Frauenorientiertes Personalmarketing: Chancen – Wege – Perspektiven [1 ed.] 9783896447937, 9783896730176

Viele Entscheidungsträger in der Wirtschaft gehen davon aus, daß Fach- und Führungsfrauen ein Potential der Zukunft für

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German Pages 336 [337] Year 1997

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Frauenorientiertes Personalmarketing: Chancen – Wege – Perspektiven [1 ed.]
 9783896447937, 9783896730176

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Katrin Hansen ♦ Gisela Goos

Frauenorientiertes Personalmarketing Chancen - Wege - Perspektiven

Verlag Wissenschaft & Praxis

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Hansen, Katrin: Frauenorientiertes Personalmarketing / Katrin Hansen ; Gisela Goos - Sternenfels ; Berlin : Verl. Wiss, und Praxis, 1997 ISBN 3-89673-017-7 NE: Goos, Gisela:

ISBN 3-89673-017-7 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 1997 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis 1.

Projektbeschreibung

1.1.

Einleitung

1.2.

Weibliche Fach- und Führungskräfte im Fokus unter­ nehmerischer Personalpolitik: Ein Streifzug durch die Literatur

9

12 18

1.3.

Projektaufbau

2.

Frauenorientiertes Personalmarketing

2.1.

Einleitung

22

2.2.

Begriff und Prinzipien des Personalmarketings

23

2.3.

Konsequenzen für die Frauenförderung in Unternehmen

26

2.3.1. Erschließung weiblicher Potentiale als Aufgabe

26

2.3.2. Mittel- bis langfristig angelegter Zeitrahmen

28

2.3.3. Gestaltung konsistenter Maßnahmenbündel

29

2.3.4. Integration in die Untemehmensstrategie

31

2.3.5. Einbeziehung der relevanten Interessengruppen

33

2.4.

Bestandteile frauenorientierter Personalmarketing-Konzepte

36

2.4.1. Bausteine situativ angemessener Personalmarketing-Konzepte

36

2.4.2. Akteure in frauenorientierten Personalmarketing-Projekten

43

3.

Frauen als Zielgruppe des Personalmarketings

3.1.

Ziele des frauenorientierten Personalmarketings

49

3.1.1. Normative Ziele

51

3.1.2. Strategische Ziele

54

3.1.3. Operative Ziele

63

3.1.4. Zur Einbettung des Zielsystems in die Untemehmenskultur

66

3.2.

Zur Notwendigkeit eines frauenorientierten Personalmarketings

3.2.1. Berufswahl und Ausbildung von Frauen in Deutschland

67 68

5

3.2.2. Berufseinstieg und Entwicklung weiblicher Fach- und Führungskräfte 3.3.

76

84

Darstellung eines differenzierenden Zielgruppen-Ansatzes

3.3.1. Familienfrauen: (K)eine Zielgruppe für das Personalmarketing? 3.3.2. Drei-Phasen-Frauen: Ein Potential spezifisch weiblicher Kompetenzen?

89

90

3.3.3. Spagat-Frauen: Profis in zwei Welten?

93

3.3.4. Karriere-Frauen: Ein Leben für den Beruf?

95

3.3.5. Ansatzpunkte für das Personalmarketing

98

4.

Forschungsansatz und Forschungsdesign

4.1.

Aktionsforschung als Ansatz angewandter Managementforschung

100

4.1.1. Das Konzept des Aktionsforschungsansatzes

4.1.2. Übertragung des Aktionsforschungsansatzes auf das Forschungsprojekt 4.2.

100

104

Qualitative und quantitative Erhebungen in Unternehmen

108

4.2.1. Vorgehensweise bei der Erhebung

108

4.2.2. Stichprobe der Erhebung

116

4.2.3. Merkmale der Befragten

121

5.

Darstellung der Forschungsergebnisse

5.0.

Zur Einführung

5.1.

Aktionsforschung in Unternehmen - Betriebliche Projekte des frauenorientierten Personalmarketings 124

124

5.1. 0. Einleitung

124

5.1.1. Sensibilisierungs- und Aktivierungsphase

126

5.1.2. Konzeptionsphase

129

5.1.3. Einfuhrungsphase

131

5.1.4. Analysephase

136

5.1.5. Planungsphase

153

5.1.6. Umsetzungs- und Auswertungsphase

162

6

5.2.

5.2.

168

Analyse der Forschungsergebnisse 0. Einleitung

168

5.2.1. Rahmenfaktoren eines frauenorientierten Personalmarketings 5.2.2. Aktionsbereiche/Maßnahmen eines frauenorientierten Personalmarketings

197

5.2.3. Effekte eines frauenorientierten Personalmarketings 53.

168

235 258

Fazit

Literaturverzeichnis

261

Abbildungsverzeichnis

273

Übersichtenverzeichnis

274

Anhang: Leitfaden eines frauenorientierten Personalmarketings

279

1. Checkliste Orientierung

280

2. Checklisten Rekrutierung

284

3. Checkliste Wiedereinstieg

293

4. Checkliste Personalentwicklung

297

5. Checkliste „Von der Fach- zur Führungsfrau“

300

6. Checkliste Kinderbetreuung

305

7. Checkliste Arbeitszeitmodelle

307

8. Checkliste Projektmanagement

311

9. Checkliste Kommunikation

316

10. Checkliste Controlling

325

11. Checkliste Kooperation

333

7

1. Projektbeschreibung 1.1. Einleitung Junge Frauen sind heute fachlich ebenso gut ausgebildet wie ihre männlichen Kollegen. 1 Sie weisen vielfach eine vergleichbare Berufs- und Karriereorientie­ rung auf.2 Dies belegen auch die immer stabileren weiblichen Berufsbiogra­ phien.3 Insbesondere im kommunikativen Bereich und in der Zusammenarbeit im Team wird den Frauen oftmals besondere Kompetenz zugesprochen: „soft skills“, „Sozialkompetenz“ und „Interaktive Führung“ sind Stichworte, mit denen besondere Fähigkeiten weiblicher Führungskräfte angesprochen werden. Viele Entscheidungsträger in der Wirtschaft gehen daher davon aus, daß Fachund Führungsfrauen ein Potential der Zukunft für ihr Unternehmen darstellen, das ihnen dazu verhilft, einen modernen Führungsstil und eine offenere Unter­ nehmenskultur, eine stärkere Kundenorientierung und Innovationsfähigkeit und damit einen Vorsprung im Wettbewerb zu realisieren. Aber es sind noch immer vergleichsweise wenig Frauen in Führungspositionen anzutreffen und im TopManagement der meisten Unternehmen suchen wir vergeblich nach weiblichen Führungskräften.4 Daran haben auch Frauenforderprogramme, die in den letzten Jahren gerade von großen Unternehmen entwickelt und realisiert wurden und sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Chancengleichheit 1 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit.

2 Vgl. die Ausführungen zu Berufsorientierung und Lebensplänen weiblicher Führungskräfte, Regnet/Stengel, 1993, S.161f. Doch stellt auch über den Kreis der Führungskräfte hinaus die Berufsarbeit in den neunziger Jahren einen integralen Bestandteil im Leben der Frauen in Deutschland dar. Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft ist die Frauen­ erwerbstätigkeit im Zeitraum von 1960 und 1993 um 23,4% gewachsen. (Vgl. o.V., 1995). Die Erwerbstätigenquote aller Frauen im erwerbsfähigen Alter betrug 55,1% im Jahr 1993 Dies sind 15.084 Mio. Frauen, zu denen die arbeitslosen Frauen hinzuzurechnen sind (1994: 1,7 Mio). Der Anteil der Frauen an den Erwerbspersonen erreichte 42,5% (Vgl. Statistisches Bundesamt, 1995, S.108, S.l 12, S.121).

3 Die Berufsbiographien der Frauen haben sich heute deutlich stabilisiert: War 1961 nur rund ein Drittel der verheirateten Frauen in der Altersklasse von 30 bis 35 Jahren erwerbstätig, so ist die Erwerbsquote in dieser Gruppe bis 1990 auf 60% angestiegen (Vgl. Hellmich, 1986, S.12, Bundesministerium für Familie und Jugend, 1992, S.45).

4 So weist die Hoppenstedt-Wirtschaftsdatenbank im September 1995 in der Industrie nur einen Anteil weiblicher Führungskräfte im Top-Management von 6,7% aus, während im Han­ del, der als typische „Frauenbranche“ gelten kann, mit 7,5% auch nur ein geringfügig höherer Frauenanteil im Top-Management erreicht wird. Mit 11,1% bzw. 15,1% zeigen auch die Frauenanteile im Middle Management noch keine Hinweise auf eine angemessene Präsenz von Frauen in Führungspositionen.

9

von Männern und Frauen auf ihre Fahnen geschrieben haben, wenig geändert.5 In kleineren und mittleren Unternehmen sind vergleichsweise wenige Ansätze zur systematischen Förderung von Frauen gefunden worden,6 obgleich gerade in Unternehmen unter 1.000 Beschäftigten Frauen als Führungskräfte ver­ gleichsweise gute Chancen haben.7 Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage nach tragfähigen Konzepten, die in der Lage sind, die heute vorhandenen weiblichen Potentiale in Unterneh­ men unterschiedlicher Größenordnung einzusetzen. Dabei sind zum einen das Interesse der Frauen an einer sicheren und ihrer Qualifikation entsprechenden Beschäftigung auf für sie attraktiven Arbeitsplätzen sowie ihre Entwicklungs­ chancen und ihre Beteiligung an Verantwortung und Macht in Unternehmen zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite haben Unternehmen ein quasi natür­ liches Interesse an der Gewinnung und Bindung qualifizierter Mitarbeiter, das angesichts des aktuellen, guten Ausbildungsstandes der Frauen, auch Mitarbei­ terinnen einschließt. Vielfach endet dieses Interesse allerdings vor der Übertra­ gung größerer Führungs Verantwortung an Frauen.

Die Ursachen dafür zu analysieren und praktikable Ansätze zur Überwindung vorhandener Barrieren aufzuzeigen, ist ein zentrales Anliegen der hier vorgeleg­ ten Studie. Über einen Forschungsbericht hinaus legen wir daher als „Output“ für die Praxis einen Leitfaden für ein frauenorientiertes Personalmarketing in Form von Checklisten vor, die im Baukastenprinzip individuell durch die Un­ ternehmen ausgewählt und deren spezifischer Situation angepaßt werden kön­ nen. Dieser Leitfaden ist im Anhang des vorliegenden Berichtes dokumentiert. Die Position der Fach- und Führungsfrauen in der Wirtschaft kann im Bild des Eisberges als der sichtbare Teil über der Wasserlinie interpretiert werden, der Veränderungen der Situation von Frauen im Beruf generell signalisiert. Eine nähere Analyse der Chancen von Frauen als Führungskräfte erscheint darüber hinaus besonders interessant, weil im Management von Unternehmen zur Zeit gravierende Veränderungen hin zu neuen Strukturen und einem neuen Füh­ rungsverständnis zu erkennen sind, die auf die Chancen von Frauen sicherlich nicht ohne Wirkung bleiben werden. Wir haben daher den Schwerpunkt unserer 5 Vgl. die kritische Auseinandersetzung mit Frauenforderprogrammen bei NeujahrSchwachulla/Bauer, 1995, S.134ff. sowie Lenz, 1991, S.195f., vgl. auch Riegraf, 1993, S.20ff.,S.116f. 6 Stiegler stellt in Auswertung einer empirischen Studie für die IHK Münster fest: “Es ist offenbar so, daß Frauenforderung in den meisten Fällen nicht das Angebot einer breiten Palet­ te von Maßnahmen bedeutet, sondern punktuelle Aktivitäten vorherrschen.“(Stiegler, 1994, S.24).

7 Nach der Capital-Studie: „Frauen als Führungskräfte. Es geht aufwärts“ waren 83% der weiblichen Führungskräfte und 68% der männlichen in Unternehmen mit unter 1.000 Be­ schäftigten eingestellt. Vgl. Lenz, 1991, S. 197.

10

Untersuchung auf die qualitative Analyse des Segmentes weiblicher Fach- und Führungskräfte gelegt und Konzepte eines frauenorientierten Personalmarke­ tings entwickelt, die sich im Kem an diese Adressatinnengruppe wenden und auch für kleinere und mittlere Unternehmen geeignet sind. Diese Ergebnisse haben wir durch Analysen unter der Fragestellung „Frauenforderung in Unter­ nehmen: Was bringt sie für Frauen und Wirtschaft?“ ergänzt, um Schwerpunkte frauenorientierter Aktivitäten von Unternehmen zu orten und erwünschte mit realisierten Effekten vergleichen zu können. Angesichts des heute erreichten Ausbildungsniveaus junger Frauen erwarten wir für die Zukunft, daß die Gruppe qualifizierter weiblicher Fachkräfte weiter zunehmen wird, so daß wir mit unseren Konzepten einerseits einen wachsenden Kreis erwerbstätiger Frauen berücksichtigen und andererseits Unternehmen bei der Erschließung für sie besonders interessanter Ressourcen unterstützen.

Im Rahmen unseres Forschungsprojektes „Frauenorientiertes Personalmarke­ ting“ gingen wir zunächst den folgenden Fragen nach:

• Welche Ansatzpunkte bieten sich Unternehmen verschiedener Größenord­ nung, also gerade auch kleinen und mittleren Betrieben, qualifizierte Frauen für Fach- und Führungspositionen zu gewinnen und diese Ressource lang­ fristig positiv zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu nutzen? • Welche Klippen und Gefahren sind bei einer solchen Personalstrategie zu beachten? Wie sind sie zu vermeiden oder sogar in spezifische Chancen für Frauen und Unternehmen umzusetzen? • Mit welchen beabsichtigten und nicht beabsichtigten Effekten ist zu rechnen? • Welcher Aufwand ist mit einem frauenorientierten Personalmarketing ver­ bunden?

Wir haben unsere Forschungsergebnisse und Konzepte in einem Projektbeirat gemeinsam mit Unternehmen der Region beraten. Wir freuen uns sehr, in die­ sem Kreis die Unterstützung männlicher und weiblicher Entscheidungsträger in einer offenen und konstruktiven Diskussion gefunden zu haben. Besonders hilf­ reich war, daß wir hier auch mit Frauen zusammenarbeiten konnten, die als Unternehmerinnen durch ihr Beispiel beweisen, daß Frauen in der Lage sind, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen und ihre Betriebe kompetent und erfolgreich zu führen.

In Erweiterung unserer Fragestellung auf das Thema: “Frauenforderung in Un­ ternehmen: Was bringt sie für Frauen und Wirtschaft?“ haben wir unsere Erhe­ bungen auf weitere mittelständische Unternehmen sowie Großunternehmen aus der Region ausgedehnt und parallel dazu Arbeitnehmervertreter und -Vertreterinnen befragt. Auch in diesem Teilprojekt fanden wir kompetente und freundliche Unterstützung: Fach- und Führungsfrauen aus Unternehmen, Indu­ strie- und Handelskammern, Gewerkschaften und öffentlichen Institutionen begleiteten unsere Arbeit konstruktiv-kritisch in einem Projektarbeitskreis, er­ 11

schlossen uns wichtige Kontakte und brachten ihre eigenen Erfahrungen mit Frauenforderung vorbehaltlos ein.

Unsere empirischen Analysen können sich daher auf Interviews, schriftliche Befragungen und Aktionsforschung in ausgewählten Unternehmen stützen. Sie haben vor allem im Rahmen teilnehmender Beobachtung die intensive Analyse innerbetrieblicher Prozesse, die mit der Implementierung einer Strategie des frauenorientierten Personalmarketings verbunden sind, zum Gegenstand. Die mündlichen und schriftlichen Befragungen berichten über die Ziele, Vorge­ hensweisen, Effekte und Beurteilung von bereits vorher durchgeführten Maß­ nahmen der Frauenforderung und des Personalmarketings. In unserer Forschungsarbeit haben uns Birgit Große-Bölting, Sandra Meermann und Monic Schnieders im Rahmen ihrer Praxissemester-Projekte und als stu­ dentische Hilfskräfte kompetent ergänzt und unterstützt. Die EDV-technische Auswertung der Erhebungsdaten wurde von unseren Absolventen Markus Girullis und Michael Peters durchgeführt. Dipl.-Journalistin Anke Goos redi­ gierte das Manuskript und trug so dazu bei, daß unsere Ausführungen auch für einen außenstehenden und feministisch interessierten Personenkreis verständ­ lich bleiben.

Allen, Frauen und Männern, die sich für unser Projekt engagiert haben, danken wir und hoffen, daß die Ergebnisse ihnen in ihrer praktischen Arbeit weiterhel­ fen mögen. Erik und Lynn Hansen sei an dieser Stelle für ihr Verständnis und ihre Hilfe ganz besonders herzlich gedankt.

Bevor wir das Forschungsprojekt „Frauenorientiertes Personalmarketing“ im Folgenden näher beschreiben und die Kemaussagen unserer Untersuchung zu­ sammenfassen, möchten wir Sie zu einem Streifzug in die Literatur einladen, der die Spitze unseres Eisberges in ihrer Entwicklung über zwei Jahrzehnte zum Gegenstand hat.

1.2. Weibliche Fach- und Führungskräfte im Fokus unter­ nehmerischer Personalpolitik: Ein Streifzug durch die Literatur Noch 1980 führt Beck-Gemsheim die Existenz von beruflich erfolgreichen Frauen auf Ausnahmesituationen wie „(...) persönliche Schicksalsschläge, Kriegsausbruch, Aufbauphase und Engpaßsituation im Betrieb (...)“8 zurück. Als Voraussetzungen einer Karriere identifizierte sie eine ausgeprägte phy­ sische Robustheit ebenso wie außergewöhnliche psychische Eigenschaften: „Es ist dies eine bestimmte Art von Zielstrebigkeit, Selbstbewußtsein, geradliniger

Beck-Gemsheim, 1980, S.159.

12

Entschlossenheit, die zumindest teilweise von äußeren Konventionen und tradi­ tionellen ‘Weiblichkeits’stereotypen sich löst.“9

Frauen, die in den siebziger Jahren und davor ihre Berufslaufbahn erfolgreich beschritten, taten dies in Deutschland offensichtlich unter der Regel: „Nur über Ausnahmesituationen zur Karriere“10 und unter Konzentration aller Kräfte auf das berufliche Engagement. 11 Ein ähnliches Bild zeichnen Hennig und Jardim 1977 für die USA: “Die Ent­ scheidung für die berufliche Karriere war bezeichnenderweise erst spät getrof­ fen worden, etwa im Alter von dreißig oder dreiunddreißig Jahren, ‘als ich plötzlich einsah, daß ich wahrscheinlich den Rest meines Lebens würde arbei­ ten müssen.’ (...) Unvermittelt wurde der betreffenden Frau klar, daß sie zwar arbeitete, weil es sein mußte, aber mehr noch deshalb, weil ihr das, was sie tat, gefiel. Sie wollte es als einen wesentlichen Teil ihrer Zukunft sehen.“12 Aller­ dings betonen Hennig und Jardim den eher passiv ausgeprägten Charakter weiblicher Berufskarrieren zu dieser Zeit: „Irgendwie geschah es.“13 1990 hingegen stellen Benard und Schlaffer in ihrem Bericht über beruflich er­ folgreiche Frauen in Europa fest „(...), daß ein kritischer Punkt erreicht und überwunden wurde. Der qualitative Sprung ist getan; diese Frauen schickt nie­ mand mehr ‘heim’, weil sie dort, wo sie sind, - in der Klinik, der Bank, dem Institut, der Firma - daheim sind.“14 Und sie erleben diese Frauen sehr positiv: “Wenn sie ein wenig außer Atem waren, dann in der elektrisierten Weise von Hochleistungssportlem. (...) Die Euphorie, mit der viele Frauen ihren Beruf ausübten, war beeindruckend.“15

Haben heute also Frauen ihren festen Platz als Fach- und Führungskräfte in der Wirtschaft gefunden? Ist das Thema „Frauenforderung“ in den neunziger Jahren damit bereits durch die Realität in den Unternehmen überholt?

9 Beck-Gemsheim, 1980, S.160. 10 Beck-Gemsheim, 1980, S.159.

11 Bischoff bestätigt die Kompromißlosigkeit vieler Frauen, die bis zum Ende der achtziger Jahre bereits den Aufstieg in den oberen Bereich des mittleren Management erreicht hatten. Vgl. Bischoff, 1990, S.212. Dies bestätigt auch die Capital-Studie aus dem Jahr 1991: Fast 2/3 der befragten Managerinnen waren kinderlos, wobei in der Bereitschaft zum Verzicht auf Kinder in dieser Studie bereits eine Trendwende deutlich wird. Vgl. Lenz, 1991, S.211. 12 Hennig/Jardim, 1978, S. 18f.

13 Hennig/Jardim, 1991, S. 18, vgl. auch S.23. 14 Benard/Schlaffer, 1990, S.l 1.

15 Benard/Schlaffer, 1990, S.252.

13

Ein Blick in die Statistik legt eine andere Schlußfolgerung nahe: Noch immer waren zu Beginn der neunziger Jahre Frauen auf den oberen Hierarchieebenen ganz deutlich unterrepräsentiert16.

Beck und Beck-Gemsheim konstatieren zu dieser Zeit: „Im Generationenver­ gleich stehen die Frauen im allgemeinen nicht schlecht da (bessere Bildung, daher im Prinzip auch bessere Berufschancen). Gleichzeitig haben ihre eigenen Ehemänner, die annähernd gleich ausgebildet sind, sie beruflich überholt, und unverändert hängt an ihnen der Urteilsspruch ‘lebenslänglich Hausarbeit’.“17 Ende der achtziger Jahre kommen Braszeit u.a. bei einer repräsentativen Befra­ gung von Frauen zu dem Ergebnis, daß familiäre Belastung und eine Haltung, die sie mit den Worten kennzeichnen: “Männer bleiben in den besser bezahlten Positionen lieber unter sich“, als zentrale Aufstiegsbarrieren fortbestehen.18 Und Demmer berichtet: „Immer mehr Frauen erkennen, daß ihnen selbst bei besseren Studienabschlüssen als denen ihrer männlichen Kommilitonen, bei gleichem oder oft höherem Arbeitsaufwand, bei offenkundigem Willen, Füh­ rungspositionen im Unternehmen zu erreichen, der Aufstieg schwerer gemacht wird.“19

Doch dann macht sich eine Wende in der Beurteilung weiblicher Karrierechan­ cen bemerkbar: Die Unternehmen entdecken qualifizierte Frauen als Manage­ ment- und Innovationspotential der Zukunft. „Ab Mitte der neunziger Jahre dünnt im Management die Personaldecke aus. (...) Die Vordenker in den Stäben freunden sich - mehr der Not gehorchend als dem eigenen Drange - mit dem Gedanken an ein bisher praktisch ungenutztes Potential für Führungsaufgaben an: Die qualifizierte Frau kommt auch für Managementaufgaben ins Ge­ spräch.“20 Und dabei geht es nicht nur um die rein quantitative Lösung eines Engpasses spezifische weibliche Kompetenzen rücken die Frauen ins Rampenlicht: „Ausgeprägte Sozialkompetenz“21, „Interactive Leadership“22, „Soft Skills“23 16 Vgl. Cornelißen, 1991, S.326, vgl. auch Autenrieth u.a., 1993, S. 103ff. 17 Beck/Beck-Gemsheim, 1990, S.34.

18 Vgl. Braszeit u.a., 1988, S.22f. 19 Demmer, 1988, S.15. Auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft ermittelte 1987 ganz erhebliche Unterschiede hinsichtlich Einkommen und Personalverantwortung bei männlichen und weiblichen Betriebswirten mit Fachhochschulabschluß. Vgl. KonegenGrenier u.a., 1988, S.46ff. 20 Henes-Kamahl, 1988, S.33. Zur Bedeutung eines damals prognostizierten Mangels an Fach- und Führungskräften vgl. auch Domsch, 1990, S.2, S.4ff.

21 Berthoin Antal, 1988, S. 164. 22 Rösener, 1990, S.120.

14

werden ihnen bescheinigt.24 „Und genau diese Soft Skills werden den qualifi­ zierten Frauen zusätzlichen Aufwind bescheren.“25 So die Prognose von HenesKamahl 1988. Dies scheint sich zu bestätigen. “Frauen erobern Schlüsselpositionen“ stellen Doppler und Lauterburg 1995 fest. Denn: „Wo immer Frauen dabei sind, wird das Klima offener, die Diskussion lebendiger, in komplexen Problemsituationen kommt man schneller zum Kem der Sache - was nicht immer angenehm ist, aber effizient.“26

Ein deutscher Untemehmensberater formuliert sogar die Überzeugung: “Es wird für die karriereorientierten Frauen sehr deutlich werden, daß alle ‘nur mit Wasser kochen’ und gerade die Herren mit einem besonders aufgesetzten Selbstbewußtsein damit nur mangelnde Qualifikationen überspielen wollen. (...) Die eindeutige Karriereorientierung wird das Selbstbewußtsein und Selbstver­ ständnis der Frauen in Managementpositionen stärken, und damit werden sie gegenüber den einfach schlechteren männlichen Kollegen bei der Besetzung der nächsten Karrierestufe zwangsläufig den Vorzug erhalten.“27 Und 1993 konstatiert die Zeitschrift Absatzwirtschaft: „Von Peter Drucker bis Tom Peters applaudieren auch die männlichen Managementgurus dem weibli­ chen Führungsstil.“28 Helgesen beschreibt die Situation zusammenfassend: „Die Geschäftswelt braucht heute das, was die Frauen einbringen können, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem die Frauen in wachsendem Maße am Arbeits­ leben teilhaben.“29

Doch die erwünschten weiblichen Impulse stellen sich nicht im Selbstlauf ein. Inzwischen ist in den Unternehmen deutlich geworden, daß die erwarteten spe­ zifisch weiblichen Fähigkeiten einer gezielten Erschließung bedürfen: „Frauen als Fach- und Führungskräfte sind ein schlummerndes Potential. Ein Potential aber, das sich nicht einfach von einem fiktiven Arbeitsmarkt abrufen läßt.“30 Denn mit gestiegenem Selbstbewußtsein und im Zuge des in den letzten Jahr­ 23 Henes-Karnahl, 1988, S.36

24 Vgl. zur kritischen Diskussion eines spezifisch weiblichen Führungsstils Nerge, 1993, S.168ff.

25 Henes-Kamahl, 1988, S.36. 26 Doppler/Lauterburg, 1995, S.35. 27 Müller, 1988, S.l 18f. 28 o.V., 1993, S.46. Dieser Artikel gibt das damals in Deutschland noch nicht erschienene Buch „Megatrends Frauen“ von Naisbit und Aburdene in Auszügen wieder.

