for violations of supervisory regulations in French and German law

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In France, the reform bill on civil liability contains an interesting provision on ‘civil penalty’ (amende civile). Its article 1266–1, par. 1, provides: “In extra-contractual matters, where the author of the harm has deliberately committed a fault with the view to making a gain or to saving money, a court may, at the request of the victim or the ministère public and by specially justified decision, condemn him to the payment of a civil penalty”84. The idea is basically to introduce punitive damages into French law in case of a deliberate ‘lucrative’ fault, but to have these damages paid to a public compensation fund or to the State (hence the appellation ‘civil penalty’), and not directly to the plaintiff, in order to abide with the full compensation principle85. It is still unclear what the future of the reform bill will be, and even if it finds its way to Parliament, article 1266–1 may not survive discussion before the latter. Nobody can say, therefore, if civil penalty or punitive damages will become part of French law in the near future. The mere existence of article 1266–1, however, is a good illustration of the trend towards the strengthening of private enforcement, which is certainly not confined to French law.

2. Towards a European unification of tort claims for the violation of supervisory regulations? For a long time, and with the notable exception of Council Directive 85/374/ EEC of 25 July 1985 on the approximation of the laws, regulations and administrative provisions of the Member States concerning liability for defective products, tort law remained outside the scope of European harmonisation policies. And there is still no suggestion that a general harmonisa­tion of tort law should be undertaken, especially after the project of a European civil code has been abandoned. Interestingly, though, a growing number of EU texts regulating specific activities are now including provisions on the compensation of harm caused by the violation of the rules they set. These provisions actually come in different shapes and sizes. Some create autonomous rights to compensation that are exclusively kens/E. Nordin (ed.), The power of punitive damages: is Europe missing out?, Intersentia, 2012. 84  “En matière extracontractuelle, lorsque l’auteur du dommage a délibérément commis une faute en vue d’obtenir un gain ou une économie, le juge peut le condamner, à la demande de la victime ou du ministère public et par une décision spécialement motivée, au paiement d’une amende civile”. Art. 1266-1 of the reform bill contains five further paragraphs, which give more precisions on how the civil penalty should be calculated and on the regime applicable to it. On this provision, see E. Dreyer, La sanction de la faute lucrative par l’amende civile. Article 1266-1 du projet de réforme de la responsabilité civile, D. 2017, p. 1136; E. Juen, Vers la consécration des dommages-intérêts punitifs en droit français, RTD civ. 2017, p. 565. 85  And also to avoid the difficult issue of determining how to split the punitive damages, when one same fault has caused harm to several persons.

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governed by EU law86, while others only require from Member States that they recognise such a right to compensation under their national law87. The intention to foster private damages claims is clear, however, and the 2014 Directive on private damages claims is perhaps the best illustration of it. The development of the private enforcement of EU supervisory regulations obviously does not amount to a unification of tort law across Europe, if only because most claims are still to be governed by national laws. Yet, the fact that various European regulations or directives explicitly foresee private damages claims, and even define part of their regime88, does pave the way for a greater convergence of tort claims for the violation of supervisory regulations in ­Europe.

86  See art. 7 Regulation (EC) No. 261/2004 of the European Parliament and of the Council of 11 February 2004 establishing common rules on compensation and assistance to passengers in the event of denied boarding and of cancellation or long delay of flights; art. 82 Regulation (EU) 2016/679 of the European Parliament and of the Council of 27 April 2016 on the protection of natural persons with regard to the processing of personal data and on the free movement of such data (General Data Protection Regulation). 87  See art. 7 Regulation (EU) No. 181/2011 of the European Parliament and of the Council of 16 February 2011 concerning the rights of passengers in bus and coach transport; art. 35a Regulation (EU) No. 462/2013 of the European Parliament and of the Council of 21 May 2013 on credit rating agencies; art. 13 Regulation (EU) No. 910/2014 of the European Parliament and of the Council of 23 July 2014 on electronic identification and trust services for electronic transactions in the internal market. 88  The 2014 Directive on private damages claims, in particular, sets out in great detail many aspects of the claims it purports to regulate, and which are otherwise governed by national laws.

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Eingriffsnormen und ordre public als Instrumente zur Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht im internationalen Verhältnis Jan von Hein*

I. Einführung Im Jahre 1849 legte Friedrich Carl von Savigny den achten Band seines Systems des heutigen römischen Rechts vor,1 der eine „kopernikanische Wende“ (Neuhaus)2 gegenüber der Fragestellung der zuvor herrschenden Statutentheorie herbeiführte.3 Der Ausgangspunkt der kollisionsrechtlichen Betrachtung sollte fortan nicht mehr das Gesetz, sondern das Rechtsverhältnis sein; die Aufgabe des IPR sei es, diejenige Rechtsordnung zu finden, in der ein Rechtsverhältnis seinen Sitz habe (heute würden wir sagen: mit dem es am engsten verbunden ist). Savigny verkannte zwar nicht die nationale Rechtsnatur des IPR, betonte aber das Ideal des internationalen Entscheidungseinklangs, das heute jeweils in

*  Abgekürzt werden zitiert: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), Beck’scher OnlineKommentar zum BGB (zit.: BeckOK/Bearbeiter); Calliess (Hrsg.), Rome Regulations, 2. Aufl. 2015 (zit.: Calliess/Bearbeiter); Erman, Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, hrsg. von Westermann/Grunewald/Maier-Reimer, 15. Aufl. 2017 (zit.: Erman/Bearbeiter); Gsell/ Krüger/Lo­renz/Mayer (Hrsg.), beck-online.Großkommentar (zit.: BeckOGK/Bearbeiter); ­jurisPraxisKommentar BGB Bd. 6, Internationales Privat­recht, hrsg. v. Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/Würdinger, 8. Aufl. 2017 (zit.: jurisPK/Bearbeiter); Münchener Kommentar zum BGB, hrsg. v. Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Bd. 11 (IPR I) u. Bd. 12 (IPR II), 7. Aufl. 2018 (zit.: MüKo/Bearbeiter); NomosKommentar Bd. 6, Rom-Verordnungen, hsrg. von Hüßtege/Mansel, 2. Aufl. 2015 (zit.: NomosKomm/Bearbeiter); Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018 (zit.: Palandt/Bearbeiter); Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Rom I-VO/Rom II-VO, 4. Aufl. 2016 (zit.: Rauscher/Bearbeiter); Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015 (zit.: Reithmann/Martiny/Bearbeiter); J. von Staudingers Kommentar zum BGB mit EGBGB und Nebengesetzen, Art. 3–6 EGBGB, 2013, sowie Internationales Vertragsrecht I und II, 2016 (zit.: Staudinger/Bearbeiter). 1  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849. 2  Neuhaus RabelsZ 15 (1949/50), 364 (366). 3 Näher Ancel, Éléments d’histoire du droit international privé (2017) 473 ff.

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Erwgr. 6 der Rom I-VO4 und der Rom II-VO5 hervorgehoben wird.6 Das heutige deutsche und europäische IPR beruht im Kern noch immer auf der von ­Savigny Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten Fragestellung vom Sachverhalt her:7 Es wird grundsätzlich nicht nach den Zwecken („policies“) einzelner Gesetze geforscht, um deren Anwendungsbereich zu definieren, son­dern das auf bestimmte Rechtsverhältnisse (vertragliche oder außervertragliche Schuldver­ hältnisse, Ehescheidung,8 Rechtsnachfolge von Todes wegen,9 ehelicher Güterstand10) anwendbare Recht wird danach bestimmt, zu welcher Rechtsordnung jeweils die engste Verbindung besteht.11 Während die Savigny’sche Lehre auf der Annahme basierte, die Privatrechtsordnungen der einzelnen Staaten seien grundsätzlich gleichwertig und fungibel, wird das Privatrecht in der heutigen Zeit häufig durch regulatorische Eingriffe des Gesetzgebers eingeschränkt12 oder gar selbst für die Verwirklichung regulatorischer Ziele in Dienst genommen.13 Es ist daher die Befürchtung geäußert  4 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABl. 2008 L 177/6.  5 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. 2007 L 199/40; ber. ABl. 2012 L 310/52.  6  „Um den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehbarer zu machen und die Sicherheit in Bezug auf das anzuwendende Recht sowie den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu fördern, müssen die in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisions­normen im Inte­ resse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts unabhängig von dem Staat, in dem sich das Gericht befindet, bei dem der Anspruch geltend gemacht wird, dieselben Verweisungen zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts vorsehen.“  7  Zur Frage der methodischen Kontinuität eingehend Müko/v. Hein Einl. IPR Rn. 40– 43, m. w. N.  8 Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Recht v. 20.12.2010, ABl. 2010 L 343/10 (sog. Rom III-VO).  9 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses v. 4.7.2012, ABl. 2012 L 201/107 ­(EuErbVO). 10 Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, ABl. 2016 L 183/1 (EuGüVO). 11  Vgl. zum Internationalen Deliktsrecht GA Wahl, Schlussanträge in der Rs. C-350/14 v. 10.9.2015, Florin Lazar/Allianz SpA, ECLI:EU:C:2015:586 Rn. 20: Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO beruhe auf „einer klassischen Kollisionsnorm des internationalen Privatrechts“. 12  Ausführlich hierzu die Beiträge in Bignami/Zaring (Hrsg.), Comparative Law and Regulation (2016). 13  Umfassend hierzu Hellgardt, Regulierung und Privatrecht – staatliche Verhaltens­­ steue­r ung mittels Privatrecht und ihre Bedeutung für Rechtswissenschaft, Gesetzgebung und Rechtsanwendung (2016); Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht (2012), bespro-

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worden, durch das Vordringen international zwingenden Rechts – sog. „Eingriffsnormen“ (zum Begriff s. u. II.1–4) – drohe eine „Entsavignysierung“ des IPR.14 Bereits Savigny selbst hatte jedoch erkannt, dass es eine Gattung „zwingender, streng positiver“ Gesetze gibt, für welche die üblichen, allseitig-neutralen Kollisionsnormen nicht passen.15 Dies hat Generalanwalt ­Szpunar in seinen Schlussanträgen in der Sache Nikiforidis treffend hervorgehoben.16 ­Savigny hatte hierbei wirtschafts-, sozial- oder agrarpolitisch motivierte Sachnormen im Blick, die sich auf sog. gebundene Güter oder Sondervermögen wie Fami­ lien­fidei­kommisse, Lehen, Stammgüter, Rentengüter, Anerbengüter, Erbpachtgüter oder Erbhöfe beziehen.17 Der rechtspolitische Hintergrund solcher Vorschriften liegt zumeist darin, dass der Vermögensübergang, insbesondere die Erbfolge in landwirtschaftlich genutzte Flächen, speziell geregelt werden soll, um eine agrarwirtschaftlich ineffiziente Zerschlagung lebensfähiger Bauernhöfe – oder im 19. Jahrhundert noch: Adelsgüter18 – zu verhindern.19 Savigny formulierte diesen Gedanken dahingehend, ein Anerbengesetz wolle „nicht, wie gewöhnliche Erbfolgegesetze, dem Vermögen verstorbener Einwohner das angemessenste Schicksal anweisen, sondern es will gewisse Staatszwecke fördern durch das einer bestimm­ten Klasse von Grundstücken angewiesene Schicksal“. 20 Ein solches Gesetz habe „einen politischen, außer dem reinen Rechtsgebiet liegenden Zweck, und ist daher ein Gesetz von zwingender, streng positiver Natur“.21 Derartige Sonderregelungen fallen aufgrund der Europäisierung des Kollisionsrechts nicht mehr unter Art. 3a Abs. 2 EGBGB, sondern in den Anwendungsbereich des Art. 30 EuErbVO22 bzw. demnächst in denjenigen des Art. 30 EuGüVO. 23

chen von Brinkmann RW 2014, 415 ff.; Langenbucher ZVglRWiss 113 (2014), 96 ff.; G. Wagner AcP 214 (2014), 602 ff. 14  Kühne, FS Heldrich (2005) 815 ff. 15  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, 306; ausführlich hierzu W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859 ff. 16 GA Szpunar Schlussanträge vom 20.4.2016 in der Rs. C-135/15 – Nikiforidis, ECLI:EU:C:2016:281 Rn. 68. 17  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, 306; zur Anknüpfung dieser Regelungen im autonomen deutschen IPR s. BT-Drs. 10/504, 38; BGHZ 50, 63, 64 = NJW 1968, 1571; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 12 II 2b aa; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, § 26 II 2a; Staudinger/Hausmann (2013) Art. 3a EGBGB Rn. 8 ff.; Thoms, Einzelstatut bricht Gesamtstatut. Zur Auslegung der „besonderen Vorschriften“ in Art. 3 Abs. 3 EGBGB, 1996, 109 ff. 18 Hierzu v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, 306. 19  Zum rechtspolitischen Wandel derartigen Sonderrechts näher Stöcker WM 1980, 1134 (1135 f.). 20  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, 306. 21  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, 306. 22  Näher MüKo/Dutta Art. 30 EuErbVO Rn. 1 ff. 23 Näher v. Hein, Europ. Property L. J. 2017, 142, 148 ff.

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Die Problematik der Anwendung oder Berücksichtigung von Eingriffsnormen geht in der heutigen Zeit jedoch über die noch bei Savigny als Spezialfall genannten erbrechtlichen Sondergesetze weit hinaus.24 International zwingende Vorschriften, die z. B. das gewöhnliche Vertragsstatut durchbrechen, finden sich auf so unterschiedlichen Feldern wie dem Außenwirtschaftsrecht, dem Kartellrecht, dem Kapitalmarktrecht oder, in Gestalt zwingender Preisregelungen, z. B. im Architekten- oder Arzneimittelrecht (näher u. II.2). Trotz der Euro­ päisierung des IPR ist die Behandlung derartiger Normen in den vorhandenen Verordnungen der EU bisher nur lückenhaft und inkohärent geregelt.25 Im Folgenden soll daher eine kriti­sche Bestandsaufnahme der europäischen Kolli­ sions­rechtslage im Lichte neuerer Entwick­lungen vorgenommen werden. Hierbei steht, der praktischen Bedeutung des internationalen Vertragsrechts entsprechend, die Rom I-VO im Vordergrund (unter II); im Anschluss daran folgt ein Seitenblick auf die Rom II-VO (unter III). Da wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten heutzutage vielfach nicht vor staatlichen Spruchkörpern, sondern vor Schiedsgerichten aus­getragen werden, 26 muss auch die Heranziehung von Eingriffsnormen durch Schiedsgerichte beachtet werden (unter IV). Schließlich stellt sich die Frage, welche Bedeutung Eingriffs­normen für die Zulässigkeit von Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen haben und welche Auswirkungen sich auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entschei­ dungen ergeben können (unter V).

II. Eingriffsnormen in der Rom I-VO 1. Entwicklung der Rechtsgrundlagen a) Ordre public und Eingriffsnormen Das mir gestellte Thema nennt Eingriffsnormen (Art. 9 Rom I-VO, Art. 16 Rom II-VO) und ordre public (Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO) als gleichrangige Instrumente zur Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht im internationalen Verhältnis. Auch in den neueren europäischen Rechtsakten zeigt sich die enge historische Verwandtschaft zwischen der Wahrung des ordre public und der Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen darin, dass beide Rechtsfiguren in einem Atemzug erläutert werden, so z. B. in Erwägungsgrund 37 Rom I-VO und Erwägungsgrund 32 Rom II-VO: „Gründe des öffentlichen Interesses recht­fertigen es, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten unter außergewöhnlichen 24 

Vgl. auch W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 862 ff. („Savigny fortdenkend“).

25 Eingehend Köhler, Eingriffsnormen – Der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, 2013;

Renner, in: v. Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union (2016) 359 ff. 26 Eingehend G. Wagner, Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb (2017) 100 ff.

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Umständen die Vorbehaltsklausel (‚ordre public‘) und Eingriffsnormen anwenden können.“ Obwohl sich beide Rechtsfiguren in enger historischer Wechselwirkung entwickelt haben, muss zwischen ihrer jeweiligen kollisionsrechtlichen Funktion unterschieden werden. Die Aufgabe des ordre public besteht in der Abwehr anstößigen ausländischen Rechts; dies wird auch als negative Funktion der Vorbehaltsklausel bezeichnet. 27 Fraglich ist jedoch, ob der ordre public darüber hinaus eine positive Zweckrichtung hat. Insbesondere in den romanischen Rechten domi­nierten seit dem 19. Jahrhundert Ansätze, die den ordre public als integralen Bestandteil des Kollisionsrechts begriffen und aus ihm eine international zwingende Sonderanknüpfung elementarer inländischer Rechtssätze ableiten wollten. 28 Diese Problematik wird im heutigen europäischen Kollisionsrecht aber dogmatisch nicht mehr im Rahmen des ordre public, sondern über die Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen bewältigt; die EU-Verordnungen unterscheiden deutlich zwischen der Vorbehaltsklausel (Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO) einerseits, der Sonderanknüpfung international zwingender Normen andererseits (Art. 9 Rom I-VO, Art. 16 Rom II-VO). 29 Da die positive Funktion einer Sonderanknüpfung inländi­schen Eingriffsrechts mithin anderen Vorschriften als den jeweiligen Vorbehaltsklauseln der Rom I-VO und der Rom II-VO zugewiesen ist, besteht keine Notwendigkeit mehr dafür, den ordre public durch eine positive Komponente anzureichern.30 Die Emanzipation der Eingriffsnormen vom ordre public beschränkt sich zudem nicht auf eine bloß formal-kodifikatorische Auslagerung, sondern spiegelt dogmatische und praktische Unterschiede wider.31 Beim ordre public handelt es sich um einen Mechanismus, der noch im Rahmen des herkömmlichen IPR-Systems, also der Fragestellung vom Sachverhalt her (s. o. I), operiert und lediglich deren Ergebnis im Einzelfall korrigiert, während bei der Sonderan27 S. BVerfGK

9 (2006), 155 Rn. 13: „negative Vorbehaltsklausel mit Abwehrfunktion“; ferner BeckOK/Lorenz (1.5.2018) Art. 6 EGBGB Rn. 3; Frey/Pfeifer EuR 2015, 721, 728; Gössl EuLF 2016, 85, 86; Kropholler (Fn. 17) § 36 I; eingehend Staudinger/Voltz (2013) Art. 6 EGBGB Rn. 8 ff.; Kegel/Schurig (Fn. 17) § 16 I. 28  Eingehend zur „romanischen Schule“ Spickhoff, Der ordre public im internationalen Privatrecht, Entwicklung – Struktur – Konkretisierung, 1989, 45 ff.; ferner Staudinger/Voltz (2013) Art. 6 EGBGB Rn. 12. 29  Von zweifelhaftem Wert war daher der Änderungsvorschlag des EP zu Art. 22 des Kommissionsvorschlags der EuGüVO (KOM 2011 [126] endg.), mit dem Eingriffsnormen als „provisions the disregard for which would be manifestly incompatible with the public policy (ordre public) of the Member State concerned“ definiert werden sollten (Rechtsausschuss), Bericht vom 20.8.2013, A7-0253/2013. 30  So auch M. Stürner, in Arnold (Hrsg.), Grundfragen des Europäischen Kollisionsrechts (2016) 87, 97 f.; G. Wagner RabelsZ 80 (2016) 717, 748 f.; M.-P. Weller/Kaller/A. Schulz AcP 216 (2016) 387, 396. 31 S. v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I: Allgemeine Lehren, 2. Aufl. 2003, § 7 Rn. 275; Erman/Hohloch Art. 6 EGBGB Rn. 3; Staudinger/Voltz (2013) Art. 6 EGBGB Rn. 24 ff.

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knüpfung von Eingriffsnormen die Fragestellung generell aus einem anderen Blickwinkel, nämlich vom Anwendungswillen der jeweils betroffenen Eingriffsnorm her erfolgt; insoweit wird auch von einer „Zweipoligkeit des IPR“ gesprochen.32 Ferner zielt der ordre public nach herkömmlichem Verständnis nur auf eine Kontrolle des Ergebnisses der Rechtsanwendung ab, während Eingriffsnormen der lex fori sich gegenüber ausländischem Recht grundsätzlich unbedingt, also ergebnisunabhängig, durchsetzen.33 Eine weitere Differenz liegt darin, dass die Sonderanknüpfung inländischer Eingriffsnormen automatisch zur Anwendung der lex fori führt, während der ordre public auf der Rechtsfolgenseite offen ausgestaltet ist.34 Schließlich unterscheiden sich die Vorbehaltsklausel und die Sonderan­k nüpfung von Eingriffsnormen darin, dass ein ausländischer ordre public für uns grund­sätzlich unbeachtlich ist,35 während nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO unter den dort genannten Voraussetzungen auch ausländische Eingriffsnormen herangezogen werden können (näher unter II.6). Andererseits darf man die Bedeutung der Unterschiede auch nicht überzeichnen.36 Ebenso wie die Berufung auf den ordre public von einem hinreichenden Inlandsbezug abhängt,37 setzt auch die Anwendung einer Vorschrift als Eingriffsnorm voraus, dass eine gewisse Nähe des Sachverhalts zum Erlassstaat besteht.38 Ferner ist zumindest bei der Berücksichtigung aus­ländischer Eingriffsnormen eine Folgenorientierung explizit geboten (Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO), so dass sich auch insoweit der Gegensatz zwischen „unbedingter“ Sonderanknüpfung und „ergebnisabhängiger“ Ordre-public-Kontrolle verwischt (näher unter II.6). Zwar unter­liegen auch ausländische Eingriffsnormen, soweit sie im Inland zu berücksichtigen sind, „selbstverständlich“ wiederum der Kontrolle anhand des inländischen ordre public (Art. 21 Rom I-VO).39 Allerdings bleibt, wenn die in Art. 9 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO vorgeschriebene Folgenabwägung umfassend durchgeführt worden ist, praktisch kaum noch Raum für eine anschließende weitere Ergebniskontrolle.40

32 

Kropholler (Fn. 17) § 3 II 4. v. Bar/Mankowski (Fn. 31) I § 7 Rn. 275; Staudinger/Voltz (2013) Art. 6 EGBGB Rn. 30. 34 Müko/v. Hein Art. 6 EGBGB Rn. 210 ff., m. w. N. 35 Müko/v. Hein Art. 6 EGBGB Rn. 74. 36  Kühne, FS Wegen (2015) 451, 461. 37 Müko/v. Hein Art. 6 EGBGB Rn. 184 ff. 38  Kropholler (Fn. 17) § 52 IX 1. 39 Erman/Hohloch Art. 6 EGBGB Rn. 4; Günther, Die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Rom I- und II-Verordnungen, 2011, 188; Staudinger/Voltz (2013) Art. 6 EGBGB Rn. 39. 40  So bereits MüKo/Sonnenberger, 5. Aufl. 2010, Art. 6 EGBGB Rn. 36; ebenso Günther (Fn. 39) 188; vgl. auch Stau­dinger/Voltz (2013) Art. 6 EGBGB Rn. 39. 33 

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b) Entstehungsgeschichte des Art. 9 Rom I-VO Die Rom I-VO stellt inhaltlich keine vollständige Neuschöpfung dar, sondern beruht in großen Teilen auf dem zuvor zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 6. 1980 (EVÜ).41 Noch in Art. 34 EGBGB a. F., der auf Art. 7 Abs. 2 EVÜ beruhte, war allein die Sonderanknüpfung inländischer Eingriffsnormen geregelt. Art. 7 Abs. 1 EVÜ ermöglichte darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen, fremdem Eingriffsrecht Wirkung zu verleihen.42 Diese Norm lautete: „Bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates aufgrund dieses Übereinkommens kann den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Be­stimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden.“ Jedoch hatte die Bundesrepublik Deutschland – ebenso wie das Vereinigte Königreich, Irland, Lettland, Luxemburg, Portugal und Slowenien43 – gegen diese Vorschrift einen Vorbehalt nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EVÜ eingelegt, weil man Bedenken im Hinblick auf die Rechtssicherheit hegte.44 Der Bundesrat machte im Gesetzgebungsverfahren mit Erfolg geltend, dass die Bestimmung „eine nicht vertretbare Rechtsunsicherheit zur Folge [hätte], weil die Parteien die von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe abhängige und im freien Ermessen des Richters stehende Anwendung von zwingenden Vorschriften eines anderen Staates nicht voraussehen können.“45 Insoweit wurden sogar potenziell verfassungs­rechtliche Einwände erhoben.46 Ferner wurde befürchtet, die Vorschrift würde „zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der Gerichte führen, weil sie jeweils ermitteln müßten, welche Vorschriften einer möglicherweise anzuwendenden Rechtsordnung zwingenden Charakter haben“.47 Schließlich 41  BGBl 1986 II 810; zur Entstehungsgeschichte des EVÜ näher Giuliano/Lagarde BT-Drs. 10/503, S. 36 ff.; ausführliche Darstellung auch bei Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl. 1996, Vor Art. 27 EGBGB Rn. 1 ff. 42  Zum Einfluss der Alnati-Entscheidung des Hoge Raad (13. 5. 1966, Ned. Jur. 1967 Nr. 3, S. 16) auf Art. 7 Abs. 1 EVÜ Schultsz RabelZ 47 (1983) 267, 273 ff. 43 Nachweise bei Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 14. Aufl. 2009, S. 149 Fn. 12. 44 S. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 10/504, S. 100. 45  Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 10/504, S. 100. 46  Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 10/504, S. 100. 47  Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 10/504, S. 100.

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wurde in Art. 7 Abs. 1 EVÜ eine unzulässige Durchbrechung des Grundsatzes gesehen, dass ein ausländischer ordre public grundsätzlich unbeachtlich sei.48 Aus dem von der Bundesrepublik eingelegten Vorbehalt wurde zwar überwiegend keine Unzulässigkeit der Berücksichtigung ausländischen Eingriffsrechts abgeleitet;49 die deutsche Rechtsprechung bevorzugte jedoch weiterhin die traditionelle Methode der nur indirekten, materiellrechtlichen Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen gegenüber einer kollisions­rechtlichen Sonderanknüpfung (näher unter II.6.b). Nachdem der Vertrag von Amsterdam im Jahre 1997 mit ex-Artt. 61 lit. c, 65 EGV (jetzt Art. 81 AEUV) die Möglichkeit des Erlasses kollisionsrechtlicher EU-Verordnungen geschaf­fen hatte,50 erschien die Form eines Übereinkommens als zunehmend ungeeignet für den seit 1980 erheblich weiter ausgebauten europäischen Rechtsraum.51 Die Kommission wollte im Zuge der Überführung des EVÜ in die Rom I-VO eine klarere Definition des Begriffs der Eingriffsnorm schaffen (Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO-E 2005),52 die sich an der Rechtsprechung des EuGH in der Sache Arblade orientierte.53 Hiermit sollte im Vergleich zum EVÜ eine klarere Abgrenzung der Eingriffsnormen vom lediglich intern zwingenden Recht i. S. der Art. 3 Abs. 3 und 4, Art. 6 Abs. 2 Satz 2, Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO erreicht werden.54 Die Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen der lex fori war unumstritten (Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO-E 2005). Als überholt galt der Kommission aber die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EVÜ einen Vorbehalt gegen die Anwendung ausländischer Eingriffsnormen einzulegen.55 Für diejenigen Staaten, die wie die Bundesrepublik einen solchen Vorbehalt erhoben hatten, stellte die in Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO-E 2005 vorgesehene Nachfolgevorschrift die einschneidendste Neuerung dar, da in Bezug auf eine unmittelbar anwendbare Verordnungsregelung kein nationaler Ausstieg mehr möglich gewesen wäre. Inhaltlich orientierte sich Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO-E 2005 an dem umstrittenen Regelungs­vorbild des Art. 7 Abs. 1 EVÜ.56

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Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 10/504, S. 100. Kegel/Schurig (Fn. 17) 155; Kropholler (Fn. 17) 508 (§ 52 X 3 a); vgl. auch noch ArbG Ulm IPRspr 2009 Nr. 51 (im Erg. gegen eine Berücksichtigung schweizerischer Eingriffsnormen, weil die betreffenden Vorschriften allein dem Schutz der Schweizer Bauwirtschaft dienten). 50  ABl EG 1997 Nr. C 340/1, in Kraft seit 1.5. 1999; zur Entstehungsgeschichte des ex-Art 65 EGV näher Kohler Rev. crit. d.i.p. 1999, 1 ff. 51  Die im Folgenden genannten Schlussbestimmungen des EVÜ wurden in der Rom I-VO ersatzlos gestrichen, vgl Lagarde/Te­nenbaum Rev. crit. d.i.p. 2008, 727, 730. 52  Vorschlag der Kommission vom 15.12.2005, KOM (2005) 650 endg. = Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 13. Aufl. 2006, Nr. 80. 53  EuGH 23.11.1999 – C-369/96 und C-376/99 (Arblade), Slg. 1999, I-8453 Rn. 30. 54  Erwägungsgrund 37 Satz 2 Rom I-VO. 55  Europäische Kommission, Grünbuch, 14.1.2003, KOM (2002) 654 S 17. 56 Näher Harris, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation – The Law Applicable to 49 

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Die von der Kommission in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH vorgesehene Definition der Eingriffsnormen wurde in der Endfassung der Verordnung (Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO) ebenso beibehalten wie die Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen der lex fori (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO). Nach der in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO enthaltenen Legaldefinition ist eine Eingriffsnorm „eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen“. Freilich bedarf auch diese Formel der Konkretisierung im Einzelfall (näher unten II.2–5) Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO bekräftigt, dass die Wahl des anwendbaren Rechts ebenso wie die Bestimmung des anwendbaren Recht durch objektive Anknüpfungen die Anwendung inter­national zwingender Vorschriften des Forums unberührt lässt.57 Die Sonderanknüpfung ausländischen Eingriffsrechts wurde hingegen – nicht allein, aber insbesondere aufgrund britischen Drucks58 – auf die international zwingenden Normen des Erfüllungsortes beschränkt (Art. 9 Abs. 3 Rom  I-VO). Hiermit wurde die herkömmliche englische Position zu dieser Frage59 auf die europäische Ebene übertragen.60 Die Vorschrift lautet: „Den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflich­tungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, kann Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen. Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nicht­anwendung ergeben würden.“ Sowohl die einzelnen Tatbestandsmerkmale als auch die jeweiligen Rechtsfolgen dieser Norm sind heftig umstritten; dies betrifft insbesondere die Frage, Contractual Obligations in Europe (2009) 269, 272 f.; Thorn, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007) 129, 144 ff. 57 Eingehend Hauser, Eingriffsnormen in der Rom I-VO, 2012, 43 ff. 58  Näher zur Entstehungsgeschichte Harris (Fn. 56) 274 ff.; McParland, The Rome I-Regulation on the Law Applicable to Contractual Obligations (2015) Rn. 15.57 ff.; Rauscher/ Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 2; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.7 ff. 59  Ralli Bros v. Compañia Naviera Sota y Aznar [1920] 2 K.B. 287 (CA) = (1919) 1 Ll. L. Rep. 505 (C.A.); näher Cheshire/North/Fawcett, Private International Law, 15. Aufl. 2017, S. 751 ff.; Kuckein, Die „Berücksichtigung“ von Eingriffs­normen im deutschen und englischen internationalen Vertragsrecht, 2008, 5 ff.; McParland (Fn. 58) Rn. 15.107 Schacherreiter ZEuP 2015, 497 ff.; Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, 4. Aufl. 2015, Rn. 12–035. 60  Francq Clunet 2009, 41, 56; Lando/Nielsen CML Rev. 45 (2008) 1687, 1721; Mankowski IHR 2008, 133, 148 f.; Martiny ZEuP 2008, 79, 107.

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wann die Erfüllung eines Vertrages „unrechtmäßig“ i. S. dieser Vorschrift wird (s.u. II.2), wie der Erfüllungsort zu bestimmen ist (s.u. II.6.b) und wo die „Wirkungsverleihung“ auf dem Spektrum zwischen der Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen einerseits und deren bloß materiellrecht­licher Berücksichtigung andererseits zu verorten ist (s.u. II.6.b). Von der Beantwortung dieser Fragen hängt entscheidend ab, welchen Spielraum die Rom I-VO für einen Rückgriff auf hergebrachte Methoden zur Beachtung ausländischer Eingriffsnormen lässt (s.u. II.6.c und d).

2. Beispiele für Eingriffsnormen Die Kasuistik der Eingriffsnormen ist sehr umfangreich und kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden; insoweit ist auf die einschlägige Kommentarliteratur zu verweisen.61 Typische Beispiele für wirtschaftsrechtliche Eingriffsnormen i. S. des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO finden sich im Außenwirtschaftsrecht,62 im Kartell- und Vergaberecht63 oder im öffentlich-rechtlich geprägten Kapitalmarktrecht.64 Einen aktuellen Fall des Eingriffs in das Vertrags­statut bildet die EU-Verordnung zur Unterbindung des Handels mit Folterinstrumenten.65 In derartigen Konstellationen liegt es auf der Hand, dass die Parteien zwingende regulatorische Ziele, die der Erlassstaat oder die EU im Allgemeininteresse verfolgen, nicht durch eine abweichende Rechtswahlvereinbarung aushebeln dürfen. Komplizierter stellt sich die Behandlung berufsrechtlicher Vorschriften, insbesondere zwingender Preisregelungen, z. B. im Architekten- oder Arzneimittelrecht, dar.66 Nach ständi­ger deutscher Rechtsprechung „[zählen] Regelungen der Erwerbs- und Berufstätigkeit sowie des Wettbewerbs, nicht dispositive Mieterschutzvorschriften und inländische Preisvorschrif­ten […] zu den typischen zwingenden Regelungen des Art. 34 EGBGB [aF = Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO].“67 61  Ausführlich MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 58 ff.; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 34 ff.; Reithmann/Mar­tiny/Freitag Rn. 5.60 ff. 62 MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 61 ff.; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 35 ff.; W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 876. 63 MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn.72 f.; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 39 ff. 64  Einsele ZEuP 2012, 481 ff.; MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 74 ff.; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 55. 65  Verordnung (EU) 2016/2134 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.11. 2016 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten, ABl. 2016 L 338/1. 66  Zu dieser Fallgruppe ausführlich Ahrens, FS Geimer (2017) 1 ff.; Martiny, FS Heldrich (2005) 907 ff. 67  BGHZ 154, 110, 115; ferner GmS-OGB NJW 2013, 1425, 1426 f.; LG Düsseldorf NJOZ 2008, 4133.

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Zur sog. Mindestsatzfiktion nach § 7 Abs. 5 der deutschen Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI)68 hat der BGH in einem Grundsatzurteil ausgeführt: „Der zwingende Charakter der Mindestsatzfiktion des § 4 Abs. 4 HOAI [a. F. = § 7 Abs. 5 n. F.], deren internationaler Geltungsanspruch in der HOAI nicht geregelt ist, ergibt sich aus den mit dieser Regelung verfolgten ordnungspolitischen Zielen. Die Mindestsatzregelung soll zur Begrenzung des Mietanstiegs beitragen und einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Architekten und Ingenieuren ausschalten. Die Mindestsatzregelung dient damit nicht dem Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien, sondern sie dient als Regelung der Berufstätigkeit der Architekten und Ingenieure sowie als Regelung des Mieterschutzes dem öffentlichen Interesse.“69 Es ist jedoch fraglich, ob an dieser Rechtspraxis weiter festgehalten werden kann, denn nach Auffassung der EU-Kommission verstößt die zwingende Preisregelung durch die HOAI gegen die Dienstleistungsrichtlinie70 und die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV.71 Verbindliche Mindestpreise sind nach Ansicht der Kommission zur Sicherung der Qualität der Dienste in- und ausländischer Anbieter nicht nur unnötig, sondern verhindern überdies, dass die Verbraucher die reglementierten Leistungen zu günstigeren Preisen in Anspruch nehmen können.72 Die Kommission hat deshalb eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim EuGH eingereicht.73 Hierbei handelt es sich um einen Baustein der Binnenmarkt­strategie der Kommission zur weiteren Liberalisierung der freien Berufe.74 Die Klageschrift wurde am 28. 6. 2017 dem Bundeswirtschaftsministerium zugestellt; eine Entscheidung des Gerichtshofs steht noch aus. Soweit es um ausländische Preisregelungen geht, stellt sich das zusätzliche Problem, ob derartige Vorschriften die Erfüllung des Vertrages iS des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO „unrecht­mäßig werden lassen“.75 Dies kann man zweifelsohne bejahen, wenn der Verstoß gegen eine Preisregelung zur Nichtigkeit des Vertra68 

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 10.7.2013 (BGBl. I S. 2276). BGHZ 154, 110, 115; a. A. Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.72. 70  Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. 2006 L 376/36. 71  Pressemitteilung der Kommission v. 18.6.2015 – IP/15/5199. 72  Pressemitteilung der Kommission v. 18.6.2015 – IP/15/5199; kritisch bereits Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.71 f. 73  Siehe die anhängige Klage der Europäischen Kommission gegen Deutschland vor dem EuGH, Rs. C-377/17, ABl. 2017 C 269/13. 74  Hierzu näher der Vortrag des Präsidenten des BVerwG, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Rennert, Freie Berufe auf dem Prüfstand, auf dem Saarbrücker Rechtsforum am 7. 3. 2017, abrufbar unter https://www.bverwg.de/user/data/media/rede_20170307.pdf. 75  Eingehend hierzu BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 125 ff., mwN zum Streitstand. 69 

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ges führt.76 Weniger klar ist die Rechtslage, wenn der Vertrag unter Anpassung an die gesetzliche Mindestpreisvorgabe aufrechterhalten bleibt oder das ausländische Recht einen Vergütungsanspruch erst begründet.77 Auch insoweit sollte nach dem Normzweck des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO aber eine Sonderanknüpfung bejaht werden, da der Vertrag auch in einem solchen Fall nicht rechtmäßig zu dem von den Parteien verein­barten Preis durchgeführt werden kann.78 Sofern es sich um das Recht eines anderen Mitglied­staates handelt, bleibt freilich der Vorrang der Dienstleistungsrichtlinie bzw. des Art. 49 AEUV zu beachten.

3. Abgrenzung der Eingriffsnormen vom Sonderprivatrecht a) Öffentliche und private Zwecke Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO bezeichnet es als charakteristische Eigenschaft einer Eingriffsnorm, dass ihre Einhaltung von einem Staat als „entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, ange­sehen wird“79 Es reicht also nicht aus, dass eine Norm allein privaten Interessen dient.80 Zu weit dürfte es aber gehen, Eingriffsnormen schlechthin außerhalb des (international)privat­rechtlichen Bereichs anzusiedeln, weil sie ausschließlich staatliche Interessen verfolgten;81 demgegenüber ist heute die Ansicht herrschend, dass unter besonderen Voraussetzungen auch privatrechtliche Normen Eingriffscharakter haben können.82 Die Abgrenzung der Eingriffs­normen vom sog. Sonderprivatrecht zum Schutze schwächerer Parteien, insbesondere von Verbrauchern und Arbeitnehmern, 76 Calliess/Renner

Art. 9 Rom I-VO Rn. 30; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.118. bis ablehnend ggü. der Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO in solchen Konstellationen z. B. jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 32; MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 119; vgl. auch zu einer Höchtspreisregelung Wilderspin, Overriding Mandatory Provisions, in: Basedow/Rühl/Ferrari/de Miguel Asensio (Hrsg.), Encyclopedia of Private International Law (2017) 1330, 1334: „[I]f an action for recovery of fees is brought by the architect before the courts of country A, whether effect may be given to the law of country B, which sets a ceiling on architects’ fees, will depend on whether payment of the portion of the fee exceeding the statutory ceiling is unlawful or merely unenforceable“; ebenso wohl Hartley, FS Kohler (2018) 171, 172. 78 BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 128; Calliess/Renner Art. 9 Rom I-VO Rn. 30; Hauser (Fn. 57) 77 f.; NomosKomm/Doehner Art. 9 Rom I-VO Rn. 45; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.118; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 67; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 344 f.; W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 876; Schacherreiter ZEuP 2015, 497, 511; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 112. 79  Hvhb. hinzugefügt. 80 Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.22; Sonnenberger, in: Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung? (2013) 429, 434. 81  So aber noch v. Bar/Mankowski IPR I § 7 Rn. 275. 82  Hauser (Fn. 57) 9 ff.; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.22; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 356; Wilderspin (Fn. 77) 1333. 77 Zweifelnd

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wirft jedoch erhebliche Probleme auf.83 Die zentrale Aufgabe eines Gerichts besteht insoweit darin, eindeutig zwischen lediglich intern zwingenden Normen einerseits, die nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 oder Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO anzuknüpfen sind, und international zwingenden Normen iS des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO andererseits zu unterscheiden.84 Erstere sind Teil eines rechtswahlfest verstärkten, aber allseitig angeknüpften objektiven Vertragsstatuts, während letztere gerade unabhängig nicht nur von einer Rechtswahl, sondern auch vom objektiven Vertragsstatut kraft einseitiger An­knüpfung Anwendung finden.85 Für eine überschneidungsfreie Abgrenzung spricht insbeson­dere Erwägungsgrund 37 Satz 2 Rom I-VO, dem zufolge „der Begriff ‚Eingriffsnormen‘ […] von dem Begriff ‚Bestimmungen, von denen nicht durch Vereinbarungen abgewichen werden kann‘, unterschieden und enger ausgelegt werden [sollte]“. Es kann indes im Einzelfall schwierig sein, genau zu bestimmen, ob zwingende Regeln vorwiegend dem Schutz des Verbrauchers oder Arbeitnehmers als der schwächeren Vertragspartei dienen oder ob sie über diesen Zweck hinausgehend vorrangig die politische, soziale oder wirtschaftliche Organi­sation eines Landes schützen.86 Anhaltspunkte, die auf eine Eingriffsnorm schließen lassen, sind z. B. die Beaufsichtigung des Unternehmers durch Behörden (insbesondere bei Genehmi­ gungsvorbehalten) und die bei einem Zuwiderhandeln drohende Verhängung öffentlich- oder strafrechtlicher Sanktionen.87 Der unionsrechtliche Ursprung allein reicht hingegen nicht aus, um einer arbeits- oder verbraucherschutzrechtlichen Norm einen Eingriffscharakter zuzuer­kennen;88 dies ergibt sich aus ei-

83  Für eine umfassende Bestandsaufnahme des in den Mitgliedstaaten geltenden „einfach“ zwingenden Rechts siehe Behar-Touchais/Martial-Braz/Sauphanor-Brouillaud, Study on all mandatory rules applicable to contractual obligations in contracts for sales of tangible goods sold at a distance and, in particular online (JUST/2015/RCON/PR/CIVI/0066), Juni 2016, abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/14_september_final_report_study_ on_all_national_mandatory_rules.pdf. 84 Deutlich Mankowski, in: Ferrari/Leible (Hrsg), Rome I Regulation – The Law Applicable to Contractual Obligations in Europe (2009) 171, 205 f.; in diesem Sinne wohl auch zu Art. 30 EGBGB a. F. BAG NZA 2008, 761, 767 = IPRspr. 2007 Nr. 50 S. 178; Überschneidungen zwischen Art. 8 Abs. 1 S. 2 und Art. 9 halten dagegen für denkbar z. B. Rauscher, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 2017, Rn. 1292; Reithmann/Martiny/Martiny Rn. 6.2936; für Einstufung des Art. 8 Rom I-VO als lex specialis BeckOK/Spickhoff (1.11.2017) Art. 8 Rom I-VO Rn. 15; Erman/Hohloch Art. 8 Rom I-VO Rn. 13. 85 Vgl. van Eeckhoutte Bull. Comp. Lab. Rel. 58 (2006) 167, 174 f. 86 Vgl. W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 867 f.; umfassend Carsten Müller, International zwingende Normen des deutschen Arbeitsrechts (2005); Taschner, Arbeitsvertragsstatut und zwingende Bestimmungen nach dem Europäischen Schuldvertragsüberein­kommen (2003). 87  BAG NZA 2008, 761, 768 = IPRspr. 2007 Nr. 50 S. 179; Junker, Arbeitnehmereinsatz im Ausland – Anzuwendendes Recht und Internationale Zuständigkeit, ZAAR-Beiträge zum Arbeitsrecht 2 (2007) Rn. 46; Mankowski, in: Ferrari/Leible (Hrsg), Rome I Regulation – The Law Applicable to Contractual Obligations in Europe (2009) 171, 206 f. 88  Im Erg auch LAG Frankfurt/Main 24.11. 2008 – 17 Sa 682/07 (juris) Rn. 84.

