Die Osterweiterung der Europäischen Union: Chancen und Perspektiven [1 ed.] 9783428501434, 9783428101436

Mit der geplanten Osterweiterung der Europäischen Union verbinden sich ökonomische Fragestellungen vielfältiger Art. Die

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Die Osterweiterung der Europäischen Union: Chancen und Perspektiven [1 ed.]
 9783428501434, 9783428101436

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Die Osterweiterung der Europäischen Union

SCHRIFTENREIHE DER GESELLSCHAFT FÜR DEUTSCHLANDFORSCHUNG BAND 75

Die Osterweiterung der Europäischen Union Chancen und Perspektiven

Herausgegeben von

Spiridon Paraskewopoulos

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Osterweiterung der Europäischen Union: Chancen und Perspektiven I Hrsg.: Spiridon Paraskewopoulos. - I. Auf!. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung ; Bd. 75) ISBN 3-428-10143-X

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5774 ISBN 3-428-10143-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier . entsprechend ISO 9706 9

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort..............................................................................................

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Spiridon Paraskewopoulos Einfilhrung in die Problematik der Osterweiterung der Europäischen Union..

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Gernot Gutmann Zur Frage der Relevanz von Rahmenbedingungen und von wirtschaftlichem Entwicklungsstand in den beitrittswilligen Ländern rur eine Osterweiterung der EU aus ordnungstheoretischer Sicht............ ......... ....... ................. ...... 17 Helmut Leipold Offene Ordnungsprobleme einer Osterweiterung der EU. ............... ............ 41 Thomas Lenk und Andreas Mathes EU-Osterweiterung - fmanzierbar? ......................................................... 61 RolfH. Hasse und Alexander Penzold Der deutsche Außenhandel mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten normative und faktische Aspekte ............................................................ 111 Cornelie Kunze Die Auswirkungen der Osterweiterung der Europäischen Union auf den deutschen Arbeitsmarkt......................................................................... 137 Walter Gutzeit Die erwarteten Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Agrarpolitik und die sich daraus ergebenden Bedingungen rur die Mittelmeerunionsländer................................................................................................. 159

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Inhaltsverzeichnis

Ursula Jaekel Die politischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu ausgewählten Beitrittskandidaten fUr die Osterweiterung der Europäischen Union....... .1 89 TamAs Szemler Die Erwartungen der beitrittswilligen mittel- und osteuropäischen Transformationsländer an die Europäische Union und im besonderen an Deutschland

201

Eugeniusz Plucinski Die Osterweiterung der Europäischen Union aus polnischer Sicht ............... 215 Helmut Jenkis Der Beitritt Zyperns zur Europäischen Union. Eine polit-ökonomische Analyse .............................................................................................. 235 Verfasser und Herausgeber.................................................................... 265

VORWORT Vom 1. bis 3. Oktober 1998 veranstaltete das Institut fiir Theoretische Volkswirtschaftslehre und Makroökonomik der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig eine Tagung zur Osterweiterung der Europäischen Union in Achaja/Griechenland. Die Tagung mit dem Thema "Ökonomische, soziale und politische Auswirkungen der Osterweiterung der Europäischen Union auf die Mittelmeerstaaten der Union" ging der Frage nach, wie sich die geplante Osterweiterung auf die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten, insbesondere die Mittelmeerstaaten, aber auch auf die beitretenden Staaten auswirken wird. Diese Tagung fand ihre thematische Fortsetzung mit der am 12. und 13. November 1998 in Leipzig durch die Gesellschaft fiir Deutschlandforschung, die Konrad-Adenauer-Stiftung und das Institut fiir Theoretische Volkswirtschaftslehre und Makroökonomik der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig veranstaltete Tagung "Die Osterweiterung der Europäischen Union aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland". Der Schwerpunkt dieser Veranstaltung lag auf den Auswirkungen der Osterweiterung auf die Bundesrepublik und den Erwartungen der Beitrittskandidaten. Es war das Ziel der bei den Tagungen, aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen eine Osterweiterung der Europäischen Union aus ökonomischer Sicht möglich ist, und welche Auswirkungen diese sowohl auf die Gemeinschaft und ihre derzeitigen Mitgliedsstaaten als auch auf die beitretenden Staaten haben wird. Diese derzeit aktuellen Fragen bilden auch den Schwerpunkt des vorliegenden Tagungsbandes. Die Möglichkeiten und Auswirkungen der Osterweiterung der Europäischen Union werden zunächst aus ordnungstheoretischer und ordnungspolitischer Sicht diskutiert. Im Anschluß daran werden spezielle Problemfelder wie z. B. fiskalische Aspekte, Außenhandel, Arbeitsmarkt und Agrarsektor behandelt. Darüber hinaus werden die Beziehungen Deutschlands zu den MOE-Ländern und die Erwartungen der Beitrittskandidaten an eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union thematisiert. Den Abschluß des Tagungsbandes bildet ein Beitrag zur Problematik des Beitritts Zyperns zur Europäischen Union. Für die fmanzielle Unterstützung der Tagungen möchte ich mich bei der Vereinigung von Förderern und Freunden der Universität Leipzig e.V., der Industrie- und Handelskammer Patras, dem Sächsischen Staatsministerium fiir Wis-

Vorwort

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senschaft und Kultur, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Gesellschaft filr Deutschlandforschung bedanken. Mein Dank gilt darüber hinaus allen Referenten, die zum Gelingen der Veranstaltungen und zur Bereicherung dieses Bandes beigetragen haben, sowie Herrn Dr. Axel Fischer, Herrn Dipl.-Vw. Tobias Legutke, Herrn Dipl.-Vw. Tilo Köhler-Cronenberg und Frau cand. rer. pol. Heike Hinneburg filr die Unterstützung bei der organisatorischen Vorbereitung und der Durchfiihrung der Veranstaltungen sowie der Herausgabe des Tagungsbandes. Leipzig, im Juli 1999

Spiridon Paraskewopoulos

Spiridon Paraskewopoulos EINFÜHRUNG IN DIE PROBLEMATIK DER OSTERWEITERUNG DER EUROPÄISCHEN UNION A. Die Bedeutung der Europäischen Union

Jacques Santer, der noch amtierende Präsident der Europäischen Kommission, schreibt in einem Artikel mit dem Titel ,,Agenda 2000" folgendes: "Heute - an der Schwelle zum 21. Jahrhundert - steht die Europäische Union vor großen und neuen Herausforderungen. Oft empfiehlt sich bei der Bewältigung neuer Herausforderungen ein Blick auf bereits Erreichtes. Nicht als Akt der Selbstgerechtigkeit, sondern um Kraft und Selbstvertrauen fi1r die Zukunft zu schöpfen. Denn Europa braucht angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Vertrauen in die eigene Kraft." Und wie G. Rinsche schreibt, ist dieses Europa mehr als ein geographischer Begriff: •

Europa ist die Philosophie der Griechen, verbunden mit dem unbesiegbaren Gedanken der Freiheit.



Europa ist das Rechtssystem der Römer in Verbindung mit dem unverzichtbaren Gedanken der Ordnung, und



Europa ist nicht zuletzt die Ethik des Christentums, verbunden mit dem übergeordneten Gedanken der Menschenwürde.

"Diese Werte haben einen inneren und notwendigen Zusammenhang; denn Freiheit ohne Ordnung wird leicht zur Ordnung ohne Freiheit. Freiheit und Ordnung erfordern die Beachtung der Menschenwürde und die Verwirklichung der Menschenrechte. Unter den Aspekten dieser Grundidee Europas ist die Europäische Union ein großartiger Versuch, Völker, die sich jahrhundertelang bekämpft und zerfleischt haben, auf der Grundlage gleicher Rechte und in freier Entscheidung zu einem neuen Ganzen zusammenzuschließen, um dadurch Frieden, Freiheit und Lebenschancen fi1r alle Beteiligten dauerhaft zu sichern.,,1

I Rinsche, G. (1998), Menschenwürdiges Leben im Europa des 21. Jahrhunderts, Grundlagen, Erfordernisse, Perspektiven, in: Rinsche, G., Friedrich, 1., WeichensteIlung ftlr das 21. Jahrhundert, Köln, Weimar, Wien, S. 5 - 23 hier S. 5.

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Spiridon Paraskewopoulos

Man kann heute ex post feststellen, daß die Europäische Gemeinschaft wesentliches dazu beigetragen hat, daß der Frieden in Kemeuropa über fiinfzig Jahre anhält und daß diese Gemeinschaft den Integrationsprozeß sowohl auf der Basis der Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit als auch im Rahmen einer Erweiterung bisher relativ erfolgreich betrieben hat. Unter Erweiterung der Gemeinschaft verstehe ich hier sowohl den Beitritt von Staaten als auch die wirtschaftliche Kooperation mit Drittstaaten. Die Entwicklung der ursprünglichen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von sechs Staaten zu einer Europäischen Union von gegenwärtig fUnfzehn Staaten ist bisher politisch, wirtschaftlich und sozial relativ stabil verlaufen, so daß das Gebiet der Europäischen Union heute von allen Beobachtern als eine der stabilitätsstärksten Regionen der Welt angesehen wird. Diese kurze positive Darstellung der Entwicklung der Europäischen Union könnte den Eindruck erwecken, daß man aufgrund dessen keine neuen Experimente mehr wagen und diesen erfolgreichen Entwicklungsstand in der bisherigen Weise beibehalten sollte. Abgesehen von der Gültigkeit des Grundsatzes, daß man sich mit dem Erreichten nie zufriedengeben darf, veränderte der Zusammenbruch der Sowjetunion und der kommunistischen Ideologie die politischen und ökonomischen Ordnungsdaten nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt vollständig, so daß man von den veränderten Daten her gezwungen ist, den neuen Entwicklungen mit anderen Mitteln zu begegnen. B. Die potentielle Osterweiterung

Die Europäische Union steht vor einer neuen Erweiterungsrunde. Im Juli 1997 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Agenda 2000 dem Rat, dem Europäischen Parlament, den Beitrittskandidaten und der breiten Öffentlichkeit eine intensivierte Heranfilhrungsstrategie vorgelegt. 2 Man hat damit fortgeschrieben und präzisiert, was sich der Europäische Rat in Kopenhagen (1993) und in Essen (1994) im Zusammenhang mit der Osterweiterung der Europäischen Union vorgenommen hat. 3 Ende des vergangenen Jahres (1998) haben in Brüssel die Regierungskonferenzen mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern begonnen. Ziel war es, alle sechs Länder bald als vollberechtigte Mitglieder in die Europäische Union aufnehmen zu können. Bis dieses Ziel allerdings vollendet 2 Vgl. Europäische Kommission (1997), Agenda 2000 - Band I: Eine stärkere und erweiterte Union, Brussel. l Vgl. zu dieser Thematik, Steppacher, B. (1997), Die Europäische Union vor einer neuen Erweiterungsrunde. Kernpunkte der intensivierten Heranfilhrungsstrategie der EU filr rnittel- und osteuropäische Beitrittsaspiranten. Arbeitspapier der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bereich Forschung und Beratung - Internationale Politik -, 2. überarbeitete Auflage, Sankt Augustin.

EintUhrung in die Problematik der Ost-Erweiterung der Europäischen Union

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ist, müssen auf beiden Seiten noch eine Anzahl von Maßnahmen durchgeführt werden. Die potentiellen Kandidaten müssen vorher das gesamte Gesetzeswerk der Europäischen Union (aquis communautaire) übernehmen. Die Europäische Union muß ihnen zugleich alle Mitgliedschaftsrechte gewähren. Darin liegen auch die Bedenken, da ein solcher Schritt für beide Seiten vermutlich finanzielle Probleme enthält. Daraus ergibt sich in diesem Zusammenhang die politische Frage, ob die finanziellen Probleme maßgebend Entscheidungen dieser Art bestimmen dürfen? Der Europäische Rat hat in seiner Sitzung am 24./25. März 1999 in Berlin den Beitrittskandidaten folgende Botschaft zukommen lassen: "Die Erweiterung bleibt eine historische Priorität für die Europäische Union. Die Beitrittsverhandlungen werden - für jedes Land im jeweils erreichbaren Tempo - so zügig wie möglich fortgesetzt. Er fordert den Rat und die Kommission auf, dafür zu sorgen, daß die Dynamik der Verhandlungen dementsprechend aufrechterhalten wird.,,4 Diese Worte dürfen allerdings nicht Absichtserklärungen bleiben. Den Völkern Mittel- und Südosteuropas dürfen keine Enttäuschungen mehr zugemutet werden. Es darf dabei nicht vergessen werden, daß die Zielsetzung einer umfassenden europäischen Integration eng mit dem Wunsch verbunden war und ist, nicht nur ein friedliches, sondern darüber hinaus ein im politischen, ökonomischen und sozialen Sinne stabiles Europa zu schaffen. Die Europäische Union der 15 Mitgliedsstaaten hat heute ca. 380 Mio. Einwohner. Die potentiellen Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa haben etwa 110 Millionen Menschen. Dies bedeutet, daß bei einem vollendeten Beitritt ein Binnenmarkt von knapp einer halben Milliarde Marktteilnehmern entsteht. Das ist der Wirtschaftsraum, den die Europäische Union der Wirtschaft und den darin arbeitenden Menschen ohne bürokratische Schranken an ökonomischen Bedingungen anbietet. Diese Möglichkeiten allein sind aus ökonomischer Sicht hoch zu bewerten. In diesem Sinne versuchte die Europäische Kommission mit der Agenda 2000 die Chancen und die Probleme der EU-Erweiterungsstrategie zu untersuchen und praktikable Lösungen vorzuschlagen. Nach der Europäischen Kommission dürfen die Zielsetzungen einer Integration Europas nicht nur darin bestehen, Frieden unter den Mitgliedsstaaten zu erreichen, sondern auch gemeinsam für mehr Wohlstand zu sorgen sowie darüber hinaus auch die Bedingungen dafür zu schaffen, daß die Europäische Union nicht nur ein Objekt der internationalen Beziehungen ist, sondern auch und vor allem ein aktiv handelndes Subjekt, welches die gemeinsamen europäischen Interessen wirkungsvoll nach außen wahrnimmt und gestaltet. 4

Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat Berlin - 24. und 25. März 1999,0/99/1.

Spiridon Paraskewopoulos

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Diese ursprünglichen Motive und Absichten sollen nach Auffassung der Europäischen Kommission auch fiir den bevorstehenden Erweiterungsprozeß gelten. Dieser Prozeß darf sich nicht auf die 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die Beitrittskandidaten Mitteleuropas sowie auf Zypern beziehen. Er soll sich vielmehr auch in eine gesamteuropäische Architektur einfiigen, die Antworten sucht auf die Frage der Einbeziehung der europäischen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, der südlichen und östlichen Mittelmeerländer, des europäischen Wirtschaftsraumes sowie der Türkei und der Schweiz.

C. Die Heranjührungsstrategie der Europäischen Union Wie sieht es nun mit der Heranfiihrungsstrategie der Europäischen Union konkret aus? Auf Grund der Vielzahl der Beitrittswünsche wurde die Europäische Kommission im Dezember 1995 vom Europäischen Rat in Madrid beauftragt: 1.

Stellungnahmen zu den Beitrittsgesuchen auszuarbeiten,

2.

eine Gesamtsicht (ein Gesamtdokument) über die Erweiterungsproblematik vorzulegen und

3.

eine Untersuchung des Finanzierungssystems der EU fiir die Zeit nach 1999 durchzufiihren. 5

So legte die Kommission 1997 unter dem Titel "Agenda 2000" einen mehrbändigen Bericht (Mitteilungen) vor. 6 Darin geht es unter anderem um folgendes: Erstens werden Vorschläge fiir die Weiterentwicklung der EU in verschiedenen Bereichen unterbreitet, insbesondere hinsichtlich des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung, der Bildung, der Struktur- und Agrarpolitik sowie der Kohärenz der Außenbeziehungen. Zweitens werden Problembereiche der EU-Erweiterung sowohl fiir die EU wie auch fiir die Beitrittskandidaten diskutiert. Dabei werden die Kernaussagen der einzelnen Stellungnahmen zu den Beitrittsanträgen zusammengefaßt und konkrete Empfehlungen zum weiteren Vorgehen unterbreitet. Besonders in einem ergänzenden zweiten Band der "Agenda 2000" wird von der Kommission empfohlen, daß man zunächst mit den genannten fiinf MOE-Anwärtern plus Zypern Beitrittsverhandlungen beginnen sollte. Vgl. Steppacher, B., Die Europäische Union ... a.a.O. S. 5. Vgl. Europäische Kommission (1997), Agenda 2000 - Band 11 - Mitteilung: Auswirkungen einer EU-Mitgliedschaft der beitrittswilligen Länder Mittel- und Osteuropas auf die Politiken der EU (Wirkungsanalysen), Brüssel. S

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EinfUhrung in die Problematik der Ost-Erweiterung der Europäischen Union

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Drittens präsentierte die Kommission einen Finanzplan filr die Jahre 20002006, wobei die heutige Eigenmittelobergrenze von 1,27 v.H. des BSP unabhängig von der bevorstehenden Vertiefung und Erweiterung nicht verändert werden soll. Viertens umfaßt die "Agenda 2000" die zehn Stellungnahmen und die Schlußfolgerungen der Kommission zu den Beitrittsanträgen von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Fünftens hält schließlich die Kommission in einer extra, parallel zur "Agenda 2000" vorgelegten Mitteilung fest, daß auch die Türkei filr eine EUMitgliedschaft in Betracht kommt und daß sie nach denselben objektiven Maßstäben und Kriterien beurteilt werden sollte wie die übrigen Beitrittskandidaten. Diese Position ist allerdings innerhalb der Europäische Union nicht unumstritten. D. Erwartete allgemeine wirtschaftliche Auswirkungen

Durch die Osterweiterung der Europäischen Union erwartet man folgende Auswirkungen: Erstens verspricht man sich, wie oben angesprochen, einen wirtschaftlichen Nutzen von der Ausdehnung des Binnenmarktes, von dem allgemeinen Integrationsprozeß sowie von der Stärkung der Stellung der Europäischen Union auf den Weltmärkten. Zweitens geht man davon aus, daß das Humankapital der Europäischen Union nicht zuletzt durch qualifizierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte erheblich bereichert wird. Drittens vergrößern die beitrittswilligen Länder, da sie über bedeutende natürliche Ressourcen (landwirtschaftliche Flächen, bestimmte Mineralien, Artenvielfalt usw.) verfUgen, das natürliche Potential der Europäischen Union. Viertens wird die geographische Lage der Beitrittskandidaten in bezug auf Verkehr, Energietransit und Kommunikation ökonomische Vorteile fUr alle bringen.

Man erwartet also, daß die Integration in die Europäische Union der Wirtschaftsentwicklung dieser Länder kräftige Impulse geben wird. Umfangreiche Investitionen in Verbindung mit der radikalen Modernisierung der Wirtschaft der beitretenden Länder und ihr Aufholprozeß gegenüber dem Lebensstandard in der Europäischen Union werden die Nachfrage in der gesamten Union anregen und die Wettbewerbsflihigkeit stärken. Gleichzeitig wird von dem Erweiterungsprozeß ein erheblicher sektoraler und regionaler Anpassungsdruck ausgehen,

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wenngleich die Märkte der Europäischen Union und der Beitrittskandidaten infolge der Durchführung der Europa-Abkommen bis zum Beitritt schon in beträchtlichem Maße miteinander verflochten sein werden. Zu den sensitiven Bereichen innerhalb der gesamten Union könnte der Arbeitsmarkt gehören. Ferner werden bestimmte Industriezweige, insbesondere arbeitsintensive und sonstige traditionelle Sektoren, bestimmte Verkehrsträger usw. negativ betroffen. Nach dem Urteil der Europäischen Kommission könnten auch in den beitretenden Ländern die Belastungen, die durch den verstärkten Wettbewerbsdruck entstehen werden, anfangs so stark sein, daß große Teile der Industrie, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, hart betroffen werden. Ähnliches gilt fllr Landwirtschaft und Fischerei, Dienstleistungen und den Informations- und Kommunikationssektor. Auch das Finanzsystem und die Zahlungsbilanz könnten dann beeinträchtigt werden. Wenn diesen Problemen nicht mit angemessenen Maßnahmen, vor allem vor dem Beitritt, begegnet wird, könnten sie recht ernste Auswirkungen auf die neuen Mitgliedstaaten haben und würden insofern auch die Gemeinschaftspolitik in den verschiedenen Bereichen belasten. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, daß sie auf die übrige Europäische Union übergreifen (z.B. auf dem Arbeitsmarkt), auch wenn sich diese Risiken in vielen Bereichen (z.B. im Finanzsystem) wegen der relativ geringen Größe der Volkswirtschaften der Beitrittskandidaten in Grenzen halten würden. E. Fazit

Wie sich Kosten und Nutzen der Erweiterung auf die einzelnen Länder und Regionen verteilen werden, läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit bestimmen. Dies ist auch der Grund dafür, daß die Pessimisten in der politischen Diskussion dominieren. Die Argumente, die die Kostenseite der Osterweiterung hervorheben, beherrschen gegenwärtig die öffentliche Meinung in der Europäischen Union. Sie sind aber nicht nur einseitig, sondern so, wie sie gebracht werden, auch nicht richtig. In der Tat, keiner kann heute ernsthaft daran zweifeln, daß die künftigen mittel- und osteuropäischen Mitglieder der Europäischen Union zunächst zu den Nettoempfiingern der Union gehören werden. Diese Länder werden rur längere Zeit auf Transferzahlungen aus dem Gemeinschaftshaushalt angewiesen sein. Diesen Kosten stehen aber auch Erträge gegenüber, die in der politischen Diskussion oft übersehen werden. Selbst die als primär negativ für die jetzigen Unionisten angesehenen Transferzahlungen haben einen positiven Aspekt, da sie auch konjunkturbelebend wirken werden, wenn erfahrungsgemäß mit einem beträchtlichen Teil der Transfergelder Importgüter aus den Unionsländern fmanziert werden.

Einführung in die Problematik der Ost-Erweiterung der Europäischen Union

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Abgesehen davon sollen vor allem die bereits begonnenen und ständig wachsenden Handelsbeziehungen der Europäischen Union mit den mittel- und osteuropäischen Staaten erwähnt werden. Seit 1989 haben sich die Exporte der Europäischen Union in diese Länder vervierfacht und die Importe mehr als verdreifacht. Bei einer vollständigen Liberalisierung und zunehmenden ökonomischen Entwicklung dieser Länder wird das Handelspotential filr Jahre unerschöpflich sein. Die durch die Erweiterung erwartete Integration wird die wirtschaftliche Verflechtung dieser Länder mit der Europäischen Union erhöhen, und durch die Angleichung der rechtlichen Normen und Verwaltungsvorschriften wird die Sicherheit rur ausländische Investoren zunehmen. Daher ist zu erwarten, daß die Export- und Importaussichtel). rur die Westeuropäer enorm steigen werden. Allein filr Deutschland, verglichen mit dem Außenhandel entsprechender Länder innerhalb der Europäischen Union heute, wäre ein Potential in den ExportImport-Beziehungen in Höhe von ca. 200 Mrd. DM möglich. Mit dem erweiterten Markt sind außerdem der Transfer von neuen Technologien, komparative Kostenvorteile sowie zunehmende Skalenerträge verbunden. Dies wird die ökonomische Dynamik und die Wettbewerbsfahigkeit der Europäischen Union insgesamt erhöhen, denn die Osterweiterung wird die bisherige aber überholte und kostspielige Status-quo-Mentalität der Mitglieder der Europäischen Union überwinden helfen und ein innovatives und flexibles Verhalten erzwingen. Im Zusammenhang mit dieser Argumentation läßt sich sagen, daß eine glaubwürdige Kalkulation der Kosten der Osterweiterung, die hier angesprochenen positiven wirtschaftlichen Aspekte nicht außer acht lassen darf. Durch ein solches Vorgehen werden die tatsächlichen Kosten der Erweiterung eine völlig andere als die bisher vorwiegend negative Bewertung erhalten. Außer den ökonomischen Argumenten gibt es auch eine Reihe von positiven politischen und sicherheitspolitischen, ökologischen sowie kulturellen Nutzeneffekten, die eindeutig filr eine zügige Osterweiterung sprechen. Die Osterweiterung verspricht auch eine erfolgversprechende Bewältigung der bereits bedrohende Dimensionen besitzenden organisierten Kriminalität, nicht nur rur die mittel- und osteuropäischen Staaten. Vor allem sind hier die Zusammenarbeit in den Bereichen der Justiz, der inneren Sicherheit und der Europol zu nennen. 7 Alle diese Argumente sprechen, auch nach der Auffassung der Europäischen Kommission darur, daß ein übertriebener Pessimismus über die Folgen der Erweiterung nicht gerechtfertigt ist. Die wirtschaftlichen Vorteile der Erweiterung werden in erster Linie von den Bedingungen abhängen, unter denen der Binnenmarkt erweitert wird, was wie7 Zu dieser positiven Argumentation vgl. Bertelsmann Stiftung (1998), Forschungsgruppe Europa (Hrsg.), Kosten, Nutzen und Chancen der Osterweiterung filr die Europäische Union, Gütersloh.