29 Helgesen, 1992, S.50. 30 Bomträger/Klein, 1991, S.55.

15

zehnten spürbaren Wertewandels verweigert sich so manche qualifizierte Frau den Angeboten aus der Wirtschaft, wie Michel-Adler für die Schweiz ausfuhrt: “Manche Frauen verzichten lächelnd auf die Art von Karrieren, die ihnen inner­ halb bestehender Strukturen angeboten werden. Sie können die vorgefundenen Normen und militärisch geprägten Verhaltensmuster nicht ohne Selbstverlust übernehmen.“31 Und Schwartzer stellt fest, daß Frauen, denen nach Ansicht der Unternehmen alle Türe offenstehen, ihre Karriere abbrechen: „In allen untersuchten Unternehmen konnte der Untemehmensleiter mit einem Beispiel aufwarten, wie er plötzlich auf unerklärliche Weise eine Senkrechtstar­ terin verlor, die er für großartig hielt und in die er viel investiert hatte. Manche konnten mir sogar eine lange Liste von Enttäuschungen aufzählen. In den mei­ sten Fällen wußte der Chef wirklich nicht, wie ihm geschah.“32

Doch zunehmend bildet sich die Erkenntnis aus, daß es einer frauenfreundli­ chen Gestaltung der betrieblichen Lebenswelt bedarf,33 um Frauen als Fachund Führungskräfte für die Unternehmen zu gewinnen, ihnen gute Ent­ wicklungsmöglichkeiten zu bieten und sie an das Unternehmen zu binden - also die in dieser Gruppe liegenden Potentiale umfassend für die Unternehmen zu erschließen.34 Die qualifizierte Frau als Zielgruppe für das unternehmerische Personalmarketing war entdeckt.35 Betont wird die Bedeutung einer umfassen­ den Sicht frauenorientierter Personalstrategien, die über reine Rekrutierungs­ maßnahmen hinaus die Wertschätzung weiblicher Organisationsmitglieder zum Bestandteil der Untemehmenskultur machen will: “Eingehen auf das persönli­ che Wollen und Können der Frauen heißt in der strategischen Personalarbeit eingehen auf das neue Selbstverständnis der Frauen. (...) Nur wenn diese am Menschen orientierte strategische Personalarbeit fester Bestandteil der Kultur einer Unternehmung ist, können die Persönlichkeiten, die die Persönlichkeit eines Unternehmens ausmachen, gewonnen werden.“36

In den ersten Jahren des laufenden Jahrzehnts konnte man den Eindruck gewin­ nen, die Chancengleichheit von Frauen und Männern als Fach- und Führungs­ kräfte sei in der Wirtschaft allseits akzeptiert und es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis Frauen auf allen Ebenen der Unternehmen angemessen vertreten sind.

31 Michel-Adler, 1988, S.291. 32 Schwartz, 1993, S.31.

33 Vgl. Dick, 1995, S.341ff. 34 Zu einem Potentiale-Konzept, das die Fähigkeiten und Interessen der Potentialträgerinnen und das sie umgebende Kräftefeld zum Gegenstand der Betrachtung macht vgl. Roloff/MetzGöckel, 1995, S.265f.

35 Vgl. Freimuth u.a., 1993, S.24ff., vgl. auch Vollmer, 993, S. 17ff. 36 Bomträger/Klein, 1991, S.56.

16

Das Durchbrechen der „Glass Ceiling“ schien kurz bevorzustehen. Doch auch kritische Stimmen waren zu vernehmen. So prognostizierte Krell: „Die Gleich­ stellung von Frauen - nicht nur in Führungspositionen - wird nicht als ‘Zutat’ sogenannter moderner Organisationskulturen auf dem Silbertablett serviert. Sie kann nur in mühsamen und langwierigen Prozessen ausgehandelt werden.“37 Tatsächlich sind die Realitäten in deutschen Unternehmen heute weit von einer auch nur annähernd paritätischen Besetzung von Fach- und Führungspositionen entfernt.38 Ganz im Gegenteil konstatieren Domsch und Lieberum in Auswer­ tung einer mehrjährigen Analyse von Stellenanzeigen: „Die Entwicklung zeigt, daß nicht mehr von einem positiven Trend gesprochen werden kann. Im Gegen­ satz zu den letzten Jahren nahmen die neutralen Formulierungen ab, die männli­ chen dagegen zu.“39 Und dies gilt, obgleich seit September 1994 eine ge­ schlechtsneutrale Stellenausschreibung gesetzlich verpflichtend ist.

Zur Erklärung formuliert Hermani in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „In der Krise sind wieder harte Männer gefragt; Frauen haben wenig Chancen.“4^ Doch nicht nur konjunkturelle Einflüsse trüben das Bild der Frauenfreundlich­ keit der deutschen Wirtschaft. Lean Production und seine Fortsetzung im Lean Management stellten zu Beginn der neunziger Jahre ganz neue Konzepte für deutsche Unternehmen dar.41 Der damit verbundene, sinkende Bedarf an Füh­ rungskräften vor allem im mittleren Management kann als weiterer Grund dafür gelten, daß es ruhiger geworden ist um die Förderung von Frauen hinein in Füh­ rungspositionen. Der vor einigen Jahren für die aktuelle Phase prognostizierte Führungskräfteengpaß42 hat sich in manchen Branchen derzeit offensichtlich eher zu einem Führungskräfteüberhang verkehrt. Inoffiziell kann man heute so­ gar von Personalverantwortlichen hören, daß der Einsatz personalstrategischer Instrumente wie der Gewährung eines Erziehungsurlaubes oder das Angebot reduzierter Arbeitszeiten eher dazu dient, den Arbeitsmarkt zu entspannen, als

37 Krell, 1994, S.379, im Original hervorgehoben. 38 So ergab eine Auswertung der Hoppenstedt-Wirtschaftsdatenbank für die Branchen Indu­ strie und Handel Frauenanteile auf der ersten Führungsebene von 6,7% bzw. 7,5%, während für Versicherungen nur 1,4% Frauen im Topmanagement ausgewiesen werden. Für die Ban­ ken wird die von Branchenkennem nicht nachvollziehbare Zahl von 44% genannt. Im Middle Management weist Hoppenstedt Anteile von Frauen im Management aus, die von 3,1% (Versicherungen) bis 15,1% im Handel reichen. Hier liegen die Banken mit 11,7% durchaus im üblichen Rahmen.

39 Domsch/Lieberum, 1995, S.409. 40 Hermani, 1995, S.49.

41 Vgl. Kuhn, 1995, S.383ff. 42 Vgl. Domsch, 1990a, 4ff., Demmer, 1988, S.300

17

dazu, Frauen an das Unternehmen zu binden.43 Frauen förderung ist in dieser Situation in vielen Unternehmen zum Reizwort geworden.

Als ein Kemergebnis ihrer empirischen Erhebung in Großunternehmen gibt Hadler 1995 die Prognose ab, daß die Einbindung von Frauen in Entwicklungs­ programme deren Anpassung an bestehende Anforderungen der Unternehmen voraussetzt und bis zum Jahr 2000 allenfalls mit einer sehr langsamen Zunahme der weiblichen Fach- und Führungskräfte zu rechnen ist44 Und sie stellt ab­ schließend fest: „Heute interessieren sich weitaus weniger Unternehmen als zur Zeit der Befragung für frauenfördemde Maßnahmen; es sind vor allem Groß­ unternehmen aus prosperierenden Branchen und öffentlich kontrollierte Betrie­ be, die noch offensiv mit dem Thema umgehen.“45

Befinden wir uns tatsächlich noch auf dem Wege „Von der Reservearmee zur Begabungsreserve“46 oder findet das ‘roll back’ in Unternehmen bereits statt?

1.3. Projektaufbau In Auswertung der Literatur, in gemeinsamer Arbeit in und mit Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen, unter Beratung mit Personalverantwort­ lichen, Arbeitnehmervertretem und -Vertreterinnen sowie mit Expertinnen der kommunalen und regionalen Frauenforderung haben wir mit Entscheidungsträ­ gem und -trägerinnen von 20 Unternehmen und einem Betriebsratsvorsitzenden Intensivinterviews durchgefuhrt, bei einigen von ihnen im Sinne des Aktions­ forschungsansatzes Veränderungen initiiert und die damit verbundenen Ent­ wicklungsprozesse mit ihnen reflektiert. Unser Erkenntnisinteresse richtete sich im Rahmen der Intensivinterviews und der Aktionsforschung auf die Fragen:

• Welchen Spielraum hat ein frauenorientiertes Personalmarketing in der aktuellen Situation? • Welche Ziele können heute und in Zukunft als tragfahig gelten?

• Welche Effekte und Nebeneffekte sind mit einem frauenorientierten Perso­ nalmarketing zu verbinden?

• Welche Klippen sind im Prozeß der Konzeptentwicklung und -Implemen­ tierung zu beachten?

43 Vgl. Hoff, 1995, S.20. 44 Vgl. Hadler, 1995, S.333, S.336.

45 Hadler, 1995, S.348. 46 Dies ist der Untertitel des von Demmer 1988 herausgegebenen Buches „Frauen ins Mana­ gement“ (vgl. Demmer, 1988).

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• Welche Konzepte und Vorgehensweisen erscheinen insbesondere im Hin­ blick auf die Ansprache weiblicher Fach- und Führungskräfte erfolgverspre­ chend? Kontrastierend dazu wurden Personal verantwortliche in Unternehmen, Arbeit­ nehmervertreter und -Vertreterinnen sowie Expertinnen aus dem kommunalen Umfeld nach ihren Erfahrungen mit Frauenförderkonzepten in Unternehmen befragt. 343 Arbeitgebervertreter und -Vertreterinnen (261 Wirtschaftsjunioren und 82 Großunternehmen), von denen allerdings nur 42 unseren Fragebogen auswertbar ausgefullt zurücksandten, wurden mit einem standardisierten Erhe­ bungsbogen angesprochen. Diesen Bogen erhielten darüber hinaus in leicht ab­ gewandelter Form auch 66 Betriebs-/Personalräte, von denen sich 33 an unserer Befragung beteiligten. Telefonische Interviews führten wir mit 25 Expertinnen (überwiegend Regional-/Kommunalstellen „Frau & Beruf4 und „Frau & Wirt­ schaft“). Hier betreffen unsere Erhebungen die Aspekte: • Welche Ziele werden von unterschiedlichen Interessengruppen mit der Frauenförderung verbunden?

• Welche Konzepte bieten gute oder weniger gute Erfolgschancen? • Welche nicht erwarteten Effekte sind zu beachten?

• Welcher Aufwand ist realistischerweise anzusetzen?

• Wer sind die Träger solcher Konzepte in den Unternehmen? Wie sind wir vorgegangen? Einen Überblick über den Projektaufbau und die Kernfragen unserer Untersuchung gibt die auf den folgenden beiden Seiten dar­ gestellte Übersicht 1:

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Übers. 1: Projekt-Gesamtübersicht, Teil 1 Thema des Teil­ Weibliche Fach- und Füh­ rungskräfte: (Kooperative) projektes Wege der Potential­ erschließung durch Mittel­ standsunternehmen Forschungs­ gegenstand

• Weibliche Fach- und Führungs- bzw. Füh­ rungsnachwuchskräfte: - Mittelstandsuntemehmen im Mittelpunkt

- Prozeß der Potentialer­ schließung - Chancen und Barrieren in Zielgruppe, Organisation und Umfeld

Frauenforderung in Unter­ nehmen: Was bringt sie für die Frauen und die Wirt­ schaft?

• Frauenforderung in Unternehmen: -

Ziele Maßnahmen Effekte Kostenüberlegungen Träger und Beteiligte Rahmenbedingungen Bewertung

- Ansätze kooperativen Handelns Prozeßorientiert Forschungs­ ansatz

Aktionsansatz

Empirische Sozialforschung

• Theoriebildung

• Theoriebildung

• Verbindung von Praxis und Theorie durch Dis­ kussion in Projeksteuergruppen/Proj ektbeirat

• Schriftliche und telefonische Befragung von: - Unternehmensleitungen - Betriebs-ZPersonalräten - Expertinnen aus dem Um­ feld

• Strukturierte mündliche Befragungen von Ent­ scheidungsträgem und -trägerinnen

• Teilnehmende Beobach­ tung in ausgewählten Un­ ternehmen

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Ergebnisorientiert

• Begleitung und Auswertung durch Projektarbeitskreis

Übers. 1: Projekt-Gesamtübersicht, Teil 2 Projekt­ begleitung

Projektbeirat

Projektarbeitskreis

• 12 Entscheidungsträger und -trägerinnen aus Un­ ternehmen unterschiedli­ cher Größe und Branche

• 11 Expertinnen aus: - Unternehmen unterschied­ licher Größe und Branche - Gewerkschaften - IHK - Kommunalstellen

• 3 Vertreter bzw. Vertreterinnen der IHK Kernfragen

• Welchen Spielraum hat ein • Welche Ziele werden von frauenorientiertes Perso­ unterschiedlichen Interes­ nalmarketing in der aktuel­ sengruppen mit der Frauen­ len Situation? förderung verbunden?

• Welche Ziele können heute und in Zukunft als tragfahig gelten?

• Welche Konzepte bieten gute oder weniger gute Er­ folgschancen?

• Welche beabsichtigten und • Welche nicht beabsichtigten nicht beabsichtigten Effek­ Effekte sind zu beachten? te sind mit einem frauen­ • Welcher Aufwand ist reali­ orientierten Personal­ stischerweise anzusetzen? marketing zu verbinden? • Wer sind die Träger solcher • Welche Klippen sind im Konzepte in den Unterneh­ Prozeß der Konzeptent­ men? wicklung und -implementierung zu beachten? • Welche Konzepte und Vorgehensweisen erschei­ nen insbesondere im Hinblick auf die Anspra­ che weiblicher Fach- und Führungskräfte erfolgver­ sprechend?

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2. Frauenorientiertes Personalmarketing 2.1. Einleitung In Zeiten einer rapiden Veralterung des Fachwissens und einer immer enger werdenden Vernetzung von Unternehmen mit einer zunehmend turbulenten Umwelt wird die Qualität der Mitarbeiter und Führungskräfte zu einem Schlüs­ selfaktor für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.47 Fach- und Führungskräfte mit den erwünschten spezifischen Schlüsselqualifi­ kationen wie Lernfähigkeit, Flexibilität, Fähigkeit zu ganzheitlichem Denken und sozialer Kompetenz sind indessen nicht in beliebiger Anzahl verfügbar, stellen zum anderen aber auch neue Ansprüche an die Organisation, in die sie ihre Qualifikationen einbringen 48

Die Bedeutung des Menschen im Unternehmen, die Bedeutung der „Human Re­ sources“ also, erhält in solchen Phasen einen sehr hohen Stellenwert,49 was da­ zu führte, daß Ende der achtziger Jahre Theorie und Praxis nach neuen, strate­ gisch orientierten Ansätzen in der Personalpolitik suchten.50 Diese Suche traf auf einen aus den USA kommenden Ansatz: das Human Resources Manage­ ment,5! für den Staehle den Schluß zieht, daß „(...) heute in einer Zeit ökonomi­ scher Krisen HRM ein absolutes Muß für das moderne Management bedeu­ tet.“52 Der Gedanke, Mitarbeiter als wertvolle, knappe Ressource anzusehen, führte in Verbindung mit einem prognostizierten Fach- und FührungskräfteEngpaß, der zwar durch das zusätzliche Potential aus den neuen Bundesländern und die Strategien des Lean Management zeitweise entschärft und hinausge­ schoben wurde, aber trotz der zunächst gegenläufigen Entwicklung zu einem spürbaren personal-politischen Umdenken beigetragen hat, zu einer Renais­ 47 Vgl. die Ausführungen bei Bleicher, 1994, S.66ff., vgl. auch Wüthrich, 1990, S.197.

48 Vgl. die Ergebnisse verschiedener Studien zum „Wertewandel“, die von Stengel, zusam­ mengefaßt und interpretiert werden (Stengel, 1995, S.791ff.). 49 Vgl. Staehle, 1991, S.718f. 50 Vgl. Große-Oetringhaus, 1993, S.27 Iff., Riekhof, 1992, S.53ff., Schirmer/Staehle, 1990, S.712f., Staude, 1989, S.168, Staudt u.a., 1993, S.57, Wohlgemuth, 1990, S.84f., Wunderer, 1991, S.l 19f.

51 Vgl. zur Philosophie und zu den Quellen dieser Management-Richtung, die bis zu 25 Jahre zurückverfolgt werden, Staehle, 1988, S.576ff. 52 Staehle, 1988, S.585.

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sance des Personalmarketings,53 das die Frauen als bis dahin erst unzureichend erschlossenes Leistungspotential in den Kreis relevanter Zielgruppen ein­ schloß.54

2.2. Begriff und Prinzipien des Personalmarketings Personalmarketing wird von uns verstanden als strategisch orientierte Denkund Handlungskonzeption,55 die sich an den Interessen und Bedürfnissen der Organisationsmitglieder orientiert und komplementäre Instrumente des Per­ sonalmanagements zur => Akquisition neuer Organisationsmitglieder, => Motivation aktueller Organisationsmitglieder, => Profilierung des Unternehmens in der Öffentlichkeit im Hinblick auf einzelne Zielgruppen vereint.56 Personalmarketing begreift potentielle und aktuelle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als „Kundschaft“ der Organisation, die es zu gewinnen und zu halten gilt.57 Wir folgen darin Scholz, der ausfuhrt: „Personalmarketing heißt konsequentes Umsetzen des Marketinggedankens auch im Personalbereich. Das Unternehmen inklusive Arbeitsplatz (Produkt) muß an gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter ‘verkauft’ werden, wobei speziell die Untemehmenskultur (Produkteigenschaft) eine entscheidende Rolle spielt. Personalmarketing heißt jedoch nicht ‘Vermarktung’ von Arbeitsplätzen - ein Irrtum, der einer fälschlichen Gleichsetzung von Marketing und Absatz

53 Vgl. Wunderer, 1991, S. 121, vgl. Strutz, 1993a, S.2ff, vgl. auch Moser, 1992, S.2, S.7.

54 Vgl. Bomträger/Klein, 1991, S.55, Freimuth u.a., 1993, S.24, Moser, 1992, S.106f., S.l 13. 55 Zur Typologisierung verschiedener Ansätze des Personalmarketing vgl. Weibier, 1996, S.305ff. Der von uns verfolgte Ansatz versteht Personalmarketing als personalpolitische Kon­ zeption.

56 Vgl. zu Definition und Funktion des Personalmarketing Scholz, 1993, S.602ff., Staude, 1989, 169f., Wunderer, 1991, S.120ff. 57 So charakterisiert Moser die dauerhafte Gewinnung von Mitarbeitern als Gegenstand des Personalmarketing (Vgl. Moser, 1992, S.l3) und Vollmer versieht ihr Buch „Frauen im Un­ ternehmen“ mit dem Untertitel: „Gute Mitarbeiterinnen finden, fördern und behalten“ (Vollmer, 1993).

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gleichkommen würde. Es geht vielmehr um eine grundsätzliche Denkhaltung, die sich an den Grundbedürfnissen der Kunden orientiert.“58

Den strategischen Ansatzpunkt des Personalmarketings bildet, ähnlich wie dies beim Absatz- und Beschaffungsmarketing der Fall ist, die Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen der Zielgruppe mit der Absicht, spezifische Nutzenpotentiale zu erkennen und aufzubauen, die die Organisation für ihre Mitglieder attraktiv werden lassen.59 Die Schaffung solcher Attraktivitätspo­ tentiale bildet die Voraussetzung für die Erfüllung der oben angeführten Akquisitions-, Motivations- und Profilierungsfunktion.60 Um dem Subjektcha­ rakter des Menschen gerecht zu werden und um sicher zu stellen, daß Maßnah­ men des Personalmarketings tatsächlich den Interessen der Adressatengruppe entsprechend entwickelt und umgesetzt werden, sind die Betroffenen an der Er­ arbeitung und Realisierung der Konzepte zu beteiligen.6!

In der Betrachtung des Personalmarketings werden die Mitarbeiter und Mitar­ beiterinnen als Kunden angesehen, aber sie „(...) sind zugleich der ‘wertvollste’, kreativste und sensitivste Produktionsfaktor.“62 Die Organisationsmitglieder werden als Potential betrachtet, das systematisch zu erschließen, zu entwickeln und zu fördern ist. In konsequenter Fortsetzung dieses Gedankens sind Auf­ wendungen zur Personalrekrutierung und -entwicklung als Investitionen in Zu­ kunftspotentiale zu interpretieren. Hieraus resultiert die besondere Bedeutung

58 Scholz, 1993, S.602, vgl. auch Hentze, 1991, S.225, Wunderer, 1991, S.129, Staude, 1989, S.169. 59 Vgl. Staude, 1989, S.177, Bomträger/Klein, 1991, S.56. Cisek gibt sogar der Hoffnung Ausdruck, über ein an Mitarbeiterinteressen orientiertes Personalmarketing ,Arbeitseliten“ anzuziehen, vgl. Cisek, 1994, S.564. 60 Zu betonen ist, daß das Konzept des Personalmarketings durchaus auch für kleine und mittlere Unternehmen geeignet ist: “Die Chancen der kleinen Unternehmen liegen vor allem in der Vielseitigkeit, Individualität und Schnelligkeit. Sich selbstbewußt auf die eigenen Stär­ ken besinnen, auf diese zu setzen und sie im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes in über­ zeugender Form zu kommunizieren, das ist der Weg zur hohen Kunst des Personalmarketings in mittelständischen Unternehmen.“ (Boesl, 1992, S.998).

61 Vgl. Wunderer, 1991, S.122. Wir setzen diesen Anspruch im Rahmen unserer Empfehlun­ gen (vgl. Kapitel 5.1 der vorliegenden Arbeit sowie die Checklisten im Anhang) durch das von uns erprobte Implementierungskonzept „Projektgruppe“ und durch den von uns gewähl­ ten Forschungsansatz der Aktionsforschung um. Damit berücksichtigen wir auch die u.a. von Staffelbach angebrachte Kritik am Personalmarketing, dem er vorwirft, den Subjektcharakter und Selbstwert der Menschen zu vernachlässigen (Vgl. Staffelbach, 1986, S.139). 62 Wunderer, 1991, S.120.

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der Bindung von erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an das Unter­ nehmen und damit der hohe Stellenwert des “internen Marketings“.^

Personalmarketing in der so definierten Ausrichtung begreift sich als integraler Bestandteil eines umfassenderen Human Resources Management, welches sich in Anlehnung an Staehle durch die folgenden Charakteristika beschreiben läßt^: • Wertschätzung der Organisationsmitglieder als strategisch wichtige Res­ source im Wettbewerb:

- Reservoir potentieller Kompetenzen, das durch das Management zu erschlie­ ßen ist, - Vermögensanlage, die durch das Unternehmen zu erhalten und zu pflegen ist. • Integration der auf Human Resources ausgerichteten Maßnahmen durch

- systematische Verknüpfung komplementärer personalpolitischer Instrumente,

- Einbindung des Personalmanagements in strategische und strukturelle Ent­ scheidungen, • Funktionsbereiche übergreifende Perspektive durch

- General-Management-Sichtweise bei der Betrachtung der Human Resources,

- Einbindung des Linienmanagements in die Verantwortung für die Human Resources. Diese Charakteristika stellen Anforderungen an das Personalmarketing generell dar, aus denen Gestaltungsempfehlungen für ein frauenorientiertes Personal­ marketing abzuleiten sind. Diese Konsequenzen werden im Folgenden darge-

& Wunderer sieht das interne Marketing als Bestandteil des Personalmarketings im oben de­ finierten Sinne (vgl. Wunderer, 1991, S.127). Einen anderen Inhalt verbinden Stauss und Schulze mit dem internen Marketing: “Internes Marketing umfaßt den Einsatz personal wirt­ schaftlicher Instrumente unter dem Primat des Absatzmarketings und den Einsatz von (Absatz-)Marketinginstrumenten zur Beeinflussung des Personals.“ (Stauss/Schulze, 1990, S.l53, i.Orig. tw. hervorgeh.). Wenngleich das interne Marketing im Sinne von Stauss und Schulze gerade im Zusammenhang mit einer Verstärkung der Kundenorientierung eine Beach­ tung erhält, wird unter der hier verfolgten Thematik, in deren Mittelpunkt die Positionierung der Unternehmen auf den Arbeitsmärkten steht, internes Marketing in Anlehnung an Wunde­ rer als integraler Bestandteil des Personalmarketing gesehen, dessen Ausgangspunkt die Be­ dürfnisse der Mitarbeiterinnen und ihrer wesentlichen Bezugsgruppen bilden (vgl. Wunderer, 1991, S.127f., vgl. auch Strutz, 1993a, S.14f.). 6 4 Vgl. Staehle, 1991, S.726f.

