Die Nutzungsvergütung: Grundgedanken, Tatbestände und Bemessung im BGB [1 ed.] 9783428517251, 9783428117253

Das BGB enthält zahlreiche, höchst unterschiedliche Vorschriften über die "Herausgabe von Nutzungen". Im Rahme

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Die Nutzungsvergütung: Grundgedanken, Tatbestände und Bemessung im BGB [1 ed.]
 9783428517251, 9783428117253

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 322

Die Nutzungsvergütung Grundgedanken, Tatbestände und Bemessung im BGB

Von Raphael Thunhart

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RAPHAEL THUNHART

Die Nutzungsvergütung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 322

Die Nutzungsvergütung Grundgedanken, Tatbestände und Bemessung im BGB

Von Raphael Thunhart

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Universität Graz und des Landes Steiermark

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-11725-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Untersuchung basiert auf der Überzeugung, dass die Bemessung der Nutzungsvergütung nicht dem freien Ermessen des Gerichts oder eines Sachverständigen überlassen werden darf, sondern vorerst klare rechtliche Vorgaben ermittelt werden müssen, nach welchen Kriterien sich die Vergütung des Vorteils richten muss, der aus dem unbefugten Gebrauch einer fremden Sache gezogen wurde. Dies erfordert eine Analyse der unterschiedlichen Regelungen im Vertrags-, Bereicherungs- und Sachenrecht des BGB sowie eine kritische Betrachtung der Berechnungsmodelle, wie sie in der Rechtsprechung verwendet werden. Eine sachgerechte Bemessung des Nutzunsgentgelt ist nicht nur nötig, um eine ungerechtfertigte Begünstigung der einen oder anderen Partei zu vermeiden, sondern auch von entscheidender Bedeutung für die Funktionsfähigkeit gesetzlicher Anfechtungs-, Rücktritts- und Widerrufsrechte. So wird das Recht zur Aufhebung des Vertrages wertlos, wenn die Ausübung dieses Rechts mit überhöhten Zahlungspflichten für den zwischenzeitlichen Gebrauch der gelieferten Ware verbunden ist. Der Großteil der Arbeit wurde an der Humboldt Universität zu Berlin verfasst. Für die wissenschaftliche Förderung in Berlin und Graz danke ich Prof. Dr. Axel Flessner und Prof. Dr. Peter Bydlinski; für steten Beistand Dr. Martin Stefula und Dr. Isabella Riener. Graz, im Dezember 2004

Raphael Thunhart

Inhaltsverzeichnis

1 . Kapitel Einleitung

11

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

B. Nutzungsvergütung als Querschnittsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

C. Strenge und milde Herausgabepflicht im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

2. Kapitel Strenge Herausgabepflicht

16

A. Anwendungsbereich der strengen Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2. Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis der fehlenden Berechtigung als Tatbestand der strengen Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

3. Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

a) Gesetzliche Rücktrittsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

b) Widerruf von Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

4. Verpflichtung zur Wahrung potentieller fremder Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

a) Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

b) Vertragliche Rücktrittsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Rechtsgrund der Haftung für nicht gezogene Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Bewirtschaftungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

8

Inhaltsverzeichnis 2. Schadensersatz für den Entzug der Nutzungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

3. Rechtsfortwirkung und Verfügungsgewalt als Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

C. Umfang der Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Haftung für nicht gezogene Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Die Regeln der ordentlichen Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

3. Keine Verpflichtung zum Gebrauch von Konsumgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

4. Die Untauglichkeit von Wirtschaftsregeln als Bemessungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

5. Verpflichtung zum Ersatz des objektiven Gebrauchswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Berechnung nach Eigentümerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

a) Lineare Teilwertabschreibung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

b) Bedenken gegen die Annahme eines gleichbleibenden Gebrauchswertes . . . . . .

38

c) Konkrete Wertminderung als Maßstab der Nutzungsvergütung . . . . . . . . . . . . . . .

40

d) Das Problem des Neuwertverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

e) Verzinsung des Anlagekapitals als notwendiger Bestandteil der Nutzungsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Berechnung nach marktüblichen Nutzungsentgelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Marktübliche Miet- und Pachtpreise in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

b) Fiktive Mietpreise in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

c) Bedenken an der Bemessung nach fiktiven Mietpreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

d) Subsidiarität der Berechnung nach marktüblichen Nutzungsentgelten . . . . . . . .