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nem Umkehrschluss zu Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO und Art. 46b EGBGB i. V. m. Art. 23 Rom I-VO. b) Verbraucherschutz Im Rahmen des Verbraucherschutzes sind z. B. grundsätzlich weder das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§§ 312b, 312g Abs. 1 Var. 1, 355 BGB)89 noch die Gewährleistungen des Verbraucherkreditrechts (§§ 491 ff. BGB)90 als inter­national zwingend einzustufen, da andernfalls der spezielle und differenziertere Schutzmecha­nismus in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO umgangen würde.91 Nur soweit Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO bestimmte Vertragstypen vom sachlichen Anwendungsbereich der speziell ver­ braucherschützenden Kollisionsnorm ausnimmt, lässt sich an eine Heranziehung des Art. 9 Rom I-VO denken.92 Hingegen ist die Haftung für Gewinnzusagen nach § 661a BGB wegen ihrer den Wettbewerb regelnden, lauterkeitsrechtlichen und sozialpolitischen Zielsetzung vom BGH als eingriffsrechtlich qualifiziert worden.93 Insoweit wäre es ungeachtet konstruktiv-dogmatischer Bedenken wohl letztlich stimmiger und auch praxisgerechter gewesen, solche Ansprüche konsequent als wettbewerbsregelnd, also lauterkeitsrechtlich i. S. des heutigen Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO, zu qualifizieren.94 Auf diese Weise würde man unmittelbar zur Anwendung des Rechts des Staates gelangen, in dem die Interessen der Verbraucher beein­trächtigt worden sind, und ersparte sich den Umweg über die Einstufung des § 661a BGB als Eingriffsnorm. Eine Rechtswahl zulasten des Verbrauchers wäre dann durch Art. 6 Abs. 4 Rom II-VO ausgeschlossen, und ein gleichlaufender Gerichtsstand ließe sich am Empfangsort der Gewinnzusage zwanglos aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ableiten. Jedoch hat sich auch der EuGH in Bezug auf die Gerichtsstände der Brüssel Ia-VO wiederholt für eine vertragsrecht­liche Qualifikation der Gewinnzusage ausgesprochen.95 Es 89 

Vgl. bereits BGHZ 123, 380, 390 f.; BGHZ 135, 124, 135. BGHZ 165, 248 = NJW 2006, 762, 1247 Anm. M. Weller = IPRax 2006, 272, 238 Anm. Pfeiffer = RIW 2006, 389, 321 Anm. Mankowski. 91  Für Spezialität der Artt. 29, 30 EGBGB a. F. ggü. Art. 34 EGBGB a. F. bereits BT-Drs. 10/504, S. 83; W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 868. 92  So BGHZ 135, 124, 135; Rauscher/Heiderhoff (2016) Art. 6 Rom I-VO Rn. 18; vgl. auch Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 336 f. 93  BGHZ 165, 172 = NJW 2006, 230 = RIW 2006, 144 = IPRspr. 2005 Nr. 126; kritisch Kühne, FS Wegen (2015) 451, 453 in Fn. 18: „Damit kann man das gesamte Recht des UWG zu einem Eingriffsgesetz machen[.]“ 94 Zu einer deliktischen Qualifikation der isolierten Gewinnzusage tendierend noch BGHZ 153, 82, 92 f. = NJW 2003, 426, 407 Anm. Leible = IPRax 2003, 346, 328 Anm. Piekenbrock/Schulze = IPRspr. 2002 Nr. 157, mwN zum Streitstand; hiergegen erneut mit eingehender Begründung G. Wagner/Potsch, Jura 2006, 406; C. Schäfer, JZ 2005, 983. 95  EuGH 11.7.2002 – C-96/00 (Gabriel), Slg. 2002, I-6367; EuGH 20.1.2005 – C-27/02 (Engler), Slg. 2005, I-481; EuGH 14. 5. 2009 – C-180/06 (Ilsinger), Slg. 2009, I-3961. 90 

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ist daher realistischerweise davon auszugehen, dass der EuGH an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten und diese auch auf das IPR der Verbraucherverträge übertragen wird.96 Da Art. 6 Rom I-VO indes die Beschränkung des Art. 29 EGBGB a. F. auf bestimmte Vertragstypen aufgegeben hat, lassen sich diese Fälle heute regelmäßig bereits über Art. 6 Rom I-VO erfassen, sodass für einen Rückgriff auf Art. 9 Rom I-VO auch bei einer vertraglichen Qualifikation der Gewinnzusage zumeist kein praktischer Bedarf mehr besteht.97 c) Arbeitnehmerschutz Ähnliche Abgrenzungsprobleme stellen sich im Individualarbeitsrecht. Insoweit hat das BAG entschieden, dass deutsche Gesetze, welche die Kündigung eines Arbeitsvertrages betreffen, lediglich intern zwingender Natur sind.98 Ferner sind von der Rechtsprechung die §§ 613a, 615 und 623 BGB sowie § 8 TzBfG nicht als Eingriffsnormen eingestuft worden.99 Außerhalb des Anwendungsbereichs des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG)100 stellen Bestimmun­ gen in für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen grundsätzlich keine Eingriffsnormen iSd Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO dar.101 § 138 BGB ist – ebenso wie im allgemeinen Zivilrecht102 – auch im Arbeitsrecht (z.B. in Bezug auf Lohnwucher) keine Eingriffsnorm.103 Hingegen dienen die deutschen Gesetze zum Schutze schwangerer Arbeitnehmerinnen (§ 3 EFZG, § 14 Abs. 1 MuSchG) einem öffentlichen Interesse und müssen daher – jedenfalls bei hinreichen­dem Inlandsbezug104 – als Eingriffsnormen qualifiziert werden.105 Dies ist ebenfalls für Vorschriften zum Schutze Schwerbehinderter grundsätzlich zu bejahen.106 Fer 96 MüKo/Martiny

Art. 6 Rom I-VO Rn. 20. BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 52.1; Rauscher/Thorn (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 48; Staudinger/Magnus (2016) Art. 6 Rom I-VO Rn. 63; skeptischer MüKo/Martiny Art. 6 Rom I-VO Rn. 20.  98  BAG RIW 1990, 754, 755 = IPRspr. 1989 Nr. 72 S. 151 f. = IPRax 1991, 407 mit Anm. Magnus 382; BAG IPRax 1994, 123 mit Anm. Mankowski 88 = IPRspr. 1992 Nr. 69b; BAG RIW 2011, 167 Rn. 31 = IPRspr 2010 Nr. 179a S. 439; BAG RIW 2014, 691 Rn. 38.  99 Zu § 613a BGB BAG IPRax 1994, 123 mit Anm. Mankowski 88 = IPRspr. 1992 Nr. 69b; zu § 615 BGB LAG Rheinland-Pfalz IPRspr. 2011 Nr. 58; zu § 623 BGB LAG Frankfurt/Main IPRspr. 2010 Nr. 79; zu § 8 TzBfG BAG NZA 2008, 761 mit Anm. Pietras 1051 = IPRspr. 2007 Nr. 50. 100 Vgl. z.B. zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe LAG Frankfurt/Main ­IPRspr. 2011 Nr. 57. 101  BAG NZA 2003, 1424 = IPRspr. 2003 Nr. 50; zu § 16 BRTV-Bau BAG NZA 2004, 1170 = IPRspr. 2004 Nr. 48; BAG NZA 2005, 627 f. = IPRspr. 2005 Nr. 33 = AP Nr. 2 zu § 1a ­A EntG mit Anm. Franzen. 102  Näher Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 59, mwN. 103 Näher Franzen ZESAR 2011, 101 ff.; ebenso Bayreuther DB 2011, 707. 104  Diesen in Bezug auf § 3 EZFG verneinend LAG Frankfurt/Main IPRspr. 2010 Nr. 80. 105  BAG IPRax 2003, 258 = IPRspr. 2001 Nr. 52. 106  Kropholler (Fn. 17) § 52 IX 3 b.  97 Vgl.

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ner gilt dies grundsätzlich für die Normen zur Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere § 1 AÜG.107 Auch gesetzliche Vorschriften zur Durchsetzung eines Mindestlohnes sind zwar ökonomisch von allenfalls zweifelhaftem Nutzen,108 bei konsequenter juristischer Betrachtung aber als inter­national zwingend einzustufen.109 Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes haben insoweit international zwingenden Charakter, als der gewöhnliche Arbeitsort in Deutschland liegt.110 Schließlich werden die Vorschriften des AGG von der h.L. als Eingriffsnormen einge­ordnet.111

4. Richtlinienrecht als Eingriffsnorm Zweifel wirft auch der kollisionsrechtliche Gehalt der EG-Handelsvertreter-Richtlinie (HV-RL)112 auf. In dem bekannten Ingmar-Fall ging es um einen Vertrag zwischen einem britischen Handelsvertreter und seinem kalifornischen Prinzipal; gewählt worden war das kalifornische Recht, das anders als das britische bzw. EU-Recht keinen unabdingbaren Handelsvertreterausgleichsanspruch vorsieht.113 Der EuGH urteilte, dass die Art. 17–19 HV-RL bezwecken, die Niederlassungsfreiheit und einen unverfälschten Wettbewerb im Binnen­ markt zu schützen.114 Daher sei die Einhaltung dieser Bestimmungen im Gebiet der heutigen EU für die Verwirklichung dieser primärrechtlichen Ziele unerlässlich.115 Infolgedessen sei es „von grundlegender Bedeutung, dass ein Unternehmer mit Sitz in einem Drittland, dessen Handelsvertreter seine Tätigkeit 107  OGH JBl 2009, 790 (jedoch sei der territoriale Anwendungsbereich des § 1b S 1 AÜG das Baugewerbe betreffend auf die Überlassung innerhalb und zur Bundesrepublik beschränkt; differenzierend zwischen § 10 Abs. 1 AÜG (Eingriffsnorm bejaht) und § 9 Nr. 1 AÜG (Eingriffsnorm verneint) LAG Frankfurt/Main IPRspr. 2011 Nr. 64. 108 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Mehr Vertrauen in Marktprozesse, Jahres­g utachten 2014/15, Rn. 529. 109  Bayreuther DB 2011, 707, 710; Eichenhofer EuZA 2012, 140, 144; ebenso bereits die st. Rspr. in Frankreich, näher Callsen EuZA 2012, 158, mwN; zum dänischen Recht vgl. BAGE 137, 375 = NZA 2011, 1137 = IPRspr. 2011 Nr. 59. 110 Näher Wiebauer EuZA 2012, 486 f. 111  Deinert JArbR 2013, 77, 89; Erfurter Kommentar/Schlachter, 18. Aufl. 2018, Artt. 3, 8, 9 Rom I-VO Rn. 21; Kocher, FS Martiny (2014) 411, 414 ff.; Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz (2010) 216 ff.; Mansel, FS Canaris (2007) 809, 828 ff.; kritisch aber BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 227; Rauscher/v. Hein Art. 8 Rom I-VO Rn. 38. 112  RL 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl. 1986 L 382, 17. 113 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Techno­ logies), Slg. 2000, I-9305. 114 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Techno­ logies), Slg. 2000, I-9305 Rn. 24. 115 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Techno­ logies), Slg. 2000, I-9305 Rn. 24.

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innerhalb der Gemeinschaft ausübt, diese Bestimmungen nicht schlicht durch eine Rechtswahlklausel umgehen kann. Der Zweck dieser Bestimmungen erfordert nämlich, dass sie unabhängig davon, welchem Recht der Vertrag nach dem Willen der Parteien unterliegen soll, anwendbar sind, wenn der Sachverhalt einen starken Gemein­schaftsbezug aufweist, etwa weil der Handelsvertreter seine Tätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt“.116 Im Ergebnis hatte der EuGH damit den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters zu einer Eingriffsnorm i. S. des Art. 34 EGBGB a. F. (Art. 7 Abs. 2 EVÜ) erhoben.117 Dies hat der EuGH seither wiederholt bestätigt.118 Trotz dieser mittlerweile ständigen Rechtsprechung des EuGH muss aber kritisch hinter­fragt werden, ob die Einordnung des Handelsvertreterausgleichs als Eingriffsnorm inhaltlich überzeugt.119 Bei der Abfassung der Rom I-VO ist nämlich durchaus das Problem erkannt worden, dass ein harmonisierter Schutzstandard in Fällen mit Bezügen zu einem oder mehre­ren Mitgliedstaaten durch die Wahl eines drittstaatlichen Rechts umgangen werden könnte.120 Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO errichtet deshalb eine Rechtswahlschranke für rein inner­ unionale Fälle, d. h. Konstellationen, in denen alle Sachverhaltselemente in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen sind, aber die Parteien das Recht eines Drittstaates gewählt haben.121 Die EU wird insoweit kollisionsrechtlich wie ein Staat behandelt.122 Bei dieser Sachlage kommen ungeachtet der Rechtswahl der Parteien die (intern) zwingenden Vorschriften des Unionsrechts zur Anwendung, bei Richtlinien ggf. in der durch die lex fori gewählten Umsetzung. Ein Sachverhalt, wie er der „Ingmar“-Entscheidung123 zugrunde lag, würde jedoch aufgrund der relevanten Verknüpfung zu Kalifornien, dem Sitz des Vertragspartners, nicht unter Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO fallen.124 116 EuGH,

Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Techno­ logies), Slg. 2000, I-9305 Rn. 25. 117  So auch die dogmatische Einordnung durch EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 39 ff. 118  EuGH 16.2.2017 – C-507/15 (Agro Foreign Trade), ECLI:EU:C:2017:129 Rn. 30 ff.; obiter bestätigt auch in einem Inlandsfall (!) durch EuGH, Urt. v. 23.3.2006 – Rs. C-465/04 (Honyvem/De Zotti), Slg. 2006, I-2899, Rn. 23; in einem reinen Binnenmarktfall bei überschießender Umsetzung EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663. 119 Dagegen Joh. Hoffmann EWS 2009, 254 ff.; Köhler (Fn. 25) 158 f.; Sonnenberger, FS Kropholler (2008) 227, 232 f.; Sonnenberger (Fn. 80) 435; dafür aber Kindler, FS v. Hoffmann, 2011, 198, 200 f.; im Ergebnis an der „Ingmar“-Entscheidung festhaltend auch W.-H. Roth, FS Spellenberg (2010) 309 ff., dieser allerdings nicht über Art. 9 Rom I-VO, sondern über Art. 23 Rom I-VO. 120  Lagarde/Tenenbaum Rev. crit. dr. int. pr. 2008, 727, 737; Pfeiffer EuZW 2008, 622, 624. 121  Krit. hierzu Francq Clunet 2009, 41, 54 f. 122  Mankowski IHR 2008, 133, 135. 123 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Techno­ logies), Slg. 2000, I-9305 Rn. 25. 124  Althammer JA 2008, 772, 775; d’Avout D. 2008, 2165, 2166; Bonomi YbPIL 10 (2008), 165, 173; Heiss in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation (2009) 1, 8; Leible/Lehmann

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Allenfalls über die Annahme einer ungeschriebenen Richtlinienkollisionsnorm nach Art. 23 Rom I-VO oder über die Beibehaltung einer Einstufung des Ausgleichsanspruchs als Eingriffsnorm i. S. des Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Rom I-VO könnte der Ausgleichsanspruch auch in solchen Konstellationen durchgesetzt werden. Da die Rom I-VO aber aufgrund der Schaffung des Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO – im Gegensatz zum EVÜ – keine Regelungslücke mehr in Bezug auf den Schutz intern zwingenden Richtlinienrechts gegenüber der Wahl eines Drittstaatenrechts aufweist, sollte aus der EG-Handelsvertreter-Richtlinie keine ungeschriebe­ne einseitige Kollisionsnorm abgeleitet werden, die nach Art. 23 Rom I-VO den Vorrang vor der Verordnung hätte.125 Vielmehr sollte Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO im Interesse der Rechts­sicherheit als eine abschließende Regelung für lediglich intern zwingendes Unionsrecht angesehen werden. Es bleibt folglich allein ein Rückgriff auf Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO als Ausweg, der aber voraussetzt, dass es sich bei dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters tatsächlich um eine Eingriffsnorm i. S. des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO handelt.126 Dass Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO allein auf das Interesse des jeweiligen Erlassstaates abstellt und die EU unerwähnt lässt, steht einer Einbeziehung des Richtlinienrechts nicht entgegen, da auch dieses erst im Falle einer Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat Wirkungen unter Privaten entfaltet.127 Ob der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters aber im Lichte der in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO gegebenen engen Definition unverändert als eine Eingriffsnorm angesehen werden kann, ist – entgegen der ständigen Rechtsprechung des EuGH – zu bezweifeln.128 Denn der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters dient in erster Linie der Behebung einer Ungleich­gewichtslage im Privatrechtsverkehr und keinem öffentlichen Interesse.129 Zwar lässt sich dem Anspruch RIW 2008, 528, 534; wohl auch Mankowski IHR 2008, 133, 136: Handelsvertreterrecht sei nur „internrechtlich zwingend“; krit. zu der Regelung daher Garcimartín Alférez EuLF 2008, I-61, I-65. 125  Dafür aber eingehend W.-H. Roth, FS Spellenberg 2010, 309 ff.; ebenso Mankowski EuZ 2009, 2, 15 f.; wohl auch Garcimartín Alférez EuLF 2008, I-61, I-65; vgl. auch Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.47; für letztlich unerheblich hält die Frage offenbar Szpunar, FS Kohler (2018) 503, 511. 126  Althammer JA 2008, 772, 775; Bonomi YbPIL 10 (2008), 165, 173; Garcimartín Alférez EuLF 2008, I-61, I-65; Junker, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2017, § 15 Rn. 64; Leible/ Lehmann RIW 2008, 528, 534. 127 Näher Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 338; ebenso MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 28 ff.; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 34; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 39; a. A. W.-H. Roth, FS E. Lorenz (2014) 421, 436. 128 Ablehnend Köhler (Fn. 25) 158 f.; Sonnenberger (Fn. 80) 435; zweifelnd auch Heiss, in: Ferrari/Leible Rome I Regulation, 2009, 1, 8; Kühne, FS Wegen, 2015, 451, 460 f.; auch Wilderspin (Fn. 77) räumt ein, die HV-RL „on the face of it, appeared to confer only the status of non-derogable rules“; methodisch fragwürdig Hauser (Fn. 57) 11, der Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO schlicht im Lichte der älteren Ingmar-Rechtsprechung auslegt. 129  Vgl. noch BGH NJW 1961, 1061 (§ 89b HGB sei kein Bestandteil des deutschen ordre public).

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eine gewisse Reflexwirkung im Hinblick auf den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht absprechen;130 ob dieser seinerzeit vom EuGH stark in den Vordergrund gestellte Gedanke aber die Qualifikation der Vorschrift überwiegend prägt, ist fraglich,131 denn wollte man schlechthin jeder Abbedingung einer intern zwingenden Richtlinienvorschrift einen wettbewerbsverfälschenden Charakter attestieren und allein deshalb Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO anwenden, hätte Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO keinen eigenen Anwendungsbereich mehr. Es erscheint zudem kaum normativ konsistent, den Handelsvertreter, der unternehmerisch in aller Regel weitaus erfahrener ist als z. B. ein Verbraucher oder Arbeitnehmer und dem deshalb die Rom I-VO keinen besonderen kollisionsrechtlichen Schutz angedeihen lässt, stärker vor der Abwahl eines mitgliedstaatlichen Rechts zu schützen als diese typischerweise schwächeren Parteien. Zumindest hat der EuGH in einem belgisch-türkischen Fall klargestellt, dass der Ausgleichsanspruch abdingbar ist, wenn der Handelsvertreter in einem Drittstaat ansässig ist und seine Tätigkeit außerhalb der EU bzw. des EWR ausübt.132 Dies begründete der EuGH maßgeblich mit der Erwägung, dass es „[f]ür die Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedin­g ungen für Handelsvertreter innerhalb der Union […] nicht erforderlich [ist], den Handels­vertretern, die außerhalb der Union ansässig sind und dort ihre Tätigkeiten ausüben, einen Schutz zu gewähren, der dem derjenigen Vertreter vergleichbar ist, die innerhalb der Union ansässig sind und/oder dort ihre Tätigkeiten ausüben“.133 Hieran wird deutlich, dass der entscheidende Faktor für die Einstufung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters in der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt und nicht im Individualschutz des Betroffenen liegt. Von dieser Prämisse weicht die höchstrichterliche Rechtsprechung aber wiederum ab, wenn es um die „überschießende“ Umsetzung der HV-RL geht; dies soll im Folgenden analysiert werden.

5. Sonderanknüpfung nationaler Eingriffsnormen über die EU-Harmonisierung hinaus Außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der HV-RL wird die Frage aufgeworfen, ob ein Mitgliedstaat auch solche „überschießenden“ Vorschriften des nationalen Rechts als Ein­griffsnormen einstufen kann bzw. muss, die sich lediglich am Vorbild der HV-RL orientieren, wie dies etwa im deutschen Vertragshändlerrecht der Fall ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Mit130  Vgl. EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Technologies), Slg. 2000, I-9305 Rn. 24. 131  Ablehnend auch Köhler (Fn. 25) 158 f. 132  EuGH 16.2.2017 – C-507/15 (Agro Foreign Trade), ECLI:EU:C:2017:129 = LMK 2017, 388796 Anm. Pfeiffer; hierzu auch Szpunar, FS Kohler (2018) 503, 510. 133  EuGH 16.2.2017 – C-507/15 (Agro Foreign Trade), ECLI:EU:C:2017:129 Rn. 34.

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gliedstaaten in dem bereits von der EU mindestharmonisierten Bereich nationale Eingriffsnormen erlassen dürfen, die über das von der HV-RL gewährte Schutzniveau hinaus­gehen. Der BGH hatte in einer Entscheidung zum Ausgleichsanspruch eines von der HV-RL nicht unmittelbar erfassten Vertragshändlers eine Vorlage an den EuGH abgelehnt, weil „die Frage, ob und in welchem Umfang Vorschriften des deutschen Handelsvertreterrechts auf Vertrags­händler entsprechend anzuwenden sind, wenn deutsches Recht als Vertragsstatut eines Vertragshändlervertrags berufen ist, […] mangels Vereinheitlichung des Vertragshändler­rechts unionsrechtlich nicht präformiert, sondern vom deutschen Recht autonom zu beant­worten“ sei.134 Im Ergebnis hat der BGH dennoch die Ingmar-Judikatur zum Ausgleichs­anspruch des Handelsvertreters auch auf den von der HV-RL nicht unmittelbar erfassten Vertragshändler übertragen.135 Der BGH begründete dies damit, dass, „wenn deutsches Recht als Vertragsstatut eines Vertragshändlervertrags berufen ist, […] – unbeschadet der fehlenden Harmonisierung des Vertragshändlerrechts auf europäischer Ebene – kein durchgreifender Grund erkennbar [sei], den Vertragshändler, der seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auszuüben hat, bezüglich der Unabdingbarkeit des zukünftigen Ausgleichsanspruchs (§ 89b Abs. 4 HGB entsprechend) anders zu behandeln als den Vertragshändler, der seine Tätigkeit für den Hersteller oder Lieferanten nach dem Vertrag im Inland auszuüben hat“.136 Diese Argumentation des BGH leidet jedoch an einem logischen Bruch: Da der EuGH die international zwingende Wirkung des Handelsvertreterausgleichs entscheidend auf den Gedanken gestützt hatte, dass mit der HV-RL gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU geschaffen werden sollten (s. o. II.4), lässt sich nicht ohne weiteres von einer Einstufung des Ausgleichsanspruchs als Eingriffsnorm in einem Bereich ausgehen, der von der europäischen Rechtsharmonisierung bislang gar nicht tangiert wird.137 Zieht man nämlich den Aspekt der Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung ab, verbleibt als Normzweck allein der dem Vertragshändler als schwächerer Partei zuerkannte individuelle Schutz– dieser ist aber ein klassisches Merkmal des oben (II.3) behandelten Sonderprivatrechts und reicht für die Einstufung einer Vorschrift als

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BGH NJW 2016, 1885 Rn. 34. NJW 2016, 1885, 1855 Anm. Kindler; ebenso OGH ZVertriebsR 2017, 397 mit Anm. Moritz. 136  BGH NJW 2016, 1885 Rn. 33. 137  Kritisch bereits Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29, 34; Semler, FS Wegen (2015) 742, 747. 135  BGH

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Eingriffsnorm gerade nicht aus.138 Jedoch folgte der BGH insoweit lediglich dem Vorbild des EuGH in der Rechtssache Unamar.139 Die Frage, ob Mitgliedstaaten in einem bereits von der EU mindestharmonisierten Bereich nationale Eingriffsnormen erlassen dürfen, die das von einer EU-Richtlinie wie der HV-RL gewährte Schutzniveau überschreiten, wurde dem EuGH in der Rechtssache Unamar (noch zu Art. 7 Abs. 2 EVÜ) vorgelegt.140 Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die bulgarische Gesellschaft NMB hatte den mit der belgischen Handelsvertreterin Unamar NV (U) bestehenden Vertrag gekündigt. Für den Vertrag war bulgarisches Recht gewählt worden. U berief sich trotz dieser Rechtswahlklausel auf § 27 des belg. Gesetzes über den Handels­vertretervertrag: „Vorbehaltlich der Anwendung internationaler Vereinbarungen, bei denen Belgien Partei ist, unterliegt jede Tätigkeit eines Handelsvertreters mit Hauptniederlassung in Belgien dem belgischen Gesetz und gehört zum Zuständigkeitsbereich der belgischen Gerichte.“ Auch hier stellte sich die Frage nach dem Umgang mit einer überschießenden Umsetzung der HV-RL, da diese Richtlinie Seeverkehrsdienste nicht unmittelbar erfasst. Der EuGH entschied, dass die Vorlagebefugnis des nationalen Gerichts auch insoweit bestehe, als die HV-RL infolge einer „überschießenden“ Umsetzung auf Seeverkehrsdienste erstreckt worden sei.141 Dies ist zutreffend, wenn man annimmt, dass die belgische Rechtsprechung – anders als im Ausgangspunkt der BGH in Bezug auf den Vertragshändlervertrag142 – die Auslegung der HV-RL durch den EuGH mit unbedingter Bindungswirkung auch auf den „überschießenden“ Bereich erstrecken wird.143 Es droht jedoch eine Gefahr der Verzerrung des Wettbewerbs im Binnenmarkt, wenn die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber ungeachtet der Harmonisierung durch die HV-RL schärfere Anforderungen in Gestalt nationalen Eingriffsrechts schaffen dürfen. Zwar hält der EuGH eine Einstufung nationalen Rechts als Eingriffsnorm auch im Bereich harmonisierten Rechts für grundsätzlich zulässig, verlangt aber eine eingehende Abwägung und substantiierte Begründung durch das nationale Gericht.144 Hierbei sind zu berücksichtigen: 138  Vgl. zur Problematik der überschießenden Umsetzung Kühne, FS Wegen (2015) 451, 458; Renner (Fn. 25) 367; W.-H. Roth, FS E. Lorenz (2014) 421, 431; Semler, FS Wegen (2015) 742, 747. 139  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663. 140  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 = IPRax 2014, 174 m. Aufsatz Lüttringhaus IPRax 2014, 148 = EuZW 2013, 956 = RIW 2013, 874 = D 2014, 16 (Ls.) m. Anm. d’Avout D 2014, 60; kritisch hierzu Gräfe/Giesa ZVertriebsR 2014, 29 ff.; Kühne, FS Wegen 2015, 451, 455 ff.; Renner (Fn. 25) 367; W.-H. Roth, FS E. Lorenz (2014) 421 ff.; Rühl CML Rev. 2016, 209, 223 f. 141  EuGH 17.10.2013 – C-184/12, ECLI: EU:C:2013:663 – Unamar Rn.30 f.; kritisch W.H. Roth, FS E. Lorenz (2014) 421, 430. 142  BGH NJW 2016, 1885 Rn. 34 (eine Vorlagepflicht verneinend). 143  Zur Problematik bereits Kropholler/v. Hein, FS Großfeld (1998) 615 ff. 144  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 45 ff.

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die Kriterien aus der Arblade-Entscheidung145 bzw. Art. 9 Rom I-VO,146 der Grundsatz der Parteiautonomie,147 Wortlaut, Systematik und sämtliche Umstände des Falles,148 insbesondere, ob eine überschießende Umsetzung der HV-RL über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus erfolgt sei149 und ob Bezüge des Sachverhalts zu Drittstaaten oder nur zu Mitgliedstaaten bestünden.150 Dieser Rückzug des EuGH auf prozedurale Begründungsanforderungen, eine „bloße methodische Auslegungsanleitung“ für die nationalen Gerichte,151 ist unbefriedigend. Der zentralen inhaltlichen Frage, ob der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach nationalem, „überschießendem“ Recht die materiellen Kriterien des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO erfüllt, weicht der Gerichtshof letztlich aus.152 Zwar hält es auch der EuGH für relevant, ob der Sachverhalt in den unmittelbaren Anwendungsbereich der HV-RL oder in den Bereich der überschießenden Umsetzung fällt;153 es bleibt aber ein Mysterium, inwiefern eine Abbe­dingung nationalen Rechts, das die Anforderungen der HV-RL übersteigt oder auf einen von der RL nicht erfassten Bereich ausdehnt, zu einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt führen soll, auf die der Gerichtshof in den Entscheidungen Ingmar 154 und Agro Foreign Trade155 entscheidend abgestellt hat.156 In einer Konstellation wie in Unamar wird im Ergeb­nis allein das Interesse einer bestimmten Berufsgruppe an einem größtmöglichen Individual­schutz, aber gerade kein Allgemeininteresse an der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingun­gen im Binnenmarkt geschützt.157 Allenfalls ein rein nationales Marktordnungsinteresse mag man insoweit noch als Schutzgut anerkennen.158 Das auch vom EuGH betonte Prinzip einer engen Auslegung des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO159 verkommt durch eine solche Nachgiebigkeit gegen-

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EuGH 23.11.1999 – C-369/96 und C-376/99 (Arblade), Slg. 1999, I-8453 Rn. 30. EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 46 ff. 147  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 49. 148  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 50. 149  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 50. 150  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 51. 151 So Kühne, FS Wegen (2015) 451, 459. 152  Mit Recht kritisch Rühl CML Rev. 2016, 209, 223. 153  EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 50. 154 EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd/Eaton Leonard Techno­ logies), Slg. 2000, I-9305 Rn. 24. 155  EuGH 16.2.2017 – C-507/15 (Agro Foreign Trade), ECLI:EU:C:2017:129 Rn. 34. 156 Kritisch zu der Entscheidung deshalb Kühne, FS Wegen (2015) 451, 458; Renner (Fn. 25) 367; W.-H. Roth, FS E. Lorenz (2014) 421, 432; Rühl CML Rev. 2016, 209, 223 f.; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 43. 157 Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 43. 158  In diesem Sinne BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 28.1; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.49. 159 EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 49; EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 44. 146 

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über mitgliedstaatlichem Sonderprivatrecht aber zu einem bloßen Lippenbekenntnis.160 Ob sich der EuGH bei der Entscheidung, ob die Mindestsätze der HOAI gegen EU-Recht verstoßen (s. o. II.2), eine vergleichbare Zurückhaltung bei der Definition eines aus europä­ischer Sicht akzeptablen Allgemeininteresses auferlegen wird, ist abzuwarten.

6. Behandlung ausländischer Eingriffsnormen a) Schuldstatut Es bleibt die bei der Schaffung des EVÜ und der Rom I-VO heftig umstrittene Frage, wie mit ausländischen Eingriffsnormen umzugehen ist (s. o. II.1.b). Vielfach wird vertreten, dass die Parteien mit der Wahl eines bestimmten Rechts zugleich deren Eingriffsnormen mitvereinbart hätten.161 Diese sog. Schuldstatutstheorie stößt jedoch auf erhebliche theoretische und praktische Einwände.162 Da sich Eingriffsnormen gerade dadurch auszeichnen, dass sie unabhängig vom gewählten Recht zur Anwendung kommen, ist es dogmatisch äußerst frag­w ürdig, ihre Geltung ausgerechnet vom Parteiwillen abhängig zu machen.163 Hinzu kommt, dass Parteien in internationalen Handelssachen nicht selten die Anwendung eines neutralen Rechts als Vertragsstatut vereinbaren.164 Einigen sich z. B. bei einem Unternehmenskauf der deutsche Verkäufer und der französische Käufer auf die Anwendung schweizerischen Rechts, ist zu bezweifeln, ob davon auch Eingriffsnormen etwa des schweizerischen Kartell-, Außen­wirtschaftsoder Steuerrechts erfasst sein sollen,165 wenn die Transaktion selbst überhaupt keine objektiven Bezüge zur Schweiz aufweist.166 Gleichwohl sind die Verfasser des EVÜ ersichtlich von einer sog. Einheitsanknüpfung ausgegangen.167 Die Annahme ist daher naheliegend, dass auch die Rom I-VO weiterhin still160 

Kritisch bereits Rühl CML Rev. 2016, 209, 223. neuerer Zeit namentlich W.-H. Roth IPRax 2018, 177, 181 f.; ferner jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 42; Stau­dinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 133 ff.; vgl. auch zur Schiedsgerichtsbarkeit Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12, 15 f. 162 Vgl. BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 163 ff.; Hauser (Fn. 57) 96 ff., 123 ff.; Junker (Fn. 126) § 15 Rn. 70; Köhler (Fn. 25) 282 f.; Kropholler (Fn. 17) § 52 X 1; MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 37; Rauscher/Thorn (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 78; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.24; Sonnenberger (Fn. 80) 438. 163 BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 166; Junker (Fn. 126) § 15 Rn. 70; Kropholler (Fn. 17) § 52 X 1; Rauscher/Thorn (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 78; im Ausgangspunkt auch Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 341. 164  Köhler (Fn. 25) 282; BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 166. 165  Anders jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 42: Die Parteien hätten regelmäßig die in Aussicht genommene Rechtsordnung „als Ganze im Blick“. 166  Diesen Einwand relativierend W.-H. Roth IPRax 2018, 177, 182, der darauf hinweist, dass es in diesem Fall an der Anwen­dungswilligkeit der Eingriffsnormen fehlen werde. 167  Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 58. 161  In

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schweigend die Schuldstatutstheorie als Grundsatz voraussetzt.168 Allerdings weicht die Formulierung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO von derjenigen des Art. 7 Abs. 1 EVÜ insofern ab, als darin nicht mehr von „zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates“ die Rede ist.169 Zudem hat der EuGH es in der bereits (s. o. II.4) erwähnten Entscheidung in der Sache Agro Foreign Trade nicht für die zwingende Anknüpfung des Ausgleichsanspruchs nach der HV-RL ausreichen lassen, dass der in der Türkei tätige Handelsvertreter mit seinem Prinzipal die Anwendung belgischen Rechts – das überdies zugleich die lex fori (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) bildete – vereinbart hatte.170 Trotz der Rechtswahl fehlt es insoweit an einem hinreichenden Unionsbezug, weil bei einer Tätigkeit des Handelsvertreters in einem Drittstaat keine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt droht.171 Es sprechen daher grundsätzlich die besseren Argumente dafür, auch Eingriffsnormen des Schuldstatuts nur dann anzuwenden, wenn sie den allgemein für Eingriffsnormen festgelegten Anknüpfungskriterien entsprechen. Auf einem anderen Blatt steht, dass die extrem restriktive Fassung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO (dazu sogleich) im Vergleich zur Vorläuferbestimmung des Art. 7 Abs. 1 EVÜ schwerlich zu überzeugenden Lösungen führt.172 b) Drittstaatliche Eingriffsnormen (Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO) Als „drittstaatliche“ Eingriffsnormen werden solche Vorschriften international zwingenden Rechts bezeichnet, die weder zum Vertragsstatut noch zur lex fori zählen.173 Außerhalb der Rom I-VO finden sich spezielle Kollisionsnormen zur Sonderanknüpfung ausländischer Eingriffsnormen namentlich im Internationalen Devisenrecht (Art. VIII Abschn. 2 lit. b Bretton-Woods-Abkommen über den internationalen Währungsfonds von 1944)174 sowie im Recht des Kulturgüterschutzes (KultGüRückG).175 Daneben verbleiben aber erhebliche Lücken in 168  Dafür GA Szpunar, Schlussanträge vom 20.4.2016 in der Rs. C-135/15 – Nikiforidis, ECLI:EU:C:2016:281 Rn. 76. 169 BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 164. 170  EuGH 16.2.2017 – C-507/15 (Agro Foreign Trade), ECLI:EU:C:2017:129 Rn. 34; vgl. auch Szpunar, FS Kohler (2018) 503, 510. 171  EuGH 16.2.2017 – C-507/15 (Agro Foreign Trade), ECLI:EU:C:2017:129 Rn. 33 f. 172  W.-H. Roth IPRax 2018, 177, 182; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 134 f.; dies räumt auch BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 167 ein; vgl. auch den Vorschlag für eine Ergänzung des Art. 9 Rom I-VO durch Hauser (Fn. 57) 150. 173  BGH NJW 2015, 2328 Rn. 53; Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12, 16; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 342; W.-H. Roth IPRax 2018, 177 ff.; vertieft Günther (Fn. 39) 17 f. 174  BGBl. 1952 II S. 637 = Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 18. Aufl. 2016, Nr. 130; eingehend MüKo/Martiny Anh. II Art. 9 Rom I-VO Rn. 8 ff.; Staudinger/Ebke, Anh. zu Art. 9 Rom I-VO Rn. 1 ff. 175  Kulturgüterrückgabegesetz vom 18.5.2007, Art. 1 KGÜAG, BGBl. 2007 I S. 757 = Jayme/Hausmann (Fn. 174) Nr. 115; hierzu eingehend MüKo/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn. 178 ff.

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all denjenigen Fällen, in denen die Beachtung fremder Eingriffsnormen in Rede steht, die nicht zum Recht am Erfüllungsort (Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO) zählen. Die Auslegung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO bereitet erhebliche Probleme. Fraglich ist erstens, wie der Erfüllungsort zu lokalisieren ist. Soll dieser einheitlich für den Vertrag als ganzen bestimmt werden, wie dies die Brüssel Ia-VO für den Erfüllungsortge­richtsstand in Bezug auf Kauf- und Dienstleistungsverträge vorsieht (Art. 7 Nr. 1 lit. b Brüssel Ia-VO), oder für jede Verpflichtung gesondert, wie dies für sonstige Verträge im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO vorgesehen ist?176 Können für eine Verpflich­tung mehrere (Teil-)Erfüllungsorte bestehen?177 Ist der Begriff des Erfüllungsortes ebenso wie in Art. 7 Nr. 1 lit. b Brüssel Ia-VO faktisch-autonom zu verstehen oder als Verweisung auf die lex causae, wie dies nach Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO gilt?178 Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, verengt oder erweitert sich der räumliche Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO erheblich. Während der Normzweck, die Sonderanknüpfung fremder Eingriffsnormen im Interesse der Rechtssicherheit und der einheitlichen Rechtsan­wendung im Binnenmarkt einzuschränken (s. o. II.1.b), grundsätzlich für die autonome Fest­legung nur eines Erfüllungsortes der jeweiligen Verpflichtung spricht,179 kann man die Orien­tierung der Vorschrift an der sog. Machttheorie dafür anführen, jeglichen (Teil-)Erfüllungsort und insbesondere auch bloße Transitländer zu berücksichtigen.180 Ein Beispiel für die Proble­matik bildet eine aktuelle Entscheidung des LG Frankfurt a. M.:181 Ein in Berlin wohnhafter israelischer Staatsangehöriger (S) hatte bei der staatlichen kuwaitischen Fluglinie K Airways (K) einen Flug von Frankfurt nach Bangkok über Kuwait-City gebucht. Der Vertrag enthält keine Rechtswahlklausel. Die K weigert sich, diesen Vertrag zu erfüllen, weil es ihr nach kuwaitischem Recht verboten sei, israelische Staatsan­gehörige zu befördern. Das 176  Für Annahme unterschiedlicher Erfüllungsorte Calliess/Renner Art. 9 Rom I-VO Rn. 29; MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 118; NomosKomm/Doehner Art. 9 Rom I-VO Rn. 47; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 64; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 106 ff.; für einen einheitlichen Erfüllungsort aber jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 29 f. 177 Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 63 f.; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 108. 178  Für autonome Auslegung Calliess/Renner Art. 9 Rom I-VO Rn. 29; Hauser (Fn. 57) 91; MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 117; NomosKomm/Doehner Art. 9 Rom I-VO Rn. 46; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 63; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 343; Staudinger/Magnus (2016) Rn. 100; für Maßgeblichkeit der lex causae aber Harris (Fn. 56) 316. 179 jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 30. 180 BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 157.4; Freitag NJW 2018, 430, 432; Mörsdorf JZ 2018, 156, 158; NomosKomm/Doehner Art. 9 Rom I-VO Rn. 47; Rauscher/ Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 63 f.; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 108. 181  LG Frankfurt a. M. (n.rkr.) JZ 2018, 153 mit. Anm. Mörsdorf; hierzu auch Freitag NJW 2018, 430 ff.

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Angebot einer Gratis-Umbuchung auf eine andere Fluglinie lehnt S ab; er besteht auf einer Beförderung durch die K auf der gebuchten Strecke. Auf den Vertrag ist deutsches Recht anwendbar; zwar hilft dem S nicht der kollisionsrecht­liche Verbraucherschutz nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, weil Beförderungsverträge unter die Bereichsausnahme in Art. 6 Abs. 4 lit. b Rom I-VO fallen. Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO findet aber das Recht am gewöhn­ lichen Aufenthalt des S in Deutschland Anwendung, weil hier auch der Abgangsort liegt. Fraglich ist, ob dessen ungeachtet das kuwaitische Boykottgesetz nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO angewendet werden muss. Im Internationalen Zivilprozessrecht gelten bei Flügen mit Umsteigeverbindung allein der Abflugsort und der letzte Zielflughafen als Erfüllungsorte, nicht aber Transitorte.182 Bei einem Gleichlauf des IPR mit dem IZVR wären als Erfüllungsorte folglich allein Deutschland und Thailand, aber nicht Kuwait einzustufen, sodass die Heranziehung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO schon tatbestand­lich ausscheiden müsste. So scheint es zumindest im Ergebnis auch das LG Frankfurt a. M. zu sehen, das – ohne jegliche Begründung – nicht auf Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO zurückgreift, sondern einen Fall der rechtlichen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB annimmt.183 In der Literatur wird hingegen dafür plädiert, auch bloße Transitorte als Erfüllungsorte i. S. des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO anzusehen, sofern der Transitstaat die tatsächliche Macht hat, die Erfüllung des Vertrages zu verhindern.184 Der vom EuGH betonte Grundsatz, Art. 9 Rom I-VO sei eng auszulegen,185 weckt aber Bedenken gegenüber einer solchen Multiplikation der Erfüllungs­ orte. Es kann einem Transportunternehmen gegebenenfalls durchaus zugemutet werden, eine andere Route zum Bestimmungsort zu wählen, um Hindernisse in einem Transitstaat zu umgehen. Dies muss zumindest im Rahmen der nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Rom I-VO vorgeschriebenen Folgenabwägung berücksichtigt werden (näher unten II.6.d.bb). Zweitens ist fraglich, was genau unter einer „Wirkungsverleihung“ i.S des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Rom I-VO zu verstehen ist: Ist damit nur die Sonderanknüpfung im rechtstechnischen Sinne, d. h. die Anwendung fremder Eingriffsnormen als Rechtsvorschriften, gemeint oder wird auch die bloß materiellrechtliche Berücksichtigung im Rahmen zivilrechtlicher General­klauseln erfasst?186 Von 182 

Vgl. LG Bremen NJW-RR 2015, 1402. LG Frankfurt a. M. (n.rkr.) JZ 2018, 153 f.; ob in dieser Fallgruppe auf § 275 Abs. 1 BGB oder Abs. 2 BGB zurückzugreifen ist, ist str., vgl. Freitag NJW 2018, 430, 433 (für § 275 Abs. 1 BGB); Mörsdorf JZ 2018, 156, 159 (für § 275 Abs. 2 BGB); für Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur gegenüber § 275 Abs. 1 BGB, nicht aber § 275 Abs. 2 BGB Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 81. 184  Speziell zu diesem Fall BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 9 Rom I-VO Rn. 157.4; Freitag NJW 2018, 430, 432; Mörsdorf JZ 2018, 156, 158. 185 EuGH 17.10.2013 – C-184/12 (Unamar), ECLI: EU:C:2013:663 Rn. 49; EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 44. 186  Für Beschränkung auf Sonderanknüpfung Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 345; 183 

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der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob und ggf. in welchem Umfang Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gegenüber dem herkömmlichen materiellrechtlichen Ansatz der deutschen Rechtsprechung eine Sperrwirkung entfaltet. Diesem Problem wird im Folgenden nachgegangen. c) Der materiellrechtliche Ansatz der deutschen Rechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung ist vor Inkrafttreten der Rom I- und II-Verordnungen der Methode gefolgt, fremde Eingriffsnormen im Rahmen zivilrechtlicher Generalklauseln (Sittenwidrigkeit, §§ 138, 826 BGB; Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB) zu berück­sichtigen187 oder als Begründung für eine Unmöglichkeit der Erfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen (§ 275 BGB) heranzuziehen.188 Als Leading Case gilt der Fall „Nigeriani­sche Masken“:189 Die Firma B. & Co. in Nigeria hatte bei der Beklagten (einer Versicherungsgesellschaft in der Bundesrepublik) für einen Seetransport von drei Kisten mit Kunstgegenständen (afrikanische Masken und Figuren) von H. abgehend am 12. 1. 1967 nach Hamburg eine See­transportversicherung entsprechend den Allgemeinen Deutschen Versicherungsbedingungen abgeschlossen. Der Kläger machte aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Entschädigung wegen des angeblichen Verlustes von sechs Bronzefiguren geltend. Die Beklagte wandte ein, dass der Versicherungsvertrag unwirksam sei, weil der ver­sicherte Transport gegen ein nigerianisches Ausfuhrverbot von Kunstgegenständen verstoßen habe. Vertragsstatut war deutsches Recht, sodass die nigerianischen Exportverbote nicht unmit­telbar angewandt werden konnten.190 Heute würde in einem solchen Fall zwar § 6 Abs. 4 KultGüRückG helfen, da Nigeria ein Vertragsstaat Schacherreiter ZEuP 2015, 497, 509; Sonnenberger, FS Kropholler (2008) 227, 243 (abweichend aber Sonnenberger [Fn. 80] 439 ff.); dazu tendierend auch Calliess/Renner Art. 9 Rom I-VO Rn. 33; MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 115; für Einbeziehung der materiellrechtlichen Berücksichtigung Erman/Hohloch Art. 9 Rom I-VO Rn. 27; jurisPK/Ringe Art. 9 Rom I-VO Rn. 40; NomosKomm/Doehner Art. 9 Rom I-VO Rn. 51; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 81; Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 5.130; Staudinger/Magnus (2016) Art. 9 Rom I-VO Rn. 122 (bei Präferenz für die Sonderanknüpfung); vgl. auch Köhler (Fn. 25) 180 ff., der zwar die Wirkungs­veleihung als „normative Berücksichtigung“ versteht, aber dennoch eine Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ablehnt (272 f.). 187 S. etwa BGHZ 34, 169 = NJW 1961, 822 (US-Embargo); BGHZ 59, 82 = NJW 1972, 1575 (nigerianische Masken); BGH NJW 1984, 1746 (Bierlieferungsfall) = IPRax 1986, 154 m. Aufsatz Mülbert IPRax 1986, 140 = RabelsZ 53 (1986), 146 m. Anm. Baum; hierzu Wieling JuS 1986, 272; eingehende Bestandsaufnahme bei Günther (Fn. 39) 66 ff.; Kuckein, Die „Berücksichtigung“ von Eingriffsnormen im deutschen und englischen internationalen Vertragsrecht, 2008, 72 ff. 188  RGZ 93, 182, 184. 189  BGHZ 59, 82 = NJW 1972, 1575. 190  BGHZ 59, 82, 85.