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stellt, um daran anschließend ein Konzept für ein frauenorientiertes Personal­ marketing skizzieren zu können.

2.3. Konsequenzen für die Frauenforderung in Unternehmen Unter Frauenforderung wird unter der hier verfolgten Fragestellung eine gezielt an Frauen orientierte Gestaltung des Personalmarketings verstanden, die in der Absicht erfolgt, zielgruppenspezifische Attraktivitätspotentiale zu schaffen und zu pflegen. Wenngleich in Theorie und Praxis der Frauenforderung von priva­ ten und öffentlichen Institutionen eine Vielzahl von Motiven für frauenforderliche Aktivitäten aufzufinden sind,65 sind mit dem Personalmarketing von Un­ ternehmen primär wirtschaftliche Zielsetzungen zu verbinden:66 Frauen stellen insofern ein strategisch relevantes Erfolgspotential für Unternehmen dar, als sie Trägerinnen von Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen sind, die zum Nutzen der Unternehmen einsetzbar sind. 2.3.1. Erschließung weiblicher Potentiale als Aufgabe

Für das Personalmarketing läßt sich aus der formulierten Definition die Aufga­ benstellung ableiten, welchen Beitrag Frauen zum Untemehmenserfolg leisten können. Ähnlich wie im Absatzmarketing ist daher eine Personal-(Markt-) Forschung vorzunehmen,67 die sowohl organisationsexteme als auch -interne Faktoren der Personalsituation berücksichtigt,68 um den Bedarf des Unterneh­ mens und die Potentiale, aber auch die Bedürfnisse der Adressatinnen zu erfas­ sen. Hierbei ist zum einen zu beachten, daß Frauen in fachlich relevanten Berei­ chen, wie sie beispielsweise durch eine Berufsausbildung oder einen Studienab­ schluß erworben und nachgewiesen werden, Qualifikationen aufweisen, die de­ nen ihrer Kollegen bzw. Mitbewerber entsprechen oder diese sogar übertref­ fen.69 Eine Erschließung weiblicher Potentiale kann unter diesem Aspekt zur Steigerung der HR-Qualität insgesamt führen. Darüber hinaus ist zu analysie­ 65 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 3.1. und 5.2.

66 Schwartz sieht eine wirtschaftliche Motivation von Unternehmen sogar als unverzichtbar an: „Sie müssen Frauen zunächst als wirtschaftliche Notwendigkeit betrachten. Nur dann können Sie die erforderlichen Änderungen vornehmen. Nur dann können Sie den erwarteten Gewinn erzielen.“ (Schwartz, 1993, S.39). 67 Vgl. Scherm, 1991, S.338.

68 Vgl. Staude, 1989, S.170, vgl. auch Wunderer, 1991, S.129.

69 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 3.2.

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ren, welche fur das Unternehmen wichtigen spezifischen Fähigkeiten der Frauen vermutet werden können, die dem Unternehmen entgehen, wenn es aus­ schließlich oder überwiegend männliche Mitarbeiter beschäftigt.70 Unter die­ sem Aspekt sind neben direkt berufsbezogenen Kompetenzen außerberuflich erworbene Qualifikationen zu berücksichtigen, die vor dem Hintergrund ge­ schlechtsspezifischer Sozialisation entstehen und das Verhalten im Unterneh­ men mitprägen.

Das Personalmarketing erhält somit die Aufgabe, die Potentiale der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu erkennen, sie zu aktivieren und zu pflegen. Frauenfor­ derung in diesem Sinne bedeutet, die Fähigkeiten der Frauen für das Unterneh­ men sichtbar zu machen und sie ziel- und zukunftsorientiert zu entwickeln, in­ dem diese Frauen die Chance zum Lernen und auch zur praktischen Erprobung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten im Unternehmen erhalten. Dies bedeutet gleichzeitig, daß männlichen und weiblichen Organisationsmitgliedem die Be­ reitschaft zur persönlichen und fachlichen Weiterbildung und der Anwendung des Erlernten im Unternehmen gleichermaßen abverlangt werden muß. Zu un­ tersuchen ist, welche geschlechtstypischen Motivationen und Entwicklungs­ oder Anwendungshemmnisse zu erwarten sind, um seitens des Personalmarke­ tings darauf eingehen zu können und dem Unternehmen Human ResourcesPotentiale umfassend zu erschließen. Um dem Subjektcharakter der „Zielgruppe Frau“ gerecht zu werden und sicher­ zustellen, daß das Personalmarketing-Konzept einerseits den Interessen der Adressatinnen entspricht und andererseits vom Unternehmen und den dort be­ schäftigten Menschen in ausreichender Breite akzeptiert und mitgetragen wird, erscheint die Beteiligung von weiblichen und männlichen Organisationsmit­ gliedem aus unterschiedlichen untemehmensintemen, ggf. auch -externen Be­ reichen (Kundschaft, Beratung, Supervision/Prozeßbegleitung) bei der Konzept­ erarbeitung, der Umsetzung und dem Controlling unerläßlich. Gleichzeitig zeigt die partizipative Entwicklung und Realisierung wichtiger Konzepte die Wert­

70 Hier stellt sich zum einen die Frage nach geschlechtsspezifischen Kompetenzen, die in der Vergangenheit häufig unter dem Aspekt besonderer feinmotorischer Fähigkeiten von Frauen, in den letzten Jahren aber vor allem unter dem Stichwort „Sozialkompetenz“ und der Frage nach einem weiblichen Führungsstil in Theorie und Praxis intensiv diskutiert werden. Vgl. zu dieser Diskussion die Systematisierung von Nerge, 1993, S.l63ff. und unsere Ausführungen in den Abschnitten 3 und 5 dieses Buches. Darüber hinaus ist aber im Sinne einer Erhöhung der Varietät des Managementverhaltens eine Erschließung neuer Zielgruppen für den Füh­ rungsnachwuchs im Sinne eines MbC (Management by Complement) nach der von Berth vorgelegten Kienbaum-Studie ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen (Vgl. Berth, 1991,V)

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Schätzung der Organisation gegenüber den Projektmitgliedem an und belegt die Bereitschaft, deren Kenntnisse und Erfahrungen zu nutzen. 2.3.2. Mittel- bis langfristig angelegter Zeitrahmen Personalmarketing ist als strategisches Konzept mittel- bis langfristig anzule­ gen.71 Ganz besondere Beachtung verlangt der Aspekt der Langfristigkeit im Zusammenhang mit einer Zielgruppe, die noch im Stadium der Herausbildung begriffen ist, wie dies bei Fach- und Führungsfrauen als historisch gesehen noch relativ jungem Phänomen der Fall ist. Hier ist nicht nur die betriebliche Situation zu berücksichtigen, sondern auch mögliche kulturelle und soziale Hindernisse sind zu beachten.

Aktivitäten, die sich an eine solche Adressatengruppe richten, zielen auf den Untemehmenserfolg der Zukunft ab. Entsprechende Konzepte sind daher unter dem Aspekt des Aufbaus strategischer Erfolgspotentiale anzulegen und zu be­ werten. Für sie gilt in besonderem Maße, was für das Personalmarketing schlechthin zu betonen ist: “Personalmarketing ist die Aufforderung, im be­ trieblichen Personalwesen in ganzheitlichen Dimensionen zu denken. Perso­ nalmarketing ist die Aufforderung zur strategischen Personalarbeit.“72 Dies be­ deutet zum einen, daß das Personalmarketing kritische Segmente der Zielgruppe bereits in einem sehr frühen Stadium der beruflichen Entwicklung ansprechen kann und muß, in dem wichtige Weichenstellungen für die weitere Berufsbio­ graphie erfolgen. Hier ist z.B. an Initiativen von Unternehmen für „Mädchen in Männerberufen“ oder an Kontakte mit Schulen und Hochschulen zu denken, um insbesondere in technischen Berufen und im gewerblichen Bereich zur Erweite­ rung des Potentials qualifizierter Frauen beizutragen. Die Notwendigkeit einer mittelfristigen Anlage des frauenorientierten Personalmarketings wird aber auch im aktiven Umgang der Unternehmen mit der Familienphase ihrer Mitarbeiter­ innen deutlich. So umfassen Betriebsvereinbarungen zum Thema Erziehungs­ zeiten in manchen Unternehmen einen Zeithorizont von sieben Jahren bis zum Wiedereinstieg einer Mutter, der bei einer mehrfachen Mutterschaft sogar noch weiter ausgedehnt wird. In dieser Zeit ist im Rahmen des Personalmarketings über sinnvolle Formen des Kontaktes zu den Frauen nachzudenken, sofern dies beiderseitig gewünscht ist.

Der Aufbau strategischer Erfolgspotentiale erfordert auch dann einen weiteren Zeithorizont und einen längeren Atem, wenn kurzfristige, operativ erreichbare Erfolge nicht erreicht werden können oder nur einen Bruchteil des insgesamt

7^ Vgl. zur Langfristigkeit personeller Maßnahmen auch Staehle, 1991, S.732. 72 Bomträger/Klein, 1991, S.56, im Original teilweise hervorgehoben.

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möglichen Erfolges ausmachen.73 Eine solche, längerfristige Anlage der Er­ folgsbeurteilung entspricht der Sichtweise des Human Resources Management, die, wie oben ausgeführt, personalpolitische Aufwendungen als Investition in Zukunftspotentiale interpretiert und daher das Personalmarketing bspw. an der strategischen Verbesserung des Fachkraft- oder Managementpotentials orien­ tiert, ohne angesichts eines kurzfristig ausreichenden Fach- und Führungs­ kräfteangebotes seine Aktivitäten einzustellen. Um festzustellen, ob ein Unter­ nehmen sich mit der gewählten Personalmarketing-Strategie auf dem richtigen strategischen Pfad befindet und die realistischerweise zu erwartenden Effekte programmgemäß eintreten, ist ein strategisch orientiertes Controlling vorzuse­ hen, das sowohl die Prämissen des Konzeptes auf ihre weitere Gültigkeit hin überprüft, als auch Angemessenheit und Umsetzung des Konzeptes sowie Er­ folge und Kosten, aber auch nicht erwartete Effekte beachtet und KonzeptModifikationen anregt. 2.3.3. Gestaltung konsistenter Maßnahmenbündel Unter dem Gesichtspunkt der Integration, als dem zweiten Charakteristikum eines in das Human Resources Management eingebetteten Personalmarketings, ist zu betonen, daß das Personalmarketing als ganzheitliches Konzept den systematisch geplanten und kontinuierlich realisierten Einsatz eines konsisten­ ten Instrumenten-Bündels erfordert.74 So warnen Freimuth/Elfers/Zirkler davor, das Personalmarketing auf dessen kommunikative Elemente zu reduzieren und heben die Bedeutung einer konzeptgesteuerten Einarbeitung der neuen Organi­ sationsmitglieder hervor.75 Gerade im Hinblick auf die Erschließung neuer Be­ werbersegmente, wie bspw. bei einer Ansprache von Frauen für Fach- und Füh­ rungspositionen in bislang männerdominierten Bereichen, ist die Bedeutung einer zielgruppenorientierten Einarbeitungsstrategie ebenso offensichtlich wie im Zusammenhang mit einem Personalmarketing für Frauen, die nach einer mehrjährigen Familienphase in das Unternehmen zurückkehren.

Doch endet das Personalmarketing auch noch nicht nach der Einarbeitung. Mo­ ser betont die Notwendigkeit, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen z.B. durch das Angebot neuer Arbeitszeitmodelle in das Personalmarketing aufzuneh­ men.76 Im Hinblick auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch männliche und weibliche Fach- und Führungskräfte erhält die Gestaltung von 73 Vgl. Bomträger/Klein, 1991, S.55. 74 Vgl. Staude, 1989, S.169, Wunderer, 1991, S.120.

75 Vgl. Freimuth u.a., 1991, S.24, vgl. auch Staude, 1989, S.174f. 76 Vgl. Moser, 1992, S.2f.

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Arbeitszeit und Arbeitsort als Attraktivitätsfaktor hohe Relevanz, wobei anzu­ merken ist, daß auch andere Motive, die bspw. aus Weiterbildungsinteressen resultieren, neue Arbeitszeitmodelle wie bspw. ‘Sabbaticals’ als interessante Angebote erscheinen lassen. Staude fordert sogar die Berücksichtigung von Maßnahmen des Personalabbaus mit der Begründung: „(...) auch im Falle des freiwilligen oder gewollten Aus­ tritts einzelner oder mehrerer Mitarbeiter aus dem Unternehmen kann aus der Sicht des strategischen Personalmarketings noch mancher Pluspunkt gesammelt oder das Image am Arbeitsmarkt ruiniert werden.“77 Auch hier liegen spezi­ fische Ansatzpunkte für ein frauenorientiertes Personalmarketing auf der Hand: Ist im Rahmen von Austrittsgesprächen aufgrund von Eigenkündigung die (fehlende) Frauenfreundlichkeit des Unternehmens zu eruieren, so bietet es sich speziell im Falle eines familienbedingten zeitweiligen Ausscheidens aufgrund von Mutterschaft oder Pflege von Angehörigen an, Wiedereintrittsperspektiven und -Voraussetzungen anzusprechen und Ansatzpunkte für den Kontakt zum Unternehmen zu definieren, um seitens des Unternehmens erfahrene Kräfte an sich zu binden und seitens der Frauen die Gefahr eines Qualifikationsverlustes aufgrund eines mehrjährigen vollständigen Ausstieges zu mindern. Ein umfassendes Konzept beschreibt Scholz mit dem Lambda-Modell, wel­ ches Untemehmenskultur, Untemehmensidentität, Untemehmenskommunikation und Untemehmensimage verkettet und auf diese Weise Brüche und Wider­ sprüche ausschließt und den Erfolg der Personalmarketing-Strategie im Hin­ blick auf Akquisitions-, Motivations- und Profilierungsfunktion ermöglicht.78 Ihm folgenden ist das gesamte Aktionsfeld des Personalmarketings auf seine Eignung als Instrumentarium zur Schaffung von Attraktivitätspotentialen für die Adressatinnen hin zu überprüfen und durch ergänzende Maßnahmen aus dem organisatorischen und kommunikativen Bereich zu vervollständigen. Beginnend bei der Personalmarktforschung und der Personalwerbung über die Gestaltung der VertragsVerhandlungen und -inhalte bis hin zur Personalein­ satzplanung und -entwicklung sowie ggf. bis zum (zeitweiligen) Austritt aus dem Unternehmen ist dafür Sorge zu tragen, daß die Einzelmaßnahmen einan­ der sinnvoll ergänzen und verstärken. Es erscheint unerläßlich, darüber hinaus organisatorische Maßnahmen, wie z.B. eine Unterstützung von Eltern bei der Kinderbetreuung zu prüfen, welche die sozialen Rahmenbedingungen weib­ licher Berufstätigkeit berücksichtigen und Frauen, die Familie und Beruf mit­ einander vereinbaren wollen, eine Entscheidung für eine berufliche Karriere

77 Staude, 1989, S.176, vgl. auch Scholz, 1993, S.618f.

78 Vgl. Scholz, 1993, S.609ff, insbesondere S.643.

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erleichtern. Selbstverständlich kann kein Anspruch auf maximale Abdeckung des skizzierten Instrumentariums durch das Personalmarketing einzelner Unter­ nehmen erhoben werden. Kriterium für die Auswahl einzelner Maßnahmen ist deren Beitrag zum Aufbau von Attraktivitätspotentialen der Organisation aus Sicht der ausgewählten Zielgruppe, die in aller Regel nur ein Teilsegment der beruflich qualifizierten Frauen ausmachen wird, wie wir weiter unten zeigen.79 Je nach Bedürfnis- und Interessenlage der Adressatinnen und der Bereitschaft des Unternehmens darauf einzugehen, kann der Schwerpunkt des Personalmar­ ketings auf ganz unterschiedlichen Instrumenten liegen. Das Angebot des Unternehmens ist kommunikativ nach innen und außen zu vermitteln. Bei der Gestaltung der Botschaften ist zum einen das Informations­ verhalten der Adressatinnen zu beachten und eine entsprechende Auswahl der Medien vorzunehmen. Zum anderen ist zu bedenken, daß adressatinnengerich­ tete Botschaften auch von anderen Organisationsmitgliedem und ggf. auch Ex­ ternen empfangen und u.U. fehlinterpretiert werden. Hieraus könnten uner­ wünschte Effekte resultieren, denen seitens des Unternehmens unbedingt Be­ achtung zu schenken ist. Die Integration personalstrategischer Instrumente be­ deutet daher auch, Konsistenz in der Kommunikationsstrategie der Organisation insgesamt herzustellen, um so ein eindeutiges Untemehmensprofil zu schaffen.

2.3.4. Integration in die Unternehmensstrategie Aktivitäten des Personalmarketings sind als Bestandteil des Human Resources Management mit der Untemehmensstrategie bzw. den Geschäftsfeldstrategien zu verknüpfen.80 Prinzipiell sind dabei folgende Beziehungen denkbar:81

(1) Personalstrategie folgt Untemehmensstrategie

(2) Untemehmensstrategie folgt Personalentscheidungen (3) Die Strategieentwicklung erfolgt interaktiv.

Üblicherweise folgt in den meisten Unternehmen die Personalstrategie aus der Geschäftsstrategie,82 stellt das Personalmarketing also ein aus den allgemeine­ ren Zielen der Organisation abgeleitetes Konzept dar. Dies kann auch durchaus frauenorientiert sein. So wird eine Strategie der Frauenforderung in zukünftig wachsenden Bereichen leichter zu realisieren sein und zudem den Interessen der

79 Vgl. Abschnitt 3.3. 80 Vgl. Laukamm, 1992, S.83f.

81 Vgl. Staehle, 1991, S.730ff. 82 Vgl. Laukamm, 1992, S.81.

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Frauen eher entsprechen, als bspw. die Feminisierung marginalisierter Arbeits­ bereiche. In der Literatur finden sich aber unter dem Etikett der Frauenforde­ rung durchaus auch vereinzelte Versuche, Frauen den Weg in unattraktive Be­ schäftigungsfelder, seien es nun „sinkende Schiffe“ oder belastende Arbeits­ situationen, zu weisen, um dort aufgetretenen Personalmangel zu beheben.83 Ein solches Vorgehen mag die Notlage einzelner Unternehmen und auch die Notlage beschäftigungssuchender Frauen sicherlich kurzfristig entschärfen. Zur Strategie im Sinne des oben beschriebenen Human Resources Management wird die Förderung weiblicher Beschäftigung aber erst dann, wenn reale Attraktivitätspotentiale für die Organisationsmitglieder geschaffen werden.

Folgt die Personalstrategie der Untemehmensstrategie auch in zeitlicher Hin­ sicht, so ist frühzeitig zu prüfen, inwieweit ein Unternehmen mit den intern oder extern verfügbaren Human-Resourcen in der Lage ist, die vorgegebenen strate­ gischen Ziele tatsächlich zu erreichen: „Strategien sind offensichtlich zum Scheitern verurteilt, wenn die Fähigkeitspotentiale von Mitarbeitern und Füh­ rungskräften aus der Betrachtung ausgeklammert bleiben.“84

In diesem Fall böte sich ein frauenorientiertes Personalmarketing für Unter­ nehmen an, die einen Fach- oder Führungskräfteengpaß erwarten, der zur Ge­ fährdung ihrer strategischen (Wachstums-)Ziele führt. Tatsächlich wurden Frauenforderprogramme seit Ende der achtziger Jahre mit einem prognostizier­ ten Engpaß im Bereich der Führungsnachwuchskräfte begründet, der bereits für die neunziger Jahre erwartet worden war.85 In neueren Veröffentlichungen wird die Lücke im Fach- und Führungskräfteangebot in die Zeit nach 2000 verscho­ ben,86 was neben anderen Gründen dazu beigetragen hat, daß Frauenforderpro­ gramme in den letzten Jahren in manchen Unternehmen wieder eingeschränkt wurden. Eine stärker vorausschauende, strategisch ausgerichtete Personalentwicklungs­ planung fordert Riekhof „(...) als Instrument, um die Inhalte der strategischen Erfolgspositionen weiterzutransportieren und auszubauen.“87 Sein Anspruch 85 Vgl. Freimuth u.a., 1991, S.24, vgl. auch die Hinweise von Engelbrech, 1993, S.79, S.81. 84 Riekhof, 1992, S.51.

85 Vgl. Domsch, 1990a, S.l, Schneevoigt, 1990, S.l66, vgl. auch Berthoin Antal, 1988, S. 156f. Auch die Kienbaum-Untemehmensberatung riet den Unternehmen bereits 1988, Frau­ en als Führungsnachwuchskräfte schon zu diesem Zeitpunkt zu fordern, um dem erwarteten Mangel in den neunziger Jahren effektiv zu begegnen. Vgl. Kienbaum, 1988, S.52.

86 Vgl. Dick, 1995, S.335. 87 Riekhof, 1992, S.57.

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besteht darin, „(...) individuelle Fähigkeiten aufzubauen, die gleichzeitig der Stärkung der strategischen Erfolgspositionen dienen.“88 Dies läßt sich als ein Plädoyer für die dritte Form der Verknüpfung von Personalmarketing und Untemehmensstrategie interpretieren: Indem Frauen als neue Zielgruppe für Fachund Führungsaufgaben angesprochen werden, wird das verborgene Verände­ rungspotential für das Unternehmen gezielt im Hinblick auf neuartige Anforde­ rungen aus der Untemehmensumwelt erschlossen. Auf die Wechselwirkung zwischen Frauen und Organisation weist auch Kienbaum hin:

„Die Rolle der Frau ist im letzten Jahrzehnt neu definiert worden und mündet in den Anspruch der Frauen auf Gleichbehandlung im Beruf und damit auch im leitenden Management. Das erfordert gerade in den mittelständischen Unter­ nehmen ein Umdenken auf breiter Front, erschließt aber auch ein außerordent­ lich großes Kreativitäts- und Innovationspotential, das gleichzeitig etablierte Führungs- und Entscheidungsstrukturen in Frage stellt und neue Denkansätze im Unternehmen provoziert.“89 Ein erfolgreiches, frauenorientiertes Personalmarketing vermag darüber hinaus im Sinne einer Verknüpfung „Untemehmensstrategie folgt Personalentschei­ dungen“ zur Entwicklung neuer strategischer Zielsetzungen führen, wenn sich auf Basis der verbesserten Personalsituation und durch den Aufbau spezifischer Qualifikationen neuartige Chancen ergeben. So kann sich bspw. aufgrund eines stärkeren Einflusses fachkompetenter Frauen auf die Marketing-Strategie ein innovativer Zugang zu Bedürfnissen von Kundinnen ergeben oder eine externe Vermarktung von frauenorientierten, im Unternehmen im Rahmen des Perso­ nalmarketings erprobten Personalentwicklungsprogrammen realisiert werden. Welche Form der Integration von einem Unternehmen auch gewählt wird, in jedem der drei Fälle ist ein organisationsspezifisches, der Situation angepaßtes Konzept zu entwickeln, das die Interessen beider Seiten, die des Unternehmens und die der angesprochenen Frauen, zur Grundlage hat. 2.3.5. Einbeziehung der relevanten Interessengruppen Wer gestaltet ein solches Konzept und wer trägt die Verantwortung für die Initi­ ierung und die Realisierung eines frauenorientierten Personalmarketings? Der funktionsbereichsübergreifende Charakter eines solchen Konzeptes verbietet eine Übertragung der Verantwortung an einzelne Frauenbeauftragte oder

88 Riekhof, 1992, S.57. 89 Kienbaum, 1988, S.53. Vgl. zur „Innovationsfahigkeit von Außenseitern“ und hier speziell der Frauen auch Berthoin Antal, 1988, S. 167ff. Eine veränderte Einstellung zur Erwerbsarbeit bei Frauen stellt auch Engelbrech fest (vgl. Engelbrech, 1996, S.641f).

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Stabsstellen. Es ist sinnvoll, Personalabteilungen mit ihrem Know-how intensiv zu beteiligen. Für die Gestaltung frauenfreundlicher Konzepte im Sinne eines umfassenderen Umdenkens der gesamten Organisation erscheint die Ansied­ lung der Verantwortung für ein ffauenorientiertes Personalmarketing an der Untemehmensspitze,90 kombiniert mit einem partizipativen Vorgehen, aber un­ erläßlich. Insbesondere gilt das, wenn die historisch gewachsene Kultur der Or­ ganisation von einer neuen personalpolitischen Strategie berührt wird, wie das bei einem Personalmarketing der Fall ist, das sich an potentielle Führungsfrauen richtet. Hier kommt dem Vorbild der Unternehmensleitung in dem von ihr vor­ gelebten Führungsverhalten besondere Bedeutung zu.91

Als Voraussetzung für eine effiziente Umsetzung des ffauenorientierten Perso­ nalmarketings ist bereits im Vorfeld eine Klarheit in der Organisation über ih­ ren Willen zur Frauenforderung herzustellen: “Will man den Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöhen, so gibt es eine Grundbedingung: Man muß es wirklich wollen! Das klingt banal, aber alle Beteiligten müssen sich bewußt sein, daß diese notwendige Bedingung bedeutet, sich wirklich neuen Entwick­ lungen zu öffnen und nicht ‘hier und da einmal eine Führungsposition mit einer Frau zu besetzen’.“92 Um sicherzustellen, daß ein Umdenken im Unternehmen tatsächlich stattfindet und sich auch im Verhalten der Organisationsmitglieder niederschlägt, erscheint eine partizipative Konzeptentwicklung mit einer Dezentralisierung der Verant­ wortung für den Konzepterfolg geeignet. Daß die Betroffenen an der Konzept­ entwicklung zu beteiligen sind, wurde bereits ausgeführt. Doch nicht nur an die Frauen der Adressatinnengruppe, sondern auch an männliche Organisations­ mitglieder, die die Veränderungen mittragen, ist dabei zu denken. Eine Partizi­ pation bei der Gestaltung neuartiger Normen „(...) garantiert nicht nur einen Konsens, sondern durch die eigene Mitwirkung am Prozeß der Normenfindung auch eine Identifikation mit dem Erarbeiteten, was wiederum der schließlichen Befolgung der Normenvorgabe forderlich ist.“93

9^ Vgl. Staude, 1989, S.176, vgl. auch Wohlgemuth, 1990, S.91. 91 Vgl. Bleicher, 1992, S.192. In Anlehnung an H. Ulrich fordert Bleicher: “Untemehmenspolitische Entscheidungen müssen in dem Sinne ‘wahr’ sein, daß sie den wirklichen Auffas­ sungen und Absichten der obersten Führungskräfte entsprechen und durch deren eigene Ent­ scheide und Handlungen sichtbar bestärkt werden.“ (Bleicher, 1992, S.190). Vgl. auch An­ toni, 1992, S.43.