50

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

3. Kapitel Gebrauchsbedingte Wertminderung

53

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

B. Schadensersatzpflicht bei Bösgläubigkeit und Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Inhaltsverzeichnis

9

C. Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

D. Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

E. Widerruf von Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

F. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Wertersatzpflicht als Bestandteil der strengen Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . .

63

2. Das Verhältnis von Nutzungsvergütung und Wertersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

3. Vereinfachte Bemessung von Nutzungsvergütung und Wertersatz . . . . . . . . . . . . . . . .

65

4. Kapitel Milde Herausgabepflicht

66

A. Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

B. Ansprüche gegen den Besitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

1. Wertungswidersprüche im Vergleich zum Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Die Motive der Privilegierung des redlichen Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Notwendige Einschränkung des Besitzerprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

C. Herausgabe der gezogenen Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

D. Bemessung der Nutzungsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

2. Günstigere Beschaffungsmöglichkeit und Rückgriff auf eigene Ressourcen . . . . . .

77

3. Aufgedrängte Gebrauchsvorteile und hypothetischer Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

4. Unwirtschaftlicher Einsatz fremder Betriebsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

5. Die Nutzungsvergütung bei vertraglicher Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

10

Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Die Haftung für eigenübliche Sorgfalt

85

A. Die Sonderstellung des Rücktrittsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

B. Zeitpunkt der Haftungsverschärfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

C. Haftung für nicht gezogene Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

D. Ersatz der Wertminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

6. Kapitel Ergebnisse

91

Grafische Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

1. Kapitel

Einleitung A. Problemstellung Die Nutzungsvergütung ist jenes Entgelt, das für den unbefugten Gebrauch einer fremden Sache zu entrichten ist. Ein Anspruch auf Nutzungsvergütung besteht beispielsweise, wenn Werbetafeln auf öffentlichem Grund aufgestellt werden, ein Fahrzeughändler wegen Zahlungsverzug des Käufers die Herausgabe des PKW verlangt oder der Erwerber einer Eigentumswohnung nach mehreren Monaten schwere Baumängel entdeckt und deshalb die Aufhebung des Vertrages begehrt. So unterschiedlich diese Fälle auch sein mögen, immer stellt sich die Frage, welches Entgelt der Schuldner für den zwischenzeitlichen Gebrauch der Sache zu entrichten hat. Die Rechtsprechung zur Nutzungsvergütung hat verschiedene Berechnungsmethoden entwickelt. Je nach Ausgangslage wird die geschuldete Nutzungsvergütung nach realen oder fiktiven Mietpreisen, der anteiligen Wertminderung im Verhältnis zur gesamten möglichen Nutzungsdauer oder nach der erzielten Ersparnis bemessen. Die gewählten Methoden führen freilich zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. So macht es einen gewaltigen Unterschied, ob der Schuldner für die zwischenzeitliche Nutzung eines PKW marktübliche Mietpreise bezahlen oder lediglich einen Kilometersatz entrichten muss, der sich an der durchschnittlichen Wertminderung des Fahrzeuges orientiert. In den einschlägigen Urteilen wird erstaunlicherweise kaum jemals begründet, weshalb sich das Gericht für die eine oder andere Vorgangsweise entschieden hat. Dieses Fehlen von Begründungen ist umso mehr erstaunlich, als das BGB zahlreiche und äußerst differenzierte Regelungen über die Nutzungsvergütung enthält. Dass die Rechtsprechung einzelne Berechnungsmethoden weitgehend unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben des BGB entwickelt hat, mag freilich auch daran liegen, dass die einzelnen Regelungen ganz offensichtlich vor allem auf die Herausgabe wirtschaftlicher Erträge zugeschnitten sind. So verpflichtet das Gesetz etwa zur „Herausgabe von gezogenen Nutzungen“ beziehungsweise zum Ersatz jener Nutzungen „die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaf nicht gezogen wurden“. Diese Regelungen sind durchaus praktikabel, wenn es um wirtschaftliche Erträge geht. Dementsprechend nennt der historische Gesetzgeber landwirtschaftliche