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derum von den Fortschritten abhängt, die die assoziierten Länder selbst bis zum Beitritt bei der Angleichung ihrer Rechtsvorschriften und ihrer Praxis an die der Europäischen Union erzielen können. Die wirtschaftlichen Vorteile werden auch von angemessenen Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastrukturen und -netzen in den beitrittswilligen Ländern abhängen, die zur Bewältigung der infolge der Integration verstärkten Handels- und Wirtschaftstätigkeit notwendig sind. Alle hier angesprochenen Fragen müssen in der nächsten Zukunft beantwortet werden. In erster Linie werden hier auch die Wissenschaftler und insbesondere die Wirtschaftswissenschaftler gefordert. Wissenschaftliche Tagungen und Diskussionen sind bereits voll im Gange. Mir ist es auch klar, daß eventuell nicht alle meine optimistische Position teilen. Mein Wunsch ist deshalb, daß unsere Diskussionen darüber zu fruchtbaren Ergebnissen fUhren.

Gernot Gutmann ZUR FRAGE DER RELEVANZ VON RAHMENBEDINGUNGEN UND VON WIRTSCHAFTLICHEM ENTWICKLUNGS STAND IN DEN BEITRITTSWILLIGEN LÄNDERN FÜR EINE OSTERWEITERUNG DER EU AUS ORDNUNGSTHEORETISCHER SICHT A.

I. Der Prozeß der europäischen wirtschaftlichen Integration ist seit einiger Zeit beträchtlich in Fahrt gekommen. Die Vervollständigung des Binnenmarktes im Rahmen der derzeit 15 Mitgliedsländer der EU und der Vertrag von Maastricht haben die Kompetenzen der EU auf verschiedenen Gebieten der Wirtschaftspolitik erhöht -man denke nur an den Verzicht der nationalen Souveränität im Bereich der Geldpolitik, der mit dem bevorstehenden Beginn der Europäischen Währungsunion unvermeidlich verbunden ist. Man kann aber nicht nur eine Beschleunigung und Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses zwischen den 15 Mitgliedsstaaten konstatieren, sondern auch einen fast permanenten Prozeß der Ausweitung des Gesamtgebiets, auf den sich dieser Integrationsprozeß erstreckt. Dieser begann schon 1973 mit dem Beitritt der Länder Großbritannien, Irland und Dänemark zum Kreis der ursprünglichen sechs Gründerstaaten, setzte sich dann 1981 und 1986 mit dem Beitritt von zunächst Griechenland und dann Spanien und Portugal fort und fand schließlich sein allerdings nur vorläufiges- Ende mit dem Hinzukommen von Schweden, Finnland und Österreich im Jahre 1995. 2. Die ost- und südosteuropäischen Reformstaaten sind vehement daran interessiert, so bald als möglich in den Kreis der EU - Mitglieder aufgenommen zu werden. Ungarn, Polen und die einstige CSFR waren daher dann die ersten Staaten, mit denen bereits Ende 1991 Assoziierungsabkommen - die sogenannten 'Europaabkommen A- abgeschlossen wurden. 1993 gab es identische Abkommen mit Rumänien und Bulgarien und zwei Jahre später mit den drei baltischen Staaten sowie mit Slowenien. Entsprechend den Beschlüssen der Staatsund Regierungschefs der EU - Länder auf deren Gipfeltreffen vom Dezember des Jahres 1997 steht die EU offiziell in Beitrittsgesprächen mit insgesamt zehn beitrittswilligen Ländern, nämlich mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, sowie mit Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien und Bulgarien. Hinzu treten als weitere Interessenten noch Zypern 2 Paraskewopoulos

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Gemüt Gutmann

und neuerdings wieder Malta. Allerdings hat man nur mit fiinf dieser Länder mit Estland, Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien- konkrete Beitrittsverhandlungen eröffnet, bei den übrigen Aspiranten handelt es sich um ein Beitrittsverfahren im Sinne von Artikel 49 der neuen Fassung des EG - Vertrags. Neben diesen zwölf Beitrittskandidaten gibt es jedoch noch weitere Staaten, welche langfristig gesehen wohl ebenfalls den Weg in die Union suchen und finden könnten, nämlich jene drei westeuropäischen Länder, deren Bevölkerungen in der Vergangenheit eine stärkere Annäherung an die Union vorerst zurückgewiesen haben: Norwegen, die Schweiz und Island. Hinzu kommen noch die Balkanstaaten Albanien, Bosnien - Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Serbien mit Montenegro 1. Auch auf das Interesse der Türkei sei hingewiesen. 3. Alle beitrittswilligen Länder Osteuropas betrachten die Europäische Union - politisch gesehen - als Anker zur Absicherung ihrer inneren und äußeren Sicherheit sowie als unverzichtbare Stütze zur Absicherung des im Gang befindlichen Prozesses der wirtschaftlichen Ordnungstransformation, in dem sie sich befinden. Wie wichtig dies fiir diese Staaten ist, verdeutlicht das aktuelle Beispiel Polens. Weil sich manche westliche Anleger Polen noch immer als Schwellenland im unmittelbaren Machtbereich Rußlands vorstellen, wurden infolge des aktuellen Finanzcrashs in Rußland und dessen politischer Instabilität auch polnische Wertpapiere an den Finanzmärkten in erheblichem Umfang unter Kursverlusten abgestoßen. Dadurch entsteht aber die Gefahr, daß die Erlöse aus dem Privatisierungsprozeß empfmdlich zurückgehen, was wiederum zur Folge haben kann, daß wichtige Ordnungsstrukturen - wie z.B. der Aufbau eines Rentensystems und dessen Finanzierung aus Privatisierungserlösen - nicht oder nur verzögert aufgebaut werden können. Wäre Polen offizielles Mitglied der EU, dann würde es sicherlich nicht länger als Schwellenland in der unmittelbaren Einflußsphäre Rußlands betrachtet. Letztlich wird die Eingliederung in das Staatensystem der Europäischen Gemeinschaft von den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) aber auch als Ausdruck ihrer Zugehörigkeit zu Europa als einem gemeinsamen Kulturbereich angesehen. "Der Beitritt zur Europäischen Union bedeutet rur sie die Eingliederung in den in der Nachkriegszeit entstandenen neuen kulturellen Verbund Europas" 2 (Martin Seidel, List Forum, S. 23).

J Vgl. Donges, Juergen 8.; Eekhoff, Johann; Möschesl, Wemhard; Neumann, Manfred J.M.; Sievert, Olav (Kronberger Kreis), Osterweiterung der Europäischen Union. Als Chance zur Refonn begreifen, hrsg. Vom Frankfurter Institut. Stiftung Marktwirtschaft und Politik, Frankfurt 1998, S. 7 f 2 Vgl Seidel, Martin, Refonn der institutionellen Strukturen der Europäischen Union als Vorbedingung einer Osterweiterung, in: List Forum rur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 21, DUsseldorf 1995,S. 22 - 35, hier: S. 23.

Zur Frage der Relevanz von Rahmenbedingungen

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4. Neben diesen und anderen politischen Zielen - wie dem der Friedenssicherung durch Zusammenarbeit zwischen Ost und West und der Unterstützung des Aufbaus einer stabilen demokratischen Ordnung - welche die osteuropäischen Länder mit ihrem Wunsch nach Vollmitgliedschaft anstreben, geht es ihnen zweifellos auch darum, Wirtschaftswachstum und verbesserte Güterversorgung und damit eine entscheidende Steigerung der ökonomischen Wohlfahrt ihrer Bevölkerungen erreichen zu können3 • Daß von ökonomischen Integrationen filr die beteiligten Länder unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich positive Wohlfahrtseffekte erwartet werden dürfen, ist hinlänglich bekannt. Sie entstehen vor allem durch drei Wirkungen, die im konkreten Fall meist miteinander verknüpft sind, nämlich: I.

durch erweiterte internationale Arbeitsteilung und mit ihr verbunden vermehrte Güterproduktion bei insgesamt gleichbleibendem oder bei sinkendem Faktoreinsatz,

2.

durch verstärkten Wettbewerbszwang auf den jeweils heimischen Märkten, der wegen des ungehinderten Marktzugangs filr die ausländische Konkurrenz entsteht, und dem damit verbundenen Druck auf die Angebotspreise, sowie auf Verbesserungen der Produktqualität durch Ausbreitung des technischen Fortschritt. Ob freilich dieser Effekt stärker oder nur schwächer eintritt, dürfte wesentlich davon abhängen, ob die an der Integration beteiligten Länder in ihrem Hoheitsgebiet eine hinreichende Wettbewerbspolitik betreiben.

3.

durch Wandern der Produktionsfaktoren Arbeit -in den Grenzen von dessen Mobilität- und von Kapital über die Ländergrenzen hinweg zu jenen Produktionsstätten, an denen diese Faktoren einen möglichst hohen Produktivitätsbeitrag erbringen können.

Freilich ist die Wirksamkeit dieser den Wohlstand verbessernden Integrationseffekte abhängig von der gewählten Integrationsform, deren es ja mehrere gibt. Eine Freihandelszone entsteht bekanntlich dort, wo mehrere Staaten bisher bestehende institutionelle Handelshemmnisse abbauen, also Ein- und Ausführzölle sowie mengenmäßige Import- und Exportrestriktionen im gegenseitigen Güteraustausch beseitigen. Eine Zollunion ergibt sich, wenn darüber hinaus ein gemeinsamer Zolltarif und gemeinsame Mengenbeschränkungen gegenüber Drittländern errichtet werden. Diese beiden Integrationsformen pflegt man auch als funktionelle Integrationen ersten Grades zu bezeichnen. Hier können sich freilich die Integrationseffekte deshalb noch nicht voll auswirken, weil es Beschränkungen in der grenzüberschreitenden Wanderung der Faktoren geben mag. Diese sind erst in der Integrationsform eines Gemeinsamen Marktes -also 3 Vgl. Cichy, Ulrich EU-Osterweiterung: Chancen, Risiken, Konvergenzkriterien, in: Wirtschaftsdienst 1995001, S. 662-668, hier: S.662.

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Gemot Gutmann

der funktionellen Integration zweiten Grades- und natürlich erst recht in den bei den institutionellen Integrationsformen einer unvollständigen und einer vollständigen Wirtschaftsunion beseitigt. Da die EU als Gemeinsamer Binnenmarkt diese Voraussetzung erfiillt, läßt sich durch den Beitritt der ost- und südosteuropäischen Staaten das Wirksamwerden der genannten wohlfahrtsfördernden Integrationseffekte grundsätzlich fiir alle beteiligten Länder erwarten. Für den Fall, daß die beitrittswilligen Länder im Rahmen ihrer jeweils realisierten Wirtschaftsordnung über eine hinreichend funktionierende Marktwirtschaft verfUgen - was, wie im Folgenden noch näher skizziert werden soll, der Fall ist - läßt die Integrationstheorie eine wohlstandssteigernde Wirkung fiir die Beitrittsländer dann erwarten, wenn: 4 •

der entstehende Integrationsraum groß ist,



die Integrationspartner "natürliche" Handelspartner sind, zwischen denen es schon vor der Integration intensive Handelsbeziehungen gibt, weil dann die handelsschaffenden die handelsablenkenden Integrationseffekte dominieren,



signifikante Kostenunterschiede bestehen,



die Produktions - und Außenhandelsstrukturen ähnlich - und damit komplementär - sind, weil dann nämlich der intra - industrielle Handel intensiviert wird,



die Beitrittsländer in der Lage sind, komparative Vorteile auszuspielen und



die Integration den Wettbewerb durch Abbau von Handelsschranken verschärft.

Alle diese Voraussetzungen treffen fiir die filnf in konkreten Beitrittsverhandlungen stehenden Länder cum grano salis zu. 5. Nun wird freilich oftmals vor allem mit zwei Argumenten ein Beitritt der Länder Osteuropas zum Gemeinsamen Markt als derzeit noch ungeeignet abgelehnt: (1) Der gegenwärtige Entwicklungsstand der Wirtschaft in diesen Ländern dokumentiere einen erheblichen Rückstand der Wirtschaft gegenüber den westeuropäischen Mitgliedsländern der EU. Deshalb würden die beitrittswilligen Staaten Osteuropas im Wettbewerb mit den hochproduktiven westlichen Volkswirtschaften keinerlei Überlebenschance haben. Erst nach Erreichen eines Höheren Grades ihrer wirtschaftlichen Entwicklung würden die Länder dann angeblich "beitrittsreif". Um es mit Willgerodt zu formulieren: Hinter solchen Argumenten steht " ... unausgesprochen die Vorstellung im Hintergrund, Volkswirt4 Vgl. Schäfer, Wolf, Osterweiterung der EU, in: Volkswirtschaftliche Korrespondenz der Adolf - Weber - Stiftung, Nr. 5/1998, S. 3.

Zur Frage der Relevanz von Rahmenbedingungen

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schaften seien mit einer Art von Lebewesen zu vergleichen, die sterblich sind, oder mit Unternehmungen, denen ein Konkurs droht."s Es wird von den Skeptikern hinsichtlich der Osterweiterung übersehen, " ... daß es nicht ein einzelnes synthetisches Kriterium geben kann, an das die 'Wettbewerbsfiihigkeif der MOEL-Wirtschaften im umfassenden, von der EU-Kommission intendierten Sinn zu messen wäre: Die Wettbewerbschancen der einzelnen Branchen und Unternehmen auf den internationalen Märkten stellen sich stets höchst unterschiedlich dar und sind nicht nur von der eigenen Produktivität, sondern auch von vielen anderen Faktoren, darunter wesentlich den Wechselkursen, abhängig. Das Entdeckungsverfahren des Wettbewerbs fUhrt in einer spontanen Ordnung der Marktwirtschaft - stets zu Ergebnissen, die sich in aller Regel nicht voraussagen lassen. ,,6 (2) Die osteuropäischen Staaten, deren Wirtschaftsordnungen sich teilweise noch in der Transformation von der Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft befmden, würden durch einen Beitritt zur EU zu Änderungen in ihrer Wirtschaftsordnung und in ihrer Wirtschaftspolitik gezwungen, bei denen es zu inneren Spannungen und krisenhaften Erscheinungen kommen müsse. Dabei geht man allerdings davon aus, daß die genannten Länder bei einem Beitritt sowohl das primäre als auch das sekundäre Recht der EU mit seiner Fülle von juristisch - dirigistischen Regelungen uneingeschränkt übernehmen müssen. "Dazu gehören die drei Gründungsverträge sowie der Vertrag über die Europäische Union mit allen Regeln bezüglich des Binnenmarktes, der geplanten Wirtschafts- und Währungsunion, der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Wettbewerbspolitik, der Verkehrspolitik, der Industriepolitik, der Strukturpolitik und weiterer Bereiche, ferner die zugehörigen Protokolle und Änderungsverträge, schließlich die unzähligen Verordnungen und Richtlinien".7 Aus diesen beiden Argumenten wird dann auch abgeleitet, daß die Integrationsphilosophie der EU einem politökonomischen Spagat gleiche, nämlich der "Vertiefung" einerseits und der "Erweiterung" andererseits. Mit Vertiefung der Gemeinschaftsbeziehungen wird dabei ein Prozeß verstanden, in dem das institutionelle Regelwerk der EU, der sogenannte "aquis communautaire", im Hinblick auf eine engere politische Integration ausgebaut wird, was einen verstärk5 Willgerodt, Hans, Armut als Integrationshindernis? Zum Konflikt zwischen Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, in: Zeitschrift rur Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitische Chronik, hrsg. vom Institut rur Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, 41,1992, S. 95 - 123, hier: S. 96. 6 Lagemann, Bemhard, Die Osterweiterung der EU. Testfall rur die 'Strukturreife' der Beitrittskandidaten, Berichte des Bundesinstituts rur ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, 38/1998, S. 21. 7 Vgl. Eickhof, Norbert, Osterweiterung des Europäischen Union: Ausgangslage, Auswirkungen und Anpassungserfordernisse, in: Werner Zolnhöfer (Hrsg.), Perspektiven der Osterweiterung und Reforrnbedarf der Europäischen Union, Schriften des Vereins rur Socialpolitik, Bd. 255, Berlin 1998, S. 9 - 32, hier: S. 13.

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ten Trend zur Harmonisierung der Gemeinschaftsregeln impliziere. Dem stehe die Strategie der Erweiterung, also der Aufnahme neuer Mitglieder gegenüber, die sich dann eben diesen vertieften innergemeinschaftlichen Club-Regeln unterwerfen müßten. 8 Bevor ich zu diesen Thesen Stellung nehme, sei im Folgenden ein kurzer Abriß über den unterschiedlichen Stand der ökonomischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Ordnungstransformation vorangestellt.

B. 1. Der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung in mehreren der beitrittswilligen Länder Mittel- und Südosteuropas soll durch die folgenden makroökonomischen Indikatoren verdeutlicht werden: Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts, Veränderungsrate der realen Industrieproduktion, Inflationsrate, Arbeitslosenquote und Leistungsbilanzsaldo 9. (1) Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, wird Polen -trotz einer leichten Abnahme im Tempo des Wirtschaftswachstums Ende 1998 die höchste Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts aufweisen. Slowenien und die slowakische Republik werden voraussichtlich das Niveau vor Beginn der Reformen überschreiten, zum ersten Mal seit 1989. Die Wachstumsentwicklung in Südosteuropa bleibt weiterhin hinter der in den mittelosteuropäischen Staaten zurück. Nach erheblichen Einbrüchen in den Jahren 1996 und 1997 scheint jedoch auch die bulgarische Wirtschaft mit positiven Wachstumsraten aufzuwarten. Tabelle I Reales Wirtschaftswachstum in den Reformstaaten

Veränderung in% Bulgarien Tschechien Ungarn Polen Rumänien Slowakei Slowenien

1993 - 1,5 0,6 - 0,6 3,8 1,5 -3,9 2,8

1994 1,8 3,2 2,9 5,2 3,9 5,0 5,3

1995 2,1 6,4 1,5 7,0 7,1 7,3 4,1

1996 - 10,9 3,9 1,3 6,1 4,1 6,6 3,1

1997 - 6,9 1,0 4,4 6,9 - 6,6 6,5 3,0

Prognose 1998 1999 1,0 3,5 1,5 2,5 5,0 5,0 6,0 5,5 3,0 - 1,0 4,0 3,0 4,0 4,0

1989 100 1998 64 99 91 117 82 102 102

=

Quelle: Bank Austria, East - West Report, June 1998, S.26

Vgl. Schäfer, Wolf, a.a.O., S. 4. Vgl. Bank Austria, Eastem Europe: An Overview, in: East - West, Business Infonnation for the Central European Investor, Nr. 2/1998, S. 26 f. 8

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Zur Frage der Relevanz von Rahmenbedingungen

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(2) Die beiden Länder Polen und Ungarn lassen die größten Gewinne im Wachstum der realen Industrieproduktion erwarten (Tabelle 2). Diese positive Entwicklung ist sicherlich auch ein Ergebnis des starken Zuflusses von ausländischen Direktinvestitionen, die 1997 in Polen auf 20,6 Mrd. US - $ und in Ungarn auf 17 Mrd. US - $ geschätzt wurden. Die Produktivität stieg zwischen 1990 und 1997 in Ungarn um 40 v. H., in Polen um 35 v. H. und in Tschechien um4v. H. Tabelle 2 Reale Industrieproduktion

Veränderung in% Bulgarien Tschechien Ungarn Polen Rumänien Slowakei Slowenien

1993 - 10,9 - 5,3 4,0 6,4 1,3 - 3,8 - 2,8

1994 8,5 2,1 9,5 12,1 3,3 4,8 6,4

1995 5,0 8,7 4,6 9,7 9,4 8,3 2,0

1996 0,1 6,4 3,4 8,3 9,9 2,5 1,0

1997 - 10,0 4,5 11,1 10,8 - 5,9 2,7 1,0

Prognose 1998 1999 2,0 4,0 4,0 3,0 12,0 13,0 10,0 10,0 0,0 4,0 2,0 2,0 2,0 2,0

1989 100 1998 51 81 104 124 55 82 75

=

Quelle: Bank Austria, East - West Report, June 1998, S.26

(3) Die Inflationsrate (Tabelle 3) bewegte sich in Ostmitteleuropa generell im Bereich von 10 bis 20 v.H. Den höchsten Wert verzeichnete dabei im Jahre 1997 Ungarn mit 18,3 v.H. Im einstelligen Bereich bewegte sie sich in der Slowakei, aber auch in Slowenien. Die bulgarische Inflationsrate, die 1997 noch über 1000 v.H. ausmachte, wird voraussichtlich 1998 auf rund 55 V.H. abgesunken sein, was sicherlich das Ergebnis des inzwischen dort etablierten Currency-Boards ist. (4) Die Arbeitslosenquote (Tabelle 4) ist in den meisten Ländern beträchtlich hoch, trotz der positiven Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts und es ist zu erwarten, daß sie in 1998 und 1999 in einigen der Länder noch zunehmen wird. (5) Die wirtschaftliche Entwicklung wird in Osteuropa durch relativ hohe Leistungsbilanzdefizite gekennzeichnet (Tabelle 5). Der neusten Statistik der Polnischen Nationalbank zufolge jedoch ist das Leistungsbilanzdefizit des Landes von 2,7 Mrd. US - $ in den ersten sieben Monaten dieses Jahres (1998) geringer ausgefallen, als prognostiziert worden war, es lag um 390 Mio. US - $ unter dem entsprechenden Fehlbetrag des Vorjahres. Der Grund hierfiir ist, daß in den ersten sieben Monaten des Jahres 1998 die Ausfuhr um 20 v. H. zunahm,

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Gemot Gutmann

die Einfuhr jedoch nur um 5 v. H. 10 Daher wird voraussichtlich das Leistungbilanzdefizit fiir 1998 insgesamt - entgegen der Prognose in Tab. 5 - nicht 4,6 v. H. des Bruttosozialprodukts ausmachen, sondern nur 4 v. H. Tabelle 3 Inflation

Veränderung in% Bulgarien Tschechien Ungarn Polen Rumänien Slowakei Slowenien

1992

1993

1994

1995

1996

91,3 11,1 23,0 43,0 210,4 10,0 201,3

72,9 20,8 22,5 35,3 256,1 23,2 32,3

96,2 10,0 18,8 32,2 136,8 13,4 19,8

62,1 9,1 28,2 27,8 32,3 9,9 12,6

123,0 8,8, 23,6 19,9 38,8 5,8 9,7

Prognose 199 1999 8 1.082,2 55,0 20,0 8,5 12,0 9,0 18,3 15,0 11,0 14,9 13,0 10,0 154,8 65,0 25,0 6, I 7,0 7,0 8,0 9,1 8,5 1997

Quelle: Bank Austria, East - West Report, June 1998, S.26

Tabelle 4 Arbeitslosenquoten (Jahresende)

Veränderung in% Bulgarien Tschechien Ungarn Polen Rumänien Slowakei Slowenien

1992

1993

1994

1995

1996

1997

Prognose 1998 1999

15,2 2,6 13,2 13,6 8,2 10,4 13,4

16,4 3,5 13,3 16,4 10,4 14,4 15,4

12,8 3,2 11,4 16,0 10,9 14,8 14,2

11, I 2,9 I 1,1 14,9 9,5 13, I 14,5

12,5 3,5 10,7 13,2 6,3 12,8 14,4

13,7 5,2 10,4 10,5 8,8 12,5 14,8

18,0 6,0 10,0 10,0 11,0 13,0 15,0

17,0 8,5 10,0 9,5 12,0 13,5 15,0

Quelle: Bank Austria, East - West Report, June 1998, S.27

In Estland- um hier auch einen der baltischen Staaten zu berücksichtigen- hat sich die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts von -1,8 V.H. im Jahre 1994 auf inzwischen +4,3 v.H. im Jahre 1997 wesentlich erhöht. Die Inflationsrate ist im gleichen Zeitraum von 41,7 v.H. auf 10 v.H. zurückgegangen, die Arbeitslosenquote bewegte sich in der Größenordnung von 2 v.H. und der Lei10

Vgl. FAZvom 16.9.1998.

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Zur Frage der Relevanz von Rahmenbedingungen

stungsbilanzsaldo in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt hat sich von -7,3 v.H. im Jahre 1994 auf+9,5 v.H. in 1997 beträchtlich verbessert. 11 Tabelle 5 Leistungsbilanzsaiden % des

Schätzung Prognose in Mill. ~S$

1996

1997

446 82 lBulgarien Ifschechien - 4.292 -3.156 - 1.678 - 981 tungarn Polen - 1.352 - 4.281 ~umänien - 3.350 - 2.486 Slowakei - 2.098 - 1.300 Slowenien 39 70

1998

1999

1997

BIP 1998

1999

200 - 2.300 - 1.300 - 6.700 - 2.000 - 1.400 - 100

- 100 - 2.000 - 1.500 -7.700 - 2.300 - 800 - 150

4,4 - 6,1 - 2,2 - 3,2 - 7,1 -6,7 0,4

1,5 - 4,4 - 2,7 -4,6 - 5,0 -6,9 - 0,6

- 0,6 - 3,8 - 3,0 - 5,0 - 5,4 -3,8 - 0,8

Quelle: Bank Austria, East - West Report, June 1998, S.27

2. Richtet man das Augenmerk vor allem auf jene filnf Staaten, mit denen die EU konkrete Beitrittsverhandlungen aufgenommen hat, dann läßt sich zusammenfassend das Folgende konstatieren: (1) Diese Länder haben den wirtschaftlichen Rückgang, der mit dem Systemumbruch zunächst einsetzte, relativ schnell überwunden, sie befinden sich allesamt auf positivem Wachstumskurs, wenngleich natürlich das Niveau der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung pro Kopf noch erheblich hinter dem in den westeuropäischen Staaten zurückbleibt. Das jährliche Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt in US-$ gerechnet beläuft sich in den EU-Mitgliedsstaaten derzeit auf 23 000 $. Slowenien erreicht 40 v. H. dieses Werts, die Tschechische Republik 22 v.H., Ungarn 19 v. H. Polen 15 v. H. und Estland lediglich 13 v. H. Rechnet man jedoch in Kaufkraftparitäten, dann erreicht Slowenien allerdings einen Wert von 60 v.H. und Tschechien einen solchen von 55 v. H. des EUDurchschnitts. 12 (2) In allen diesen filnf Ländern ist ein deutlicher Rückgang der Inflationsraten zu erkennen, auch wenn diese 1997 noch höher waren als in den EUMitgliedsländern, in denen sich der Durchschnittswert der Inflation auf knapp 2 v. H. beläuft. Beeindruckend ist die Rückfilhrung der allgemeinen Preissteigerungsrate vor allem in Estland, wo sie sich 1993 noch auf über 950 v. H. belief. 11 12

Vgl. Donges, Juergen B. et al. (Kronberger Kreis), a.a.O., S. 20. Vgl. ebenda, S. 19.