92 Krebsbach-Gnath, Schmid-Jörg, 1988, S.181 (Hervorhebung der Verfasserinnen). Vgl. auch Lück/Boes, 1990, S.48.

93 Bleicher, 1992, S. 186.

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Für das frauenorientierte Personalmarketing als Strategie des Human Resources Management gilt, wie für dieses generell, daß das gesamte Management in die Verantwortung einzubinden ist.94 So fordert Wunderer eine Dezentralisierung des Personalmarketings, um die Realisierung der angestrebten Philosophie in der täglichen Arbeit zu gewährleisten und eine Individualisierung der Personal­ entwicklung zu fordern,95 die gerade bei der Integration neuer Zielgruppen mit einer spezifischen Anforderungsstruktur hilfreich sein wird. Eine Dezentralisierung erscheint unter der Zielsetzung des Einsatzes von Frau­ en in Untemehmensbereichen, die bis dahin ausschließlich oder überwiegend mit männlichen Organisationsmitgliedem besetzt waren, besonders wichtig, um Probleme, die sich aus der neuen Situation beim Hinzukommen einzelner Frau­ en für die Frauen selbst, aber auch für bereits bestehende Gruppen ergeben,96 rasch zu erkennen und zügig zu beheben. Schließlich können unerwünschte Ef­ fekte, die in anderen, vom Personalmarketing nicht in gleichem Maße ange­ sprochenen Mitarbeitergruppen auftreten, durch die Einbeziehung erfahrener Linienmanager bereits im Vorfeld abgewendet werden. Voraussetzung für den Erfolg eines solchen dezentralen Verantwortungskonzeptes ist, wie oben ausge­ führt, die Beteiligung der Führungskräfte an der Konzeptentwicklung und -Steuerung.

Eine funktionsbereichsübergreifende Perspektive für ein frauenorientiertes Per­ sonalmarketing impliziert, daß kein Untemehmensbereich und keine Hierar­ chieebene von vornherein aus der strategischen Analyse ausgenommen wird. Um internen und externen Adressatinnen gegenüber glaubhaft zu machen, daß die Absichtserklärungen der Organisation ernst gemeint sind, und um qualifi­ zierten und motivierten Frauen wirklich interessante Karrierepositionen zu er­ öffnen, ist zu prüfen, inwieweit weibliche Human Resources dem Unternehmen auf allen Ebenen und Hierarchiestufen erschlossen und dabei auch horizontale Wege beschritten werden können. Im Zuge einer realistischen Planung ist auf Basis offengelegter Prämissen dann ein strategischer Schwerpunkt auf die Bereiche zu legen, die unter untemehmensstrategischen Gesichtspunkten vordringlich zu bearbeiten sind und in de­ nen ein frauenorientiertes Personalmarketing besonders effektiv erscheint, weil dort bspw. bereits erfolgreiche Frauen als Vorbild für Nachwuchskräfte wirken können oder ein großes Potential qualifizierter Bewerberinnen vorliegt. Andere Bereiche wären im Rahmen eines Konzept-Controllings weiter zu beobachten 94 Vgl. Wohlgemuth, 1990, S.91.

95 Vgl. Wunderer, 1991, S.l27. 96 Vgl. hierzu die Ausführungen von Friedel-Howe, 1990, S.26ff.

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und in das Personalmarketing einzubeziehen, wenn sich entsprechende Voraus­ setzungen ergeben.

2.4. Bestandteile frauenorientierter PersonalmarketingKonzepte Bei der Darstellung des von uns vorgeschlagenen Konzeptes werden zunächst die untemehmensspezifisch zu gestaltenden Bausteine beschrieben, um dann die relevanten Akteure, die sich mit der Entwicklung und Realisierung des frau­ enorientierten Personalmarketings befassen, zu diskutieren. Um die beiden Konzeptdimensionen „Bausteine“ und „Akteure“ in einem Implementierungs­ konzept miteinander zu verknüpfen, haben wir im Rahmen der Aktionsfor­ schung ein Phasenmodell des Projektablaufs erarbeitet, welches aufgrund seines empirischen Erfahrungsbezuges nicht in diesem, sondern erst in Abschnitt 5.1 dieses Buches dargestellt wird.

2.4.1. Bausteine situativ angemessener Konzepte Das von uns vorgeschlagene Konzept fugt mehrere Bausteine zusammen. Es setzt die

• Entscheidung der Organisation über den Willen zu einem frauenorientierten Personalmarketing,

• Festlegung der Adressatinnen/Zielgruppen voraus und unterscheidet dann als einander ergänzende Bestandteile

• Implementierungskonzept • Maßnahmen-Konzept und • Controlling-Konzept. Ein strategisch angelegtes, frauenorientiertes Personalmarketing setzt eine Ent­ scheidung der Organisation für diese Strategie voraus. Ein solcher Grundkon­ sens signalisiert das Commitment der Unternehmensleitung und schafft durch die Einbeziehung der Führungskräfte aus Stab und Linie ein Organisationskli­ ma, das Veränderungen in Kultur, Strukturen und Verhalten zuläßt. Der vor­ handenen Untemehmenskultur und der Notwendigkeit bzw. der Erwünschtheit ihrer Veränderung verbunden mit der Realisierung eines frauenorientierten Per­ sonalmarketings ist in diesem Zusammenhang besondere Beachtung zu schen­ ken. Es ist davon auszugehen, daß Maßnahmen und Effekte eines solchen Kon­ zeptes durchaus auch mit bestehenden Werthaltungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Führungskräften Zusammenstößen, die u.U. die ganze Kultur des Unternehmens oder einzelner Teilbereiche prägen. Derartige Kon-

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flikte, die bspw. beim Ersteinsatz weiblicher Fach- oder Führungskräfte auftre­ ten können, lassen sich kaum rational lösen und können sich in unerwarteten Widerständen und nicht erwarteten Effekten äußern. Sie erfordern dann eine Umsteuerung in der Kultur dieser Bereiche oder verurteilen das frauenorientier­ te Personalmarketing zum Scheitern. Andererseits ist zu prüfen, inwieweit eine Strategie des frauenorientierten Personalmarketings mit einem von den Ent­ scheidungsträgem aufgrund veränderter Umfeldbedingungen und Anforderun­ gen an das Unternehmen als notwendig oder wünschenswert angesehenen, ge­ zielten Wandel der Untemehmenskultur97 komplementär geht und daher Synergien genutzt werden können.

Der grundsätzliche Beschluß der Unternehmensleitung über ein frauenorientier­ tes Personalmarketing ist durch Folgeentscheidungen zu konkretisieren. Diese Entscheidungen betreffen die

• Definition von Zielsetzungen auf der normativen, strategischen und operati­ ven Ebene, • Bestimmung relevanter Adressatinnenkreise,

• Festlegung der Verantwortlichkeiten für die Entwicklung und Realisierung sowie das Controlling eines frauenorientierten Personalmarketing-Konzeptes. • Bereitstellung eine Budgets. Ein Grundkonsens bildet die unerläßliche Voraussetzung für eine realistische Strategie der Frauenforderung. Fehlt er, so ist zu befurchten, daß es vor allem in der Phase der Umsetzung zu Konflikten kommen kann, die zur Verzögerung, ja sogar zum Scheitern des Konzeptes und zur Demotivierung der bis dahin enga­ gierten Organisationsmitglieder fuhren können. Die Formulierung von Zielset­ zungen, die für das Unternehmen nachvollziehbar - also transparent und attrak­ tiv - sind, kommt bereits in dieser Phase große Bedeutung zu, um den Akteuren des frauenorientierten Personalmarketings einen Orientierungsrahmen zu geben und motivierend zu wirken.98 Hier sollte in der Kemgruppe ausreichende Klar­ heit hergestellt sein, bevor weitergehende Schritte realisiert werden.

Es wäre indessen wenig effektiv, Aktivitäten erst dann zu ergreifen, wenn das gesamte Unternehmen von der Notwendigkeit, weibliche Potentiale gezielt zu erschließen, felsenfest überzeugt ist. Sinnvoll erscheint es, zunächst eine rich­ 9? Zu den Schwierigkeiten einer Veränderung in der Untemehmenskultur vgl. Schein, 1995, S.230ff. 98 Zur Bedeutung von Zielen für den Umsetzungsprozeß aus Sicht des ganzheitlichen Pro­ blemlösens vgl. Gomez/Probst, 1995, S.227ff. Wir gehen auf die Zielsetzungen frauenorien­ tierten Personalmarketings im folgenden Kapitel 3 ausführlich ein.

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tungsweisende Entscheidung der Unternehmensleitung über ein frauenorientier­ tes Personalmarketing, mit dem in den meisten Unternehmen eine Veränderung der Organisationskultur verbunden sein dürfte, herbeizufuhren und in der Or­ ganisation bekannt zu machen. Über die Fortschritte in der Analyse und der Konzeptentwicklung bzw. später der Realisation ist die Unternehmensleitung im Rahmen des Projekt-Controlling fortlaufend zu informieren und erhält so die Möglichkeit, die Entscheidung über ein frauenorientiertes Personalmarketing zu bekräftigen oder auch zu modifizieren. Durch das von uns vorgeschlagene Im­ plementierungskonzept, das durch eine problemadäquate Informations- und Kommunikationsstrategie zu ergänzen ist, wird eine Involvierung der gesamten Organisation in die Konsensfindung und Realisation erreicht. Im Detail wird dieses Implementierungskonzept unter Auswertung unserer Erfahrungen aus der Aktionsforschung in Kapitel 5.1. dargestellt.

38

39

.

. .

Erfolg

.

• Kosten

p erSonaleinsatz Personalentwicklung

durch Einsatz von einer Projektsteuer- und ProjektarbeitsgrupPe( n)-

werden zu einem situativ angemessenen Konzept integriert

werden beobachtet und führen ggf. zu einer Modifizierung der zielgruppen-orientierten Aktivitä­ ten

Konzept

Umsetzung

PerSonalrekrutierung

Personalplanung

• Festlegung von Erfolgsmaßstä- • Personalführung ben • Organisatorische Maßnahmen • Begleitung der Realisierung • Kommunikation

.

Controlling-Konzept • Prämissen

. .

Maßnahmen-Konzept • Personalforschung

Interessengruppen Aktivierung der Adressatinnen • Erarbeitung eines situativ angemessenen MaßnahmenKonzeptes •

Implementierungskonzept • Berücksichtigung relevanter

C

^ Z i e l gruppendcfini t i o n ^ )

_____ Grundkonsens im Unternehmen zur Sinnhaftigkeit zielgruppenorientierter Aktivitäten _____

A bb. 1: B austeine eines K onzeptes eines frauenorientierten P ersonalm arketings

Bei der Entwicklung und Verknüpfung von Maßnahmen empfiehlt sich ein problemorientiertes Vorgehen, das die verschiedenen Aktionsbereiche des Per­ sonalmarketings in ihrer jeweiligen Bedeutung für die Adressatinnengruppe und das Unternehmen berücksichtigt: • Personal Forschung als informationelle Basis der Konzepterstellung und des Controllings, • Personalplanung als gedankliche Vorwegnahme zukünftiger Strukturen und Aktivitäten, die zur Steuerung und Regelung frauenorientierter Konzepte ein­ zusetzen ist, • Personalrekrutierung als systematische Erschließung zusätzlicher externer, aber auch interner Potentiale für Fach- und Führungsaufgaben, die mit einer frauenorientierten Kommunikationsstrategie zu verknüpfen ist,

• Personaleinsatz als Zuordnung von Menschen auf Stellen bzw. von Auf­ gabenbündeln zu Menschen, wobei neben dem Aspekt des Einsatzes von Frauen in männlich dominierten Untemehmensbereichen, den Mobilitätsan­ forderungen an Frauen, vor allem aber der Arbeitszeitgestaltung als potentiel­ ler Attraktivitätsfaktor eine besondere Bedeutung zukommen kann," • Personalentwicklung im Sinne der Weiterbildung und Förderung der Adres­ satinnen im Dienste des Aufbaus strategisch wichtiger Potentiale für das Un­ ternehmen unter Berücksichtigung persönlicher Entwicklungsziele, aber auch Maßnahmen zur Verbesserung des kulturellen Umfeldes des frauenorientier­ ten Personalmarketings, die sich an Organisationsmitglieder außerhalb der eigentlichen Zielgruppe richten, • Personalführung, verstanden sowohl als Individualführung bzw. Anwendung bestimmter Führungsmodelle, 100 aber auch im Sinne eines kulturorientierten Personalmanagements, 101

W Zur Bedeutung familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle aus motivationspsychologischer Sicht vgl. Heilert, 1995, S.42ff. Ißß So verbindet Heilert mit einem motivierenden Führungsstil die Erwartung, daß Auf­ stiegsbarrieren für weibliche Führungskräfte reduziert werden. Vgl. Heilert, 1995, S.57.

101 Vgl. Scholz, 1993, S.488ff. Scholz weist auf einen doppelten Wirkungszusammenhang zwischen der Untemehmenskultur und dem Verhalten der Organisationsmitglieder hin, und macht so deutlich, daß nicht von einem rein instrumenteilen Einsatz der Kultur im Rahmen der Führung ausgegangen werden kann: „Danach spiegelt die Untemehmenskultur solche Verhaltensmuster wider, die sich nach Ansicht der Untemehmensmitglieder in der Vergan­ genheit bewährt haben und an denen sie sich orientieren; Untemehmenskultur ist somit das implizite Bewußtsein eines Unternehmens, das sich aus dem Verhalten der Untemehmens-

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• Organisatorische Maßnahmen, die der besonderen Belastung vieler Frauen mit familiären Aufgaben Rechnung tragen und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Ziel haben, • Kommunikation der Strategie eines frauenorientierten Personalmarketings innerhalb und außerhalb der Organisation sowie Öffnung der Organisation für Signale über Akzeptanz bzw. für Ansätze einer Weiterentwicklung des frauenorientierten Personalmarketings.

Diese Aktionsbereiche sollten zunächst systematisch auf ihre Bedeutung für die aktuelle Situation hin analysiert werden, um dann gezielt Bereiche mit großer Hebelwirkung zum Ausgangspunkt der Planung und direkt folgender erster Umsetzungsschritte zu wählen. Da dem Prinzip einer situationsgerechten Ge­ staltung des Personalmarketings zu folgen ist, wird von dem Versuch, an dieser Stelle idealtypische Konstellationen zu entwerfen, Abstand genommen. Wie ein situationsgerechtes Personalmarketing entwickelt werden kann, das sich gleichermaßen an den Interessen der Adressatinnen wie an den Anforde­ rungen der Organisation orientiert, ist im Anhang dieser Arbeit in einer ganzen Reihe von Checklisten problemorientiert dokumentiert, in die Aussagen aus der Literatur ebenso eingeflossen sind wie die Ergebnisse unserer Erhebungen und Erfahrungen sowie der Diskussionen in Projektbeirat und Projektarbeitskreis. Der Baustein Controlling integriert Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozes­ se102 und trägt so zur effektiven und effizienten Gestaltung des Personalmarke­ tings bei.103 Als Feedforward-Kontrolle erfolgen Controlling-Aktivitäten im Sinne eines Alarmsystems104 bereits parallel zur Konzeptentwicklung und Ummitglieder ergibt und das umgekehrt formale wie informale Verhaltensweisen der Individuen steuert.“ (Scholz, 1993, S.489) 102 Vgl. Weber, 1989, S.438ff.

103 Wunderer sieht das Personal-Controlling, in dessen Rahmen sich auch das hier vorge­ schlagene Konzept integrieren läßt, als „(...) zentrale Teilfunktion strategischer Personalarbeit (...)“ an (Wunderer, 1993, S.139), dessen Aufgabe seitens der Praxis neben der Transparenz von Personalkosten in der Verbesserung von Entscheidungen im Personalbereich gesehen wird. Vgl. Wunderer, 1993, S.139f. Auch Engelbrech verweist auf die Notwendigkeit der Kosten-Nutzen-Analyse bei einem auf Chancengleichheit ausgerichteten TQM-Management (vgl. Engelbrech, 1996, S.641). 104 Vgl. Schreyögg, 1994, S.350, der der Kontrolle risikobegrenzende Funktion zuweist: “Konkret heißt das, daß sie die Selektionsentscheidungen im Planungsprozeß von Anfang an und fortlaufend auf ihre weitere Tragfähigkeit hin zu überprüfen hat. Indem sie Überraschun­ gen und die Notwendigkeit der Veränderung frühzeitig zu erfassen sucht, trägt sie dazu bei, das strukturelle Risiko der Planung zu begrenzen.“ (Schreyögg, 1994, S.350).

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Setzung bzw. in der Auswertungsphase. Sie richten sich im laufenden Unter­ nehmensprozeß permanent (als strategische Überwachung!05) oder bezogen auf definierte Meilensteine (als Prämissen- bzw. Durchführungskontrolle) auf die Beobachtung106 von

• Prämissen des Personalmarketings, wie z.B. langfristiger Personalbedarf des Unternehmens, Veränderungen von Rollenstereotypen, der realen Arbeitstei­ lung in den Familien, weibliches Berufswahlverhalten, • Konzeptbestandteilen hinsichtlich ihrer Eignung zur Zielerreichung, • Umsetzungsaktivitäten auf ihre Konzepttreue hinsichtlich Inhalt, Intensität und Zeitraum, • Erfolg der Maßnahmen, aber auch Beobachtung nicht beabsichtigter Effekte. Als Leitfaden können die folgenden Fragen dienen: - Beurteilt die Zielgruppe diese Maßnahmen positiv? Gilt das auch für Frauen außerhalb der Projektgruppen?

- Lassen sich „harte Fakten“ finden, die eine positive Beurteilung erlauben? - Lassen sich „weiche Fakten“ identifizieren, die für den Konzepterfolg sprechen?

- Signalisieren Störungen unerwünschte Wirkungen?

• Kosten des frauenorientierten Personalmarketings, die durch geplante Aktivi­ täten verursacht werden, aber auch Beachtung der Fragen: - Sind zusätzliche Kosten aufgrund von nicht erwarteten Effekten erkennbar? Sind solche Kosten mit positiven Effekten aufzurechnen oder werden sie sogar überkompensiert? Bei erkennbaren Abweichungen sind Korrekturentscheidungen anzuregen.

Im Sinne eines untemehmensübergreifenden Controllings erscheint es sinnvoll, Anregungen aufzugreifen, das Konzept des „Benchmarking“107, also des konti­ nuierlichen Vergleichs von Prozessen und deren Effekten mit anderen, beson­ ders erfolgreichen Organisationen, im Rahmen des frauenorientierten Perso­ 105 Vgl. Weber, 1989, S.444f.

106 Vgl. hierzu die Ausführungen in der Checkliste Controlling im Anhang. 107 Braun und Lawrence schlagen ein mehrstufiges Benchmarking-Verfahren vor, das über Kennzahlen hinaus ein „Prozeß-Benchmarking“ vorsieht, in dem auch das Wertesystem, Ar­ beitsweisen und Wechselwirkungen zwischen Funktionsbereichen ihren Platz haben und das daher auch für das Personalmarketing nutzbar gemacht werden kann (vgL Braun/Lawrence, 1995, S.l 18L).

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nalmarketings aufzugreifen und in das Controlling zu integrieren.108 Dies kann in Großunternehmen durch den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Untemehmenseinheiten erfolgen. Für kleine und mittlere Unternehmen kann ein solches Benchmarking zu Lernprozessen im Rahmen von Kooperationen zwi­ schen unabhängigen Organisationen genutzt werden, wobei Voraussetzung da­ für das Fehlen von Konkurrenzbeziehungen zwischen den BenchmarkingPartnern bei gleichzeitiger situativer Nähe der Unternehmen ist.109 Hier wird es also darauf ankommen, geeignete Partner-Organisationen zu finden und das notwendige offene Kommunikationsklima zu realisieren.110

Zu betonen ist allerdings, das Benchmarking sich nicht in der Nachahmung an­ derer Unternehmen erschöpfen darf, sondern die Unternehmen befähigen soll, eigenständige Lösungen auf Basis der Kenntnis erfolgreicher Alternativen zu entwickeln und erfolgreich in der eigenen Organisation umzusetzen.111

2.4.2. Akteure in frauenorientierten Personalmarketing-Projekten Auf der Grundlage der getroffenen Rahmenentscheidung kann die Analyse- und Konzeptionsarbeit aufgenommen werden. Im Sinne einer ausreichend breiten Einbeziehung von Interessengruppen im Unternehmen, die allerdings nicht auf Kosten einer klaren Projektdefinition und eines straffen Projektmanagements gehen darf, empfiehlt sich der Einsatz einer Projektsteuergruppe und einer oder mehrerer Projektarbeitsgruppe(n).

108 Vgl. Schlagenhaufer, 1995, S. 184ff. 10$ Braun und Lawrence halten die Branche zwar für ein nachrangiges Kriterium bei der Festlegung der Vergleichsuntemehmen und betonen das Merkmal „Spitzenleistung“ im defi­ nierten Funktionsbereich (vgl. Braun/Lawrence, 1995, S.l 19f.) und auch Macharzina hebt die Notwendigkeit einer kreativen Übertragung von Erfolgen branchenextemer Vegleichsunternehmen hervor, doch weist er auch auf Übertragungsschwierigkeiten hin (vgl. Macharzina, 1995, S.265f.). Uns erscheint es daher wichtig, eine gewisse situative Nähe im Hinblick auf eine Senkung des Transferaufwandes und der damit erhöhten Akzeptanz der Erfahrungen und der Beschleunigung des Umsetzungsprozesses gerade für kleine Unternehmen nicht zu ver­ nachlässigen.

110 Eine interessante Kooperation, an der sich allerdings nur große Unternehmen beteiligen stellt das „Forum Wirtschaft“ dar, in dem sich frauenfreundliche Unternehmen im Zusam­ menhang mit den Frauenmessen „top 91/93/95“ zusammengeschlossen haben, um ihre Erfah­ rungen auszutauschen und die Chancen von Frauen in Unternehmen durch gemeinsame Ak­ tivitäten zu verbessern.

111 Vgl. Braun/Lawrence, 1995, S.l25.

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Die Steuergruppe

- definiert den Projektrahmen, - nimmt Berichte der Projektarbeitsgruppe(n) entgegen,

- steuert Ressourcen (finanziell, man- und woman-power), - stellt die Verbindung zur Unternehmensleitung her, - vergibt und kontrolliert Arbeitsaufträge (an Projektarbeitsgruppe und andere Stellen), - verfugt über Linienkompetenz und steuert damit die Umsetzung, - initiiert bei Bedarf Ergänzungs- und Folgeprojekte,

- informiert das Unternehmen. Die Steuergruppe setzt sich aus einem kleinen Kreis von FachVertretern und Entscheidungsträgem zusammen. In kleinen Unternehmen kann an die Stelle der Steuergruppe durchaus auch eine Einzelverantwortung treten.

Die Projektarbeitsgruppen stellen als inhaltlich arbeitender Kreis sicher, daß ein frauenorientiertes Personalmarketing aus dem Unternehmen selbst heraus ent­ wickelt und relevante Interessengruppen beteiligt werden. In diesem, wie in manchen anderen Punkten folgen wir dem St. Gallener Ansatz der „Ganzheitlichkeit“ im Denken und Handeln und insbesondere beim Pro­ blemlosen in Unternehmen von der Denkweise her. So schlagen wir wie Gomez und Probst vor, legitime Anspruchsgruppen in den Problemlösungsprozeß ein­ zubeziehen, wobei diese Autoren durchaus über das Unternehmen hinausge­ hende Arbeitsgruppenmitglieder in Betracht ziehen, und dies mit einer Verbes­ serung der Lösung und auch mit ethischen Überlegungen begründen.! 12 wir halten es allerdings zunächst einmal für sinnvoller, die Beteiligung auf Interes­ sengruppen im Unternehmen zu beschränken, um Lösungen aus dem Unter­ nehmen selbst heraus zu entwickeln. Die Erarbeitung einer Strategie des frau­ enorientierten Personalmarketings im Unternehmen könnte bei einer Beteili­ gung einer größeren Öffentlichkeit aufgrund der damit verbundenen Beobach­ tung, Kommentierung und Politisierung der Diskussion die Sensibilisierung für das Thema, dessen Akzeptanz im Unternehmen und die notwendige Offenheit der Diskussion, die in dieser sehr frühen Phase des Prozesses erst einmal her­ gestellt werden muß, beeinträchtigen und wäre damit kontraproduktiv. Selbst­ verständlich sollte Expertenwissen aus Drittorganisationen bei Bedarf und ge-

112 Vgl. Gomez, Probst, 1995, S.49ff.

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steuert durch das Unternehmen hinzugezogen werden, dies darf aber nicht mit dem Anspruch an ein Arbeitsgruppenkonzept gleichgesetzt oder vermischt wer­ den.