12

1. Kapitel: Einleitung

Erzeugnisse, die Ausbeute aus Bergwerken, Einnahmen aus der Vermietung- oder Verpachtung sowie Zinsen aus Kapital als typische Beispiele für Nutzungen.1 § 100 BGB definiert herausgabepflichtige Nutzungen jedoch als „die Früchte einer Sache oder eines Rechtes sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt“. Der Nutzungsbegriff des BGB ist damit denkbar weit und erfasst nicht nur wirtschaftliche Erträge, sondern beispielsweise auch Vorteile, die mit dem Gebrauch von Konsumgütern, also etwa privaten Kfz oder einer Wohnung verbunden sind.2 Weitgehend unklar scheint, welche Vorgaben mit den auf der Herausgabe wirtschaftlicher Erträge zugeschnittenen Regelungen für die Vergütung anderer Gebrauchsvorteile verbunden sind. So hatte der BGH Fälle zu entscheiden, in denen Automaten auf fremden Grund aufgestellt werden, ein Leasinggeber wegen Zahlungsverzuges den Vertrag über eine Computeranlage kündigt, oder der Käufer wegen Mangelhaft des PKW vom Vertrag zurücktritt, obwohl er das Fahrzeug schon einige Monate benutzt hat. In all diesen Fällen konnten weder „Regeln der ordentlichen Wirtschaft“ ermittelt, noch irgendwelche Nutzungen „herausgegeben“ werden. Umso erstaunlicher ist es, dass auch der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in den Vorschriften über den Rücktritt vom Vertrag wieder zum Ersatz der „entgegen den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht gezogenen Nutzungen“ spricht.3 Tatsächlich geht es in all diesen Fällen weniger darum, welche Nutzungen „herauszugeben“ sind, sondern um die Frage, wie die geschuldete Nutzungsvergütung zu bemessen ist. Die folgende Untersuchung beschäftigt sich deshalb mit der Frage, welche gesetzlichen Vorgaben aus den einzelnen Vorschriften des BGB für die Bemessung der Nutzungsvergütung abzuleiten sind. Neben der Herausgabe wirtschaftlicher Erträge, wie sie in den Vorschriften des BGB vorgesehen ist, soll hier vor allem die Vergütung „bloßer Gebrauchsvorteile“ im Mittelpunkt des Interesses stehen, wie sie mit der Nutzung von Konsumgütern verbunden sind. Ziel der Untersuchung ist es, die Grundgedanken sichtbar zu machen, die hinter den einzelnen Vorschriften des BGB stehen, und daraus konkrete Vorgaben für die im Einzelfall geschuldete Nutzungsvergütung abzuleiten. Dies erfordert nicht zuletzt eine kritische Analyse der bisherigen Rechtsprechung. Mit der Nutzungsvergütung eng verbunden ist die Frage, ob der Schuldner auch für eine durch den Gebrauch bedingte Wertminderung der fremden Sache haftet. Wird etwa ein Kaufvertrag über einen Neuwagen rückabgewickelt, den der Käufer erst wenige Wochen in Gebrauch hatte, so wird die Nutzungsvergütung einen vergleichsweise geringen Betrag erreichen, während das Fahrzeug, das nunmehr lediglich als Gebrauchtwagen gilt, einen unter Umständen beträchtlichen Wertverlust 1 Mot. 130 (Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, Bd. 2, Recht der Schuldverhältnisse (1899) 127). 2 Ausführlich m. w. N. Soergel-Marly, 13. Aufl. § 100 Rdnr. 3. 3 § 347 Abs. 1 BGB.

B. Nutzungsvergütung als Querschnittsmaterie

13

erlitten hat. Wie sich zeigt übersteigt der Wertverlust in vielen Fällen jene Vorteile, die der Schuldner aus dem Gebrauch der Sache gezogen hat. Deshalb muss im Rahmen dieser Untersuchung beantwortet werden, inwieweit das BGB neben einer Nutzungsvergütung auch eine Entschädigung für die gebrauchsbedingte Wertminderung gewährt.