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Es zahlte sich fUr dieses Land aus, daß es sich ein strenges institutionelles Währungsregime, nämlich einen Currency-Board, verordnet hat und den Kurs der Krone fest an die DM als Stabilitätsanker gebunden hält. (3) Bei der Ordnungstransformation wurde in allen diesen Ländern die frühere versteckte in jetzt offene Arbeitslosigkeit verwandelt. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist zeitraubend und kommt nur langsam voran. In drei Ländern, nämlich in Polen, Slowenien und Ungarn, ist die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit relativ hoch. Wenn im Unterschied dazu in Estland und Tschechien die Quote der registrierten Arbeitslosigkeit selbst im Vergleich zu westeuropäischen Werten als recht niedrig erscheint, sollte dies nicht zu dem falschen Schluß fUhren, die Arbeitsmarktlage sei dort fast ausgeglichen, denn in Estland lassen sich Arbeitsuchende häufig deshalb nicht registrieren, weil die Arbeitslosenunterstützung sehr niedrig ist, und in der Tschechischen Republik hat die Regierung mehrfach den Konkurs von Unternehmen und damit Arbeitslosigkeit verhindert, weil sie Unternehmungen gestützt hat, die eigentlich nicht mehr wettbewerbsfiihig sind. Man darf auch vermuten, daß in allen fiinf Ländern viel Arbeit in der Schattenwirtschaft geleistet wird. Dies gilt freilich -wie hinlänglich bekanntauch fUr westeuropäische Staaten, und zwar nicht nur fUr Griechenland und Italien.

(4) Der Außenhandel der fiinf Länder mit dem Westen ist intensiver geworden. Nicht zuletzt haben westliche Direktinvestitionen zugenommen. Allerdings sind die Leistungsbilanzen -mit Ausnahme Sloweniens- defizitär. Slowenien vermag offenbar als fUr den Ausländertourismus interessantes Land durch Überschüsse in seiner Dienstleistungsbilanz den Negativsaldo der Handelsbilanz auszugleichen. Viele Industrieunternehmen in den MOEL können beim direkten 'Benchmarking' mit westeuropäischen Firmen derzeit nur auf wenigen Gebieten bestehen. "Die Wettbewerbsfahigkeit der Beitrittsländer ist jedoch mit diesen skeptischen Bemerkungen nicht hinreichend beschrieben. Im Außenhandel erzielt nach dem Prinzip der komparativen Vorteile auch eine Volkswirtschaft Wohlfahrtsgewinne, die einer anderen kostenmäßig absolut unterlegen ist, wenn die andere sich auf die Erstellung derjenigen Güter konzentriert, bei welchen der Kostenunterschied am größten ist.,d3 (5) Es sei in diesem Zusammenhang auch daran erinnert, daß die in Rede stehenden Beitrittsländer über eine durchaus gute Ausstattung an Humankapital verfUgen. 3. Auch bei der kurzen Darstellung des unterschiedlichen Standes der Ordnungstransformation anband einiger wichtiger Elemente der Wirtschaftsordnung, nämlich der Form der Planung, der Form des Eigentums, der Form der Preisbildung und der Form der Geldentstehung sowie der Außenwirtschaftsordnung, 13

Lagemann, Bemhard, a.a.O., S. 21.

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beschränke ich mich auf die fiinf Länder, mit denen die EU konkrete Beitrittsverhandlungen fiihrt14. Generell läßt sich filr alle fiinf Länder sagen, daß sich eine konsequente Abkehr von der ehemaligen Ordnung einer Zentralverwaltungswirtschaft vollzogen hat, daß es im Detail jedoch noch Differenzen im Stand der Ordnungstransformation gibt und sicherlich noch keine "mustergültige" Wettbewerbsordnung im Sinne von Walter Eucken oder eine perfekte Soziale Marktwirtschaft im Verständnis von Müller-Armack entstanden ist. Diese Aussage gilt freilich auch rur die westeuropäischen Staaten. So ist im Rahmen der Gemeinsamen Agrar-, Struktur- und Industriepolitik der wettbewerb liehe Markt weitestgehend ausgeschaltet und durch staatliche Interventionen geschützt. Es ist daher mehr als problematisch -um es milde auszudrücken- von den beitrittswilligen Ländern die Etablierung eines Wirtschaftssystems als Beitrittsvoraussetzung zu verlangen, das strengen Maßstäben einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung entspricht. Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Aus der zwingenden Verpflichtung filr die Beitrittsländer, den gesamten aufgeblasenen rechtlichen Überbau - also den aquis cornmunautaire - übernehmen zu müssen, sind sogar Hemmnisse und Blockaden filr die dortige Etablierung einer wirklich marktwirtschaftlichen Ordnung jedenfalls nicht ausgeschlossen. Die Aufgabe der Ordnungstransformation in diesen Ländern war und ist schließlich eine gewaltige und sie mußte ohne historisches Vorbild gemeistert werden. Es ging und geht partiell noch um " ... die Schaffung einer verläßlichen Privatrechtsordnung, die Privatisierung kollektiven Eigentums, die freie Preisbildung auf Wettbewerbsmärkten, die Gewerbefreiheit mit offenem Marktzugang, die Herstellung der Währungskonvertibilität samt außenwirtschaftlicher Öffuung der Märkte sowie eine gute Geldverfassung und eine leistungsfähige Finanzordnung" . 15 (1) Die Transformation der Eigentumsordnung vollzog und vollzieht sich noch im Rahmen einer so bezeichneten "kleinen" und in dem der "großen" Privatisierung. Die "kleine Privatisierung" der Einzelhandelsgeschäfte, der Handwerksbetriebe und der Gaststättenbetriebe ist in den hier in Rede stehenden Ländern im Wesentlichen abgeschlossen. Dies gilt jedoch nicht rur die "große Privatisierung" .

Diese ist freilich in Estland ebenfalls weitgehend zu Ende gegangen, mit vorläufiger Ausnahme von Versorgungsunternehmen und Unternehmen der Infra14 Vgl. im Folgenden: Bulletin der Europäischen Union, Stellungnahmen der Kommission zum Antrag Ungarns, Polens, Estlands, der Tschechischen Republik und Sloweniens auf Beitritt zur Europäischen Union, Beilagen 6/1997, 7/1997, 11/1997, 14/1997 und 15/1997, jeweils Abschnitt zu 'Wirtschaftliche KriterienA, ferner Quidde, Günther, Indikatoren der Systemtransformation. Eine vergleichende Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Privatisierung in 26 Staaten, Studien des Forschungsinstituts rur Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz, Bd. 54, Mainz 1997, S. 90 - 116,128 - 154 und 178 - 191; ferner Donges, Juergen B. et al. (Kronberger Kreis), a.a.O. 15 Donges, Juergen B. et al. (Kronberger Kreis), a.a.O., S.23.

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struktur, und zwar dank eines 1993 erlassenen Privatisierungsgesetzes. Die Arbeit selbst wurde von der estnischen Privatisierungsagentur durchgefUhrt, wobei man sich - entsprechend der gesetzlichen Vorgabe - dreier Verfahren bediente, nämlich eines Tenderverfahrens - bei welchem dem Erwerber zu schaffende Arbeitsplätze oder Investitionsvorhaben und Umweltauflagen zur Bedingung gemacht werden konnten -, des öffentlichen oder des eingeschränkten Verkaufs des Eigentums am Unternehmen - d. h. das Unternehmen wurde der Allgemeinheit oder aber einem eingeschränkten Personenkreis zum Kauf angeboten - sowie des öffentlichen Verkaufs von Anteilen am Unternehmen. Diese Verfahren waren verknüpft mit einer Voucherprivatisierung. 25 v. H. der Kapitalanteile wurden zurückgehalten, um dann später gegen Vouchers verkauft zu werden. Der ganze Privatisierungsvorgang war insofern einzigartig in Osteuropa, als die Ausschreibungen international waren, also ausländische Investoren - vor allem skandinavische und finnische- ungehindert zum Zuge kommen konnten. Anders verlaufen die Dinge in Polen, wo die "große Privatisierung" über Jahre hinaus immer wieder stecken geblieben ist, wegen heftiger innerpolnischer Diskussionen und Streikdrohungen. Die Geschichte der polnischen Privatisierungsversuche hier detailliert darzustellen, muß ich mir versagen. Verschiedene Verfahren wurden vorgesehen, nämlich die Kapitalprivatisierung - d.h. die Veräußerung der Unternehmensanteile im Wege der Versteigerung, der Ausschreibung oder des Direktverkaufs-, die Privatisierung durch Restrukturierung -, bei der das Unternehmen auf Zeit durch externe Manager saniert und die Anteile dann verkauft wurden-, sowie die Massenprivatisierung unter Mitwirkung von 15 Nationalen Investitionsfonds, auf die man 512 Staatsbetriebe nach einem festen Schlüssel übertragen hat, und an denen Anteile vermittels von Vouchers erworben werden können. Als viertes Verfahren gibt es rur kleinere und mittlere Unternehmen die Privatisierung durch Liquidation. Dabei kann entweder ein reguläres Liquidationsverfahren angewendet und anschließend das Unternehmen verkauft werden, oder es wird in eine Joint-Venture-Gesellschaft überfUhrt, oder das Geschäftsvermögen des liquidierten Unternehmens wird an die Belegschaft verpachtet. Das Privatisierungsgesetz von 1995 sieht vor, die noch verbliebenen Staatsbetriebe in Kapitalgesellschaften umzuwandeln, deren Anteile vorläufig vollständig in der Hand des Staates verbleiben. Sie sollen dann an die Beschäftigten und an bestimmte Zuliefergruppen veräußert werden. Trotz dieser verschleppten Privatisierung ist festzustellen, daß die Zahl der privaten Betriebe stark zugenommen hat, so daß der Privatsektor der polnischen Wirtschaft rund 60 v.H. des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Träger der Privatisierung in Tschechien war ursprünglich das Privatisierungsministerium und nach dessen Auflösung Ende 1994 das Finanzministerium. Für die Durchruhrung der Voucherprivatisierung war neben dem Finanzministerium der "Nationaleigentumsfonds" zuständig, auf den das Eigentum der zu privatisierenden Unternehmungen übertragen wurde und dessen Aufgabe darin

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bestand, öffentliche Versteigerungen und Ausschreibungen zu organisieren sowie Verhandlungen mit Investoren über Direktverkäufe zu filhren. Als Privatisierungsmethoden konnten angewendet werden: der Verkauf des Unternehmens oder Teilen davon im Wege des Direktverkaufs, der Ausschreibung oder der Versteigerung, ferner die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit anschließender Privatisierung der Anteile - sei es im Wege des Verkaufs durch Vermittler , wie Banken oder die Börse - oder der Verkauf an die Belegschaft sowie die Abgabe der Aktien gegen Voucher, und schließlich der Transfer des Eigentums an Lokalbehörden, Sozialversicherungen oder Banken. Die Massenprivatisierung vollzog sich in zwei Wellen: 1992 und 1995. Gleichwohl besitzt der Staat noch heute Mehrheitsbeteiligungen oder erhebliche Beteiligungen an vielen Großunternehmen und an den vier größten Banken des Landes. Auch filr Ungarn kann man von einer nicht enden wollenden Reihe von Experimenten der Privatisierung sprechen, was sich schon darin dokumentiert, daß es seit 1989 bis 1995 mehrere gesetzliche Regelungen gegeben hat. Verantwortlich filr die Eigentumstransformation ist der Privatisierungsminister. Ihm stand zunächst eine staatliche Vermögensagentur zur Seite. Zu deren Arbeitsentlastung wurde zusätzlich eine staatliche Vermögensverwaltungs AG gegründet. Nach dem Privatisierungsgesetz von 1995 wurden dann beide Einrichtungen zur "Staatlichen Privatisierungs- und Vermögensverwaltungs AG" verschmolzen. Vor 1995 kam es - neben spontanen Privatisierungen durch Management und Belegschaften - zu Ausschreibungen durch die Vermögensagentur. Seit 1995 gibt es ein "vereinfachtes" oder "beschleunigtes" Verfahren. Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern werden an den Investor mit dem höchsten Gebot verkauft. Das beste Gebot wird nach einer Frist von 30 Tagen ermittelt. Versorgungsunternehmen und Unternehmen von besonderem nationalen Interesse werden nur teilprivatisiert, wobei vorwiegend ausländische Investoren gesucht werden. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, die jedoch keine strategische wirtschaftliche Bedeutung haben, können direkt verkauft, versteigert oder verpachtet werden. Mittelständische Unternehmen lassen sich auch zu Vorzugskonditionen vom Management oder von der Belegschaft erwerben. Inzwischen scheint der Abschluß der großen Privatisierung in Ungarn in die Nähe geruckt zu sein. Der Anteil des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt liegt bei etwa 70 v.H.

Die Besonderheit der Privatisierung in Slowenien ist in dem Umstand zu sehen, daß es sich nicht - wie in den anderen vier Ländern - um Staatsunternehmen handelte, sondern um sozialistische Unternehmungen in Arbeiterselbstverwaltung. Für die Privatisierung zuständig sind - neben den Unternehmen selbst - die "Agentur filr Umstrukturierung und Privatisierung" sowie der "Entwicklungsfonds". Die Unternehmen dürfen selbst ein Programm der Eigentumsumwandlung erarbeiten und dieses dann der Agentur zur Genehmigung vorlegen, die dann innerhalb von 30 Tagen Einspruch erheben kann. Der Entwick-

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lungsfonds fUhrt fiir Unternehmen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, eine Sanierung durch und sucht dann einen Käufer. Es wurde beschlossen, den Arbeitnehmern der Betriebe Anteile an ihrem Betrieb bis zu 20 v. H. kostenlos zu überlassen und bis zu 40 v. H. auf den Fonds zu übertragen. Die restlichen Anteile wurden und werden über Vouchers an die Bevölkerung verteilt. Das Gesetz sieht sieben - auch miteinander kombinierbare - Methoden der Privatisierung vor. Neben der Übertragung der 20 v. H. Anteile an die Belegschaft und der 40 v. H. an den Fonds sind dies: Das ManagementBuy-Out bzw. das Employee-Buy-Out, der Verkauf der Anteile vermittels Ausschreibung, Tenderverfahren oder Versteigerung, die Liquidation des Unternehmens und Übertragung des Verkaufserlöses an einen Fonds, die Eigentumsübertragung durch Kapitalerhöhung und anschließende Übertragung der Anteile an den "Entwicklungsfonds". Problematisch bei der großen Privatisierung in allen mnf Ländern ist die Tatsache, daß das Privatisierungsziel ein mehr oder weniger eingeschränktes war. Über den Bereich des Angebots an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen hinaus wurden meist die als "strategisch" erachteten Bereiche - wie beim Angebot von Infrastruktur- und Finanzdienstleistungen - weiter unter staatlicher Kontrolle gehalten. So wurden in Polen Privatisierungen im Bergbau, in der Energieversorgung sowie bei Banken und Versicherungen von der Zustimmung des Parlaments abhängig gemacht, in Tschechien sollen Post, Eisenbahn und Versorgungsunternehmen dauerhaft in Staatseigentum bleiben. In Ungarn bestehen Ausnahmen von der Privatisierung in den Sektoren Chemie, Pharma, Eisenbahn und Luftverkehr. Hingegen sind in Ungarn Rückschläge bei der Privatisierung im Bankwesen wettgemacht worden und weite Bereiche des Energiesektors und der Versorgungsbetriebe an private Investoren veräußert. Der Anteil privater Unternehmen an der Strom- und Gasversorgung übertrifft inzwischen das in vielen EU-Mitgliedsländern übliche Niveau. In Estland hingegen wurden und werden solche "strategische" Bereiche zunehmend der Privatisierung zugänglich gemacht. (2) Die Märkte fiir Sachgüter und Dienstleistungen der hier betrachteten mnf Länder sind inzwischen von direkten staatlichen Preiseingriffen in großem Umfang befreit. Die Preisbildung wird dort teilweise noch staatlich reguliert, wo staatliche Instanzen öffentliche Dienstleistungen anbieten, wo der Staat an Unternehmen beteiligt ist oder wo seiner Ansicht nach ein öffentliches Interesse an Preisbindungen besteht bzw. wo er Verteilungsziele verfolgt. So gibt es Preiskontrollen und Preisfixierungen bzw. Begrenzungen der Gewinnspannen bei auf natürlichen Monopolen beruhenden Energiepreisen, bei Mieten, bei Transporttarifen sowie Post- und Telefongebühren. 16 In großem Umfang bestehen admini-

16

Vgl. Quidde, Günther, a. a. 0., S. 75 f ..

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strierte Preise bei landwirtschaftlichen Produkten. Solche Preisregulierungen belaufen sich in Polen auf 23 v. H. der Preise, die zur Berechnung des Verbraucherindex herangezogen werden, in Estland auf 25 v. H. und in Slowenien auf 26 v. H. dieser Preise. Mit all diesem dürften sich die fiinf beitrittswilligen Länder kaum signifikant von den Preisbildungsmodalitäten in den bisherigen EUMitgliedsländern unterscheiden. Unterschiede zwischen den fiinf Ländern untereinander bestehen jedoch hinsichtlich des Markteintritts und des Marktaustritts. Während es in Polen und Ungarn ein hohes Maß an Gewerbefreiheit und daher nur geringrugige bürokratische Hemmnisse fiir den Markteintritt gibt, wird dieser in Tschechien bei vielen Gewerbezweigen durch Befiihigungs-, Sachkunde- und Zuverlässigkeitsnachweise erschwert. Ansonsten beobachtet man überall Regulierungen, wie sie auch in den westlichen Industrieländern anzutreffen sind. Den Marktaustritt regeln in allen fiinf Ländern Insolvenzgesetze. Jedoch ist deren praktische Handhabung unterschiedlich. So gibt es in Tschechien Schutzfristen und Reorganisationsoptionen, die einer schnellen Konkursabwicklung im Wege stehen, in Slowenien wird das Insolvenzrecht offenbar nur bei neu gegründeten Unternehmen angewendet, nicht jedoch bei den alten arbeiterselbstverwalteten Betrieben, und in Estland, Polen und Ungarn hängt es vom Willen der Gläubiger ab, ob ein Konkursverfahren durchgeruhrt oder eine Sanierung versucht wird. Auch betreiben die hier behandelten runf Länder Wettbewerbspolitik. Die jeweilige Wettbewerbsbehörde ist jedoch nicht politisch unabhängig 17 . Das polnische Amt fiir Wettbewerb und Verbraucherschutz ist als zentrale staatliche Behörde dem Ministerrat unterstellt, der selbst wettbewerbspolitische Entscheidungen treffen kann; in Slowenien ist die Wettbewerbsbehörde dem Ministerium fiir wirtschaftliche Beziehungen zugeordnet; in der Tschechischen Republik wird Wettbewerbspolitik durch ein Ministerium betrieben. Lediglich in Ungarn hat das Amt rur Wettbewerb einen unabhängigen Status, es ist nur dem Wettbewerbsgesetz verpflichtet. (3) Die bestehende Ordnung des Geldwesens läßt sich an der Stellung der Banken und den Aufgaben der Zentralbank ablesen. Hierbei gilt rur Estland, daß die Zentralbank zwar von Weisungen der Regierung unabhängig ist, jedoch deshalb kaum eigenständige Geldpolitik betreiben kann, weil die Entwicklung der Geldmenge im Rahmen eines Currency-Boards von den Devisenzuflüssen bestimmt ist, wobei die Währung in eine feste Relation zur DM gesetzt wird. In Polen sind unter der Aufsicht der praktisch unabhängigen Notenbank zahlreiche Geschäftsbanken einschließlich staatlicher und ausländischer Banken tätig. Geringe Einschränkungen der Zentralbank sind auch rur Tschechien festzustellen. Die Tschechische Nationalbank ist per Gesetz und Verfassung unabhängig, sie

17

Vgl. Donges, Juergen B. et al., (Kronberger Kreis), a.a.O. S. 30.

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muß jedoch dem Parlament gegenüber Rechenschaft über ihre Aktivität ablegen. Seit 1993 wurde das geldpolitische Instrumentarium - Offen-Markt-Politik, Mindestreservepolitik, Diskont- und Lombardpolitik - schrittweise aufgebaut. Alle Geschäftsbanken in Ungarn erfilllen inzwischen die internationalen Standards hinsichtlich einer Mindestkapitalausstattung, jedoch ist der Bankensektor relativ hoch konzentriert, der Wettbewerb also wenig ausgeprägt. Die Tätigkeit der Banken wird durch die Politik der unabhängigen Nationalbank gesteuert. Auch in Slowenien entspricht die Eigenkapitalausstattung der beiden großen in Staatseigentum befmdlichen und der vielen kleinen Banken internationalen Standards. Die Bank von Slowenien ist als unabhängige Zentralbank zuständig fiir die Geld- und Wechselkurspolitik. Sie steuert die Geldmenge durch OffenMarkt-Operationen, Mindestreservepolitik und Refinanzierungspolitik und sie hat sich relativ erfolgreich um Stabilität des Preisniveaus bemüht. Ihre Aufgabe wird jedoch dadurch erschwert, daß es insbesondere filr Zinssätze und Lohnsätze eine Indexbindung gibt. (4) Gestatten Sie mir noch wenige Bemerkungen zur Ordnung des Außenwirtschaftsverkehrs. In allen filnf Ländern ist die Konvertibilität der Währung fiir den Güterverkehr hergestellt. Dies gilt freilich nicht uneingeschränkt rur den Kapitalverkehr. Zwar gibt es in Estland auch hier die volle Konvertibilität und die anderen Länder haben sie auch fiir Devisenausländer eingefiihrt, um so Kapitaltransaktionen im Rahmen von Direktinvestitionen zu begünstigen. Jedoch gibt es Beschränkungen bei Portfolioinvestitionen, insoweit also auch das Risiko der "Kapitalfalle" fiir Ausländer. Hinter diesen Beschränkungen der Konvertibilität steht wohl immer noch die Sorge, es könnte zu einer Kapitalflucht ins Ausland kommen. Was die Wechselkurse angeht, so hat man sich in keinem der runf Länder zu einer völligen Freigabe der Wechselkurse durchringen können. Im Rahmen des Currency-Boards garantiert die Zentralbank in Estland den Umtausch von Krone-Banknoten und von Einlagen in DM und umgekehrt im Verhältnis von 8 Kronen fiir eine DM. Daneben werden Transaktionen in 13 weiteren ausländischen Devisen gestützt. Der Wechselkurs des polnischen Zloty ist an einen Währungskorb gekoppelt und darf innerhalb einer Bandbreite von +/- 7 v.H. um den Leitkurs schwanken. Der Leitkurs wird monatlich um 1 v.H. herabgesetzt. Man hat es also mit dem Verfahren eines "crawling peg" zu tun. Auch die Tschechische Krone war an einen Währungskorb gebunden und durfte in einer Bandbreite von +/-7 v.H. um den Leitkurs schwanken. Seit Mai 1997 wurde jedoch die Bandbreite abgeschafft, die Krone kann frei floaten. Die Zentralbank Ungarns verfolgt ebenfalls eine Wechselkurspolitik des "crawling peg", also einer gleitenden Abwertung des Forint in kleinen Schritten. Die slowenische Zentralbank versucht, über Devisenmarktinterventionen den Wechselkurs zu stabilisieren.