Wir plädieren eindeutig für eine sehr frühzeitige und weitgehende Einbeziehung der relevanten Interessengruppen und eine ebenso frühzeitige und offene Infor­ mation des ganzen Unternehmens, die Transparenz über die Überlegungen hin­ sichtlich des frauenorientierten Personalmarketings herstellt und gleichzeitig dazu beiträgt, das Verständnis für eine solche Strategie zu erhöhen?13 In der Projektarbeitsgruppe sollten daher nicht nur Frauen aus der Zielgruppe selbst sondern auch mögliche, der Zielgruppe vorgesetzte Männer und Frauen, Kolle­ gen und Kolleginnen Berücksichtigung finden. Die folgenden Funktionen der Projektarbeitsgruppe sind in einem Arbeitsauf­ trag an den Arbeitskreis zu berücksichtigen. Die Projektarbeitsgruppe soll

- Ideen sammeln, - Erfahrungen einbringen, - Daten interpretieren,

- Einschätzungen vornehmen, - einen Konzeptentwurf entwickeln, - Rahmenbedingungen/Voraussetzungen für den Konzepterfolg definieren,

- an der Realisierung des Konzeptes mitwirken, - die Eignung des Konzeptes prüfen und ggf. modifizieren. Eine solche Arbeitsgruppe wird sinnvollerweise über die Projektdauer hinweg möglichst stabil bleiben und auch später eine Funktion als Controlling-Instanz aufrechterhalten. Da es sich bei den Arbeitsgruppenmitgliedem mehrheitlich um Fach- und Führungskräfte handelt, die ihren Aufgabenschwerpunkt außer­ halb des Personalmanagements haben und von diesen Aufgaben i.d.R. nur zu einem kleinen Teil freigestellt werden können, ist eine realistische Arbeitspla­ nung als unerläßliche Voraussetzung für den Projekterfolg anzusehen. Zur Realisierung des frauenorientierten Personalmarketings bieten sich prinzi­ piell zwei, in der Arbeitsteilung zwischen den Beteiligten unterschiedliche, Wege an:

(1) Konzeption, Realisation und Controlling spezieller Frauenforderprogramme ll3 Vgl. zu der qualitativen und der quantitativen Funktion der Kommunikation Gomez, Probst, 1995, S.247. Wie ein Kommunikationskonzept aussehen kann, stellen wir in Kapitel 5.1 sowie im Anhang in der Checkliste Kommunikation dar.

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(2)Konzeption und Controlling komplementärer Aktivitäten für ausgewählte Adressatinnen und Integration der Realisation in das betriebliche Human Re­ sources Management.

Aus verschiedenen Erwägungen heraus erscheint uns die zweite Vorgehenswei­ se eher empfehlenswert. Sonderprogramme können auf- und wieder abgebaut werden, sie finden Befürworter und Gegner. Die Diskussion um solche Pro­ gramme verläuft häufig auf der politisch-weltanschaulichen Ebene, ohne Berüh­ rungspunkte mit der Untemehmensstrategie zu finden. Teilnehmerinnen an der­ artigen Programmen erhalten einen gewissen Sonderstatus und unterliegen dann der intensiven Beobachtung durch die anderen, nicht berücksichtigten Organi­ sationsmitglieder. Dies alles läßt im Sinne eines frauenorientierten Personalmarketings, das ja nicht auf das Herausheben einer einzelnen Gruppe aus dem Kreis der Organisa­ tionsmitglieder abzielt, sondern vielmehr das Anliegen verfolgt, Frauen intensi­ ver in das Unternehmen zu integrieren, das Auflegen von dauerhaften Sonder­ programmen zur Frauenforderung also eher kontraproduktiv erscheinen. Ein derartiges Vorgehen widerspricht darüber hinaus den oben dargelegten Gedan­ ken eines Human Resources Management, das eine Herauslösung personal­ wirtschaftlicher Aktivitäten aus Fach- und Stabsabteilungen und deren Einbin­ dung in die Linienverantwortung anstrebt.

Schließlich richten sich Aktivitäten, die eine Erleichterung der Vereinbarung von familiären und beruflichen Anforderungen erreichen wollen, nicht aus­ schließlich an Frauen, sondern stehen beiden Eltemteilen offen und sind auch entsprechend kommunikativ zu vermitteln. Zwar wird man in der heutigen be­ trieblichen Realität (noch) davon ausgehen können, daß vorzugsweise Mütter derartige Angeboten nutzend14 Doch kann für die Zukunft im Zuge einer zu­ nehmenden Bedeutung der Kinder für die Väter 115 hier mit einer gewissen Ver­ änderung gerechnet werden, die bereits heute im Rahmen der Konzeptent­ wicklung Beachtung finden sollte. Aus diesen Gedanken heraus erscheint nach vorläufigem Abschluß der betrieb­ lichen Diskussion auf der normativen und strategischen Ebene und der Arbeit der Projektarbeitsgruppe(n) die möglichst vollständige Integration der operati­ ven Ziele und Aktivitäten in die Verantwortung des Linienmanagements sinn­ voll und empfehlenswert. Indessen ist auch weiterhin dafür Sorge zu tragen, daß Anliegen und Aktivitäten des frauenorientierten Personalmarketings nicht im Tagesgeschäft untergehen, sondern die erarbeiteten Konzepte konsequent um­ 114 Vgl. Herrmann, 1991, S.20. 115 Vgl. Beck-Gemsheim, 1990, S.48.

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gesetzt und weiterentwickelt werden. Es bietet sich daher eine Kombination von Projektarbeit und Liniengeschäft an, die eine ausreichende Berücksichtigung von Fachabteilungswissen und -erfahrungen sicherstellt und auch die Berück­ sichtigung der relevanten Interessengruppen durch die Konzepterstellung in gemischten Projektarbeitsgruppen gewährleistet.

Wir schlagen daher vor, die Verantwortung für die Realisierung der unter­ nehmensspezifisch entwickelten Maßnahmen in die bestehende Organisation zu integrieren. Die Projektsteuergruppe trifft sich dann nur noch sporadisch, um die Controlling-Ergebnisse zu diskutieren und bei Bedarf eine Konzeptmodifi­ kation vorzunehmen. Die Verantwortung für das Personalmarketing liegt bei den dafür vorgesehenen Linienverantwortlichen bzw. Stabsstellen. Klassischerweise sieht das Personalmarketing als Strategie einzelwirtschaftlich orientierter Unternehmen dieses Unternehmen als Bezugsrahmen seiner Aktivi­ täten an. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen verengt eine solche betriebsindividuelle Sichtweise das mögliche Aktionsfeld aufgrund der begrenz­ ten Ressourcen und des organisatorischen Spielraumes im Vergleich zu Groß­ unternehmen ganz erheblich. Hierin kann eine Ursache dafür liegen, daß kleine­ re und mittlere Unternehmen tendenziell nur punktuelle Aktivitäten der Frauen­ forderung und des frauenorientierten Personalmarketings ergreifen.116 Um den Aktionsradius der kleineren Unternehmen auszuweiten und Synergie-Effekte durch kooperatives Vorgehen zu realisieren, erscheint eine untemehmensübergreifende Perspektive hilfreich.

Mögliche Ansatzpunkte für das Zusammenspiel von Akteuren über den Rah­ men der eigenen Organisation hinaus, die hier mit zunehmender Intensität der Kooperationsbeziehung aufgeführt werden, bieten die folgenden Bereiche:

• Erfahrungsaustausch von Unternehmen bis hin zum „Benchmarking“117 • kooperative Maßnahmen der Personalentwicklung wie z.B. untemehmensübergreifende Seminare, Fortbildung für Frauen in der Familienphase • Einflußnahme auf öffentliche Einrichtungen zur Verbesserung der Infrastruk­ tur (z.B. Kinderbetreuung oder Pflege) oder Ergänzung solcher Angebote durch gemeinsame Aktivitäten von Unternehmen

• Erarbeitung einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie von nicht­ konkurrierenden Unternehmen zur Vermittlung eines gemeinsamen Anlie­ gens (z.B. Chancen für Frauen in Führungspositionen, Chancen von Frauen 116 Dies stellte Stiegler für die Frauenforderung 1994 fest (vgl. Stiegler, 1994, S.24). Vgl. auch unsere Ausführungen in Abschnitt 5.2. 117 Vgl. hierzu die Ausführungen zum Baustein Controlling im vorliegenden Abschnitt.

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im Handwerk, Ermutigung von Frauen zum Erlernen technisch-verkäu­ ferischer Berufe, Frauenfreundlichkeit von Branchen)

• Kritisch zu prüfen ist, inwieweit Ansätze zur Schaffung eines gemeinsamen „Personalpools“ zur Überbrückung von Mutterschafts- und Erziehungszeiten in kleinen Unternehmen realisierbar sind und im Interesse der beteiligten Frauen liegen. Inwieweit sich solche kooperativen Aktivitäten sinnvoll in das frauenorientierte Personalmarketing integrieren lassen, hängt von der Existenz und auch der Kenntnis geeigneter Partnerfirmen ab und wird darüber hinaus von den Zielen und den Voraussetzungen der einzelnen Unternehmen ebenso bestimmt wie von den Eigenschaften der jeweiligen Zielgruppe, die ja eine gewisse Gleichartig­ keit besitzen müssen, um mit kooperativen Maßnahmen effektiv angesprochen zu werden.

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3. Frauen als Zielgruppe im Personalmarketing Bei der Entscheidung über die Ausgestaltung des frauenorientierten Personal­ marketings im Unternehmen stellen sich grundsätzlich drei Fragen:

1. Welche Zielsetzung verbindet die Organisation mit einer Strategie des frau­ enorientierten Personalmarketings? 2. In welcher Hinsicht bedürfen Frauen einer besonderen Ansprache oder För­ derung durch die Organisation? 3. Anhand welcher Merkmale läßt sich die Zielgruppe sinnvoll beschreiben?

3.1. Ziele des frauenorientierten Personalmarketings In der Fachliteratur wie der Presse findet sich eine Vielzahl von Motiven für ein frauenorientiertes Personalmarketing in Unternehmen. Die Ziele des Personal­ marketings reichen von der nüchternen Feststellung: „Qualifiziert ausgebildete Frauen steigern die Leistungsfähigkeit der Unternehmen in Menge und Quali­ tät“118 über familienpolitische Motive bis zur „Wiedergutmachung für gesell­ schaftliches Unrecht“119. Eine Systematisierung dieser Motive zu einem konsistenten Zielkatalog wird durch die Zuordnung der Einzelaspekte zu gedanklich differenzierten, dabei in­ terdependenten Zielebenen möglich. In Anlehnung an Bleicher120 sind als Zieldimensionen zu beachten: - die normative Dimension, deren Ziele sich auf die Lebens- und Entwick­ lungsfähigkeit des Unternehmens in einer veränderlichen Umwelt richten,

- die strategische Dimension, bei der es um den Einsatz von Ressourcen geht, die dem Aufbau und Erhalt sowie der Nutzung von Erfolgspotentialen die­ nen, - die operative Dimension, die den Vollzug normativer und strategischer Ziele in konkrete ökonomische und soziale Zusammenhänge lenkt.

118 Scheuten, 1991, S.820.

i1^ Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-West­ falen, 1989, S.8. 120 Vgl. Bleicher, 1992, S.68ff.

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Dieses dreidimensionale Zielsystem wird von einer Management-Philosophie getragen, die der (Selbst-)Orientierung der Organisationsteilnehmerinnen dient und sinnstiftend für das frauenorientierte Personalmarketing wirkt. 12J

Als Elemente einer solchen Philosophie sind unter dem Aspekt des frauenori­ entierten Personalmarketings das Bekenntnis zur Gleichwertigkeit aller Men­ schen, eine hohe Wertschätzung der Organisationsmitglieder und die Bereit­ schaft zum Beschreiten neuer Wege denkbar. Eine Übersicht zu den systematisierten Zielen des frauenorientierten Personal­ marketings bietet die Abbildung 2. Abb. 2: Ziele frauenorientierten Personalmarketings in der Wirtschaft

(^Normative Ziele^)

• Chancengleichheit im Unternehmen • Familienpolitische Verpflichtung • Verpflichtung zur Fairneß

(^Strategische^Z^

• Erweiterung des Führungskräftepotentials

• Integration der gesamten Bandbreite der Fähigkeiten und Kompetenzen • Optimierung der Personalentwicklung • Public Relation-Gedanken • Proaktive Personalpolitik

(^Operative Ziele^)

• Quantitative Zielgrößen (Anzahl/Anteil Frauen)

• Qualitative Zielgrößen (z.B. Zufriedenheit) • Entwicklung der Zielgrößen

121 Vgl. Bleicher, 1992, S.60ff.

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3.1.1. Normative Ziele

Normative Ziele richten sich auf den Fortbestand des Unternehmens und dessen Legitimation in der ökonomischen und sozialen Umwelt der Zukunft. Sie be­ rücksichtigen die Identitätssicherung der Organisation ebenso wie die Fähigkeit zur Selbsttransformation im Sinne einer zunehmenden Nutzenstiftung für die relevanten Bezugsgruppen.122 Unter den Aspekten

- eines sich in der Zukunft weiter verstärkenden Erosionsprozesses der tradi­ tionellen Geschlechterrollen,123 - einer rückläufigen Bereitschaft der Frauen, angesichts der schwierigen Ver­ einbarkeit von Familie und Beruf, Kinder zu gebären und aufzuziehen,124

- der Abwendung von einer asymmetrischen Einflußnahme als Leitbild einer erfolgreichen Beziehungsgestaltung125 sind auf der normativen Ebene als unternehmerische Zielsetzung zu formulie­ ren:

- Chancengleichheit im Unternehmen - Familienpolitische Verpflichtung - Verpflichtung zur Fairneß.

Chancengleichheit im Unternehmen Die Realisierung der Chancengleichheit von Frauen als ethische Verpflichtung ist im Zielsystem der Unternehmen nach wie vor nicht unwiderruflich veran­ kert. Zwar stellt Diergarten beim Rückblick auf eine Fachtagung fest, daß „(...) in mehr und mehr Unternehmen die Verwirklichung der Chancengleichheit als ethische Maxime für unternehmerisches Handeln angesehen wird“126; Scholz sieht frauenorientiertes Personalmarketing als „Aktionsvision“ des Personal­ managements,127 und Hadler sieht die Chancengleichheit als vorrangiges Ziel von Großunternehmen für eine stärkere Beteiligung von Frauen im Manage­ 122 Vgl. Bleicher, 1992, S.69f. 123 Vgl. Beck/Beck-Gemsheim, 1990, S.36ff.

124 Vgl. Lutz, 1992, S.l4ff. 125 Vgl. Gerken, 1990, S.146E

126 Diergarten, 1991, S.590. 127 Vgl. Scholz, 1993, S.l 14.

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ment an.128 Berthoin Antal jedoch beklagt die zunehmende Verdrängung ethi­ scher Aspekte aus der Diskussion um die Integration von Frauen ins Manage­ ment: „Sollte es als Begründung nicht reichen, daß es schlicht unakzeptabel ist, einer Hälfte der Bevölkerung den Zugang zur Macht, zu Privilegien und materiellen Ressourcen zu erschweren, wenn nicht zu versperren?“129 Daß diese Argumentation in der Praxis nicht ausreicht, zeigt die Haltung von Scheuten: „Eine häufig vertretene Meinung ist: Frauen sind bisher immer be­ nachteiligt worden, also müssen sie heute gefördert werden. Mit solchen Forde­ rungen kann man in der betrieblichen Praxis nicht viel anfangen.“130 Er legt den Schwerpunkt auf strategische Vorteile der Integration qualifizierter Frauen in die Unternehmen. I31

Familienpolitische Verpflichtung Breiteren Raum nehmen familienpolitische Argumentationen als Motivation des frauenorientierten Personalmarketings ein: „Wenn die Besorgnis besteht, daß junge Ehepaare möglicherweise auf Kinder verzichten, weil sie Familie und Be­ ruf nicht in Einklang bringen können, fühlen sich in einer sozialen Marktwirt­ schaft auch die Unternehmen herausgefordert, in ihrem Verantwortungsbereich zur Erleichterung und Konfliktminderung beizutragen. Viele Anzeichen spre­ chen dafür, daß das Bewußtsein für eine familienpolitische Mitverantwortung in der Wirtschaft wächst.“132

Vollmer zeigt auf, welche Konsequenzen Frauen aufgrund fehlender betrieb­ licher Unterstützung der Verbindung von Beruf und Familie ziehen: „Bislang müssen zahlreiche Frauen individuell gestaltete Kompromisse finden, die ihnen die erwünschte Kinderzahl und zugleich die gewünschte Erwerbstätigkeit er­ möglichen. Im Falle erzwungener Entscheidungen bevorzugen viele Frauen die Arbeitstätigkeit, (...). Zwangsläufig erfolgt damit eine Einschränkung der Kin­ derzahl.“133 Auch andere Autoren bestätigen, daß die Geburtenziffer davon ab­ hängt, wie sich die Mutterrolle in die reale Lebensgestaltung der Frauen inte­

128 Vgl. Hadler, 1995, S.338.

129 Berthoin Antal, 1988, S.156. 130 Scheuten, 1991, S.818.

131 Scheuten, 1991, S.820. 132 Müller-Hagen, 1990, S.838.

133 Vollmer, 1989, S.229.

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grieren läßt.134 Welcher Einfluß durch das Angebot familienpolitischer Maß­ nahmen besteht, belegt Lutz mit der steigenden Geburtenhäufigkeit in Schwe­ den seit der Einführung solcher Maßnahmen.135 Hosemann, Lenz und Burian sehen die Einbeziehung familiärer Aspekte in das unternehmerische Zielsystem als Ergebnis einer empirischen Studie bei männli­ chen Organisationsmitgliedem eher pragmatisch: „Für die Unternehmen ist es relevant, unterschiedliche familiäre Interessen, Belange und Belastungen der Mitarbeiter wahr- und emstzunehmen, denn auch die Ausgrenzung der Thema­ tik ist nicht friktionslos und kostenneutral (,..)“136

Verpflichtung zur Fairneß Gerken formuliert den bewußten Verzicht auf die Realisierung von Vorteilen aufgrund der Unterlegenheit des ökonomischen Partners als Bestandteil einer zukunftgerichteten Untemehmensmoral.137 Bezogen auf die Integration von Frauen wäre als normatives Ziel eine solche Selbstverpflichtung der Unterneh­ men dahingehend zu formulieren, daß die Organisation einen Ausgleich histo­ risch bedingter Unterschiede in der Verhandlungsstärke der Geschlechter sucht: „Denn die gewachsenen und institutionell verankerten Hierarchie- und Machtstrukturen in den Unternehmen und Institutionen der westlichen Indu­ strieländer sind von Männern geprägt und lassen weibliche Integration nur bis zu einer Ebene und in einem Ausmaß zu, solange sie die männlichen Strukturen nicht gefährden kann.“138 Habermann fuhrt dies auf geschlechtsspezifische Verhaltensweisen zurück: „Wo sich männlicher Machtanspruch mit weiblicher Duldsamkeit und weiblichem Harmoniestreben paart, haben Frauen nur geringe Chancen, in die eigentlichen Schaltstellen aufzusteigen. Gerade das aber wird langfristig für unsere Gesellschaft kontraproduktiv sein.“139

Auf die eher geringe praktische Relevanz normativer Ziele des Machtausgleichs deutet hin, daß geschlechtsspezifische Unterschiede in Einkommen und Posi­

134 Vgl. Lutz, 1992, S.21. Vgl. Bischoff, 1990, S.214. 135 Vgl. Lutz, 1992, S.21.

13$ Hosemann u.a., 1991, S.542. 137 Vgl. Gerken, 1990, S.146f.

138 Habermann, 1988, S.71. 139 Habermann, 1988, S.71.

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tion bei vergleichbar qualifiziertem Personal nach wie vor bestehen.140 Darüber hinaus fallt auf, daß karrierewilligen Frauen der Aufbau von Stärken wie Durchsetzungsfahigkeit und Härte nahegelegt wird, obwohl gerade diese dem Ausnutzen einer Machtposition dienlich sind.141 Die Forderungen nach einer stärkeren Ausprägung sozialer Kompetenzen und dem Abbau der „harten Bandagen“ kündigen die Entwicklung eines veränderten Verständnisses von Führung und Macht an.142 Nicht Positionsmacht wie in der Vergangenheit, sondern persönliche Macht, die stärker der weiblichen Füh­ rungsmethode entspricht, bilden die Grundlage für ein zukünftig notwendiges partizipatives Management.143 Die deutlichere Ausrichtung der Unter­ nehmensziele an einer langfristigen Zusammenarbeit im Rahmen eines „Stakeholder“-Konzeptes144 ermöglicht eine Integration der von Gerken geforderten Moralvorstellungen in das unternehmerische Zielsystem. Dies formuliert auch Berthoin Antal: „Die Zielsetzung in Form von Gewinnen oder Verlieren zu de­ finieren ist zu eng und kurzfristig. (...) Die Zahl der Probleme, deren Ausgang auf eine Plus- oder Minuslösung begrenzt ist, nimmt mit der wachsenden Ver­ netzung unserer Wirtschaft und Gesellschaft rapide ab. Dieses zu erkennen, verlangt einen Perspektivwechsel, der in der „weiblichen“ Konzeption von Macht als vermehrbarer - und damit verteilbarer - Gruppenressource schon lan­ ge tiefe Wurzeln geschlagen hat.“145

Ein solcher Perspektivenwechsel läßt sich als Veränderung grundlegender Prämissen im Unternehmen interpretieren und macht damit einen Wandel in der Untemehmenskultur146 zur Voraussetzung eines normativ verankerten, frauenorientierten Personalmarketings. 3.1.2. Strategische Ziele Strategische Ziele konkretisieren normative Vorgaben. Sie konzentrieren die Kräfte der Organisation auf den Aufbau, die Pflege und die Ausschöpfung zu-

140 Vgi Demmer, 1988, S.12ff., Lauber-Hemmig, 1988, S.112, Engelbrech, 1991a, S.544, S.547. 141 Vgl. Frisee, 1988, S.30, Huck, 1988, S.80, Lauber-Hemmig, 1988, S.l 10.

142 Vgl. Müller, 1988, S.118.

143 Vgl. Loden, 1985, S.95-99, S.123ff.

144 Vgl. Bleicher, 1992, S. 105f. 145 Berthoin Antal, 1988, S.164f.

146 Vgl. Schein, 1995, S.33.

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kunfts- und umweltorientierter Erfolgspotentiale, die das Unternehmen erfolg­ reich im Wettbewerb machen. Frauenorientiertes Personalmarketing als unter­ nehmerische Strategie dient den Zielsetzungen

• Erweiterung des Führungskräftepotentials • Integration der gesamten Bandbreite der Fähigkeiten und Kompetenzen

• Optimierung der Personalentwicklung • Public Relation-Gedanken • Proaktive Personalpolitik.

Erweiterung des Führungskräftepotentials

In den Veröffentlichungen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre gewinnen Frauen als Personalressource enorm an Bedeutung. Aufgrund bereits spürbarer Rekrutierungsprobleme vieler Unternehmen und auf der Grundlage von Prognosen, die einen zukünftigen Führungskräftemangel voraussagt, 147 entwickelte sich ein verschärftes Bewußtsein für die Notwendigkeit eines sy­ stematischen Aufbaus von Führungsnachwuchskräften.148 Angesichts der zeit­ lichen Länge, die zum Aufbau von Managementerfahrungen notwendig ist,149 konzentrierten sich die Betriebe zu Beginn der neunziger Jahre zunehmend auf ein frauenorientiertes Personalmarketing, um ihren Führungsnachwuchsbedarf zu sichern. Scheuten formuliert diesen Standpunkt folgendermaßen: „Ohne gut ausgebildete Frauen in entsprechend verantwortlichen Positionen wären die Aufgaben der Zukunft weder in Qualität noch in Quantität zu schaffen. Deshalb werden diese Frauen im konkreten Einzelfall zwar von vielen ihrer männlichen Kollegen als zusätzliche Konkurrenz betrachtet, aus der Sicht des Unterneh­ mens jedoch sind sie ein zusätzlicher Erfolgsfaktor, dessen Leistung allen zugu­ te kommt (...)“15° Auch wenn Hadler bei Großunternehmen den- Mangel an geeigneten männli­ chen Führungskräften bei 25% der Großunternehmen als wichtigsten Grund für

147 Vgl. Domsch 1990a, S.4ff., Demmer 1988, S.300. 148 Vgl. Engelbrech/Kraft, 1992, S.14. Vgl. auch Engelbrech, 1993, S.80, Scheuten, 1991, S.820, Müller-Hagen, 1990, S.838, Berthoin Antal, 1988, S.156f, Autenrieth u.a., 1993, S.12f.

149 Vgl. Diergarten, 1991, S.590.

150 Scheuten, 1991, S.820.

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den zunehmenden Einsatz von weiblichen Führungskräften feststellt,!51 hat diese Argumentation in den letzten Jahren auf der Basis einer in vielen Unter­ nehmen realisierten Strategie des Lean Management und der damit verbunde­ nen Reduzierung des Bedarfs an Führungskräften an Bedeutung abgenommen. Qualitative Aspekte der Bedarfsdeckung bleiben hiervon allerdings unberührt und rücken immer weiter in das Zentrum personalstrategischer Diskussion.