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des U ­ NESCO-Übereinkommens ist,191 aber im Fall vor dem BGH war das Übereinkommen intertemporal noch nicht anwendbar. Eine Verletzung ausländischer Verbotsgesetze fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 134 BGB, weil diese Norm nur deutsche Gesetze erfasst.192 Es kommt aber ein Verstoß gegen die guten Sitten i. S. des § 138 Abs. 1 BGB in Betracht. Eine Sittenwidrigkeit ist bei einem Verstoß gegen ausländische Verbotsgesetze bejaht worden, wenn ein solches Gesetz entweder mittelbar auch deutsche Interessen schützt (z. B. ein Embargo in Bezug auf Rüstungsgüter)193 oder wenn es einem international anerkannten Allgemeininteresse der Staatengemeinschaft dient (z. B. Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr mit Kulturgütern, Schutz autoch­ thoner Kulturen vor postkolonialer Ausplünderung usw.).194 Drittstaatliche Eingriffs­normen, die allein der Verwirklichung wirtschaftlicher oder staatspolitischer Ziele des rechtsetzenden Staates selbst dienen, hat der BGH hingegen nur beachtet, wenn und soweit dieser Staat die Möglichkeit besitzt, diese Bestimmungen tatsächlich durchzusetzen, etwa, wenn sie auf seinem Territorium belegene Sachen und Rechte oder Handlungen, die dort zu vollziehen waren, betreffen.195 Als faktischer Umstand kann ein ausländisches Verbotsgesetz Berücksichtigung finden, wenn es den Parteien die Durchführung einer Vereinbarung tatsächlich unmöglich macht. Ein gutes Beispiel bietet die Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) im Verhältnis zum iranischen Recht. In dem bekannten „Bierlieferungsfall“ ging es um die Frage, wie ein Vergleich, der über Schadensersatzansprüche eines iranischen Bierimporteurs gegen einen deutschen Lieferanten vor der islamischen Revolution geschlossen worden war, nach den damals noch unkodifizierten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen war.196 Der BGH berücksichtigte insoweit, dass der von den Parteien getroffene Vergleich aufgrund des strikten iranischen Alkoholimportverbots nicht mehr durchgeführt werden konnte; hiermit wandte er dieses Verbot aber nicht an, sondern trug lediglich den sich daraus auf das zwischen den Parteien vereinbarte Pflichtenprogramm ergebenden Auswirkun­ 191  Zur Lösung nach heutigem Recht ausführlich Wandt, VersR 2013, 257 ff.; ferner Grabosch, Krit. J. 2013, 30 ff.; vgl. auch (zum EVÜ) OGH IPRax 2012, 553, 559 Aufsatz Martiny; anders zum Verkauf indianischer Hopi-Masken in Frankreich TGI Paris D. 2013, 2913: zulässig, allein der sakrale Charakter der Gegenstände begründe kein Verkaufsverbot. 192  Allg. M., siehe nur BGHZ 59, 82, 85; LG Hamburg RIW 2015, 458, 459; Palandt/Ellenberger § 134 BGB Rn. 2; Mankowski RIW 2015, 405, 406. 193  Bejaht z. B. von BGHZ 34, 169 = NJW 1961, 822 (US-Embargo); verneint von LG Hamburg RIW 2015, 458, 405 Anm. Mankowski = VersR 2015, 1024 mit Anm. Looschelders; hierzu kritisch Solomon ZVglRWiss 115 (2016) 586, 605 f. 194  BGHZ 59, 82 = NJW 1972, 1575 (Nigerianische Masken). 195  Zuletzt BGH NJW 2015, 2328 Rn. 53, mwN. 196  BGH NJW 1984, 1746 = IPRax 1986, 154 m. Aufsatz Mülbert IPRax 1986, 140 = RabelsZ 53 (1986), 146 m. Anm. Baum; hierzu Wieling JuS 1986, 272.

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gen Rechnung. Letztlich handelt es sich bei der Berücksichtigung ausländischen Rechts im Rahmen inländischer Generalklauseln daher, wie schon Sonnenberger betont hat, um eine „ganz normale Auslegung und Konkretisierung deutschen Sachrechts“, genauer: um einen Fall der teleologischen Auslegung des Sachrechts.197 Ansatzpunkt einer Einbeziehung ausländischer Wertungen müssen stets Sinn und Zweck der jeweils anwendbaren inländischen Sachnorm sein. Erstens muss die Norm des deutschen Sachrechts prinzipiell offen auch für die Berücksichtigung ausländischer Wertungen sein. Zweitens muss aber hinzukommen, dass die Berücksichtigung ausländischer Rechtsvorstellungen im gegebenen Fall tatsächlich gebo­ten ist, um dem vom deutschen Gesetzgeber festgelegten Normenprogramm zur Durchsetzung zu verhelfen. Da Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur gestattet, Eingriffsnormen des Erfüllungsortes Wirkung zu verleihen, würde diese Vorschrift – sofern nicht eine Sonderbestimmung wie § 6 Abs. 4 KultGüRückG eingreift – in einem Fall wie dem der „Nigerianischen Masken“ nicht zu einer Sonderanknüpfung führen, da der Erfüllungsort der Transportversicherungsleistung in Deutschland zu lokalisieren war, wo sich sowohl der Sitz der Versicherungsgesellschaft als auch der Bestimmungsort des Seetransports befanden (§ 269 Abs. 1 BGB). Fraglich war bis vor kurzem, ob an der bisherigen deutschen Rechtsprechung zur materiellrechtlichen Berück­sichtigung ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Europäisierung des Kollisionsrechts festgehalten werden kann.198 Da die Rom I-VO das Problem der Anwendung ausländischer Eingriffsnormen zumindest ausschnittsweise geregelt hat, erschien prima facie der Umkehr­schluss naheliegend, dass Eingriffsnormen, die nicht unter den Tatbestand des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO fallen, auch nicht unabhängig davon berücksichtigt werden dürfen.199 d) Vereinbarkeit mit der Rom I-VO aa) Die Entscheidung in der Rechtssache Nikiforidis Schließlich ist die Frage, ob die im Zuge der Finanzkrise von der Republik Griechenland erlassenen Spargesetze Eingriffsnormen darstellen, die sich gegenüber dem mit Lehrkräften an griechischen Schulen in Deutschland geltenden deutschen Arbeitsvertragsstatut durch­setzen oder zumindest über § 241 Abs. 2 BGB berücksichtigt werden können, vom BAG dem EuGH vorgelegt worden. 200 Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO ließ insoweit keine Sonderanknüpfung der 197 MüKo/Sonnenberger, 198  Vgl.

5. Aufl. (2010), Einl. IPR Rn. 609. jetzt EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA

2016, 1389. 199 Eingehend Günther (Fn. 39) 173 ff.; Hauser (Fn. 57) 111 ff. 200 BAG RIW 2015, 313 = NZA 2015, 542; hierzu Junker EuZA 2016, 1; Schlachter ­Z VglRWiss 115 (2016), 610 (621 f.); Siehr RdA 2014, 206; Solomon ZVglRWiss 115 (2016), 586 (606 f.); Thomale EuZA 2016, 116.

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griechischen Spargesetze zu, weil der Erfüllungsort am gewöhnlichen Arbeitsort des Lehrers in Deutschland zu lokalisieren war. 201 Generalanwalt ­Szpunar hatte sich dennoch in seinen Schlussanträgen für die Zulässigkeit einer materiellrechtlichen Berücksichtigung der griechischen Eingriffsnormen ausgesprochen, nicht zuletzt deshalb, weil die EU sich für eine Vereinheitlichung des Sachrechts der Mitgliedstaaten nicht auf Art. 81 AEUV stützen könne. 202 Die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar sind aus rechtsvergleichender Sicht beispielhaft, weil er die Frage der Berücksichtigung drittstaatlicher Eingriffsnormen unter eingehender Auswertung des deutschen, belgischen, polnischen, litauischen, tschechischen, englischen und schweizerischen IPR untersuchte. 203 Trotz einzelner Abweichungen ist der EuGH dem Generalanwalt in der Kernfrage des Vorlageersuchens gefolgt.204 Der EuGH argumentierte, dass „Art. 9 [Rom I-VO] dahin auszulegen ist, dass das angerufene Gericht andere Eingriffsnormen als die des Staates des angerufenen Gerichts oder des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, nicht als Rechtsvorschriften anwenden darf. Art. 9 [Rom I-VO] verbietet es jedoch nicht, Eingriffsnormen eines anderen Staates als des Staates des angerufenen Gerichts oder des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, als tatsächliche Umstände zu berücksichtigen, soweit eine materielle Vorschrift des nach den Bestimmungen dieser Verordnung auf den Vertrag anwendbaren Rechts dies vorsieht. Die Rom‑I-Verordnung harmonisiert nämlich die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse und nicht die materiellen Vorschriften des Vertragsrechts. Soweit Letztere vorsehen, dass das angerufene Gericht eine Eingriffsnorm der Rechtsordnung eines anderen Staates als des Staates des angerufenen Gerichts oder des Staates der Vertragserfüllung als tatsächlichen Umstand berücksichtigt, kann Art. 9 dieser Verordnung der Berücksichtigung dieses tatsächlichen Umstands durch das angerufene Gericht nicht entgegenstehen. Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die [griechischen Spar-]Gesetze […] bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts anhand des auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arbeitsvertrag anwendbaren Rechts berücksichtigt werden können.“205 201  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 50. 202 GA Szpunar, Schlussanträge vom 20.4.2016 in der Rs. C-135/15 – Nikiforidis, ECLI:EU:C:2016:281 Rn. 107. 203 GA Szpunar, Schlussanträge vom 20.4.2016 in der Rs. C-135/15 – Nikiforidis, ECLI: EU:C:2016:281, insbes. in Fn. 22; vgl. allgemein zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Arbeit der Generalanwälte im europäischen IPR/IZVR Basedow JZ 2016, 269, 278, mwN. 204  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 51 ff.; hierzu Pfeiffer LMK 2016, 382315. 205  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 51 ff.

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Insoweit spielt es keine Rolle, ob es sich um Eingriffsnormen eines anderen Mitglied­staates oder eines Nicht-EU-Staates handelt. Zwar war durchaus erwogen worden, aus der in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Loyalitätspflicht abzuleiten, dass Eingriffsnormen anderer Mitgliedstaaten von deutschen Gerichten auch über den Anwendungsbereich sekundärrecht­licher Sonderanknüpfungen (Art. 9 Rom I-VO, Art. 16 Rom II-VO) hinaus angewandt werden müssten;206 dem ist der EuGH aber nicht gefolgt:207 „Die Prüfung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der loyalen Zusam­menarbeit kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Dieser Grundsatz erlaubt es einem Mitgliedstaat nämlich nicht, die ihm durch das Unionsrecht auferlegten Verpflichtungen zu umgehen, und gestattet es dem vorlegenden Gericht daher nicht, den abschließenden Charakter der in Art. 9 der Rom‑I-Verordnung enthaltenen Aufzählung der Eingriffsnormen, denen Wirkung verliehen werden kann, außer Acht zu lassen, um den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden griechischen Eingriffsnormen als Rechtsvorschriften Wirkung zu ver­leihen.“ Im Ergebnis hat die Offenheit des EuGH gegenüber der materiellrechtlichen Berücksichti­g ung drittstaatlicher Eingriffsnormen dem Kläger allerdings nicht geholfen, weil das deutsche materielle Arbeitsrecht (§ 241 Abs. 2 BGB) keine Verpflichtung des Arbeitnehmers kennt, aus Rücksicht auf die finanzielle Lage seines Arbeitgebers dauerhafte Gehaltskürzungen ohne eine wirksame Vertragsänderung hinzunehmen. 208 bb) Die Tragweite des Urteils in der Sache Nikiforidis Die genaue Tragweite des Urteils in der Sache Nikiforidis ist noch nicht abschließend geklärt. Die oben zitierten Urteilspassagen legen dem ersten Anschein nach eine klare Abgrenzung zwischen der Anwendung fremder Eingriffsnormen „als Rechtsvorschriften“ einerseits, der materiellrechtlichen Berücksichtigung im Rahmen des Vertragsstatuts andererseits nahe; in Bezug auf die Sonderanknüpfung fremder Eingriffsnormen entfaltet Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO eine Sperrwirkung, im Hinblick auf die bloß materiellrechtliche Berücksichtigung solcher Vorschriften hingegen nicht. Folgerichtig wird vertreten, dass die deutsche Rechtsprechung an ihrer bisherigen Methode der Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen im Rahmen zivilrechtlicher Generalklauseln wie z. B. § 138 Abs. 1 BGB unverändert festhalten dürfe;209 dem EuGH wird 206  BAG NZA 2015, 542 Rn. 17; vgl. zu dieser Frage noch Hauser (Fn. 57) 142 ff.; Köhler (Fn. 25) 294 ff.; Reithmann/Mar­tiny/Freitag Rn. 5.41; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 340 f.; W.-H. Roth, FS Dauses (2014) 315 ff. alle mwN zum vorherigen Streitstand. 207  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 52; hierzu Pfeiffer LMK 2016, 382315. 208  BAG RIW 2017, 611 = IPRax 2018, 86, 44 Anm. Siehr. 209 So Siehr IPRax 2018, 44, 45 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die oben (II.6.c)

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sogar vorgeworfen, er habe den mitgliedstaatlichen Gerichten insoweit eine „Carte blanche“ gegeben. 210 Diametral entgegengesetzt ist die Interpretation des Urteils dahingehend, der EuGH habe der bisherigen Praxis des BGH zu § 138 Abs. 1 BGB „eine Absage erteilt“:211 Lediglich die materiellrechtliche Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen einer ausländischen Verbotsnorm im Hinblick auf die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragserfüllung (§ 275 Abs. 2 und 3 BGB, § 241 Abs. 2 BGB) sei neben Art. 9 Abs. 3 Rom III-VO statthaft. 212 Für diese Lesart kann man anführen, dass der EuGH es dem Vertragsstatut nur überlassen will, fremde Eingriffsnormen als „tatsächliche Umstände“ zu berücksichtigen.213 Zudem formuliert der EuGH eine Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO dahingehend, dass ein mitgliedstaatliches Gericht andere Eingriffsnormen als diejenigen des Erfüllungsortes weder „unmittelbar“ noch „mittelbar“ anwenden dürfe. 214 Die materiellrechtliche Berücksichtigung einer fremden Eingriffsnorm im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB soll einen solchen Fall der „mittelbaren“ Anwendung darstellen. 215 Gegen diese Deutung spricht jedoch, dass der EuGH wiederholt und nicht zuletzt im zweiten Leitsatz der Entscheidung formuliert, dass Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur eine Sperrwirkung in Bezug auf die Anwendung drittstaatlicher Eingriffsnormen „als Rechtsvor­schriften“ entfaltet (s. o. II.6.d.aa). Dass mit der Wirkungsverleihung i. S. des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Rom I-VO allein die kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung einer Eingriffsnorm und nicht deren bloß materiellrechtliche Berücksichtigung gemeint ist, lässt sich auch darauf stützen, dass Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Rom I-VO das Gericht dazu verpflichtet, die Folgen der „Anwendung oder Nichtanwendung“ einer Eingriffsnorm zu berücksichtigen. 216 Damit ist als „unmittelbare“ Anwendung eindeutig die Sonderanknüpfung einer drittstaatlichen Eingriffs­norm ausgeschlossen, die zur Nichtigkeit geschilderten Fälle „Nigerianische Masken“ (BGHZ 59, 82) und „Bierlieferung in den Iran“ (BGH NJW 1984, 1746); ebenso unter Berufung auf die einschlägige Embargo-Rechtsprechung Junker (Fn. 126) § 15 Rn. 71; ferner zur „doctrine of illegality“ nach englischem Vertragsrecht Cheshire/North/Fawcett (Fn. 59) 752; vgl. auch noch (vor Nikiforidis) W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 875; offengelassen von MüKo/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 115 a.E. 210 So Maultzsch EuZA 2017, 241, 251. 211  Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2017, 1, 32; ausführlicher Palandt/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 14; W.-H. Roth IPRax 2018, 177, 184. 212 Palandt/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 14; damit sympathisierend Maultzsch EuZA 2017, 241, 252, der dies aber gerade als Gegenstandpunkt zu dem von ihm von ihm als weitergehend kritisierten EuGH-Urteil formuliert. 213  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 51. 214  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 50. 215 Palandt/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 14; W.-H. Roth IPRax 2018, 177, 184. 216 Calliess/Renner Art. 9 Rom I-VO Rn. 33; Hauser (Fn. 57) 110; Sonnenberger, FS Kropholler (2008) 227, 243; vgl. auch Sonnenberger (Fn. 80) 441.

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eines deutschem Recht unterliegenden Vertrages nach § 134 BGB führen würde. Bei einer Berücksichtigung einer ausländischen Eingriffsnorm im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB wird diese hingegen nicht „als Rechtsvorschrift“ angewen­ det, sondern lediglich als ein Wertungsgesichtspunkt – sog. „moral data“217 – betrachtet, auf den sich das Urteil der Sittenwidrigkeit stützt. 218 Insoweit ist zu bedenken, dass der EuGH es den nationalen Gerichten ausdrücklich gestattet, drittstaatliche „Eingriffsnormen“ selbst – und nicht nur die effektive Durchsetzung dieser Normen – „als tatsächliche Umstände zu berück­sichtigen“. 219 Ferner schlägt das vom EuGH vorgebrachte Argument, die Rom I-VO harmoni­ siere allein die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse und nicht die materiellen Vorschriften des Vertragsrechts, 220 auch in Bezug auf § 138 Abs. 1 BGB durch. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das europäische Kollisionsrecht es zulässt, dass die Gerichte Maß­nahmen zur Bekämpfung der Gesetzesumgehung auch außerhalb des Verordnungskollisions­rechts ergreifen;221 insofern muss beachtet werden, dass der BGH die Berücksichtigung des Exportverbotes im Fall der Nigerianischen Masken explizit damit begründet hat, die „Umge­hung eines solchen Schutzgesetzes“ müsse verhindert werden. 222 Der Versuch, bei der materiellrechtlichen Berücksichtigung fremden Eingriffsrechts zwi­schen einer (erlaubten) rein faktischen und einer (unzulässigen) quasi-normativen Variante zu unterscheiden, führt überdies zu erheblichen Abgrenzungsproblemen und Wertungswider­sprüchen. Dies zeigt das Beispiel des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) aufgrund einer ausländischen Eingriffsnorm: Während z. B. Thorn diesen Fall als eine bloß faktische Berücksichtigung einstuft und insoweit keine Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO annimmt, 223 klassifiziert Maultzsch dies als normative Verarbeitung einer auslän­dischen Vorschrift, welcher der abschließende Charakter des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO entgegenstehe. 224 Auch die in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei lässt sich nicht rein faktisch begreifen, 225 sondern setzt z. B. im Fall Nikiforidis eine 217  Zum Begriff s. Ehrenzweig, Local and Moral Data in the Conflict of Laws: Terra Incognita, Buff. L. Rev. 16 (1966), 55 ff.; hierzu näher MüKo/v. Hein Einl. IPR Rn. 271 f., 277 mwN. Allerdings wollte Ehrenzweig „moral data“ allein der lex fori entnehmen (Ehrenzweig, Buff. L. Rev. 16 [1966] 55, 56 ff.). 218  Vgl. Calliess/Renner Art. 9 Rom I-VO Rn. 32, 34. 219  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 51. 220  EuGH 18.10.2016 – C-135/15 (Nikiforidis), ECLI:EU:C:2016:774 = NZA 2016, 1389 Rn. 52. 221 So ausdrücklich Erwägungsgrund 26 EuErbVO; näher MüKo/v. Hein Einl. IPR Rn. 282 ff. 222  BGHZ 59, 82, 85. 223 Palandt/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 14; ebenso Junker (Fn. 126) § 15 Rn. 71. 224  Maultzsch EuZA 2017, 241, 252. 225  So aber Palandt/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 14.

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normative Wertung im Umgang mit am Rande der Insol­venz stehenden Schuldnerstaaten voraus („Geld hat man zu haben“). 226 Wenn man die materiellrechtliche Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen auf Konstellationen verengen will, in denen die „jeweils hinter ihnen stehende Rechtsordnung einen vergleichbaren faktischen Einfluss auf das betreffende Rechtsverhältnis ausüben kann wie die am Erfüllungs­ort geltende Rechtsordnung“, 227 bliebe für die materiellrechtliche Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen kaum noch etwas übrig, denn die tatsächliche Durchführung des Vertrages zu verhindern, wird solchen Staaten, in denen der Vertrag nicht einmal teilweise zu erfüllen ist, regelmäßig unmöglich sein. Im Fall Nikiforidis hatte die Hellenische Republik ersichtlich keine Handhabe, die Durchsetzung der Gehaltsforderungen des bei ihr angestellten Lehrers in Deutschland effektiv zu unterbinden. 228 Allein an diesem Umstand ließ der EuGH die Zulässigkeit einer materiellrechtlichen Berücksichtigung der griechischen Spargesetze jedoch eindeutig nicht scheitern. Schließlich zeigt auch der oben (II.6.b) geschilderte Fall der Beförderungsverweigerung gegenüber einem israelischen Staatsbürger durch die staatliche kuwaitische Fluglinie die Grenzen einer rein faktischen Betrachtung. Zweifellos hätte der Staat Kuwait die Möglichkeit einer Bestrafung der Verantwortlichen für die Beförderung des israelischen Passagiers. Ebenso ist es grundsätzlich richtig, dass auch die tatsächlichen Auswirkungen einer ordre-public-widrigen Norm im Rahmen des § 275 BGB berücksichtigt werden können.229 Aber schon die in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 Rom I-VO enthaltene Pflicht zur Würdigung von Art und Zweck der ausländischen Norm sowie zur Folgenabwägung belegt, dass ein europäisches Gericht ein solches brutum factum nicht ohne eigene normative Wertung akzeptieren muss. Insoweit wären im Frankfurter Fall die folgenden Gesichtspunkte zu bedenken: Die Eigen­schaft der beklagten Fluglinie als Staatsunternehmen, deren Hauptanteilseigner selbst das Leistungshindernis herbeigeführt hat (vgl. den Rechtsgedanken des § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB), der zumindest mittelbar religiös diskriminierende Charakter des Boykottgesetzes (Art. 3 GG), die negativen Auswirkungen auf den internationalen Flugverkehr, wenn derartige Regelungen weltweit berücksichtigt werden müssten, sowie schließlich der Umstand, dass die allgemeine Beförderungspflicht nach § 21

226  Vgl. gegenüber der Berufung Argentiniens auf einen „Staatsnotstand“ BGH NJW 2015, 2328 Rn. 53 = LMK 2015, 370161 mit Anm. Schroeter/Krämer; abweichend M.-P. Weller Die Grenze der Vertragstreue von (Krisen-)Staaten, 2013, 31 ff. (Staatsnotstand als zahlungshemmende Einrede, § 275 Abs. 3 BGB), insoweit krit. bespr. von Bischoff RabelsZ 80 (2016) 202, 206 f.; ferner M.-P. Weller/Grotz JZ 2015, 989 ff. 227 Dafür Maultzsch EuZA 2017, 241, 251 f. 228  So auch Maultzsch EuZA 2017, 241, 252. 229  Vgl. RGZ 93, 182, 184 (engl. Feindstaatenrecht im 1. Weltkrieg); BGH LM Nr. 15 zu § 275 BGB (DDR-Devisenrecht im Kalten Krieg); näher Pfeiffer ZVglRWiss 116 (2017) 438, 448 ff., mwN.

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Abs. 3 LuftVG nur bei „Unzumutbarkeit“ ent­fällt. 230 In einem ähnlich gelagerten Fall hat das U.S. Department of Transportation aus den folgenden Gründen gegen die kuwaitische Fluglinie entschieden:231 „KAC contends that its denial of transportation to Mr. Gatt from JFK [New York] to LHR [London] is reasonable because Kuwaiti law prohibits the carrier from selling a ticket to an Israeli passport holder. KAC emphasizes that the statutory penalties for violation of the Kuwaiti law include imprisonment with hard labor, in addition to a fine, as evidence that it cannot comply with U.S. law. This is not a proper justification for the denial of transportation as the penalties that allegedly have compelled KAC’s conduct are part of a discriminatory statutory scheme. We know of no authority that would allow an airline to discriminate based simply on penalties that might be imposed under the foreign law that is said to have mandated the discriminatory conduct. Moreover, this complaint does not involve travel to a country where the complainant is not allowed to disembark based on the laws of that country. There is no question that a person holding a valid Israeli passport can depart the U.S. and enter the United Kingdom. As such, we find that it is unreasonable discrimination for KAC to refuse transport to Israeli citizens between the U.S. and a third country where their passports are recognized as valid travel documents and they are allowed to disembark based on the laws of that country.“ Auch vor einem deutschen Gericht sollte das kuwaitische Boykottgesetz deshalb nicht beachtet werden. Im Ergebnis entgegengesetzt hat numehr aber das OLG Frankfurt/Main (25.9.2018 – 16 U 209M7, becklink 2011040) entschieden, das maßgeblich auf die tatsächliche Unmöglichkeit eines Umsteigens des israelischen Passagiers am Flughafen Kuwait abgestellt hat. e) Ein neuer Start dank Brexit? Schließlich verdient ein Faktor Beachtung, der in der Entscheidung des EuGH zwar nicht ausdrücklich angesprochen wird, aber möglicherweise die Abwägung des Gerichtshofs beeinflusst hat. 232 Wie bereits oben (II.1.b) erwähnt wurde, stellt sich die äußerst restriktive Regelung in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Rom I-VO als ein „missglückte[s] legal transplant“ aus dem englischen Kollisionsrecht dar, das insbesondere auf britischen Druck in die Rom I-VO übernommen wurde. 233 Mit dem Referendum vom 23. 6. 2016 hat die britische Bevölkerung aber für den Austritt aus der EU gestimmt. Die Konsequenzen des Brexit 230 

Näher hierzu Freitag NJW 2018, 430 ff.; Mörsdorf JZ 2018, 156 ff. des US Department of Transportation v. 30.9.2015, abrufbar unter https://static.lettersblogatory.com/wp-content/uploads/2015/10/Kuwait-Airways-LetterSept-30-2015.pdf. 232  Hierzu bereits Maultzsch EuZA 2017, 241, 253. 233  Zu diesem Aspekt insbesondere Schacherreiter ZEuP 2015, 497 ff. 231 Entscheidung

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für das IPR sind gegenwärtig noch nicht geklärt. 234 Verlässt Großbritannien die EU, ohne dass eine Weiter­geltung oder Erstreckung der Rom I-VO im Verfahren nach Art. 50 EUV vereinbart wird, tritt die Verordnung im Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich außer Kraft. Zu erwägen bliebe allenfalls, ob das EVÜ dann als konventioneller Staatsvertrag wieder aufleben würde. 235 Angesichts des bevorstehenden Brexit erscheint es wenig sachgerecht, bei der Auslegung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO der entstehungsgeschichtlich bedingten Rück­sichtnahme auf angelsächsische Empfindlichkeiten – insbesondere des Gerichtsstandortes und Finanzplatzes London – allzu großes Gewicht beizumessen. 236 Vielmehr gibt der absehbare Ausstieg Großbritanniens aus dem europäischen Kollisionsrecht Anlass zu der Hoffnung, dass es bei einer künftigen Revision der Rom I-VO gelingen möge, eine sachgerechtere und flexiblere Lösung der Eingriffsnormenproblematik zu schaffen. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass auch auf dem Kontinent aus dem Kreis der Staaten, die gegen Art. 7 Abs. 1 EVÜ einen Vorbehalt eingelegt hatten (s. o. II.1.b), Art. 8 Abs. 3 Rom I-VOE 2005 über­wiegend abgelehnt wurde. 237 Als ein denkbares Vorbild für eine Neuregelung könnte man Art. 19 des schweizerischen IPRG238 heranziehen, der ersichtlich von Art. 7 Abs. 1 EVÜ inspiriert wurde239 und wie folgt lautet: Art. 19 (1) Anstelle des Rechts, das durch dieses Gesetz bezeichnet wird, kann die Bestimmung eines andern Rechts, die zwingend angewandt sein will, berücksichtigt werden, wenn nach schweizerischer Rechtsauffassung schützenswerte und offensichtlich überwiegende Interessen einer Partei es gebieten und der Sachverhalt mit jenem Recht einen engen Zusammenhang aufweist.

234 Näher Basedow ZEuP 2016, 567 ff.; Dickinson JPIL 12 (2016) 195 ff.; Hess IPRax 2016, 409 ff.; Lehmann/Zetsche JZ 2017, 62 ff.; Lein YbPIL 17 (2015/16) 33 ff.; Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2016, 1 f.; Müller-Graff GPR 2016, 157; Rühl JZ 2017, 72 ff.; M.-P. Weller/Thomale/ Benz NJW 2016, 2378 ff. 235 Näher Dickinson J. Priv. Int. L. 12 (2016) 195, 201 ff.; Lehmann/Zetsche JZ 2017, 62 (65); Lein YbPIL 17 (2015/16) 33 (42 f.); ablehnend Rühl JZ 2017, 72, 76. 236 Bereits W.-H. Roth, FS Kühne (2009) 859, 877 f. hat pointiert bemerkt, die Ausgestaltung der Anknüpfung drittstaatlicher Eingriffsnormen in der Rom I-VO „erweist sich […] als in einem entscheidenden Punkt von den wirtschaftlichen (protektionis­tischen) Interessen vor allem eines Mitgliedstaats und hier einer ganz bestimmten Branche determiniert […]. Hierin kommt ein wirtschaftspolitischer Egoismus zum Ausdruck […]“; kritisch auch Sonnenberger (Fn. 80), der von einer „Ap[p]easementpolitik gegenüber englischen Vorbehalten bei der Entstehung der Norm“ spricht. 237 Hierzu McParland (Fn. 58) Rn. 15.62. Von diesen Staaten fand allein die Bundesrepublik den Kommissionsvorschlag akzeptabel. 238  Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987, SR 291, aktuelle Fassung (1.4.2017) abrufbar unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/ 19870312/index.html. 239 Vgl. Schnyder (Fn. 254) 315.

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(2) Ob eine solche Bestimmung zu berücksichtigen ist, beurteilt sich nach ihrem Zweck und den daraus sich ergebenden Folgen für eine nach schweizerischer Rechtsauffassung sachgerechte Entscheidung.

Gegenüber dem dogmatischen Rückschritt zu einem pseudo-materiellrechtlichen „Krypto-IPR“, 240 zu dem die allzu enge Fassung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO den EuGH provoziert hat, wäre eine Neufassung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO im Sinne einer Sonderanknüpfung auch drittstaatlicher Eingriffsnormen vorzugswürdig.

III. Eingriffsnormen in der Rom II-VO Ebenso wie im Internationalen Schuldvertragsrecht die Wahl des anwendbaren Rechts nicht zur Umgehung international zwingender Vorschriften des Forumstaates führen darf (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO), verstärkte sich mit der Eröffnung der Parteiautonomie in anderen Bereichen, insbesondere auf dem Gebiet der außervertraglichen Schuldverhältnisse (Art. 14 Rom II-VO), das Bedürfnis, auch dort die Einhaltung derjenigen Vorschriften sicherzustellen, die der Parteidisposition im internationalen Bereich entzogen sein sollen. 241 Auch wenn nach der Rom II-VO ein ausländisches Recht – kraft Rechtswahl oder objektiver Anknüpfung – anwendbar ist, bleibt daher eine Sonderanknüpfung der Eingriffsnormen der lex fori vorbe­halten (Art. 16 Rom II-VO). 242 Das Konzept der Eingriffsnorm sollte aus Gründen der konsistenten Auslegung (Erwägungsgrund 7 Rom II-VO) im Einklang mit der in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO gegebenen Legaldefinition interpretiert werden. 243 Als Beispiel ist ein öffentlich-rechtliches Opferentschädigungsgesetz bei Straftaten zu nennen, 244 nicht aber die Loi Badinter, 245 der britische Fatal Accidents Act246 oder z. B. §§ 393, 828 Abs. 2, 829 BGB. 247 Gegenwärtig wird insbesondere rechtspolitisch darüber diskutiert, eine Haftung von Unter­nehmen für die Verletzung von Menschenrechten im Ausland durch eine eingriffsrechtliche Sonderanknüpfung zu ermögli-

240 Der Begriff „Krypto-Internationales Privatrecht“ wurde geprägt von Jessurun d’Oliveira, ZfRV 1986, 246 ff. 241 Calliess/v. Hein Art. 16 Rom II-VO Rn. 2. 242  Ausführlich Calliess/v. Hein Art. 16 Rom II-VO Rn. 1 ff. 243 BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 16 Rom II-VO Rn. 15 ff.; Calliess/v. Hein Art. 16 Rom II-VO Rn. 12; MüKo/Junker Art. 16 Rom II-VO Rn. 13; Rauscher/Jakob/Picht Art. 16 Rom II-VO Rn. 4. 244 Cass., 2 e civ., 25.1.2007, D. 2007, 578: Entschädigung eines Franzosen für Unfall in USA. 245  Cass. Civ. 1er 12.7.2011, Rev. crit. d.i.p. 2012, 541. 246  Cox v. Ergo Versicherung AG [2014] UKSC 22 Rn. 35. 247  Näher Calliess/v. Hein Art. 16 Rom I-VO Rn. 13, mwN.

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chen. 248 Für die Anknüpfung ausländischer Eingriffsnormen enthält die Rom II-VO hingegen keine ausdrückliche Regelung. Im Umkehrschluss zum Internationalen Vertragsrecht (Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO) wird daraus vielfach eine generelle Sperrwirkung gegenüber der Anwendung ausländischer Eingriffsnormen als Rechtsvorschrif­ten gefolgert. 249 Ob dies selbst für die in der lex causae enthaltenen Eingriffsnormen gelten soll, ist aber wiederum umstritten. 250 Im Lichte der Entscheidung des EuGH in der Rechts­sache Nikiforidis (s. o. II.6.d) wird man es den Gerichten mutatis mutandis zumindest nicht verwehren können, ausländische Eingriffsnormen als tatsächliche Umstände im Rahmen der Generalklauseln des materiellen Rechts (z. B. § 826 BGB) zu beachten, 251 da die Rom II-VO ebenso wenig wie die Rom I-VO das materielle Zivilrecht vereinheitlicht. 252 Hingegen dürfte die Anwendung ausländischer Eingriffsnormen „als Rechtsvorschriften“ im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB nunmehr – entsprechend der Differenzierung in Nikiforidis (s. o. II.6.d.bb) – unzulässig sein. 253

IV. Eingriffsnormen vor Schiedsgerichten 1. Rechtsgrundlagen Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsgericht zur Beachtung von Eingriffsnormen verpflichtet ist, bildet einen der umstrittensten Punkte des Kollisionsrechts der Schiedsgerichtsbarkeit. 254 Trotz der erheb248  Hierzu eingehend Pförtner, in: Gössl et al. (Hrsg.), Politik und Internationales Privatrecht (2017) 93, 100 ff.; G. Wagner RabelsZ 80 (2016) 717, 744 ff.; vgl. auch zur Frage eines „ordre public transnational“ M.-P. Weller/Kaller/Schulz AcP 216 (2016) 387, 395 ff. 249  de Lima Pinheiro, Riv. dir. int. priv. proc 44 (2008) 5, 32; Ofner, ZfRV 2008, 13, 23; Staudinger, AnwBl. 2008, 8, 12; G. Wagner, IPRax 2008, 1, 15; wohl auch Brière, Clunet 2008, 31, 66; a. A. (Regelungslücke) Hauser (Fn. 57) 135 f.; v. Hein, VersR 2007, 440, 446; Heiss/­ Loacker, JBl. 2007, 613, 644; Köhler (Fn. 25) 274 ff.; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 726; MüKo/Junker Art. 16 Rom II-VO Rn. 25; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 345 f.; Rühl, FS Kropholler (2008) 187, 206 f. 250  Für Anwendung der Eingriffsnormen des lex causae z. B. Rauscher/Jakob/Picht Art. 16 Rom II-VO Rn. 10; Remien, FS v. Hoffmann (2011) 334, 342; dagegen NomosKomm/Knöfel Art. 16 Rom II-VO Rn. 7; differenzierend BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 16 Rom II-VO Rn. 50 ff.; vgl. auch Calliess/v. Hein Art. 16 Rom II-VO Rn. 20, jeweils mwN. 251  Vgl. BGH NJW 1991, 634 = IPRspr. 1990 Nr. 47 = JZ 1991, 719 mit Anm. Junker = Bericht IPRax 1991, 345 (von Hoffmann); BGH NJW 1993, 194 = IPRspr. 1992 Nr. 59 = EWiR § 826 BGB 1/93, 33 (von Bar/Rogge) = WuB IV A. § 826 BGB 2.93 (Scharrenberg). 252 BeckOGK/Maultzsch (1.3.2018) Art. 16 Rom II-VO Rn. 44 ff.; Calliess/v. Hein Art. 16 Rom II-VO Rn. 20; Garcimartín Alférez, EuLF 2007, I-77, I-90; Heiss/Loacker, JBl. 2007, 613, 644; MüKo/Junker Art. 16 Rom II-VO Rn. 26; Rühl, FS Kropholler (2008) 187, 206 f. 253  Freitag NJW 2018, 430, 434; anders noch BeckOK/Spickhoff (1.11.2017) Art. 16 Rom II-VO Rn. 3; MüKo/Junker Art. 16 Rom II-VO Rn. 26; Sonnenberger (Fn. 80) 443. 254  Die einschlägige Literatur ist kaum noch zu übersehen, s. monographisch Beulker, Die Eingriffsnormenproblematik im inter­nationalen Schiedsverfahren, 2005; Wilkens, Eingriffs-

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lichen praktischen Bedeutung dieser Frage enthalten weder das UNCI­T RALModellgesetz255 noch § 1051 ZPO hierfür eine explizite Regelung. Die Verfasser des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes von 1998 betonten: „Daß eine solche Rechtswahl nicht völlig ohne Schranken zugelassen ist (vgl. vor allem Art. 34 EGBGB), versteht sich von selbst und braucht daher im Gesetzestext nicht besonders hervorgehoben zu werden.“256 Welche Eingriffsnormen ggf. zu beachten sind und ob dies nur auf materiellrechtlicher Ebene oder im Wege einer kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung geschieht, ist jedoch alles andere als selbstverständlich. 257 Bei der Abgrenzung zwischen international und lediglich intern zwingendem Recht kann auch außerhalb des Anwendungs­ bereichs der Rom I-VO auf die in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO enthaltene Legaldefinition der Eingriffsnormen (s. o. II.2–5) als Interpretationshilfe zurückgegriffen ­werden. 258 Im Übrigen hängt die Lösung der Eingriffsnormenproblematik in der Schiedsgerichtsbar­keit maßgeblich davon ab, ob man der Rom I-VO eine Bindungswirkung auch für Schiedsgerichte beimisst. 259 Dies ist jedoch abzuleh-

normen im Gesamtsystem der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2012; speziell in Bezug auf die Rom I-VO Czernich RIW 2016, 701 ff.; aus dem internationalen Schrifttum s. insbes. Barrac­lough/Waincymer Melb. J. Int’l L 6 (2005) 205; Bermann Am. Rev. Int’l Arb. 18 (2007) 1 ff.; Radicati di Brozolo Am. Rev. Int’l Arb. 23 (2012) 49 ff.; Schnyder, in: Koller (Hrsg.), Ausgewählte Schriften (2013) 307 ff.; Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12 ff.; zu den rechtstheoretischen Grundlagen ausführlich M. Weller, in: Gottschalk et al. Conflict of Laws in a Globalized World (2007) 243 ff., alle mwN. 255 Art. 28 UNCITRAL-Modellgesetz (abrufbar unter http://www.disarb.org/de/51/ materials/uncitral-modellgesetz-f%C3 %BCr-die-internationale-handelsschiedsge richtsbarkeit-85-id31) lautet: „1. Das Schiedsgericht hat die Streitigkeit in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften zu entscheiden, die von den Parteien als auf den Inhalt des Rechtsstreites für anwendbar bezeichnet worden sind. Die Bezeichnung des Rechts oder der Rechtsordnung eines bestimmten Staates ist, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, als unmittelbare Verweisung auf das materielle Recht dieses Staates und nicht auf sein Kollisionsrecht zu verstehen. 2. Haben die Parteien das anzuwendende Recht nicht bestimmt, so hat das Schiedsgericht das Recht anzuwenden, welches das von ihm für anwendbar erachtete Kollisionsrecht bestimmt. 3. Das Schiedsgericht hat nur dann nach Billigkeit (ex aequo et bono, amiable compositeur) zu entscheiden, wenn die Parteien es ausdrücklich dazu ermächtigt haben. 4. In allen Fällen hat das Schiedsgericht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Vertrags zu entscheiden und die auf das Geschäft anwendbaren Handelsbräuche zu berücksichtigen.“ 256  BT-Drs. 13/5274, 52. 257  Vgl. nur Czernich RIW 2016, 701: Die Frage „gehört zu den umstrittensten Teilgebieten der internationalen Schiedsgerichts­barkeit“. 258  Insoweit zutreffend Czernich RIW 2016, 701, 702; krit. zu dieser Definition aber Mankowski IHR 2008, 133, 147; Rauscher/Thorn Art. 9 Rom I-VO Rn. 7. 259 Befürwortend Czernich RIW 2016, 701 ff.; vgl. auch insoweit noch für die Annahme

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nen. 260 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die von der Haager Konferenz für IPR entwickelten Principles of Choice of Law in International Commercial Contracts (PCLICC)261 sich zwar sowohl an staatliche als auch an Schiedsgerichte wenden (Präambel Nr. 4 PCLICC), hinsichtlich der Beachtlichkeit von Eingriffsnormen aber explizit zwischen staatlichen Gerichten (Art. 11 Abs. 1 und 2 PCLICC) und Schiedsgerichten differenzieren (Art. 11 Abs. 5 PCLICC). Ungeachtet der fehlenden Bindungswirkung dieser Prinzipien ist diese bewusst getroffene Unterscheidung ein starker Anhaltspunkt dafür, dass „one size fits all“ in der internationalen legal community offenbar nicht als sachgerechte Grundlage für die Behandlung der Eingriffsnormenproblematik ange­ sehen wird. Wer dessen ungeachtet eine Bindung von Schiedsgerichten an die Rom I-VO be­jaht, muss die Lösung im Rahmen des Art. 9 Abs. 2 und 3 Rom I-VO suchen. 262

2. Verpflichtung eines Schiedsgerichts zur Beachtung von Eingriffsnormen Trotz erheblicher Kontroversen im Detail und in der rechtstheoretischen Begründung ist heute im Grundsatz allgemein anerkannt, dass auch ein Schiedsgericht zur Beachtung von Eingriffsnormen berechtigt und unter bestimmten Umständen sogar verpflichtet ist.263 Hiervon geht auch Art. 11 Abs. 5 PCLICC aus, ohne insoweit nähere inhaltliche Vorgaben zu machen. 264 Die Regel lautet: „These Principles shall not prevent an arbitral tribunal from applying or taking into account public policy (ordre public), or from applying or taking into account overriding mandatory provisions of a law other than the law chosen by the parties, if the arbitral tribunal is required or entitled to do so.“ Für die Möglichkeit der Berücksichtigung von Eingriffsnormen durch ein Schiedsgericht sprechen vor allem zwei praktische Gründe: Erstens ist ein Schiedsgericht gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Vollstreckbar-

einer Bindung an Art. 34 EGBGB a. F. die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1051 ZPO, vgl. BT-Drs. 13/5274, 52. 260  Eingehend Rauscher/v. Hein (2016) Art. 1 Rom I-VO Rn. 40 ff., mwN zum Streitstand. 261  Principles of Choice of Law in International Commercial Contracts vom 19.3.2015, abgedruckt in RabelsZ 79 (2015) 654 mit einem einführenden Aufsatz von Martiny RabelsZ 79 (2015) 624 ff. 262  Czernich RIW 2016, 701, 703 ff. 263  Von einem „certain level of consensus“ spricht Radicati di Brozolo Am. Rev. Int’l Arb. 23 (2012) 49, 51. 264  Näher hierzu Haager Konferenz für IPR, Commentary on the Principles of Choice of Law in International Commercial Contracts (2015), abrufbar unter https://www.hcch.net/en/ instruments/conventions/full-text/?cid=135#text, Rn. 11.30–11.32; Martiny RabelsZ 79 (2015) 624, 648 f.

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keit eines Schiedsspruchs sicherzustellen. 265 Die Missachtung z. B. einer kartellrechtlichen Eingriffsnorm des Vollzugsstaates würde aber die Durchsetzung des Schiedsspruchs erschweren oder sogar unmöglich machen, da die Gerichte des ersuchten Staates in der Nicht-Anwendung einer aus ihrem Recht (bzw. dem EU-Recht) stammenden Eingriffsnorm regelmäßig einen Verstoß gegen den ordre public i. S. des Art. V Abs. 2 lit. b NYÜ erblicken werden. 266 Zweitens würde es die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit im Allgemeinen und die Schiedsfähigkeit z. B. kartellrechtlicher Streitigkeiten im Besonderen untergraben, wenn Eingriffsnormen im Schiedsverfahren als generell irrelevant angesehen würden. 267 Die Durchführung von Schiedsverfahren auch auf solchen Rechtsgebieten, in denen mit der Anwendung von international zwingendem Recht gerechnet werden muss, hängt davon ab, dass die betroffenen Staaten grundsätzlich auf einen verantwortungsvollen Umgang der Schiedsgerichte mit der ihnen übertragenen Rechtspre­chungsgewalt vertrauen dürfen. 268 Würde diese Erwartung enttäuscht, könnten Staaten hierauf dadurch reagieren, dass sie wirtschaftsrechtlich sensiblen Bereichen generell die Schieds­fähigkeit absprächen oder im Rahmen der ordre-public-Kontrolle eine eingehende révision au fond vornähmen; dies kann aber weder im Interesse der Rechtssuchenden an einer effizienten Streitbeilegung noch im Interesse der an Schiedsverfahren beteiligten Richter sein. 269

3. Eingrenzung der berufenen Eingriffsnormen In der staatlichen Gerichtsbarkeit ist anerkannt, dass jedenfalls die Anknüpfung von Eingriffs­normen der lex fori von einer Rechtswahl unberührt bleibt (s. o. II.1.b). In der Schiedsge­richtsbarkeit stellt sich aber anders als bei staatlichen Gerichten die Frage, welche Rechts­ordnung insoweit überhaupt als lex fori in Betracht kommt. 270 Zwar ist ein Schiedsgericht mit Sitz in Deutschland nach § 1025 Abs. 1 i. V. m. § 1043 Abs. 1 ZPO an das deutsche Schieds­verfahrensrecht gebunden. Daraus kann aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass ein 265 Näher Beulker (Fn. 254), 286 ff.; Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12, 14 ff.; vgl. hierzu auch Haager Konferenz für IPR (Fn. 264) Rn. 11.32. 266 Zur intensiven Kontrolldichte in Bezug auf das EU-Wettbewerbsrecht siehe die Schlussanträge des GA Wathelet in der Rs. C-567/14, Genentech, ECLI:EU:C:2016:177;­ enger (Beschränkung auf offenkundige Verstöße) Radicati di Brozolo Am. Rev. Int’l Arb. 23 (2012), 49, 53 ff. 267  Beulker (Fn. 254) 215 („Eigeninteresse der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit“); Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12, 15 („Protecting arbitration as an institution“). 268  Vgl. eingehend zum EU-Kartellrecht Remien, FS Kropholler (2008) 869 ff. 269  Vgl. zur Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten im Rahmen des EU-Kartellrechts EuGH Slg. 1999, I-3055 – Eco Swiss; EuGH ECLI:EU:C:2016:526 – Genentech. 270 Näher Beulker (Fn. 254) 224 ff.; Schnyder (Fn. 254) 316 f.; insoweit auch Czernich RIW 2016, 701, 703.