B. Nutzungsvergütung als Querschnittsmaterie Das BGB enthält keinen einheitlichen Abschnitt über die Nutzungsvergütung, sondern behandelt die Herausgabe von Nutzungen als Querschnittsmaterie. Einschlägige Regelungen finden sich im allgemeinen Teil, im Bereicherungsrecht, im Sachenrecht sowie in den einzelnen Vorschriften über die Rückabwicklung von Verträgen und sind so über das gesamte Gesetzbuch verstreut.4 Die herrschende Auffassung weist jeder dieser Vorschriften einen ganz bestimmten und exklusiven Anwendungsbereich zu. Im Sinne dieses kasuistischen Ausschließlichkeitsprinzips wird beispielsweise davon ausgegangen, dass die sachenrechtlichen Regelungen jegliche Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung verdrängen würden.5 Die uneingeschränkte Geltung dieser Sichtweise würde jedoch zu offenkundigen Wertungswidersprüchen führen: Beispielsweise würde ein Rückabwicklungsgegner, wenn das obligatorische Verpflichtungsgeschäft aufgehoben wird, als zwischenzeitlicher Eigentümer der Kaufsache nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zum Nutzungsersatz verpflichtet sein. Stellt sich hingegen auch das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft als unwirksam heraus, wäre er als Besitzer nach dem Wortlaut des § 933 BGB von jeder Nutzungsersatzpflicht befreit. Dadurch würde der bloße Besitzer gegenüber jenem Rückabwicklungsgegner privilegiert, der Eigentum erworben hat. Um dieses unsinnige Ergebnis zu korrigieren, gewährt die h. M. hier ausnahmsweise neben den sachenrechtlichen Ansprüchen Forderungen aus Bereicherungsrecht.6 Auch in zahlreichen anderen Fällen sieht man sich gezwungen, solche „ausnahmsweisen Durchbrechung des Ausschließlichkeitsprinzips“ zuzulassen.7 Dies wird etwa für den Fall des Fremdbesitzerexzesses oder ganz allgemein im Anwendungsbereich der Eingriffskondiktionen vorgeschlagen.8 Die Abgrenzung der Regelungsregime des BGB ist dabei im Detail seit jeher höchst umstritten und scheint auch immer unübersichtlicher zu werden. Es stellt sich die Frage, ob dieses Ausschließlichkeitsdogma samt den dadurch verursachten dogmatischen Schwierigkeiten wirklich nötig ist, um den Wertungen des Gesetzes gerecht zu werden. §§ 292 und 302; §§ 818 f.; §§ 987 ff. und §§ 346 f.; 357 sowie 503 BGB. M. w. N. Baur / Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. (1999) § 11 B II Rn. 34. 6 Für eine ausführliche Darstellung der Problemlage Roth, Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, JuS 2003, 937, 941 ff. 7 So RGRK-Pikart, 12. Aufl., § 987, Rn. 13 ff. 8 M. w. N. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 11 B II Rn. 35 ff. . 4 5

14

1. Kapitel: Einleitung

In der Literatur wird die strikte Unterscheidung dieser Regelungsbereiche mitunter sehr wohl durchbrochen, wenn es um die Verhinderung unbilliger Ergebnisse geht. Beispielsweise wird vorgeschlagen einzelne Regelungen aus dem Rücktrittsrecht auch im Bereicherungsrecht analog anzuwenden.9 Auch das BGB selbst scheint die einzelnen Regelungsregime nämlich keineswegs isoliert zu betrachten, sondern als Einheit. So verweist das Gesetz sowohl in den allgemeinen Vorschriften über die Herausgabepflicht als auch im Bereicherungsrecht auf die sachenrechtlichen Vorschriften über den Prozessbesitzer.10 Dies legt nahe, dass alle Vorschriften des BGB über die Nutzungsvergütung auf einheitlichen Grundsätzen aufbauen. In diesem Sinne ging der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes bei der Neufassung des § 347 BGB davon aus, dass „für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und Bereicherungsrecht, soweit möglich, gleiche Prinzipien gelten sollen“.11 Die Notwendigkeit gemeinsamer Grundsätze ergibt sich schon aus dem Umstand, dass es in allen Fällen um die Vergütung jener Vorteile geht, die sich jemand durch den Gebrauch einer fremden Sache verschafft hat. Die einzelnen Vorschriften, auch wenn sie sich je nach Lage des Einzelfalles voneinander unterscheiden, sind demnach Ausdruck bestimmter gesetzgeberischer Wertungen, die unabhängig davon zur Anwendung gelangen müssen, ob ein Sachverhalt formal unter einen Tatbestand des Bereicherungs-, Sachen- oder Vertragsrechts zu subsumieren ist. Dies erfordert eine Gesamtschau aller einschlägigen Vorschriften. Aufgabe der Untersuchung ist deshalb die Darstellung der Nutzungsvergütung als einheitliches Rechtsgebiet und das Sichtbarmachen jener gemeinsamen Grundgedanken, die hinter den einzelnen Regelungen stehen.