Integration der gesamten Bandbreite der Fähigkeiten und Kompetenzen

Dieses zweite auf der strategischen Ebene angesiedelte Ziel der Integration der gesamten Bandbreite der Fähigkeiten und Kompetenzen ist von seiner Bedeu­ tung für das Personalmanagement zwar unumstritten,!52 doch gehen die Mei­ nungen, inwieweit hier geschlechtstypische Stärken oder Schwächen vorliegen, darüber deutlich auseinander. Zunächst stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, an welchen Qualifikationen ihrer Human Resources die Unternehmen im Hinblick auf die Zukunft vorrangig interessiert sind. Danach ist zu erforschen, ob diese Eigenschaften bei Frauen in besonderem Maße vermutet werden kön­ nen und unter welchen Bedingungen diese Fähigkeiten für Unternehmen nutz­ bar zu machen sind. In Anlehnung an Nerge sind die folgenden Interpretationsund Handlungsansätze zu unterscheiden:!53

!5! Vgl. Hadler, 1995, S.306. In der Rangfolge insgesamt nimmt dieses Argument Platz 3 ein (vgl. Hadler, 1995, S.307). I52 Vgl. Engelbrech, 1996, S.640.

153 Vgl. Nerge, 1993, S.163ff.

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Übers. 2: Ansätze zur Stärkung des weiblichen Elements im Management von Unternehmen154 • Gleichbehandlung der Geschlechter: Frauen als gesellschaftlich unter­ drückte Gruppe

- Ausbildung/Studienfächer - Vorurteile/männliche Attribute der Führungskraft - strukturelle Faktoren (Frauen im Minoritäten-Status)

• Vollständige Nutzung der Human Resources: Frauen als Potential für Unternehmen - Management als Akteur: Leistung (Leistungsfähigkeit) zählt

- Rekrutierung der qualifiziertesten Potentiale (männlich/weiblich) - Nichtberücksichtigung von qualifizierten Frauen gefährdet Wettbewerbsfähigkeit/Nichtberücksichtigung qualifizierter Männer aufgrund von Quotie­ rung genauso • Polarisierender Ansatz: Weibliche Eigenschaften als Chance für Unter­ nehmen

- Personenorientierung als psychisches Merkmal von Frauen - Mutterschaft als exzellente Schule für Führungskräfte - Aufhebung der Trennung zwischen Beruf und Privatleben - Netzwerk als weibliche Führungsfigur • Ansatz des speziellen Beitrags: Weibliche Erfahrungen als Faktor für mehr Menschlichkeit im Unternehmen

- Kooperatives Handeln - Zugang zur Emotionalität

- Eingehen auf Mitmenschen - Weiblicher (interaktiver) Führungsstil auch durch Männer erlernbar

154 Vgl. Nerge, 1993, S.l63ff.

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Zur Beurteilung dieser Ansätze sind die folgenden Fragen zu stellen:

1. Ist überhaupt von einer Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit beider Geschlechter im berufs- bzw. fiihrungsrelevanten Bereich auszugehen? 2. Ist diese Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit beider Geschlechter in der Berufs­ biographie durchgängig zu beobachten oder ist mit Veränderungen durch Lem-und Sozialisationseffekte zu rechnen? 3. Welche Veränderungen können zwischen den Generationen aufgrund der gewandelten gesellschaftlich/kulturellen Rahmenbedingungen erwartet wer­ den?

Diese Fragen werden in der Praxis durchaus unterschiedlich beantwortet. An zentraler Stelle findet sich in aktuellen Veröffentlichungen die Forderung, es sei „(...) angesichts flexibler und integrierter Arbeits- und Organisationsformen der Entwicklung sog. außerfachlicher Qualifikationen (Kooperation, Kommuni­ kation) vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen.“ 155 Insbesondere Führungskräf­ ten wird neben fachlichen Voraussetzungen und konzeptionellen Fähigkeiten zunehmend soziale Kompetenz abverlangt. 156 Gerade in diesem Bereich aber stellen Schirmer und Staehle besondere Defizite im unteren mittleren Manage­ ment fest, 157 zu deren Behebung Frauen als zusätzlich rekrutierbare Führungs­ nachwuchskräfte einen Beitrag leisten können. Exkurs: Soziale Kompetenz

Was aber ist in diesem Zusammenhang unter „Sozialer Kompetenz“ zu verste­ hen? Große-Oetringhaus definiert Sozialkompetenz als strategisch relevante Eigen­ schaft von Organisationen, als „die Fähigkeit eines Unternehmens“ seinen So­ zialprozeß auf Wettbewerbsvorteile ausrichten zu können.“158 Die Sozialkom­ petenz eines Unternehmens beruht danach auf dessen Fähigkeit

- zur Rekrutierung von Führungsnachwuchskräften, - zur Begeisterung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,

- auf seiner Lernfähigkeit und

155 Picot, 1990, S. 130.

156 Vgl. Wohlgemuth, 1990, S.94.

157 Vgl. Schirmer/Staehle, 1990, S.713. 158 Große-Oetringhaus, 1993, S.276, im Original hervorgehoben

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- auf der Kooperationsfähigkeit seiner Führungskräfte.159 Als entscheidende Voraussetzung für den Aufbau von Sozialkompetenz im Unternehmen sieht Große-Oetringhaus „(...) herausragende Mitarbeiter und die Fähigkeit, mit diesen Mitarbeitern umzugehen.“160

Andere Autoren betonen die kommunikative Seite sozialer Kompetenz, die Große-Oetringhaus als grundlegende Voraussetzung für die Arbeit in Gruppen ansieht.161 Staehle interpretiert soziale Kompetenz als Fähigkeit der Organisa­ tionsmitglieder, „im Umgang mit Mitarbeitern in gewissem Maße menschliche Nähe und emotionelle Wärme zu vermitteln, also die ‘menschliche Seite des Jobs’ zu betonen. Die mitarbeiterorientierte Führung sowie die Fähigkeit der Kommunikation, auch mit Vorgesetzten, werden in diesem Bereich ebenfalls als sehr wichtig erachtet.“162 Gerade hinsichtlich sozialer Kompetenz wird Frauen oftmals eine besondere, sozialisationsbedingte Befähigung zugesprochen: „Frauen (...) wurden auf Ein­ ordnung, Zusammenarbeit, Teilen von Verantwortung, sensibles Einfühlungs­ vermögen und Ausgleich hin sozialisiert. Denn Frauen waren von Beginn ge­ sellschaftlichen Zusammenlebens an für die Gestaltung des Familienlebens we­ sentlich verantwortlich. Sie können mit Gefühlen umgehen und sie offenlegen und haben daher im menschlichen Bereich Kompetenzen entwickelt, die Män­ ner sich in mühsamen Lernprozessen individuell aneignen müssen. Es sind dies Verhaltensweisen, die heute unter dem Stichwort „Sozialkompetenz“ insbeson­ dere im Management gefordert sind.“163 Zu betonen ist, daß die genannten Autoren und Autorinnen soziale Kompetenz durchweg nicht als geschlechtsspezifische, sondern als erworbene ge­ schlechtstypische Eigenschaft charakterisieren, die auch von Männern erlernt werden kann.164 Einen Vorsprung der Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen sehen sie darin, daß die Frauen diese Kompetenzen beim Eintritt in den Beruf in stärkerem Maße besitzen, die Männer diese hingegen im Zuge ei­

159 Vgl. Große-Oetringhaus, 1993, S.277ff. 160 Große-Oetringhaus, 1993, S.273. 161 Vgl. Staehle, 1991, S.275.

162 Staehle, 1991a, S.57, im Original teilweise hervorgehoben

163 Habermann, 1988, S.70. Vgl. auch Henes-Kamahl, 1988, S.36, Berthoin Antal, 1988, S.164E, Helgesen, 1992, S.203ff., Gottschall, 1991, S.397f., Kienbaum, 1988, S.52. 164 Dies entspricht der Sichtweise des ,Ansatzes des speziellen Beitrags“ nach Nerge, 1993, S.33.

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nes Umdenkens erst aufbauen müssen: „Nicht mehr der Macho-Manager ist ge­ fragt, sondern der Manager mit ‘soft touch’(...), “ stellt Henes-Kamahl fest; für die Männer aber heißt das, sie „(...) müssen erst umlemen; neue Saiten müssen auf die alten Instrumente aufgezogen werden, um auch in Zukunft als Manager erfolgreich mithalten zu können.“ 165 Da dieses „Entlemen“ eingeprägter und habitualisierter Verhaltensweisen kein einfacher und kurzfristiger Prozeß ist, stellen Frauen ein nicht gering einzuschätzendes Potential kompetenter Füh­ rungskräfte zur Durchsetzung einer innovativen Führungsphilosophie dar. Schon aufgrund der Außenseiterrolle weiblicher Führungskräfte entsteht viel­ fach eine kreative Unruhe, die der Entwicklung neuer Ideen zuträglich ist.166 Um sicherzustellen, daß sich geschlechtstypische, sozialisationsbedingte Fähig­ keiten den Unternehmen tatsächlich erschließen, bedarf es eines offenen Orga­ nisationsklimas, das neuartige Verhaltensweisen nicht nur zuläßt, sondern be­ wußt fördert und damit für viele Unternehmen einer Veränderung der Unter­ nehmenskultur. 167 Daß ein solches Klima zukünftig erst noch entwickelt wer­ den muß, belegen empirische Studien, die zeigen, daß Frauen, die in der Ver­ gangenheit Karriere in ihren Unternehmen gemacht haben, sich in ihrem Füh­ rungsstil nicht nennenswert von dem traditionell männlich geprägten Führungs­ verhalten unterschieden.!68 Die aktuellen Diskussionen über die Bedeutung sozialer Kompetenz belegen jedoch, daß das Bewußtsein für den Ausbau und die Nutzung solcher Potentiale in den Unternehmen weiter wächst. 169

Optimierung der Personalentwicklung

Es ist davon auszugehen, daß auch der Aspekt der Investition in die Optimie­ rung der Personalentwicklung ein sehr bedeutsames Ziel für die Entwicklung eines frauenorientierten Personalmarketings ist,!70 welches jedoch nur von wenigen deutlich oder gar öffentlich geäußert wird. Eine Ausnahme bildet hier ein Personaldirektor eines Großunternehmens, der diesen Gedanken wie folgt

!6^ Henes-Kamahl, 1988, S.36. 166 Vgl. Berthoin Antal, 1988, S.167ff.

167 Vgl. Kienbaum, 1988, S.53, Berthoin Antal, 1988, S.171. 168 Vgl. Übersicht bei Rose/Larwood, 1987, S.8, Autenrieth u.a., 1993, S.143, Bischoff, 1990, S.218ff., Neuhaus, 1988, S.131.

169 Vgl. Rosenstiel, 1995, S.2, vgl. Engelbrech, 1996, S.641 !70 So kommt Hadler in einer anonymen Befragung zu dem Ergebnis, daß dies nach Ansicht der Führungsnachwuchskräfte der zweitwichtigste Grund für den zunehmenden Einsatz von Frauen im Management von Großunternehmen ist. Vgl. Hadler, 1995, S.307.

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beschreibt: „Die Problematik hat aber auch eine andere und sehr pragmatische Seite: Die qualifizierten Mitarbeiter, die wir oft mühevoll genug gesucht, aus­ gebildet und mit einem reichen Erfahrungsschatz ausgestattet haben, möchten wir nach Möglichkeit auch behalten. Es liegt zumeist in unserem Interesse, daß gute Mitarbeiter dem Unternehmen erhalten bleiben und in ihrer Arbeit bei uns möglichst unbeschwert von familiären Sorgen nachgehen können. Wenn es ge­ lingt, die Kosten im Griff zu behalten, stellt sich bei Abwägungen aller Vorund Nachteile letztlich wahrscheinlich heraus, daß der Vorteil beim Unterneh­ men zumindest so hoch ist, wie der beim begünstigten Mitarbeiter.“!71 Proaktive Personalpolitik

Vor allem in den USA wird frauenorientiertes Personalmarketing mit der stra­ tegischen Zielsetzung einer vorbeugenden Vermeidung von Sanktionen in Zu­ sammenhang gebracht. Für AT&T stellt Kofke ganz offen fest: „Oft werde ich gefragt: ‘Hätte sich die Situation der Frauen in Ihrem Unternehmen auch ohne die Gesetze und die Interventionen der Regierung positiv verändert?’ Die Ant­ wort lautet: nein. Die Lage hätte sich ohne Gesetze und ohne äußeren Druck nicht im gleichen Ausmaß und auf gleiche Weise geändert.“172

Auch Schöpp-Schilling betont die Bedeutung sanktionsbelegter numerischer Zielvorgaben bei der Integration benachteiligter Gruppen.173 Sie weist auf ei­ nen sehr effizienten Weg zur Verankerung entsprechender Ziele im faktischen Zielsystems des Managements: „Als geschickte Strategie hat sich dabei erwie­ sen, daß die Karrieren der verantwortlichen Manager vom Erfolg der von ihnen durchgefuhrten Aktionsprogramme mitbeeinflußt wurden.“174 In Deutschland stehen Sanktionen in vergleichbarem Ausmaß derzeit nicht auf der Tagesordnung. Doch in der Diskussion befinden sie sich schon: „Die Frauen begnügen sich nicht länger mit untergeordneten Tätigkeiten. Sie fordern Teil­ nahme an Macht und Einfluß in der Wirtschaft, und diese Forderungen werden nicht verstummen. (...) Wenn die Unternehmen nicht auf diese - berechtigten Forderungen reagieren, werden Quotenregelungen unausweichlich sein.“175

171 Zitiert aus einem unveröffentlichten Vortrag eines Personaldirektors eines Großunter­ nehmens auf der Tagung des Institute for International Research zum Thema Frauen in Füh­ rungspositionen vom 22.-24.02.96. 172 Kofke, 1988, S.91f.

173 Vgl. Schopp-Schilling, 1988, S.86. 174 Schopp-Schilling, 1988, S.87.

175 Demmer, 1988, S.301. Vgl. auch Hörburger, 1988, S.240f.

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Und IBM begründet sein Programm der Chancengleichheit u.a. mit dem Ziel eines Abbaus gesellschaftlicher und innerbetrieblicher Unzufriedenheitspoten­ tiale sowie deren Ziel, gesetzliche Quotenregelungen überflüssig zu machen.176

Doch auch positive Sanktionen sind mit den Zielen eines frauenorientierten Personalmarketings in Verbindung zu bringen: „So besteht etwa die Möglich­ keit, die Inanspruchnahme staatlicher Zuschüsse durch die Betriebe von der Existenz eines betrieblichen Frauenförderplans und konkreten Maßnahmen zu dessen Umsetzung abhängig zu machen. Auch im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe könnten Auflagen und Anreize zur Frauenforderung in den auftragnehmenden Betrieben verankert werden.“177

Public Relation-Gedanken

Wenngleich mit solchen positiven Sanktionen oftmals operativ orientierte Mitnahme-Effekte verbunden sein werden, erscheint es sinnvoll, auf der strate­ gischen Ebene Ziele vorbeugender Vermeidung negativer Sanktionen mit Public Relation-Zielen zu verbinden.178 Wie eingangs dargestellt, dient das Personalmarketing dem Aufbau von Attraktivitätspotentialen. Wenn es gelingt, das Unternehmen durch eine öffentlichkeitswirksame Strategie eines frauenori­ entierten Personalmarketings bei potentiellen Bewerbern bekannt und sympa­ thisch zu machen und sich so besonders qualifizierte Personalressourcen zu er­ schließen, dient eine solche Strategie allen Organisationsteilnehmem. Die Bedeutung eines ‘frauenfreundlichen Klimas’ als Wettbewerbsfaktor beto­ nen auch Lück und Boes: „Eine Förderung von Frauen wird zunehmend zu ei­ ner Imagefrage für die Betriebe. Anhand der Großunternehmen, die eine geziel­ te Frauenforderpolitik betreiben, wird deutlich, welchen Stellenwert schon jetzt diese Betriebe als Beispiel einer modernen Personalpolitik in der wirtschafts­ politischen Landschaft einnehmen.“179

Die Verfolgung von Public Relation-Zielen muß allerdings mit der grundlegen­ den Zielsetzung eines Unternehmens verknüpft sein und darf sich nicht allein auf kommunikative Anstrengungen erschöpfen: „Eine Untemehmenspolitik kann daher nicht vom Public Relation-Manager konzipiert werden und soll

176 Vgl. Schneevoigt, 1990, S.166. 177 Weinkopf, 1992, S.21, vgl. Engelbrech, 1996, S.641, S.644. 178 Vgl. Engelbrech, 1996, S.641, S.644.

179 Lück/Boes, 1990, S.16.

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nicht vom Gesichtspunkt der Image-Pflege entwickelt worden sein, sondern die ernsthaften Absichten der obersten Führungskräfte widerspiegeln.“180 3.1.3. Operative Ziele Im operativen Management werden normative und strategische Ziele unter Be­ rücksichtigung ökonomischer und sozialer Aspekte umgesetzt. 181 Im Hinblick auf ein frauenorientiertes Personalmarketing sind auf der operativen Ebene quantitative von qualitativen Zielen zu unterscheiden.

Quantitative Zielgrößen Quantitative Ziele eines frauenorientierten Personalmarketings heben in aller Regel auf die Erhöhung des Anteils weiblicher Beschäftigter auf bestimmten Organisationsebenen ab. Als Reizwort steht in diesem Zusammenhang die Quotierung im Mittelpunkt einer intensiven Diskussion.

Eine Forcierung weiblicher Beschäftigung durch Quoten kann sich des Instru­ ments

- der Entscheidungsquote oder - der Ergebnisquote bedienen.182

Die planerische Vorgabe von Entscheidungsquoten bedeutet, daß Frauen bei Einstellungen oder auch Fördermaßnahmen bei entsprechender Qualifikation in jedem Einzelfall bevorzugt zu berücksichtigen sind. Ergebnisquoten hingegen beziehen sich auf den am Ende des Planungszeitraums zu erreichenden Anteil der Frauen im Entscheidungsbereich. Der hierfür Verantwortliche kann inner­ halb dieser Grenzen über die Lösung jedes Einzelfalls selbst entscheiden. Quotierungserfahrungen aus den USA zeigen, „daß sie relativ rasch eine ange­ messene Integration von Arbeitskräften bisher benachteiligter Gruppen in den Arbeitsmarkt bringen und über Mechanismen wie die Identifikation mit Vorbil­ dern größere Ermutigung und Signalwirkung auslösen.“183 Allerdings bergen Quoten als Entscheidungsvorschrift die Gefahr „umgekehrter Diskriminie-

180 Bleicher in Anlehnung an H. Ulrich, 1992, S.190. Vgl. auch Freimuth u.a., 1993, S.24. 181 Vgl. Bleicher, 1992, S.71.

182 Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-West­ falen, 1989, S.40. 183 Schöpp-Schilling, 1988, S.84.

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rung“184 in sich sowie das damit verbundene Risiko einer betrieblichen Klima­ verschlechterung.185 Kofke formuliert daher aus ihren Erfahrungen bei AT&T: „Quoten sollten nur als befristete Notmaßnahmen zur Verbesserung einer Si­ tuation betrachtet werden.“186

In Deutschland wird die Quotierung von den Unternehmen mehrheitlich abge­ lehnt.187 Wie Metz-Göckel und Müller im Rahmen einer Studie für die Zeit­ schrift BRIGITTE feststellen, lehnen Männer mehrheitlich eine Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation ab,188 so daß das Fehlen quantitativer Vorgaben im Rahmen operativer Ziele des frauenorientierten Personalmarke­ tings offensichtlich einer sozialen Werthaltung zu diesem Thema entspricht. Die in der Literatur anzutreffende Divergenz in der Einschätzung von Quotie­ rungen als abgeleitete Zielsetzung liegt in einer unterschiedlichen Zuschreibung der Ursachen der Unterrepräsentanz von Frauen insbesondere auf höheren Hier­ archieebenen. Die Quotierung kann aber nur dann zieladäquat wirken, wenn tatsächlich eine Diskriminierung angemessen qualifizierter Frauen vorliegt. Entsprechende Ziele werden hingegen nicht zu realisieren sein oder zur Lei­ stungsminderung fuhren, wenn es an wirklich geeigneten Bewerberinnen fehlt.

Inwieweit eine Quotierung als Zielvorgabe einer Strategie der Frauenforderung dient, wird von der konkreten Arbeitsmarktsituation abhängen, in der sich das einstellende Unternehmen befindet bzw. von den internen Mitarbeiterressourcen und dessen Entwicklungsfähigkeit. Zur Operationalisierung von normativ und strategisch orientierten langfristigen Zielen erscheint es sinnvoll, Quoten als Plangrößen in das operative Ziel- und Kontrollsystem zu integrieren,189 deren Nichterreichen seitens der Verantwortlichen ggf. im Einzelfall zu begründen ist. So entsteht zum einen eine genauere Kenntnis über vorhandene Personalpoten­ tiale und über die im Unternehmen üblichen Handlungsmuster bei der Mitarbei­ tereinstellung und -entwicklung. Zum anderen tragen derartige Zielsetzungen dazu bei, Frauen als mögliche und gewollte Leistungsträgerinnen immer wieder in das Bewußtsein der Entscheidungsträger zu rücken.

184 Schöpp-Schilling, 1988, S.85. 185 Vgl. Kopfke, 1988, S.91. 186 Kofke, 1988, S.91.

187 Vgl. Zentralverband Berliner Arbeitgeberverbände, 1988, S.59, Scheuten, 1991, S.818, Fiedler-Winter, 1991, S.75. 188 Vgl. Metz-Göckel/Müller, 1985, S.106.

189 Vgl. Domsch/Regnet, 1990, S.l 19.

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Ein Blick in die Praxis zeigt, daß in einigen Unternehmen tatsächlich bereits freiwillige Quotierungen im operativen Zielsystem zu finden sind.190

Qualitative Zielgrößen Eine Strategie des frauenorientierten Personalmarketings kann aber im operati­ ven Bereich keinesfalls nur über quantitative Ziele abgesichert werden. „Betrachtet man das Erwerbssystem als Ganzes, so wird deutlich, daß die er­ werbstätigen Frauen in der Produktion wie im Dienstleistungssektor die durch Arbeitsplatzexpansion erweiterte Hierarchie der Arbeitsbereiche von unten auf­ gefüllt haben, ihnen also immer die geringer qualifizierten, spezifisch belasten­ den und relativ geringer entlohnten Arbeitsplätze ‘geblieben’ sind.“191 Im Sinne einer Integration von Frauen auch und besonders als Führungskräfte erscheint es unabdingbar, qualitative Entwicklungsziele für diese Mitarbeiter­ gruppe in das unternehmerische Zielsystem aufzunehmen. Insbesondere ist hier an die Vermittlung von Führungserfahrung und an die Berücksichtigung quali­ fizierter Frauen in der Laufbahn- und Nachfolgeplanung sowie in der Organisa­ tion von qualifizierten Stellvertretungsaufgaben zu denken,192 um mittelfristig über ein ausreichend großes Potential kompetenter weiblicher Führungskräfte zu verfugen. Darüber hinaus setzt eine realitätsnahe Strategie eines frauenori­ entierten Personalmarketings ein frauenfreundliches Organisationsklima sowie eine für Frauen attraktive Arbeitssituation voraus. Unter dieser Zielsetzung ist im operativen Bereich im Hinblick auf eine entsprechende Zielgruppe eine frauenfreundliche Arbeitszeitgestaltung ebenso anzustreben wie der Abbau au­ toritären Führungsverhaltens und der Aufbau einer offenen Organisationskultur.

Diese Aspekte sind daher in das unternehmerische Zielsystem zu integrieren. Qualitative Ziele wie Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen, ein positives Be­ triebsklima oder auch eine Steigerung der Kundenorientierung können als An­ trieb für ein frauenorientiertes Personalmarketing in Unternehmen wirksam werden, wenn das Unternehmen von spezifischen weiblichen Kompetenzen oder auch Potentialen ausgeht.

190 Vgl. Der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes NordrheinWestfalen, 1989, S.l7, S.21, S.24, vgl. auch Frauenförderplan der MBB, abgedruckt in Lück/Boes, 1990, Anhang.

191 Gottschall, 1991, S.398. 192 Vgl. Lück/Boes, 1990, S.28f.

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3.1.4. Zur Einbettung des Zielsystems in die Unternehmenskultur Die Festlegung von Zielen für ein frauenorientiertes Personalmarketing auf al­ len drei genannten Ebenen hat die Funktion, die Aktivitäten im Unternehmen in die gewünschte Richtung zu lenken und so zu koordinieren. Konkrete, opera­ tionalisierte Ziele machen ein Projekt einerseits controllingfahig und erlauben den relevanten Akteuren, ihr Verhalten zu steuern. Positiv besetzte Ziele moti­ vieren, im Sinne erstrebenswerter Zukunftszustände, die Menschen im Unter­ nehmen, die als notwendig erkannten Schritte zu gehen. Es ist allerdings noch einmal deutlich zu machen, daß die oben beschriebenen Ziele Ergebnis einer Literaturanalyse sind, es sich also um Zielsetzungen han­ delt, die von Entscheidungsträgem in Unternehmen bewußt angesteuert und ausdrücklich formuliert wurden. Die in den Unternehmen tatsächlich wirksa­ men, von unterschiedlichen Interessengruppen verfolgten und keineswegs im­ mer offen geäußerten Ziele sind damit allerdings nur ausschnitthaft erfaßt.