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Die Liberalisierung des Außenhandels ist in den fiinf Ländern unterschiedlich weit gediehen. Zölle und nichttarifiire Handelshemmnisse sind zwar vielfiiltig abgebaut worden, jedoch werden - vor allem in Polen und Ungarn - bestimmte Wirtschaftszweige - wie vor allem die Landwirtschaft, aber auch andere Märkte - durch Zölle, Einfuhrkontingente und Lizenzen gegenüber der ausländischen Konkurrenz geschützt. (5) Faßt man zusammen, so läßt sich sagen: Die Eigentumsrechte werden garantiert, die Preise wurden weitgehend liberalisiert, die Freiheit der unternehmerischen Betätigung ist sichergestellt, die Koordination der Aktivitäten der einzelnen Wirtschaftssubjekte erfolgt über die Märkte und es gibt ein funktionierendes Geldwesen. Staatliche Instanzen sind nicht gesonnen, die wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen durch Befehl zu regeln. "Vergleicht man im übrigen die Rolle des Staates in der Wirtschaft der Beitrittsländer mit seiner Rolle in mehr als 120 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, die im internationalen Sprachgebrauch seit Jahrzehnten als 'market economies' behandelt werden, so relativieren sich die derzeit in den Beitrittsländern anzutreffenden 'Rückzugsprobleme'des Staates aus der Wirtschaft stark; die Beitrittsländer erscheinen aus dieser Perspektive eher als 'lupenreine' Marktwirtschaften.,,18

c. 1. Sind nun diese feststellbaren und hier skizzierten Entwicklungsrückstände osteuropäischer im Vergleich zu westeuropäischen Ländern und die konstatierten Unvollständigkeiten in der Gestaltung ihrer Wirtschaftsordnung - die sich freilich nicht so fundamental von den ebenfalls mit erheblichen Defiziten behafteten Wirtschaftsordnungen Westeuropas unterscheiden, wie man gelegentlich versucht, den Anschein zu erwecken - unter ordnungspolitischer Sichtweise eine zwingende Ursache dafilr, daß zwischen der Vertiefung und der Erweiterung der EU-Integration ein nicht auflösbares Spannungsverhältnis bestehen muß, was es dann notwendig macht, den Prozeß der Erweiterung zugunsten einer Vertiefung auf die lange Bank zu schieben?

Um die Antwort schon jetzt zu geben: hätte sich die bisherige EU-Integration in einem ordnungspolitisch einwandfreien Rahmen vollzogen, dann gäbe es keinen Grund, andere beitrittswillige Länder zumindest auf Zeit vor der Tür stehen zu lassen. Nur der Umstand, daß sich der tatsächlich bisher vollziehende westeuropäische Integrationsprozeß weit ab von ordnungskonformen Abläufen abspielte und abspielt, bringt die Schwierigkeiten mit der Erweiterung mit sich. Theoretisch läßt sich leicht zeigen, daß es keinen Gegensatz zwischen Vertiefung und Erweiterung der europäischen ökonomischen Integration zu geben 18

Lagemann, Bemhard, a.a.O., S. 11.

3 Paraskewopoulos

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brauchte, wenn nicht der inzwischen tatsächlich erreichte Grad an Vertiefung zwischen den 15 EU-Mitglieds ländern weit jenseits von einem unter ordnungspolitischem Gesichtspunkt optimalen Vertiefungsgrad liegen würde und die EUMitgliedsstaaten politisch die Kraft aufbringen würden, zumindest einige kräftige Schritte zurück auf dieses Optimum hin zu gehen. Was dies derzeit allerdings mehr als schwierig macht, ist der Umstand, daß unter Vertiefung der westeuropäischen Integration schon seit längerer Zeit eine Intensivierung der Politikintegration verstanden 19 und dabei ganz offensichtlich die Interdependenz der Teilordnungen weitgehend ignoriert wird. Gäbe es - was derzeit allerdings ziemlich unrealistisch anmutet - einen Wandel in der Sichtweise von dieser politischen EU-Integration zu einer Marktintegration, dann bestUnde kein fundamentaler Gegensatz mehr zwischen den beiden Integrationsebenen der Vertiefung und der Erweiterung. 2. Unter ökonomischem Aspekt ist unter einer Vertiefung der Integration zwischen den Mitgliedsländern einer Gemeinschaft wie der EU vor allem die konsequente Herbeifiihrung der bekannten vier Freiheiten zu verstehen, nämlich der grenzüberschreitenden Freiheit des Warenverkehrs, der Freiheit im Handel mit Dienstleistungen, der Freizügigkeit der Arbeitskräfte sowie des freien Kapitalverkehrs. Die ordnungspolitischen Hauptinstrumente, mit deren Hilfe diese Freiheiten bewirkt und deren wohlstandsmehrende Wirkungen aktiviert werden können, sind die kompromißlose Implementierung des "Ursprungslandprinzips" im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr sowie des "Subsidiaritätsprinzips" im Verhältnis der nationalen zur supranationalen Wirtschaftspolitik20 • Nach dem Ursprungslandprinzip kommen in den transnationalen Wirtschaftsbeziehungen immer die Regeln jenes Regulierungssystems zur Anwendung, die in dem Land gelten, in welchem die Produktion der international gehandelten Güter erfolgt. Im Gegensatz hierzu steht das "Bestimmungs-landprinzip", bei dem die Regelungen zum Tragen kommen, die in jenem Land gelten, in weichem die Güter letztlich verwendet werden sollen. Kommunikationstheoretisch betrachtet, schafft das Ursprungslandprinzip einen Kommunikationskanal zwischen den Anbietern der Güter eines Landes A und den ausländischen Verbrauchern in einem Land B. 21 Über diesen Kanal wirken die ausländischen Kunden 19 Vgl. Schü11er, Alfred, Zur Osterweiterung der EG: Motive, Methoden, Hindernisse, Bedingungen, in: RolfH. Hasse; JosefMolsberger; Christian Watrin (Hrsg.), Ordnung in Freiheit. Festgabe filr Hans Willgerodt zum 70. Geburtstag, Stuttgart, Jena, New York 1994, S. 306-330, hier: S. 312. 20 Vgl. Stehn, JOrgen, Deepening and Widening of the EU: a contradiction? , in: Michael Fritsch; Hendrik Handen (Hrsg.), Rules of Competition and East - West Integration, Boston, Dordrecht, London 1997, S. 39 - 52. 21 Vgl. Schittek, Carsten, Die Dynamik der Ordnungsstrukturen im Verlauf der europäischen Integration bis zum Vertrag von Maastricht, noch nicht veröff. Manuskript einer Dissertationsschrift, Köln 1998, S. 307.

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direkt auf den Regulierungsprozeß im Herkunftsland der von ihnen gewählten Güter ein, sie nehmen also Einfluß auf die institutionelle Ausgestaltung im Exportland. Das Ursprungslandprinzip ist daher von großer Bedeutung rur den zwischenstaatlichen Wettbewerb der Institutionen, also rur den Wettbewerb um die zweckmäßigsten Ordnungsformen, und daher rur die Angleichung der Ordnungsstrukturen in den beteiligten Ländern. Durch diesen Kommunikationskanal erhalten nationalstaatliche Regulierungen gemeinschaftsweite Wirkung, denn auf dem nationalen Markt sind dann Güter vorhanden, die ein anderes als das eigene Regulierungssystem in sich inkorporieren und die mit den im eigenen Land unter den heimischen Regulierungen hergestellten Gütern konkurrieren. Dadurch wird die Konsumentenfreiheit wesentlich erhöht.

Am Beispiel der Umsatzsteuer wird dies gelegentlich modelltheoretisch und exemplarisch verdeutlicht. Unter Geltung des Ursprungslandprinzips werden die vom Land A in das Land B exportierten Güter mit jenem Steuersatz belegt, der im Ursprungsland A selbst gilt. Die Einfuhr dieser Güter in das Partnerland Bist dann dort steuerfrei. Dies fUhrt zu einem Wettbewerb zwischen den Ordnungen der öffentlichen Finanzen in den beiden Ländern. Bei intra-industriellem Außenhandel erfahren nämlich die Exporteure des Landes A dann eine Verschlechterung ihrer Wettbewerbsposition im In- und Ausland, wenn der Steuersatz in A höher ist als in B. Dieser Wettbewerbsnachteil der eigenen Produzenten, der mit Umsatzeinbußen verbunden ist, muß die Steuerpolitik im Lande A deshalb beeinflussen, weil dieses Land infolge der Umsatzeinbußen der eigenen Produzenten Steuereinnahmen verliert. Man kann daher erwarten, daß das Hochsteuerland mit der Zeit den Steuersatz reduziert - oder aber diese Art der Besteuerung ganz aufgibt und durch eine ganz andere substituiert - ,um weiteren Einnahmeverlusten vorzubeugen, wogegen das Niedrigsteuerland B möglicherweise den Steuersatz anhebt, um so seine Staatseinnahmen zu erhöhen. Hat sich das Land A mit Erfolg dazu entschlossen, die bisherige Art der Besteuerung durch eine andere zu ersetzen und so den eigenen Exporteuren Vorteile gegenüber den Anbietern im Lande B verschafft, dann wird es nicht lange dauern, bis auch das Land B seinerseits eine Änderung seines Steuersystems vornimmt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß neuerdings das - allerdings nicht mit den nötigen Kompetenzen ausgestattete - Europäische Parlament von der EU-Kommission verlangt, bei der Annäherung der unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze vom Bestimmungslandprinzip auf das Ursprungslandprinzip überzugehen?2 Eine konsequente Anwendung des Ursprungslandprinzips im zwischenstaatlichen Handel der EU-Länder würde also bedeuten, daß alle Sachgüter und Dienstleistungen gemäß den im jeweiligen Land geltenden Normen, Standards und sonstigen Regulierungen produziert und frei innerhalb der Gemeinschaft 22

Vgl. FAZvom 17. 9. 1998.

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gehandelt würden. Der so entstehende Standortwettbewerb würde zu einer durch die Märkte und damit durch die Allgemeinheit bewirkte Harmonisierung institutioneller Regeln fUhren. Diese Harmonisierung wäre dann nicht mehr das Ergebnis eines ständigen politischen Kuhhandels und der von Interessengruppen gestützten Verhandlungstaktik nationaler Politikvertreter auf allen möglichen kleinen oder großen Gipfeltreffen. Auf einem solchen Weg würde " ... das Entdekkungsverfahren Wettbewerb auch auf den Bereich der Institutionen ausgedehnt, womit neben dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung letztendlich die freiwillige Übernahme von erwiesenermaßen vorteilhaften Regeln anstelle der zwingenden Übernahme vorab vereinheitlichter oder harmonisierter Regeln im Rahmen eines aquis communautaire erreicht werden kann. Das Problem ... einer eventuellen Überforderung einzelner Reformländer durch die zwingende Übernahme eines umfangreichen Regelpakets würde sich verflüchtigen, da die Übernahme nur weniger, im institutionellen Wettbewerb bewährter und an den Bedürfnissen der Reformländer ausgerichteter Regeln auf freiwilliger Basis erfolgen würde". 23 3. Diese Vertiefung der Integration geht natürlich Hand in Hand mit einer unverzichtbaren Übertragung bestimmter wirtschaftspolitischer Kompetenzen von den national staatlichen Trägem von Wirtschaftspolitik auf supranationale Träger der Gemeinschaft einher. Wenn dabei strikt nach dem Subsidiaritätsprinzip vorgegangen wird, dann läßt es sich verhindern, daß es zu einer Vernachlässigung individueller Präferenzen kommt. Werden nämlich alle durch Wirtschaftspolitik bewirkten öffentlichen Güter von einer Zentral instanz der Gemeinschaft angeboten, dann reflektiert der Umfang dieses Angebots einen Komprorniß zwischen den unterschiedlichen Wünschen der verschiedenen Verbrauchergruppen24 . Es kommt dann dazu, daß die eine Gruppe zwangsweise mehr von diesen öffentlichen Güter konsumieren muß als es ihren Präferenzen entspricht, andere Gruppen hingegen leiden an einem zu geringen Angebot solcher Güter. Die Übertragung wirtschaftspolitischer Kompetenz an supranationale Behörden sollte daher - ordnungspolitisch gesehen - nur dann erfolgen, wenn dadurch die infolge der Zentralisierung bewirkten Wohlstandseinbußen überkompensiert werden können, was freilich ein Meßproblem mit sich bringt. Dies dürfte sicherlich fiir jene Bereiche der Wirtschaftspolitik zutreffen, durch die die Offenheit der Märkte gewährleistet wird, also etwa die Wettbewerbspolitik, ferner fiir bestimmte Be23 Achten, Peter, Die Osterweiterung der Europaischen Union. Beitritts- und Erweiterungshindernisse im Spiegel ökonomischer Kritik, Bergisch Gladbach, Köln 1996, S. 86 f. 24 Vgl. Klodt, Henning; Stehn, JUrgen; Laaser, Claus - Friedrich; Maurer, Rainer; Neu, Axel D.; Saltwedel, RUdiger, Die Strukturpolitik der EG: Kieler Studien, B. 249; Tubingen 1987; ferner Stehn, JUrgen; Theorie des fiskalischen Förderalismus: Ein Referenzmaßstab zur Beurteilung der BeschlUsse von Maastricht, In: Horst Siebert (Hrsg.), Die zweifache Integration: Deutschland und Europa. Workshop zur Strukturberichterstattung, TUbingen 1993; ferner Laaser, Claus-Friedrich; Stehn, JUregen, Marktwirtschaft und Subsidiaritat: Die föderative Arbeitsteilung auf dem PrUfstand, in: Zeitschrift rur Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitische Chronik, a.a.O.; 45,1996, S. 58-91.

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reiche der Umweltpolitik und filr die Politik zur Förderung der Grundlagenwissenschaft, deren Ergebnisse ja nicht oder kaum durch Patente geschützt werden können. Jede Integrationsvertiefung, die durch strenge Anwendung von Ursprungsregeln und Subsidiaritätsprinzip bewirkt wird, stünde daher in völligem Einklang mit einer Erweiterung der Ländergemeinschaft. Die gegenseitige Öffnung der Märkte und die Verwirklichung der vier Freiheiten im Verhältnis der bisherigen EU-Mitgliedsländer zu den osteuropäischen Staaten, also die Osterweiterung der EU - wenn sie unter strikter Beachtung der beiden Prinzipien erfolgte - würde gleichzeitig die Arbeitsteilung vertiefen mit der Folge eines wachsenden Einkommenspotentials innerhalb der erweiterten Union. 4. Allerdings ist die Wirklichkeit eine andere, sie entspricht keineswegs diesem ordnungspolitisch gesehen optimalen Grad an Vertiefung. Zum einen werden die vier Freiheiten durch die EU-Agrarmarktpolitik sowie durch die bürokratisch-politisch herbeigefiihrte "Harmonisierung" von Normen, Standards und sonstigen Regulierungen begrenzt. Zum anderen hat die EU wirtschaftspolitische Kompetenzen vielfiiltiger Art übernommen, sowohl im Rahmen der Regional-, Kohäsions-, der Forschungs- und der Industriepolitik, was alles mit der strikten Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nicht in Einklang steht. Und erst dadurch entstehen die wirklichen Probleme mit der Osterweiterung. Erst der Umstand, daß der tatsächlich erreichte Grad an Vertiefung weit neben dem ordnungspolitisch optimalen liegt, läßt eine Vollmitgliedschaft der osteuropäischen Staaten, deren wirtschaftliche Entwicklung den westeuropäischen Ländern hinterherhinkt und deren Wirtschaftsordnungen sich zumindest partiell noch im Transformationsprozeß befmden, zum Problem werden. Erst dadurch wird die Aussage richtig, das kurzfristig nicht zu beseitigende Gefiille zwischen EU und den MOEL zeigte die bestehende Gefahr auf, daß Vertiefung und Erweiterung, wenn sie als gleichzeitige und gleichwertige Strategien verfolgt werden, den EUIntegrationsprozeß eher zu sprengen als zu befördern drohen?S Weil und daß dies aber so ist, muß ordnungstheoretisch zu dem Schluß ruhren, daß nicht etwa die beitrittswillligen Länder Osteuropas, sondern daß vor allem die Mitgliedsstaaten der EU und die Union selbst eigentlich nicht "beitrittsreif" sind. 26 Dies zwingt denn auch die EU selbst, sich im Hinblick auf die Osterweiterung "beitrittsreif' zu machen, zumindest in zweierlei Hinsicht: Zum einen gilt es, institutionelle Reformen in der EU durchzuruhren, welche die Arbeitsfahigkeit ihrer Organe sichern und rur einen Machtausgleich zwischen den großen und den kleinen Ländern sorgen. Dies gilt rur die Kommission 25

Vgl. Schäfer, Wolf, a.a.O., S. 2.

Vgl. auch Cassel, Dieter, Anpassungsbedarf der Europäischen Union bei der Osterweiterung, in: Beihefte der Konjunkturpolitik, Beiheft 44, Maastricht II - Entwicklungschancen und Risiken der EU: Erweiterung, Vertiefung oder Stagnation?, Berlin 1996, S. 157 - 167, hier: S. 162 ff. 26

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ebenso wie fiir den Rat und das Europäische Parlament. Diesbezüglich ist jedoch bisher noch nichts Substantielles geschehen, sieht man von diplomatisch verklausulierten Floskeln ab. Hinsichtlich der Kommission gibt es eine Absichtserklärung dahingehend, das Gremium dadurch zu verkleinern, daß jeder Mitgliedsstaat nur noch ein Kommissionsmitglied stellen soll. Auf eine konkrete Reform der Stimmengewichtung des Rats hat man sich ebenfalls auf der Regierungskonferenz von Amsterdam im Juni 1997 nicht verständigen können. Die Stichworte sind hier: "Neuwägung" der Stimmen großer und kleiner Länder, "doppelte Mehrheit" sowie "Sperrminiorität". Die Lösung solcher institutioneller Probleme wird aber immer dringlicher, je weiter die Beitrittsverhandlungen mit den osteuropäischen Ländern vorankommen. Es gilt aber nicht nur das institutionelle Gefiige der EU - also ihre innere politische Ordnung - umzugestalten, sondern es ist auch eine Reform der Ausgabenprogramme der EU unvermeidlich. Dies betrifft zum einen die Aufgaben im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, aber auch jene im Rahmen der Struktur- und Kohäsionspolitik, also die Ausgaben aus dem Europäischen Fonds filr regionale Entwicklung, aus dem Europäischen Sozialfonds, aus der Abteilung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds filr die Landwirtschaft, aus dem Finanzinstrument fiir die Ausrichtung der Fischerei und die Ausrichtung der Tätigkeit dieser Fonds auf die bisher sogenannten Ziele 1 bis 6 sowie fiir jene aus dem durch den Maastricht-Vertrag eingerichteten Köhäsionsfonds, aus dem Projekte des Umweltschutzes und der Verkehrs infrastruktur gefOrdert werden sollen, soweit sie grenzüberschreitender Natur sind. Eine Revision der Strukturpolitik wäre allerdings auch ohne die Osterweiterung höchst sinnvoll, weil bisher nicht erkennbar ist, daß die Mittelumverteilung durch die genannten Fonds die angestrebte nachhaltige Verbesserung der ökonomischen Bedingungen in den Problernregionen der EU tatsächlich bewirkt. Je schneller und tiefgreifender die EU an die Lösung dieser Probleme herangeht und den überbordenden "aquis communautaire" massiv entrümpelt, um so schneller wird sie beitrittsreif fiir eine um die osteuropäischen Länder erweiterte Wirtschaftsunion. Literatur Achten, Peter, Die Osterweiterung der Europäischen Union. Beitritts- und Erweiterungshindernisse im Spiegel ökonomischer Kritik, Bergisch Gladbach, Köln 1996. Bank Austria, Eastern Europe: An Overview, in: East - West, Business Information for the Central European Investor, Nr. 2/1998.

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Bulletin der Europäischen Union, Stellungnahmen der Kommission zum Antrag Ungarns, Polens, Estlands, der Tschechischen Republik und Sloweniens auf Beitritt zur Europäischen Union, Beilagen 611997, 7/1997, 111997, 14/1997 und 15/1997. Cassel, Dieter, Anpassungsbedarf der Europäischen Union bei der Osterweiterung, in: Beihefte der Konjunkturpolitik, Beiheft 44, Maastricht 11 Entwicklungschancen und Risiken der EU: Erweiterung, Vertiefung oder Stagnation?, Berlin 1996, S. 157 - 167. Cichy, Ulrich, EU - Osterweiterung: Chancen, Risiken, Konvergenzkriterien, in: Wirtschaftsdienst 19951XII, S. 662 - 668. Donges, JÜTgen B.; Eekhoff, Johann; Möschesl, Wernhard; Neumann, Manfred J.M.; Sievert, Olav (Kronberger Kreis), Osterweiterung der Europäischen Union. Als Chance zur Refonn begreifen, hrsg. vom Frankfurter Institut. Stiftung Marktwirtschaft und Politik, Frankfurt 1998. Eickhof, Norbert, Osterweiterung des Europäischen Union: Ausgangslage, Auswirkungen und Anpassungserfordernisse, in: Werner Zolnhöfer (Hrsg.), Perspektiven der Osterweiterung und Re-fonnbedarf der Europäischen Union, Schriften des Vereins ftir Socialpolitik, Bd. 255, Berlin 1998, S. 9 - 32, hier: S.13. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.9.1998. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.9.1998. Klodt, Henning; Stehn, JÜTgen; Laaser, Claus-Friedrich; Maurer, Rainer; Neu, Axel D.; Soltwedel, Rüdiger, Die Strukturpolitik der EG: Kieler Studien, B. 249; Tübingen 1987. Laaser, Claus-Friedrich; Stehn, Jürgen, Marktwirtschaft und Subsidiarität: Die föderative Arbeitsteilung auf dem Prüfstand, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitische Chronik, hrsg. vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, 45, 1996, S. 58-91 . Lagemann, Bernhard, Die Osterweiterung der EU. Testfall für die 'Strukturreife' der Beitrittskandidaten, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, 3811998, S. 21. Quidde, Günther, Indikatoren der Systemtransfonnation . Eine vergleichende Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Privatisierung in 26 Staaten, Studien des Forschungsinstituts ftir Wirtschaftspolitik an der Universiät Mainz, Bd. 54, Mainz 1997. Schäfer, Wolf, Osterweiterung der EU, in: Volkswirtschaftliche Korrespondenz der Adolf-Weber-Stiftung, Nr. 5/1998.

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Schittek, Carsten, Die Dynamik der Ordnungsstrukturen im Verlauf der europäischen Integration bis zum Vertrag von Maastricht, noch nicht veröff. Manuskript einer Dissertationsschrift, Köln 1998. Schüller, Alfred, Zur Osterweiterung der EG: Motive, Methoden, Hindernisse, Bedingungen, in: Rolf H. Hasse; Josef Molsberger; Christian Watrin (Hrsg.), Ordnung in Freiheit. Festgabe fUr Hans Willgerodt zum 70. Geburtstag, Stuttgart, Jena, New York 1994, S. 306 - 330. Seidel, Martin, Reform der institutionellen Strukturen der Europäischen Union als Vorbedingung einer Osterweiterung, in: List Forum tUr Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 21, Düsseldorf 1995, S. 22 - 35. Stehn, Jürgen, Theorie des fiskalischen Föderalismus: Ein Referenzmaßstab zur Beurteilung der Beschlüsse von Maastricht, In: Horst Siebert (Hrsg.), Die zweifache Integration: Deutschland und Europa. Workshop zur Strukturberichterstattung, Tübingen 1993. Stehn, Jürgen, Deepening and Widening ofthe EU: a contradiction? , in: Michael Fritsch; Hendrik Handen (Hrsg.), Rules of Competition and East - West Integration, Boston, Dordrecht, London 1997, S. 39 - 52. Willgerodt, Hans, Armut als Integrationshindernis? Zum Konflikt zwischen Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, in: Zeitschrift rur Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitische Chronik, hrsg. vom Institut tUr Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, 41,1992, S. 95 - 123.