C. Strenge und milde Herausgabepflicht im BGB Das BGB enthält zahlreiche und äußerst detaillierte Vorschriften über die Herausgabe von Nutzungen. Ein durchgängiges Konstruktionsmerkmal des Gesetzbuches ist dabei die Unterscheidung in eine „strenge“ und eine „milde“ Herausgabepflicht, die sich in allen Bereichen findet, in denen es um die Herausgabe von Nutzungen geht. Im Rahmen der strengen Herausgabepflicht ist der Schuldner im9 Dies betrifft vor allem die Herausgabepflicht bei Untergang der geschuldeten Sache: Blomeyer, Fortschritte in der modernen Schuldrechtsdogmatik , AcP 154 (1955) 527, 537; Beuthien / Weber, Schuldrecht II, Ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag, 2. Aufl. (1987) 7 ff.; Flessner, Haftung und Gefahrenbelastung des getäuschten Käufers, NJW 1972, 1777, 1780 f.; Rengier, Wegfall der Bereicherung, AcP 177 (1977) 418, 438; Canaris, Die Gegenleistungskondiktion, FS-Lorenz (1991) 19, 21. 10 § 292 BGB und § 818 Abs. 4 BGB. 11 BR-DS 338 / 01, 452; zur Parallelität von Bereicherungs- und Rücktrittsrecht nach alter Rechtslage Derleder, Die Rechte des über Fehler der Kaufsache getäuschten Käufers, NJW 2001, 1161, 1165.

C. Strenge und milde Herausgabepflicht im BGB

15

mer zur Herausgabe der gezogenen und solcher Nutzungen verpflichtet, die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft nicht gezogen wurden.12 Dieser strengen Haftung steht immer eine privilegierte Herausgabepflicht gegenüber, die allerdings äußerst unterschiedlich ausgestaltet ist. So gewährt § 818 Abs. 3 BGB dem redlichen Bereicherungsschuldner den Einwand des Wegfalls der Bereicherung. Die Herausgabepflicht des Schuldners, dessen Gläubiger sich in Annahmeverzug befindet, ist gemäß § 302 BGB auf jene Nutzungen beschränkt, die er tatsächlich gezogen hat. Ebenso muss ein Vertragspartner, der ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, bloß tatsächlich gezogene Nutzungen ersetzen, und haftet nur ausnahmsweise gemäß § 347 Abs. 1 BGB für versäumte Nutzungen, wenn er gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verstößt. Schließlich ist der redliche und unverklagte Besitzer nach dem Wortlaut des § 993 BGB von der Nutzungsersatzpflicht überhaupt weitgehend freigestellt. Diese Unterscheidung in eine strenge und eine milde Nutzungsersatzpflicht soll auch der folgenden Untersuchung zugrunde gelegt werden. Dementsprechend wird im Folgenden zuerst der Anwendungsbereich und Umfang der strengen Herausgabepflicht untersucht werden, um später die verschiedenen Tatbestände der milden Nutzungsersatzpflicht zu analysieren.

12 Dies ergibt sich aus den Verweisen der §§ 292, 818 Abs. 4, 819 und 990 BGB auf § 987 BGB sowie aus der entsprechenden Vorschrift des § 347 Abs. 1 BGB.