Bei der Konzeptentwicklung und Umsetzung des frauenorientierten Personal­ marketings sind über die offiziellen Projektziele hinausgehend Ziele und Wert­ haltungen verschiedener Bezugsgruppen zu beachten. Zu berücksichtigen sind: - Ziele und Vorstellungen der Adressatinnen eines frauenorientierten Perso­ nalmarketings, die sich auf ihre individuelle Entwicklung beziehen, - Interessen anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie solche von Führungs(nachwuchs)kräften, die in Konkurrenz zur Zielgruppe stehen,

- Interessen der betrieblichen Arbeitnehmervertretungen,

- Werthaltungen und Ziele externer Bezugsgruppen, wobei insbesondere Ziele und Kultur der Kunden und vielleicht auch der Lieferanten wirksam werden können und Institutionen im wirtschaftlichen und sozialen Umfeld zu beach­ ten sind, die sich mit der Situation von Frauen im Beruf auseinandersetzen. Zu hinterfragen ist für die Kemgruppe und auch für die anderen Interessen­ gruppen, inwiefern die proklamierten Ziele des frauenorientierten Personalmar­ ketings, aber auch seine Effekte in Widerspruch zur bestehenden Unterneh­ mens- bzw. Bereichskultur tretend93 Insbesondere die Aufnahme von Frauen in den Führungskreis des Unternehmens betrifft die bestehende Verteilung von

I93 Dieser Aspekt ist vor allem für die Unternehmen .wichtig, die bis in die Gegenwart hinein Mitarbeiterinnen ausschließlich oder überwiegend in unteren hierarchischen Positionen ohne FührungsVerantwortung beschäftigen und die diese Situation in ihrer Unternehmenskultur widerspiegeln, welche immer vergangenheitsorientierte Bezüge aufweist. Zur Bedeutung der Untemehmensvergangenheit für die Unternehmenskultur und den Umgang damit vgl. Keller/Pfrunder/Treichler, 1993, S.56ff., vgl. auch Bleicher, 1994, S.67.

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Macht und Status im Unternehmen, die einen wesentlichen Aspekt der Unter­ nehmenskultur darstellt. 1^4 insofern kommt den nicht offengelegten, vielleicht nicht einmal ihren Trägem selbst bewußten Werthaltungen, Grundannahmen und Motiven der Akteure im Unternehmen große Bedeutung für Konzept und Erfolg des frauenorientierten Personalmarketings zu, wenn sie denn geschlechterbezogene Aspekte beinhalten und auf traditionellen Geschlechterstereotypen basieren.195 Derartige, tief verankerte Grundannahmen über das Wesen von Männern und Frauen sind auf der Ebene einer rationalen Zielbe­ stimmung kaum diskutierbar und schon gar nicht veränderbar. Werden sie aber ignoriert, so kann als Ergebnis nicht ein lebendiges, realisierungsfähiges Kon­ zept, sondern allenfalls eine Proklamation schöner Absichten erwartet werden, welche keinen Einzug in die Untemehmensrealität nehmen werden. Fragen nach der Notwendigkeit und Erwünschtheit eines Wandels in der Untemeh­ menskultur sind daher im Zusammenhang mit der Festlegung der Ziele und der Maßnahmen, die das Unternehmen mit einer Strategie frauenorientierten Perso­ nalmarketings verbindet, zu stellen. Bekannte und verdeckte Ziele und Wertvorstellungen aller relevanten Interes­ sengruppen beeinflussen fordernd oder hemmend Inhalte und Prozeß des frau­ enorientierten Personalmarketings und können nicht beabsichtigte Effekte des Projektes produzieren. Auch die zunächst nicht offiziellen Interessen am Projekt sind daher nach Möglichkeit bereits in der Analysephase zu entschlüsseln. Sie sollten in die Zielbestimmung für das frauenorientierte Personalmarketing als Prämissen einfließen und sind damit später im Controlling zu berücksichtigen.

3.2. Zur Notwendigkeit eines frauenorientierten Personalmarketings Im Anschluß an die Analyse denkbarer und empirisch auffindbarer Ziele eines frauenorientierten Personalmarketings stellt sich die Frage, weshalb eine spe­ zielle Ansprache oder sogar Förderung dieser Mitarbeiterinnengruppe notwen­ dig ist. Insbesondere stellt sich die Frage, warum Frauen im Management priva­ ter Unternehmen noch immer die Rolle einer Randerscheinung spielen.

194 Vgl schein, 1995, S.77ff. 195 Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu analysieren, inwieweit frauenorientiertes Personalmarketing die psychologische Sicherheit relevanter Gruppen im Unternehmen be­ droht, die ihre Position mit geschlechtsbezogenen Annahmen verknüpfen (Hierarchie als Geschlechterfrage). Eine solche Verunsicherung behindert nach Schein die Bereitschaft und Fä­ higkeit von Unternehmen zur Veränderung und ist im Rahmen einer Phase des Auftauens zu bearbeiten. Vgl. Schein, 1995, S.230ff.

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Um Ansatzpunkte fur die Entwicklung einer frauenorientierten Personalmarke­ ting-Strategie zu finden, bietet sich eine pragmatische Diskussionslinie anhand konkreter Problemfelder weiblicher Berufsbiographien an. Als relevante Etap­ pen, die eine Einflußnahme des Personalmarketings erlauben, sind

- Berufswahl und Ausbildung - Aufnahme der Berufstätigkeit im Unternehmen und - Entwicklung im Unternehmen näher zu untersuchen. 3.2.1. Berufswahl und Ausbildung von Frauen in Deutschland

Bereits in der Wahl des Berufes zeigen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der wichtigsten Ausbildungsberufe und hinsichtlich der Konzentration der Auszubildenden.

Weibliche Auszubildende stellten 1992 mit einem Anteil von über 90% in den Bereichen Hauswirtschaft und freie Berufe das Gesamtpotential in diesen Be­ reichen. In der Landwirtschaft, im öffentlichen Dienst und im Bereich Industrie und Handel sind sie mit einem Anteil zwischen 40% und 50% beinahe paritä­ tisch vertreten. Der Anteil weiblicher Auszubildender im Bereich des Hand­ werks ist mit 16,2% insbesondere angesichts eines sich seit 1988 abzeichnenden sinkenden Trends relativ gering. 196

Insgesamt konzentriert sich mehr als die Hälfte aller jungen Frauen auf zehn Ausbildungsberufe. Rund ein Drittel der jungen Frauen in Deutschland wird in nur fünf Berufen zur Arzthelferin, Kauffrau im Einzelhandel, Friseurin, Indu­ striekauffrau und Zahnarzthelferin ausgebildet. Im Vergleich dazu stellt sich das Berufsspektrum bei den jungen Männern breiter dar. Sie decken mit den zehn wichtigsten Ausbildungsberufen einen Anteil von 43% abJ97 Der stetig sinkende Anteil von weiblichen Auszubildenden im Handwerksbe­ reich macht deutlich, daß Frauen an den traditionell frauentypischen Hand­ werksberufen wie der Friseurin und der Verkäuferin im Nahrungsmittelhand­ werk zunehmend weniger interessiert sind. 198 Auf den obersten Rängen stehen statt dessen 1992 die genannten Gesundheitsdienstberufe. Rückläufig sind bei

1% Vgi Statistisches Bundesamt, Erhebung im Dez. 1992, in: Bundesministerium für Bil­ dung und Wissenschaft, 1994, S.57.

197 Vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung, Erhebung 1992 in: Bundesministerium für Bil­ dung und Wissenschaft, 1994, S.58. 198 vgl. Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, 1994, S.58.

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den weiblichen Auszubildenden auch die zentralen Verwaltungs- und Büroberu­ fe, während der Anteil der Männer in dem ursprünglich frauentypischen Beruf „Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation“ stetig steigt.199

Während Frauen in den gewerblich-technischen Berufen, insbesondere in den Metall- und Elektroberufen nach wie vor nur marginal vertreten sind, bauen Frauen ihren Anteil in den sog. gewerblich-technischen „Mischberufen“ wie z.B. in den Druckberufen sowie in den feintechnisch-naturwissenschaftlichen Berufen, wie z.B. Laborberufe und zeichnerische Berufe weiter aus.200 Die Darstellung des Berufswahlverhaltens von Auszubildenden verdeutlicht, daß ein gesellschaftlicher Einstellungswandel bezüglich der Kategorisierung in weibliche und männliche Berufe bereits begonnen hat und daß sich dieser Trend auch zukünftig weiter fortsetzen wird, wenn jungen Frauen, aber auch Männern, das entsprechende Berufsbild unabhängig von der geschlechtstypischen Zu­ schreibung persönlich und sachlich begründet attraktiv erscheint.

Interessant erscheint auch eine Betrachtung der Berufsentscheidung von weibli­ chen Abiturienten sechs Monate nach Erhalt der Studienberechtigung. 36% der Frauen in Deutschland entscheiden sich 1992 für ein Studium an einer wissen­ schaftlichen Hochschule, während sich 7,3% der Frauen für ein Fachhoch­ schulstudium entscheiden. Den Weg der betrieblichen Berufsausbildung wählen 24% der Frauen und 6,4% begeben sich auf die Beamten- und Inspektorenlauf­ bahn. Ein Vergleich mit den männlichen Absolventen ist sechs Monate nach Erhalt der Studienberechtigung nicht aussagekräftig, da sich zu diesem Zeit­ punkt fast die Hälfte der männlichen Studienberechtigten im Wehr- bzw. Zivil­ dienst befindet.201 Aber auch ohne diesen Vergleich wird deutlich, daß ein großer Anteil der Abi­ turientinnen (43,3%) einen hochqualifizierten Berufsabschluß anstrebt.

Eine Betrachtung der beschäftigten Frauen in ausgewählten hochqualifizierten Berufsgruppen mit überdurchschnittlichem Einfluß auf das Betriebsgeschehen macht deutlich, in welchen Bereichen Frauen in Nordrhein-Westfalen besonders stark vertreten sind.202:

199 Vgl. Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, 1992, S.70.

200 Vgl. Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, 1992, S.67ff.

201 Vgl. BIBB/HIS-Studie, Studienberechtigte 1992, in: Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, 1994, S.65. 202 Vgl. Weber/Rodehuth/Rüther, 1995, S.74ff.

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Übers. 3: Beschäftigte Frauen in ausgewählten, hochqualifizierten Berufs­ gruppen in Nordrhein-Westfalen

Berufsgruppe mit über­ durchschnittlichem Einfluß auf das Be­ triebsgeschehen

Rangfolge nach Anteil

Frauenanteil Frauenanteil Veränderung des Frauen­ 1992 in % 1980 in % anteils in %Punkten

Lehrer

1.

54,2

49,6

-4,6

Ärzte und Apotheker

2.

36,0

42,8

+6,8

Geistes- und naturwis­ senschaftliche Berufe

3.

24,8

32,1

+7,3

Rechts­

4.

17,0

27,2

+10,2

Unternehmer und Wirt­ schaftsprüfer

5.

17,2

25,3

+8,1

Chemiker, Physiker, Mathematiker

6.

5,0

10,5

+5,5

Ingenieure

7.

2,0

4,9

+2,9

Rechtswahrer, berater

Ein differenzierteres Bild spiegeln die Hochschulen wider:203 An deutschen Hochschulen konzentrieren sich im Wintersemester 1992/93 44,8% der Studen­ tinnen auf insgesamt zehn Fächer. Davon fallen auf die Fächergruppe

- Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 22% - Sprachwissenschaft 10,3% - Mathematik, Naturwissenschaft 6,7% - Humanmedizin 5,8%.

Im Vergleich dazu treffen 51,2% ihrer Mitstudenten bei den zehn am stärksten vertretenen Studienfächern eine ganz andere Studienwahl. So studieren im Wintersemester 92/93 in der Fächergruppe

- Ingenieurwissenschaften 18,9%

- Rechts-und Wirtschaftswissenschaften 17,8%

- Naturwissenschaften 9,9%

203 vgi Statistisches Jahrbuch, 1995, S.402.

70

- Humanmedizin 4,6%.204 Während also bei den männlichen Studenten die Ingenieurwissenschaften auf Rang 1 stehen, nimmt ein etwa gleich großer Anteil an Frauen in der Fächer­ gruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften den Rang 1 ein. Ein Blick auf die Aufspaltung dieser Fächergruppe verdeutlicht, daß bei den Frauen nicht der Bereich des Sozialwesens, wie man aus den Erfahrungen der Vorjahre annehmen könnte,205 sondern der Bereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaf­ ten den größten Anteil der weiblichen Studierenden ausmacht. Mit 15,6% in den Fächern Wirtschaft und Recht stehen die Studentinnen ihren männlichen Mitstudenten, von denen sich 17,8% für diese beiden Studienfächer entschieden haben, nur wenig nach.

Weitere Schwerpunkte der weiblichen Studienwahl finden sich hinsichtlich der Fächergruppe Sprachwissenschaft. Während 7,1% der Studentinnen Germani­ stik wählen und dieses Fach in der Einzelbetrachtung der Fächer sogar auf Rang 1 steht, studieren nur 1,8% der männlichen Studenten Germanistik. Auch Erzie­ hungswissenschaften und Biologie rangieren bei den Mitstudenten erst auf ei­ nem sehr nachrangigen Platz (Erziehungswissenschaft mit 1,2% auf Rang 18, Biologie mit 1,8% auf Rang 14). Die von den männlichen Studenten primär be­ vorzugte Fächergruppe der Ingenieurwissenschaft mit den dort vertretenen Fä­ chern Maschinenbau/-wesen, Elektrotechnik/Elektronik und Bauingenieurwesen/Ingenieurbau fehlt bei den von Frauen bevorzugten Fächern - selbst bei einer Ausweitung auf die zwanzig am stärksten besetzten Studienfächer - gänz­ lich. Die Vernachlässigung der technischen Berufe durch die jungen Frauen wird be­ sonders deutlich, wenn man zudem berücksichtigt, daß Frauen an den stärker an technischen Fächern ausgerichteten Fachhochschulen im Wintersemester 94/95 mit einem Anteil von 29,1% noch stärker unterrepräsentiert sind als an den Universitäten mit einem Frauenanteil von 43,8%206. Im naturwissenschaftlichen Bereich ziehen die Frauen im Gegensatz zu den Männern, die sich auf die Fächer Informatik, Physik und Chemie konzentrieren, die Fächer Mathematik und Biologie vor.207

204 Vg| Statistisches Jahrbuch, 1995, S.402.

205 Vgl. Bundesministerium für Familie und Jugend, 1992, S.26ff. 206 Vgi Statistisches Jahrbuch, 1995, S.396.

207 Vgl. Statistisches Jahrbuch, 1995, S.402.

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Schanz erklärt das Berufswähl verhalten neben den persönlichen Eigenschaften aus frühen Sozialisationserfahrungen, vor deren Hintergrund die Wahrnehmung und Bewertung der aktuellen Situation in individuellen „AnstrengungsResultats-Erwartungen“ und „Resultats-Gratifikations-Erwartungen“ mün­ det.208 Das bedeutet, Berufswahlentscheidungen sind zum einen durch schichten- und geschlechtsspezifische Sozialisationsmuster zu erklären,209 zum anderen ist aber auch die subjektiv erlebte, aktuelle und die zukünftig zu erwartende Situa­ tion der Berufsanfangerin zu berücksichtigen: Zu vermuten ist, daß die jungen Frauen solche Berufe wählen, in denen sie glauben, zukünftig - ggf. unter Be­ rücksichtigung später folgender familiärer Belastungen2!0 _ erfolgreich sein zu können, sofern die dort gebotenen Anreize ihrem Wertesystem entsprechen.

Weibliche Kriterien für beruflichen Erfolg liegen, einer empirischen Studie von 1991 folgend, bei Frauen generell weniger im Bereich des Einkommens oder der Erreichbarkeit von Führungspositionen.2!! Auch Borkowski und Streckei­ sen finden in erster Linie inhaltliche und soziale Aspekte unter den Erwerbs­ motiven lohnabhängig beschäftigter Frauen.2!2 Dies läßt vermuten, daß sich die jungen Frauen eher an der inhaltlichen und sozialen Ausstattung ihres zukünfti­ gen Berufes orientieren als an Einkommens- und Aufstiegschancen.2!3 Darüber hinaus scheint die Frage hohe Relevanz zu haben, inwieweit Frauen realisti­ scherweise mit einer reellen Chance auf eine Integration in das erwünschte Be­ rufsfeld rechnen können.2!4

Untersuchungen des Berufswahlverhaltens zeigen, daß junge Frauen nach wie vor erheblich schlechtere Chancen haben, ihren ursprünglichen Berufswunsch tatsächlich zu realisieren und dieses stark vom familiären Umfeld abhängig ist.2!5 ?jn einer solchen Situation, auch wenn sich der Widerstand von Eltern und Umgebung zeigt, wenn Mädchen im gewünschten Beruf keine Lehrstelle

208 Vgl. Schanz, 1992, S.ll.

209 Vgl. Weinert, 1990, S.37f. 2!° Vgl. Autenrieth u.a. 1993, S.98f, Engelbrech, 1990, S.537.

211 Vgl. Engelbrech, 1991a, S.557.

2!2 Vgl. Borkowski/Streckeisen, 1989, S.106f. 2!3 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach, 1993, S.58. 2!4 Vgl. zur Bedeutung antizipatorischer Sozialisation auch Autenrieth u. a. 1993, S.41E 215 Vgl. Engelbrech, 1991a, S.532ff.

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finden, wenn für Frauen keine Erwerbschancen im gewünschten Beruf offen­ stehen, machen viele Frauen das ‘Nächstliegende’. Was das ist, welche Tätig­ keiten in einem solchen Fall ergriffen werden, hängt von der Herkunftsschicht der Eltern ab.“2!6

Junge Frauen, die sich zu einer eher unkonventionellen Berufswahl entschlie­ ßen, haben mit unsicheren Zukunftserwartungen zu rechnen: Sie erhalten trotz in aller Regel mindestens gleichen Qualifikation weniger häufig als ihre Kolle­ gen Übemahmeangebote und sind unter den weiblichen Arbeitslosen überreprä­ sentiert.2!7

Das Ergebnis mehrerer Studien zur Ausbildung von Mädchen in gewerblichtechnischen Berufen faßt Engelbrech zusammen: „Diese Befunde zeigen (...), daß auch in den ‘neuen’ Berufsfeldem Frauen überwiegend nur in einige, z.T. weniger attraktive Berufsfelder einmünden bzw. einmünden können und sich die ‘biologistische’ Zuschreibung des weiblichen Arbeitsvermögens auf be­ stimmte Tätigkeiten als austauschbar erweist. Ergebnisse aus den Modellversu­ chen ‘Mädchen in gewerblich/technischen Berufen’ haben vielmehr gezeigt, daß Mädchen sich für ungewöhnliche Ausbildungsberufe entscheiden, wenn ihnen ‘die Ernsthaftigkeit des Ausbildungsangebotes signalisiert wird’ und die­ se ‘am Erwerbsarbeitsmarkt ausbildungsadäquat verwertbar ist.“2!8 219 Es läßt sich somit als wesentliche Determinanten weiblicher Berufswahl neben der familiären Herkunft die reale Situation der Frauen im Beruf und die dadurch beeinflußte Erwartungshaltung der jungen Frauen im Hinblick auf ihre Zu­ kunftschancen identifizieren. Diese Situation aber kann durch die Unternehmen als Anbieter von Frauenarbeitsplätzen aktiv gestaltet werden. Es bieten sich somit Möglichkeiten der Einflußnahme auf das Berufswahlverhalten junger Frauen durch die Wirtschaft, die mittel- bis langfristig die Erschließung bislang ungenutzter Personalressourcen bewirken können.

Aufnahme der Berufstätigkeit im Unternehmen

Hier stellen sich die Fragen: Welche Hemmnisse weiblicher Berufstätigkeit sind in der Berufseinstiegsphase zu identifizieren? Oder konkret bezogen auf einzel­ ne Arbeitsplätze: Warum wurden diese Arbeitsplätze in der Vergangenheit mit Männern und nicht mit Frauen besetzt?

2!6 Vgl. Borkowski/Streckeisen, 1989, S.83.

217 Vgl. Engelbrech, 1991c, S.92. 218 Deutscher Bundestag 1990, S.36., zit. n. Engelbrech, 1991a.

219 Vgl. Engelbrech, 1991a, S.537.

73

Die Antwort auf diese Frage erscheint einfach: es fehlte an geeigneten Bewer­ berinnen. Tatsächlich nannten bei einer entsprechenden Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 62% der Betriebe den Mangel an geeig­ neten Bewerberinnen als Grund für die Besetzung der letzten Führungsposition mit einem Mann. Und auch ohne spezielle Anforderungen an Führungsfahigkeiten war dies mehrheitlich der Grund für die Besetzung von Angestellten­ positionen mit männlichen Bewerbern.220 Wie oben gezeigt wurde, finden wir tatsächlich eine geschlechtsspezifische Verteilung in qualifizierten Berufen, so daß in der Vergangenheit von einem realen Mangel an geeigneten Bewerberinnen vor allem in technisch geprägten Arbeitsmarktsegmenten auszugehen war, der auch heute noch vor allem in technisch geprägten Berufsfeldem noch nicht behoben ist. Andererseits stimmt es nachdenklich, wenn bei Engelbrech und Kraft gleichfalls zu lesen ist: „Bei von Männern ausgeübten qualifizierten Angestelltentätigkeiten antizipieren 36% der Betriebe bei der letzten Stellenbesetzung von vornherein, daß sich keine geeignete Frau gefunden hätte (...).“221 Was passiert mit den Frauen, die entgegen dieser Erwartung nach Abschluß einer „frauenuntypischen“ Ausbildung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung ste­ hen? Wird ihre Bewerbung freudig begrüßt? Bewerben sich diese Frauen über­ haupt auf Anzeigen, die sich speziell an Männer richten? Wer definiert anhand welcher Maßstäbe die Eignung? Sind diese Maßstäbe geschlechtsneutral for­ muliert?

Zu diesen Fragen finden wir in der Literatur eine Vielzahl von Thesen, die mehrheitlich vom Verdacht verdeckter Diskriminierung ausgehen.222 Vielfach suchen Unternehmen gar nicht erst nach Frauen: So gaben in der oben bereits zitierten Erhebung des IAB 58% der Betriebe an, für die letzte mit einem Be­ werber besetzte Stelle „(...) ausdrücklich nur einen Mann gesucht zu haben; eine Frau wäre also von vomeherein nicht in Frage gekommen.“223 Begründend führten die Unternehmen für die Mitarbeitergruppen Hilfsarbeiter, Facharbeiter und einfache Angestellte in erster Linie die vermutete geringere körperliche Belastbarkeit der Frauen auf. Gesetzliche Schutzbestimmungen für Frauen wur­ den für die Gruppe der Hilfsarbeiter und Facharbeiter als zweite Begründung

220 Vgl. Engelbrech/Kraft, 1992, S.23, S.21.

221 Engelbrech/Kraft, 1992, S.20. 222 Vgl. Lauber-Hennig, 1988, S.109ff, Berthoin Antal, 1988, S.170L, Demmer, 1988, S.18, Gottschall, 1991, S.399, S.405, Roloff, 1993, S.225.

223 Engelbrech/Kraft, 1992, S.19.

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von einem Viertel der Betriebe als Einstellungsbarriere genannt. Im Hinblick auf einfache Angestellentätigkeiten bildete das oben bereits diskutierte Argu­ ment „Mangel an geeigneten Bewerberinnen“ einen relevanten Grund, diese aus den Rekrutierungsbemühungen auszuschließen.224 Als weitere Barriere für die gleichberechtigte Übernahme weiblicher Fachkräfte durch den Ausbildungsbetrieb erweist sich die erwartete geringere Betriebszu­ gehörigkeit der jungen Frauen. Die Erwartung, daß die jungen Frauen das Un­ ternehmen früher verlassen als ihre männlichen Kollegen, besitzt vor allem im kaufmännisch-verwaltenden Bereich, und dort insbesondere bei Versicherungen und Banken, sehr hohe Relevanz für den unterschiedlichen Einsatz weiblicher und männlicher Nachwuchskräfte.225

In einer Mitte der achtziger Jahre von Hellmich durchgeführten Studie im Ban­ ken- und Versicherungsbereich finden sich Zitate wie: „Wir stellen prinzipiell nur 50% weibliche und 50% männliche Auszubildende ein. Also wenn wir nach den Leistungen gingen, dann müßten wir nur Damen einstellen und ausbilden. (...) Und da wir aus Erfahrung wissen, daß die Damen nach dem ersten Kind ausscheiden, stellen wir immer nur 50:50 ein.“226

Die weiteren Expertengespräche in dieser Studie bestätigten, daß die erwartete kürzere Betriebszugehörigkeit weniger ein reales Problem darstellte, sondern sehr stark auf die subjektive Wahrnehmung der Personal verantwortlichen zu­ rückzuführen war, da in den ersten Jahren nach der Ausbildung eher die Männer die Banken- und Versicherungsuntemehmen verlassen, in denen sie ausgebildet wurden:227 „Verlorene Humankapitalinvestitionen treten also bei männlichen Auszubildenden bzw. Arbeitnehmern ebenso auf wie bei Frauen. Trotzdem wird hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen: Die Männer verlassen den Be­ trieb, um sich beruflich zu verändern und zu verbessern, die Beweggründe der Frauen hingegen sind überwiegend familienbedingt. Beide Gruppen folgen den jeweiligen Geschlechterrollen, Fluktuationskosten entstehen den Unternehmen in beiden Fällen und in etwa gleicher Höhe. Trotzdem wird einseitig nur das weibliche Erwerbsverhalten negativ bewertet, (...).“228

224 Vgl. Engelbrech/Kraft, 1992, S.20. 225 Vgl. Engelbrech/Kraft, 1992, S. 18f., vgl. Hellmich, 1986, S.86ff. 226 Hellmich, 1986, S.90.