Helmut Leipold OFFENE ORDNUNGSPROBLEME EINER OSTERWEITERUNG DER EU A. Weshalb ist die Osterweiterung als große Herausforderung zu begreifen? Die Frage, ob die Vertiefung der europäischen Integration oder aber die Erweiterung um zusätzliche Mitglieder Vorrang haben soll, ist so alt wie die europäische Gemeinschaft (vgl. Wesseis 1991; Schauer 1993, S. 102 fI). Diese Frage stellte sich bei allen Erweiterungen der ursprünglichen Sechsergemeinschaft, also 1973 beim Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands, in den 80er Jahren beim Beitritt Griechenlands, Spaniens und Portugals und in den 90er Jahren bei der Aufuahme von Finnland, Schweden und Österreich. Der schrittweise Ausbau hin zur Fünfzehnergemeinschaft hat die Vertiefung der europäischen Integration nicht behindert. Vielmehr wurden seit Mitte der 80er und Anfang der 90er Jahre mehr und mehr nationale Politikzuständigkeiten auf die Gemeinschaft und deren Organe übertragen. Erwähnt seien einmal die durch das Weißbuch der EG-Kommission zur Verwirklichung des Binnenmarktes von 1985 und die 1986 verabschiedete Einheitliche Europäische Akte initiierten Vertiefungsschritte. Sie brachten zusätzliche Zuständigkeiten der Gemeinschaftsorgane in der Regional-, Kohäsions-, Forschungs- und Technologie- sowie der Sozialpolitik und begünstigten den verstärkten Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zur qualifizierten Mehrheitsregel rur die Entscheidungen des Rats. Erwähnt sei zum anderen der 1992 in Maastricht geschlossene Vertrag über die Europäische Union, der eine "neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas" intendierte. Dessen Kern bildeten die Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion, der Ausbau der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen in den Bereichen der Industrie-, Berufsbildungs-, Sozial-, Strukturund Regionalpolitik sowie beim Aufbau transeuropäischer Netze (vgl. Leipold 1994b, S. 40 ff.). Die Tatsache, daß diese Ziele einer vertieften Integration weitgehend realisiert wurden, spricht fiir die Annahme, daß Vertiefung und Erweiterung der EU kompatible Vorhaben sind. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, daß die Beitrittsländer - mit Abstrichen bezüglich der südeuropäischen Länder - eine verläßliche demokratische und entwickelte marktwirtschaftliche Ordnung aufwiesen, die sie zu Nettozahlern qualifizierten. Zudem wurde der Konsens der einkommensschwächeren Länder zur vertieften Integration durch massive Finanztransfers beilirdert. Die nunmehr anstehende Osterweiterung der

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EU weist vergleichsweise zu den früheren Erweiterungen andere und vor allem problematische Dimensionen auf. Das beginnt mit der quantitativen Dimension. Nach dem Stand der Dinge streben mindestens 10 mittel- und osteuropäische Länder (MOEL) den Beitritt an. Gemäß den Beschlüssen auf dem Luxemburger Gipfel hat die EU im März 1998 konkrete Beitrittsverhandlungen mit sechs Ländern aufgenommen. Dazu gehören Estland, Polen, die Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien und der Sonderfall Zypern, der hier ausgeklammert werden soll. Zugleich ist das Beitrittsverfahren mit Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei eingeleitet worden. Alle diese Länder streben die Rückkehr in die europäische (lateinische) Kultur und die Einbindung in die militärische Bündnisstruktur, insbesondere in die NATO, an. Daraus ergibt sich eine besondere sicherheitspolitische Dimension. Denn auch die EU sollte ein Interesse an der politischen Stabilisierung der Ostgrenze haben, weshalb die Osterweiterung auf mittlere Frist alle genannten Länder, möglicherweise auch weitere Balkanländer, einbeziehen müßte. Die sicher nicht einfache sicherheitspolitische Dimension wird durch die schwierigen wirtschaftlichen Probleme überstrahlt. Gemessen an den Durchschnittswerten der Indikatoren fiir die Wirtschaftsentwicklung, handelt es sich bei allen Beitrittsaspiranten um wirtschaftlich rückständige Länder. Schlaglichtartig läßt sich der Rückstand an folgendem Vergleich verdeutlichen: Bezogen auf die erstgenannten fiinf Länder wird sich die Bevölkerung der Union um rund 17%, das Bruttosozialprodukt (BSP) jedoch nur um 3% erhöhen. Nimmt man die fiinf weiteren Länder hinzu, wachsen die Bevölkerung um 25% und das gemeinsame BSP um ca. 5%. Die Zunahme der Bevölkerung um zunächst 62 Mio., später dann um weitere 45 Mio. Personen wird den Binnenmarkt vergrößern und wohlstands- und handelsschaffende Effekte fiir alle Beteiligten bieten. Sicher ist jedoch auch, daß alle Beitrittsländer auf längere Frist Nettoempflinger der Gemeinschaftsausgaben, insbesondere in den ausgabenwirksamen Bereichen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Struktur-, Regional- und Kohäsionspolitik sein werden. Davon sind alle jetzigen EU-Länder betroffen, am stärksten die Nettoempflinger. Denn die Beitritts länder werden aufgrund des niedrigen ökonomischen Entwicklungsstandes die EU-Durchschnittswerte zurückfahren und damit die bisherigen Nettoempfiingerländer relativ aufwerten. Wegen der angedeuteten besonderen quantitativen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlich-sozialen und finanziellen Dimensionen ist die Osterweiterung ein ambitioniertes Vorhaben, das mit den bisherigen Erweiterungen nicht vergleichbar ist. Die Bewältigung dieses Vorhabens stellt sowohl die EU als auch die Beitrittsländer vor gewaltige Anstrengungen. Für die MOEL wiegen die Anpassungslasten schwerer, denn zur noch laufenden Umgestaltung praktisch aller Teilordnungen und zur Umstrukturierung der Wirtschaft tritt die Beitrittsvorbereitung und vor allem die Übernahme der Gemeinschaftsverpflichtungen hinzu.

Offene Ordnungsprobleme einer Osterweiterung der EU

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Von daher ist zunächst nach der Beitrittsreife der MOEL zu fragen. Hierzu hat die Kommission der EU Begutachtungen der einzelnen Länder vorgelegt, die einem kritischen Kommentar unterzogen werden (B). Die kritischen Anmerkungen sollen den Blick fiir die eigentlichen Beitrittsdefizite der MOEL schärfen (C). In den Gutachten und Diskussionen über die Beitrittsreife bleibt durchgängig die Frage unterbelichtet, ob es sinnvoll ist, das gewachsene Gemeinschaftsrecht überhaupt noch ungeteilt zu übertragen und ob und inwieweit dieses Vorhaben die Absorptionskapazitäten der MOEL nicht überfordert (0). Damit sind die längst überfälligen Reformen der EU innerhalb der Bereiche der Agrar-, Struktur- und Regionalpolitik sowie der Entscheidungsprozeduren und Institutionen angesprochen. Ist also die EU zu tiefgreifenden Reformen bereit und imstande, und sind die in der Agenda 2000 vorgeschlagenen Reformen rur ein Gelingen der Österweiterung ausreichend (E)? B. Wie weit sind die MOEL von Brüssel entfernt?

Die Kommission der EU (1997) hat die Beitrittsreife der MOEL in den zur Agenda 2000 gehörenden Ländergutachten umfassend überprüft. Sie orientierte sich dabei an den vom Europäischen Rat in Kopenhagen formulierten Beitrittsbedingungen. Danach wird von den Beitrittskanditaten verlangt, daß sie erstens eine stabile demokratische und rechtsstaatliehe Ordnung aufweisen, zweitens eine funktionsfähige Marktwirtschaft einschließlich der Fähigkeit haben, dem Wettbewerbsdruck des Gemeinsamen Marktes standzuhalten, und daß sie drittens bereit sind, das gewachsene Gemeinschaftsrecht einschließlich der Ziele der politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion zu übernehmen. Diese Bedingungen sind in den Ländergutachten weiter ausdifferenziert worden. Die Ergebnisse der Ländergutachten sind in Übersicht 1 zusarnmengefaßt. Die Kommission sieht die politischen Kriterien in allen Ländern mit Ausnahme der Slowakei im hohen Maße errullt. Kritisiert werden allerdings in fast allen Staaten Mängel bei der Durchsetzung des Rechts und bei einigen der mangelhafte Minderheitenschutz. Die Überprüfung der wirtschaftlichen Kriterien fällt etwas heterogener aus. Die größten Erfolge werden Ungarn, Polen, Tschechien, Slowenien und interessanterweise der Slowakei attestiert. Eine Erfiillung der Konvergenzkriterien rur die spätere Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion, die nicht als Beitrittsbedingung gilt, wird mittelfristig ausgeschlossen. Als kritischer Punkt erweist sich das dritte Kriterium, also die Fähigkeit zur Übernahme der Gemeinschaftsverpflichtungen. Hier fallen die Benotungen etwas niedriger aus. Damit wird vorsichtig angedeutet, daß die Kommission in den Defiziten der Justiz- und Staatsverwaltung ein wichtiges Beitrittshindernis sieht. Daneben werden in den Bereichen Umwelt, Energie, Verkehr und landwirtschaftliche Infrastruktur in

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allen Ländern große Defizite festgestellt. Auf Details der Länderbewertungen kann hier nicht eingegangen werden. Zumindest ftlr die ftlnf MOEL, denen die EU Beitrittsverhandlungen angeboten hat, scheint die Entfernung zu BrUssel nicht allzu weit und mittelfristig zu bewältigen sein. Es ist jedoch zu fragen, ob diese Bewertung realistisch und solide ist. Folgende kritische Anmerkungen scheinen angebracht.

Übersicht 1 Bewertung der Beitrittskanditaten Land Ungarn Polen Tschechien Slowenien Estland Lettland Litauen Slowakei Rumänien Bulgarien

Politische Kriterien

Wirtschaftliche Kriterien

4/5 4/5 4/5 4/5 4/5 4/5 4/5 2 4 4

4/5 4/5 4 4 3/4 3 3 4/5 3 2/3

Kapazität zur Übernahme der Mitgliedsverpflichtungen 4 4 4 3/4 3/4 3 3 4 2/3 2/3

Die Bewertung basiert auf einer Skala von 5 (excellent) bis I (failing). Sie wurde anhand der Agenda 2000 von Hungarian Economy Weekly (Budapest) vorgenommen. Quelle: element (1997), S. 22

Die Ursachen filr die länderspezifischen Unterschiede bei der ErfUllung der Kriterien bleiben weitgehend im Dunkeln. Das liegt daran, daß die Begutachtung nach dem Checklistenmuster vorgenommen wurde, wonach die einzelnen Kriterien teils nach realen Fakten, teils nach eher intuitiven länderspezifischen Kenntnissen benotet, abgehakt und die Ergebnisse aufaddiert wurden. Die Kenntnis der Ursachen wäre jedoch ftlr die differenzierte Gestaltung der Vorbereitungshilfen und Heranfiihrungsprogramme erforderlich. Zweitens orientiert sich die Bewertung vor allen der politischen Kriterien und der administrativen Übernahmekapazitäten an den formalen Verfassungs-, Rechts- und Verwaltungsregeln. Der Einfluß der informalen Regeln, also der gewachsenen und gelebten Werte, Mentalitäten und Sitten bleibt unberUcksichtigt. Die dadurch möglichen Fehleinschätzungen sind bei der Transformation der postsozialistischen Länder deutlich geworden. Die neoklassischen, die ordnungstheoretischen und sonstigen Standardrezepte zur Umgestaltung der Teilordnun-

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gen waren ganz auf die formalen Regeln bezogen (vgl. Leipold 1997). Die Transformationsländer wurden dabei als tabula rasa, als geschichtsloses und moralfreies Feld angesehen, das es zunächst durch ein staatlich zu setzendes Rahmenwerk zu bestellen und dann durch private Initiativen zu beernten gelte. Problematisch war dabei die uniforme Dosierung der Reformpolitik, die keinen Bezug zu den gewachsenen Ordnungen einzelner Länder aufwies und deshalb auch zu illusionären Erwartungen über schnelle Wohlstands- und Stabilitäts erfolge fUhren mußte. Diese Illusion resultierte auch aus dem Umstand, daß der Staat als oberhalb der Gesellschaft thronende Instanz behandelt wurde. Aufgrund der ernüchternden Erfahrungen über den schleppenden Verlauf und die unterschiedlichen Erfolge und Mißerfolge der Transformation in den einzelnen Ländern ist es an der Zeit, sich von der einseitigen Fixierung auf formale Regeln zu verabschieden. Dies ist in der jüngeren Entwicklung der Theorie der Transformation und des institutionellen Wandels auch geschehen. Die Bedeutung der informalen Regeln wird erkannt und fiir die Gestaltung der formalen Regeln mehr und mehr berücksichtigt (vgl. North 1994; Pejovich 1994; Herrmann-Pillath 1997). Aufschlußreich könnte dabei die Einsicht sein, daß sich die informalen Regeln nur langsam wandeln, mit der Folge, daß sie maßgeblich die Geltung und Befolgung der formalen Regeln bestimmen. Diese Ordnerfunktion der gewachsenen Regeln ist vor allem bei der Beurteilung der administrativen Kapazitäten in den MOEL zu beachten. Drittens wird in den Ländergutachten den wirtschaftlichen Kriterien und insbesondere der Wettbewerbsfiihigkeit der MOEL ein allzu großes Gewicht zugemessen. Die Befilrchtungen, daß die MOEL im Falle eines zügigen Beitritts wirtschaftlich und strukturell überfordert sein könnten, stehen im Widerspruch sowohl zu theoretischen Erkenntnissen, insbesondere zur Theorie der komparativen Kosten, als auch zu empirischen Belegen. Allein die Tatsache, daß die Reformländer ungeachtet der Handelsbeschränkungen fiir sensible Produkte seitens der EU beachtliche Exporterfolge im Westhandel erzielen konnten, spricht fiir deren Wettbewerbsfiihigkeit. Bei der Forderung, den Beitritt zur EU an die Reduzierung des wirtschaftlichen Rückstandes zu binden, handelt es sich um ein zirkuläres Argument, weil erst der unbehinderte Zugang zum Binnenmarkt wirksame handels- und wohlstandsschaffende Effekte ermöglicht (vgl. Willgerodt 1992). In dem Maße, in dem der freie Handel den wirtschaftlichen Rückstand verringert, mindern sich auch die Anreize fiir die befiirchtete Wanderung der Arbeitskräfte von Ost nach West. Deshalb sind die gravierenden Beitrittshindernisse weniger in der wirtschaftlichen Wettbewerbsfiihigkeit als vielmehr in institutionellen Defiziten der MOEL, insbesondere im staatlichadministrativen Bereich, zu vermuten.

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C. Worin bestehen die problematischen Beitrittsdefizite der MOEL? Eine angemessene Gewichtung der Beitrittskriterien kann und soll hier nur angedeutet werden. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen selbstbindenden und bindungsbedürftigen Institutionen, die an anderer Stelle begründet worden ist (Leipold 1997). Selbstbindende Institutionen entstehen und gelten im Rahmen konfliktarmer Interessenkonstellationen, die dem spieltheoretischen Muster eines Koordinationsspiels entsprechen. Hierbei haben sich die Akteure auf eine gemeinsame Regel zu einigen, ohne genau zu wissen, wie die Einzelnen sich verhalten. Sofern das gelingt, hat keiner der Beteiligten einen Anreiz, die Regel zu mißachten, weshalb selbstbindende Regeln zustande kommen. Klassische Beispiele sind Verkehrsregeln, Sitten, technische Normen, Geld und Marktbeziehungen mit den dazugehörigen Tauschregeln. Sie entstehen spontan und gelten, weil sie allgemein befolgt werden, weshalb sie auch eine starke Beharrungstendenz aufweisen. Davon unterscheiden sich bindungsbedürftige Institutionen, denen konfliktträchtige Interessenkonstellationen zugrunde liegen. Der paradigmatische Fall wird durch das berühmte Gefangenendilemmaspiel abgebildet. Hier ist es fiir jedes Individuum vorteilhaft, wenn andere die Regel befolgen. Der größte Vorteil winkt jedoch fiir den, der die Regel isoliert mißachtet und so die Regeltreue anderer ausnutzt. Da niemand der ehrliche Dumme sein will, manövrieren sich eigeninteressierte Individuen ungewollt in soziale Dilemmasituationen, also in ungeordnete Zustände. Solche Gefährdungen sind in allen Lebensbereichen zu jeder Zeit aktuell. Konkrete Beispiele sind die Anfälligkeit von Politikern oder Bürokraten zur Korruption, die Neigung der Individuen zur Steuerhinterziehung, zum Seitensprung in den Geschlechterbeziehungen, zum Doping im Sport, zum Betrug, zur Drückebergerei, zum Vertragsbruch in der Wirtschaft oder zu sonstigen amoralischen Praktiken. Die Mißachtung von Regeln ist um so wahrscheinlicher •

je anonymer die sozialen Beziehungen sind, womit die Gruppengröße angesprochen ist,



je mehr andere Individuen als Fremde empfunden werden, womit auch der Grad der ethnischen Homogenität angesprochen ist,



je schwächer das Sozialkapital, d.h. die Summe der nichtstaatlichen Einrichtungen und Aktivitäten zum gemeinsamen Handeln, ausgeprägt ist,



je mehr geltende Regeln als Oktroy empfunden werden,



je schwächer das Bewußtsein ist, daß Regelmißachtungen adäquat sanktioniert werden,



je geringer die Möglichkeiten zur Kontrolle des Fehlverhaltens sind,

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je abhängiger Einzelne von den Tausch- oder Kooperationspartnern sind, d.h. je spezifischer Faktorinvestitionen und je geringer die Freiheiten der Alternativenwahl sind,



je mehr Leistung und Gegenleistung entkoppelt sind, wie es bei der Finanzierung, Bereitstellung und Nutzung öffentlicher Güter der Fall ist, und damit letztlich



je schwächer die moralischen und somit auch die rechtlichen Bindungen einer Gesellschaft sind.

Die Liste der Geflihrdungspotentiale fiir unkooperatives Verhalten beansprucht keine Vollständigkeit. Die angefiihrten Fälle lassen jedoch erkennen, daß der politisch-staatliche Bereich und weniger der marktwirtschaftlich verfaßte Wirtschaftsbereich als Problembereich fiir amoralisches Verhalten anzusehen ist. Im politischen Bereich werden bekanntlich mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols öffentliche Belange entschieden und geregelt. Es handelt sich also um anonyme Beziehungen zwischen einer Großzahl von Individuen, wobei sich das Verhalten der legislativen, exekutiven und judikativen Instanzen auch in einer Demokratie nur unvollkommen kontrollieren läßt. Demokratie impliziert stets auch die Überstimmung von Minderheiten durch Mehrheiten. Leistungen (Steuern) und Gegenleistungen (Nutzung öffentlicher Güter) sind im Unterschied zu marktlichen Tauschbeziehungen weitgehend entkoppelt und werden zudem durch politisch-administrative Instanzen entschieden. Der politische Markt eröffnet aufgrund der Unvollkommenheiten vergleichsweise zu wirtschaftlichen Märkten zweifellos mehr Gelegenheiten zum regelinkonformen Verhalten (vgl. North 1990). Wie Kant (1968, S. 22) bereits in aller Klarheit erkannt hat, ist deshalb in der Erreichung einer rechtsstaatlichen bürgerlichen Gesellschaft das allerschwerste Problem der Menschengattung zu sehen. Die Lösung des Problems ist deshalb so schwierig, weil es alle Mitglieder der Gesellschaft mit den beschriebenen Geflihrdungen sozialer Dilemmasituationen konfrontiert. Deren Überwindung flillt leichter, wenn sich die Individuen losgelöst von der situativen Vorteilsnahme verläßlich an das Recht binden, wenn sie sich also von moralischen Prinzipien leiten lassen. Horster (1995, S. 165) hat das Verhältnis zwischen Recht und Moral auf den einzigen Unterschied reduziert, daß sich das Recht an alle Gesellschaftsmitglieder, die Moral an den Einzelnen wende. Das Verhältnis zwischen Recht und Moral findet in dem Bedingungsverhältnis zwischen Rechtsstaat (öffentliches Recht) und Marktwirtschaft (privates Recht) seine Fortsetzung. Je verläßlicher die Repräsentanten des Staates, der Justiz und der Verwaltung rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet sind, desto problemloser können sich funktionsflihige Marktbeziehungen entfalten. Dieser Zusammenhang gilt sowohl innerhalb einzelner Staaten als auch innerhalb der EU. Gerade in den MOEL weist der politische und insbesondere der staatlichadministrative Bereich noch eine Reihe von Unvollkommenheiten auf. Obwohl

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die Verhältnisse in den einzelnen Ländern markante Unterschiede aufweisen, sind dennoch gemeinsame Defizite erkennbar. Als Erblast des Sozialismus existieren noch Restbestände ideologischer Vorstellungen über die Vorzüge kollektiver und egalitärer Werte. Die liberalen Werte der individuellen Freiheit und Selbstverantwortlichkeit sind demgemäß nur schwach verankert. Auch die Institutionen der Zivilgesellschaft, die die Menschen jenseits des Staates und der Individuen zum gemeinsamen Handeln bewegen, sind noch unterentwickelt. Eine aktive Zivilgesellschaft ist jedoch eine unverzichtbare Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie und Marktwirtschaft. Beide Einrichtungen müssen nicht nur verfassungsrechtlich gewährleistet sein, sondern durch alltägliche Zusammenarbeit der Bürger mit Leben erfiHlt werden. Gerade die geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft haben immer wieder die Notwendigkeit gemeinsamer moralischer Normen und Bindungen betont, die durch eine aktive Gesellschaftspolitik gellirdert und gefestigt werden sollten (vgl. Leipold 1998). Die Defizite fmden in der Staats- und Verwaltungsorganisation ihre Fortsetzung. Der sozialistische Staat war bekanntlich nicht dem rechtsstaatlichen Prinzip verpflichtet. Das Recht unterstand der Parteiräson, der wiederum die staatlichen Verwaltungen verpflichtet waren. Die Aufstellung und noch mehr die Erfiillung der Volkswirtschaftspläne, die als Gesetze verabschiedet wurden, verlangten ständige diskretionäre Eingriffe der Planungs- und Verwaltungsinstanzen. Diese Gewohnheiten prägen bis heute das Verhalten der staatlichen Amts inhaber. Die alte juristische Weisheit, wonach Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht jedoch besteht, wird also bestätigt. Die Ursachen der rechtsstaatlichen Defizite sind jedoch noch geschichtlich tiefer angelegt. Die gravierenden Unterschiede zwischen den mitteleuropäischen und den ost- und südosteuropäischen Ländern erschließen sich nur aus einer langfristigen Retrospektive. Die mitteleuropäischen Länder wurden bekanntlich von Rom und Westeuropa aus missioniert. Sie übernahmen relativ früh Elemente des westlichen Rechts mit seinen bürgerlichen Freiheiten und erlebten die Umbrüche der Reformation und der Aufklärung. Dagegen kannte die Entwicklung in Ost- und im Großteil von Südosteuropa keine vergleichbare Rechtsentwicklung, keine Entfaltungsräume fiir Bürgerrechte, freie Städte, Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung, freie Wissenschaften und fiir die Kontrolle der Herrscher durch unabhängige Verwaltungsgerichte (vgl. Panther 1998). Die unterschiedlichen geschichtlichen Prägungen sind bis heute unübersehbar und sollten gerade filr die Beitrittsreife der südosteuropäischen Länder realistisch veranschlagt und bewertet werden. Zu diesen pfadabhängigen Unterschieden gesellen sich aktuelle Versäumnisse. So wird der öffentliche Dienst in allen MOEL niedrig besoldet. Für tüchtige und vor allem jüngere Beamte bestehen deshalb Anreize, in den finanziell attraktiveren Privatsektor abzuwandern. Für die verbleibenden Staatsdiener bestehen ständige Gefährdungen, das niedrige Einkommen auf illegale Weise, also durch Korruption oder Rechtsbeugung aufzubessern. Durchgreifende Reformen

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des öffentlichen Dienstes sind bisher nur sehr zögerlich vorgenommen worden. In der Tschechischen Republik ist bis Ende 1998 das Gesetz über die Neu· ordnung des öffentlichen Dienstes noch nicht verabschiedet worden (Verny 1998, S. 267). In Ungarn beschäftigt die Staatsverwaltung auch nach 9-10 Jahren Umgestaltung immer noch ca. 1 Mio. Personen, während im gleichen Zeitraum in der Privatwirtschaft 1,5 Mio. Arbeitsplätze verloren gingen. Gemessen an den westeuropäischen Ländern, weisen die ungarischen Ministerien also immer noch einen hohen Grad der personellen Überbesetzung auf (Csaba 1998, S. 63). In allen beitrittswilligen Ländern wurde und wird zudem der Umfang und damit die Regulierungsdichte des gewachsenen EU-Gemeinschaftsrechts unterschätzt. Dessen Kern wird hauptsächlich mit dem Sekundärrecht identifiziert, wie es sich aus den Verordnungen und Richtlinien der EU ergeben hat. Dabei wurden jedoch die vielfaltigen Detailregelungen in den einzelnen Politikbereichen und die Auslegungen des Primärrechts der wichtigen Verträge durch den Europäischen Gerichtshof übersehen (vgl. Verny 1998, S. 266). Wahrscheinlich ist das ganze Ausmaß der Regelungsdichte des Gemeinschaftsrechts nur noch wenigen Kennern der Materie, sicherlich jedoch nicht den Normalbeamten und noch weniger den Normalbürgern bekannt. Die Angaben über die Zahl der Rechtsakte, die das Gemeinschaftsrecht konstituieren, schwanken zwischen 20000 und 40000. Hinzu kommen die unzähligen Paragraphen und Details über die Vergabe von EU-Fördermitteln. Die Umsetzung und Kontrolle des Gemeinschaftsrechts obliegen vorwiegend den Verwaltungsorganen der Mitgliedsländer. Eine einigermaßen verläßliche Geltung des Rechts setzt also unbestechliche und effektive Behörden voraus, die Wettbewerbsbeschränkungen kontrollieren, den Subventionsbetrug verhindern, sichere Transportmittel gewährleisten, Regelungen des Verbraucherschutzes, Umweltnormen, Sicherheitsvorschriften, soziale Mindeststandards und eine Vielzahl weiterer anspruchsvoller Normen des Gemeinschaftsrechts überwachen. Dabei ist zu bezweifeln, ob die Verwaltungen der MOEL diesen Anforderungen genügen können. Denn die hier wie auch in den Ländergutachten konstatierten Defizite beziehen sich auf deren Verwaltung der nationalen Rechts- und Normensysteme, die vergleichsweise zum Gemeinschaftsrecht weniger anspruchsvolle Regelungen und Bindungen verlangen. Gemessen an rechtsstaatlichen Maßstäben sind die MOEL also noch mehr oder weniger weit von Brüssel entfernt. Der Abstand der einzelnen Länder wird um so größer, je geringer die Restbestände an westeuropäischen Rechtstraditionen und an zivilgesellschaftlichen Eimichtungen sind. Neben der geschichtlichen und geographischen Nähe zu Westeuropa kommt als weiterer Ordnungsfaktor der Grad der ethnischen Homogenität hinzu. Es ist wohl kein Zufall, daß in Tschechien, Polen, Ungarn und Slowenien, die als Vorreiter der Transformation gelten, der Anteil der Wohnbevölkerung, der ethnisch mit der Titularnation identisch ist, über 90% liegt. Das unterschwellige Bewußtsein der ethnischen 4 Paraskewopoulos

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Zusammengehörigkeit vermittelt ein Identitätsbewußtsein und festigt offensichtlich die ohnehin schwachen moralischen und insbesondere rechtlichen Bindungen. Wie Offe (1998, S.107f.) bemerkt, sind sämtliche Transformationsländer mit negativen oder deutlich nachhinkenden politischen und ökonomischen Umgestaltungsergebnissen diejenigen, in denen Teile der Bürgerschaft filr die anderen ethnischen oder religiösen Minderheiten die gleichberechtigte Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft in Frage stellen. Deshalb könne jede moralische oder rechtliche Regel nur dann Akzeptanz finden, wenn sie nicht dem Verdacht ausgesetzt sei, daß die "Anderen" aus der Geltung der Regel entweder einen unverdienten Vorteil zögen oder sie mißachteten. Das latente Mißtrauen manövriert die Gesellschaft daher ungewollt in die Fallstricke sozialer Dilemmastrukturen. Für die anstehende Osterweiterung sind die skizzierten Erfahrungen und Unvollkommenheiten alles andere als trivial. Für die beitrittswilligen MOEL stellt sich die Frage nach den möglichen Konsequenzen, die sich aus der Übernahme des Gemeinschaftsrechts ergeben. D. Wieviel Brüssel brauchen und wieviel verkraften die MOEL?