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solcher Spruchkörper auch zur Anwendung materieller deutscher Eingriffsnormen verpflichtet ist. 271 Eine solche Erstreckung würde Schiedsgerichte im Hinblick auf die Bindungswirkung forumseigener Eingriffsnormen praktisch auf dieselbe Ebene stellen wie staatliche Gerichte, obwohl Schiedsgerichte keine Organe des Sitzstaates bilden.272 Eine derartige Gleichordnung wird z. B. von der Haager Konferenz für IPR explizit abgelehnt. 273 Ein internationales M&A-Geschäft z. B. kann zudem durchaus Eingriffsnormen auch aus solchen Staaten auf den Plan rufen, in denen nicht der Erfüllungsort des Unternehmenskaufs liegt. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Vollzug des Unternehmenskaufs auf kartell­rechtliche Hürden in einem Staat stößt, auf dessen Wettbewerb sich der Zusammenschluss auswirkt. 274 Ebenso ist denkbar, dass die neue Unternehmensstruktur auf außenwirtschaftliche Hindernisse in einem wichtigen Absatzmarkt stößt, etwa weil dort politische Widerstände gegen Importe aus einem bestimmten Land oder von Unternehmen mit gewissen Anteils­eignern bestehen. Es überrascht nicht, dass die entsprechende Diskussion in erheblichem Maße auf Ansätze zurückgreift, die in Bezug auf die Parallelproblematik der Beachtlichkeit sog. „drittstaatlicher“ Eingriffsnormen vor staatlichen Gerichten entwickelt worden sind. 275 Im Zuge eines Post-M&A-Schiedsverfahrens kommt z. B. eine materiellrechtliche Berücksich­ tigung solcher Eingriffsnormen im Rahmen von sog. MAC-Klauseln (Material Adverse Change) in Betracht. Zwar wird es zum Teil als Vorzug des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gerühmt, dass dieser aufgrund seiner restriktiven Gestaltung der Parteiautonomie einen erheblichen Spielraum lasse. 276 Die Lückenhaftigkeit des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO macht es jedoch, wie oben (II.6.d) gezeigt, notwendig, vor staatlichen Gerichten trotz der Europäisierung des Kollisionsrechts in erheblichem Umfang auf die herkömmliche Methode der materiellrechtlichen Berücksichti­g ung fremder Eingriffsnormen zurückzugreifen. Diese materiellrechtliche Notlösung 271  Beulker (Fn. 254) 224 ff.; Schnyder (Fn. 254) 316 f.; insoweit auch Czernich RIW 2016, 701, 703. 272  Beulker (Fn. 254) 225; Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12, 13 f.; Schnyder (Fn. 254) 316 f.; insoweit auch Czernich RIW 2016, 701, 703. 273  Haager Konferenz für IPR (Fn. 264) Rn. 11.30: „Article 11(5) [PCLICC] reflects the different state of affairs facing arbitral tribunals as opposed to State courts in relation to mandatory rules and public policy. Arbitral tribunals, unlike courts, do not operate as part of the judicial infrastructure of a single legal system, and are subject to a range of legal influences“; a. A. G. Wagner, FS E. Schumann (2001) 535, 552, der ein Schiedsgericht sogar im Hinblick auf nur einfach (!) zwingende Normen i. S. des Art. 29 Abs. 1 EGBGB a. F. (heute Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO) ebenso behandeln will wie ein staatliches Gericht, weil dies der „Preis“ für die Vollstreckbarerklärung schiedsgerichtlicher Entscheidungen sei. 274 Vgl. Remien, FS Kropholler (2008) 869 ff. 275 Eingehend Beulker (Fn. 254) 244 ff.; Czernich RIW 2016, 701, 704 ff.; Schnyder (Fn. 254) 318 ff. 276  Czernich RIW 2016, 701, 705 ff.

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verdeut­licht, dass Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO keinen tauglichen Ansatz für eine rechtssichere und vorhersehbare Lösung der Eingriffsnormenproblematik in der Schiedsgerichtsbarkeit bietet. 277 Es bleibt daher in Schiedsverfahren kein anderer Weg, als unabhängig von den restriktiven Vorgaben der Rom I-VO eine sachgerechte Lösung zu entwickeln. 278

V. Eingriffsnormen im Internationalen Zivilverfahrensrecht 1. Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen Vereinbarungen der Gerichte oder des Gerichts eines Mitgliedstaates sind auch dann an Art. 25 Brüssel Ia-VO zu messen, wenn beide Parteien ihren Wohnsitz in einem Drittstaat haben. Die Prorogation der Gerichte eines Drittstaates fällt hingegen grundsätzlich nicht unter Art. 25 Brüssel Ia-VO, sondern ist nach dem autonomen Recht des angerufenen Gerichts (z. B. §§ 38, 40 ZPO) zu beurteilen.279 Eine Ausnahme muss nach der Rechtsprechung des EuGH aber für die Derogation von Zuständigkeiten zum Schutze einer schwächeren Partei nach Art. 25 Abs. 4 Brüssel Ia-VO gelten. 280 Während im Hinblick auf Verbraucher und Arbeitnehmer gute Gründe dafür sprechen, die Wirksamkeit einer Vereinbarung drittstaatlicher Gerichte einzuschränken, ist fraglich, ob dies auch in Bezug auf Parteien gilt, die weder von der Brüssel Ia-VO noch von §§ 38, 40 ZPO besonders geschützt werden. Insoweit können sich aufgrund des Wertungszusammenhangs des Zivilprozessrechts mit dem europäischen IPR weitere Restriktionen auch der verfahrensrechtlichen Parteiautonomie ergeben, die gerade für das Handels- und Wirtschaftsrecht von größter Bedeutung sind. So hat der BGH entschieden, dass der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands in einem Drittstaat (Virginia, USA) die Wirksamkeit zu versagen ist, wenn ihre Beachtung dazu führen würde, dass der Ausgleichsanspruch eines in der EU tätigen Handelsvertreters nach § 89b HGB unterlaufen würde. 281 Hiermit überträgt der BGH die zum Kollisionsrecht ergangene IngmarEntschei­dung des EuGH (s. o. II.4) auf die internationale Zuständigkeit. 277 Anders

Czernich RIW 2016, 701, 705 ff.

278 Eingehend Beulker (Fn. 254) 244 ff.; Commandeur/Gößling SchiedsVZ 2014, 12, 16 ff.;

Wilkens (Fn. 254), 347 ff. 279 Näher v. Hein RIW 2013, 97, 104; Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl. (2016), Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 13; Schlosser/Hess/Schlosser, Europäisches Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 4, jeweils mwN. 280  EuGH 19.7.2012 – C-154/11 (Mahamdia/Algerien), ECLI:EU:C:2012:491 = RIW 2012, 630 Rn. 65; näher v. Hein RIW 2013, 97, 104; Rauscher/Mankowski (Fn. 279) Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 14, Rn. 174; Schlosser/Hess/Schlosser (Fn. 279) Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 30, jeweils mwN. 281  BGH IHR 2013, 35 = IPRspr. 2012 Nr. 175b = BB 2012, 3103 (LS) krit. Anm. Ayad/ Schnell = GWR 2012, 486 (LS) Anm. Eckhoff; hierzu Antomo IHR 2012, 225 ff.; Basedow,

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Es ist aber nicht selbstverständlich, dass von dieser Einschränkung der kol­ lisionsrecht­lichen Parteiautonomie automatisch auch die freie Wahl eines Gerichtsstandes betroffen ist; die französische Cour de Cassation hat noch im Jahre 2008 diese Frage klar verneint. 282 Die Berufung des BGH auf die acte-­ clair-Doktrin, um eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abzulehnen, 283 ist daher zweifelhaft. Es erscheint zudem – ebenso wie im IPR (s. o. II.4) – widersprüchlich, den Handelsvertreter, der unternehmerisch in aller Regel weitaus erfahrener ist als z. B. ein Verbraucher oder Arbeitnehmer und dem die Brüssel Ia-VO deshalb im Kapitel II bewusst keinen besonderen zuständigkeitsrechtlichen Schutz gewährt, stärker vor der Derogation eines mitgliedstaatlichen Gerichtsstandes zu schützen als diese typischerweise schwächeren Parteien. Dieser Widerspruch droht erst recht, wenn man mit dem EuGH in der Rechtssache Unamar (s. o. II.5) auch innerhalb der EU nationale Vor­schriften, die den von der HV-RL gebotenen Mindeststandard überschreiten, als international zwingend i. S. des Art. 9 Rom I-VO einstuft: Dann könnte möglicherweise nicht einmal mehr innerhalb der EU eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung mit einem Handelsvertreter getroffen werden, sofern damit die Gefahr einer Nicht-Anwendung nationalen Eingriffsrechts durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaates verbunden wäre.284 Zwar wird herkömmlich aus der Umgehung mitgliedstaatlichen Eingriffsrechts kein Derogationsverbot innerhalb der EU abgeleitet. 285 Aber ob die Rechtsprechung der mitgliedstaatlichen Gerichte angesichts der kontinuierlichen Erosion der Parteiautonomie im internationalen Handelsvertreterrecht (s. o. II.4–5) daran auch künftig festhalten wird, 286 bleibt abzuwarten. Ebenso wie der BGH hat überdies der österreichische OGH in Bezug auf eine Schiedsklausel entschieden. 287

FS Magnus (2014) 337 ff.; Hartley, FS Kohler (2018) 171 ff.; ebenso zuvor OLG Stuttgart IHR 2012, 163 = IPRspr. 2012 Nr. 175a; OLG München IPRax 2007, 322, 294 Anm. Rühl. 282 Cass. (1re Ch. civ.) 22.10.2008 (Monster Cable Products inc./Audio Marketing Services), Rev. crit. d.i.p. 2009, 69, 1 Aufs. Bureau/Muir Watt; vgl. auch Cass. com. 18. 1. 2017, Rev. crit. d.i.p. 2017, 269 Anm. Bureau/Muir Watt; nähere rechtsvergleichende Darstellung bei Basedow, FS Magnus (2014) 337, 338 ff. 283  BGH IHR 2013, 35 Rn. 4. 284  Trotz der Rechtsvereinheitlichung durch Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO sind aufgrund dessen generalklauselartiger Weite und der offen formulierten Auslegungleitlinie in Unamar (s. o. II.5) Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten wahrscheinlich. 285  Hartley, FS Kohler (2018) 171, 174; Rauscher/Mankowski (Fn. 279) Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 64 (speziell zu Handelsver­treterverträgen); Schlosser/Hess/Schlosser (Fn. 279) Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 32; vgl. demgegenüber die Überlegungen zu einer Missbrauchskontrolle im Falle der Umgehung nationalen Eingriffsrechts bei Basedow, FS Magnus (2014) 337, 344. 286  Davon geht ersichtlich Hartley, FS Kohler (2018) 171, 174 aus. 287  OGH ZVertriebsR 2017, 397; vgl. zur Problematik auch Semler, FS Wegen (2015) 742, 748.

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2. Urteilsanerkennung Weder das europäische (Art. 45 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) noch das autonome internationale Zivilverfahrensrecht (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthalten besondere Bestimmungen über die Urteilsanerkennung in dem Fall, dass das Ursprungsgericht eine Eingriffsnorm des ersuchten Staates missachtet hat. Die bereits oben (II.1.a) erwähnte historische Verwandtschaft zwi­schen der Vorbehaltsklausel und der Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen zeigt sich aber darin, dass die Nicht-Berücksichtigung einer inländischen Eingriffsnorm durch ein ausländi­ sches Gericht es nach allgemeiner Ansicht rechtfertigen kann, der ausländischen Entschei­dung unter Berufung auf den ordre public (Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) die Anerkennung zu versagen. 288

VI. Ergebnisse und Ausblick 1.  Die Europäisierung des Privat- und Wirtschaftsrechts kann sowohl zu einer Beschränkung als auch zu einer Ausweitung der Anknüpfung inländischer Eingriffsnormen führen: a) Eine Einschränkung der bisherigen ständigen deutschen Rechtsprechung in Bezug auf zwingende Preisregelungen droht durch das anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Bezug auf die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieur­leistungen (HOAI). Insoweit kann das europäische Primärrecht begrenzend auf das IPR einwirken. b) Die Einstufung des im Sekundärrecht wurzelnden Handelsvertreterausgleichsanspruchs als Eingriffsnorm durch den EuGH (Ingmar) bewirkt hingegen eine erhebliche Ausdehnung der Sonderanknüpfung lediglich einfach zwingenden Privatrechts im Verhältnis zu Dritt­staaten; der EuGH verkennt indes hierbei die Abgrenzung von Eingriffsrecht im Allgemein­interesse und bloßem Sonderprivatrecht zum Schutz der schwächeren Vertragspartei. Die unreflektierte Fortführung dieser vor Erlass der Rom I-VO begründeten Rechtsprechung durch den EuGH lässt Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO praktisch leerlaufen und missachtet die Spezialität dieser Kollisionsnorm im Hinblick auf lediglich intern zwingendes EU-Privatrecht. c) Der Rückzug des EuGH (Unamar) auf prozedurale Kriterien (Abwägung, Begründung) in Bezug auf eine Sonderanknüpfung nationaler Eingriffsnormen trotz bereits erfolgter EU-Harmonisierung eines Rechtsgebiets ist, insbesondere im Hinblick auf eine „überschießende“ Umsetzung, unbefriedigend und der Rechtssicherheit abträglich. 288 Näher Michael Becker RabelsZ 60 (1996) 691 ff.; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 34 EuGVO Rn. 17; Rauscher/Mankowski (Fn. 279) Art. 45 Brüssel Ia-VO Rn. 26, jeweils mwN; letztlich auch Hartley, FS Kohler (2018) 171, 178.

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Jan von Hein

2.  Die Behandlung ausländischer Eingriffsnormen ist sowohl in der Rom I- als auch in der Rom II-VO bislang unbefriedigend und lückenhaft geregelt. Die Rom II-VO schweigt insoweit; die Rom I-VO deckt mit der Anknüpfung an den Erfüllungsort in Art. 9 Abs. 3 nur einen Teil der relevanten Sachverhaltskonstellationen ab. 3.  Der Rückgriff des EuGH auf ein materiell-rechtlich fundiertes „Krypto-­ IPR“ (Jessurun d’Oliveira) in der Sache Nikiforidis ist zwar als Notlösung zu begrüßen, führt aber zu einem Verlust an europäischer Rechtseinheit und beeinträchtigt die Rechtssicherheit. Vorzugswürdig wäre eine Revision des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO i. S. des ursprünglichen, an Art. 7 Abs. 1 EVÜ angelehnten Kommissionsvorschlags bzw. Art. 19 schweiz. IPRG. Da die heutige Regelung vor allem aufgrund des Drucks des Vereinigten Königreichs nach dem Vorbild der englischen Rechtsprechung in die Rom I-VO aufgenommen worden war, bietet der bevorstehende Brexit eine Chance, insoweit einen Konsens für eine sachgerechtere Lösung zu erreichen. 4.  In Verfahren vor Schiedsgerichten findet Art. 9 Rom I-VO keine Anwendung, wodurch die Berücksichtigung von Eingriffsnormen aber nicht versperrt wird. Andernfalls wäre die Schiedsfähigkeit wirtschaftsrechtlicher Angelegenheiten gefährdet.

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Wirtschaftsaufsicht durch private Selbst- und Koregulierung – Das Beispiel des Schweizer Finanzmarktrechts Rodolfo Straub

I. Selbstregulierung im Schweizer Finanzmarktrecht 1. Stellung der Selbstregulierung im schweizerischen Finanzmarktrecht Selbstregulierung hat im schweizerischen Rechtsumfeld Tradition. Besonders im schweizeri­schen Finanzmarktrecht spielt sie eine wichtige Rolle. Selbstregulierung verbindet dabei autonome Regelsetzung von Betroffenen mit den staatlichen Gesetzesvorgaben. Die Schweizerische Finanzmarktaufsicht FINMA (FINMA) unterscheidet im Finanzmarkt­recht zwischen der freien, der als Mindeststandard anerkannten und der obligatorischen Selbstregulierung1. Die freie Selbstregulierung erfolgt rein privat und ohne staatliche Mitwirkung, während bei den anderen beiden Formen der Staat mitwirkt. Sie werden deshalb auch als Koregulierung bezeichnet2. Sie fallen zudem in den Aufsichts- und Tätigkeitsbereich der FINMA.

2. Die Selbstregulierung der Börse im Speziellen Die Selbstregulierung der Börsen ist Teil der obligatorischen Selbstregulierung. Auch sie hat lange Tradition. Bereits das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) verlangte von den Börsen die Selbstregulierung. Dieses Gesetz wurde bezüglich der Börsen­regulierung am 1. Januar 2016 vom Finanzmarktinfrastrukturgesetz3 (FinfraG) abgelöst. Das FinfraG übernimmt die Selbstregulierung der Börsen und verankert sie ausführlicher. 1 www.finma.ch/de/dokumentation/selbstregulierung.

2 Dazu etwa Urs Zulauf, Koregulierung statt Selbstregulierung, in: Jung/Schwarze (Hrsg.), Finanzmarktregulierung in der Krise, Tübingen 2014, S. 83 ff. 3  Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz , FinfraG) vom 19. Juni 2015.

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In seiner Botschaft zum FinfraG begründet der Bundesrat die Beibehaltung des Prinzips der Selbstregulierung wie folgt4: „Die Regulierung der Börsen entspricht dabei im Grundsatz der bestehenden Regelung im Börsengesetz. Insbesondere wird das geltende Prinzip der Selbstregulierung beibehalten, das sich in diesem Bereich bewährt hat.“

Die wesentlichen Vorteile der Selbstregulierung sind die folgenden: Sie hat Marktnähe und durch die Mitwirkung der Betroffenen in der Regulierung wird auch deren Fachwissen miteinbezogen. Kurze Entscheidungswege geben Flexibilität. Gerade dieser Aspekt ist in der rasch sich ändernden Welt der Börsen und Finanzmärkte von zentraler Bedeutung. Mit dem Einbezug der Betroffenen wird auch die Akzeptanz in ihrem Kreise gestärkt. Zudem bein­haltet die Selbstregulierung die Gestaltungsfreiheit, angemessene, aber auch angesichts des harten internationalen Wettbewerbs notwendige kostengünstige Lösungen zu etablieren. Diese positiven Aspekte haben im Gesetzgebungsprozess, der zum FinfraG geführt hat, bewirkt, dass die Selbstregulierung der Börsen kaum zur Diskussion stand. Im vorliegenden Beitrag wird die Selbstregulierung der Börsen und ihre Ausgestaltung am Beispiel der Börse SIX Swiss Exchange erläutert und dargestellt. Nach einer kurzen Vorstellung von SIX Swiss Exchange werden der gesetzliche Rahmen, die daraus resul­tierenden Vorgaben und ihre Umsetzung bei SIX Swiss Exchange aufgeführt

II. SIX Swiss Exchange 1. Finanzmarktinfrastrukturanbieter SIX SIX betreibt in der Schweiz eine wettbewerbsfähige Infrastruktur für den Finanzplatz. Dabei werden Dienstleistungen in den vier Bereichen des Wertschriftenhandels, der Wertschriften­abwicklung, der Finanzinformationen und des Zahlungsverkehrs angeboten. Eigentümer von SIX sind die auf dem Schweizer Finanzplatz aktiven in- und ausländischen Banken. Das Unternehmen ist somit im Besitz seiner Nutzer.

2. Die Börse SIX Swiss Exchange SIX Swiss Exchange ist Teil des Bereiches Wertschriftenhandel von SIX. Sie ist eine der wichtigsten europäischen Börsen. Sie verfügt über eine herausragende Liquidität im Handel mit Schweizer Wertschriften und verbindet Un4 

Botschaft zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 3. September 2014, BBl 2014, 7485.

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ternehmen aus der ganzen Welt mit internatio­nalen Investoren und Handels­ teilnehmern. Als Börse ist SIX Swiss Exchange ein organisierter und fairer Markt, der vier ökonomische Funktionen zu erfüllen hat: die Regulierung, die Kotierung, den Handel und das Verbreiten von Marktinformation. Im Rahmen der Regulierungsfunktion ist SIX Swiss Exchange verantwortlich, dass die Vorgaben der Selbstregulierung für die Börsen in der Schweiz erfüllt werden. Die nachfolgend dargestellte Regulierungsorganisation5 zeigt auf, wie SIX Swiss Exchange diesen gerecht wird.

III. Finanzmarktgesetzgebung als Rahmen 1. Struktur der schweizerischen Finanzmarktgesetzgebung Die schweizerische Finanzmarktgesetzgebung umfasst Regeln zu vier Themengebieten: – Aufsicht über die Finanzintermediäre, – Regelung der Finanzmarktinfrastruktur und Regeln für die Marktteilnehmer mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des Marktes, – Formen und Anforderungen an die im Finanzmarkt tätigen Institute sowie deren Bewilligungsvoraussetzungen, – Regeln für Finanzdienstleister, ihre Produkte sowie deren Betrieb und die Beziehung des Finanzintermediärs zum Kunden. Mit dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz FinfraG und den beiden Gesetzen zu den Finanzinstituten (Finanzinstitutsgesetz, FINIG) und zur Finanzdienstleistung (Finanzdienstleistungsgesetz, FIDLEG)6 werden die in diesem Bereich bisher bestehenden Lücken geschlossen. Das FinfraG ist seit dem 1. Januar 2016 in Kraft, während die beiden Gesetzesvorlagen zum FINIG und FIDLEG vom Parlament verabschiedet, aber noch nicht in Kraft sind.

2. Finanzmarktinfrastrukturgesetz Mit der Zielsetzung7, eine einheitliche, an die Entwicklungen des Marktes und an inter­nationale Vorgaben angepasste Regulierung der Finanzmarktinfrastrukturen sowie der Pflichten der Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilneh-

5 

Siehe Kapitel IV. Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) vom 4.11.2015. 7  Botschaft zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 3. September 2014, BBl 2014, 7484. 6 

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mer beim Effekten- und Derivate­handel zu erreichen, wurde das Finanzmarktinfrastrukturgesetz geschaffen. Seine Inkraft­setzung erfolgte am 1. Januar 2016. Das FinfraG gliedert sich in drei Bereiche: es regelt die Finanzmarktinfrastrukturen, das Marktverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Handel und enthält Bestimmungen zum Handel mit Derivaten. Als Finanzmarktinfrastruktur gelten und werden geregelt: – Handelsplätze: Börse, Multilaterales Handelssystem, – Zentrale Gegenpartei, – Zentralverwahrer, – Transaktionsregister, – Zahlungssystem. Das FinfraG regelt die Bewilligungsvoraussetzungen und die Pflichten dieser Finanzmarkt­infrastrukturen. Es enthält zudem besondere Bestimmungen für systemisch bedeutsame Finanzmarktinfrastrukturen (solche sind: Zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Zahlungssysteme). Zudem regelt das FinfraG eine weitere Form des Handels: die „organisierten Handels­systeme“. Diese Systeme sind aber keine Finanzmarktinfrastrukturen, sondern können durch eine Bank oder einen Handelsplatz als interne Dienstleistung betrieben werden. Bei den Vorschriften zum Marktverhalten übernimmt das FinfraG im Wesentlichen die drei Kapitel des BEHG zur Offenlegung von Beteiligungen, zu den öffentlichen Kaufange­boten und zum Insiderhandel und zu den Marktmanipulationen. Da diese Kapitel im Rahmen der Revision des BEHG per 1. Mai 2013 bereits grundsätzlich überarbeitet wurden, sind sie ohne wesentliche Anpassungen überführt worden. Neu sind die Bestimmungen zum Handel mit Derivaten. Sie regeln die Abwicklung über eine zentrale Gegenpartei und die Meldung an das Transaktionsregister. Die im Gesetz bereits enthaltene Pflicht zum Handel solcher Derivate über einen Handelsplatz oder ein organisiertes Handelssystem wird vom Bundesrat erst in Kraft gesetzt, wenn die internationale Ent­wicklung dies anzeigt.

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3. Gesetzlicher Rahmen der Selbstregulierung Das FinfraG übernimmt vom BEHG das Prinzip der Selbstregulierung der Börsen. Grundlage bildet Art. 27 FinfraG. Der Anwendungsbereich wird dabei auf die Handelsplätze ausgedehnt, die als Oberbegriff die Börsen und die multilateralen Handelssysteme umfassen8. Gefordert wird vom Handelsplatz eine eigene, seiner Tätigkeit angemessene Regulierungs- und Überwachungsorganisation. Diese Aufgaben müssen durch unabhängige Stellen wahrgenommen werden. Diese Organisation steht unter der Aufsicht der FINMA. Die durch die Selbstregulierungsorgane erlassenen Reglemente und deren Änderungen sind durch die FINMA zu genehmigen. Sie müssen zudem internationale Standards berücksichtigen. Das Gesetz legt Anforderungen an die Qualifikation der leitenden Personen innerhalb der Selbstregulierungsorganisation fest. Neben der Gewähr für einwandfreie Tätigkeit und den erforderlichen Fachkenntnissen müssen sie einen guten Ruf geniessen. Der Handelsplatz hat die Pflicht, verschiedene Fragestellungen in Reglementen zu regeln. Einerseits hat er eines für die Organisation des Handels (Art. 28 FinfraG), andererseits je ein Zulassungsreglement für Teilnehmer (Art. 34 ­FinfraG) wie auch eines für Effekten zu er­lassen. Die Finanzmarktinfrastrukturverordnung (FinfraV) verlangt in Art. 24 ­FinfraV vom Handelsplatz eine Regulierungs- und Überwachungsorganisation, die folgende Stellen zu umfassen hat: – – – –

eine Stelle für Regulierungsaufgaben, eine Handelsüberwachungsstelle, eine Stelle für die Zulassung von Effekten zum Handel, eine Beschwerdeinstanz.

Zudem enthält dieser Artikel Richtlinien, wie diese Gremien zu besetzen sind. Zusammengefasst sind die rechtlichen Grundlagen der Selbstregulierung auf Gesetzesstufe im FinfraG und auf Verordnungsstufe in der FinfraV und der Finanzmarktinfrastrukturverord­nung der FINMA, der FinfraV-FINMA, zu finden. Auf dieser Basis hat SIX Swiss Exchange ein Handelsreglement inkl. der Regelung der Zulassung von Teilnehmern mit Weisungen, ein Kotierungsreglement mit Zusatzreglementen und Richtlinien sowie ein Meldereglement erlassen.

8 Siehe dazu Rodolfo Straub, Neupositionierung der Selbstregulierung der Börse im ­ infraG, in: Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und Finanzmarktrechts, FestF schrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Geburtstag, Zürich 2017, S. 515 ff.

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IV. Selbstregulierung bei SIX Swiss Exchange 1. Organisation a) Regulatorische Organe Die Regulatorischen Organe von SIX sind für die Regulierung und die Überwachung der Handelsplätze der Gruppe, d. h. SIX Swiss Exchange, SIX Corporate Bonds und SIX Repo, verantwortlich. Sie sind zuständig für die Regelsetzung, deren Umsetzung, die Überwachung der Einhaltung und die Durchsetzung der Regeln gegenüber Emittenten und Teilnehmern. Diese Aufgaben teilen sich drei Organe: – Regulatory Board Es ist im Rahmen der gesetzlichen Selbstregulierungspflichten das oberste Recht­ setzungsorgan. Es setzt Recht für Emittenten, Teilnehmer und ­Händler. – SIX Exchange Regulation AG SIX Exchange Regulation AG ist als exekutives Element für die Umsetzung der Regeln, die Überwachung der Einhaltung und die Durchsetzung verantwortlich. – Judikative Bestehend aus der Beschwerdeinstanz, der Sanktionskommission und dem Schieds­gericht. Um die nötige Unabhängigkeit dieser Organe sicherzustellen, ist das Regulatory Board auf gleicher Stufe wie der Verwaltungsrat der SIX Group AG angesiedelt. Ausserdem rapportiert der Head SIX Exchange Regulation direkt dem Präsidenten des Verwaltungsrates der SIX Group AG. Ebenso sind die judikativen Organe von den exekutiven Gremien von SIX und den Handelsplätzen von SIX unabhängig. Die Regulatorischen Organe unterstehen zudem in regulatorischen Belangen keinen Weisungen der SIX Group AG, ihrer Tochtergesellschaften oder von Handelsplätzen, welche die Dienstleistungen der Regulatorischen Organe beanspru­chen. Das nachstehende Schaubild veranschaulicht den beschriebenen Ansatz9:

9  Detaillierte Angaben zur Selbstregulierung von SIX sowie alle Reglemente und Publikationen finden sich auf www.six-exchange-regulation.com.

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SIX Exchange Regulation AG

b) Regelwerk Das FinfraG verpflichtet den Handelsplatz zum Erlass verschiedener Reglemente10. Pro Handelsplatz von SIX hat das Regulatory Board je zwei Regula­ rienpakete erlassen: einen für die Organisation des Handels inkl. der Zulassung von Teilnehmern und einen für die Zulas­sung von Effekten. Teilnehmer und Emittenten akzeptieren diese Regelwerke entweder mit Abschluss des Teilnehmervertrages oder mittels einer Zustimmungserklärung im Rahmen des Kotierungs- bzw. Zulassungsverfahrens von Effekten.

2. Enforcement a) Handelsüberwachung Jeder Handelsplatz hat eine unabhängige Handelsüberwachungsstelle zu etablieren (Art. 27 FinfraG, Art. 24 FinfraV). Art. 31 FinfraG und Art. 32 FinfraV regeln die Aufgaben dieser Stelle und halten fest, dass sie so ausgerüstet sein muss, dass sie diese Aufgaben erfüllen kann. Art. 32 FinfraG regelt neu die Zusammenarbeit zwischen Handelsüberwachungsstellen und zwar unter schweizerischen Überwachungsstellen unter gewissen Voraussetzungen als zwingend

10 

Vgl. oben III. 3.

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und mit ausländischen Überwachungsstellen als Kompetenznorm zum Abschluss einer gegenseitigen Informationsaustauschvereinbarung. Surveillance & Enforcement (SVE), ein Bereich von SIX Exchange Regulation, ist verant­wortlich für die Überwachung des Handels an SIX Swiss Ex­ change, SIX Corporate Bonds und SIX Repo im Hinblick auf die Einhaltung der reglementarischen und gesetzlichen Bestimmungen. Damit ergibt sich eine einheitliche Überwachung aller Handelsplätze von SIX. Bei Verstössen gegen die Handelsreglemente der Handelsplätze kann SVE selbst Sank­tionsmassnahmen gegen registrierte Händler ergreifen bzw. gegen Teilnehmer Antrag an die Sanktionskommission stellen. Bei einem erhärteten Verdacht auf Gesetzesverletzungen (Ausnützen von Insiderinformationen bzw. Marktmanipulation) oder „sonstige Missstände“ werden die Ergebnisse der Untersuchungen der FINMA bzw. der Schweizer Bundesanwalt­schaft weitergeleitet. SVE steht in regelmässigem Kontakt mit der FINMA. b) Judikative Instanzen Die Sanktionskommission verhängt nach dem in der Verfahrensordnung geregelten Verfahren Sanktionen. Rechtsmittelinstanz bei Verweigerung der Zulassung eines Teilnehmers oder der Effekten­zulassung sowie bei Ausschluss eines Teilnehmers oder Widerruf einer Effektenzulassung ist die unabhängige Beschwerdeinstanz gemäss Art. 37 FinfraG. Streitigkeiten von Emittenten und Teilnehmern mit den Handelsplätzen der SIX oder den Regulatorischen Organen werden ausschliesslich und endgültig von einem Schiedsgericht entschieden. c) Verfahren Der Ablauf der Verfahren lehnt sich an denjenigen gerichtlicher Verfahren an. Er ist in einer Verfahrensordnung festgelegt. Untersuchende und beantragende Instanz ist dabei SIX Exchange Regulation. Bereits in der Phase der Abklärungen seitens SIX Exchange Regulation ist der Emittent, Teilnehmer oder Händler zur Mitwirkung verpflichtet. Liegen genügend Hinweise auf ein sanktionswürdiges Verhalten vor, wird formell eine Untersuchung eingeleitet. Diese endet entweder in einer Einstellung, einer Einigung, einem Sanktionsbescheid oder mit einem Sanktionsantrag an die Sanktionskommission.

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Nach erfolgtem Sanktionsantrag wird das Verfahren vor der Sanktionskommission weitergeführt. Es kann nach Entscheid der Sanktionskommission an das SIX Schiedsgericht weitergezogen werden. Vergleichbar läuft das Verfahren vor der Beschwerdeinstanz. Alle Verfahren sind schriftlich. d) Sanktionen Als Sanktionen, nachstehend als Beispiel gegen Emittenten, stehen gemäss Kotierungs­reglement den judikativen Organen folgende Mittel zur Verfügung: – Verweis, – Busse von bis zu CHF 10 Mio. bei Vorsatz, bis zu CHF 1 Mio. bei Fahrlässigkeit, – Sistierung des Handels, – Dekotierung, – Ausschluss des Emittenten von weiteren Kotierungen. SIX Exchange Regulation arbeitet auch mit Comment Letter, Warn- und Mahnbriefen, um Emittenten, Teilnehmer und Händler konstant auf die Einhaltung ihrer Pflichten aufmerksam zu machen. Allfällige Bussen aus Sanktionsverfahren werden nach einer speziellen Bussenverordnung verwendet. Die Leitung von SIX Exchange Regulation spricht diese Mittel entweder für Forschungsprojekte im Finanzbereich oder für karitative Zwecke. e) Kommunikation Grundsätzlich erfolgt sowohl eine Kommunikation der Untersuchungseröffnung wie auch des Entscheides, sei es in Form einer Einstellung der Untersuchung, einer Einigung oder einer Sanktion. Die Sanktionskommission wie auch SIX Exchange Regulation veröffentlichen rechts­kräftig gewordene Sanktionsentscheide/-bescheide in anonymisierter Form auf der Webseite von SIX Exchange Regulation11.

11  www.six-exchange-regulation.com/de/home/publications/explorer/sanction-decisions. html.

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V. Schlussbemerkungen Mit dem FinfraG werden die Grundelemente der Selbstregulierung der Börsen, wie sie im BEHG verankert waren, umfassender verankert und mit bewährten Elementen der Praxis verbunden. Die gesetzliche Regelung gibt den Rahmen vor und lässt darin nach wie vor den nötigen Gestaltungsspielraum. Damit wird die Basis gelegt, die bewährte Praxis weiter zu leben. Richtig umgesetzt, können sich nämlich die Selbstregulierung und ihre Organe jederzeit mit anderen, mehr staatlich geprägten Regulierungsansätzen messen. Die dargestellte Selbstregulierung der Börse am Beispiel von SIX Swiss Exchange ist eine gelebte Form der Koregulierung im schweizerischen Finanzmarktrecht.

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The American Class Action – Private Law Enforcement At Work? Peter L. Murray Both in Europe and America civil litigation plays two important roles in modern legal and political cultures. One of these is the enforcement of private rights and the protection of private legal expectancies created by contract or law. The other is implementing and promoting public policies that lie behind the legal rules being applied in the “private” litigation. So, for instance, a suit to recover damages arising out of an automobile accident seeks to make the claimant whole based on the legal rules regulating safe driving and, at the same time, seeks to promote the public policy behind those rules by requiring a defendant who do not comply with these rules to bear the costs occasioned by non-compliance. To be sure, the relative importance of these two main purposes varies both within and among legal cultures. In some contexts, such as simple enforcement of purely private business contracts, the “private” purpose of civil litigation seems predominant. In others, such as suits to restrain competition law violations, the enforcement of public norms may be at least equally important. In general, the European legal culture tends to lay more emphasis on the private purpose of civil litigation, while the American legal culture purports to rely more on private litigation as an instrument for the effectuation of public policies.1 A serious limitation on the effectiveness of civil litigation to vouchsafe private rights or effectuate public policies is the cost of instituting, maintaining and defending lawsuits. If the amount at stake is relatively large, parties are more willing to invest in litigation than is the case for claims relatively small in amount. Partial reimbursement of attorneys’ fees may mitigate the burden on private parties who seek to enforce public policy in the civil courts. 2 However in the 1 See, for example, Peter L. Murray, Private Rechtdurchsetzung als Instrument gesellschaftlicher Steuerung – Ein Zukunftsmodell für Europa?, in: Bitburger Gespräche in München, Band 6 (2016), p. 27. 2  If a successful defendant can also recover attorneys’ fees, it is arguable that the net effect of attorneys’ fee reimbursement may be to discourage litigation by individuals against large and financially strong defendants to enforce public policies. Some statutes provide reimbursement of attorneys’ fees primarily or solely to successful claimants. E.g. 42 U.S. C. §1988(b)

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United States reimbursement of attorneys’ fees is the exception rather than the rule. In most cases litigants must bear their own attorneys’ fees, win or lose. The current relatively high cost to conduct civil litigation raises serious impediments to the enforcement of public policies in cases with potential recoveries that will not support litigation costs. Does this mean that private claims below the litigation cost threshold are simply unenforceable? Do we have to rely on public enforcement only for breaches of legal norms that cause only minor damage to private parties? There are some mechanisms in use in Europe to address this challenge, including the “interest group” complaint (Verbandsklage) that has been blessed by European Union Directive.3 In the United States we have developed and continue to rely on various forms of “class actions” to aggregate certain kinds of highly similar individual claims in order to obtain effective private redress and to provide meaningful enforcement of public norms in a number of different situations. Although in certain kinds of case, American class action procedures can be effective for both litigation purposes, in many others the class action shows serious limitations that have sparked numerous, but not always successful, reform initiatives over the years.

I. Development of the American Class Action Anglo-American as well as European civil justice has historically focused on legal claims by individual plaintiffs against individual defendants. However, starting in the 17th century English equity courts would occasionally entertain suits that were brought by representatives of groups of highly similar claimants who consented to collective disposition of their individual claims.4 Although the practice never became widespread, it was picked up in the Federal Equity Rules at the end of the 19th century5 and was included in 1938 in the original codification of the Federal Rules of Civil Procedure.6 (award of attorneys’ fees to “prevailing party” in action for violation of civil rights), which has been interpreted to allow attorneys’ fees to defendants only in extraordinary cases. 3  See Eur. Parl. and Council Direvtive 98/27, 1998 O.J. (L 166) 51; Harald Koch, Non-Class Group Litigation Under EU and German Law, 11 Duke Journal of Comparative & International Law 355 (2001). 4 The “bill of peace” procedure permitted a representative to bring an action in behalf of a group of consenting similarly situated members provided that the number of members was too large for joinder, that their claims shared a common subject matter, and that the representative could adequately represent the claims. The outcome was binding on not only the representative parties but also the absent members of the represented group. See, e.g. Thomas D. Rowe, Jr., A Distant Mirror, The Bill of Peace in Early American Mass Torts and Its Implications for Modern Class Actions, 39 Arizona Law Review 711 (1997). 5  Federal Equity Rule 38 (now superseded by the Federal Rules of Civil Procedure). 6  The Federal Rules of Civil Procedure were first adopted pursuant to enabling legislation

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Original Federal Rule 23 provided for an “opt in” class. That is, the complaint would describe a class of claimants in whose behalf the action was brought. If the court determined that the claims had a high degree of similarity and that they could be effectively presented and adjudicated collectively, notice would be given to the potential class members, who would be able to “opt into” the class within a specified time period. Parties opting into the class would share the benefits of the class recovery and would be bound by any unfavorable outcome of the litigation as well. Parties who did not join would be unaffected. The idea was that litigating highly similar claims together as a class would maximize efficient utilization of legal resources and would make it possible collectively to enforce claims that were each too small to support its own suit. Class actions that amalgamated many of such claims could also present exposures large enough to gain the attention of potential defendants and thus serve as more effective instruments of enforcement of public policies. “Opt in” class litigation under original F. R. Civ. P. 23 failed to attract many litigants. Too few potential claimants bothered to fill out and submit opt-in forms when notified of class actions of which they were potential members. F. R. Civ. P. 23 was rewritten in the 1966 Federal Rules Amendments to provide for formation and certification of claimant classes from which individual claimants could “opt out” after receiving appropriate notice. Any potential claimant within the described class who did not opt out would be entitled to the benefits of the action and be bound by its outcome, favorable or not.7

II. Subject Matters of Class Litigation As originally conceived, class actions offered plaintiffs with highly similar “cookie cutter” claims the opportunity to gain relief without the need to litigate each claim separately. For example, “Truth in Lending” legislation, enacted shortly after the 1966 Amendments to the Rules of Civil Procedure, entitled bank customers to arbitrary damages in small fixed dollar amounts upon proof of failure of the bank’s forms to comply with the requirements of the Act.8 Truth in Lending claims were tailor-made for class actions and several were brought and adjudicated under that Act.9 by the United States Supreme Court in 1937 and became effective September 16, 1938. These rules have been frequently amended since and continue to regulate procedure in civil actions in the United States District Courts. They are cited as “F.R.Civ.P.”. 7  For a contemporaneous explanation of the change, see Sherman L. Cohn, The New ­Rules of Civil Procedure, 54 Georgetown Law Journal 1204, 1213–1229 (1966). 8  Consumer Credit Protection Act, P. L. 90–321, enacted May 29, 1968, codified at 15 U.S.C. §§ 1601 et seq. 9  For a discussion of the purposes and the background of the Consumer Credit Protection

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Class actions have also been brought in environmental cases, often resulting in injunctions or consent judgments restraining the defendant from the unlawful conduct at issue.10 Class actions for personal injuries sustained by reason of environmental pollution are much harder to maintain because of the varying degrees of damage of individuals affected by the pollution.11 Currently, one encounters class actions frequently in cases of financial and securities fraud that affect large numbers of claimants. A good example is the recent Wells Fargo scandal in which bank employees opened millions of accounts for customers without their request, authorization or knowledge. This has given rise to a spate of class actions seeking redress in behalf of the victims of the fraud.12 Another large area of class action activity is the “fraud on the market” securities cases, in which management or the Board of Directors of a public company fails accurately to disclose publicly information known to them that would be of consequence to the value of the company’s securities on the public exchanges. In the 1980’s and 1990’s enterprising plaintiffs’ law firms brought numerous such claims against public companies and their officers and directors in behalf of unknowing shareholders.13 This “plague” of securities class actions has given rise to legislation and case law designed to raise the hurdle to alleging and maintaining such claims.14 Class actions are also now considered for mass cases of tort, including personal injury cases. For many years such claims were considered ineligible for class action treatment because of the inherent variety of the damage claims of the individual victims. About 30 years ago federal courts began to certify class

Act, see Elizabeth Renuart and Diane E. Thompson, The Truth, the Whole Trust, and Noth­ ing but the Truth; Fulfilling the Promise of Truth in Lending, 25 Yale J. on Reg. 181 (2008). 10 See, e.g. Vivian Adler, The Viability of Class Actions in Environmental Litigation, 2 Ecology L. Q. 533 (1972). 11 See, e.g., Parko v. Shell Oil, Co., 2013 WL 4721382 (S.D. Ill. Sept. 3, 2013), rev’d, 739 F.3d 1083 (7th Cir. 2014). 12  The various class actions were consolidated in the Northern District of California under the title Jabbari et al. v. Wells Fargo & Company et al., Docket No. 3:15-CV-02159. On July 10, 2017 the U.S. District Judge approved a settlement of $142 Million to be distributed among the members of the class. 13  For a discussion of the role of these actions as regulation of disclosures on securities markets, see, S. Zachary Starr, Fraud on the Market and the Substantive Theory of Class Actions, 65 St. John’s L Rev. 441 (1991); Elizabeth C. Burch, Securities Class Actions as Pragmatic Ex Post Regulation, 3 Ga. L. Rev. 63 (2008). 14  E.g., Private Securities Litigation Reform Act of 1995, Pub. L. 104-67, 109 State. 737; Ashcroft v. Iqbal, 556 U.S. 662 (2009) (class action complaint must set forth “plausible factual allegations”); Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U. S. 544 (2007) (heightening pleading standards for class actions). For an analysis of the Private Securities Litigation Reform Act of 1995, see Jill E. Fisch, Class Action Reform; Lessons from Securities Litigation, 39 Arizona Law Review 533 (1997).

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actions for purposes of determination of liability from mass torts, with damages to be dealt with later on an individual basis. An early example of this approach is the 1980’s Agent Orange litigation, where a U.S. District Judge certified a class of plaintiffs who alleged that Dow Chemical Company had negligently failed to apprise them of the risks of exposure to Agent Orange defoliant while they were serving as soldiers in Vietnam, and that their contact with this substance had caused them various kinds of injury.15 A more recent example arose from the Kaprun ski train accident. In that case American lawyers argued, in vain, that the availability of class action procedures in the United States meant that the U.S. was the most convenient jurisdiction to litigate the many personal injury and death claims stemming from that disaster.16 Sometimes the actual damages suffered by the class members are relatively insignificant, but the defendant’s misconduct is relatively egregious. In such a case the teeth of the class action can be sharpened by including claims for punitive damages.17 Where we do not see class actions any more are in the areas of consumer contract and product warranty claims. Based on a series of Supreme Court decisions starting in the 1980’s, securities dealers, utilities, product manufacturers, and any business with mass consumer relationships have included arbitration clauses in their printed contract forms.18 These have been held valid, and have removed virtually all consumer contract litigation from the ordinary courts. A temporary doubt about whether arbitration clauses could bar class actions was resolved by the Supreme Court in 2000) against class actions and in favor of compulsory arbitration.19 A huge number of cases that were once considered as ideal candidates for class procedures have been effectively barred from the remedy. 20

15 

In re Agent Orange Product Liability, 611 F. Supp. 2d 1267 (E.D.N.Y. 1985), aff’d 818 F. 2d 187 (2nd Cir. 1987). 16  In re Ski Train Fire in Kaprun, Austria, 499 F. Supp. 2d 437 (2007) (availability of class action remedy not sufficient local advantage to overcome forum non conveniens). 17 See BMW of North America v. Gore, 517 U.S. 559 (1996) for a discussion of the history of punitive damages in American jurisprudence; Note, Punitive Damages and the Supreme Court’s Reasonable Relationship Test; Ignoring the Economics of Deterrence, 19 St. John’s J. Legal Commentary 237 (2005). 18  For a discussion of the growth of private arbitration and its displacement of civil litigation in consumer disputes, see Peter L. Murray, The Privatization of Civil Justice, 12 Zeitschrift für Zivilprozessrecht, Int. 283 (2007) and sources therein cited. 19  A.T. & T. Mobility v. Conception, 563 U.S. 333 (2011). 20 See, for example, “Arbitration Everywhere, Stacking the Deck of Justice,” New York Times, Sunday, November 1, 2015, page 1. Very recently the United States Consumer Financial Protection Board has issued a new rule under the authority of the Dodd Frank Act that prohibits certain providers of consumer financial services from using an arbitration clause to prevent its customers from participating in a class action concerning such services. See 12 CFR Part 1040, Docket No. CFPB-2016–0020, press release dated July 10, 2017.