227 Vgl. Hellmich, 1986, S.87f., vgl. auch Engelbrech, 1991a, S.541. 228 Hellmich, 1986, S.88. Vgl. auch Hefftner, 1990, S.148.

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In einer späteren Untersuchung stellen Engelbrech und Kraft eine abnehmende Bedeutung traditioneller Vorbehalte gegenüber der Einstellung junger Frauen fest: „Vorgaben wie geringeres berufliches Engagement, geringere Aufstiegs­ motivation und kürzere Betriebszugehörigkeit von Frauen spielen eher eine marginale Rolle.“229 Für die Zukunft prognostizieren sie verbesserte Chancen für den Einstieg von Frauen in Führungslaufbahnen: „Da traditionelle Vorurtei­ le, wie geringere Eignung sowie Akzeptanz bei Kollegen und Kunden, aus Sicht der Betriebe kaum noch eine Rolle spielen, könnten sich zukünftig für Frauen zusätzliche Möglichkeiten beruflichen Aufstiegs in für sie bisher untypischen Wachstumsbereichen, in denen sich zunehmender Fach- und Führungskräfte­ bedarf abzeichnet, ergeben.“230 Notwendige Voraussetzung für eine solche Veränderung innerhalb der Organi­ sation ist jedoch die Entwicklung und Realisierung einer frauenorientierten Strategie des Personalmarketings, die, der weiter oben beschriebenen Theorie der individuellen „Anstrengungs-Resultats-Erwartungen“ und „Resultats-Grati­ fikations-Erwartungen“ folgend,

- an den Bedürfnissen der Frauen ansetzende, spezifische Attraktivitätspoten­ tiale aufbaut, - möglichst qualifizierte Bewerberinnen gezielt anspricht und - Frauen reale Erfolgschancen im Unternehmen aufzeigt.231

3.2.2. Berufseinstieg und Entwicklung weiblicher Fach- und Führungskräfte Wie aber verläuft der Berufsweg qualifizierter Frauen nach deren Eintritt in die Unternehmen?

Eine 1988 veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft über die Berufsentwicklung von Betriebswirtinnen in den ersten elf Jahren nach Ab­ schluß ihres Fachhochschulstudiums führte unter anderem zu den in der folgen­ den Übersicht zusammengefaßten Ergebnissen:

229 Engelbrech/Kraft, 1992, S.24. 230 Engelbrech/Kraft, 1992, S.25.

231 Vgl. auch Autenrieth u.a., 1993, S.97.

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Übers. 4: Berufserfolg und Geschlechtszugehörigkeit Frauen

Männer

unter 60.000 DM

84%

47%

60.000-100 000 DM

16%

42%

über 100.000 DM

0%

11%

Einkommen232

Es wird deutlich, daß trotz gleicher Ausbildung sehr deutliche Differenzen in der beruflichen Entwicklung weiblicher und männlicher Betriebswirte vorlie­ gen. Dieselbe Tendenz erkennt Engelbrech in Auswertung von IAB-Daten als generellen Trend: „Auch bei einem mit der ‘männlichen Normalbiographie’ vergleichbaren Berufsverlauf von Frauen zeigen sich für die jeweiligen Bil­ dungsniveaus deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede der gegenwärtigen Stellung.“233

Ganz erhebliche Unterschiede berichten auch Autenrieth u.a. aus ihrer Untersu­ chung deutscher Führungs- und Führungsnachwuchskräfte: „Weibliche Füh­ rungsnachwuchskräfte nehmen signifikant seltener den Posten einer Abteilungs­ leiterin, Hauptabteilungsleiterin oder Direktorin ein.“234 Die Autorinnen fanden deutliche Indizien für eine Benachteiligung weiblicher Führungsnachwuchs­ kräfte: „So waren in allen Branchen die jetzigen FNK [Führungs­ nachwuchskräfte] gleichermaßen während ihres beruflichen Werdegangs Referent/in oder Sachbearbeiter/in gewesen, doch bereits bei allen anderen Positi­ onsmöglichkeiten während einer beruflichen Laufbahn existieren geschlechts­ spezifische Unterschiede zum Nachteil der Frauen. Besonders geschlechtsspezifisch stellte sich die Situation in den Industrieunternehmen hinsichtlich der verschiedenen Positionen dar. Zu betonen ist dabei die deutliche Divergenz in bezug auf die Assistentenstellen, die gemäß den Aussagen der interviewten Per­ sonalexperten noch am ehesten als Sprungbrettpositionen für eine Karriere im Unternehmen gelten. Die große Diskrepanz bezüglich der Posten als Abtei­ lungsleiter bzw. -leiterinnen ist gleichfalls ein sehr klares Indiz für eine ge­ schlechtsspezifische Aufstiegsdiskriminierung, denn die Frauen des Samples haben sowohl die Qualifikation wie das Alter (...), in einer größeren Anzahl sol­ che Positionen einzunehmen.“235 232 Verbleibstudie IW/FH-Köln, 1987, zit. n. Konegen-Grenier u.a., 1988, S.47.

233 Engelbrech, 1991a, S.544, vgl. auch Mayer, 1991, S.87f. und Becker, 1991, S.l38. 234 Autenrieth u. a., 1993, S.104. 235 Autenrieth u.a., 1993, S.105f.

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Autenrieth, Chemnitzer und Domsch vermuten als Ursache dieser Diskrepanzen eine im Ergebnis geschlechtsspezifische Stellenbesetzungsstrategie der Unter­ nehmen derart, daß diese Frauen eher bei der Besetzung weniger karriere­ relevanter Positionen berücksichtigen.236 Als einen möglichen Wirkungsme­ chanismus decken sie die Tendenz auf „(...), daß weibliche Führungsnach­ wuchskräfte ihren beruflichen Weg eher über eine Fachlaufbahn gehen als über eine Führungslaufbahn. In vielen Unternehmen sind jedoch Fachlaufbahnen noch nicht als übliches Karrieremuster etabliert und entsprechend äquivalent mit den Führungslaufbahnen. Dies könnte nach diesen Ergebnissen vor allem weibliche Nachwuchskräfte benachteiligen.“237 Ergänzt man diese Aussage mit der in der gleichen Studie gemachten Feststellung, daß Frauen bei ihrem Eintritt in das Unternehmen in branchenspezifisch unterschiedlichem Ausmaße, aber in jedem Falle weniger als ihre männlichen Kollegen von dem einstellenden Un­ ternehmen hinsichtlich untemehmensspezifischer Laufbahnkonzepte beraten wurden,238 so wird deutlich, daß diese „Sackgassen“ kaum einseitig auf beson­ dere Vorstellungen und Bedürfnisse der jungen Frauen oder gar ihr geringeres Karrierestreben zurückzufuhren sein dürften.

Ganz im Gegenteil stellten Autenrieth, Chemnitzer und Domsch fest, daß die weiblichen Führungs-(Nachwuchs-)Kräfte der Karrieremotivation einen deut­ lich höheren Stellenwert zuschrieben als ihre männlichen Kollegen: „Dieser si­ gnifikante Unterschied in der Einschätzung der Relevanz könnte auf die hohe Karrieremotivation der Frauen zum einen und den größeren Widerstand gegen­ über motivierten Frauen zum anderen zurückgefuhrt werden. Die weiblichen FNK [Führungsnachwuchskräfte] sind motiviert genug, eine Karriere anzustre­ ben, und erkennen aus diesem Grunde aus eigener Erfahrung, welche Hinder­ nisse zu überwinden sind, daß dazu ein besonderes Karrierestreben erforderlich ist.“23* Doch welche Hindernisse stehen der weiblichen Karriere entgegen? Chao und Malik entwickelten ein „Career Planning Model for Women“240 das Hinweise auf mögliche Karrierehindemisse und deren Beseitigung durch Ak­ tivitäten der Unternehmen enthält. Sie unterscheiden

236 Autenrieth u.a., 1993, S.106. 237 Autenrieth u.a., 1993, S.106.

238 Autenrieth u.a., 1993, S.102. 23* Autenrieth u.a., 1993,, S.162. 240 Chao/Malik, 1988, S. 112.

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- individuelle Einflußgrößen (Karriereorientierung, sionen, Integration von Arbeits- und Familienrollen)

Persönlichkeitsdimen­

- organisationale Faktoren (Personalpolitik, geschlechtsspezifische Barrieren und ebensolche Chancen) - soziale Einflußgrößen (Geschlechtsstereotype, soziodemographische Ver­ änderungen, Entwicklung weiblicher Karrierechancen),

die den Prozeß der Karriereplanung determinieren. Über die Realisierung der Karriereziele („Implementation“ und „Career Performance“) bildet sich nach Chao und Malik eine weibliche Karriereidentität heraus, die über individuelle Faktoren verändernd auf die vorherrschenden weiblichen Rollenmodelle zu­ rückwirkt.24!

Diesem Ansatz folgend sind Karrierehemmnisse auf allen drei genannten Ebe­ nen zu suchen.242 Besonderes Augenmerk ist dabei den Faktoren der organisationalen Ebene zu schenken, da sich hier sehr konkrete und direkt umsetzbare Ansatzpunkte für ein Personalmarketing finden lassen: „An organization’s per­ sonnel policies may set barriers or define opportunities for a woman’s career development. How these policies affect a woman’s attempt to integrate her work and nonwork roles, and how they define the kinds off career opportunities available to a woman can have a direct influence on her career goals und plans.“243

241 Vgl. Chao/Malik, 1988, S.l 19ff.

242 Eine ähnliche Dreiteilung macht auch Hadler zur Grundlage einer Systematisierung un­ terschiedlicher, teilweise konkurrierender Erklärungsansätze. Sie verweist auf die Notwendig­ keit umfassenderer Erklärungen, geht aber auf das Zusammenspiel der drei Ebenen nicht im Detail ein. Vgl. Hadler, 1995, S.57ff.

243 Chao/Malik, 1988, S.l 19.

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Abb. 3: Einfluß Faktoren weiblicher Karriereplanung244 Individuelle Ebene

Gesellschaftliche Ebene

• Karriereorientierung • individuelle Qualifikation • Vereinbarkeit von Familie und Beruf

• Geschlechterrollen/stereotype • Ausbildungssystem • gesellschaftsübliche Arbeits­ teilung zwischen Partnern • Kinderbetreuungsangebot

Ebene der Organisation • Karrierechancen • Personalentwicklung • Arbeitszeitgestaltung • Kommunikation

Den Schwerpunkt weiblicher Karrierebarrieren setzt auch die empirische Studie der „Forschungsgruppe Frauen in Führungspositionen (FiF)“245 bei organisa244 Vgl. Chao/Malik, 1988, S.l 11.

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tionalen Faktoren. Diese Studie basiert auf der Befragung von über 1000 weib­ lichen Angestellten eines Dienstleistungskonzems und wurde 1991 durchgefuhrt.

Als ein wesentliches Ergebnis entwickelten die Autorinnen eine „Karrieretreppe“, die die von den Frauen meistgenannten Hemmnisse weiblichen Berufs­ erfolges in diesem Konzern wiedergibt:246 1. Aufstieg muß sich lohnen!

2. Unvereinbarkeit von Familie und Karriere 3. Führungsstil

4. Weniger Anerkennung für Leistungen bei Frauen

5. Vorurteile und Männerbünde 6. Fehlende Transparenz der Aufstiegswege 7. Mangelnde Vorbilder Sehr deutlich geht aus dieser Studie hervor, daß die Frauen bereit sind, sich be­ ruflich zu engagieren, daß „(...) Verantwortung zu übernehmen, berufliche Her­ ausforderung und Entwicklungschancen zu den wichtigsten Faktoren der Ar­ beitszufriedenheit gehören.“247 Allerdings muß sich dieses Engagement lohnen - finanziell und hinsichtlich arbeitsinhaltlicher Aspekte: Zu einer „Karriere um jeden Preis“, die in dem untersuchten Unternehmen üblicherweise mit hoher Mobilitätsbereitschaft und starker zeitlicher Belastung verbunden ist, sind diese Frauen offensichtlich nicht bereit. Eine Karriere, die von einer männlichen „Normalbiographie“ (d.h. hier freie Versetzbarkeit und Unbelastetheit von familiärer Beanspruchung) ausgeht, er­ scheint den befragten Frauen mehrheitlich mit einem Familienleben in der heute üblichen Form kaum vereinbar. Daraus haben die Frauen ihre persönlichen Konsequenzen gezogen: „Während von den Leitenden 92,1% der Männer ver­ heiratet sind, beträgt dieser Anteil unter den weiblichen Leitenden nur 41,2%. Auch unter den Abteilungsleiterinnen sind nur 44% verheiratet. Diese Werte liegen weit unter dem Bundesdurchschnitt von Frauen in Führungspositionen (...). Obwohl über die Hälfte der Frauen mit einem Partner zusammenleben, ha­ ben 83% der Befragten keine Kinder.“248 Die Entscheidung zwischen Familie 246 Fischer/Martens/Schumm-Garling 1992. 246 Vgl. Fischer u.a., 1992, S. 14ff.

247 Fischer u.a., 1992, S.7. 248 Fischer u.a., 1992, S.10.

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und Karriere ist also zumindestens für die aufstiegswilligen Frauen dieses und ähnlich strukturierter Unternehmen noch immer ein großes und sehr reales Problem. Auf der dritten Stufe der „Karrieretreppe“ ortet die Forschungsgruppe einen vermuteten autoritären Führungsstil auf höherer Ebene. Kritisiert wird diese Art der Führung vor allem seitens der Frauen „(...), die beruflichen Aufstieg nur unter veränderten Bedingungen anstreben würden. Veränderte Bedingungen bedeuten für diese Frauen also insbesondere eine Kritik am herrschenden Füh­ rungsstil.“249 Diese Ergebnisse belegen die oben bereits vermuteten Schwierig­ keiten, die von vielen Autoren geforderten neuen Qualifikationen und eine so­ zial kompetentere Führung in traditionell orientierte Organisationen zu integrie­ ren. Neuartige (weibliche) Qualifikationspotentiale wirken in manchen Unter­ nehmen offensichtlich nach wie vor eher als Barrieren denn als Pluspunkt für eine Karriere.

Als weitere Karrierehemmnisse identifiziert die Studie ein männliches Förder­ klima, innerhalb dessen die Leistung weiblicher Organisationsmitglieder nicht im gleichen Maße Anerkennung findet, wie die ihrer männlichen Kollegen, und die Existenz einer ebenfalls männlich orientierten Lobby. Die Forschungsgrup­ pe kommt daher für den untersuchten Konzern zu dem Schluß: „Das Anliegen, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, wird weitgehend für eine Modeerscheinung bzw. ein Lippenbekenntnis gehalten.“250 Unter diesen Be­ dingungen kann es kaum erstaunen, daß die befragten Frauen schließlich noch über die Intransparenz der internen Aufstiegswege und das Fehlen weiblicher Vorbilder in der Führungsriege klagen.

Auch in der branchenübergreifenden empirischen Studie von Autenrieth, Chemnitzer und Domsch finden sich interessante Hinweise auf frauenspezifi­ sche Karrierehemmnisse 251 Führungs-(Nachwuchs-)Kräfte äußerten unabhän­ gig vom Geschlecht die Meinung, den hauptsächlich hinderlichen Einfluß auf die Karriere besäßen - inkompetente Vorgesetzte und

- Seilschaften.

Während weibliche Führungs(nachwuchs)kräfte als ein in der Bedeutung den Seilschaften vergleichbares Karrierehindemis

249 Fischer u.a., 1992, S.9. 250 Fischer u.a., 1992, S.l5. 251 Vgl. Autenrieth u.a., 1993, S.167ff.

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- Vorbehalte gegenüber Frauen

empfanden, sahen die Männer hierin lediglich einen geringen Negativeinfluß.

Aspekte der Untemehmenskultur treten auch bei den Antworten auf die Frage nach der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen generell auf.252 Geringfügig höher gewichten die Frauen die Bedeutung der Statements „traditionelle Rollenerwartungen im Unternehmen“, während die schärfere Formulierung „Unternehmen setzt Frauen in Führungspositionen nicht ein“ von den Männern deutlich weniger Bedeutung zugemessen wird als dies seitens der Frauen der Fall ist. Bei beiden Geschlechtern verbleibt die Einschätzung hierzu jedoch im Mittelfeld. Einen insgesamt höheren Stellenwert erhält vor allem nach Ansicht der weiblichen Führungskräfte aber auch bei ihren männlichen Kollegen der Einfluß sozialer Rollenzuschreibungen und der geschlechtstypi­ schen Arbeitsteilung. Als von eher großer Bedeutung sehen die befragten Frau­ en und Männer:

- Kinderbetreuung der öffentlichen Hand unzureichend - traditionelle Rollenerwartungen im privaten Bereich - Unvereinbarkeit von Karriere und Familie - traditionelle Rollenerwartungen im Unternehmen

- Unternehmen setzt Frauen nicht in Führungspositionen ein253 Eher geringe Bedeutung maßen die Befragten beider Geschlechter den State­ ments

- mangelnde Karriereorientierung bei Frauen - falsche Berufswahl der Frauen

- geringes Durchsetzungsvermögen der Frauen bei, wobei diese Aussagen bei den Männern auf noch größere Ablehnung stie­ ßen als bei den weiblichen Führungskräften.254 Zusammenfassend charakterisieren Autenrieth, Chemnitzer und Domsch ihre Ergebnisse zur Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen: „Insgesamt kann festgestellt werden, daß Frauen eine Anpassung an den Erfor­ dernissen einer Karriere eher attestiert und zugesprochen wird, und die Gründe

252 Vgl. Autenrieth u.a., 1993, S. 187ff. 25^ Reihenfolge nach Bewertung der weiblichen Befragten. Vgl. Autenrieth u.a., 1993, S.l88.

254 Autenrieth u.a., 1993, S.l89.

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fur eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen im gesellschaftli­ chen Umfeld zu suchen sind. Das schließt sowohl die öffentliche Hand und die Unternehmen wie auch die Männer mit ein, so daß nach wie vor die ge­ schlechtsspezifische Arbeitsteilung im traditionellen Sinne Frauen bei der Ver­ einbarkeit von Familie behindert.“255

Diese Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen der empirischen Befragung männlicher Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft, die Neuhaus 1987 durchfuhrte: „In ihren Antworten haben die Männer nicht ein einziges Mal mangelndes fachliches Leistungsvermögen als Erklärung für die Unterreprä­ sentanz von Frauen in Führungspositionen herangezogen. Das mag darauf schließen lassen, daß es immer weniger Zweifel an den beruflichen Fähigkeiten der Frauen gibt. Viele Frauen haben bereits bewiesen, daß sie Führungsaufga­ ben genauso gut bewältigen können wie Männer. Auffallend ist andererseits die einhellige Meinung der Befragten darüber, daß die Familienpflichten das größte Hindernis in einer karriereorientierten Laufbahn einer Frau darstellen.“256

3.3. Darstellung eines differenzierenden ZielgruppenAnsatzes Die hohe Relevanz weiblicher Familienpflichten als Karrierehindemis mag er­ staunen, wenn man bedenkt, daß die Fruchtbarkeitsrate 1992 in Deutschland im Durchschnitt bei 1,3 Kindern lag und diese im europäischen Vergleich zusam­ men mit Italien am niedrigsten ist.257 Angesichts der Tatsache, daß diese gerin­ ge Anzahl von Geburten zudem tendenziell immer später erfolgt,258 erscheint es heute immer weniger gerechtfertigt aus der biologischen Tatsache weiblicher Gebärfähigkeit eine Homogenität der sozialen Gruppe Frau abzuleiten, deren voller beruflicher Integration familiäre Gründe hemmend entgegenstünden.

Betrachtet man die Teilgruppe der erwerbstätigen Frauen, so sieht man, daß über die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen kinderlos ist und daß weitere 10% der erwerbstätigen Mütter bereits erwachsene Kinder hat und mithin mit fami­ liären Verpflichtungen kaum übermäßig beansprucht sein dürfte. 47% aller er­

255 Autenrieth u.a., 1993, S.189.

256 Neuhaus, 1988, S.141. 257 Vgl. Bericht über die menschliche Entwicklung, S.226. Vgl. auch Nerge, 1993, S.206. 258 Das Alter der Mütter mit der höchsten Geburtenziffer lag 1993 bei 28 Jahren. Vgl. Stati­ stisches Jahrbuch, 1995, S.93, vgl. auch Bundesministerium für Familie und Jugend, 1992, S.74.

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werbstätigen Frauen sind Frauen mit Kindern und das sind 7,1 Millionen im Jahr 1993 und darunter 1,9 Millionen mit Kindern unter sechs Jahren.259 Sie zeigen, daß es trotz offenbar widriger Umstände möglich ist, Familienpflichten und Beruf miteinander zu vereinen. In den heute durch die Kinderbetreuung be­ sonders beanspruchten Jahrgängen der 25 bis 45jährigen Mütter sind rund die Hälfte 1990 in der Lage gewesen, eine Berufstätigkeit auszuüben.260 Dahinter steht ein Einstellungswandel der Frauen, der sich u.a. darin zeigt „(...), daß heute die Mehrzahl der Frauen mit kleinen Kindern der Ansicht sind, daß Familientätigkeit kein lebenslanger Beruf sei.“26l Auch Engelbrech stellt fest „(...), daß im Selbstverständnis und in der Lebensplanung von Frauen eine län­ gerfristig angelegte Berufstätigkeit an Bedeutung gewinnt. (...) Insbesondere durch die zunehmende Erwerbsbeteiligung bei geringeren und kürzeren Unter­ brechungszeiten und dem Bedeutungsverlust der Ehe als ‘Versorgungsinstitut’ bei gestiegenen Scheidungsraten deuten sich hier andere Notwendigkeiten an.“262

Einen Hinweis auf erhebliche Unterschiede in der Beurteilung verschiedener Möglichkeiten der Vereinbarung von Familie und Beruf gibt eine 1992 erschie­ nene Studie des Bundesministeriums für Frauen und Jugend.263 In den alten Bundesländern bevorzugen die Frauen jeweils zu beinahe gleichen Teilen eine dreijährige bzw. eine noch längere Unterbrechung des Berufslebens, während mit 5% bzw. 6% nur vergleichsweise wenige Frauen für eine kürzere Beruf­ spause bzw. für den Ausstieg aus dem Erwerbsleben plädieren. Einen deutli­ chen Trend zu einer nur kurzen Berufsunterbrechung zeigen die Ergebnisse der Befragung für die neuen Bundesländer: 87% der befragten Frauen halten es für das Beste, spätestens nach dem Erziehungsurlaub in den Beruf zurückzukehren. Die Bereitschaft zu einer längeren Berufspause ist hier mit 12% deutlich schwä­ cher ausgeprägt als in den alten Bundesländern.264

259 Vgl. Statistisches Jahrbuch, 1995, S.l 12. 260 Vgl. Bundesministerium für Familie und Jugend, 1992, S.63. 261 Bundesministerium für Familie und Jugend, 1992, S.69.

262 Engelbrech, 1992, S.l9. 263 Bundesministerium für Familie und Jugend, 1992, S.40. 264 Zu prüfen wäre, inwieweit sich die Standpunkte in den alten und den neuen Bundeslän­ dern über den Verlauf der Zeit annähem. Hierzu kann die hier vorgelegte Arbeit aller­ dings keinen Beitrag leisten, da ausschließlich mit Unternehmen und Frauen aus den alten Bundesländern zusammengearbeitet wurde.

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In diesem Ergebnissen zeigt sich eine nach wie vor hohe Bedeutung der „DreiPhasen-Biographie“, auf die in Abschnitt 2.3.2. ausführlich eingegangen wird. Da mit Abschluß eines dreijährigen Erziehungsurlaubes familiäre Verpflichtun­ gen aber keineswegs in den Hintergrund treten, belegen diese Ergebnisse, und dies in ganz besonderem Maße für die neuen Bundesländer, die Relevanz einer Verknüpfung von Berufs- und Familienorientierung durch berufstätige Mütter, die in dieser Arbeit unter der Bezeichnung „Spagatfrauen“ beschrieben werden. Insgesamt gewinnt im Selbstverständnis und in der Lebensplanung von Frauen eine längerfristig angelegte Berufstätigkeit eine immer stärkere Bedeutung,265 so daß für die Zukunft von einer zunehmend stabilen Berufsorientierung der Mitarbeiterinnen auszugehen sein wird, die sich gleichwohl nicht immer in ei­ ner kontinuierlichen Berufsausübung niederschlagen wird, sondern eine oder mehrere Familienphasen beinhalten kann.

Als wichtiger Einflußfaktor auf die Berufsorientierung von Frauen ist ihr Aus­ bildungsniveau anzusehen.266 So sinkt der Anteil der Berufsunterbrecherinnen mit dem Ausbildungsniveau ebenso wie die Dauer der Unterbrechung. Interes­ sant erscheinen in diesem Zusammenhang darüber hinaus die Unterbrechungs­ gründe: Familienbedingte Unterbrechungen machen bei Frauen mit Hochschul­ ausbildung lediglich einen Anteil von 17 % aus (bei Frauen insgesamt 51%), während in dieser Gruppe eine Unterbrechung der Berufsausübung bei rund der Hälfte der hochqualifizierten Frauen durch Qualifikationsmaßnahmen verur­ sacht war.

265 Vgl. Engelbrech/Kraft, 1992, S.19.

266 Vgl. Engelbrech, 1987, S.190, vgL auch Friedel-Howe, 1995, S.518.

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Verstärkung der Berufsorientierung

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