Diese Frage läßt sich filr die Übernahme der politischen Grundrechte und wirtschaftlichen Grundfreiheiten gemäß dem Binnenmarktkonzept, wie es vor allem in den verschiedenen Gesetzeswerken der Gemeinschaft von Anfang an gewollt und schrittweise ausgebaut worden ist, relativ einfach beantworten. Der EWG-Vertrag war bekanntlich von der Idee der funktionalen Integration geprägt, die durch die Einrichtung der Gemeinschaftsorgane mit funktional begrenzten Kompetenzen vorangetrieben und gesichert werden sollte. Das Vertragswerk enthielt konstitutionell verankerte Prinzipien einer wettbewerblichen Marktwirtschaft mit den dazu gehörenden Freiheiten, die durch Wettbewerbspolitik und Beihilfenverordnung vor Beschränkungen und Verfälschungen geschützt wurden und bis heute werden. Der Zweck dieser Regelungen bestand also darin, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten zu disziplinieren und an allgemeine Regeln einer Wettbewerbsordnung zu binden. Für die beitrittswilligen MOEL kann und wird die Übernahme des Gemeinschaftsrechts eine ähnlich wichtige Selbstbindung an die Regeln einer Wettbewerbsordnung bewirken. Diese Wertung gilt freilich mit Einschränkungen. Einerseits gab es bereits im EWG-Vertrag wichtige Ausnahmebereiche, von denen vor allem die Agrar-, Verkehrs- und Handelspolitik zu nennen sind. Andererseits wurde die ursprüngliche Idee der funktionalen Integration durch die Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts mehr und mehr aufgeweicht. Wichtige Stationen dafilr waren die Einheitliche Europäische Akte und der Maastricht-Vertrag, die den Gemeinschaftsorganen beträchtliche und einleitend bereits angefiihrte Kompetenzerweiterungen brachten, womit der politisch-bürokratische Integrationsweg eingeschlagen wurde (vgl. Schüller 1994; Streit 1998). Die Kommission nutzte diese Möglichkeiten, indem sie die Vereinheitlichung der Rechts- und Verwaltungs-

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vorschriften vorantrieb und so das Sekundärrecht im starken Maße verbÜTokratisierte. Erst die gelegentlichen Rückbesinnungen auf die wettbewerbliche Integrationsstrategie, wie sie etwa in der Anerkennung des Ursprungslandsprinzips stattfanden, haben das überzogene Harmonisierungsstreben gebremst. Dennoch dürfte die Übernahme und noch mehr die Umsetzung der von diesem Streben geprägten Verordnungen und Richtlinien gerade in den MOEL die größten Schwierigkeiten bereiten und deren administrative sowie ökonomisch-finanzielle Kapazitäten überfordern. Die Sachlage ist eindeutig filr die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), deren interventionistische Regeln ca. die Hälfte des Gemeinschaftsrechts ausmachen und auch die Hälfte der Gemeinschaftsausgaben beanspruchen. Die Übernahme des hochsubventionierten Agrarpreissystems würde in den MOEL zu beträchtlichen Produktionssteigerungen filhren, wodurch Überschüsse erst teuer aufgebaut würden, die dann durch zusätzliche Ausgleichszahlungen und Quotierungsmaßnahmen zu reduzieren wären. Die Kosten des EU-Agrarhaushalts würden dadurch bis zu einem Drittel ansteigen, was fmanztechnisch nicht verkraftbar und auch ordnungspolitisch weder filr die EU und noch viel weniger filr die MOEL vertretbar wäre (vgl. Frohberg 1998). Der drängende Reformbedarf in der GAP ist von der Kommission erkannt worden. Die in der Agenda 2000 vorgeschlagenen Maßnahmen sehen vor, daß die Stützpreise filr Getreide um 20%, filr Rindfleisch um 30% und filr die Milchproduktion um 10% gesenkt werden. Als Ausgleich sollen jedoch die flächenbezogenen Zahlungen filr die Getreideproduktion, die Tierprämien filr Rinder sowie die Jahreszahlungen filr Milchkühe u.a. erhöht werden. Der interventionistische Grundzug der GAP bleibt also erhalten, wobei zu befilrchten ist, daß die von der Kommission vorgeschlagene Abkehr von den Interventionspreisen und den dazugehörenden Mengenquotierungen im Zuge der politischen Reformprozesse nur halbherzig gelingen dürfte. Auch filr die Struktur-, Regional- und Kohäsionspolitik, die sich im letzten Jahrzehnt mehr und mehr zu den Paradefeldern der gemeinschaftsinternen Umverteilungspolitik entwickelt haben, wird der Reformbedarf allgemein anerkannt. Die verschiedenen Strukturfonds beanspruchen nicht nur ca. 35% der EU-Ausgaben, sondern bedingen auch ein umfangreiches Regulierungswerk. Gegen die Übertragung dieses Regulierungswerkes auf die MOEL sprechen analoge Einwände wie gegen die GAP. Wegen der wirtschaftlichen Rückstände dieser Länder müßten die Fördermittel radikal erhöht und - was politisch noch schwieriger durchgesetzt werden dürfte - massiv umgeschichtet werden. Selbst wenn die aus den Strukturfonds gewährten Zahlungen auf eine 300 ECU Pro-Kopf-Förderung begrenzt würden, kämen bei den filnf MOEL der ersten Erweiterung mit ihren ca. 62 Mio. Einwohnern Kosten in Höhe von mehr als 18 Mrd. ECU hinzu. Die von der Kommission in der Agenda 2000 präsentierten Reformmaßnahmen sind ebenfalls als unzureichend und halbherzig zu bewerten. Sie reduzieren sich auf eine Neuformulierung der Förderziele, indem die bisherigen sieben Ziele auf

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zwei regionalpolitische und ein bildungs- und arbeitsmarktpolitisches Ziel zusammengefaßt und im Kern nur geringfiigig modifiziert werden. Die Agenda 2000 enthält einige richtige Reformschritte, die fiir eine erfolgreiche Bewältigung der Osterweiterung jedoch nicht ausreichen (vgl. auch Donges u.a. 1998). Letztlich ist es der Versuch, die Vertiefung mit der Erweiterung der Gemeinschaft um die MOEL zu vereinbaren, wobei die Finanzierbarkeit der Agrar-, Struktur- und Regionalpolitik bis zur Obergrenze von 1,27% des gemeinschaftlichen Bruttoinlandsprodukts der Leitgedanke der Reformüberlegungen war. Dabei standen die gewachsenen Interessen und Regeln der Fünfzehnergemeinschaft im Vordergrund. Die Belange und vor allem die begrenzten Fähigkeiten und Kapazitäten der Beitrittskandidaten spielten nur eine untergeordnete Rolle. Die möglichst volle Übernahme des Gemeinschaftsrechts ist fiir die MOEL jedoch ein ambivalentes Vorhaben. Die Mitgliedschaft in der EU eröffnet den freien Zugang zum Binnenmarkt und den Zufluß von Kapital, unternehmerischem und technischem Wissen sowie von Fördermitteln der Gemeinschaft. Der positive Effekt der Übernahme der Gemeinschaftsregeln ist darin zu sehen, daß dadurch das Verhalten der Regierungen, Verwaltungen und auch der Interessengruppen an Regeln gebunden wird. Freilich kann diese Regelbindung auch als Fesselung empfunden werden. Je mehr dies vor allem seitens breiter Bevölkerungsschichten in den MOEL der Fall sein wird, desto stärker wird das Verlangen, gegenüber der Gemeinschaft Ansprüche auf Förderungen und Erleichterungen anzumelden und im alltäglichen Verhalten die Regeln so weit wie möglich zu ignorieren. Die Europaeuphorie, wie sie etwa noch anfangs der 90er Jahre zu verspüren war, ist nicht nur in den MOEL, sondern auch innerhalb der Fünfzehnergemeinschaft merklich verblaßt. Ein wichtiger Grund dafiir ist das unvollkommene Institutionengefiige der Gemeinschaft mit seinen kaum mehr durchschaubaren Entscheidungsprozeduren. Die überfälligen Reformen sind bisher verschoben worden. Durch die Osterweiterung werden sie jedoch unumgänglich, was sich an einigen Konsequenzen eines möglichen Beitritts der fiinf MOEL aufzeigen läßt. E. Wieviele institutionelle Reformen braucht und verkraftet die EU?

Der Beitritt der fiinf MOEL würde die Bevölkerungszahl der EU um ca. 62,5 Mio. Personen vergrößern. Mit Ausnahme Polens und seinen 38,5 Mio. Einwohnern handelt es sich um bevölkerungsmäßig kleine Länder, wodurch die bisherige Balance zwischen großen und kleinen Ländern zugunsten letzterer verschoben wird. Die Bevölkerungszahl stellt das maßgebliche Kriterium fiir die Vertretung in den Gemeinschaftsorganen dar. Die Kommission setzt sich gegenwärtig aus 20 Mitgliedern zusammen. Durch den Beitritt würde sie auf25 Personen ansteigen, vorausgesetzt es bliebe nur bei

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einem polnischen Vertreter. Es müßten also neue Ämter mit neuen Zuständigkeiten geschaffen werden, wobei ein Gerangel um Kompetenzen und vor allem um Budgetmittel vorauszusehen ist. Auf der Regierungskonferenz in Amsterdam im Juni 1997 wurde die Absicht erklärt, die Zahl der Kommissare auf 20 Mitglieder zu begrenzen, was bedeuten würde, daß die großen Länder, die bisher zwei Kommissare stellen, sich mit einem Mitglied begnügen müßten. Dabei wird ein Junktim mit einer Neugewichtung der Stimmen im Europäischen Rat zugunsten der bevölkerungsreichen Länder angestrebt. Bei einer Fortschreibung der geltenden Gewichte müßten Polen acht Stimmen, der Tschechischen Republik und Ungarn je tUnf Stimmen, Slowenien und Estland je zwei Stimmen zugewiesen werden. Dadurch würde sich die Verlagerung der Stimmengewichte zugunsten der kleinen und zu Lasten der großen Länder weiter fortsetzen. Die vorhandene Disproportionalität zwischen Ratsstimmen und Bevölkerungszahl würde verschärft. Rechnet man der Vollständigkeit halber noch die zwei Stimmen Zyperns hinzu, dann wären bei den vorhandenen 111 Stimmen fiir eine qualifizierte Mehrheit im Rat 77 Stimmen erforderlich. Die Stimmenmehrheit könnte von einer Koalition der Ratsmitglieder kleiner und einiger weniger großer Länder erreicht werden, die 70 % der Stimmen, aber nur 52,5 % der Bevölkerung vertreten. Umgekehrt könnte eine Koalition größerer Länder, die zusammen mehr als 85 % der Bevölkerung repräsentieren, nicht in der Lage sein, die erforderlichen 77 Stimmen tUr eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung zustandezubringen (vgl. Feitgen 1998). Um solche schon bestehenden Mißrepräsentationen nicht noch zu erweitern, bietet sich die Aufwertung der Stimmengewichte der bevölkerungsreichen Länder sowie die Einfiihrung einer doppelten Mehrheit an, die neben der qualifizierten Mehrheit der Länderstimmen zugleich auch die Mehrheit der Bevölkerung oder zumindest der Anzahl der Länder zu gewährleisten hat. Was als simple arithmetische Neuordnung aufscheint, ist jedoch in Wirklichkeit eine kontliktträchtige Interessenpolitik, zumal die verstärkte Anwendung der qualifizierten Mehrheitsregel wohl unvermeidbar sein wird. Unabhängig davon wird die Konsens- und Entscheidungsfindung in einem 20 Personen umfassenden Ratskollegium schwieriger. Bekommt hier jedes Ratsmitglied nur eine Redezeit von 20 Minuten eingeräumt, so verlängert sich die minimale Sitzungsdauer dieses Gremiums bereits auf sechs Stunden. Unter Hinzurechnung von spontanen Diskussionen konträrer Positionen, von Pausen und von Abstimmungsrunden sind Marathonsitzungen von mehreren Tagen zu erwarten (vgl. Leipold 1994b, S. 64 ff.) Auch das Europäische Parlament würde durch die Osterweiterung expandieren. Bei der gleichen Vertretung wie die Altmitglieder kämen ca. 64 polnische, je 25 tschechische und ungarische sowie je acht slowenische und estnische Vertreter hinzu, wodurch das Parlament auf 760 Vertreter anwachsen würde. Zu den geltenden 11 Amtssprachen kämen tUnf weitere hinzu, wodurch sich die Zahl der Sprachkombinationen tUr die Simultanübersetzungen bei den Tagungen des

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Parlaments und der anderen Gemeinschaftsorgane überproportional erhöhen wird. Die auf der Regierungskonferenz von Amsterdam festgesetzte Obergrenze von 700 Mitgliedern des Europäischen Parlaments verändert weder die demokratischen Defizite der parlamentarischen Kontrolle noch die absehbare Komplizierung der Konsens- und Entscheidungsfindung. Schon in der Fünfzehnergemeinschaft vertritt ein deutscher Parlamentsabgeordneter durchschnittlich 814.000, ein irischer Abgeordneter dagegen nur ca. 237.000 Einwohner. Im Deutschen Bundestag vertreten die 656 Abgeordneten dagegen durchschnittlich nur ca. 123.000 Bürger. Die Schwierigkeiten einer Reform der EU-Institutionen einschließlich der Entscheidungsregeln werden häufig noch unterschätzt. Mit Bezug zu dem Sprachen- und Abstimmungsproblem verweist Wil/gerodt (1997, S. 207) auf die Lösungen bei der UNO und der Katholischen Kirche. Diese Beispiele sind nicht allzu aufschlußreich. Denn die Zuständigkeiten und die Entscheidungsfiihigkeit der UNO-Gremien sind bekanntlich begrenzt. Die Katholische Kirche verfugt zweifellos über effiziente Organisationen, deren Stärken der hierarchische Aufbau und vor allem die Bindung aller Entscheidungsträger an gemeinsame Glaubensüberzeugungen und Werte sind. Gerade diese Voraussetzung ist in der EU sowohl bei den Mitglieds- als auch den Beitrittsländern vergleichsweise nur in schwacher Form vorhanden. Zudem sind im Zuge des Vertiefungs- und Vereinheitlichungsstrebens den EU-Organen mehr Kompetenzen zugewachsen. Der vertiefungsbedingte Kompetenzzuwachs in Verbindung mit dem erweiterungsbedingten Mitgliedszuwachs erhöhen unweigerlich die Interdependenz- oder Koordinationskosten. Im Verständnis von Buchanan und Tullock (1962) setzen sich diese Kosten aus der Summe der Entscheidungskosten (Konsensfindungskosten) und der externen Kosten (Nachteile oder Frustrationskosten) zusammen, die im Rahmen kollektiver Entscheidungen in Abhängigkeit von der Entscheidungsregel anfallen. Es ist offensichtlich, daß bei fortschreitender Vertiefung und Erweiterung die Entscheidungskosten ansteigen, die bei einstimmigen Entscheidungen des Rats ihr Maximum erreichen. Aufgrund dieser Erfahrungen ist man bereits im verstärkten Umfange zur qualifizierten Mehrheitsregel übergegangen (vgl. Leipold 1994a, S. 17ff.). Die dadurch mögliche Einsparung an Zeit und Geduld hat jedoch ihren Preis, der filr die überstimmten Minderheiten in Form höherer externer Nachteile zu zahlen ist. Die Minderheiten, zu denen fallweise jedes Mitglied gehören kann, werden die Nachteile dann tolerieren, wenn eine ausreichende Bindung an das Wohl und die Werte der Gemeinschaft vorhanden ist. Wie mehrfach angedeutet, dürfte die Bindung der Regierungen, Verwaltungen, Interessengruppen oder Bürger an die Europaidee eher schwach vorhanden sein. Noch ist in den europäischen Staaten die nationale Idee, die aus der gemeinsamen Geschichte, dem ethnischen Zusammengehörigkeitsgefiihl, dem Recht, der Kultur und nicht zuletzt aus den nationalen Gewohnheiten gewebt wurde und wird, das vergleichsweise verläßliche und belastbare Band. In Deutschland wird diese Einsicht unter Politikern und Intellektuellen aus be-

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kannten Gründen gerne verdrängt. In den anderen Mitgliedsstaaten ist die Nation jedoch immer noch ein mächtiger und nicht zu leugnender Interessenfaktor (vgl. z.B. Chevenement 1998). Die Europäische Gemeinschaft verdankt ihre relative Erfolgsgeschichte einerseits dem unter den Gründermitgliedern zweifellos vorhandenen ausgeprägten Gemeinschaftsbewußtsein und zum anderen den Erfahrungen, daß der Ausbau des Binnenmarktes gemäß der ursprünglich angelegten funktionalen Integration relativ geringe Souveränitätseinbußen verlangte, die durch die wirtschaftlichen Vorteile aufgewogen wurden (vgl. Leipold 1994a, S. 5f.). Bei den bisherigen Erweiterungen wurde zudem der Konsens der wirtschaftlich schwächeren Länder zur Gemeinschaftspolitik durch großzügige Finanztransfers befördert. Das Resultat war die Einrichtung von neuen Fördertöpfen in der Struktur- und Kohäsionspolitik, die mittlerweile ca. 35 % der EU-Gesamtausgaben beanspruchen. Damit wurde jedoch zugleich eine nachhaltige und vorerst wohl kaum umkehrbare Wende zugunsten der politisch-bürokratischen Integrationsstrategie eingeleitet. Ihr wohnt eine Eigendynamik zur Zentralisierung der Kompetenzen und zum politischen Kuhhandel inne, die auch innerhalb der nationalstaatlichen Demokratien die Expansion des Wohlfahrtsstaates vorantreibt. Dort ist es das verlockende, weil allseits konsensflihige Gebot des "sozialen Ausgleichs", das die Umverteilungsspirale antreibt. Die ökonomische Theorie der Demokratie hat überzeugende Argumente dafiir geliefert, daß distributive Mehrheitsentscheidungen je nach Koalitionsmöglichkeiten zu zufiilligen und auch widersprüchlichen Entscheidungen tUhren können (vgl. Usher 1983). Nach dem Diktum von Buchanan (1984 , S. 445) sind die gemäß dem Mehrheitsprinzip bestimmten Politik- und Umverteilungsprozesse instabil, kapriziös und damit letztlich irrational. Die durch zufiillige Mehrheiten und durch geschickte Interessenpolitik erreichten Besitzstände werden als legitime Ansprüche verteidigt, selbst wenn die einmal vorhandene Bedürftigkeit längst entfallen ist. Die Verlierer der von wechselnden Verteilungskoalitionen vorangetriebenen Umverteilungspolitik sind letztlich alle Bürger in ihrer Rolle als Konsumenten und Steuerzahler. Der politisch-bürokratischen Integration in der EU, die mit den vagen Geboten legitimiert wird, die Entwicklungsunterschiede zwischen Regionen verringern oder den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft fördern zu wollen, wohnt eine analoge Eigendynamik inne. Die Aussicht, Fördermittel zu erhalten, spornt Politiker, Bürokraten, Verbände und Unternehmen dazu an, Projekte und Programme mit zweifelhafter Rentabilität und Dringlichkeit zu initiieren und einmal erreichte Förderansprüche zu verteidigen. Verschiedene Studien belegen den mäßigen Erfolg der Struktur-, Regional- und Kohäsionspolitik (vgl. Krätzschmar 1995; Reichenbach und Beck 1997; Axt 1997; Gorzelak 1998). Trotz des massiven Einsatzes von Geld und von Verwaltungskapazitäten ist es nicht gelungen, regionale Disparitäten einzuebnen.

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Das kann auch nicht von einer Politik erwartet werden, die ihre Fördermittel mittlerweile auf die Hälfte der EU-Gesamtbevölkerung ergießt. Das verfestigte und sich ausweitende Anspruchs- und Besitzstandsdenken wird an zwei Beispielen deutlich. Die Erweiterung der EU im Zuge der deutschen Vereinigung um die ostdeutschen Länder hat nicht zu der gebotenen Kürzung der Fördermittel in den bisher als peripher geltenden Mitgliedsländern und Regionen gefiihrt, obwohl deren reale Entwicklungsstände die Förderkriterien, z. B. das 75-Prozentkriterium des Gemeinschaftsdurchschnitts, längst überschritten haben. Vielmehr wurde die Erweiterung zum Anlaß genommen, die Fördergebiete und -mittel aus den Strukturfonds auszuweiten. Die Ausweitung erfolgte zudem unter dem Vorbehalt, daß das 75-Prozentkriterium bei der Ziel-lFörderung nicht rur Ostdeutsch land gelte. Diese Erfahrung vermittelt eine schwache Vorahnung fiir das zu erwartende Interessengerangel, das bei den Verhandlungen über die Osterweiterung zu befiirchten ist. Noch augenfalliger ist das in der Agenda 2000 angekündigte Vorhaben, die Kohäsionsfonds im bisherigen Umfang beizubehalten. Bekanntlich sollten damit die Mitgliedsstaaten mit einem Bruttosozialprodukt pro Kopf von weniger als 90 % des Gemeinschaftsdurchschnitts dazu befiihigt werden, die Konvergenzkriterien fiir die Teilnahme an der Währungsunion zu errullen. Zumindest rur diejenigen Staaten, deren Teilnahme an der Währungsunion beschlossene Sache ist, sollte sich deshalb auch die Förderung erübrigen. Diese Einsicht wäre um so mehr geboten, als ansonsten im Zuge der Osterweiterung offene Forderungen seitens der MOEL in beträchtlicher Höhe auf die EU zukommen werden, die man nicht guten Gewissens abschlagen kann, wenn man sie anderen unberechtigt weitergewährt. Die wenigen Beispiele werfen kein gutes Licht auf die gegenwärtige Verfassung der EU und vor allem auf die Solidarität zwischen deren Mitgliedern. F. Weshalb ist die Osterweiterung als Chancefür überfällige

Reformen der EU zu begreifen?

In diesem Beitrag sind einige Ordnungsprobleme der Osterweiterung behandelt worden, deren Lösung noch aussteht und deren Schwierigkeitsgrad vielfach unterschätzt wird. Sicher ist, daß die anstehende Erweiterungsrunde sowohl rur die beitrittswilligen Länder als auch rur die Fünfzehnergemeinschaft eine schwierige Herausforderung bedeutet, deren Bewältigung von beiden Seiten weitgehende Reformen verlangt. Angesichts der konstatierten Defizite in der Staats- und Justizverwaltung dürfte rur die MOEL die Übernahme und die verläßliche Kontrolle des Gemeinschaftsrechts mit seinen anspruchsvollen Regeln und Vorschriften die schwierigste Aufgabe sein. Folgerichtig wäre der Reform der staatlichen Administration absolute Priorität einzuräumen, die durch eine

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vorrangige und großzügige Unterstützung durch die EU flankiert werden sollte. Jedenfalls scheint es geboten, diesen Engpaßfaktor relativ gegenüber der wirtschaftlichen Wettbewerbsflihigkeit der MOEL im Binnenmarkt aufzuwerten. Dieses Kriterium stand im Zentrum der Ländergutachten über die Beitrittsflihigkeit der MOEL und beherrscht auch noch immer die Diskussion über die Osterweiterung. Der Großteil der Argumente und Befilrchtungen über eine angebliche Überforderung der MOEL ist jedoch interessenpolitischer Natur. Die zügige Integration in den Binnenmarkt verspricht filr die MOEL mehr Vor- als Nachteile. Sie erfordert jedoch keine aufwendige und regulierungsträchtige Agrar-, Struktur-, Regional-, Industrie-, Umwelt- oder Sozialpolitik, weshalb deren Reformen absolute Priorität erhalten sollten. Neben der finanziellen und personellen Unterstützung der Bemühungen in den MOEL, die Staatsverwaltung zu reorganisieren, könnten die ohnehin überfälligen Reformen der EU in den angefiihrten Politikbereichen wahrscheinlich den wichtigsten Beitrag dazu beisteuern, daß die Übernahme des Gemeinschaftsrechts den Staat, die Justiz und die Wirtschaft der Beitrittsländer nicht überfordert. Insofern liegt der Schlüssel filr das Gelingen der Osterweiterung in der Hand der EU und hierbei in der Bereitschaft der Fünfzehnergemeinschaft zu realistischen Reformen. Die in der Agenda 2000 unterbreiteten Optionen weisen in die richtige Richtung, werden aber der großen Herausforderung der Osterweiterung noch nicht ausreichend gerecht. Die Osterweiterung kann und sollte dazu beitragen, den zukünftigen Weg der europäischen Integration grundsätzlich zu überdenken. Der Blick auf die Hoffnungen, Fähigkeiten und Defizite der MOEL einerseits und auf die unübersehbaren Erfolge, aber auch Fehlentwicklungen der EU andererseits legt nüchterne und bescheidene Reformen nahe (vgl. Leipold 1994b, S. 69 ff.). Wenn die Osterweiterung in absehbarer Zeit eine reelle Chance haben soll, dann muß die EU auf ihrem Weg in Richtung einer Vertiefung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Union einige Schritte kürzer treten, um bei der erweiterten und wechselseitig vorteilhaften Marktintegration zügig voranschreiten zu können.