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III. Class Action Procedure Rule 23, which has been periodically amended and tinkered with since 1966, provides for a two-step process by which a putative class action can be certified and the members of the class notified of their opt-out rights. Under Rule 23(a), one or more members of a defined class can sue (or be sued) as representative parties on behalf of all class members, if 1) the class is so numerous that joinder of all members is impracticable, 2) there are questions of fact or law common to the class, 3) the claims and defenses of the representative parties are typical of the claims or defenses of the class, and 4) the representative parties will fairly and adequately protect the interests of the class. These prerequisites must be alleged in the class action complaint. Once a putative class action complaint has been filed, the trial court holds a hearing to determine whether one of the additional tests set forth in Rule 23(b) is satisfied so that the action can be certified as a class action. These are in the alternative. Subdivision (b)(1) describes cases in which individual litigation would give rise to risk of inconsistent judgments or judgments that might affect other class members. Subdivision (b)(2) cases are those where the defendant’s conduct applies generally to the class members and injunctive or declaratory relief would be appropriate for the entire class. The most common class actions are Rule 23(b) (3) class actions, in which certification is based on a finding that the common factual or legal questions predominate and that a class action is superior to other available methods for fairly and efficiently adjudicating the controversy.21 Key to the class action certification is selection of lead or representative plaintiffs and the lawyers who will represent them and the class as a whole. Plaintiff class action litigation has become a specialty within the American bar, and in many cases of mass harm or breach of contract, groups of plaintiffs and their respective lawyers will vie to be named the representative plaintiffs and their counsel. Often a mass event, such as a financial fraud or security breach will give rise to several putative class actions in different federal or occasionally even state courts.22 In these circumstances, the Judicial Panel on Multidistrict Litigation 23 21  For a comprehensive survey and discussion of the state of American class actions at the turn of the 21st century see, Deborah Hensler, et al., Class Actions Dilemmas; Pursuing Public Goals for Private Gain, (Rand Institute for Civil Justice 2000). 22  The Class Action Fairness Act of 2005 dramatically reduced class action practice in state courts by conferring jurisdiction on Federal Courts of most class actions with aggregate amounts in controversy of $5 Million or more and minimal diversity among the parties. 28 U.S.C. §1407. 23  The Judicial Panel on Multidistrict Litigation was established by federal statute in 1968 (28 U.S.C. §1407) to “determine whether civil actions pending in different federal districts involve one or more common questions of fact such that the actions should be transferred to one federal district for coordinated or consolidated pretrial proceedings; and (2) select the judge or judges and court assigned to conduct such proceedings.” Website of Judicial Panel on Mul-

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consolidates all of the class actions that have overlapping class designations and common defendants into a single action in a single federal district. The U.S. District Judge assigned to handle the consolidated cases will be required to fashion a definition of a qualifying class and appoint from all of the plaintiffs and l­ awyers a plaintiff or group of plaintiffs and a lawyer or team of lawyers to represent the consolidated class. 24 Class action plaintiffs’ lawyers have to be ready to invest substantial amounts of their own money to fund the early stages of class action litigation, particularly the notices that are required to be given to the members of the class. Taking and providing discovery can also be an expensive proposition, particularly if the amount at stake has been magnified by the certification of a large class of claimants. Some law firms have yielded to the temptation to engage individuals to purchase small numbers of shares of a large number of securities issuers so that they can be ready plaintiffs for an event that might generate class action liability. 25 Suffice it to say that the positions of lead plaintiffs’ counsel and members of the plaintiffs’ litigation team in a certified class action are subjects of energetic competition in any class action of significance. 26 Following the certification of the class, notice must be given to the members of the class advising them that they are included within the class and that they have the right to opt out, usually by returning an appropriate form within a specified time. 27 The form and means of notice are approved by the court in the certification process. 28 There is no requirement of personal service, or even individual mail notice in every case. The idea is that the means of notice must be reasonably calculated to reach as many of the potential class members as possible under the circumstances. Currently various forms of e-mail, web site and even Facebook forms of notice are being utilized. Persons opting out of the class are not bound by the outcome of the class action and are not entitled to participate in any class action settlement. 29 They are free to bring their own individual actions if they choose to do so. tidistrict Litigation, http://www.jpml.uscourts.gov/overview-panel-0 (July 14, 2017). It consists of 7 sitting federal judges appointed by the Chief Justice of the United States. 24  F. R. Civ. P. 23(c)(1). 25  In 2008 well-known securities class action lawyer Melvyn Weiss was convicted and sentenced to 2½ years’ imprisonment for this kind of misconduct. Nathan Koppel, “Class-Action King Weiss to Plead Guilty to Conspiracy”. The Wall Street Journal. March 21, 2008. 26  F. R. Civ. P. 23(g) sets forth the criteria for appointment as class counsel including i.) work already done to identify and investigate the claims being asserted, ii) counsel’s experience in handling class actions and the kinds of claims being asserted, iii) counsel’s knowledge of the law and iv) the financial and other resources that counsel will commit to representing the class. 27  F. R. Civ. P. 23(c)(2). 28  The minimum contents of the notice are set forth in F. R. Civ. P. 23(c)(2). 29  F. R. Civ. P. 23(c)(3).

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Once certified, the litigation proceeds, in theory at least, as any civil action.30 The representative plaintiffs are treated like the actual plaintiffs and are subject to discovery concerning their claims. The defendant is similarly subject to discovery. In many cases motions for summary judgment challenge the plaintiffs’ legal theory or the likely sufficiency of the plaintiff’s evidence.31 Ultimately, the case would be scheduled for trial as any other civil action.

IV. Class Action Settlements With the number of class actions that are commenced in U.S. District Courts across the country, one would think that there would be a growing body of class action judgments that address the complex issues of determining and allocating relief among a large number of claimants. In fact, actual contested judgments for damages in an American class action are very rare. While some judgments for equitable relief, such as injunctions against environ­mental abuses or employment discrimination are the result of class action procedures, almost all class actions seeking damages are settled. And in fact, almost all cases are brought and the classes are certified with a settlement, not a trial and judgment, as the desired end point. This circumstances is not only the result of the American “settle­ ment culture” in litigation, but also reflects the extreme difficulty of finding a judicially reputable means of calculating and allocating money damages among large numbers of victims of anything but the simplest kind of harm. In cases in which there is a plausible showing of potential liability of some kind, whether merely stated in the complaint or following discovery and motion for summary judgment, both defendant and plaintiffs are strongly motivated to reach a settlement as soon as possible. Some class action settlements are negotiated even before the class is certified, so that the certification proceedings are, in effect by consent. Defendants find class action settlements attractive because all potential claimants within the definition of the class who have not expressly opted out are bound by the settlement and are barred from any future suit on their own. A class action settlement thus provides a defendant with a kind of absolution. Recognizing this reality, much of the recent controversy and efforts at reform of class action procedure has focused on the settlement process. In a class action, 30 See,

F. R. CIv. P. 23(d). In many environmental or drug safety class actions, there is a genuine issue as to whether the environmental condition or drug at issue was likely causative of the injuries suffered by the claimants. If the plaintiffs’ evidence on this issue is legally inadmissible or insufficient to support a finding, the case could be subject to dismissal. The leading U.S. case on admissibility of expert testimony was such a case. Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579 (1993). See also, General Electric Co. v, Joiner, 522 U.S. 136 (1997). 31 

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the lawyers for the representative plaintiffs are really lawyers without clients. It is the lawyers, not the representative party, who have the most at stake in the action, and the temptation to settle the case to benefit the lawyers rather than the ostensible class of clients is very real. Defendants know this, and are ready to structure settlements that include generous fees to the lawyers, but relative little of value for the members of the class. In products liability cases the practice of “coupon” settlements developed. The defendant would pay the lawyers’ fees and issue to any class members who applied coupons entitling them to discounts on purchases of the defendant’s products, including those that had sparked the action in the first place!32 Although Rule 23 has always provided that any settlement of a class action must be approved by the trial judge, as a matter of practice, trial judges have tended seldom to interfere with settlements reached between competent plaintiffs’ and defense counsel. In 2005 Congress enacted the Class Action Fairness Act, which explicitly requires the trial judge to determine the actual benefits conferred on the class members by a proposed settlement in relation to the attorneys’ fees to be paid to class counsel, and to reduce those fees when found to be disproportionate to the benefit conferred.33 However this may be more easily said than done. American trial judges are accustomed to rely on opposing presentations by adverse parties to illuminated disputes of fact. When the parties present something to the court that they have agreed on, it is hard for the judge to undertake fact finding on her own. In many cases of demonstrable harmful misconduct, it is often really hard to find a way to allocate and distribute funds to a large number of potential claimants, most of whom may well be factually ignorant of the proceeding or their claim. In order to make the remedy of the class action more real in some way, class action settlements have been structured so that unclaimed settlement proceeds are paid over cy pres to a charity dedicated to aims with which one can assume the potential claimants would agree.34 The idea is to provide some perhaps indirect benefit to injured class members and make sure that the defendant pays the full negotiated settlement amount to someone, if not each individual class member. This practice becomes legally dubious if the charity bears little relationship to the litigation.35 Recently the U.S. Attorney General, ordered that in cases involving the federal government, unclaimed class action settlement funds 32 See, e.g., Steven B. Hantler and Robert E. Norton, Coupon Settlements: The Em­peror’s Clothes of Class Actions, 18 Geo. J. Legal Ethics 1343 (2005); Christopher Leslie, A Market-Based Approach to Coupon Settlements in Antitrust and Consumer Class Action Settlements, 49 UCLA L. Rev. 991 (2002). 33  Class Action Fairness Act of 2005, 28 U.S.C. §§1407, 1712–1713. 34  See generally, John Goodlander, Cy Pres Settlements, Problems Associated with the Judiciary’s Role and Suggested Solutions, 56 B.C. L. Rev. 733 (2015). 35  Nachshin v. AOL, 663 F.3d 1034 (9th Cir. 2011).

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should not be paid to charities, but should be paid over to the U.S. Government. 36 Class actions continue to attract reform proposals in the U.S. Congress. The most recent one, introduced in the House of Representatives shortly after the inauguration of the Trump administration, seeks to raise the hurdle to both initiation and maintenance of class actions by requiring that all class members have highly similar damages claims as well as grounds for liability, by prohibiting class actions by persons related to other class action plaintiffs or class counsel, and requiring that a class action plaintiff demonstrate the feasibility of implementing class-wide relief at an early stage of the proceedings.37

V. The Ultimate Utility of Class Actions To utilize an American expression, “the verdict is still out” on whether class actions are viable means of collectivizing civil claims to gain efficiency in adjudication and clout in dealing with opposing parties, or whether they are more in the nature of procedural games to be played by entrepreneurial lawyers and mass-market defendants largely for their own mutual advantages.38 On the one hand, the class action procedure does still permit litigants with highly similar claims not barred by arbitration clauses to sue collectively and obtain some kind of redress. Big commercial and environmental actors whose misconduct has caused relatively small harms to many victims can be held civilly accountable to these victims as a group even though the amounts of individual damage would not support individual suits. In suits where the plaintiffs’ damage and liability claims are in fact identical, or nearly so, and the costs of litigation are manageable, one can expect, theoretically at least, that the class action procedure can provide efficient justice through final judgment. In the many cases where individual damages are varied or difficult to prove (including almost all mass tort, environmental, and products liability cases) the class action procedure does provide a way for the claims to be assembled and formally asserted, a mechanism for some issues of collective liability to be determined, and then a path to negotiation of a more or less arbitrary damages settlement. While such settlements may lack the precision usually associated with individuali­zed civil justice, in many cases the alternative would be no reimbursement for any claimant and no accountability for the defendant. 36 U.S. Department

of Justice, Press Release No. 17–613 (June 7, 2017). in Class Action Litigation Act of 2017, H.R. 985. This legislation passed the House of Representatives in March 2017 and is currently pending before the U.S. Senate. 38  For an effort to study various advantages and drawbacks of American class action procedure, see Deborah R. Hensler, et al., Class Actions Dilemmas; Pursuing Public Goals for Private Gain (Rand Corporation 2000). 37  Fairness

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On the other hand, the current realities that the nominal parties to the litigation have no real role maintaining the suit, and that the settlements almost all of the cases do not expressly vindicate the claimants’ legal rights, mean that one of the fundamental purposes of civil litigation, to achieve vindication of parties’ rights according to law, is seriously blurred. For defendants, class actions are often perceived as costs of doing business, with the settlements providing the incidental benefit of universal protection against individual claims. The main structural weaknesses of the class action procedure appear to be the lack of a real client to direct the litigation from the side of the claimant group. Representative plaintiffs’ lawyers are in impossible positions without real clients to direct their activities, set their priorities and agree to any negotiated resolution of the disputes. American trial judges are in no position to substitute for the absent plaintiffs. Judicial approvals have little meaning unless they adjudicate opposing presentations by capable counsel. The result is that many class actions appear to be generated and maintained for the benefit of the lawyers (on both sides) rather than the nominal representative claimants and the classes they represent. In this sense, the public interest group model has the significant advantage of a real entity that can function in the role of a directing client throughout the litigation. Ultimately, the judgment must be that the American class action has not fully realized its original promise as a means for large groups of litigants with highly similar claims to litigate collectively and thus save litigation costs and gain clout against powerful defendants. The absence of principled lead plaintiffs to direct the class lawyers and the fact that nearly 100 % of the cases are settled, usually at an early stage of the proceeding, has distorted the class remedy and blunted its effectiveness. Court oversight of settlements has not been an effective substitute. Arbitration clauses have foreclosed class actions in many of the consumer cases for which it is well suited. The idea of collectively litigating large number of highly similar or identical claims still has a great deal to be said for it. However, the American class action model as it has developed to date may well not be the best civil justice mechanism to implement this goal in practice.

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The New Consumer Deal – A Game Changer in the Area of the Resolution of Mass Claims especially in the Netherlands as Market Leader? Bonne van Hattum*

I. Introduction On 11 April 2018, the Commission presented a new Deal for the European consumer in order to ensure that this consumer will be able to fully enjoy its rights as an EU citizen in Europe.1 As part of this new approach, a proposal for a directive has been adopted to enable a group action (litigation-based class or re­ presentative action)2 to be taken across the EU (the Redress Proposal).3 This Redress Proposal should help strengthen the legal position of European consumers by increasing their redress options in relation to damage they have suffered. The other part of the Deal aims to protect consumers more adequately prior to the occurrence of damage.4 I am limiting this contribution in first instance to the introduction of a European group action. The Commission shall choose to allow certain entities to launch group actions providing that the action is in accordance with the objectives of the entire

*  The author is Director Risk Consulting at PwC Amsterdam and worked for eight years as a policymaker at the Dutch Authority for the Financial Markets (AFM). She writes this article in personal title as a researcher at the University of Amsterdam. 1 See: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3041_en.htm (last checked on 24 April 2018). 2  C. Hodges, ‘Collective Redress: The Need for New Technologies’, Journal of Consumer Policy 2018, p. 1 (Springer online). 3  Proposal for a Directive on representative actions for the protection of the collective interests of consumers and repealing Directive 2009/22/EC, COM(2018) 184, 11.4.2018. 4  This part of the New Consumer Deal will be discussed in a next edition of NtER and has been placed in the Proposal for a Directive amending Council Directive 93/13/EEC, Directive 98/6/EC, Directive 2005/29/EC and Directive 2011/83 as regards better enforcement and modernisation of EU consumer protection rules, COM(2018) 185, 11.4.2018 (CPC Proposal).

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Deal. The entity should be non-profit based.5 In practice, this entity could be a consumer association, a foundation supported by the government, an Ombudsman and/or a national regulatory authority. The entity should be able to take both temporary and definitive measures for the consumer to prevent harmful commercial practices and, if necessary, even stop these practices immediately.6 The Redress Proposal also obliges Member States to designate an entity which can achieve compensation for incurred damage by demanding recovery measures, substitution, price reduction, reimbursement of costs incurred and the payment of money.7 Member States shall be free to determine whether these actions are enshrined in public or private law.8 The specific definition of the competences envisaged confers a role for a regulatory authority in exercising all the actions. But there may be certain Member States, such as the Netherlands, which also envisage an interaction and thus a division of competences between, for example, a consumer association, an ombudsman and/or a not-for-profit government-rigged claim foundation for resolving a special mass claim9 and a regulatory authority together with independent reviewers (consultants). In this contribution, I will answer the question, to what extent the granting of competences to a consumer association and a regulatory authority together with independent reviewers or consultants in the field of mass claim resolution10 will be a Game Changer in the playing field of mass claim resolution in Europe and specifically in the Netherlands. The Netherlands was one of the first European countries to introduce a collective action, in April 1994, followed by the introduction of the collective settlement in 2007.11 Quickly after the introduction of the Dutch collective settlement possibility, it became very successful. In the Netherlands, one dares to speak about the Dutch settlement system as a very good or even better alternative to the American class-action procedures regarding mass claims. Most of the successes with the Dutch resolution system involve  5 

Art. 1 Redress Proposal. Redress Proposal, p. 3.  7  Art. 6 paragraph 1 Redress Proposal.  8  Point 12 Redress Proposal, p. 20.  9  Under a mass claim, I understand a claim that is aimed at compensating for mass damage. For this concept, I refer to I. N. Tzankova, Toegang tot het recht bij massaschade, diss. Tilburg, Tilburg 2007, p. 1–2. 10  Under mass claims resolution, I understand both individual and collective resolution mechanisms through various forms of dispute resolution (for example through a judicial organization, an Ombudsman, a regulatory authority, a committee or other alternative ways of dispute resolution, ADR). Individual claim resolution involves also the resolution of claims that can potentially lead to a mass claim. 11  D. R. Hensler/C. Hodges/I. Tzankova, Class Actions in Context. How Culture, Economics and Politics Shape Collective Litigation, Cheltenham 2016, p. 122.  6 

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cases related to investor losses,12 such as Dexia,13 Vie d’Or,14 Vedior,15 Shell,16 Morrison17 and recently Fortis.18 But after some time, it seemed that the Dutch settlement success was in some cases more a success for lawyers than for their clients or for duped consumers and investors. Some procedures never came to an end. They are still ongoing, especially those related to defect or non-suitable consumer products or advices. Worth mentioning within this context are the Share Lease Affair (Aandelenlease-affaire), the Investment Insurance Affair (Woekerpolisaffaire), the Interest Rate Swap Affair (Rentederivatenaffaire), and more recently the Penalty Interest Affair (Boeterente-affaire).19 These affairs contribute to the (ongoing) mistrust concerning the functioning of the financial enterprises concerned, and even lead to instability risks on the financial markets – with as worst case scenario several financial enterprises going bankrupt simultaneously or shortly after each other. They also lead to liability and reputation damage for the directors involved. This is why it is in everybody’s interest to rapidly find solutions for the problems concerned. The Dutch legislator is looking for a solution to these problems via a legislative proposal to change the legal framework to resolve mass claims. 20 But this legislator has been looking for a very, very long time. 21 Is the Dutch solution the 12  S. Maric, De Wet collectieve afwikkeling massaschade als alternatief voor Amerikaanse class action-procedures voor het afwikkelen van massaschades bij beleggers, V&O 2010 (9), p. 171; H. van Lith, The Dutch Collective Settlements Act and Private International Law, Apeldoorn 2011, p. 65. For this publication WODC (research organisation of the Ministry of Justice in the Netherlands) has granted a licence to Maclu. 13  Hof Amsterdam January 25, 2007, JOR 2007, 71 with comments of A. F. J. A. Leijten (Dexia). 14  Hof Amsterdam April 29, 2009, JOR 2009, 196 with comments of A. F. J. A. Leijten, JOR 2009, 197 (Vie d’Or). 15  Hof Amsterdam July 15, 2009, JOR 2009, 325 with comments of A. C. W. Pijls (Vedior). 16  Hof Amsterdam May 29, 2009, LJN BI5744, JOR 2009, 197 with comments of A. F. J. A. Leijten (Shell). 17  Morrison v. National Australia Bank, 561 U.S. (2010) (Morrison). 18  Hof Amsterdam July 13, 2018, nr. 200.191.713/01 (Fortis). 19  C. de Horde, Schikking in woekerpoliszaak komst pas veel later – of nooit, Het Financieele Dagblad 9 March 2015, www.fd.nl; C. de Horde/P. Lalkens, Curatoren en DNB botsen over “kennis achteraf” bij failliete DSB, Het Financieele Dagblad 16 September 2014, www. fd.nl; I. Bökkerink, Lakeman daagt ABN Amro om MKB-derivaten, Het Financieele Dagblad 12 January 2015, www.fd.nl; B. Logger/P. Weijnen, Rechters keuren de oplichtingspraktijken goed, De Groene Amsterdammer 30 September 2015; J. Arts/J. Dobber/W. Keuning, Lijdensweg van gedupeerde mkb’ers wordt weer verlengd, Financieele Dagblad 1 March 2016. 20  Kamerstukken II 2016/17, 34608, 2. Another part of the Dutch resolution system regarding mass claims has been changed by another legislative proposal regarding a preprocessual appearance (preprocessuele comparitie) in the WCAM-procedure via Stb. 2013, 255). 21  The process of the legislative proposal to change the Dutch legal framework regard­ ing mass claims started at the beginning of 2011 (Kamerstukken II 2011/12, 33000 XIII, 4 – Motie Dijksma) and is still ongoing: a debate in the Dutch Parliament about the legislative

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answer to the problems regarding mass claims in the Netherlands or will the European Redress Proposal help the Dutch solve their big financial problems in total and in time?

II. The content of the Redress Proposal 1. Objective must be achieved by a qualified entity The content of the Deal, with regard to the group action component, seeks to allocate a group claim to a competent entity. This entity must meet three conditions:22 1. Complying with all the provisions of the legal framework including existing codes of conduct of the Member State concerned; 2. Having a legitimate interest to comply with the objectives of all the New Consumer Deal directives; 3. Being non-profit.

2. Scope A competent entity may intervene in the case of (possible) infringements in the field of consumer protection law. The scope of action is therefore both a matter of action which can lead to an infringement and thereby mass damage, as well as actions by an undertaking that already infringes the law. 23 Actions can be brought against infringements of provisions of the Union law listed in Annex 1 to the Redress Proposal. The scope of topics is widespread. The topics include privacy-violations, being not compliant with duty-of-care requirements in the legal framework of financial markets, or deceptions in the field of energy contracts to environmental pollution. 24

3. Powers The powers to be assigned to the entity concerned are, as described above, both in the field of the prevention as in the field of the resolution of mass claims. This concerns powers such as being able to give a compelling mandate to stop or prohibit an infringement, to confirm that there has been an infringement and to reproposal will take place in week 39 of 2018: https://www.tweedekamer.nl/kamerstukken/ wetsvoorstellen/detail?cfg=wetsvoorsteldetails&qry=wetsvoorstel%3A34608 (last checked on 15 August 2018). 22  Art. 4 Redress Proposal. 23  Art. 5 (2) and (3) Redress Proposal. 24  Point 6 Redress Proposal, p. 19.

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dress the violation in the form of compensations, remedial measures and price reductions. 25

4. Separation of using powers by mass damage category The Commission has made a separation between the possibilities to claim compensation or damages in a group action for small claim litigation versus ‘ordinary’ mass damages (substantial mass damage). 26 According to the proposal, the processes of resolving a small claim litigation on the one hand and the two forms of substantial mass damage (instant and creeping [mass exposure accidents]27) on the other hand are different. The Commission intends to create a publicly-designed fund to compensate consumers for small claim litigation related to defective and/or non-suitable products. 28 Instant forms of substantial mass litigation may soon be available through a decision (redress order) and be discounted directly in compensation for damage suffered by consumers. 29 Creeping forms of substantial mass litigation are more complex in nature and therefore, according to the Commission, they require a more individual approach to determine the damage. As a result of this, the damage of a potential injured party could be determined in the context of a group claim, but compensation must be paid individually to each applicable consumer by following a suitable legal procedure.30

5. Freedom of implementation competences in a public and/or private law framework The Redress Proposal allows Member States the freedom to determine in what legal framework they wish to place the powers for the competent public bodies.31 But given the separation of using powers by mass damage categories, it is obvious that small claim damages will be placed in public law and other mass damages in private law. Therefore a regulatory authority could have a designation power to compensate duped customers regarding small claim damages. 25 

Point 1 Redress Proposal, p. 18. Redress Proposal. Small claim litigation is another name for non-recoverable claims or substantial damages in which the individual financial interest does not justify individual action. See in particular: W. H. van Boom et. al., Strooischade, EZ Report performed by Pels Rijcken 2009, p. 10; Tzankova 2007, p. 15–16; the notion “Creeping mass damage” is taken from J. Spier, Sluipende schade (Creeping damage), Inaugural lecture Tilburg University (The Netherlands), Deventer 1990. 27  Tzankova 2007, summary thesis, p. 1. 28  Point 21 Redress Proposal, p. 22. 29  Art. 6 paragraph 1 Redress Proposal. 30  Art. 6 paragraphs 2 and 3 Redress Proposal. 31  Point 12 Redress Proposal, p. 20. 26  Art. 6

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With regard to other damages, the Dutch example of the ACM-power could be followed.32 The Authority for Consumers and Markets (ACM) could act as a claim organisation.33 However, it may also be possible, at the same time as the powers conferred on the public authorities, to allow a consumer association or a specially established foundation to exercise these actions through a private law procedure.

6. Opt-out instead of opt-in Furthermore, by implementing the content of the Redress Proposal, Member States should ensure the rights of an EU citizen with regard to access to justice and the preservation of property rights. In this context, the Commission has opted for the opt-out possibility for duped customers who fall under a certain group claim. These customers are also allowed to contest the contents of a group claim.34 There seems to be a conscious choice to allow an opt-out-model instead of an opt-in model. The choice for an opt-out-model by the Commission is probably based on the fact that the implementation of a group action will be easier for a competent entity under the opt-out regime.35 A final result or settle­ ment is also discounted in the Redress Proposal. But given the choice for the opt-out model and not for an American mandatory class action,36 a final result could only be reached when only a negligible group of opt-outers will be left after a court settlement or judicial review that has been adopted by a judge.37 32  Art. 3:305b DCC and art. 2.6 Act regarding the Enforcement of Consumer Law (Wet handhaving consumentenrecht, Whc). 33  Under a claim organisation, I understand an organisation that can negotiate on behalf of a group of duped customers of a company with one or more potential injured companies and/or on behalf of a collective can enter into legal proceedings recover damage for the group. 34  Art. 5 paragraph 2, art. 6 paragraph 4 and art. 8 paragraph 6 Redress Proposal. 35  In order to ensure the practicality of the group actions requested by a competent entity, it is more appropriate not to have to identify all the individual consumers concerned in advance. The same applies to the full determination of liabilities in advance. The practice also shows that consumers perceive it as difficult to join a stakeholder in case of an opt-in model. A competent entity shall be required to act in accordance with the Redress Proposal if it can be argued with a high degree of probability that infringements have taken place or are likely to occur that affect the rights of consumers within the EU or (will) harm ex art. 5 paragraph 2 of the Redress Proposal. This means not only maintaining action on the basis of all harmful behaviour but also when this harmful behaviour is about to take place. 36  Rule 23(b)(1)(B). 37  B. van Hattum, Towards a better resolution of duty-of-care claims on financial markets. A PhD research to provide a contribution towards a better resolution of duty-of-care claims to help prevent the risks for society, diss. Amsterdam UvA, Den Haag 2017, p. 94 published in Dutch as: B. van Hattum, De afwikkeling van zorgplichtclaims. Een onderzoek naar het adequater oplossen van affaires rondom retail-producten en dienstverlening op de financiële markten, diss. Amsterdam UvA), Den Haag 2017, p. 94. Please have a look at the website of Boom judicial publishers for an English summary of this thesis. It is called ‘Engelse

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7. Funding The Redress Proposal also discusses the form of financing in which it is possible to carry out a group action. In short, this amounts to transparency about who finances a group claim and how. It is forbidden to make it possible for a third party funder to exert influence on the strategy and to make decisions to launch a group action and to agree on any settlement or negotiate with other parties to reach a final result and to resolve the mass claim. It is also forbidden to finance an entity that intends to sue a competitor of the third party funder or an entity that wants to start a group action against an organisation on which the third party funder is dependent.38

8. Minimum Harmonisation All the measures described above should be adopted by the Member States on the basis of minimum harmonisation.39 This means that the indicated protection level must be reached with the corresponding options set forth in the directive. These form a lower limit. Stricter rules to achieve the envisaged protection level may be implemented, but weakening of the intended protection level may not take place. This will have an impact on the legal framework and related practice regarding the resolution of mass claims in many Member States of the European Union including the Netherlands. But the Redress Proposal cannot affect existing (legal) resources of consumers.40 The Redress Proposal also does not affect the existing laws and regulations in the field of private international law specifically with regard to judicial powers and accessibility criteria.41

III. Analysis and impact on the Dutch model for the resolution of mass claims 1. The Dutch legal framework for the resolution of mass claims The resolution of mass claims in the Netherlands and many other Member States in Europe is based on the principle of freedom and thus also of party auto­ nomy.42 Efficiency and effectiveness are the main drivers of the Dutch legislator, samenvatting’: https://www.bju.nl/juridisch/catalogus/de-afwikkeling-van-zorgplichtclaims1-2018#extra-materiaal (last checked on 10 August 2018). 38  Art. 7 Redress Proposal. 39  Art. 1 paragraph 2 Redress Proposal. 40  Art. 2 paragraph 2 Redress Proposal. 41  Art. 2 paragraph 3 Redress Proposal. 42  A. Wardhaugh, Bogeyman, lunatics and fanatics: collective actions and the private enforcement of European competition law, Legal Studies 2014, edition 1, p. 15.

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on which adjustments to the corresponding legal framework have been implemented.43 The legal framework for the resolution of mass claims in the Netherlands has been placed into the Dutch Civil Code (Burgerlijk Wetboek, DCC). Therefore, the focus of resolution mechanisms is typically private law based, just like the Deal of the Commission regarding collective redress.44 For all kinds of mass damage claims ex article 3:305a-c DCC (collective action procedure) and the Dutch Act on Collective Settlements (Wet collectieve afwikkeling massaschade, WCAM) apply. The WCAM-procedure provides for the possibility of a binding settlement according to articles 7:907-7:910 DCC and 1013–1018 Dutch Code of Civil Procedure (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, DCCP).45 Both procedures can be followed jointly or separately in order to resolve a mass claim. Following both procedures after each other is most logical, because of the answers of questions regarding liability et cetera that helps to reach a final settlement or solution for a mass claim problem. A claim organisation can use both possibilities to recover damage on behalf of its members or customers on a potential damage. In order to be able to follow the relevant procedures as a claim organisation, it must meet different eligibility requirements. These requirements are laid down in the accessibility requirements of the Dutch legal framework DCC and in self-regulation.46 The Dutch legal framework for the resolution of mass claims has been evaluated in the last years. A legislative proposal has recently been submitted by the ministry of Justice to the parliament, which includes changes for more effective and efficient settlements.47 The changes included in the proposal are based, among other things, on bottlenecks found in the Dutch resolution system of mass claims by researchers.48 These bottlenecks are broadly tantamount to the lack of a resolution system that can guarantee a rapid, controlled and lasting 43 

van Hattum 2017, p. 94. Hodges 2018. 45  Act of July 27, 2005, Stb. 2005, 340 and 380. 46  Art. 3:305a (1) and (2) DCC including art. 7:907 (1 ) DCC and A. H. van Delden et al., Claimcode, Den Haag 2011. 47  Parliamentary Documents: Kamerstukken II 2016/17, 34608, 2. 48  See in particular: Tzankova 2007; B. van Hattum, De verankering van een generieke zorgplicht in de Wet op het financieel toezicht, in: M. L. Hendrikse/J. G. J. Rinkes (eds.), Naar een doorlopende generieke zorgplicht voor verzekeraars en verzekeringstussenpersonen? (ACIS, edition 10), Paris 2012, p. 19–36; B. van Hattum, Handreiking voor de afwikkeling van massaclaims op de financiële markten. Mogelijkheden voor het reduceren van effecten van aanhoudend wantrouwen en instabiliteit op de financiële markten veroorzaakt door massaclaims: analyse en aanbevelingen, Den Haag 2014; C. J. M. van Doorn, Belangen van benadeelden bij een collectieve afwikkeling van schade: een kwalitatief onderzoek naar de behoeften, verwachtingen en ervaringen van DSB-gedupeerden, Tilburg 2015; E. ­Bauw/T.E. van der Linden, Claimorganisaties tussen wildgroei en regulering, TOP 2016/564 (Sdu online); E. Bauw/S. Voet, Van stok achter de deur tot keurslijf? Een verkenning van het wetsvoorstel tot invoering van een collectieve schadevergoedingsactie, NJB 2017, edition 4, p. 240–247 and Van Hattum 2017. 44 

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(­ final) result, for a (imminent or already existing) mass claim dispute.49 The legislative proposal has not yet been adopted by the Dutch Parliament at the time of writing this article.50

2. The choice of the Commission for further implementation of a European resolution system for mass claims a) A compromise between existing resolution systems The bottlenecks mentioned in Dutch research regarding the legal framework and practice for the resolution of duty-of-care claims51 (the biggest part of mass claims in the Netherlands) seem to correspond to the reasons set out in the Redress Proposal for the adjustment of the European resolution system.52 Adjustments in the resolution system are also broadly included in the Redress Proposal.53 But instead of the suggested public-private mix of implementing the adjustments in the legal framework by Dutch and English researchers,54 the Commission has opted for more private route options to resolve mass claims, i. e. the litigation-based class or representative action, which is – also according to Hodges55 – in fact ‘old technology’. Some of the proposed adjustments by the Commission are in general in line with recent research results56 but most of them are in detail and process old fashioned and will not be effective enough to resolve mass claims in Europe more adequately than before. This is because mass claims are often wicked problems57 and therefore they need to be solved by using techniques and insights from different disciplines. They can’t be solved 49 

van Hattum 2017, p. 95. treatment of the bill by the second chamber is planned in week 39 of the year 2018. See: www.tweedekamer.nl/debat_en_vergadering/plenaire_vergaderingen/details/acti viteit?id=2018A02395 (last checked on 1 August 2018). 51  Duty-of-care claims are claims that may arise from similar substandard financial products that were offered and/or recommended on a large scale to retail clients (consumers and small business parties such as independent contractors and SME enterprises) of a bank or an insurer. 52  See the Explanatory Memorandum accompanying the Redress Proposal. 53  van Hattum 2017, Chap. 8. 54  O. O. Cherednychenco, De publiek- en privaatrechtelijke handhaving van het Europese privaatrechtelijke handhaving van het Europese privaatrecht: de nieuwe realiteit voor contracteren, Contracteren 2014, edition 3, p. 87–92; van Hattum 2017 and Hodges 2018. 55  Hodges 2018, p. 1. 56  van Hattum 2017, Hodges 2018. 57  A wicked problem is a problem where not only the consensus is lacking on how the problem can be solved, there is also disagreement about values and uncertainty about the facts. Finally, the perseverance power to come to a solution does not lie in one hand. Please read more about this term in: J. Grin/H. van de Graaf/R. Hoppe, Interactieve Technology Assesment: Een eerste gids voor wie het wagen wil (work document), Den Haag 1997, p. 43, 60–61, 64, 72–99; E. G. Guba/Y. S. Lincoln, Fourth Generation Evaluation, New York, p. 40–42, 84, 174–177 and 186 and A. Loeber, Designing for phronèsis: experiences with transforma50  The

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only by using law expertise and establishing a legal framework consisting of civil litigation options.58 Alternative Dispute Resolution (ADR), informal and formal influence of a regulatory authority, Ombudsman practices and consultancy practices should be introduced into the resolution system.59 The content of the Redress Proposal is not more than a compromise between several already existing resolution systems in some European Member States.60 This compromise has been fuelled by the fear of liberals for too much governmental influence in an originally private sector topic such as mass claims and the wish of socialists to protect weak parties such as consumers for losses caused by market failure. Giving public bodies powers they can use in a civil litigation process is less effective than using the private and public law framework together and giving powers to bodies they can use in their own language to create an adequate functioning mass claim market. In this case, public law bodies such as regulatory authorities and ombudsmen will be effective to operate via powers created in public law such as giving binding instructions. But these powers should be in line and supplement the private market system regarding the resolution of mass claims. The scope of the powers used by public bodies should be limited where the private market fails to create an adequate working market. These days an adequate working market should anchor public interest or the wishes and needs of society in a final solution for a mass claim problem. Otherwise it will never be final or sustainable. b) Anchoring public interest in a mass claim The Commission’s choice for the introduction of a public body in the playing field of mass claims is not unexpected.61 This fits in the innovative insights gained in science and legal practice concerning mass claim resolution in relation tive learning on sustainable development. Critical Policy Analysis [Critical Policy Studies], 1 (4): 389–414. 58 Summary Van Hattum 2017: https://www.bju.nl/juridisch/catalogus/de-afwikkelingvan-zorgplichtclaims-1-2018#extra-materiaal (last checked on 10 August 2018). 59  van Hattum 2014, Van Hattum 2017 and Hodges 2018. 60  For an overview of the various competences of supervisors and other publicly-­designed entities in the field of claims, please have a look at: E. Terryn/P. Verbiest, De her­ziene CPCverordening als oplossing voor grensoverschrijdend consumentenleed?, Tijdschrift voor Consu­mentenrecht en handelspraktijken 2018-1, p. 7 (for Dutch readers) and Hodges 2018 (for English readers). 61  In its recommendations in point 6 about the European mass claim resolution system the Commission has in 2013 already pointed out that one of the core tasks of public enforcement in order to prevent and avoid violations of rights of EU consumers should be punishment of wrongdoers and prevention of any harmful behavior. The possibility for individuals to use access to justice and claim their losses (private enforcement) is complementary to public enforcement. Where this recommendation refers to a violation of rights deriving from EU law, it includes all situations where the breach of the rules established at EU level has caused or is likely to cause damage to natural persons and legal persons (Recommendation 2013/396/EU).

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to defects in the legal framework and resolution systems of mass claims in various countries including the United States, England and Wales, and the Netherlands.62 A major difficulty is to guarantee public interests in the resolution system.63 Certainly in the area of violation of consumer interests, the involvement of such an interest is not negligible. But principles of private and procedural law play a major role in a private law resolution system and these principles make it hard to take into consideration public interests in a final result of a mass claim problem. Examples of the above mentioned private law principles and procedures in the legal systems of continental Member States are to only take into account circumstances regarding the case of the parties directly involved. A judge may not take into account other interests than the interests of the parties involved in court. Third party interests or public interests are therefore not to be considered in a final private judgement.64 But a final solution for, for example the Diesel Gate, has probably effect on third parties such as Volkswagen employees. Employees of Volkswagen can lose their job when Volkswagen has to reorganise because of the high amount of compensation Volkswagen has to pay out to all claimants. The same scenario will probably take place when the Dutch Investment Insurance Affair (Woeker­ polisaffaire) will be resolved in total and in time. Even a client without a defective product of an insurer with a ‘Woekerpolis’ will have to pay for the losses of claimants with or without the help of the Dutch tax payers.65 During the financial crisis of 2007, the government in the Netherlands had to save many banks and insurers from bankruptcy or being insolvent for a long time; this can also happen when the fees involved in or resulting out of legal actions are higher than an enterprise can bear. c) Customer Interest Guarantee Another bottleneck that should be solved to create an adequately working European mass claim resolution system is to prevent harmful behaviour of claim organisations regarding their own clients: customers with losses as a result of defective products and/or non-suitable services. For example, scientific research shows that a high percentage of private claim organisations do not adhere to

62 

Hodges 2018; P. L. Murray, Class Actions in the United States of America (see above in this book); van Hattum 2017; J. van de Poel, Bij afwikkelen van massaschade wel degelijk rol weggelegd voor AFM, Het Financieele Dagblad 7 September 2017, www.fd.nl (last checked on 24 April 2018). 63  van Hattum 2017, paragraph 5.2.4.4 and paragraph 6.5.1. 6.5.4.1. 64  Art. 24, 25, 149 and 150 DCCP (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering). 65  van Hattum 2017. Please view the summary on: https://www.bju.nl/juridisch/catalogus/ de-afwikkeling-van-zorgplichtclaims-1-2018#extra-materiaal (last checked on 10 August 2018).

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the requirements of self-regulation applicable for claim organisations.66 In the Netherlands for example, this means that until the moment of launching a civil procedure, claim organisations can carry out actions on the market that are detrimental to their constituency and can potentially cause damage. They can, for example, force parties (wrongdoers) to pay out compensation to customers that suffered losses allegedly as a result of defective or non-suitable products and services without any proof of causal relationship between damage and the product or service in question. Claim organisations can also use the compensation received for their own purpose. There might even be a need for setting up a new regulatory authority, as in the United Kingdom,67 to ensure that the customer’s interest within private claim organisations is being respected.68 Organisations that are non-profit, have less incentives to neglect customer’s interest in their actions. Possibly because of these reasons the Commission prefers a public body instead of a private body to resolve mass claims.

IV. The disadvantages of involving a public organisation in the field of mass claim resolution 1. The disadvantages of involving a regulatory authority There are certainly also disadvantages of involving public bodies in the field of mass claim resolution in general.69 For example, a regulatory authority generally has little private law knowledge and experience in order to be able to fathom mass claims problems and respond adequately to them. Another major problem for a regulatory authority to operate in the field of mass claims is finding enough capacity to be able to operate adequately and in conformity with its duties in order to meet the expectations of the outside world. A regulatory authority such as the Dutch Authority for the Financial Markets (AFM)70 has more than 150 different regulatory or supervisory tasks and therefore often has to make choices as to how and when to exercise any possible infringement control. Because of its complexity and size, a mass claim makes the choice palette for exercising all other supervisory tasks smaller.

66 

T. M. C. Arons, Bescherming achterban claimorganisaties en collectief verhaal door toezichthouders, WPNR 2017, afl. 7152, p. 429–440. 67  Claims Management Regulation Unit. A formal legal option for regulating claim entities offers the Compensation Act 2006. See: Claims management Regulation Review 2016, p. 15–17. 68  van Hattum 2017, p. 184–187 and Claims management Regulation Review 2016. 69  D. Busch, Een rol voor de AFM bij afwikkeling van massaschade in de financiële sector?, Ondernemingsrecht 2017/83 (Rechtsorde online); Van Hattum 2017. 70  https://www.afm.nl/en (last checked on 10 August 2018).

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In addition to this more practical commentary, there is also more fundamental criticism of a regulatory authority’s role in the field of mass claims. This disapproval has been expressed by various actors involved in the resolution of Dutch mass claims on the financial markets.71 The active involvement of a regulatory authority and the resulting extension of supervision can, according to the above mentioned actors, lead to various negative effects in society.72 It can lead to lazy and not alert citizens, or a litigation culture in which supervision at all times should protect citizens or consumers for all kinds of damage. Other actors are pointing out negative effects on business. As researchers demonstrate, poorer end results are achieved when supervision intervenes in business processes such as the resolution of mass claims. Others have pointed out the safeguarding of process autonomy to keep business in the hands of private companies. This allows businesses to take responsibility for the damage they inflicted on their customers.

2. The disadvantages of involving a consumer association Consumer associations face a dilemma similar to that of a regulatory authority with regard to the capacity available. The resolution of a mass claim requires a lot of capacity of the organisation to represent a limited part of its members. This capacity (money, knowledge, experience and human commitment) depends on the capacity that can be used in other matters and the interests of the rest of its members. The use of third party funding and therefore renouncing a non-profit-status, is essential to be able to act in the field of mass claims and to resolve a mass claim in total. Otherwise a consumer organisation could never be equipped as well as a wrongdoer and there will be no level playing field to prevent market failure. A team will also have to be able to operate both through public law and private law, and have the knowledge of the complex playing field. All this is often largely absent in public law constituted claim organisations such as consumer associations. Furthermore, Dutch jurisprudence shows that operating in the mass claim field and using all necessary actions as expressed above, is very hard. It is so difficult that even a very well organised Dutch consumer (investors) organisation was not able to react in compliance with the applicable law.73 71 

van Hattum 2017. The fundamental objections to the allocation of a power to a supervisor or other public authorities (except the judicial organisation or an Ombudsman service) described in this article are taken from van Hattum, p. 166–168. 73  E. van Rein, Verdienmodel VEB onder druk door Fortis-schikking, Financieele Dag­ blad 1 August 2018, p. 5; for the court decision of July 13, 2018: https://uitspraken.rechtspraak. nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHAMS:2018:2422&showbutton=true&keyword=VEB (last checked on 1 August 2018). 72 

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Finally, giving mass claim resolution powers to an Ombudsman has proven to be ineffective and even fragile in the Netherlands. In the past, the Dutch Financial Ombudsman has attempted to act in the field of mass claims. The results of his actions created a lack of confidence in the authority of the Ombudsman services and it took a long time and lots of money and influence of the government to rehabilitate the confidence of consumers in the Ombudsman.74 Mass claims often remain very complex problems for which time, money and the commitment of various experts is needed to adequately resolve them. Because of this, it is important to look further than the insights of private law lawyers. Expertise from supervision, consultancy and informal influencing/negotiation techniques and/or alternative dispute resolution is recommended.

V. Conclusion 1. The Redress Proposal is a Game Changer The Redress Proposal mixes the different resolution systems for mass claims within Europe, namely those of the private and public route,75 although it looks like according to the Redress Proposal that the private route will be the main route to follow in a judicial procedure also for the introduced public bodies. In the Netherlands, the private route has been mainly used by privately owned, financed and operating claim organisations, using collective action litigation and the WCAM. The only public body with a legal based enforcement strategy regarding the resolution of mass claims in the Netherlands is the ACM (Authority for Consumers & Markets).76 The ACM has never used its power to resolve mass claims. Its reasons for being non-active regarding mass claim resolution are not publicly expressed. Probably, capacity problems as pointed out in the paragraph above play a role. The use of capacity and other costs for dealing with mass claims will reduce actions of the ACM needed for other tasks to be carried out. There may also be a lack of knowledge and experience in the field of mass claims in the organisation of a regulatory authority in general.77 Furthermore, a certain thres­ hold must be reached in order to make enforcement measures of the authority 74 

D. P. C. M. Hellegers, Positie Ombudsman Kifid onderwerp van discussie, Nederlands Tijdschrift voor Handelsrecht, 2011-5, p. 205–208. 75  van Hattum 2014. The previously developed European legislation for the settlement of mass claims in competition law has also clearly indicated its objective to ensure the interaction between public law and private law enforcement to regulate competition law in such a way as to guarantee the highest efficiency of the competition rules. See: Cauffman 2015, p. 126. 76  Art. 3:305d BW inclusive art. 2.6 Whc. Please have a look at: https://www.acm.nl/en (last checked on 10 August 2018). 77  van Hattum 2017, p. 104–111.