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Helmut Leipold

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Thomas Lenk und Andreas Mathes

EU-OSTERWEITERUNG - FINANZIERBAR? A. Einleitung Die Europäische Union (EU) steht vor der Herausforderung, die unnatürliche Spaltung Europas als ein Ergebnis des zweiten Weltkriegs zu überwinden. Seit Beendigung des Kalten Krieges durch den Zusammenbruch der politischen Systeme in Osteuropal begleitet und unterstützt die Europäische Union die demokratische und wirtschaftliche Transformation der mittel- und osteuropäischen Staaten durch eine Reihe von Programmen. 2 Insgesamt dreizehn Staaten Mittelund Osteuropas (MOE) und des Mittelmeerraums streben eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Union an. 3 Für die MOE-Staaten kann die Vorbereitung auf einen Beitritt zur EU helfen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung auszubauen und zu sichern, Minderheitenprobleme zu verbesVon "political ,creative destruction" sprechen Baldwin, Richard E. / Francois, Joseph F. / Portes, Richard (1997), S. 127. Bis einschließlich 1997 wendete die Gemeinschaft rur das PHARE-Programm (PologneHongrie: Assistance a la Restructuration des Economies: finanzielle Hilfen zur wirtschaftlichen Umgestaltung der mittel- und osteuropäischen Assoziationslander) knapp 7,76 Mrd. ECU auf. Für TACIS (Technical Assistance for the Commonwealth of Independent States) wurden 3,28 Mrd. ECU bereitgestellt. Hinzu kommen Direkthilfen der Mitgliedstaaten sowie Zahlungsbilanzhilfen und Kredite. Die EU und ihre Mitgliedstaaten übernahmen damit mehr als 75 % der Gesamthilfe rur die osteuropäischen Reformstaaten, wobei auf die Bundesrepublik Deutschland fast ein Drittel der zur Verfilgung gestellten Mittel entfllIlt. (Eigene Berechnungen nach Europäischer Rechnungshof (1998), Anlage I, S. XXVI, Hartwig, Karl-Hans / Welfens, Paul J. 1. (1998), S. 402.) 3

Zehn MOE-Staaten haben mit der Europäischen Union sog. Europaabkommen abgeschlossen, in denen explizit das Ziel des Beitritts zur EU festgehalten ist. Die Anträge gingen wie folgt beim Europaischen Rat ein: Ungam (31. März 1994), Polen (5. April 1994), Rumanien (22. Juni 1995), Slowakei (27. Juni 1995), Lettland (13. Oktober 1995), Estland (24. November 1995), Litauen (8. Dezember 1995), Bulgarien (14. Dezember 1995), Tschechische Republik (17. Januar 1996) und Slowenien (10. Juni 1996).(Europäische Kommission (Hrsg.) (1996» Des weiteren haben die Türkei (Antrag vom 4. April 1987), Zypern (Antrag vom 3. Juli 1990), Malta (Erneuerter Antrag vom 14. September 1998) und die Schweiz (Antrag vom 20. Mai 1992) Beitrittsantrage gestellt. Ein Antrag von Marokko aus dem Jahre 1987 ist, aufgrund dessen Lage auf dem afrikanischen Kontinent, abgelehnt worden. Der türkische Antrag gilt z. Z. als unrealistisch. Zyperns Antrag wurde bereits im Juli 1993 positiv aufgenommen und Beitrittsverhandlungen rur sechs Monate nach Abschluß der Regierungskonferenz von 1996, die mit der Unterzeichnung des konsolidierten Vertrags am 2. Oktober 1997 in Amsterdam zu Ende ging, angekündigt. Die Schweiz verfolgt seit einem negativen Referendum nicht mehr ihren Beitrittsantrag. Die anderen Antragsteller sind auf spätere Beitrittsrunden vertröstet worden.

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sem und politische Berechenbarkeit nach außen zu erlangen. Die Heranfiihrung dieser Staaten an die EU wird technisch und finanziell begleitet. Um die Erweiterung erfolgreich zu gestalten, sind nicht allein auf Seiten der Beitrittskandidaten, sondern ebenso auf Seiten der EU politische und institutionelle Reformen erforderlich, denn auch bei einer Mitgliederzahl von bis zu 28 Staaten (nach Abschluß der Erweiterung um die dreizehn Antragsteller), muß die Handlungsfähigkeit ihrer Strukturen und die Teilhabe an der innergemeinschaftlichen Willensbildung gewährt sein. 4 Hierbei geht es u. a. darum, die künftigen Mitglieder bei der Übernahme des Standes der Integration ("acquis communautaire") zu begleiten, die fmanziellen Belastungen der neuen und der alten Mitglieder in überschaubaren und politisch tragfähigen Grenzen zu halten, neue Vertiefungsschritte offen zu lassen und ein "Europe a la carte" zu verhindern. Auf Vorschlag der EU-Kommission wurden 1998 mit den sechs Staaten Estland, Polen, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn sowie Zypern konkrete Beitrittsverhandlungen aufgenommen. 5 Auf dem Kopenhagener EUGipfel im Juni 1993 wurden Voraussetzungen rur die Mitgliedschaft formuliert, die von den Antragstellern erfilllt werden müssen. Die Kriterien umfassen filr jeden Beitrittskandidaten die institutionelle Stabilität der rechtsstaatlichen und demokratischen Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte, den Schutz von Minderheiten, die Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft sowie die Bereitschaft zur Übernahme der Ziele der politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion. 6 Die Kommission betont, daß die gleichzeitige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht bedeutet, daß die Verhandlungen auch gleichzeitig abgeschlossen werden. 7

Diese "wichtige[n] Voraussetzungen für einen Beitritt [sind] nicht erfüllt" (Wissenschaft/ieher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) (Hrsg.) (1996), S. 10.). Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWi sah die Aufgabe der Regierungskonferenz von 1996 in der Schaffung dieser wichtigen Voraussetzungen für eine Erweiterung der EU. Auf dieser Regierungsfolgekonferenz (gemäß Art. N 11 EUV vom 7.2.1992 i. d. F. vom I. Januar 1995) wurden allerdings die Entscheidungen über institutionelle Reformen verschoben. Spätestens ein Jahr bevor die Anzahl der EU-Mitglieder zwanzig übersteigt, muß eine Konferenz der EU-Regierungsvertreter zusammentreten, um eine umfassende Überarbeitung der vertraglichen Bestimmungen bezüglich der Zusammensetzung und Funktionsweise der Institutionen auszuarbeiten.(Europäischer Rat (Hrsg.) (1997c». Diese sechs Staaten wurden auf Vorschlag der Kommission aus den insgesamt dreizehn Beitrittskandidaten ausgewählt.(Europäische Kommission (Hrsg.) (1997), Bd. I, S.83-85.) Am 10. November 1998 begannen in BrOssel konkrete Beitrittsverhandlungen über sieben ausgewählte Kapitel: Wissenschaft und Forschung, berufliche Bildung, Telekommunikation, mittelständische Unternehmen, Industriepolitik sowie Außen- und Sicherheitspolitik. In späteren Verhandlungsrunden werden die Themen Agrar- und Regionalpolitik, Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die restlichen der insgesamt 31 Kapitel behandelt.

Europäische Kommission (Hrsg.) (1997), Bd. I, S. 49. Europäische Kommission (Hrsg.) (1997), Bd. I, S. 83.

EU-Osterweiterung - finanzierbar?

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In diesem Beitrag kann und soll nicht auf die notwendigen Vorbereitungsschritte und Anpassungserfordemisse seitens der Antragsteller eingegangen werden. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf den abschätzbaren fmanziellen Auswirkungen der Osterweiterung, die abhängen von verschiedenen Beitrittsszenarien (Auswahl der Beitrittsländer, Dauer der Übergangsfristen) sowie von den von der EU im Vorfeld geleisteten Reformschritten ihrer Politikfelder, insbesondere der Gemeinsamen Agrar-, Struktur- und Kohäsionspolitik sowie der Finanzierung. Die zur Zeit gültigen Vereinbarungen über die Ausgaben und die Einnahmen der EU laufen Ende des Jahres 1999 aus. Vor diesem Hintergrund wird zunächst das Ausgaben- und das Einnahmensystem dargestellt (Abschnitte B und C), bevor auf die Vorlage der Europäischen Kommission fUr den nächsten mittelfristigen Finanzplan, die Finanzielle Vorausschau 2000-2006, näher eingegangen (Abschnitt D) und diese einer Bewertung unterzogen wird (Abschnitte D.II und E).8 B. Ausgabensystem der Europäischen Union

Der Gemeinschaftshaushalt bestand ursprünglich aus filnf nebeneinander bestehenden Haushaltsplänen, da die drei Europäischen Gemeinschaften (EG) Europäische Gemeinschaft fUr Kohle und Stahl (EGKS), Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäische Atomgemeinschaft (EAG) finanzielle Autonomie besaßen. 9 Mit Inkrafttreten des Luxemburger Vertrages vom 22. April 1970 wurden fast sämtliche Haushaltstätigkeiten zum heutigen Gesamthaushaltsplan zusamrnengefaßt. Daneben existieren noch der Funktionshaushaltsplan der EGKS sowie die Anleihe- und Darlehenstätigkeiten der Gemeinschaft und die haushaltsmäßige Ausweisung des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Auf den offenkundigen Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit von Haushaltsplänen und die Problematik der eigentlich nicht vorgesehenen gemeinschaftlichen Verschuldungstätigkeit kann im Rahmen dieses Artikels nur hingewiesen werden. 1O Es sei nur am Rande erwähnt, daß die letztendliehen Zuständigkeiten rur die sog. obligatorischen und nicht obligatorischen Ausgaben zwischen Rat und Parlament aufgeteilt sind. 11 Der vorliegende Beitrag untersucht insbesondere die Vorlagen der Europäischen Kommission (1997) und (1 998d). Die zu Redaktionsschluß noch laufenden Ratsverhandlungen und ihre noch ausstehenden Ergebnisse konnten keine BerUcksichtigung mehr finden. 9

10

Europäische Kommission (Hrsg.) (1998c), S. 6.

Bezüglich des Problems der Darlehenstatigkeit der Gemeinschaft und der Frage nach der Zweckmäßigkeit einer eigenen Verschuldungskompetenz sei verwiesen auf Caesar, Rolf (1992), S. 121-177 und Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministeriumjür Wirtschaft (Hrsg.) (1994), S. 51-54, 62. 11

Zu den sog. obligatorischen Ausgaben gehören die Ausgaben der Gemeinsamen Agrarpolitik einschließlich der hierfilr bereitgestellten Wlihrungsreserven, Teile der Nahrungsmittelhilfen und

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Die Haushaltsverfahren der EG waren bis 1988 von deutlichen Spannungen zwischen Europäischem Parlament und Rat geprägt,12 die sich dann in der Folgezeit durch den Beschluß des Europäischen Rats über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften vom 24. Juni 1988 13 und die Interinstitutionelle Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens vom 29. Juni 1988 14 zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission reduzierten. ls Daraufhin wurde zum ersten Mal eine Art mittelfristige Finanzplanung, die Finanzielle Vorausschau, fiir den Füntjahreszeitraum 1988 bis 1992 (sog. Delors I-Paket) aufgestellt. Das besondere der Finanziellen Vorausschau ist die Verbindlichkeit der ausgewiesenen Beträge als Obergrenze fiir die Unterzeichner der Interinstitutionellen Vereinbarung, wobei sie jedoch kein Mehrjahreshaushaltsplan ist. In jährlichen Haushaltsverfahren wird im Rahmen der festgelegten Obergrenzen die tatsächliche Höhe der Ausgaben und die Zuweisung auf die einzelnen Haushaltslinien vorgenommen. Um die Entwicklung der Agrarausgaben einzudämmen, wurde außerdem eine Agrarleitlinie festgelegt, die als Instrument der Haushaltsdisziplin den Anstieg der gemeinschaftlichen Agrarausgaben auf jährlich maximal 74 v. H. der realen Steigerungsrate des BSP der Gemeinschaft begrenzt. 16 Die zweite Finanzielle Vorausschau (sog. Delors lI-Paket, 1993-1999) endet 1999, so daß eine Anschlußregelung erforderlich ist (s. Abschnitt D). Der Ausgabenplan des Gesamthaushaltsplans umfaßt sechs Einzelpläne, gegliedert nach den fiinf Organen Europäisches Parlament, Ministerrat, Kommission, Gerichtshof und Rechnungshof und dem Einzelplan des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen. 17 Lediglich der Einzelplan III der Europäischen Kommission betrifft neben Verwaltungsausgaben (Teil A) auch operationelle Mittel (Teil B), die den Schwerpunkt der Betrachtungen der Tätigkeit der EG bzw. der EU ausmachen. Die Entwicklung des Gemeinschaftshaushalts ist ein Spiegelbild der europäischen Integration und somit geprägt durch eine unstete, stufenweise Entwicklung. Hierzu gehören als AusAusgaben filr Mittelmeerländer aus den Kooperationsabkommen etc. Dem Rat steht die letzte Entscheidungsbefugnis über sog. obligatorische Ausgaben zu. Über nicht obligatorische Ausgaben hingegen entscheidet letztendlich das Europäische Parlament. Hierzu gehören v. a. die Strukturausgaben und die Ausgaben filr Forschung und Technologie. Hierzu und zum Haushaltsverfahren selbst bspw. Haller, Helmut (1991), S. 211-221, Folkers, Cay (1998), S. 575-583. Zur ausgabensteigernden Verletzung des Korrespondenzprinzips Biehl, Dieter (1995), S. 146, 127 f. 12

13 14 15 16

17

Läufer, Thomas (1990), S. 160-163. Europäischer Rat (Hrsg.) (1988), S. 24. Europäisches Parlament, Rat, Kommission (Hrsg.) (1988), S. 33. Häde, Ulrich (1993), S. 404. Ahner, Dirk (1991), S. 816 f., Schmitt, Günther (1998), S. 193. Europäische Kommission (Hrsg.) (1998c), S. 12.

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gangspunkt die Nachkriegssituation Europas (Wiederaufbau, Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung, Verflechtung der Montanindustrien etc.) und die daran anschließenden Integrationsschübe, die sich in der Fortentwicklung bzw. der Schaffung der einzelnen Politikbereiche äußerten: 18 Ausweitung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) durch Errichtung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds filr die Landwirtschaft (EAGFL) im Jahre 1962 sowie der anfänglich allein auf die EAG konzentrierten Forschungspolitik, Einführung der Gemeinsamen Fischereipolitik im Jahre 1970, Ausbau des seit EWGGründung bestehenden Europäischen Sozialfonds (ESF) im Jahre 1971, Aufbau der Europäischen Regionalpolitik durch Gründung des Europäischen Fonds filr Regionale Entwicklung (EFRE) im Jahre 1975, vertragliche Fixierung einer europäischen Zuständigkeit filr Umweltpolitik in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) im Jahre 1987, Fortentwicklung der Fonds EFRE, ESF und EAGFL, Abteilung Ausrichtung, d. h. der sog. Strukturfonds, durch die Reformen von 1988 und 1993, Einrichtung des Kohäsionsfonds und des Finanzinstrurnents filr die Ausrichtung der Fischerei (FIAF) im Jahre 1993 und schließlich die Regelungen im Vertrag über die Europäische Union (EUV) bezüglich der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Inneres (sog. 2. und 3. Pfeiler der EU). Ebenso wichtig filr die Entwicklung des Gemeinschaftshaushalts sind die Erweiterungen der Gemeinschaft. 19 Wie aus Übersicht 1 ersichtlich ist, betrug von 1968 bis 1988 der Anteil der Gemeinsamen Agrarpolitik an den Gemeinschaftsausgaben über 60 v. H., zumeist über 70 v. H. (Maximum 1970 mit 86,9 v. H.). Lediglich in den Jahren 1981 und 1982 beliefen sich die Anteile der Agrarausgaben auf einen Wert knapp unter 60 v. H. (59,7 resp. 57,6 v. H.), was auf den sprunghaften Anstieg der Regionalfondsausgaben (s. u.) in den genannten Jahren, die danach aber wieder nominal rückläufig waren, zurückzufilhren ist. Nach einem Anteil der Agrarausgaben von 68,4 v. H. an den Gemeinschaftsausgaben im Jahre 1985 sank der Wert, mit gewissen Schwankungen, immer weiter ab und machte im Jahre 1997 zum ersten Mal weniger als die Hälfte der gesamten Ausgaben aus. 20 Im Haushaltsplan des Jahres 1998 wurden 40,937 Mrd. ECU veranschlagt, was 49,0 v. H. des Gesamthaushaltsplans (83,529 Mrd. ECU) bzw. unter Hinzunahme von EEF und EGKS-Funktionshaushalt 47,8 v. H. der gesamten Gemein18

Röttinger, Moritz (1991), S. 5-14, Europäische Kommission (Hrsg.) (1998c), S. 25 f., Europäische Kommission (Hrsg.) (1995), S. 14 f. 19

Bislang gab es jeweils zum 1. Januar in Kraft tretende vier Erweiterungen: 1975 um Danemark, Irland und das Vereinigte Königreich, 1981 um Griechenland, 1986 um Portugal und Spanien sowie 1995 um Finnland, Österreich und Schweden. Eine weitere Erweiterung fand de facto mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland zum 3.10.1990 statt. Zum I. Februar 1985 trat Grönland aus der Europäischen Gemeinschaft aus. 20

Ink!. EEF und EGKS-Funktionshaushalt, sonst 50,6 v. H.

5 ParaskewopouJos

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schaftsausgaben (85,656 Mrd. ECU) entspricht. Für 1999 sieht der Haushaltsvorentwurf ein weiteres Absinken des Agraranteils vor (auf 47,4 v. H. bzw. 46,3

v. H.).

Übersicht 1 Entwicklung der Gemeinschaftsausgaben von 1965 bis 1999 Ausgewählte Jahre in v. H. Bereiche

11185

11188

11170

11175

HIlU.halt. ahr 11180 11181

11182

11185

11188

111811

G •• amthaushaltsplan EAGFL-Garantle

8trukturfond., davon: -EAGFL-AusrichtunQ -EFRE -ESF -KohMsionsfonds -FIAF

Forschung

Maßnahmen Im

AuB ...be"'ch

Verwaltung Erstattungen und sonstige

Au.gaben

Ge.amthau.hatt'Dlan EEF ECKS

EAGI1J

Gesamtbetrag der

Gemeinschaft.au.aab.n

Gemeinschaftsausgaben in v. H. der öffentllch.n Ausgaben der Mitaliedstaat.n Au.gaben In v. H. des BIP der Gemelnschllf't

B.reich.

11.5 1,~

0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

0,0 12,8

77.4 3,8 2,1 0,0 1,5 0,0 0,0 ~,5

118,11 2,7 1,8 0,0 1,0 0,0 0,0 1,8

0,1 5,8

0,0 3,2

70,8 8,2 1,3 2,5 2,4 0,0 0,0 1,11 ~,1

8,0

88,S

11,0 1,9 4,8 4,3 0,0 0,0 2,2 3,7 5,0

57,&

88,4

12,8 2,4 5,6 4,9 0,0 0,0

&2,1

15,1 2,7 7,0 5,4 0,0 0,0 2,7

3,3 0,0 0,0 1,7 ~,O

~,2

3,3

1,8

2,5

~,II

~,5

~,5

~,II

13,0

5,1

2,~

5,9

5,2

10.4

2,11 0,7 0,0

1181 3,0 0,9 0,0

118,7

0,9 0,0

1115 5 2,8 0,7 0,0

100,0

100,0

1000

1000

1000

0,0

15,3

5,8

M7

1153

1115~

35,~

1,3 0,0

1,2 0,0

100,0

1000

100,0

100,0

57.7

21,5 3,1 13,6 4,8 0,0 0,0 2,1

15,0

0,0 1115 15,5 2,0 0,0

3,~

111,2 2,11

1157 3,8 0,8 0,0

0,0 22,S 31,5 10,5

~,1

58,7

2,~

18,8

3.2 9,3 6,3 0,0 0,0 3,8

8.11 118~

3,1 0,5 0,0

1000

03

1 1

20

12

17

17

17

111

22

20

011

0~2

o 7~

OM

080

081

085

093

1~

095

Hau.hafts ahr

111110

111111

1l1li2

111113

111M

18115

ieee

18117

1QIISC2 '

1a911~)

G.samthau.haIt.plan EAOFL-Garantle Strukturfond •• davon: -EAGFL-Ausrichtung -EFRE -ESF -Ko"'sionsfoncls -FIAF Forschung Maßnahmen Im Außenbereich Verwaltung Erstattungen und .on_Ige Ausgaben Oe.amthaushaltsplan in.oe.amt EEF EOKS EAG 1" Oe.amtbetrag der Gemelnschaft.ausoaben Qemelnschaftsausgaben in v. H. der öffentlichen Ausgaben der Mitgliedstaaten Ausgaben in v. H. des BIP der Gemein.chaft

58.1 21.0

58,5

51,4

52,4

30,2 4,7 14,1 7,1 0,0 0,0 3,1

30,7 4,4 14,3 8,1 1,2 0,0 3,3

~,O

3,5

~,3

~,8

~,7

7,3

3,5

1166 2,8 0,8 0,0 1000

4,0

10,0

7,0 0,0 0,0 3,11

3,1 5,1

53,8

50.4

50,0

48,5

5,0

5,0 5,8

5,0 5,7

3,2

1,~

2,2

~,5

3,0

2,8

2,5

2,~

1173 2,2 0,8 0,0

881 3,2 0,7 0,0

1171 2,3 0,11 0,0

2,8 0,7 0,0

1173 2,3 0,4 0,0

1180 1,7 0,3 0,0

980 1,5 0,8 0,0

1175 2,3 0,2 0,0

97.8 2,2 0,2 0,0

1000

1000

1000

1000

1000

1000

1000

1000

1000

25,8

4,0

10.3

118~

32,2 4,4 14,1 7,5 2,8 0,6 3,7

~,II

~,8

48.3

7,0 1,4 0,6 4,0

3,8 11,5 7,3 0,0 0,0 3,1

31,3 4,3 13,5 7,7 2,4 0,5 3,7

47,8

28,1 3,7 12,2 6,6 2,5 0,4 3,8

25,~

5,1

4,1 14,1 7,9 3,1 0,5 3,5

35,2 4,4 14,6 8,4 3,3 0,6 3,5

5,1

5,3 5,1

5,2 5,0

33,~

20

22

22

23

21

21

23

2,3

2~

2~

0,115

1,05

1 11

1,21

1,08

108

1,16

11~

1 15

1,13

(I) Der EAG-Haushalt wurde ab 1969 in den Gesamthaushaltsplan einbezogen; (2) Haushaltsplan; (3) Haushaltsvorentwurf.

Quelle: Europäische Kommission (Hrsg.) (I 998c), S. 28-30, 36 f.

EU-Osterweiterung - finanzierbar?

67

Die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik wurden im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 festgelegel Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft, Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung filr die in der Landwirtschaft tätigen Personen, Stabilisierung der Märkte, Sicherstellung der Versorgung und Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen. Um diese Ziele zu erreichen, wurden bei der Errichtung des gemeinsamen Agrarmarkts drei Prinzipien zugrunde gelegt: Einheitlichkeit des Marktes, Gemeinschaftspräferenz und fmanzielle Solidarität. Übersicht 2 Entwicklung ausgewählter Gemeinschaftsausgaben von 1965 bis 1999

!

100r------=--::::::::====::::======~==~~~~~~~ Gesamthaushaltsplan

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HlulhaltsJlhr

Quelle: Eigene Darstellung nach Europaische Kommission (Hrsg.) (1998c), S. 28-30.

Fast spiegelbildlich zur Entwicklung des Agrarhaushalts verläuft der Anteil der seit 1975 zweitgrößten Ausgabenkategorie: die strukturpolitischen Ausgaben (s. Übersicht 2). Betrug ihr Anteil im Jahr 1975 noch 6,2 v. H. der gesamten Gemeinschaftsausgaben und erreichten sie 1982 ein vorläufiges Maximum von 21,5 v. H., so wuchs mit der Finanziellen Vorausschau 1988-1992 (sog. Delors I-Paket) der Anteil der strukturpolitischen Mittel kontinuierlich von 15,1 v. H. (1988) auf30,2 v. H. (1992) an, was der politisch beabsichtigten realen Verdoppelung entspricht. Nominal wuchsen die Ausgaben um fast das 2,9fache an. Im daran anschließenden Zeitraum 1993-1999 (sog. Delors lI-Paket) verlief der 21

Art. 36 1 EWGV i. d. F. von 1987 (0. V. (Hrsg.) (1991), S. 20 f.), unverandert als heutiger Art. 391 EGV (Läufer, Thomas (Hrsg.) (1996), S. 143).