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possible as they are only lawful if the market itself cannot achieve a solution for a mass claim efficiently and effectively.78 Determining this special moment is difficult for a regulatory authority because the criteria for the use of enforcement competences are not clearly defined in the law. The above mentioned determining problem may change when the current content of the Redress Proposal will be implemented in the Netherlands. The threshold mentioned in Dutch legislation does not exist in the Redress Proposal based on minimum harmonisation. The threshold will probably have to disappear in the Dutch legal framework, which would allow a regulatory authority to act when according to its duties it can argue that it has to interfere. In addition to the actions of a regulatory authority, interest groups such as the consumer associations and an Ombudsman can also gain more influence in the field of mass claim resolution in the Netherlands. This means that the strategy financing processes for the other already existing actors in the playing field of mass claim resolution may need to be changed. In the Netherlands, one should consider whether the legislative proposal to change the Dutch resolution system of mass claims has to be revised in order to comply with the Redress Proposal before it will be discussed in Parliament.79 The Dutch legislative proposal is entirely in line with the private route which has been chosen in the Netherlands several years ago and in which the consideration of public interests, and therefore of the needs and wishes of society, is not guaranteed in a resolution or settlement result. The proposal continues to settle a dispute between two or more private parties which cannot under any circumstances be compelled to arrange or to anchor a third interest in their intended final result. The directive on claims for infringements of competition law has not changed this. The Commission wishes to ensure the public interest in a resolution system of mass claims through the introduction of new players in the field: public bodies. It wishes to leave the resolution not only or predominantly to private parties. But it is very careful. It begins with the creation of powers for regulators regarding small claims. 78 

Parliamentary Documents (Kamerstukken II) 2005/06, 30411, 6, p. 9. approval of Dutch Parliament is not yet a fact and depends on a debate in the parliament at the end of September 2018, https://www.tweedekamer.nl/kamerstukken/ wetsvoorstellen/detail?cfg=wetsvoorsteldetails&qry=wetsvoorstel%3A34608 (last checked on 10 August 2018). There has been expressed a lot of criticism about the content of the legislative proposal in the Netherlands. See for example: E. Bauw/S. Voet, Van stok achter de deur tot keurslijf? Een eerste verkenning van het wetsvoorstel tot invoering van een collectieve schadevergoedingsactie, NJB 2017, p. 244 etc.; M. de Vries, Voortmodderen met de massaclaims, Advocatenblad 2017, edition 8, p. 50–53; W. H. van Boom, Wetsvoorstel richt zwaar geschut op alle collectieve acties (a blog) and W. H. van Boom/F. Weber, Collectief procederen, WPNR 2017/7145; van Hattum 2017, p. 86 and I. N. Tzankova, Wetsvoorstel collectieve schadevergoedingsactie: een oplossing voor welk probleem ook alweer?, TVP 2017-4, p. 107– 119. 79  The

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The content of the Redress Proposal will certainly be a Game Changer in the Netherlands. For similar reasons, the resolution system of other European Member States may change as well basically. Even in America there will be organisations such as law firms that have to reconsider their strategies and policies and possibly adapt to European standards in the future if they want to be able to continue expanding. Possibly in the near future, the European Commission will adapt the wishes of society at this moment and in the future regarding the precautionary culture. In that case, the legal framework to resolve mass claims will not be primarily based on litigation options in private law but on a combination of this with regulatory powers placed in public law.80

2. But: there is something one should realize To what extent will the introduction of a group action actually contribute to the objective of ensuring the rights of the EU citizens maintained by the Commission? Scientific research results show that the allocation of a role to a public body in the field of mass claim resolution can contribute to strengthen the position of a consumer.81 As I have indicated in this article, public bodies are created by the government to ensure public interests in their actions. They may, in the resolution process of mass claims, introduce the interests of duped consumers and also the general or third interest of tax payers in a final result. But there is a catch. This catch is the influence of state intervention on a highly privately developed field: the field of claims. Claims are very well protected property rights in EU legislation and in a lot of Member States such as the Netherlands. Therefore, it seems to me, that before the Redress Proposal is finalised, there will still be many debates. These debates will probably be reflected in the core of the old contradictions in terms of normative considerations between the Liberals and the Socialists. Namely: To what extent is it desirable or necessary governments to interfere in private law matters such as the resolution of mass claims? And is everyone free to determine the course of resolution themselves or should a solution be devised collectively via State interference? The Commission is in this case transparent: mass claims in the field of consumer interests are not private, but have a public character. The public character must be more clearly recognised in the resolution systems of all Member States. Because of this view of the Commission, the Commission allows individual rights of EU citizens such as property rights and the freedom to choose your own route or strategy regarding access to justice to be restricted. The choice for an opt-out-model and for the granting of powers to a public body to force 80  81 

van Hattum, 2017, p. 247–289. van Hattum 2017.

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wrongdoers to close a settlement or pay out compensation is evidence for this conclusion, although the design of this option does not go as far as originally intended in the concept versions of the CPC-regulation. In fact, these concept versions never spoke of introducing powers similar to the ones of the Financial Conduct Authority (FCA)82 in the United Kingdom to set up a compensation scheme (consumer redress scheme or CONRED) under supervised institutions.83 Is the Commission aware of the impact of the current content of its (somewhat weakened) Redress Proposal and the dangers that lie in this? A public body, no matter how independent from the government, will in practice be influenced by politics; one should realize this when debating about the adaption or when improving the content of the Redress Proposal. I hope this article will help to create a better working and sustainable European resolution system for mass claims and therefore socially relevant wicked problems. I look forward to the end of the legislative process. But I expect that this process will take a long time. Meanwhile, the legislator in the Netherlands has nothing to fear if it wants to continue following its path based on ‘old techniques’ in resolving mass claims. If it wants to have a mass claim market that will (still) be leading in the future, it should be more progressive and inventive, taken into account interdisciplinary options of consultants next to lawyers to resolve mass claims and listen to the debate in the EU about mass claims, the wishes of the private market and the world of science.

82 

https://www.fca.org.uk/ (last checked on 10 August 2018). Financial Services Act 2010 section 404 and section 404F inclusive section 404B, www. handbook.fca.org.uk/handbook/glossary/G2894.html (last checked on 10 August 2018). 83 

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Private Litigation in German Capital Market Disputes – A Comparative Corporate Governance Approach Benedict Heil*

I. Introduction The VW emissions scandal is still in the news – as well as the pending shareholder actions against the corporation. “Global civil litigation of all stripes is growing”1 and today, securities fraud actions are by far no longer a “US-only” issue. The aim of this paper is to show the role of private litigation in the corporate governance debate with a focus on German securities law and its litigation procedures. After a brief introduction to the topic (II.), there will be an extensive discussion of the present collective redress scheme for securities fraud actions in Germany and its implications on private enforcement (III.) and possible areas of conflict will be specified (IV.). In conclusion, a summary of the most important aspects and an overview will be provided (V.).

II. Private Litigation in Germany: An Overview The topic of this paper is the role of private litigation in the broader context of corporate governance. The Cadbury Report definition of corporate governance is one of the most common ones: “Corporate governance is the system by which companies are directed and controlled.”2 This definition is also the shortest and

*  Der Autor möchte sich für die sprachliche Durchsicht bei Frau Inesa Chmurec be­ danken. 1  Iwata, Edward, Securities-fraud actions go global, USA TODAY, 30 October 2007 http://usatoday30.usatoday.com/money/companies/2007-10-22-securities-lawsuitsforeign_N.htm, accessed November 2017. 2  Cadbury, Adrian, Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance, 1992, 15.

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therefore the most convenient.3 How are companies controlled? There are two basic control mechanisms, namely internal control within the company and external control. External control is achieved through regulation, which in turn must be enforced to be effective.4 According to legal research, there are basically two types of regulation enforcement mechanisms, namely public enforcement and private enforcement.5 Public enforcement is based on an ex-ante perspective. In order to create a working market infrastructure, statutory regulations are passed to deter company misconduct before it happens.6 If violated, these regulations are enforced by state authorities through sanctions or even by means of criminal pro­ secution.7 Private enforcement on the other hand is characterized by an ex-post view. Civil liability of a corporation for past misbehavior has a deterring effect, thus preventing repeated violation of statutory regulations.8 As a result of this deterrence effect, private individuals are in fact enforcing statutory regulations by suing a company. This in turn means they promote a public interest, appearing as “private attorney general” as it is known in legal literature.9 Private enforcement mechanisms can be found in different areas of law, most notably anti-trust law and capital markets/securities law. Private enforcement 3  See for a comparison of other definitions: Clarke, Thomas, International Corporate Governance. A Comparative Approach, 2007, 1–2. 4  Dharmastuti, Christiana/Wahyudi, Sugeng, The Effectivity of Internal and External Corporate Governance Mechanisms Towards Corporate Performance (2013) 4 [4] R.J.F.A. 132, 132–134. 5 Arguably market control is a third mechanism inducing corporations to comply with legal requirements all on their own, e.g. because they rely on the trust of the market for “repeat transactions”. However, the effectiveness of market control is heavily doubted, see Brellochs, Michael, Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarktrechts, 2005, 174–176. 6  Porrini, Donatella/Ramello, Giovanni B., Class action and financial markets: insights from law and economics, in: Journal of Financial Economic Policy (2011) 3 [2] J.F.E.P. 140, 143–144. 7  Criminal prosecution can be seen as a form of public enforcement, even though it is sometimes listed as a separate enforcement mechanism, see e.g.: Ramphal, Nishal Ray, The Role of Public and Private Litigation in the Enforcement of Securities Laws in the United States, 2007, 10. 8  Porrini/Ramello (Fn. 6), 142–143. 9  Baetge, Dietmar/Eichholtz, Stephanie, Die Class Action in den USA, in: Basedow, Jürgen/Hopt, Klaus J./Kötz, Hein/Baetge, Dietmar (Hrsg.), Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozeß, 1999, 287, 315; Reuschle, Fabian, Möglichkeiten und Grenzen kollektiver Rechtsverfolgung – Zu den Defiziten im deutschen Prozessrecht, der Übertragbarkeit ausländischer Lösungen und den Grundzügen eines kollektiven Musterverfahrens, WM 2004, 966 (970); Hopt, Klaus J., 50 Jahren Anlegerschutz und Kapitalmarktrecht: Rückblick und Ausblick, WM 2009, 1873 (1879–1880); Sometimes the term „private public attorney” is used, see Hess, Burkhard, „Private law enforcement” und Kollektivklagen: Regelungsbedarf für das deutsche Zivilprozessrecht?, JZ 2011, 66 (67).

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has traditionally not played an important role in German anti-trust law.10 However, in recent years, the EU put a great effort on collective redress. Accordingly, reforms aiming to promote private litigation in competition law have been passed.11 However, the focus of this research is on securities law rather than anti-trust law. Taking a closer look at the securities market, a natural asymmetry of information in the capital market can be found. Only the capital seeker (issuer of securities) initially has all the relevant company information which the capital provider (investor) needs to make a well-informed investment decision.12 To prevent market failure, these information asymmetries have to be balanced out. This is achieved by creating a set of disclosure and publication obligations for corporations, consequently providing the investor with the needed information.13 Thus, disclosure obligations play a key role in maintaining a functioning capital market.14 Like any regulation, these disclosure obligations may be publicly and/or privately enforced. Historically, public enforcement has always played the predominant role in the European Union.15 This is particularly true for Germany.16 Public corporate surveillance is achieved through a three-tier monitoring and enforcement system consisting of the German Federal Financial Supervisory Authority (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin), the States of Germany and the Stock Exchanges.17 10  Buxbaum, Hannah L., German Legal Culture and the Globalization of Competition Law: A Historical Perspective on the Expansion of Private Antitrust Enforcement (2005) 23 Berkley J. Int’l L. 474, 484. 11  Hess, Burkhard in: Hess, Burkhard/Reuschle, Fabian/Rimmelspracher, Bruno (ed.), Kölner Kommentar zum KapMuG, 2 nd ed. 2014, Einl., Rn. 2, 54; The concept of private law enforcement in Germany was first explicitly taken up on in the “7 th Cartel Law Novella” of 2005, see Hess (Fn. 9), 67. Recently, 2014/104/EU directive has been passed by the European Parliament and the Council, aiming to promote private litigation. Its possible impact on private law enforcement in German competition law is however disputed, see Keßler, Jürgen, Die europäische Richtlinie über Schadensersatz im Wettbewerbsrecht – Cui bono?, VuR 2015, 83 (83–84, 91); For a comprehensive overview of the development of collective redress in Europe in recent years, see Haar, Brigitte, Investor Protection Through Model Case Procedures – Implementing Collective Goals and Individual Rights Under the 2012 Amendment to the German Capital Markets Model Case Act (KapMuG) (2014) 15 EBOR 83 (85–96). 12  Brellochs (Fn. 5), 166. 13  Brellochs (Fn. 5), 167. 14  Brellochs (Fn. 5), 1. 15  Russell, Tiana Leia, Exporting Class Actions to the European Union (2010) 28 B. U. Int’l L. J., 142. 16  Hopt (Fn. 9), 1879. 17  Von Rosen, Rüdiger Freiherr in: Assmann, Heinz-Dieter/Schütze, Rolf A. (ed.) Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3 rd Ed. München 2007, § 2 Rn. 224–267; Bröcker, Norbert in: Erne, Roland/Bröcker, Norbert/Ekkenga, Jens/Kirchhartz, Marcel/van Look, Frank (ed.), Claussen Bank- und Börsenrecht, 5th ed. 2005, § 6 Rn. 27.

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However, German law also provides the tools for private enforcement. Similar to US law there are possibilities for bringing either a derivative suit (Aktionärsklage) or a direct suit against the corporation.18 In general, derivative suits are perceived as unattractive for individual investors.19 The main reason is that while the shareholder bears the full cost risk of litigation – in German law at least concerning the approval procedure (Zulassungsverfahren), pursuant to § 148 para. 6 sent. 1 of the German Stock Corporation Act (Aktien­ gesetz – ­AktG)20 – only the corporation itself profits directly from a successful ­trial. 21 Thus the derivative suit has not been popular in Germany. 22 Until today, there are only three published court decisions concerning shareholder derivative suit. 23 This leaves the investor with the possibility of a direct suit against the corporation if disclosure requirements are violated. Yet in practice it is often too risky and at the same time too expensive for an individual investor to bring a case against a company. 24 This effect, known as “rational disinterest” or “rational apathy”, impedes the enforcement of disclosure obligations through private individuals. 25 The most important way to prevent this effect and encourage private litigation for the legislation is to provide a collective redress scheme.26 Collective redress schemes enable a multitude of plaintiffs and/or a multitude of defendants to jointly and collectively litigate in court.27 Accordingly, by minimizing 18 

Brellochs (Fn. 5), 185. Ramphal (Fn. 7), 12. 20 Aktiengesetz (AktG) of 6 September 1965 (BGBl. I p. 1089), last amended through Art. 9 Gesetz zur Umsetzung der Zweiten ZahlungsdiensteRL of 17 July 2017 (BGBl. I p. 2446). 21  Hess (Fn. 11), Einl., Rn. 15. 22  Haar, Brigitte/Grechenig, Kristoffel, Minderheitenquorum und Mehrheitsmacht bei der Aktionärsklage – Bessere Corporate Governance durch Abschaffung der Beteiligungsschwelle gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG, AG 2013, 653 (654–655, 662); Habersack, Mathias, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten, Teil E, 2012, E92; It has been suggested to institute a “bounty”-system in order to create monetary incentives for the suing shareholder and this way encourage more derivative suits, see Schmolke, Klaus Ulrich, Die Aktionärsklage nach § 148 AktG. Anreizwirkungen de lege lata und Reformanregungen de lege ferenda, ZGR 2011, 398 (434–437). However, this approach is not unquestioned, see (crit.) Kahnert, Tobias, Quo vadis § 148 AktG – Neukonzeption oder kontinuierliche Fortentwicklung?, AG 2013, 663 (670). 23  OLG Hamburg, Beschl. v. 19. Januar 2007 – 1 Wx 33/06, AG 2007, 331; LG München I, Beschl. v. 29. März 2007 – 5 HK O 12931/06, AG 2007, 458; OLG München, Beschl. v. 21. Oktober 2010 – 7 W 2040/10, ZIP 2010, 2202. 24  Hellgardt, Alexander, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, 546–547. 25  Bergmeister, Felix, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), 2009, 27; Hellgardt (Fn. 24), 546–547. 26  Russell (Fn. 15), 144. 27  Hess (Fn. 11), Einl., Rn. 1. 19 

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the costs and risks for individual investors, a system for collective redress is a prerequisite for effective private litigation. 28 The following section will analyze what kind of collective redress scheme for securities and capital market disputes is implemented in Germany and whether or not, and how it promotes private litigation.

III. Collective Redress in Germany: KapMuG Until today, the Zivilprozessordnung29 (ZPO) as the central code for German civil procedural law provides no possibility for bringing a collective suit to court.30 This is mainly due to the fact that German civil procedural law is traditionally based on the concept of a two-party-process31 and since its first introduction in 1877 there was no aspiration to change the core principles on which the ZPO is based.32 Especially in recent years, there have been some major reforms;33 however, no collective redress scheme has been incorporated into the ZPO so far. Outside the ZPO provisions, there are possibilities for collective redress in certain areas of civil law, most notably in the German “Capital Markets Model Procedure Act” (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG34), which applies to shareholder actions for damages (and certain fulfillment duties) in securities markets disputes.35 The following will give a brief overview on the development of the KapMuG (1.) before addressing the details of its procedure (2.) and analyzing its actual impact (3.).

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Schäfer, Hans-Bernd, Anreizwirkungen bei der Class Action und der Verbandsklage, in: Basedow, Jürgen/Hopt, Klaus J./Kötz, Hein/Baetge, Dietmar (ed.), Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozeß, 1999, 67 (70). 29 Zivilprozessordnung (ZPO) in the version of the announcement of 5 December 2005 (BGBl. I p. 3202, cor. 2006 I p. 431 and 2007 I p. 1781) last amended through Art. 11 para. 15 eIDAS-DurchführungsG of 18 July 2017 (BGBl. I p. 2745). 30  There is the possibility under § 79 para. 2 No. 3 ZPO for consumers association to collect consumers’ claims and litigate in their own name those claims. This is however the only procedure that could be considered a collective redress scheme, see Hess, JZ 2011, 66 (66). 31  Langenbucher, Katja, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 3 rd ed. 2015, § 21 Rn. 3. 32  Hess (Fn. 9), 66. 33  Notable changes include the reform of arbitration law in 1998 as well as the ZPO reforms of 2002, 2004 and 2009, see Hess (Fn. 9), 66. 34  Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) of 19 October 2012 (BGBl. I p. 2182) last amended through Art. 24 para. 1 Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz of 23 June 2017 (BGBl. I p. 1693). 35  Hess (Fn. 11), Einl., Rn. 3.

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1. Development In 2000 and 2001, allegations were made against Deutsche Telekom AG concerning misrepresentation and failure to disclose material information. The two main (even though not the only) allegations were misrepresentation concerning Telekom’s real estate values and the failure to disclose the intended acquisition of the American telephone company Voice Stream Wireless Corp.36 This led to a wave of shareholder actions against Deutsche Telekom in Germany and in the United States.37 Over 17,000 shareholder claims were subsequently brought to German courts alone, litigated by around 900 different law firms.38 All of them were filed with the regional court of Frankfurt (Landgericht Frankfurt am Main).39 The mass of cases was equal to the courts workload of 10 years. To get a measure of the case extent, there were literally truckloads of documents brought to the court building,40 one judge died during the proceeding and one was routinely transferred41 and a complaint was filed with the Federal Constitutional Court (Bundesverfassungsgericht) for undue delay in the proceeding42. Recognizing that the amount of cases to deal with simultaneously was not possible for any court to handle, on February 25th 2003 the German Government released a “Ten-Point” action program to promote investor protection.43 This was the initial step towards the introduction of the first KapMuG44 in November of 2005.45 The original version’s expiration date was November 1st 2010,

36  Tilp, Andreas W., Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz: Stresstest für den Telekom-Prozess, in: Blaurock, Uwe/Bornkamm, Joachim/Kirchberg, Christian (ed.) Festschrift für Achim Krämer zum 70. Geburtstag, 2009, 331 (334–335). 37  For a comprehensive overview over the events and timeline of the case both in Germany and the United States, see Tilp (Fn. 36), 332–360. 38  Halberstam, Michael, The American Advantage in Civil Procedure? An Autopsy of the Deutsche Telekom Litigation (2016) 48 Connecticut Law Review 817 (843). 39 Today, § 32b ZPO provides that the exclusive venue for shareholder litigation is to be the competent court at the registered office of the issuer. This provision is criticized by some in legal literature to be impractical and problematic. See Stackmann, Nikolaus, Kein Kindergeburtstag – Fünf Jahre Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, NJW 2010, 3185 (3188), who suggests as an alternative the distribution to specialized courts. 40  Jahn, Joachim, Der Telekom-Prozess. Stresstest für das Kaptialanleger-Musterverfahrensgesetz, ZIP 2008, 1314 (1314). 41  Jahn (Fn. 40), 1315; Tilp (Fn. 36), 333. 42 BVerfG, Urt. v. 27. Juli 2014 – 1 BvR 1196/04, NJW 2004, 3320. 43  Seibert, Ulrich, Das 10-Punkte-Programm ‘Unternehmensintegrität und Anleger­ schutz’, BB 2003, 693 (693–698). 44  Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) of 16 August 2005 (BGBl. I p. 2437) last amended through Art. 10 para. 1 sent. 2 Gesetz zur Reform des KapMuG2005 und zur Änd. and. Vorschriften of 19 October 2012 (BGBl. I p. 2182). 45  Hess, Burkhard/Michailidou, Chrisoula, Die kollektive Durchsetzung von Schadensersatzklagen im Kapitalmarktrecht, WM 2003, 2318 (2318).

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giving it five years in order to prove its practicality.46 Today, a new act is in effect and will expire on November 1st 2020.47

2. Proceeding Getting a hold of the Telekom case certainly was the driving factor in the ­KapMuG introduction. However, the intended goal was to strengthen shareholders’ rights in a more general way, by promoting shareholders’ litigation. “Reestablishing the regulatory control function” of liability statutes by introducing a collective redress scheme was the declared intention in the governments justification of the KapMuG.48 In other words this meant more corporate control through private enforcement. Still, it was made clear that there was no intention of creating a US style class action. Rather a “model case” collective redress scheme was to be created.49 The regional court in Frankfurt had already begun its immense task by trying to focus on ten “pilot-procedures” that covered most of the legal questions common to all cases – this way creating its own “model procedure”, albeit without ­statutory basis.50 By choosing a model case solution the legislator deviated from the proposal of the “Commission German Corporate Governance Codex” (Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex), which favored the solution of having a mutual representative for all (opt-in) shareholder plaintiffs.51 The main criticism was that the shareholders who had not chosen to opt-in could simultaneously litigate individually, which in turn could lead to different court decisions in the same matter and did not help in lowering the overall judiciary workload.52 The concept of a model case procedure is not totally unknown in German law, as it can also be found in German administrative law. Pursuant to § 93a, para. 1 of the Rules of the Administrative Courts (Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO)53 a model case procedure is possible for certain administrative actions brought to court by individual petitioners.54 46 

BT-Drucks. 15/5091, 47. See § 28 KapMuG. 48  BT-Drucks. 15/5091, 1, 16. 49  Seibert (Fn. 43), 694–695. 50  Duve, Christian/Pfitzner, Tanja, Braucht der Kapitalmarkt ein neues Gesetz für Massenverfahren?, BB 2005, 673 (676). 51  BT-Drucks. 14/7515, 88–90. 52  BT-Drucks. 15/5091, 50. 53 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in the version of the announcement of 19 March 1991 (BGBl. I p. 686) last amended through Art. 5 para. 2 Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren of 8 October 2017 (BGBl. I p. 3546). 54  Hess, Burkhard, Musterverfahren im Kapitalmarktrecht, ZIP 2005, 1713 (1715). 47 

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The KapMuG procedure itself is divided into three basic stages, viz. application proceeding (Antragsverfahren), intermediate proceeding (Zwischenverfahren) and continuation of the individual proceeding (Fortsetzung des Indivi­ dualverfahrens).55 a) Application Proceeding The first step towards a KapMuG procedure is the application proceeding. The competent court for all shareholder claims on grounds of alleged misrepresentation is the regional court (Landgericht) at the place of the corporation’s registered office (§ 71 para. 2 No. 3 of the German Judicature Act – Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)56, § 32b ZPO). In the individual proceeding before this trial court, a motion has to be filed, requesting a model case procedure. The motion can be filed by either the plaintiff or the defendant (§ 2 para. 1 sent. 2 KapMuG). In practice, the plaintiff is usually the one who seeks to initiate a KapMuG procedure.57 This seems odd, considering that the defendant would also benefit from such a procedure by getting rid of a multitude of cases simultaneously.58 A possible explanation would be that corporations hope for tactical advantages by splitting the case and having multiple trials.59 The motion may only be filed in first instance (§ 2 para. 1 sent. 1 KapMuG), so if a case is already on appeal, it can no longer be part of a KapMuG procedure. After the trial court verifies the motion’s admissibility, pursuant to § 3 para. 2 KapMuG it is made public on the electronic litigation register (elektronisches Klageregister). The publication is supposed to encourage other shareholders to file a similar motion in trial court.60 This is very important because only if ten such commutated motions are filed within six months of the first motion, the KapMuG procedure enters its main stage – the intermediate proceeding (§ 6 para. 1 sent. 1 KapMuG). b) Intermediate Proceeding Pursuant to § 6 KapMuG, if the quorum is met within the given time limit, the trial court issues an order for reference to the Higher Regional Court (Oberlandesgericht). In its order, the court sets the original list of legal questions to be decided on in the intermediate proceeding. Subject of the proceeding can be 55  Halfmeier, Axel/Rott, Peter/Feess, Eberhard, Kollektiver Rechtsschutz im Kapitalmarktrecht. Evaluation des Kapitalan­legermusterverfahrensgesetzes, 2010, 19. 56 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in the version of the announcement of 9 May 1975 (BGBl. I p. 1077) last amended through Art. 10 para. 6 Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsaus­übung schweigepflichtiger Personen of 30 Ocotber 2017 (BGBl. I p. 3618). 57  Stackmann (Fn. 39), 3186. 58  Stackmann (Fn. 39), 3186. 59  BT-Drucks. 14/7515, 89. 60  Hess (Fn. 54), 1715.

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the legal clarification of questions that are fundamental to all individual cases (§ 2 para. 1 sent. 1 KapMuG). That means that the Higher Regional Court decides not about the validity of the claims themselves but about the under­lying issues which are the same for all cases. The Higher Court may for example decide on whether a Sales Prospectus or an ad hoc announcement issued by the corporation was incorrect or misleading.61 However, “non-collectivizable“ issues will not be decided, e.g. the individual damage62 or the limitation or for­ feiture of a claim.63 During the intermediate proceeding, all individual trials that are dependent on issues of the model procedure are suspended, regardless of whether the individual plaintiff opted in by filing a motion of request (§ 8 para. 1 ­KapMuG). That means that as soon as the KapMuG procedure has reached the point of the intermediate proceeding, no other individual trial regarding the same case can be held anywhere in the Federal Republic of Germany. This has been described as the “suction” effect of the KapMuG.64 Parties of the intermediate proceeding are the defendant, a “model plaintiff” (Muster­kläger) and the “joined parties” (Beigeladene) consisting of all other individual plaintiffs who have “opted-in” (§ 9 para. 1 KapMuG). The model plaintiff is selected by the court. Before making the decision, the court must consider the suitability of the plaintiff in question, the amount of the plaintiff’s individual claim and the will of the majority of the plaintiffs (§ 9 para. 2 KapMuG). All affected shareholders who have not yet gone to court have two options. If they take their claim to court, their individual trial will immediately be suspended and the plaintiff due to the suction effect described above will join the KapMuG procedure as a “joined party”. This join can happen at any point of the intermediate proceeding so long as no final verdict has been reached (§ 8 para. 1 KapMuG). The other option is to “register” the claim with the Higher Regional Court within six months of the initiation of the intermediate proceeding. In this case the shareholder will not be legally bound by the court’s decision in the KapMuG procedure, but the limitation of the claim will still be suspended (§ 204 para. 1 No. 6a of the German Civil Code – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)65). The differentiation between these two options is very important, as it has far-reaching effects and sets unwanted incentives, which will be discussed in detail below. 61 

BT-Drucks. 15/5091, 20. LG München I, Beschl. v. 16.03.2006 – 27 O 3657/06, BeckRS 2006, 18838. 63 BGH, Beschl. v. 10.6.2008 – XI ZB 26/07, WM 2008, 1353 (1353). 64  This is the official term used in the Government’s Justification of the KapMuG, BTDrucks. 15/5091, 25; see also Bergmeister (Fn. 25), 226. 65  Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in the version of the announcement of 2 January 2002 (BGBl. I p. 42, cor. p. 2909 and 2003 I p. 738) last amended through Art. 1 Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl. I p. 2787). 62 

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The actual procedure follows the ZPO general rules if otherwise is not provided in the KapMuG (§ 11 para. 1 KapMuG). At the end of the intermediate proceeding, the Higher Regional Court will issue a legally binding decision on the raised issues of fact and law (§ 16 para 1 KapMuG). c) Continuation of the Individual Proceeding The Higher Regional Courts decision can be brought on appeal before the Federal Court of Justice in Germany (Bundesgerichtshof – BGH) by any party of the intermediate proceeding pursuant to §§ 20 and 21 KapMuG. After a final verdict has been reached, the (suspended) individual proceedings are continued at trial court level (§ 22 para. 4 KapMuG). The decisions of the intermediate proceeding are legally binding, and the trial court will only have to decide on the (legal and factual) questions that are individual for each case, e.g. extent and causation of individual damages.66

3. Analysis The question remains whether the introduction of the KapMuG can be considered a success. This section will try to give an answer by analyzing the actual impact of the KapMuG introduction in terms of number of cases filed. There were four declared goals that the legislator hoped to achieve.67 The first and foremost aim was to create greater incentive for shareholders to sue, i. e. to promote private enforcement.68 This goes together with the second declared goal, to make effective enforcement easier for private individuals.69 The third aim was to lower the workload of the courts dealing with securities fraud actions.70 Last but not least there was the growing fear that the Federal Republic of Germany would lose its attractiveness as “justice site” (Justizstandort), considering that it was possible for shareholders to litigate claims in a foreign country by way of “forum shopping”. This could effectively lead to a loss of Germany’s judicial control over domestic securities markets. Thus, the fourth goal was to increase the attractiveness of Germany as justice site.71

66 

Halfmeier/Rott/Feess (Fn. 55), 34. four topics had already been subject of a discussion in legal literature and were named as reasons for the importance of introducing a collective redress scheme, see Reuschle (Fn. 9), 972. 68  BT-Drucks. 15/5091, 16. 69  BT-Drucks. 15/5091, 16. 70  BT-Drucks. 15/5091, 17. 71  BT-Drucks. 15/5091, 17. 67  All

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a) Shareholder Activity before and after KapMuG72 To start with the extent of shareholder actions, the question remains: how many such cases, i. e. suits concerning misrepresentation on the secondary market, are actually brought to court each year? In legal literature, a “flood” of shareholder securities fraud actions has been discussed since the 2001/2002 stock market crash.73 However neither sources nor actual numbers are provided. In fact, before the dot-com bubble collapsed, there was hardly any shareholder action against stock corporations.74 However, even from 2001 to 2013, there were only 111 court decisions concerning misrepresentation suits brought forward by shareholders in Germany. This amounts to an average of 8–9 court decisions per year. Calling this a “flood” seems a little exaggerated. How has this number been influenced by the introduction of the KapMuG in 2005? From 2001 to 2004 there were 24 cases, resulting in an average of 6 cases per year. From 2005 to 2013 there were 87 cases, leading to an average of almost 10 cases per year. This increase of around 67 % may seem impressive at first. Nevertheless, the total numbers pales in international comparison, as the following section will show. b) Effective Enforcement through KapMuG Procedures Considering the second declared goal, i. e. effective enforcement through collective redress, the total case number is even lower. From 2005 until today75 there have been only 16 decisions in different model cases.76 Even when excluding the starting phase77 until the first KapMuG procedure was decided in 200778, this only amounts to an average of 1.6 cases per year. By comparison, 2,255 class actions were decided in the same period in the US – amounting to a total average of 226 court decisions per year.79 These numbers, of course, must be seen in the 72  The litigation data for this section comes from the comprehensive list of published and unpublished court decisions on the matter of misrepresentation on secondary market in Germany by Möllers, Thomas M. J./Leisch, Franz Clemens in: Kölner Kommentar zum WpHG, 2 nd Ed. 2014, Vor §§ 37b, c “Rechtsprechung”; see also: Fleischer, Holger in: Assman, Heinz-Dieter/Schütze, Rolf A. (ed.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4 th ed. 2015, § 6 Rn. 1 Fn. 1. 73  Erttmann, Dorothee/Keul, Thomas, Das Vorlageverfahren nach dem KapMuG – zugleich eine Bestandsaufnahme zur Effektivität des Kapitalanlegermusterverfahrens, WM 2007, 482 (482). 74  To be exact, there were six relevant court decisions in the time from 1982 to 2000. 75  As of November 2017. 76  This data is publicly available at the electronic litigation register www.bundesanzeiger. de. 77  As is suggested by Erttmann/Keul (Fn. 73), 482. 78  This was the DaimlerChrysler case, OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, WM 2007, 595. 79  Stanford Law School Securities Class Actions Clearinghouse, Federal Securities Class

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light of each country’s total stock market capitalization. As of 2016, stock market capitalization in the US was USD 27,352,200,720,000 while in Germany it was only USD 1,716,041,505,061.80 This leads to a ratio of 15.94 to 1. Even when integrating this information, there are nine class actions for every one KapMuG procedure.81 In international comparison, the KapMuG therefore does not provide a collective redress scheme that is as widely accepted and used as the US securities class action. The comparison seems especially important when considering another KapMuG goal, namely the increase of Germany’s attractiveness as a justice site. c) International Competition As mentioned above, there was the general fear that Germany would gradually lose judicial control over the domestic securities market.82 The most conclusive way to measure this effect is to look at the number of the US class actions filed against German companies, i. e. corporations which have their headquarters in Germany.83 An extensive search within the Securities Class Actions Clearinghouse Filings Database reveals a total number of 20 class actions against Germany based corporations, the first one filed in 2000. During the period from 2007 until today there were 13 such cases. For the period from 2000 to 2006 that makes an average of one case per year; for the period of 2007 to date, the average is 1.3 cases per year. If anything, a slight increase in class actions against Germany based corporations can be observed.84 However, it seems highly questionable if this can be attributed to the introduction of the KapMuG at all. As an aside, the German legislator’s fear of extensive forum shopping by investors on the domestic stock market has been incidentally eased by the US Supreme Court, which in Morrisson v. National Australia Bank held that the anti-­fraud provision of the SEC Rules85 does not apply extraterritorially.86 This Action Litigation 1996 – YTD http://securities.stanford.edu/charts.html, accessed November 2017. 80  World Bank, World Federation of Exchanges databases, Market capitalization of listed domestic companies (current US$) http://data.worldbank.org/indicator/CM.MKT.LCAP.CD, accessed November 2017. 81 15.94 (factor) * 16 (KapMuG procedures) = 255.04 || 2,255 (class actions)/255.04 = 8.84 ≈ 9. 82  BT-Drucks. 15/5091, 17; see also Hess/Michailidou (Fn. 45), 2325. 83  This procedure was suggested by Halfmeier/Rott/Feess (Fn. 55), 82. 84  Taking an even closer look, there have been three separate class actions against Volkswagen in the context of the emission scandal. Considering this, the perceived increase diminishes into statistical insignificance. 85  SEC Rule 10b-5, 17 C.F.R. §240.10b-5 (Sec. 10; 48 Stat. 891; 15 U.S.C. 78j) [13 FR 8183, Dec. 22, 1948, as amended at 16 FR 7928, Aug. 11, 1951]. 86  Morrisson v. National Australia Bank, 130 S.Ct. 2869, 2888 (2010).

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means that German investors will no longer be able to sue corporations in the United States using US securities class action with regard to stock they purchased on a German (or other Non-US) stock exchange.87 This ultimately affirms Germany’s judicial control over domestic stock markets.88 d) Judicial Workload Finally, the question remains whether the introduction of the KapMuG helped to decrease the judicial workload in any way. Looking at the Telekom procedure, the case is currently on appeal before the German Federal Court of Justice for the second time.89 Until today, no final court decision has been reached in any of the individual trials.90 That means that over 15 years after the first claims against Telekom have been filed with the Regional Court of Frankfurt, the case is still not resolved. By comparison, the same matter was brought before a US court as a class action and settled in 2005 after only five years.91 The fact that the model procedure already took over ten years in total – twice as long as it took the US case to be settled – suggests that the judicial workload in Germany has at least not decreased to the US’s level regarding collective redress procedures. But has it been lowered at all? The hope was to achieve such a decrease by filtering out the elements common to all individual cases and centrally deciding on them only once (i. e. in the model case procedure).92 However, commentators agree that this goal has not been reached.93 This is attributed to the fact that the KapMuG does not change 87  Lehmann, Matthias, Eine neue Ära der extraterritorialen Anwendung US-amerikanischen Rechts. Zur Entscheidung des Supreme Court in der Rechtssache Morrison v. National Australia Bank Ltd, RIW 2010, 841 (847); see for the remaining possibilities of securities litigation (against Non-US corporations) Mankowski, Peter, Extraterritoriale Reichweite des US-Wertpapierrechts? Die Entscheidung des US Supreme Court in Morrison v. National Australia Bank und der 2010 Wall Street Reform and Consumer Protection Act, NZG 2010, 961 (965). 88  It is however doubted how effective that judicial control is in comparison to the previous US control, see Lehmann (Fn. 87), 847, who pleads for more private enforcement in ­Europe. 89  After the case had been presented to and decided on by the Federal Court of Justice for the first time (BGH, Beschl. v. 21.10.2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1), a second decision on the model case was reached by the Higher Regional Court of Frankfurt (OLG Frankfurt ­Beschl. v. 30.11.2016 – 23 Kap 1/06, AG 2017, 323). This decision is currently on appeal on points of law before the Federal Court of Justice again (XI ZB 24/16). 90  As of November 2017. 91  Stanford Law School Securities Class Actions Clearinghouse, Case Summary Deutsche Telekom AG Securities Litigation http://securities.stanford.edu/filings-case.html?id=101658, accessed November 2017. 92  BT-Drucks. 15/5091, 17. 93  Bergmeister (Fn. 25), 315–317; Schmitz, Bernd-Wilhelm in: Habersack, Matthias/Mülbert, Peter O./Schlitt, Michael (ed.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2 nd ed. 2013, § 33 Rn. 403; Hess, Burkhard in: Krieger, Gerd/Schneider, Uwe H. (ed.), Handbuch Manager-

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anything about the necessity of individual trials.94 In addition, a considerable amount of effort is necessary to even determine the “collectivizable” material common to all cases.95 Furthermore, all parties have the option to (individually) appeal on grounds of alleged errors of fact or law concerning issues exclusive to the individual proceedings.96 All in all, the model case procedure provides no real remedy for the judicial overload generally caused by total number of cases.97 e) Conclusion The above analysis shows that the legislator’s self-set goals have not been met and there is room for improvement. Private enforcement in Germany has increased somewhat in recent years but a great potential remains. After the Supreme Court’s decision in Morrison, the matter of extensive forum shopping by German investors does not seem as urgent as before. The courts’ problem with handling many similar cases at the same time has not effectively been eliminated by the KapMuG as individual trials for each claimant are still necessary. The introduction of the KapMuG as a means for collective redress was almost uniformly welcomed by scholars.98 During the course of the KapMuG reform in 2012, the legislator first mentioned the possibility of integrating a similar collective redress scheme into the ZPO, if it proved itself until “sunset” in 2020.99 The hope is to have a broader scope of application for collective redress, especially in the area of product, pharmaceutical and environmental liability.100 Currently, the introduction of a general model procedure is under debate. A ministerial draft has been published shortly before the general election in 2017.101 The reception has been mostly skeptical although commentators have welcomed even “small steps” in the field of collective redress.102 The pressure haftung, 2 nd ed. 2010, § 14 Rn. 15; Plaßmeier, Heiko, Brauchen wir ein Kapitalanleger-Musterverfahren? – Eine Inventur des KapMuG, NZG 2005, 609 (614). 94  Bergmeister (Fn. 25), 316. 95  Schmitz (Fn. 93), § 33 Rn. 403, for a detailed description of all the factors that cause delays during the proceeding, see Erttmann/Keul (Fn. 73), 485. 96  Tilp (Fn. 36), 349. 97  Bergmeister (Fn. 25), 317. 98 See Schmitz (Fn. 93), § 33 Rn. 397 with further proof. 99  BT-Drucks. 17/8799, 14. 100  Erttmann/Keul (Fn. 73), 482. 101  Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage www.bmjv.de/ SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/DiskE_Muster­feststellungsklage.pdf, accessed November 2017. 102  Halfmeier, Axel, Musterfeststellungsklage: Nicht gut, aber besser als nichts, ZRP 2017, 201 (204); see also Kranz, Dagmar, Der Diskussionsentwurf zur Muster-Feststellungsklage – ein stumpfes Schwert?, NZG 2017, 1099; Habbe, Julia Sophia/Gieseler, Konrad, Einführung einer Musterfeststellungsklage – Kompatibilität mit zivilprozessualen Grundlagen, BB 2017,

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on policy-makers to create the means for efficient litigation in mass disputes is enormous, especially after the emissions scandal.103 However, considering the mediocre performance of the KapMuG, the usefulness of a general model procedure seems highly doubtful. Nevertheless, some of the weaknesses of the KapMuG (and any potential form of collec­tive redress) might be attributed to more fundamental and opposing principles in German civil procedure, which will be explained in the following section.

IV. Areas of Conflict It has already been emphasized that German Civil Procedure is based on the concept of a two-party system with little room for a scheme of collective redress. As such, the KapMuG marks a break with fundamental principles of German law.104 The problem must be seen in the broader perspective of the conflicting policy objectives underlying the concept of private enforcement. Private Enforcement as part of a corporate governance system is driven by two policy objectives. These are (1.) to incentivize private action and (2.) to efficiently handle these actions.105

1. Incentivizing Shareholder Action As has already been explained, the main barrier for shareholder action is rational apathy that is a result of dispersed damages. The German answer to this problem has typically been the “loser pays rule”, which ultimately relieves the plaintiff of court and attorney fees in case his claim is meritorious and the trial is successful.106 Is this fee shifting enough though? Looking at the numbers above, the answer seems to be no. Fee shifting is only possible up to the amount of the (statutory) fixed fees and most of the times there will be significantly higher contractual fee agreements (e.g. hourly rates) between the plaintiff and his lawyer.107 There is also still the plaintiff’s risk of losing and as a result paying double.108 2188; and for a comparative perspective Weber, Franziska/van Boom, Willem, Neue Entwicklungen in puncto Sammel­k lage – in Deutschland in den Niederlanden und an der Grenze, VuR 2017, 290. 103  Tilp, Andreas W./Schiefer, Marc, VW Dieselgate – die Notwendigkeit zur Einführung einer zivilrechtlichen Sammel­k lage, NZV 2017, 14. 104  Hess (Fn. 11), Einl. Rn. 4. 105  Bergmeister (Fn. 25), 42. 106  Bergmeister (Fn. 25), 24–25. 107  Bergmeister (Fn. 25), 25. 108  Bergmeister (Fn. 25), 36.

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So how can the large number of Telekom litigation plaintiffs be explained? The Telekom case was an exception because there was no rational apathy involved.109 Even though institutional investors were not part of the trial, the average individual claim was about 5,900 EUR – an amount high enough to overcome the barriers of rational apathy.110 This was due to the fact that before its IPO, Telekom launched a massive public promotional campaign for its shares, which led a lot of private investors to purchase Telekom shares as part of their pension schemes – many of them dealing with stocks for the first time in their lives.111 In addition, there was a decision by the Federal Court of Justice112, stating that standard legal protection insurance covered an action for damages regarding prospectus liability in general and the Telekom case in particular.113 However, this aspect (as a further incentive to sue) is reduced today because most insurance companies have promptly reacted to the court decision by adapting modified terms and conditions.114 Theoretically, further incentives for shareholder action could be achieved through US-style contingency fees.115 A contingency fee is a success-based remuneration of the attorney combined with his proportional participation in the monetary damages awarded by the court.116 As such a fee gives attorneys an incentive to sue, it typically entails the risk of abuse.117 For fear of a “complaint industry”, Germany has traditionally been very conserva­tive with contingent fees.118

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Hess (Fn. 9), 72. Tilp (Fn. 36), 332–333; Hess (Fn. 9), 72. 111  Jahn (Fn. 40), 1314. 112 BGH, Urt. v. 21.05.2003 – IV ZR 327/02, NJW 2003, 2384. 113  Tilp (Fn. 36), 344; Bergmeister (Fn. 25), 8–9. 114  Halfmeier/Rott/Feess (Fn. 55), 39; Bergmeister (Fn. 25), 306; see for example HUK-­ COBURG, Allgemeine Versicherungsbedingungen zum Privat-, Berufs- und VerkehrsRechts­schutz, C.2.2.9 www.huk.de/content/dam/hukde/dokumente/produkte/allgemeine_ versicherungsbedingungen_rechtsschutz.pdf, accessed November 2017, or Debeka, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (Debeka ARB 2012), § 3 (2) f) bb) www.debeka.de/service/bedingungen/Rechtsschutzversicherung/BRS1.pdf, accessed November 2017; for a comparative analysis on the matter, see Looschelders, Dirk, Aktuelle Pro­ bleme der Rechtsschutzversicherung im deutschen und österreichischen Recht, VersR 2017, 1237 (1239–1240). 115  Bergmeister (Fn. 25), 333. 116  Bergmeister (Fn. 25), 162–170. 117  Bergmeister (Fn. 25), 33. 118  Warren III, Manning Gilbert, The U.S. Securities Fraud Class Action: An Unlikely Export to the European Union (2012) 37 Brook Int’l L. 1075, 1085. 110 

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2. Efficient Litigation The second key element for private enforcement is efficiency.119 The main obstacle for efficient private enforcement however, is the German constitution’s emphasis on the importance of individual protection of rights (Individual­ rechtsschutz). Concerning collective redress, there are two main areas of conflict, namely (a) pooling of claims vs. individual assertion and (b) slender pro­ cedure vs. participation rights. a) Pooling of Claims vs. Individual Assertion The constitutional right to judicial access (Justizgewährleistungsanspruch) encompasses the right to an effective legal protection in civil law disputes, including access to court, a generally comprehensive assessment of facts and law relevant to the case through the judge and a binding verdict.120 The original version of the KapMuG (2005) did not include the possibility to “register” a claim and thereby suspend its limitation. This led to a factual compulsion to join the model procedure because of the suction effect described above and the relatively short period of claims limitation.121 It was widely debated whether this was a constitutional breach of the right to judicial access.122 The legislator responded to this by introducing the option to register a claim – thus suspending this claim’s limitation while not being affected by the binding effect of the court’s decision in the model proceeding.123 By consequently weakening the “pooling” of claims, the German legislator thus responded to constitutional concerns to the detriment of efficiency in shareholder litigation.