68

Thomas Lenk und Andreas Mathes

Anstieg der strukturpolitischen Ausgaben an den gesamten Gemeinschaftsausgaben verhaltener: von 30,7 v. H. (1993) (und anschließenden Einbrüchen in den Jahren 1994 und 1995) auf 35,2 v. H. (1999). Das Delors lI-Paket verdoppelte immerhin die Mittelzuflüsse an die vier Kohäsionsländer Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, die sie aus der Förderung der am stärksten benachteiligten Regionen (Ziel-l der Strukturfonds) und dem Kohäsionsfonds bezogen. 22 Die durch die sog. Delors 1- und lI-Pakete eingeleiteten Ausgabeverschiebungen zugunsten der Strukturpolitik veranschaulicht Übersicht 3. Die strukturpolitischen Anfänge gehen auf den durch den Römischen Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingefiihrten Europäischen Sozialfonds (ESF) zurück. Er wurde 1971 reformiert und gestärkt. 1975 wurde die Europäische Regionalpolitik durch Gründung des Europäischen Fonds filr Regionale Entwicklung (EFRE) aufgebaut und im Jahre 1987 vertraglich verankert. Im Jahr 1964 erfolgte die Teilung des EAGFL in die zwei Abteilungen Garantie (Gemeinsame Agrarpolitik) und Ausrichtung. Damit gehörten zu den Strukturfonds der EFRE, ESF und EAGFL, Abteilung Ausrichtung. Die Verwaltung und Koordinierung der Strukturfonds wurde 1988 neu gestaltet,23 mit dem Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und die Risiken daraus fiir periphere und rückständige Regionen aufzufangen. 24 Im Zuge der Strukturfondsreformen von 1993 kam als jüngstes Instrument das Finanzinstrument fiir die Ausrichtung der Fischerei hinzu, das damit die Zuständigkeit des EAGFL, Abteilung Ausrichtung fiir Fischereihilfen übernahm. Als weiteres Instrument existiert seit 1. Januar 1993 der Kohäsionsfonds, der im Gegensatz zu den Strukturfonds nicht auf Regionen, sondern auf ganze Mitgliedstaaten ausgerichtet ist. 25 Die Strukturfonds knüpfen die Mittelverteilung an regionale Kriterien, mit denen bestimmt werden soll, ob eine Region im Verhältnis zum EU-Durchschnitt weniger entwickelt und/oder strukturschwach ist. Das fiir die Mittelgewährung aus dem Kohäsionsfonds relevante Kriterium ist die Erreichung eines Pro-Kopf-Einkommens eines Mitgliedstaats von höchstens 90 v. H. der Pro-Kopf-Einkommens des EU-Durchschnitts. Er wurde im Zusammenhang mit den Verhandlungen um die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion in den Vertrag über die Europäische Union aufgenommen, um 22

Europäische Kommission (Hrsg.) (1995), S. 32.

23

Zielsetzungen, Arbeitsweise und Abstimmungen zwischen den Fonds wurden grundlegend im Jahre 1988 reformiert. In Zusammenhang mit dem Delors I-Paket wurden 1988 runf Verordnungen durch den Rat erlassen, und zwar die sog. Rahmen- , Koordinierungs-, Regionalfonds-, Sozialfonds, und Agrarfonds- (Abteilung Ausrichtung) Verordnungen. Diese wurden 1993 angepaßt und 1994 um Bestimmungen rur die 1995 hinzugekommenen Beitrittsländer ergänzt.(Europäische Kommission (Hrsg.) (I998e), Klemmer, Paul (1998), S. 496 f.) Zur 1988er Reform Franzmeyer, Fritz / Seidel, Bemhard / Weise, Christian (1993). 24

25

Schoneweg, Egon (1991), S. 784-786. Kritisch zur europäischen Strukturpolitik Weise, Christi an (1995), S. 270-275.

69

EU-Osterweiterung - finanzierbar?

Griechenland, Irland, Portugal und Spanien den Anpassungsdruck zur ErfiHiung der Konvergenzkriterien der Währungsunion zu erleichtern?6 Gemeinsames Ziel dieser Fonds ist die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Union, ein Ziel der Europäischen Integration, das schon in der Präambel des Vertrags von 1957 stand und durch die EEA zu einem eigenen Vertragsteil wurde?7 Übersicht 3 Dynamik der Ausgaben für Landwirtschaft und Strukturpolitik 1988-1996

45=,----------------------------------------------------, 1.11

durchschnittlich jilhrlich + 5,0 v. H.

'113

,,,.

"11 :0 U

w

25=

durchschnittlich jlhrlich +16,8 %

ci

i

.5

20 000

'''3

1ftO

5000

Landwirtschaft

Strukturpolitische MaSn.hmen

Quelle: Eigene Darstellung nach Busch (1998), S.23

Wie erwähnt, sind auch in den Haushaltsplänen 1998 und 1999 die Agrarausgaben der größte und die Strukturpolitik der zweitgrößte Ausgabenposten (s. Übersicht 4)?8 In den Jahren 1998 und 1999 entfallen auf die Agrarpolitik 44,0 v. H. bzw. 41,7 v. H. und auf die Strukturpolitik 36,9 v. H. bzw. 40,3 v. H. Als drittgrößte Ausgabenkategorie des Haushaltsplans 1998 folgen die sog. internen Politikbereiche, fiir die 6,4 v. H. bzw. 6,0 v. H. der Gesamtausgaben vorgesehen sind, um Ausgaben fiir Forschung und Entwicklung, transeuropäische Netze, Bildung, Umweltschutz ete. zu finanzieren. Die Anteile der sog. Maßnahmen im 26

Weise, Christi an (1995), S. 275.

27

" Titel V des EWG-Vertrags (EWGV) (Biehl, Dieter (1986), S. 115-120).

28

Diese und die nun folgenden Angaben entsprechen der Systematik der entsprechenden finanziellen Vorausschau, so daß gegenüber dem o. g. Abweichungen auftreten können.

70

Thomas Lenk und Andreas Mathes

Außenbereich an den Gesamthaushaltsplänen der Jahre 1998 und 1999 sinken nicht so stark wie die der internen Politikbereiche, so daß sie im Jahr 1999 die internen Politikbereiche übertreffen. Die Außerunaßnahmen erreichen in den beiden Jahren 6,3 v. H. bzw. 6,1 v. H. Hierunter fallen die Finanzhilfen an die MOE-Länder im Rahmen der technischen Hilfe PHARE, an die Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Rahmen des TACIS-Programms sowie an andere Drittländer. Für die Verwaltungsausgaben werden 5,0 v. H. bzw. 4,6 v. H. und filr die Reserven 1,3 v. H. bzw. 1,2 v. H. der Gesamtausgaben der Jahre 1998 und 1999 bereitgestellt.

Übersicht 4 Haushaltspläne 1998 und 1999 nach den Rubriken der Finanziellen Vorausschau in v. H. 1998

Rubriken

1999

1. landwirtschaft

44,0

2. StrukturpolItIsche Maßnahmen

38,9

40,3

33,6

37,0

3,2

3,2

01

00

3. Interne PolItIkbereiche

84

80

4. Externe PolItIkbereiche

63

81

5. Verwaltuna

50

48

Sirukturfonds Kohasionsfonds EWR-Finanzierungsmechanismus

6. Reserven

Wahrungsreserven Reserve rar Soforthiffen

Reserve rar Darlehensgaranlien 7. Ausllieichszahlunllen Obergrenze der Mittel fOr Verpfllchtunllen

41,7

1,3

1,2

0,6

0,5

0,4

0,4

04

04

01

00

1000

1000

Quelle: Eigene Berechnungen nach Europäische Kommission (Hrsg.) (1999), S. 14.

Insbesondere die strukturpolitischen Maßnahmen und die Gemeinsame Agrarpolitik werden durch den beabsichtigten Beitritt von MOE-Staaten erheblich berührt, da diese Staaten ein relativ niedriges Wohlstandsniveau und relativ hohe Agrarsektoranteile haben. Auf diese Problematik wird in den Abschnitten D.l.l und D.1.2.a) näher eingegangen.

C. Einnahmensystem der Europäischen Union Zwischen 1958 und 1970 wurde der Haushalt durch ein System von Beiträgen der Mitgliedstaaten finanziert, die nach einem allgemeinen Schlüssel und zwei spezifischen Schlüsseln für den Europäischen Sozialfonds (ESF) und die For-

EU-Osterweiterung - finanzierbar?

71

schungs- und Investitionsausgaben der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) festgelegt wurden?9 Eine Ausnahme bildet auch heute noch die EGKS, die sich durch eine ad-valorem-Umlage auf die Montanprodukte z. T. selbst finanziert, weshalb der EGKS-Funktionshaushalt nicht in den Gemeinschaftshaushalt integriert ist. 30 Doch war bereits zu Beginn vorgesehen, die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch Eigenmittel zu ersetzen. Dabei wurde insbesondere an die "Einnahmen aus dem Gemeinsamen Zolltarif nach dessen endgültiger Einfilhrung,,31 gedacht. Nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Den Haag im Dezember 1969 wurden durch den Ratsbeschluß vom 21. April 1970 die nationalen Finanzbeiträge durch ein System eigener Mittel ersetzt. Die Eigenmittel der Gemeinschaft, welche ihr von Rechts wegen zustehende Einnahmen sind, werden nicht in einem Vertrag, sondern durch einstimmigen Ratsbeschluß und Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten näher bestimmt. 32 Zu den Eigenmitteln zählen heute •

die gemeinsamen Zölle,33



die Agrarabschöpfungen (einschl. Zucker- und Isoglukoseabgaben),



wobei diese beiden Eigenmittel unter dem Begriff originäre oder traditionelle Eigenmittel zusammengefaßt werden,



die Mehrwertsteuer (MwSt.)-Eigenmittel und



die Eigenmittel auf der Grundlage des Bruttosozialprodukts (BSP).34

Durch den Ratsbeschluß vom 24. Juni 1988 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften35 ist die Zusammensetzung auf die o. g. vier Eigenmittel 29

Art. 200 I EWGV und Art. 172 I EAGV filr die allgemeinen Schlüssel und Art. 200 II EWGV und Art. 172 II EAGV filr die spezifischen Schlüssel, jeweils i. d. F. von 1957. 30

Die ad-valorem-Umlage auf den Produktionswert von Kohle und Stahl in der Gemeinschaft, "EGKS-Umlage", ist als "erste europäische Steuer" bezeichnet worden: Biehl, Dieter (1988), S. 706 f. Zur Entwicklung des EGKS-Umlagesatzes zwischen 1953 und 1994: Europäische Kommission (Hrsg.) (1995), S. 134. Allerdings wurde 1998 der EGKS-Umlagesatz auf 0 v. H. festgelegt. Die Finanzierung des EGKS-Haushalts erfolgt durch den "Nettoüberschuß" der jährlichen Finanztätigkeiten und eine Rückstellung aus dem Vorjahr (Europäische Kommission (Hrsg.) (1998c), S.21). 31

32 33

Art. 201 EWGV i. d. F. von 1957. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministeriumfür Wirtschaft (Hrsg.) (1994), S. 49.

Die traditionellen Eigenmittel werden durch die Mitgliedstaaten im Auftrag der EU eingezogen. Zur Abgeltung der Erhebungskosten können die Mitgliedstaaten seit 1988 pauschal 10 v. H. einbehalten. 34

..

Die bisher letzte Anderung des Eigenmittelsystems wurde auf der Sitzung des Europäischen Rats in Edinburgh im Dezember 1992 vereinbart, in einem Ratsbeschluß im Oktober 1994 konkretisiert (Europäischer Rat (Hrsg.) (1994» und trat zum 1. Januar 1995 in Kraft.

Thomas Lenk und Andreas Mathes

72

erweitert und verändert worden. So wurde im Eigenmittelbeschluß von 1988 insbesondere folgendes geregelt: •

Einruhrung eines Eigenmittelplafonds, der fiir alle Eigenmittelarten zusammen eine Obergrenze von maximal 1,20 v. H. des EU-BSP festlegte,



Begrenzung der Bemessungsgrundlage rur die Mehrwertsteuer-Eigenmittel auf 55 v. H. des jährlichen Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen (BSP) unter Beibehaltung eines Höchstabrufsatzes von 1,4 v. H.,



Einfiihrung des BSP-Eigenmittels als viertes Eigenmittel/ 6



Übertragung der Ertragshoheit der EGKS-Zölle von den Mitgliedstaaten an die Europäische Gemeinschaft,



Fortfiihrung des nachträglichen Korrekturmechanismus fiir das Vereinigte Königreich (66 v. H. des sog. Nettosaldos wird im Folgejahr von den anderen Mitgliedstaaten erstattet, wobei Deutschland nur mit einem Drittel seines eigentlichen Anteils zur Refmanzierung herangezogen wird).

Die alle Einnahmen betreffende Eigenmittelplafonierung des Beschlusses von 1988 ist eine Antwort auf vorausgegangene Finanzierungskrisen, die aus zwischen den europäischen Institutionen nicht koordinierten ausgabenwirksamen Programmen resultierten. Das Instrument der Einnahmenobergrenze verknüpft die Ausgabenseite mit der Finanzierungsseite, um die Ausgabenentwicklung zu begrenzen und die Haushaltsdisziplin sicherzustellen. Diese umfassende fiskalische Restriktion ergänzt die Beschlüsse zur Begrenzung der Agrarausgaben und der sog. nicht obligatorischen Ausgaben,37 um in der Kombination ein vorzeitiges Erreichen der Gesamtgrenze zu verhindern. 38 Die Eigenmittelobergrenze von maximal 1,20 v. H. des EU-BSP blieb rur die Haushaltsjahre 1993 und 1994 unverändert erhalten. Die Staats- und Regierungschefs entschieden im Edinburgher Beschluß vom Dezember 1992 die Finanzausstattungsobergrenze von den 1992 erreichten 1,20 v. H. bis zum l. Januar 1999 auf 1,27 v. H. des EUBSP anzuheben, um das Gewicht der MwSt.-Eigenmittel von über 50 v. H. auf rund 35 v. H. im Jahre 1999 zu senken und stattdessen den Anteil der BSPEigenmittel auf über 50 v. H. zu erhöhen. 39 35

Europäischer Rat (Hrsg.) (1988).

36

Das knüpft an frühere Finanzierungsmodalitäten an. Die Finanzbeiträge der GrOndungszeit der EWG entsprachen "in etwa dem Verhältnis der Bruttosozialprodukte der Gründungsmitglieder bei den Vertragsverhandlungen"(Folkers, Cay (1998), S. 590). 37

38 39

Siehe Fußnote 11. Europäische Kommission (Hrsg.) (1995), S. 48, Folkers, Cay (1998), S. 596.

Ein Vergleich der Entwicklung des Anteils der Mehrwertsteuer-Eigenmittel ohne und mit Edinburgher Beschluß im lahr 1999 unternahmen bereits Courchene u. a. (1993), S. 86. Der an den

73

EU-Osterweiterung - finanzierbar?

Übersicht 5 Entwicklung der EU-Eigenmittel von 1988 bis 1999 in v. H. der gesamten EU-Eigenmittel 100

90 ~

6'

~ • BSP·Elgenmttel • Mehrwertsteuer ·Elgenrrwnel

O Tr.drtlonelle Eigenmttet

., ", .

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1991

1998

1999

Quelle: Eigene Darstellung nach Europaische Kommission (Hrsg.) (1998b), S. 2.

Wie Übersicht 5 verdeutlicht, haben der Eigerunittelbeschluß von 1988 und die nachfolgenden Änderungen merkliche Auswirkungen auf die Struktur der EU-Eigerunittel. Der Anteil der traditionellen Eigerunittel an den Haushaltseinnahmen sank von 29,1 v. H. im Jahre 1988 auf unter 20 v. H. 1996 und schließlich auf 16,1 v. H. im Jahre 1999. Die aufgrund der Handelsliberalisierungen gesunkenen Zollsätze40 führten bei steigendem Außenhandelsvolumen zu fast gleichbleibendem absolutem Aufkommen. Zusammen mit der Haushaltsausweitung der Delors 1- und lI-Pakete fUhrt dies zur beobachtbaren sinkenden Bedeutung der traditionellen Eigerunittel fUr den EU-Haushalt. Während also zunächst der Anteil des Mehrwertsteuer-Eigerunittel seit 1979 anstieg und ab 1982 immer bei weit über 50 v. H. der Gemeinschaftseinnahmen lag,41 nahm ihre Bedeutung Edinburgher Beschluß von 1992 anknüpfende Eigenmitteibeschluß vom 31. Oktober 1994 konnte aufgrund des Ratifizierungsverfahrens erst zum I. Juli 1996 in Kraft treten, wurde jedoch rückwirkend zum 1. Januar 1995 wirksam.(Stark, Jürgen (1997), S. 25 f., 28.) Nicht vergessen werden sollte, daß die Europaische Kommission, unterstützt durch das Parlament, ursprünglich eine schnellere und höhere Mittelausstattung in Höhe von 1,40 v. H. des EU-BSP ab 1992 vorschlug. 40 41

Courchene u. a. (1993), S. 83. Europäische Kommission (Hrsg.) (1998c), S. 40-42.

74

Thomas Lenk und Andreas Mathes

später ebenfalls ab: von 60 v. H. im Jahr 1988 auf unter 50 v. H. im Jahr 1997 und auf voraussichtlich noch 35,4 v. H. im Jahr 1999.42 Dies spiegelt ebenfalls die Änderung politischer Prioritäten wider, allerdings ausgelöst durch eine Neugewichtung der Finanzierungsseite. Dem Mehrwertsteuer-Eigenmittel kam lange Zeit die Rolle des Haushaltsausgleichs zur Deckung verbleibender Finanzierungslücken zu. Für die zwischen den Mitgliedstaaten harmonisierte Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage wurde zunächst ein Höchstsatz von 1 v. H. bestimmt. Obwohl im Ratsbeschluß von 21. April 1970 geregelt, kam das Mehrwertsteuer-Eigenmittel aufgrund von Verzögerungen bei der Einfilhrung und der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage "erst im Jahre 1980 uneingeschränkt zur Anwendung,,43. Die Eigenmittelausstattung der Jahre 1984 und 1985 der Gemeinschaft erwies sich jedoch als unzulänglich, so daß der Nachtragshaushalt 1984 durch zurückzahlbare, zinslose Vorschüsse der Mitgliedstaaten auf ihre künftigen Beiträge und die Ergänzungsfmanzierung des Haushalts 1985 durch nicht zurückzahlbare Vorschüsse finanziert wurde. Zum 1. Januar 1986 wurde der Höchstabrufsatz auf 1,4 v. H. angehoben. Das Ziel, die Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts sicherzustellen, fiihrte also zunächst zur Ausweitung des Plafonds der Mehrwertsteuer-Eigenmittel. Schon früh wurde die Verwendung der Mehrwertsteuer als Bemessungsgrundlage kritisiert, da sie nicht die Beitragskapazität eines Mitgliedstaats adäquat abbilden könne und sogar ein regressives Einnahmenelement darstelle. 44 In Äquivalenz zur persönlichen Einkommensbesteuerung sollte ein Mitgliedstaat entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Europäischen Union herangezogen werden. Eine Möglichkeit die Leistungsfähigkeit eines Mitgliedstaats zu messen, ist sein BSP heranzuziehen. Wäre in jedem Mitgliedstaat der Anteil der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage am nationalen BSP gleich hoch, so würde die Mehrwertsteuer die Beitragskapazität gemessen am BSP in geeigneter Weise darstellen. Ein Vergleich zwischen MehrwertsteuerBemessungsgrundlage und BSP eines Mitgliedstaats zeigt jedoch auch nach Harmonisierung der Bemessungsgrundlage,45 daß die Mehrwertsteuer nicht zur 42

Der Anteil der Mehrwertsteuer-Eigenmittel im Jahr 1990 verlief ungewöhnlich: Im Vergleich zum Vorjahr stieg er um über neun Prozentpunkte auf 69,9 v. H., sank im Folgejahr wieder um 10,4 Prozentpunkte auf etwas unter das Vorjahresniveau, nämlich auf knapp unter 60 v. H. Spiegelbildlich dazu sank der Anteil des BSP-Eigenmittels auf nur 0,7 v. H. ab. Dies ist dadurch zu erklären, daß von 1989 auf 1990 die Gemeinschaftsausgaben im Verhältnis zum BIP der Mitgliedstaaten nicht stiegen. 43

Europäische Kommission (Hrsg.) (1995), S. 43.

44

Biehl (1995), S. 145 f. Kritisch zur Regressivitätsthese Folkers, Cay (1998), S. 600 f., der allerdings den Begriff "Regression" verwendet. 45

Da die Bemessungsgrundlage der national recht unterschiedlichen Mehrwertsteuersysteme harmonisiert wird, kann nicht das Mehrwertsteuer-Aufkommen herangezogen werden, sondern es muß die standardisierte Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage berechnet werden. Die Grundlage

EU-üsterweiterung - finanzierbar?

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Abbildung der Leistungsflihigkeit im Sinne des BSP herangezogen werden kann: Die höchsten Anteile der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage am nationalen BSP erreichen im Jahr 1991 die ärmsten Mitgliedstaaten Portugal (67,6 v. H.) und Irland (67,2 v. H.).46 Die Orientierung am zweiten Eigenmittel unterstellt also den Ländern Portugal und Irland aufgrund ihres überdurchschnittlich hohen privaten Verbrauchs und ihrer damit verbundenen niedrigen Sparquote die höchste Beitragskapazität. Diesem unerwünschten regressiven Charakter der Mehrwertsteuer sollte durch zwei Maßnahmen entgegengewirkt werden: 47 •

Erstens wurde mit der Finanzreform von 1988 die MehrwertsteuerBemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten auf 55 v. H. ihres BSP begrenzt. Dies wurde durch den Eigenmitteibeschluß von 1994 noch verschärft. Für Mitgliedstaaten, deren Pro-Kopf-BSP 1991 unter 90 v. H. des EUDurchschnitts lag, also die Kohäsionsländer Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, wurde die Bemessungsgrundlage ab 1995 auf 50 v. H. abgesenkt. Für die anderen Mitgliedstaaten erfolgt ab 1995 eine schrittweise Senkung um jährlich einen Prozentpunkt, um im Jahre 1999 ebenfalls die Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage auf 50 v. H. ihres nationalen BSP zu reduzieren (s. Übersicht 6).



Zweitens wird seit 1995 der maximale Mehrwertsteuer-Abrufsatz von 1,4 v. H. jährlich um 0,08 Prozentpunkte wieder bis auf 1,0 v. H. im Jahr 1999 gesenkt. Der einheitliche Mehrwertsteuer-Abrufsatz ist jedoch niedriger als der maximale Mehrwertsteuer-Abrufsatz, da fiir den Haushaltsausgleich zugunsten des Vereinigten Königreichs ein Haushaltsspielraum verbleiben muß.

Die Berechnung der Beitragsschuld eines Mitgliedstaats aus dem Mehrwertsteuer-Eigenmittel ist zu einem sehr komplizierten Unterfangen geworden. Zu berücksichtigen ist nicht nur, daß die Bemessungsgrundlage nicht mit dem tatsächlichen Aufkommen übereinstimmt, sondern nach einem bestimmten Verfahren (Harmonisierung) zu berechnen ist. Außerdem tragen der Korrekturmechanismus des Vereinigten Königreichs, der zudem eine besondere Regelung rur der Berechnung ist jedoch sehr kritisch zu sehen, da Italien und Dänemark ungewöhnlich niedrige Verbrauchsquoten aufzeigen (s. Fußnote 46). 46

Courchene u. a. (1993), S. 84. Luxemburg, das gemessen am Pro-Kopf-BSP reichste Land, hat die drittgrößte Verbrauchsquote von 66,0 v. H. Die mit Abstand geringsten Quoten weisen Italien (40,6 v. H.) und Dänemark (42,8 v. H.) auf. Auch rur 1992 wird die durch die Regressivität verursachte Benachteiligung Griechenlands, Irlands, Portugals und Spaniens betont: Europäische Kommission (Hrsg.) (1995), S. 47. 47

Auch in die europäischen Verträge wurde das Problem regressiver Einnahmen aufgenommen: Im Protokoll über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt des EUV, das mit Inkrafitreten des Vertrags zu einem Protokoll des EGV wurde, erklären die Mitgliedstaaten "die Absicht, der Beitragskapazität der einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen des Systems der Eigenmittel stärker Rechnung zu tragen und zu prüfen, wie rur die weniger wohlhabenden Mitgliedstaaten regressive Elemente im derzeitigen System korrigiert werden können".(o. V. (Hrsg.) (1993), S. 334.)

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Thomas Lenk und Andreas Mathes

Deutschland beinhaltet, der maximale Mehrwertsteuer-Abrufsatz und die Kappung der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage auf 50 v. H. des BSP zur Unübersichtlichkeit bei. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoller, das Mehrwertsteuer-Eigenmittel, das ohnehin immer mehr zu einem auf das BSP bezogenen Beitrag wurde, durch BSP-Eigenmittel zu ersetzen. 48 Übersicht 6 Die Bemessungsgrundlage des Mehrwertsteuer-Eigenmittels von 1988 bis 1999 19B8

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