119 

Bergmeister (Fn. 25), 41. Beschl. v. 09.05.1989 – 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103 (107); Beschl. v. 12.02. 1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337 (345); Beschl. v. 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 (185). 121  Bergmeister (Fn. 25), 228; In the Telekom procedure this was avoided by registering the claims with the ÖRA, a kind of public mediation services institution, which had a suspension effect on the limitation pursuant to § 204 para. 1 No. 4 BGB, see Tilp (Fn. 36), 344. 122  For the voices alleging a constitutional breach, see e.g. Scholz, Rupert, Individualer und Kollektiver Rechtsschutz, ZG 2003, 248 (260); Meyer, Andreas, Aspekte einer Reform der Prospekthaftung – Eine Würdigung der Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages – Teil II, WM 2003, 1349 (1352–1353). For the other side, see e.g. Hess (Fn. 54), 1715; Reuschle (Fn. 9), 977. 123  Wardenbach, Frank, KapMuG 2012 versus KapMuG 2005: Die wichtigsten Änderungen aus Sicht der Praxis, GWR 2013, 35 (36). For the resulting further problems and possible solutions (concerning D&O insurance), see also von Bernuth, Wolf H./Kremer, René M., Das neue KapMuG: Wesentliche Änderungen aus Sicht der Praxis, NZG 2012, 890 (892); Wigand, Johannes, Die Anmeldung von Ansprüchen zum Musterverfahren – Gefahren, Auswirkungen und zentrale Fragen zur Verjährungshemmung, WM 2013, 1884 (1887). 120 BVerfG,

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The simplest solution to create an effective pooling of claims might be to create a US-style “opt-out” model. However, considering the abovementioned constitutional concerns, this seems completely impossible in Germany.124 b) Slender Procedure vs. Participation Rights Other German law principles are the constitutional right to a fair hearing (recht­ liches Gehör) and the principle of party control (Dispositionsmaxime).125 These rights state that the matters decided on by the judge are determined solely by the parties, i. e. the parties can dispose over the matter in question,126 and that any claimant must be heard by a judge.127 Consequently, all joined parties (basically128) have the same rights (e.g. to plea or present evidence) as the model plaintiff, pursuant to § 14 KapMuG. This goes to the detriment of slender and ultimately efficient proceedings. So how can there exist any court decision in the Telekom case? The simple answer is that almost none of the joined parties have made use of their participation rights.129 Out of the 900 law firms representing the plaintiffs’ side, initially only 24 personally appeared in court with only a handful remaining later.130 If each one of the 900 law firms had submitted just one pleading (not even one for each one of the 17,000 claimants) and (only) Telekom had replied to each of them, the proceedings might never end.131 Ultimately, the conflict between fundamental constitutional and procedural principle in German law on the one hand and the goal of efficient litigation and slender procedure on the other hand might prove unsolvable.132

124 

Bergmeister (Fn. 25), 45. for the constitutional roots Rau, Carina, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz vor dem Hintergrund von Dispositions- und Verhandlungsgrundsatz, 2008, 32, 165. 126  As the judge of the trial court generates the brief of questions presented to the higher court, this right is somewhat constrained, see Haar (Fn. 11), 101. 127  Halberstam (Fn. 38), 30; Rau (Fn. 125), 167–168; Habbe, Julia Sophia/Gieseler, Konrad, Einführung einer Musterleistungsklage in Verbraucherangelegenheiten – Effizienzsteigerung oder Systembruch?, BB 2016, 3018 (3021). 128  So long as their pleading does not contradict that of the model plaintiff, § 14 sent. 2 KapMuG; see also Koch, Raphael, Grund und Grenzen kollektiver Rechtsdurchsetzung, DZWIR 2016, 351 (353–354). 129  Tilp (Fn. 36), 359–360. 130  Jahn (Fn. 40), 1316. 131  Tilp (Fn. 36), 360, Fn. 105. 132  Halberstam (Fn. 38), 30–31. 125  See

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V. Conclusion In summary, there is a general trend in Europe and particularly Germany towards more private enforcement, designated as a second track parallel to public enforcement of securities laws. Because of dispersed damages and rational apathy, a collective redress scheme is a prerequisite for effective private enforcement. In the form of the KapMuG, the German legislator has tried to create one with mixed success. Even though the number of shareholder actions has somewhat increased, the current legal framework does not provide the judiciary with means to deal with them in a timely manner. However, the main deficiencies of the KapMuG are rooted in constitutionally guaranteed procedural rights not easily abandoned. The current tendency in Germany is in favor of shareholder litigation. Private law enforcement is increasingly seen as positive and US-style class actions are more and more quoted as positive rather than negative examples.133 Even creating a definite opt-out model is openly preferred by some individuals.134 History shows that Germany has always been slow to adapt in the area of securities supervision and enforcement.135 Perhaps, in the field of private enforcement, too, Germany needs more time to adapt and maybe just another push. After a judicial struggle of more than 15 years on the Telekom case, the VW emissions scandal might just be that push, as it marks the next difficult test for German collective redress in securities litigation.

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Hess (Fn. 11), Einl., Rn. 2; Tilp/Schiefer (Fn. 103), 18. Jahn (Fn. 40), 1317. 135  For example, the BAWe (now: BaFin) was created only in 1994, long after the US (1933), Belgium (1935) and France (1967) had created corresponding institutions, see Hopt (Fn. 9), 1879. 134 

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Stand und Perspektiven der kollektiven Rechtsdurchsetzung in Deutschland und Europa Astrid Stadler

I. Einleitung Fragen des kollektiven Rechtsschutzes werden nun seit mehr als 10 Jahren in Europa und Deutschland kontrovers diskutiert. Im Verhältnis zur akademischen Tinte, die in diesem Zusammenhang geflossen ist, sind die Ergebnisse eher bescheiden. Das liegt einerseits an der rechtlichen Komplexität des Themas – freilich liegen inzwischen zu fast allen Teilfragen ausführliche rechtsvergleichende Studien und Regelungsvorschläge vor. Alles entscheidend ist, dass das Thema wie kaum ein anderes rechtspolitisch polarisiert. Dies gilt vor allem für die Situation in Deutschland. Nachdem das deutsche Verfahrensrecht einst in den 1970er Jahren mit dem Instrument der Verbandsklage im Wettbewerbs- und Verbraucherrecht zusammen mit dem Ombudspersonensystem der skandinavischen Staaten eine Vorreiterrolle in Europa eingenommen hatte, gehören wir mittlerweile zu den Schlusslichtern in Sachen kollektiver Rechtsschutz. Doch der Reihe nach: Auf europäischer Ebene1 wurde die Diskussion einst angestoßen durch Initiativen der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der EU-Kommission mit Grün-2 und Weißbüchern3 aus den Jahren 2005 und 2008, die sich primär dem private enforcement im Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht verschrieben hatten und unverhohlene Anleihen bei der US-amerikanischen class action machten.4 Die hierdurch ausgelöste Kritik markierte bereits den wesentlichen Argumentationsstrang der Wirtschaft, der sich bis heute wie ein roter Faden durch die Diskussion zieht und bislang vor allem in Deutschland Reformen erfolgreich verhindert hat: Das Gespenst der „amerikanischen Verhältnisse“, will sagen: die 1 

Ausführlich zur Entwicklung Stadler, GPR 2013, 281 ff. (2005) 672, 19. Februar 2005. 3 KOM (2008), 165, 2. April 2008. 4  Vorgeschlagen wurden zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei Verletzung von EU-Kartellrecht eine Gruppenklage individuell Geschädigter mit opt-in Modus sowie eine representative action von Verbänden und Interessenvereinigungen auf einem optout System basierend. 2 KOM

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Angst vor dem Import einer amerikanischen „Klageindustrie“ und dem Missbrauchspotential US-amerikanischer class actions.5 Angesichts dessen fiel ein im November 2008 publiziertes Grünbuch der GD Verbraucherrecht6 etwas zurückhaltender aus und ging auch mit einem terminologischen Paradigmenwechsel einher: Man spricht nicht mehr von Gruppen- oder Sammelklagen, sondern umfassender – und in klarer Abgrenzung von der US class action – von collective redress. Abseits der langwierigen Diskussionen in Brüssel hatte der kollektive Rechtsschutz in Europa jedoch bereits Einzug gehalten. Die skandinavischen Staaten führten in den Jahren 2002–2008 bereits Gruppenklagen mit einem breiten Anwendungsbereich ein (allerdings meist mit einem opt-in-Mechanismus statt des amerikanischen opt-out).7 Erst im Februar 2011 gelang es der EU-Kommission die Ansätze der GD Wettbewerb und Verbraucherschutz in einem Konsulta­tions­papier „Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten europä­ischen Ansatz“8 zusammenzuführen und endlich auch die GD Justiz einzubinden. Das Ergebnis des dann folgenden politischen Tauziehens zwischen Europäischer Kommission einerseits und Europaparlament sowie einigen einflussreichen Mitgliedstaaten andererseits ist bekannt. Im Juni 2013 veröffentlichte die EU Kommission eine für die Mitgliedstaaten nur unverbindliche Empfehlung mit dem sperrigen Titel „Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten“.9 Der Umset5 Zum blackmailing effect in den USA: Silver, 78 N.Y.U.L. Rev. 1357 (2003); Hensler et al, Class Action Dilemmas: Pursuing Public Goals for Private Gain, Rand Institute of Civil Justice, 2000, p. 33. Der Gesetzgeber in den USA ist bemüht, den schlimmsten Auswüchsen Herr zu werden: vgl. die Class Action Fairness Acts 2003 und 2005 sowie im Kapitalmarktrecht der Private Securities Litigation Reform Act 1995. Im März 2017 verabschiedete das Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf Fairness in Class Action Litigation Act of 2017, H.R. 985, der erhebliche Beschränkungen von Rule 23 Federal Rules of Civil Procedure mit sich brächte, wenn er auch den US Senat passieren würde, s. hierzu www.antitrustinstitute.org. „Class action issues update March 2017“. 6 KOM (2008) 794, 27. 7 Schweden (Group Proceedings Act SFS 2002: 599), Dänemark (2008, Ges. no. 181 v. 28.2.2007 – §§ 254a-254k ZPO), Norwegen (Dispute Act Ch. 35, 2008), Finnland (Class Action Act 444/2007 vom 13.4.2007), Überblick bei Dürr-Auster, Die Qualifikation als Gruppen- oder Verbandsklger im kollektiven Rechtsschutz, Tübingen 2017, S. 114 ff. Italien und Polen zogen 2010 nach: Art. 140–bis Codice del consumo (1.11.2010) und das Reformgesetz vom 24.3.2012; pol. Gesetz vom 17.12.2009 (Diziennik Ustaw no.7 pos. 44, in Kraft getreten am 19.7.2010). Polen ist dabei mit 210 Verfahren mit großem Abstand das Land mit den meisten Verfahren basierend auf den neuen Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes, ­Hodges/Voet, Delivering Collective Redress in Markets: New Technologies, Foundation for Law, Justice and Society, www.fljs.org, table 1. 8  Konsultationspapier der EU Kommission, SEC (2011) 173. 9  KOM 2013/396/EU. Hierzu ausführlich Hodges, J. Consumer Policy 2014, 67 ff.; ­Stadler ZfPW 2015, 61 ff.; dies. GPR 2013, 281 ff.; Silvestri, Russian Law Journal 2013, 46 ff.; Voet, Int. J. of Procedural Law (Vol 4), 2014, 97 ff.

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zungszeitraum bis Mitte 2015 verstrich, ohne dass irgendein Mitgliedstaat die Vorschläge „eins zu eins“ umgesetzt hätte, obgleich es durchaus einige wichtige Reformen gab und gibt, auf die gleich zurückzukommen sein wird. Angesichts des Themas der Fachgruppe beschränken sich die folgenden Ausführungen im Wesentlichen auf die Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht und legen den Fokus auf Schadensersatzansprüche im Kapitalmarkt- und Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht. Der Ansatz der Kommissionsempfehlung von 2013 war freilich ein breiterer: Gedacht war an horizontale, nicht sektorielle Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes. Jedoch erwies sich gerade dies als offenbar schwer akzeptabel. Sieht man einmal von den Niederlanden ab, die mit ihrem gegenwärtigen Reformvorhaben ebenfalls einen horizontalen Ansatz verfolgen, beschränken sich andere nationale Gesetzgeber gerne auf einen zunächst engeren Anwendungsbereich neuer kollektiver Klageformen, um Erfahrungen zu sammeln. Im Vordergrund steht dabei in den meisten Mitgliedstaaten das Verbraucherschutzrecht und das Kartellrecht, interessanterweise weniger der Schutz von Anlegern. Insoweit sind die deutschen Experimente mit dem KapMuG seit 2005 ein Einzelfall geblieben, der von der Kommission und den Mitgliedstaaten zunächst mit großer Neugier betrachtet wurde, inzwischen aber angesichts der Unfähigkeit, wenigstens das Telekom-Verfahren in einem vernünftigen Zeitrahmen zu Ende zu bringen, eher nur noch belächelt wird.

II. Private enforcement – warum eigentlich? Bevor der Stand der kollektiven Rechtsdurchsetzung näher zu betrachten ist, ist kurz auf die Frage einzugehen, warum und wo es eigentlich in Europa oder speziell in Deutschland der Rechtsdurchsetzung durch Private bedarf. Während das US-Recht in weiten Teilen mit der class action ganz auf eine private Rechtsdurchsetzung baut, sind die Traditionen in den Mitgliedstaaten der EU durchaus unterschiedlich. Während im Kartellrecht häufig behörd­liche Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse bestehen, setzt etwa das deutsche Verbraucherund Wettbewerbsrecht seit jeher weniger auf behördliche Rechtsdurchsetzung als auf private enforcement durch Verbandsklagebefugnisse (bislang beschränkt auf Unterlassungs- und Beseitigungsklagen).10 Im Vereinigten Königreich und 10  Weder dem Bundesamt für Justiz (s. https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/ Buergerdienste/Verbraucher­schutz/Ver­braucherschutz_node.html) noch dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kommt für die Rechtsdurchsetzung im Verbraucherschutz eine wirklich tragende Rolle zu. Insbesondere kann das BVL nach § 7 des Gesetzes zur Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei innergemeinschaftlichen Verstößen (erlassen aufgrund der VO (EG) 2006/2004) Dritte mit der gerichtlichen Durchsetzung beauftragen. Dies geschieht auch regelmäßig, so dass die Verfahren häufig vom vzbv

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Skandinavien besteht im Bereich des Verbraucherschutzes die lange und durchaus erfolgreiche Tradition von Ombudspersonen bzw. behördlicher oder quasi-­ behördlicher Überwachung (s. etwa durch das englische Office of Fair Trading – heute sind die Aufgaben u. a. von der Competition and Markets Authority übernommen), die teils mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind, aber teilweise auch privatrechtliche Klagen erheben können bzw. müssen. Insbesondere im Vereinigten Königreich spielt der UK Financial Ombudsman Service (FOS)11 – angesichts schon immer extrem hoher Prozesskosten, die Gerichtsverfahren für Privatpersonen nahezu unerschwing­lich gemacht haben – im Bank-, Versicherungs- und Finanzleistungsrecht eine wichtige Rolle.12 Auch in Deutschland bewältigen die Schlichtungsstellen bzw. Ombudsleute des Bankund Versicherungsgewerbes zahlreiche Fälle, auch wenn ihre Bedeutung mit der des FOS nicht vergleichbar sein dürfte. Für die Europäische Kommission war mit der Ashurst Studie von 200413 jedenfalls für das Kartellrecht ein klarer Befund gegeben: Schadensersatzansprüche von Endverbrauchern oder unmittelbaren Abnehmern werden selbst, nachdem ein Kartellverstoß von den Behörden rechtskräftig festgestellt wurde, eher selten durchgesetzt. Die Gründe dafür sind unterschied­lich. Endabnehmer (sprich: Verbraucher) erleiden oft „nur“ die berühmten Bagatell- und Streuschäden, deren Durchsetzung sich für den Einzelnen nicht lohnt und zudem auf Beweisprobleme stößt (wer bewahrt schon seine Quittungen lange genug auf, um nach Jahren noch nachzuweisen, dass er ein bestimmtes von einem Preiskartell betroffenes Produkt gekauft hat?). Bei den unmittelbaren Abnehmern – oft KMUs – sind es häufig die Rücksichtnahme auf Lieferbeziehungen, vor allem aber Probleme des materiellen Rechts – wie etwa eines Schadensnachweises (Stichworte: passing-on defense, Berechnung hypothetischer Marktentwicklungen), die von Prozessen gegen Kartellanten abhalten. Das Ergebnis ist dasselbe. Die Lenkungs- und Präventivfunktion, die eben gerade auch von den Schadensersatzforderungen ausgehen soll,14 versagt. Ökonomen weisen seit langem darauf hin, dass sich gegen Kartelle erfolgreich nur vorgehen ließe, wenn neben den an sich schon beträchtlichen Bußgeldern (die offenbar noch keine ausreichend abschreckende Wirkung erzielen), die Kartellanten für sämtliche

oder der Wettbewerbszentrale geführt werden, vgl. Stadler, in: Bernitz/Heide-Jørgensen (eds.), Marketing and Advertising Law in a Process of Harmonisation, 2017, 201 ff., 206. 11  Benöhr in: Hodges/Stadler (eds),. Resolving Mass Disputes, 2013, p. 247 ff., 259 ff. 12  In den Jahren 2015/16 gingen 1,5 Mio. Anfragen beim FOS ein; s. Hodges/Voet, aaO Fn. 7, p. 5. Die Jahresberichte sind abrufbar unter http://www.financial-ombudsman.org.uk/. 13  Ashurst, Study on the condition of claims for damages in case of infringement of EC competition rules, Comparative Report 31 August 2004, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ competition/antitrust/actionsdamages/study.html. 14 Grundlegend Wagner, Prävention und Verhaltenssteuerung durch Privatrecht – Anmaßung oder legitime Aufgabe?, AcP 206 (2006), 352 ff.

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individuellen und volkswirtschaftlichen Schäden aufkommen müssen.15 Dies gilt allgemein: Potentielle Schädiger werden das ökonomisch effiziente Maß an Vorsicht nur dann walten lassen, wenn sie die verursachten Schäden in vollem Umfang tragen müssen.16 Das Kartellrecht ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass jedenfalls in Deutschland die bisherige Mischung aus public und private enforcement nicht befriedigend funktioniert. Die vom Gesetzgeber 2005 eingeführte Möglichkeit, dass Verbände (seit der 8. GWB-Novelle auch Verbraucherschutzorganisationen17) Unrechtsgewinne bei Unternehmen, die gegen kartellrechtliche Regeln verstoßen haben, abschöpfen dürfen (§§ 34a, 33 Abs. 2 GWB), hat bislang soweit ersichtlich zu keiner praktischen Anwendung geführt. Dies liegt daran, dass die Kartellbehörden selbst primär zur Gewinnabschöpfung berechtigt sind (§ 34 GWB) und die von ihnen nicht aufgegriffenen Fälle als sog. stand alone-Klagen der Verbände ein zu hohes Risiko und einen zu hohen Aufwand bedeuten. Der Nachweis einer Kartellabsprache setzt behördliche Ermittlungsbefugnisse voraus, die den Verbraucherverbänden nicht zur Verfü­g ung stehen. Gerade im Kartellrecht ist daher nur eine Kombination von öffentlicher und privater Rechtsdurchsetzung sinnvoll.18 Erst wenn Kartellrechtsverstöße von europäischen oder nationalen Aufsichtsbehörden bestandskräftig festgestellt sind, kann man von privaten Akteuren die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen als follow-on Klage erwarten. Das Sonderproblem des Kartellrechts besteht im Dilemma zwischen private enforcement einerseits und der möglichen Gefährdung einer äußerst wirksamen Kronzeugenregelung (dank derer Kartelle heute überhaupt aufgedeckt werden) andererseits. Die Kartellschadens-RL ist hier um einen Ausgleich bemüht.19 Die durch Preiskartelle entstehenden 15 

J. Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht, Tübingen 2015, S. 699 ff. mit weit. Nachw., insbesondere müsste in die Gewinnabschöpfung der Dunkelziffer nicht aufgedeckter Kartelle einbezogen werden. 16  Zum Ganzen etwa Schwalbe, Kollektivklagen aus ökonomischer Sicht, in: Schmidt/ Kessel/Strünck/Kramme (Hrsg.), Im Namen der Verbraucher? Kollektive Rechtsdurchsetzung in Europa, JWV, 2015, S. 27. 17 Einzelheiten bei Bien, Der Anspruch der Verbraucherverbände und Verbände der Marktgegenseite auf Unterlassung, Beseitigung und Vorteilsabschöpfung in: Bien, Florian (Hrsg.) Das deutsche Kartellrecht nach der 8. GWB-Novelle, S. 329 ff. 18  Auch für das Verbraucherrecht wird dies vielfach als die beste Lösung angesehen, s. etwa ausführlich Weber, The Law and Economics of Enforcing European Consumer Law – a Comparative Analysis of Package Travel and Misleading Advertising, 2014 mit Nachw.; Cafaggi/Micklitz, Administrative and Judicial Enforcement in Consumer Protection: the Way Forward, in: Cafaggi/Micklitz, New Frontiers of Consumer Protection – the Interplay between Private and Public Enforcement, intersentia 2009, 401 ff. 19  Dem sog. Whistleblower kommen zwar Vergünstigungen bezüglich der Geldbuße zu Gute, es besteht jedoch die Gefahrt, dass er aufgrund seines Bekenntnisses zum Kartell als erster auch zivilrechtlich voll auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird und dann den Regress bei seinen Mit-Kartellanten (Gesamtschuldnerausgleich) suchen muss. Erwägungsgründe 26, 38 und Art. 6 Abs. 6, Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen

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Schäden sind dabei unterschiedlich: Während bei den direkten Abnehmern häufig beträchtliche Schäden entstehen (oder es entstehen keine Schäden, wenn es aufgrund der Marktsituation nicht gelingt, die überhöhten Einkaufspreise umzulegen), wirkt sich das Kartell für Verbraucher am Ende der Distributionskette häufig nur in Form von Bagatellschäden aus. Für beide Erscheinungsformen sind unterschiedliche Lösungsmodelle der kollektiven privaten oder öffentlichen Rechtsdurchsetzung denkbar. Grundsätzlich besteht bei den direkten Abnehmern ein hinreichendes wirtschaftliches Interesse ihre Schäden selbst gerichtlich einzuklagen. Es besteht also eigentlich kein An­lass, dies hoheitlich zu regeln. In Deutschland werden mangels eines prozessualen Gruppen­k lageinstrumentes allerdings erst nennenswert Klagen erhoben, seit es über private Unter­nehmen wie Cartel Damage Claims, CDC, (oder eigene Special Purpose Vehicles – etwa der Deutschen Bahn Tochter DB Barnsdale Cartel Damage Solutions AG) die Möglichkeit der Bündelung durch Abtretung gibt. Diese hat vor allem den Vorteil, dass etwa CDC zur Berechnung der hypothetischen Marktentwicklung in den Aufbau von Datenbanken investiert hat, die sich aber nur mit Daten der Marktteilnehmer speisen lassen, wenn diese ihre Konkurrenzsituation einmal beiseite lassen und gemeinsam gegen ihre Lieferanten vorgehen. Im Rahmen einer in der Hand von CDC gepoolten Klage steht daher ein ganz anderes Datenmaterial zur Verfügung als sonst. Für den Einzelnen sind solche Verfahren nicht zu bewältigen und nicht zu bezahlen. Sammelverfahren haben erheblich bessere Chancen der Prozessvorbereitung und damit auch der Unterstützung durch Prozessfinanzierer. Auf die Schwierigkeiten des Abtretungsmodells von CDC, das in Europa überall anerkannt wird und nur in Deutschland vor den Düsseldorfer Gerichten auf Ablehnung stieß, wird noch zurückzukommen sein. Fakt ist, dass gerade Kartellschadensersatzklagen einer umfangreichen und gründlichen Vorbereitung bedürfen und trotz der Erleichterungen durch die europäische Kartellschadensersatz-RL und deren Umsetzung durch die 9. GWB-Novelle 2017 ein erheb­liches finanzielles Risiko bedeuten. Man kann also sowohl die Verfahrensvorbereitung wie auch die Übernahme des Prozessrisikos wie bislang privaten Unternehmen wie CDC überlassen oder eine opt-in Gruppenklage zur Verfügung stellen, bei der (ggf. neben anderen klagebefugten Einrichtungen oder Organisationen) ein einzelner Geschädigter im Namen aller ein Verfahren initiieren könnte. Dann müssten jedoch die Klägeranwälte beide Aufgaben übernehmen bzw. einen externen Prozessfinanzierer einschalten. Für Bagatell- und Streuschäden (im Kartell- wie im Verbraucherrecht) besteht in Deutsch­land wie in den meisten Mitgliedstaaten der EU nur Einigkeit Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union.

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über den Befund, nicht über die Lösung des Problems. Die rationale Apathie der Betroffenen könnte entweder durch Gruppen- oder Verbandsklagen auf der umstrittenen opt-out Basis überwunden werden oder durch Instrumente der Gewinnabschöpfung, die angesichts des Verteilungsproblems von vorne herein gar nicht auf einen Schadensersatz für die Geschädigten abzielen. Für beide Möglich­keiten besteht Streit, wer klagebefugt sein soll. Gewinnabschöpfungsklagen, die keine Kom­pensationsfunktion haben, sondern primär Abschöpfungs- und damit Abschreckungsfunktion könnte man grundsätzlich natürlich auch – anders als etwa in § 10 UWG vorgesehen –, in Behördenhände legen. Dass die rationale Apathie überwunden werden sollte, ist ein Gebot effektiver Rechtsdurchsetzung, das ein öffentliches Gut ist. Jede Art von public enforcement setzt ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen der Behörden oder Ombudseinrichtungen voraus und birgt daher immer die Gefahr, dass kein flächendeckendes Vorgehen gegen Rechtsverstöße erfolgt. Auch Verbandsklagebefugnisse sind nur dann und dort ausreichend, wo es entsprechende Verbände gibt – außerhalb des Verbraucherschutzes ist dies nicht gewährleistet, erst recht nicht, wenn man an eine europa­weite Regelung denkt. Es spricht daher viel dafür, im Kartell- (wie im Verbraucherschutz­ recht) ergänzend zu präventiven behördlichen Regelungsbefugnissen und Sanktionsmöglich­keiten gerade für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen auf private Akteure zu setzen. Auch Gewinnabschöpfungen können nur dort auf der Basis von Verbandsklagebefug­nissen durchgeführt werden, wo es Verbände mit hinreichender personeller und finanzieller Kapazität gibt. Im Übrigen empfiehlt es sich, diese Befugnis in die Hände von entsprechend ausgestatteten Behörden zu legen. Eine europaweit einheitliche Lösung ist hier weder möglich noch notwendig. Im Kapitalmarktrecht ist die Situation ähnlich. Die seit der globalen Finanzkrise wieder zunehmende staatliche Regulierung vermag vielleicht Banken zu stabilisieren und im schlimmsten Fall zu retten helfen, sie kann auch besonders riskante Finanzmarktprodukte präventiv vom Markt verbannen. Anlegerschäden wird sie nie gänzlich verhindern können – der VW-Dieselskandal spricht Bände. Die Schäden von Kapitalanlegern sind heute typischer­weise (internationale) Massenschäden, bei denen auch der Einzelne – anders als bei Verbrau­ cherschäden infolge von Preiskartellen – durchaus angesichts der Höhe seiner Verluste einen Anreiz zur Klageerhebung hat. Die Folge sind Situationen wie im Telekom-Prozess: 17.000 Klagen. Eine Bündelung der Ansprüche verfolgt hier daher zwei Zielrichtungen: einerseits benötigt man ein vernünftiges Instrumentarium, um eine Überlastung der Gerichte durch komplexe Massenverfahren zu verhindern (so auch die durchaus richtige Ausgangsidee des KapMuG), zweitens kann nur bei einer gebündelten Anspruchsdurchsetzung genügend Druck auf den Beklagten ausgeübt werden, um eine vergleichsweise Regelung zu erzielen, welche regelmäßig für alle Beteiligten bei Massenschäden im Kapital-

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marktrecht die wohl bessere Lösung darstellt. Wie hoch der Druck allerdings bisweilen sein muss, zeigt wiederum der VW-Fall: Die in Braunschweig inzwischen in ein Musterfeststellungsverfahren überführten Anlegerklagen haben ein Volumen von mehr als 8 Milliarden Euro erreicht. Das dürfte ein Rekord in der deutschen Prozessgeschichte sein, für VW angesichts der allein in den USA zu zahlenden Beträge allerdings „peanuts“, jedenfalls noch kein Grund, sich auf Vergleichsver­handlungen einzulassen, sondern auf das langwierige KapMuG-Verfahren und die Verjäh­r ungsregelungen zu setzen. Spätestens seit der US Supreme Court in sog. f-cubed Fällen („foreign3“: die geschädigten Anleger, die beklagte Gesellschaft sind außerhalb der USA ansässig und die Aktien nicht an einer US Börse erworben) den Zugang zu US securities class actions verweigert, 20 benötigen europäische Anleger dringend Alternativen in Europa. Das Dilemma, in das die Notwendigkeit eines effektiven private enforcement21 führt, zeigen die Erfahrungen mit der US class action, aber auch die Kommissionsempfehlung von 2013. Beansprucht man die Hilfe einzelner Geschädigter, von Interessenverbänden und Ver­braucherorganisationen, um die Rechtsbewährung in einem überindividuellen Interesse im Wege privater Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten, muss man dafür konkrete Anreize schaffen (die jedenfalls bei Bagatellschäden über das bloße Kompensationsinteresse hinaus­gehen). Ein hemmungsloses Gewinnstreben einer anwaltlichen „Klägerindustrie“ kann die Lösung nicht sein. Die Empfehlung der EU-Kommission war jedoch in vielen Punkten in einem Maße von dieser Angst gekennzeichnet, 22 dass die vielen Vorkehrungen gegen angeb­lich allfälligen Missbrauch in der Empfehlung von der Praxistauglichkeit des vorgeschlagenen Instruments wenig übrig ließen. An dieser Stelle sei nur ein Punkt aufgegriffen: Ohne finanzielle Anreize wird private enforcement nicht funktionieren. Es bedarf keineswegs der Einführung von punitive damages oder contingency fees, aber wer Klägeranwälten jede erfolgsabhängige Bezahlung oder Gebührenzuschläge für komplexe Massenverfahren verweigert, wer nur gemeinnützigen Organisationen eine Klagebefugnis für Kollektivklagen einräumen will und Prozessfinanzie­r ung durch Dritte (die noch am ehesten in der Lage ist, missbräuchliche Klage auszufiltern) am liebsten ganz verhindern möchte, lebt nicht in dieser Welt. Der europäische wie viele nationale Gesetzgeber überlassen derzeit die Prozessfinanzierung durch Dritte dem freien Spiel des Marktes. Dies gilt auch in Staaten, die eigentlich anwaltliche contingency fee arrangements untersagen, bislang aber dulden, dass Anwaltsfirmen hinter den großen europä­ischen Prozessfinanzie20 

Morrison v. First National Australian Bank, 130 S.Ct. 2869 (2010). den Vorteilen kollektiven Rechtsschutzes gegenüber Individualklagen im AGBRecht, Stennot, Public and Private Enforcement in the Fields of Unfair Contract Terms, ERPL 23 (2015), 589. 22  Zur Abschreckungswirkung von class actions in Europe Marcus in: Harsági/van Rhee, (eds.), Multi-party redress mechanisms in Europe: squeaking mice?, p. 35 ff. 21  Zu

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rern stehen und damit indirekt am Erfolg der finanzierten Gerichtsver­fahren partizipieren 23. Die Interessenlage ist dabei eine andere als bei traditionellen contingency fee arrangements, denn regelmäßig führen diese Anwaltsfirmen nicht gleichzeitig den konkreten Prozess. Die beim anwaltlichen Erfolgshonorar beklagte Interes­senkollision zwischen wirtschaftlichem Eigeninteresse des Klägervertreters und dem Interesse der Geschädigten besteht daher nicht, jedenfalls nicht in derselben Form. Nahezu unumgäng­lich ist es jedoch, auch Prozessfinanzierern einen gewissen Einfluss auf das Verfahren zuzugestehen 24, insbesondere wenn es um Vergleichsabschlüsse geht. Mittelfristig bedarf es daher einer umfassenden gesetzlichen Regelung dieses Bereichs, welche die Klagebefugnis von special purpose vehicles, die auf der Basis von Abtretungen von Schadensersatzforde­r ungen agieren und damit auch Prozessfinanzierer sind, erfasst, prozessuale Offenlegungs­pflichten hinsichtlich einer Drittfinanzierung des Prozesses regelt25 und Missbrauchsvorkeh­r ungen trifft26.

III. Kollektive Rechtsdurchsetzung in Europa Beginnen wir die Bilanz mit der positiven Seite und einem Blick auf die Reformen in den europäischen Nachbarstaaten. Im Anschluss werde ich mich der Situation in Deutschland zuwenden, kurz auf das KapMuG und weitere Reformen eingehen, um schließlich mit einem Ausblick zu enden.

1. Frankreich und Belgien In beiden Mitgliedstaaten 27 wurden Verbraucherverbandsklagen auf Schadensersatz einge­führt, die jedoch einen eingeschränkten Anwendungsbereich haben. Im Vordergrund steht der Verbraucherschutz. Die neue französische Ver23 Gegen jede Verquickung von Prozessfinanzierern und Anwaltsfirmen US Chamber Institute for Legal Reform, The Growth of Collective Redress in the EU, A Survey of Developments in 10 Member States, March 2017, p. 60, abrufbar unter: http://www. instituteforlegalreform.com/issues/class-actions-around-the-globe. 24  Anders jedoch die Kommissionsempfehlung KOM 2013/396/EU sub III 16a; warnend auch US Chamber Institute for Legal Reform, The Growth of Collective Redress in the EU, A Survey of Developments in 10 Member States, March 2017, p. 59, http://www. instituteforlegalreform.com/issues/class-actions-around-the-globe. 25  KOM 2013/396/EU sub III 14. 26  Vgl. die Kommissionsempehlung KOM 2013/396/EU zur finanziellen Ausstattung und zu Interessenkonflikten. 27  Frankreich: Gesetz No. 2014-344 vom 17.3.2014 und Verordnung No. 2014-1081 vom 24.9.2014 (Articles L. 423-1 bis L. 423-32 und R. 623-1 bis R. 623-33 Code de Consommation – „Action de groupe“ [Code de consommation, Titre II, Chap. III]; Gesetz No. 2016-41 vom 26.1.2016 und Verordnung No. 2016-1249 vom 28.9.2016 (Articles L. 1143-1 bis L. 114322, R. 1143-1 bis R. 1143-11 und R. 1526-1 Code de Santé Public – action de groupe en matière

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bandsklage gibt (derzeit nur französischen Verbraucherverbänden) die Möglichkeit, Verbraucherschäden aus Kauf- und Dienstleistungs­verträgen einzuklagen, erfasst werden auch Ansprüche aus dem Bankensektor etwa wegen unberechtigter Gebühren. 28 In den Anwendungsbereich fallen auch follow-on Klagen im Kartellrecht. Echte Anlegerschäden des Kapitalmarktes sind nicht umfasst. Das Verfahren wird bis zur Feststellung des Haftungsgrundes durch das Gericht anhand exemplarischer Fälle nur vom klagenden Verband betrieben, im weiteren Verlauf ist ein opt-in der geschädigten Verbraucher möglich. 29 Der französische Gesetzgeber hat bereits im Jahr 2016 nachgebessert und entsprechende Verbandsklagen auch für den Bereich des Umwelt- und Gesundheitsrechts eingeführt. Die belgische Verbandsklage erfasst zwar eine Vielzahl von Verstößen gegen verbraucher­schützende Vorschriften, bezieht aber den Kartellschadensersatz und Anlegerschäden, die außerhalb von Vertragsbeziehungen entstehen, nicht in den Anwendungsbereich ein. Auch dort hat man sich für eine reine Verbandsklage entschieden, bei der das Gericht darüber befinden soll, ob ein opt-in oder opt-out Modus zur Anwendung kommt.30 Das Verfahren ist in hohem Maße auf eine vergleichsweise Regelung der Streitfälle ausgelegt und erlaubt auch die Prüfung und Vollstreckbarerklärung außergerichtlicher Vergleiche. Die Schadensregulie­r ung bzw. Verteilung eines eingerichteten Fonds darf nur durch eine Anwalt oder ministe­riellen Amtsträger unter Aufsicht des Gerichts erfolgen.31

2. England und Wales England kennt wie bereits angesprochen seit langem ein erfolgreich agierendes ADR System durch Ombudspersonen im Banken-, Versicherungs- und Finanzbereich, von denen insbeson­dere der Financial Ombudsman Service (FOS)32 de santé). Die Texte sind abrufbar unter: https://www.economie.gouv.fr/cedef/action-degroupe. Dazu Bien, NZKart 2014, 465 ff.; Bien, NZKart 2014, 507 ff.; Stadler, ZfPW 2015, 66 ff. Belgien: Code de droit économique, livre 1, titre 2, („l’action en réparation collective“), eingefügt durch Gesetz vom 28. März 2014 (Moniteur Belge 29 April 2014, S. 35201). Einzelheiten bei Voet, Consumer Collective Redress in Belgium: Class Actions to the Rescue?, European Business Organization L. Rev. 2015, 121 ff.; ders. VbR 2015, 153 ff.; ders. in : Harsági/ van Rhee (eds.), aaO Fn. 22, p. 95 ff. 28  http://www.justice.gouv.fr/le-ministere-de-la-justice-10017/action-de-groupe-27534. html. 29  Mitte 2017 hatte es 10 Verfahren in Frankreich gegeben, hierzu Hodges/Voet, aaO Fn. 7, table 1; Dürr-Auster, aaO Fn. 7, S. 111 ff. 30  Bei Schadensersatzansprüchen wegen Körperverletzungen kommt nur ein opt-in in Betracht. 31  Mitte 2017 wird von 5 Fällen berichtet, die unter dem neuen Gesetz anhängig gemacht wurden, Hodges/Voet, aaO Fn. 7, table 1. 32  http://www.financial-ombudsman.org.uk/.

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sehr erfolgreich agiert und grundsätzlich auch für Anlegerschäden eine Zuständigkeit besitzt.33 Das FOS-System ist primär auf Verhandlungslösungen in einfach gelagerten Fällen ausgelegt und funktioniert insbesondere wegen des enormen Einflusses der hoch respektierten Ombudspersonen auf englische Unter­nehmen gut. Die Financial Conduct Authority (FCA) sowie die Financial Services & Market Authority (FSMA) haben daneben aufgrund des Consumer Rights Act 2015 weitgehende Möglichkeiten, außergerichtliche Schadensregulierungsmechanismen durchzusetzen (sog. consumer redress schemes34), die streitige und extrem teure Gerichtsverfahren ersetzen helfen. Dieses System wird seit Inkrafttreten des Consumer Rights Act 201535 im Verbraucher- und Kartellrecht durch zahlreiche Neuerungen ergänzt. Seit Oktober 2015 stehen bestimmten Behörden und Verbraucherorganisationen sogenannte „enhanced consumer measures“ zur Verfügung36. Dabei handelt es sich um ein flexibel einsetzbares Instrumentarium von möglichen Unterlassungsverfügungen, Rückerstattungs- und Entschädigungsanordnungen, die von den Gerichten auf Antrag angeordnet werden können. Das neue System räumt ebenso wie die Reformen in Frankreich und Belgien einer einverständlichen Regelung jeweils hohe Priorität ein. Der Consumer Rights Act 2015 führte – ergänzend zur seit 1999 zur Verfügung stehenden Group Litigation Order und der (praktisch seltenen) representative action – auch erstmals collective actions in Form einer opt-out Gruppenklage vor dem Competition Appeal Tribunal ein, deren Anwendungsbereich allerdings (vorerst) auf das Kartellrecht beschränkt ist.37 Die Schadensersatzklage kann durch einen der individuell Geschädigten oder eine Interessenorganisation erhoben werden. Das Verfahren folgt grundsätzlich dem opt-out-Mechanismus, nur Geschädigte, die nicht im Vereinigten Königreich wohnen, müssen sich dem Verfahren durch eine ausdrückliche opt-in Erklärung anschließen. Voraussetzung ist eine collective action order des CAT, für welche das Gericht vor allem zwei Punkte prüft: 1) ob die Kartellrechtsverletzung tatsächlich „common issues“ aufwirft, d. h. „the same, similar or related issues of fact and law“ für die Gruppe der Geschädigten38; 2) Weiterhin muss das Gericht, falls die Klage nicht von einem Individum erhoben wird, prüfen, ob der Gruppen­vertreter geeignet und in der Lage ist, als Vertreter der Gruppe zu handeln.39

33 

Zum Ganzen: Benöhr in: Hodges/Stadler (eds.) aaO Fn. 11, p. 247 ff. Money-Kyrle in: Schmidt-Kessel/Strünck/Kramm (Hrsg.), aaO Fn. 16, S. 46 ff., 78 ff. 35 Hierzu Money-Kyrle in: Schmidt-Kessel/Strünck/Kramm (Hrsg.), aaO Fn. 16, S. 46 ff. 36  Chapter 79 des Consumer Rights Act 2015, Schedule 7 mit Änderungen von Part 8 Sec. 211, 214, 217–219C, 220 Enterprise Act 2002. 37  Sec. 47B Competition Act 1998 in der Fassung des Consumer Rights Act 2015. 38  CAT Rules, rule 79(1) (b); 73 (2). 39  Sec. 47B (8) Competition Act 1998; CAT Rules, rule 78(1), 78 (2)-(4). 34 

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Internationales Aufsehen erregte bereits eines der ersten 2016 unter den neuen Regeln von dem früheren Chief Ombudsman of the Financial Ombudsman Service, Walter Merricks, gegen MasterCard eingeleiteten Verfahren. Die Klage wurde im Namen von 46,2 Millionen Verbrauchern des Vereinigten Königreichs erhoben und forderte für alle Schadensersatz, weil Mastercard – wie von der EU Kommission bereits 2007/2008 festgestellt – über Jahre hinweg rechtswidrig erhöhte Gebühren von britischen Unternehmen für Abrechnungen von Kreditkar­tenzahlungen verlangte. Die behauptetermaßen an die Kunden weitergegebenen Mehrkosten sollen zu Schäden in Höhe von 14 Millarden GBP geführt haben. Das mit viel Euphorie über das neue Klageinstrument begleitete Verfahren nahm jedoch im Juli 2017 ein abruptes Ende. Das CAT verweigerte die Zulassung der Klage durch eine collective action order, weil es voraussichtlich nicht möglich sein werde, mit der erforderlichen Genauigkeit die exakten Schadenssummen der Kunden über die streitgegenständliche Periode von 16 Jahren zu berechnen.40 Zweifel äußerte das Gericht auch am möglichen Nachweis der Weitergabe der erhöhten Gebühren an die Kunden und an den vorgeschlagenen Möglichkeiten, eine etwaige Schadenssumme unter die Geschädigten zu verteilen. Im September 2017 lehnte das CAT einen Antrag des Klägers, die Berufung zuzulassen ab. Weitere Versuche des Klägers, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einlegen zu dürfen, sind bislang nicht erfolgreich gewesen.41 Ein weiterer Fall einer follow-on Kartellschadensklage42 einer Privatperson gegen Pride Mobility Prods. Ltd. vom Mai 201643 erledigte sich durch Klagerücknahme, nachdem das Gericht die Entscheidung über eine collective action order vertagt und der Klägerin Gelegen­heit gegeben hatte, ihre Klage nachzubessern. Damit sind bereits zwei groß angelegte Ver­fahren erst einmal ge­ scheitert. Insbesondere der Mastercard-Fall weckt Zweifel, ob die neue Gruppenklage die rechtliche Durchsetzbarkeit von Streuschäden verbessern kann. Der Kläger war – zusammen mit den Ökonomen, die er zur Berechnung herangezogen hatte – davon ausgegangen, dass sich zumindest für die letzten Jahre der den Kunden entstandene Schaden theoretisch berechnen ließe. Eine ganz andere und durchaus heikle Frage ist diejenige nach der Verteilung eines etwaigen Schadens­ ersatzes bei geringen Individualeinbußen. Mit ihr treten die umstrittenen sog. 40 

Alle Dokumente sind abrufbar unter: http://www.catribunal.org.uk/237-9391/1266-77-16--Walter-Hugh-Merricks-CBE-.html. 41  Press release QuinnEmmanuel Trial Lawyers, Friday 21 July 2017, Response of Walter Merricks CBE to the CAT’s rejection of his application to bring collective proceedings against Mastercard; weitere Informationen zum Stand des Verfahrens und die entsprechenden Dokumente sind abrufbar unter https://www.mastercardconsumerclaim.co.uk/. 42  Vorausgegangen war ein Verfahren des Office of Fair Trading, Entscheidung vom 27.3. 2014: Mobility scooters: CE/9578-12. 43  Dorothy Gibson v Pride Mobility Products Liability, 1257/7/716, Registered 25/5/2016.

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cy-près Lösungen44 in Massenver­gleichen in den Vordergrund, die verhindern sollen, dass ein vom Beklagten zur Verfügung gestellter Schaden­ersatzbetrag, der von den Geschädigten nicht oder nicht vollständig in Anspruch genommen wird, an ihn zurückfließt. Hierbei erfolgt eine Entschädigung nur indirekt, unmittelbar kommt das verbliebene Geld dann beispielsweise Verbraucherschutz­ verbänden, konkreten Projekten oder einem „Access-to-Justice“ Fonds zu Gute. Akzeptiert man die Präventivfunktion solcher Schadenersatzklagen und will man nicht stattdessen von vorne herein auf die bloße Gewinnabschöpfung setzen, so wird man in vernünftigem Maße auch auf solche Lösungen zurückgreifen müssen, um zu verhindern, dass das Geld bei den Kartellanten verbleibt. Für’s Erste kann man einmal vorsichtig prog­nositizieren, dass die neue eng­ lische Gruppenklage wohl eher für Schadensersatzklagen der unmittelbaren Abnehmer und weniger für diejenigen am Ende der Distributionskette zur Anwendung tauglich ist.

3. Niederlande Die Niederlande machen seit der Einführung des Gesetzes zur Abwicklung von Massen­schäden im Jahre 2005 – dem sog. WCAM45 – Schlagzeilen. Positive, weil es in den vergangenen Jahren gelungen ist, teilweise große, internationale Anlegerschadensfälle durch einen weltweit für verbindlich erklärten Vergleich zu regeln46 und so ein attraktiver Justizstandort für Massenschadensfälle entstanden ist. Negative Schlagzeilen entstanden, weil der sehr liberale Ansatz, Verbände und ad hoc gegründete Interessenvereinigungen47 nahezu ohne jede Beschränkung als Vertreter der Geschädigten (wohlgemerkt ohne konkretes Mandat) zuzulassen, dazu geführt hat, dass solche Organisationen bei bestimmten Schadens­fällen wie Pilze aus dem Boden schießen und die Hintermänner nicht immer klar erkennbar sind. Es fehlt an Transparenz für die Geschädigten, aber auch für die verhandlungswilligen Unternehmen. Erst ein im Wege der 44 Hierzu Hodges, The Reform of Class and Representative Actions in European Legal Systems, Hart Publishing 2008, p. 118 ff.; R. Mulheron, The Class Action in Common Law Legal Systems, A Comparative Perspective, Hart Publishing 2004; R. Mulheron, The Modern Cy-près Doctrine, Hart Publishing, 2006; Howells, Cy-près for consumers: ensuring class action reforms deal with „scattered damages“, in: Steele/van Boom, Mass Justice, 2011, p. 58 ff. 45  Das WCAM (Wet collectieve afwikkeling massaschade) ergänzt das Zivilgesetzbuch in Buch 7 um die einen neuen Titel 14 und fügt in die nl. ZPO Art. 1013-1018) ein. 46  Stichting DES Centrum v. X (2006) LJN AX6440; Dexia Bank Nederland v. Stichting Platform Aandelenlease (2007) LJN AZ7033; Stichting Vie d’Or (2009) LJN BI2717; Shell ­Petroleum v. Dexia Nederland (2009) LJN BI5744; Stichting uitvoering Vedior ­schikking (2009) LJN BJ269; Stichting Converium Securities Compensation v. Liechtensteinsche Landesbank, Urt. v. 12.11.2010 (nur zur Zuständigkeit) LJN BO3908; Urt. v. 17.1.2012, LJN BV10; außerdem zum DSB Fall s. https://www.dsbcompensatie.nl/nieuwsdocumenten/ documenten/. 47  Zur leichten Gründbarkeit einer sog. „stichting“ Tzankova, VbR 2015, 149 (151).

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Selbstregulierung heute regelmäßig zur Anwendung kommender sog. „Claim Code“ sorgt für die notwendige Seriösität und interne Governance der Organisationen.48 Unter Juristen wird überdies seit den ersten WCAM-Fällen trefflich darüber gestritten, ob der Amsterdamer Gerichtshof tatsächlich für internationale Schadensfälle, bei denen bis­weilen außer der dort gegründeten Vertreterorganisation weder der Schädiger noch die Geschädigten einen nennenswerten Bezug zu den Niederlanden hatten, überhaupt eine internationale Zuständigkeit in Anspruch nehmen kann.49 Beide Fragen, vor allem aber die Erkenntnis, dass sich mit dem WCAM, dessen Anwendung von der freiwilligen Verhandlungsbereitschaft des mutmaßlichen Schädigers abhängt, nicht alle Fälle lösen lassen, waren 2014 Anlass für den niederländischen Gesetzgeber, über eine echte Sammelklage nachzudenken. Ein – nach längerer Diskussion wohl konsensfähiger – Vorschlag liegt derzeit dem Parlament vor.50 Er soll den notwendigen „stick behind the door“ liefern, wenn der Schädiger nicht vergleichsbereit ist. Die Notwendigkeit dafür zeigt wiederum der VW-Fall. Seit der Skandal publik wurde, sind in den Niederlanden mehrere Stiftungen entstanden, welche für sich in Anspruch nehmen, die VW-Käufer/Leasingnehmer51 bzw. die Aktionäre52 zu vertreten und für sie einen Vergleich mit VW auszuhandeln. Alle befinden sich derzeit in Wartestellung – man wird wohl warten müssen, wie in den USA das letzte noch anhängige Verfahren – eine Aktionärsklage – gegen VW ausgeht53 bzw. ob weitere VW-Angestellte angesichts von Strafverfahren über die internen Informations-

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Einzelheiten hierzu bei Dürr-Auster, aaO Fn. 7, S. 245 ff., 346 ff., 351 f. Hierzu u. a. Stadler, in: Jochum/Fritzemeyer/Kau (Hrsg.), Festschrift für Kay Hailbronner: Grenzüberschreitendes Recht – Crossing Frontiers, C.F. Müller 2013, S. 883 ff.; Van Lith, The Dutch Collective Settlements Act and Private International Law, Rotterdam 2010, sub 4.3; Polak www.iclg.co.uk 2009, p. 11; Stuyck, EBLR 2009, 483 ff. (502); zu möglichen Problemen bei der Anerkennung von WCAM-Vergleichen in anderen Mitgliedstaaten der EU: Halfmaier/Wimalasena, JZ 2012, 649 f.; Halfmaier, Nederlands Internationaal Privaatrecht, 2012, 176 ff.; Stadler, Die internationale Anerkennung von Urteilen und Vergleichen aus Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes mit opt-out Mechanismen, in: Geimer/Kaissis/Thümmel (Hrsg.), Festschr. Rolf Schütze zum 80. Geburtstag, München 2014, S. 561 ff. 50 Ausführlich zum Reformvorhaben in den Niederlanden Dürr-Auster, aaO Fn. 7, S. 103 ff. 51 Z. B. Stichting Volkswagen Car Claim (https://www.stichtingvolkswagencarclaim. com/). 52 Volkswagen Investor Settlment Foundation (http://volkswageninvestorsettlement. com/); Stichting Volkswagen Investors Claim (https://www.stichtingvolkswageninvestorscl aim.com/en/about). 53  In re: Volkswagen „Clean Diesel“ Marketing, Sales Practices and Products Liability Litigation, case number 3:15-md-02672; hier wurde im August 2018 ein Vergleich geschlossen, s. https://www.stollberne.com/class-actions-blog/vw-settles-securities-class-action-for48-million/. 49 

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flüsse bei VW ins Plaudern kommen und damit den Nachweis, dass die Software nicht ohne Wissen des Vorstandes eingesetzt wurde, erleichtern. Der niederländische Gesetzesvorschlag54 räumt Vertreterorganisationen (deren Repräsen­tativität künftig näher spezifiziert werden muss55) das Recht, Schadensersatz für eine Gruppe von Geschädigten einzuklagen. Die Klage wird nur dann zugelassen, wenn 1) der Vorstand der Vertreterorganisation kein direktes oder indirektes wirtschaftliches Interesse am Klage­ausgang hat56 , 2) eine ausreichende Beziehung des Sachverhaltes zu den Niederlanden gege­ben ist, und 3) dem Beklagten vorab ein außergerichtlicher Vergleich angetragen wurde. Weiterhin muss dargelegt werden, dass das Kollektiverfahren gemessen an der Zahl der Geschädigten, der Höhe ihrer Schäden und der Gleichartigkeit der Ansprüche effizienter und effektiver ist als Individualklagen. Sodann sieht das Verfahren einen oft als „beauty contest“ bezeichneten Verfahrensabschnitt vor: Andere Vertreterorganisationen können beantragen, das Verfahren selbst durchzuführen und letztlich muss das Gericht einen lead plaintiff ernennen. Das weitere Verfahren folgt dem opt-out Mechanismus, es ist aber interessanterweise nicht primär auf eine gerichtliche Entscheidung über die Individualansprüche ausgelegt. Vielmehr soll das Gericht eine Grundentscheidung über die Begründetheit treffen und die Parteien dann bitten, einen Entschädigungsplan vorzulegen. Gelingt dies nicht, arbeitet das Gericht selbst einen solchen aus und stellt ihn den Geschädigten zur Abstimmung. Die neue Kollektivklage soll neben die fortbestehenden Regelungen des WCAM treten.

IV. Kollektive Rechtsdurchsetzung in Deutschland Hier sind drei Punkte anzusprechen. Erstens die Reform des KapMuG 2012, zweitens die Möglichkeiten der materiell-rechtlichen Anspruchsbündelung durch Zession, drittens die 2018 verabschiedete Musterfeststellungsklage.

54 Wetvoorstel Afwikkeling massaschade in een collectieve actie, https://www.rijks overheid.nl.ministeries/ministeries-van-veiligheid-en-justitie/nieuw/2016/11/16/wetvoorstelcollectieve-schadevergoedingsactie-naar-tweede-kamer; hierzu Weber/van Boom, VuR 2017, 290 ff. 55  Die Organisation muss darlegen, dass sie in der Praxis in der Lage ist, die Geschädigten zu vertreten. Dies hängt von internen Strukturen der Organisation, dem Einfluss der Betroffenen auf die Organisation, deren Transparenz (Internetauftritt). Nach Weber/von Boom, VuR 2017, 290, 294 wären ad hoc gegründete Organisationen von solchen Klageverfahren vermutlich ausgeschlossen. 56  Dies ist de facto auch bei jetzt oft ad hoc gegründeten Organisationen der Fall, ein wirtschaftliches Interesse haben in der Regel die Anwaltskanzleien, welche die Organisation mitgründen, deren Arbeit vorfinanzieren und den Vergleich aushandeln.

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1. Reform des KapMuG Es wurde bereits erwähnt, dass das KapMuG rechtsvergleichend eine singuläre Position einnimmt, weil es das einzige Gesetz ist, das allein auf Kapitalmarktstreitigkeiten zugeschnit­ten ist und das gerade nicht auf einen Gruppenklagemechanismus setzt, sondern auf ein Musterverfahren. Ein solches setzt jedoch erst einmal individuelle Klagen voraus. Das aus Anlass des Telekom-Verfahrens 2005 ins Leben gerufene Gesetz erfuhr von Anfang an viel Kritik: zu kompliziert, zu langwierig, nicht effektiv. Das Beste, was die Kollegen Halfmeier und Co. anlässlich ihrer vom Ministerium in Auftrag gegebenen Evaluation 201057 über das KapMuG zu sagen vermochten, war, dass das Gesetz nicht zur Verlängerung von Gerichts­verfahren beigetragen habe … immerhin! Andere Aussagen der Evaluation lauten: „Das Ziel einer breiten Geltendmachung von Streuschäden im Kapitalmarktrecht wurde bei weitem verfehlt“58; „Würden alle Beigeladenen von ihren Rechten Gebrauch machen und sich aktiv am Verfahren beteiligen, so wäre das Verfahren mit KapMuG ebenso undurchführbar wie ohne.“59; „Mit einem verhältnismäßig hohen Regelungsaufwand erreicht das KapMuG nur minimale Fortschritte“.60 Wenig überraschend setzte der Gesetzgeber den Hauptvorschlag der Gutachter, das KapMuG in ein echtes Gruppenklageverfahren umzuwandeln, nicht um. Möglich ist aber seit 2012 eine „niederschwellige“ Registrierung durch weitere Geschädigte. Diese hemmt aber nur die Verjährung ihrer Ansprüche. Die Registrierten profitieren nicht von der gerichtlichen Musterfeststellung und sind auch nicht per Gesetz in den Kreis derjenigen eingeschlossen, für die der Musterkläger einen Vergleich schließen kann. Neben der kostenlosen Re­ gistrie­r ungsmöglichkeit hat die Reform 2012 das Verfahren etwas entschlackt und für Verzögerungstaktiken weniger anfällig gemacht. Vor allem aber wurde die Möglichkeit eingeführt, dass der Musterbeklagte für alle Beigeladenen einen Vergleich aushandeln kann, der nach gerichtlicher Prüfung und Genehmigung im opt-out Verfahren für alle verbindlich werden kann und nicht mehr – wie zuvor – der ausdrücklichen Zustimmung aller Beigeladenen bedarf.61 Voraussetzung ist, dass nicht mehr als 30 % der Geschädigten herausoptieren. Dies greift einen Vorschlag aus der Evaluation auf, der sich an das niederländische WCAM-Modell anlehnte. Das sonst in Deutschland so viel gescholtene optout Prinzip ist hier unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs unproblematisch, da – anders als in den Fällen des WCAM – die Beigeladenen alle namentlich 57  Halfmeier/Rott/Feess, Kollektiver Rechtsschutz im Kapitalmarktrecht, Evaluation des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetze, Frankfurt School Verlag, 2010. 58  Halfmeier/Rott/Feess, aaO Fn. 57, S. 80. 59  Halfmeier/Rott/Feess, aaO Fn. 57, S. 82. 60  Halfmeier/Rott/Feess, aaO Fn. 57, S. 80. 61 §§ 17–19 KapMuG.

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bekannt sind und ihnen der Vergleich vorher persönlich zu Kenntnis gebracht werden kann. Dass das KapMuG nach wie vor zu schwerfällig ist, zeigt erneut der VW-Dieselskandal. Derzeit klagen ca. 1.600 private und institutionelle Anleger aus dem In- und Ausland auf Schadenersatz gegen VW wegen verspäteter ad-hoc Mitteilungen. Eine verjährungsunter­brechende Registrierung durch Anleger war in dem Verfahren erst möglich, nachdem das Oberlandesgericht einen Musterkläger ausgewählt und die Durchführung des Musterfest­stellungsverfahrens im Klageregister bekannt gemacht hatte.62 Beides setzte voraus, das das Landgericht Braunschweig, bei dem die Klagen in erster Instanz anhängig sind, einen Musterfeststellungsantrag formulierte. Wann die Verjährungsfristen ablaufen, ist jedoch streitig. Nach teilweise vertretener Ansicht sollte dies für einen Teil der Ansprüche bereits im September 2016 der Fall sein.63 Das Landgericht Braunschweig war jedoch trotz der bereits im Oktober 2015 erhobenen ersten Klagen nicht in der Lage, vor dem 5.8.2016 den Vorlagebeschluss für das Musterfeststellungsverfahren zu stellen. Der Beschluss listet auf 25 Seiten 193 Feststellungsziele der Klägerseite und 10 Feststellungsziele der Beklagten auf. Das Musterfeststellungsverfahren wurde erst am 8.3.2017 eröffnet.64 Damit wurden zahlreiche Anleger – zur Freude der Anwälte – noch in das Klageverfahren getrieben, andere, die das Prozessrisiko scheuen, müssen auf eine ihnen günstige Auslegung der Verjährungsregelung hoffen. Fazit: Der deutsche Gesetzgeber konnte sich bislang zu einem effektiven Instrument im Anlegerrecht nicht durchringen. Ergänzend sei nur an dieser Stelle erwähnt, dass auch im Bereich des Wettbewerbsrechts Verbraucherorganisa­ tionen, zahlreiche Publikationen und eine Studie von Meller-Hannich/Höland65 aus 2010 seit Jahren vergeblich darauf hinweisen, dass die Gewinnabschöpfung durch Verbände nach § 10 UWG bzw. § 34a GWB eigentlich ein taugliches Instrument der Abschreckung darstellt, aber aufgrund der hohen Schwelle, die insbesondere § 10 UWG mit dem Vorsatzerfordernis des Beklagten aufstellt und des immen­sen finanziellen Risikos des klagenden Verbandes, der an der Abschöpfung weder direkt noch indirekt (über mögliche Fondslösungen) partizipiert, ein völlig stumpfes Schwert ist. Bislang wurden auch insoweit trotz vielfacher Bekundungen des BMJV keinerlei Reformen einge­leitet. 62 § 10

Abs. 1 KapMuG. Vgl. hierzu die Beiträge von Tilp WM 2017, 914 ff.; Piekenbrock NJW 2016, 1350. 64   http://www.oberlandesgericht-braunschweig.niedersachsen.de/aktuelles/presse informationen/anlegerklagen-gegen-volkswagen-ag---oberlandesgericht-braunschweigbestimmt-musterklaeger-151819.html. 65  Meller-Hannich/Höland, Gutachten Evaluierung der Effektivität kollektiver Rechtsschutzinstrumente, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Heft 523, S. 147–150; Stadler, Der Gewinnabschöpfungsanspruch: eine Variante des „private enforcement“?, in: Augenhofer (Hrsg.): Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts, Tübingen 2009, S. 17 ff. 63 

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2. Bündelung von Ansprüchen durch Zession Angesichts fehlender Möglichkeiten der prozessualen Bündelung von gleichgerichteten Ansprüchen, weicht im Kartellrecht das Geschäftsmodell von Cartel Damage Claims – einer von deutschen Anwälten gegründeten Aktiengesellschaft belgischen Rechts – auf andere Formen aus. CDC hat sich die Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen insbeson­dere von KMUs auf seine Fahnen geschrieben. Man kauft gegen geringes Entgelt Schadens­ersatzansprüche auf, verspricht im Erfolgsfall eine ca. 65–80 % Auskehr des Erlöses an die Geschädigten und macht die Ansprüche nach Zession in eigenem Namen geltend. Das Modell, das letztlich auf eine Drittfinanzierung von Schadensersatzklagen hinausläuft, ist inzwischen europaweit erprobt und hat in einigen Fällen erfolgreich zu Vergleichen mit den Kartellanten geführt. Auf erhebliche Probleme stieß es bekanntermaßen vor dem LG und OLG Düsseldorf im Zementkartellfall, in dem CDC 138 Mio. Euro Schadensersatz geltend machte: das OLG66 hielt wie das LG67 die Abtretungen – so das Hauptargument – für sittenwidrig, weil CDC im Zeitpunkt der Erstabtretungen nicht über hinreichend finanzielle Ressourcen verfügt habe für eine etwaige Prozesskosten­erstattung der Beklagten. Nach mehr als 10 Jahren Prozessführung (zwischenzeitlich war man bereits wegen der Zulässigkeit der Klage beim BGH68) hatte sich keiner der Richter mit den Schadenersatzansprüchen selbst befasst. Das Urteil des OLG Düsseldorf erntete viel Kritik,69 Gerichte in den Niederlanden, Finnland etc. hielten zuvor und später entsprechende Abtretungen problemlos für wirksam.70 Überhaupt ist das Abtretungsmodell in Mitglied­staaten wie Österreich71 und den Niederlanden72 Gang und Gäbe. Das Urteil zum deutschen Modell ist aus vie66 

OLG Düsseldorf JZ 2015, 736 m. Anm. Armbrüster 733 ff. LG Düsseldorf JZ 2014, 635. 68  BGH BeckRS 2009, 10483 = wrp 2009, 745. 69  Armbrüster JZ 2015, 736 ff.; Thole ZWeR 2015, 93 ff.; Makasch/Abele WuW 2015, 461 ff.; Kainer/Persch WuW 2016, 2 ff.; bereits zur landgerichtlichen Entscheidung Stadler JZ 2014, 613 ff.; Bernhard EWiR 2014, 163 ff. 70  https://www.carteldamageclaims.com/competition-law-damage-claims/hydrogenperoxide-cartel/sub „civil proceedings in Finland“. 71  Der österreichische Verbraucherverband VKI lässt sich regelmäßig Verbraucheransprüche im Wege der Inkassozession abtreten und macht diese gebündelt (§ 227 öZPO) als „Sammelklage österreichischer Prägung“ geltend. Grundsätzlich erlaubt dies § 79 Abs. 2 Nr. 3 der deutschen ZPO auch deutschen Verbraucherverbänden. Der Aufwand für die Bündelung solcher Einzelforderungen ist jedoch recht hoch, da im Prozess jede einzelne Forderung begründet und bewiesen werden muss. Das Modell setzt auch voraus, dass die Geschädigten bekannt bzw. erreichbar sind und eine Abtretungserklärung abgeben. Ihm sind daher rein nach der Zahl der Geschädigten Grenzen gesetzt. Deutsche Verbraucherorganisationen setzten daher in der Vergangenheit eher auf Musterklagen durch den vzbv. 72  Grundlage von gebündelten Klagen, die auf Zessionen fußen, ist Art. 3:43 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijk Wetboek – BW); hierzu Tzankova, VbR 2015, 178, 180; Dürr-Auster, aaO Fn. 7, S. 96 f. Hingegen beruhen Verbandsklagen (die bislang 67 

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len Gründen nicht haltbar73, insbesondere erschwert es jedem Unternehmen, das auf diese Weise eine Finanzierungsmöglichkeit für das dringend notwendige private enforcement anbietet, den Markteintritt, weil von Anfang an eine enorme finanzielle Ausstat­tung gefordert ist. Offenbar wollte man den Justizstandort Deutschland für solche Kartellscha­densersatzklagen nicht stärken – man überlässt das lukrative Feld lieber London und Amsterdam. Der deutsche Gesetzgeber hat auch bei der Umsetzung der Kartellschadens-RL keinen Nachbesserungsbedarf im Hinblick auf Prozesskostensicherheit oder Kosten­ er­stattungsregeln gesehen. Der Nachfolgeprozess von CDC im Zementkartell vor dem LG Mannheim74 endete mit einer Klageabweisung wegen Verjährung der Ansprüche und hatte erst vor dem BGH bezüglich der Verjährungsfrage Erfolg.75 Effektives private enforcement im Kartellrecht sieht anders aus! Die seit Dezember 2017 anhängigen Klagen von Spediteuren und Fuhrunternehmern gegen die Teilnehmer am LKW-Kartell76 vor den Landgerichten München und Stuttgart77 werden Gelegenheit bieten, das Abtretungsmodell in Deutschland erneut auf den Prüfstand zu stellen und insbesondere den Umfang der finanziellen Ausstattung der Kläger zu klären, der bei Prozessbeginn zur Absicherung des potentiellen Prozesskostenerstattungsanspruchs des Be­ klagten zur Verfügung stehen muss. Dasselbe gilt für die im November 2017 ca. 15.000 Klagen von Betroffenen des VW-Abgasskandals, die ihre Ansprüche der online-Plattform myright.de abgetreten haben, die wiederum die Prozesse von der Hamburger financialright GmbH finanzieren und von der Anwaltskanzlei Hausfeld durchführen lässt.

nicht auf Schadensersatz gerichtet sein können) auf der Grundlage von Art. 3:305a BW nicht auf Abtretungen, sondern sind sozusagen echte Gruppen- oder Sammelklagen. 73  Hierzu ausführlich Stadler, Die Bündelung von gleichgerichteten Ansprüchen durch Inkassozession – Geschäftsmodelle zur Prozessfinanzierung auf dem Prüfstand, Besprechungsaufsatz zu LG Düsseldorf Urteil vom 17.12.2013, JZ 2014, S. 613 ff.; ebenfalls krit. zur Berufungsentscheidung des OLG Düsseldorf Armbrüster JZ 2015, 726 ff. 74  Az.: 2 O 195/15, Urteil vom 24.1.2017, Volltext: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_ rechtsprechung/document.py?Ge­richt=bw&nr=21866; CDC legt im März 2017 Berufung zum OLG Karlsruhe ein: https://www.carteldamageclaims.com/compe­tition-law-damageclaims/cement-cartels/. 75  BGH NJW 2018, 2479. 76  Kartell von der Firmen Daimler, Iveco, DAF, Volvo/Renault und MAN war schon 2011 durch MAN zur Anzeige gebracht worden und führte insgesamt zu Bußgeldanordnungen der EU in Höhe von 3,8 Milliarden Euro; s. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-2582_ de.htm. 77  http://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/daimler-man-und-co-3200firmen-fordern-schadensersatz-von-lkw-kartell/20793670.html.

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3. Musterfeststellungsklage für Verbände Wer geglaubt hatte, der VW-Dieselskandal würde Bewegung in die deutsche Diskussion über Gruppen- oder Sammelklage bringen, sieht sich enttäuscht. Bewegung mag in die Diskussion gekommen sein, aber eher in umgekehrter Richtung. Ein vom BMJV mehrfach angekündigter Entwurf für eine Verbraucher-Musterfeststellungsklage wurde von anderen Ministerien noch 2016 ausgebremst – eine unsichtbare schützende Hand über VW, möchte man fast sagen. Wenige der 2,4 Mio. Betroffenen klagten individuell – aber mit der Folge einer Fülle einander widersprechender Entscheidungen angesichts der schwierigen materiellen Rechtslage.78 Die bei uns fehlende Bündelungsmöglichkeit darf man daher nicht alleine dafür verantwortlich machen, dass deutsche VW-Käufer möglicherweise schlechter wegkommen als US-amerikanische. Eine Gruppenklage hätte jedoch eine schnelle und eindeutige Klärung – egal in welche Richtung – ermöglicht, viel Justizressourcen erspart und vor allem unterschiedliche Entscheidungen vermieden, die dem Ansehen des Rechtsstaats nicht dienlich sind. In den USA war aufgrund der Zusammenführung der mehr als 400 class actions vor dem kalifornischen Richter Charles Breyer binnen 1 1/2 Jahren ein Vergleich für alle Betroffene erzielt und wird auch umgesetzt. In Deutschland führte dies zunehmend zu Unmut, aber der Entwurf einer Musterfeststellungsklage für Verbraucherverbände lag 2017 noch in der Schublade des BMJV und wartete auf den Wahlausgang. In der neuen Legislaturperiode und den langwierigen Koalitionsverhandlungen kam Bewegung in die Sache, da man verhindern wollte, dass für die betroffenen VW-Kunden auch noch die Ansprüche gegen die Volkswagen AG79 Ende 2018 verjähren konnten.80 Im Sommer 2018 wurden nach einem eilig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren, das von zahlreichen handwerklichen Mängeln und einem großzügigen Nachgeben gegenüber Änderungswünschen seitens der Wirtschaft und Industrie gekennzeichnet war81, §§ 606–614 ZPO n. F. verabschiedet.82 Die neue Musterfeststellungsklage für Verbände sieht – wie der Name bereits sagt – keine echte Gruppen- oder Sammelklage vor, sondern eine reine Verbandsklage, die nicht auf Schadensersatz, sondern nur auf Feststellung der Haftung des Beklag78  Interessanterweise ist die im Sommer 2017 auf der Website von myright.de noch verfügbare umfassende Liste der im VW-Skandal ergangenen Urteile inzwischen ausgetauscht gegen Rechtsprechungsübersichten zu „verbraucherfreundlichen Gerichtsentscheidungen“, Stand: Dezember 2017. 79  Zur materiellen Rechtslage vgl. statt vieler Legner VuR 2018, 251 ff. 80  Ansprüche gegen die VW-Händler waren größtenteils bereits Ende 2017 verjährt. 81  Halfmeier/Rott VuR 2018, 243, 250 sprechen von einem „Einknicken der deutschen Bundesregierung vor der Industrie“. 82  Inkraftreten 1.11.2018. Ausführliche krit. Würdigung der neuen Vorschriften, die schon während des Gesetzgebungsverfahrens und im Rechtsausschuss heftig kritisiert wurden, bei Halfmeier/Rott VuR 2018, 243 ff.; Schneider BB 2018, 1986 ff.; Kilian ZRP 2018, 72 ff.; Stadler JZ 2018, 793 ff. und ZHR 2018 (im Druck).

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ten gerichtet ist. Bestimmte Verbraucherverbände (§ 606 ZPO) können danach das Vorliegen oder Nichtvorliegen tatsächlicher oder rechtlicher Anspruchs­ voraussetzungen oder das Bestehen von Ansprüche oder Rechtsverhältnissen zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 3 GVG n. F.) feststellen lassen. Zulässigkeitsvoraussetzungen sind u. a., dass die Ansprüche von mehr als 10 Verbrauchern von den Feststellungszielen abhängen (§ 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) und binnen zwei Monaten nach öffentlicher Bekanntgabe der Klage in einem elektronischen Klageregister mindestens 50 Verbraucher ihre Ansprüche angemeldet haben (§ 606 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). Eine Breitenwirkung der Verbandsklage soll also dadurch erreicht werden, dass betroffene Verbraucher sich mit ihrem behaupteten Anspruch bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins (§ 608 Abs. 1 ZPO) im elektronischen Klageregister registrieren lassen und damit die Hemmung der Verjährung ihres Anspruchs erreichen können. Die Anmeldung hat weiterhin zur Folge, dass das Musterfeststellungsurteil – egal, wie es ausgeht – Bindungswirkung in jedem Folgeprozess der angemeldeten Verbraucher gegen den im Musterfeststellungsverfahren beklagten Unternehmer hat (§ 613).83 Der entscheidende Nachteil des Verfahrens liegt darin, dass der klagende Verband kein vollstreckbares Urteil auf Schadensersatz erwirken kann. Die registrierten Verbraucher können sich zwar auf ein positives Feststellungsurteil berufen (§ 613 ZPO), müssen ihren Schadensersatz danach aber nach wie vor individuell einklagen. Für Bagatell- und Streuschäden und damit für die meisten Massenschadensfälle des Wettbewerbs- und Kartellrechts ist das Instrument daher völlig untauglich – die rationale Apathie der Geschädigten wird sich nicht überwinden lassen, wenn sie nun gleich zweimal tätig werden müssen: einmal für die Registrierung, dann für die Durchsetzung ihres Anspruchs. Die Gesetzesbegründung hofft natürlich darauf, dass der Beklagte sich spätestens nach einem erstrittenen positiven Feststellungsurteil vergleichen wird. Der klagende Verband kann einen solchen Vergleich für die registrierten Verbraucher während des Feststellungsverfahrens schließen, er würde nach gerichtlicher Genehmigung wirksam, wenn weniger als 30 % der Betroffenen herausoptieren (§ 611 ZPO). Ein entsprechendes Instrument für den Zeitpunkt nach einer positiven Feststellung fehlt jedoch gerade.

83  Vorentwürfe hatte noch eine nur einseitige Bindungswirkung zugunsten des Verbrauchers nach dem Vorbild von § 11 UKlaG vorgesehen. Die Vorschrift wurde aber auf Wunsch der potentiellen Beklagtenseite im Gesetzgebungsverfahren in eine umfassende Bindungswirkung geändert. Sie ist mit dem Anspruch der angemeldeten Verbraucher auf rechtliches Gehör schwerlich vereinbar, weil die Verbraucher am Musterfeststellungsverfahren selbst in keiner Weise beteiligt sind und auch der klagende Verband nicht als ihr Repräsentant agiert, Einzelheiten bei Stadler JZ 2018, 793 ff., 798 mit weit. Nachw.; Meller-Hannich, Gutachten für den 72. DJT 2018, CH Beck, A 51.

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Doch warum sollte der Beklagte auch einen solchen Vergleich schließen? Allenfalls, um Imageschäden abzuwenden. In dieser Hinsicht sind deutsche Unternehmen aber bisweilen erstaunlich unempfindlich geworden – der Kunde und der Aktienmarkt vergessen ja schnell. Einen besonderen wirtschaftlichen Druck, sich zu vergleichen, übt das Verfahren gerade nicht aus – der Beklagte kann trotz Musterfeststellung in aller Ruhe abwarten, ob und wer in der zweiten Stufe tatsächlich auf Schadensersatz klagt.84 Mit den wenigen, die dies tun, kann man sich dann immer noch individuell vergleichen – eine preiswerte Lösung. Eigentlich sollte schon misstrauisch machen, dass Unternehmen und Wirtschaftsverbände dem Projekt im Grunde gar nicht nennenswert widersprochen haben. Ein Effekt lässt sich jedoch voraussehen: Die vom Gesetzgeber erneut in die Pflicht genommenen Verbraucherverbände werden sich bemühen müssen, auch die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in der zweiten Stufe irgendwie in Form von Abtretungen zu organisieren. Damit müssen sie letztlich gleich zwei Verfahren führen. Das bindet völlig unnötig Geld und knappe Personalressourcen, geht auf Kosten anderen Engagements und wird sicherlich nicht flächendeckend für alle Massenschadensfälle umzusetzen sein. Die langjährige Diskussion in Deutschland hat selbst die Verbraucherorganisationen soweit zermürbt, dass einige das Gesetz schon im Vorfeld willkommen hießen. Man darf bezweifeln, dass das die richtige Strategie war. Das Musterfeststellungsverfahren ist ein weiteres Beispiel einer „Placebo“-Gesetzgebung, vergleichbar dem untauglichen § 10 UWG. Auf Nachbesserungen darf man kaum hoffen, der Gesetzgeber wird den schwarzen Peter für ausbleibende Erfolge den Verbänden zuschieben. Allerdings könnte dem Musterfeststellungsverfahren, mit dem der deutsche Gesetzgeber erneut einen europäischen Sonderweg einschlägt, dennoch eine kurze Lebensdauer beschieden sein. Im April 2018 stellte die Europäische Kommission ihre Vorschläge zu einem „New Deal for Consumers“ vor, der einen Richtlinienvorschlag beinhaltet für Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher.85 Zwar ist darin vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten die Klagebefugnis ausnahmsweise auf eine Feststellungsklage beschränken können. Allerdings nur dann, wenn sich „aufgrund der Natur des individuellen Schadens für die betroffenen Verbraucher die Quantifizierung der individuellen Ansprüche komplex gestaltet (Art. 6 Abs. 2 RiLi-Vorschlag). Dies soll aber dann nicht der Fall sein, wenn die Verbraucher – ggf. auch nur durch 84  Skeptisch zur Vergleichsbereitschaft auch Kranz NGZ 2017, 1099, 1102; Fölsch DRiZ 2018, 214, 216; Stadler VuR 2018, 83, 86 f.; Stellungnahme DAV Entwurf 14/2017 S. 7; Halfmeier VuR 2015, 441; Hess in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Massenklagen und Managerhaftung, Rn. 17.13; ähnlich aufgrund niederländischer Erfahrungen Weber/van Boom VuR 2017, 290, 291. 85  Der Richtlinienvorschlag vom 11.4.2018 (KOM[2018] 184 final) ist Teil eines Gesamtpaktes geplanter Maßnahmen, Einzelheiten s. Mitteilung der Kommission vom 11.4.2018, KOM(2018) 183 final.

Stand und Perspektiven der kollektiven Rechtsdurchsetzung

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den Beklagten – identifizierbar sind und einen vergleichbaren Schaden erlitten haben. Nach den Erläuterungen der Kommission sollen Fälle wie der Diesel­ skandal gerade kein Anwendungsfall einer bloßen Feststellungsklage sein.86

V. Ausblick Deutschland hat sich erneut nicht zu einem wirklich befreienden Schritt in Sachen kollektiver Rechtsschutz durchringen können. Das Ansehen des Rechtsstaates hat angesichts der Ohnmacht der Betroffenen im VW-Skanal erheblich gelitten. Fast möchte man sagen, wenn es schon der Dieselskandal in Wahlkampfzeiten nicht geschafft hat, das Thema Sammelklagen endgültig auf die Agenda der Parteien zu setzen, dann muss man sich schon fragen, was eigentlich noch passieren muss. Die Musterfeststellungsklage ist ein halbherziger Schritt, der bei Weitem nicht die Schlagkraft einer echten Sammel- oder Gruppenklage hat. Der 72. Deutsche Juristentag, der im September 2018 in Leipzig tagte, befasste sich in seiner verfahrensrechtlichen Abteilung mit dem Thema Verbandund Sammelklagen. Er folgte weitgehend den Vorschlägen der Gutachterin87 und votierte insbesondere mehrheitlich für die Einführung von Gruppen­ klagen.88 Gleichwohl wird man auf Schützenhilfe aus Brüssel hoffen müssen. Ob und in welcher Form der „New Deal for Consumers“ kommen wird, ist offen. Der politische Streit um das grundsätzliche „ob“ und über eine konkrete Umsetzung von Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes ist keineswegs beigelegt. Zwar hat Deutschland mit Frankreich einen wichtigen politischen Verbündeten gegen Sammelklagen verloren, die Positionen haben sich aber insgesamt neu formiert und die politischen Strategien verlaufen heute anders. Ziel der mitgliedstaatlichen Reformen war und ist nicht nur die Stärkung der Rechte von Verbrauchern und Geschädigten, sondern auch – wenn nicht sogar vorrangig – die gute Positionierung des eigenen Gerichtsstandortes im Wettbewerb um große internationale Verfahren, mit denen sich sehr viel Geld verdienen lässt. Dies gilt vor allem für die Niederlande und England. Man kann mit einiger Sicherheit prognostizieren, dass es England auch nach vollzogenem Brexit gelingen wird, seine Regelungen über die internationale Zuständigkeit so auszugestalten, dass z.B. die großen Kartellschadensverfahren gegen europäische Unternehmen nach wie vor in London stattfinden können. Die Niederlande werden daher 86  Vgl. Kommissionsdokument „Functioning of the colletive redress“ (abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3041_de.htm). 87  Meller-Hannich, Gutachten 72. DJT, CH Beck 2018, Teil 1; hierzu Stadler JZ 2018, 793 und Bruns NJW 2018, 2753. 88  Die Beschlüsse sind abrufbar unter: https://www.djt.de/nachrichtenarchiv/meldungen/ artikel/die-beschluesse-des-72-deutschen-juristentages/.

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ihr im europäischen Vergleich weitreichendes Konzept keinesfalls auf dem Altar einer europäischen Harmonisierung opfern wollen. Mit anderen Worten: Die bloß unverbindliche Kommissionsempfehlung von 2013 hat das Gegenteil dessen erreicht, was intendiert war. Statt einer Angleichung der Rechtsinstrumente erlebten wir einen Wettbewerb der Mitgliedstaaten. Der jetzt vorliegende Kommissionsvorschlag geht einen neuen Weg (wohl auch im Hinblick auf die Zuständigkeit des europäischen Gesetzgebers). Er kleidet die Verbandsklagen in eine Reform der Unterlassungsklagenrichtlinie von 2009 und knüpft somit an grundsätzlich Bekanntes an. U.a. geschieht dies aber mit dem Zugeständnis, dass nur Verbände, nicht einzelne Gruppenmitglieder klagebefugt sein sollen und – wie nach dem Konzept der deutschen Musterfeststellungsklage – nur nicht gewinnorientierte Verbände klagen können sollen. Damit wird man keine flächendeckende Rechtsdurchsetzung erreichen können. Ob dieser Ansatz geeignet ist, den politischen Widerstand der Wirtschaft und einiger Mitgliedstaaten zu überwinden, bleibt abzuwarten.

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Autorenverzeichnis Prof. Dr. Jean-Sébastian Borghetti Professeur en Droit Privé, Université Panthéon-Assas Paris II Dipl. iur. Benedict Heil Frankfurt am Main Prof. Peter L. Murray Professor of Law, Harvard Law School, Cambridge (MA) Prof. Dr. Astrid Stadler Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Rechts­vergleichung, Universität Konstanz Teilprofessur an der Erasmus-Universität Rotterdam für Comparative Mass Litigation Rodolfo Straub SIX Swiss Exchange, Zürich Dr. Bonne van Hattum, LL.M. Director Risk Consulting bei PwC Amsterdam und Dozentin für Privatund Finanzrecht an der Universität Amsterdam Prof. Dr. Jan von Hein Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Abt. III, Universität Freiburg im Breisgau

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Sachverzeichnis Ad-hoc-Publizität 9 ff. – Deutschland 10 ff. – Frankreich 12 ff. Aktionäre – Aktivierung 123 ff. – Bündelung von Klagen 125 – Klage auf Ersatz des Gesellschafts­ schadens 112 – Massenschädigung 114 ff. Anlegerschäden 135; s. auch Aktionäre Arbeitnehmerschutz 37 f. Börse – Handelsüberwachung 75 f. – Judikative Instanzen 76 – Sanktionen 77 – Sanktionsverfahren 76 – Selbstregulierung 69 ff. – SIX Swiss Exchange 70 ff. Brexit – Eingriffsnormen 57 ff. Bündelung von Ansprüchen durch Zession 146 f. Class Action – Deliktsrecht 82 f. – Entwicklung in den USA 80 f. – Fairness Act 87 – Finanzmarktrecht 82 – Klageindustrie 84, 86 ff., 93, 101 f. – Materien 81 ff. – Nützlichkeit 88 f. – Opt in class litigation 81 – Opt out class litigation 81, 85, 96 – Reformen (USA) 88 – USA 79 ff. – Verfahren 84 ff. – Vergleich 86 ff.

Corporate Governance 109 ff. Courage (EuGH) 15 Deliktische Ansprüche – Allgemeine Voraussetzungen 4 ff. – bei Schutzgesetzverletzung 4 f. – bei Verletzung von Aufsichtsrecht 1 ff. – bei Verstößen gegen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität 9 ff. – bei Wettbewerbsverstößen 15 ff. – Class Action 82 f. – EU-Rechtsvereinheitlichung 21 f. – Schaden 7 ff., 13 ff. Deliktsrecht – Deutschland 4 f. – Europäische Union 21 f. – Frankreich 6 ff. – Generalklausel 6 ff. – Organhaftung 3 Eingriffsnormen – Abgrenzung vom Sonderprivatrecht 34 ff. – Arbeitnehmerschutz 37 f. – Ausgleichsanspruch des Handels­ vertreters 38 ff. – Ausgleichsanspruch des Vertrags­ händlers 41 ff. – Begriff in Rom I-VO 31 – Beispiele 32 ff. – Berücksichtigung durch Schieds­ gerichte 60 ff. – Berufsrecht 32 ff. – Brexit 57 ff. – drittstaatliche 31, 33 f., 46 ff. – Handelsvertreterrecht 38 ff. – inländische 28, 31

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Sachverzeichnis

– Internationales Zivilverfahrensrecht 65 ff. – materiell-rechtliche Berücksichtigung 49 ff. – öffentliches Interesse 34 ff. – Rechtswahl 35, 45 f. – Richtlinien als 38 ff. – Rom I-VO 26 ff. – Rom II-VO 59 f. – Savigny 24 f. – Verbraucherschutz 36 f. – Verhältnis zum ordre public 26 f. Ersatz reiner Vermögensschäden 1 ff. Europäische Union – Marktmissbrauchsrichtlinie 9 – New Consumer Deal 91 ff. – Verbandsklage, s. dort Finanzmarktaufsicht (FINMA) Schweiz 69 ff. Finanzmarktrecht – Class Action 82 – FIDLEG (Schweiz) 71 – FinfraG (Schweiz) 71 f. – FINIG (Schweiz) 71 – fraud on the market 82 – KapMuG s. dort – Massenschäden 92 f. – Private Enforcement 110 ff. – Public Enforcement 110 f. – Selbstregulierung 69 ff. – Vollzugsdefizit 135 Haftung – aus Delikt 1 ff. – aus Vertrag 2 f. – Organ 3 Handelsvertreterrecht 38 ff. Ingmar (EuGH) 38 ff. Internationales Privatrecht – Anknüpfungsmethode 23 ff. – Eingriffsnormen 24 ff. – Savigny 23 ff. – Statutentheorie 23 Internationales Zivilverfahrensrecht – Eingriffsnormen 65 ff.

Kapitalmarkt – Aufsicht 69 ff. – Selbstregulierung 69 ff. – SIX Swiss Exchange 70 ff. KapMuG (Kapitalanleger-Muster­ verfahrensgesetz) – Bedeutung 119 f. – Bewertung 118 ff. – Effektivität 119 f. – Entstehung 114 f. – Reform 144 f. – Verfahren 115 ff. Kartellrecht – Bündelung von Ansprüchen durch ­Zession 134, 146 f. – Deliktsansprüche 15 ff. – Durchsetzungsdefizite 132 ff. – Siebte GWB-Novelle 15 f. Klageindustrie 84, 86 ff., 93, 101 f., 130, 134 Kollektiver Rechtsschutz, s. auch Class Action, KapMuG, Massenschäden, ­Verbandsklage – Belgien 137 f. – Bündelung durch Zession 134, 146 f. – Deutschland 129, 143 ff. – England und Wales 138 ff. – Europäische Union 129, 150 ff. – Frankreich 137 f. – Niederlande 97 ff., 141 ff. – Skandinavien 130 Koregulierung 69 ff. Manfredi (EuGH) 15 f. Marktmissbrauch 9 ff. Marktschaden 14 Massenschäden, Abwicklung von – Aktionäre 114 ff. – Anlegerschäden 135 – Kategorien 95 – New Consumer Deal (EU) 91 ff. – Niederlande 92 ff., 97 ff. – Öffentliches Interesse 100 f. – Schwächen der behördlichen ­Abwicklung 102 f. – Überlastung der Gerichte 114, 121 f. – Streuschäden 95

Sachverzeichnis

– USA 82 ff. – Wettbewerb der Justizstandorte 92, 118, 120 f. Musterfeststellungsklage für Verbände 148 ff. New Consumer Deal (EU) 91 ff. Niederlande – Abwicklung von Massenschäden 92 ff., 97 ff. – Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM) 98, 141 ff. Nigerianische Masken (BGH) 49 ff. Nikiforidis (EuGH) 51 ff. Ombudsman 132, 135 Ordre public 23 ff. – Verhältnis zu den Eingriffsnormen 26 f. – Berücksichtigung durch Schiedsgericht 62 f. Organhaftung 3 Preisregelungen 32 ff. Private Enforcement – Class Action (USA) 79 ff. – Daseinsgrund 131 ff. – finanzielle Anreize 136 f. – Finanzmarktrecht 69 ff., 110 ff. – Frankreich 2, 19 ff. – KapMuG (Deutschland) s. dort – Musterfeststellungsklage für Verbände 148 ff. – New Consumer Deal (EU) 91 ff. – Selbstregulierung 69 ff. – SIX Swiss Exchange 75 ff. – Skandinavien 130 – Stärkung 19 ff. – USA 79 ff. – WCAM (Niederlande) 98, 141 ff. Prozesskosten – Abschreckungseffekt 79 f. – Class Action 85 – Finanzierung der Verbandsklage 97 Public Enforcement – Frankreich 2 – New Consumer Deal (EU) 92, 95 f.

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– Schwächen bei der Abwicklung von Massenschäden 102 f. Rechtswahl – Eingriffsnormen 35, 45 f. Reine Vermögensschäden 1 ff. Richtlinien – als Eingriffsnorm 38 ff. Rom I-Verordnung – Eingriffsnormen 26 ff. – Entstehungsgeschichte 29 ff. – Ordre public 26 ff. Rom II-Verordnung 59 f. Schiedsgerichte – Berücksichtigung von Eingriffsnormen 60 ff. – Verbrauchersachen 83 Schutzgesetzverletzung 4 f. Selbstregulierung – Schweiz 69 ff. – SIX Swiss Exchange 70 ff. – Vorgaben des Gesetzes 71 ff. Sittenwidrige Schädigung 5 SIX Swiss Exchange – Dienstleistungen 70 f. – Enforcement 75 ff. – Selbstregulierung 74 ff. Strafverfahren – Frankreich 3 Streuschäden 95 Telekom-Verfahren 114, 121, 131, 135 Unamar (EuGH) 43 f. Verbandsklage (EU) – Aktivlegitimation 94 – Auswirkungen auf die Niederlande 97 ff. – Bewertung 104 ff. – Finanzierung 97 – Kompromisscharakter 99 – Mindestharmonisierung 97 – Musterfeststellungsklage 148 ff. – New Consumer Deal (EU) 91 ff., 150 ff. – Öffentliches Interesse 100 f.

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Sachverzeichnis

– Opt out 96 – Paradigmenwechsel 104 ff. – Qualifizierte Einrichtung 94 Verbraucher(schutz) – Interessenwahrung im Prozess 101 f. – New Consumer Deal (EU) 91 ff. – Öffentliches Interesse 100 f. – Schiedsverfahren 83 – Sonderkollisionsrecht 36 f. – Verbandsklage (EU) 91 ff. Verbraucherschutzorganisation – Verbandsklage 94 – Schwächen bei der Abwicklung von Massenschäden 103 f.

Vergleich – Class Action USA 86 ff. – Massenschadensabwicklung in den ­Niederlanden 92 f. Vermögensschäden 1 ff. Vertragshaftung, Frankreich 2 f. Wells Fargo Skandal 82 Wertpapierhandelsgesetz 10 ff. Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM) 98 Wettbewerb der Justizstandorte 92, 118, 120 f. Zivilklage im Strafverfahren, Frankreich 3