2. Kapitel

Strenge Herausgabepflicht A. Anwendungsbereich der strengen Herausgabepflicht 1. Vorbemerkungen Wie bereits erwähnt, ist die strenge Herausgabepflicht im BGB immer als Verpflichtung zur Herausgabe der gezogenen und jener Nutzungen definiert, die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft versäumt wurden.1 Diese strenge Herausgabepflicht ist nach den Vorschriften des Gesetzes an verschiedene Tatbestände geknüpft: Im Bereicherungsrecht unterliegt der bösgläubige und der verklagte Bereicherungsschuldner einer strengen Herausgabepflicht, während der redliche Schuldner begünstigt ist.2 Auch die sachenrechtlichen Vorschriften sehen eine uneingeschränkte Haftung des unredlichen und verklagten Besitzers vor und privilegieren den redlichen Besitzer.3 Die Vorschriften über das gesetzliche Rücktrittsrecht differenzieren demgegenüber nicht nach der Redlichkeit des Herausgabepflichtigen, sondern danach, wem das Scheitern des Vertrages zuzurechnen ist. Nur jene Vertragspartei, die aus einem gesetzlichen Rücktrittsrecht berechtigt ist, kommt in den Genuss einer erleichterten Herausgabepflicht.4 Schließlich ist im allgemeinen Teil des Schuldrechts eine verschärfte Nutzungsvergütung bei Rechtshängigkeit und eine abgeschwächte Ersatzpflicht im Fall des Gläubigerverzuges vorgesehen.5 Wenngleich die einzelnen Tatbestände auf den ersten Blick recht unterschiedlich erscheinen mögen, lassen sich doch einige allgemeine Kriterien ausmachen, die darüber entscheiden, ob der Schuldner einer strengen Nutzungsersatzpflicht unterliegt oder aber in den Genuss der milden Herausgabepflicht kommt. Im Folgenden werden jene allgemeinen Grundgedanken und Kriterien dargestellt, die nach den Vorgaben des BGB eine verschärfte Herausgabepflicht begründen.

1 Dies ergibt sich aus den Verweisen der §§ 292, 818 Abs. 4, 819 und 990 BGB auf § 987 BGB sowie aus der entsprechenden Vorschrift des § 347 Abs. 1 BGB. 2 §§ 818 Abs. 3 und 4 sowie 819 BGB. 3 §§ 987, 990 und 993 Abs. 2 BGB. 4 § 347 Abs. 1 BGB. 5 §§ 292 und 302 BGB.

A. Anwendungsbereich der strengen Herausgabepflicht

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2. Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis der fehlenden Berechtigung als Tatbestand der strengen Herausgabepflicht Als Grundsatz kann gelten, dass eine verschärfte Herausgabepflicht immer dann eintritt, wenn der Schuldner den Mangel seiner Berechtigung tatsächlich kennt und wissentlich eine fremde Sache für eigene Zwecke verwendet. Sowohl die sachenrechtlichen als auch die bereicherungsrechtlichen Vorschriften verpflichten den bösgläubigen Schuldner, der das Fehlen seiner Berechtigung kennt, nicht nur zur Herausgabe der Nutzungen, die er tatsächlich gezogen hat, sondern auch zum Ersatz jener Nutzungen, die er nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft ziehen hätte können.6 Nach den sachenrechtlichen Vorschriften trifft die strenge Herausgabepflicht den Besitzer aber auch dann, wenn ihm seine fehlende Berechtigung infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist.7 Die Gleichstellung des grob fahrlässigen mit dem wissentlichen Besitzer wird vom historischen Gesetzgeber mit der Überlegung begründet, dass schon „nach dem natürlichen Rechtsbewusstsein“ die Interessen des Eigentümers jenen des grob fahrlässigen Besitzers vorgehen müssen, und jener deshalb keine Milderung seiner Herausgabepflicht verdiene.8 Fraglich ist hingegen, ob auch der grob fahrlässige Bereicherungsschuldner einer verschärften Herausgabepflicht unterliegt. § 819 BGB sieht eine strenge Haftung des Bereicherungsschuldners nämlich nur vor, wenn der Schuldner den Mangel des rechtlichen Grundes beim Erwerb kannte. Nach dem Wortlaut des Gesetzes würde der grob fahrlässige Bereicherungsschuldner demnach in den Genuss der milden Herausgabepflicht kommen. Eine solche Privilegierung des grob fahrlässigen Bereicherungsschuldners würde nicht nur der sachenrechtlichen Parallelvorschrift, sondern auch den Wertungen im Bereich des gutgläubigen Eigentumserwerbs und der Ersitzung widersprechen, wo grobe Fahrlässigkeit der Wissentlichkeit gleichgestellt wird.9 Ebenso versagen die einschlägigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen über die Rückforderung öffentlich-rechtlicher Zuwendungen dem Leistungsempfänger schon bei grober Fahrlässigkeit die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung.10 Es wundert deshalb wenig, dass zumindest de lege ferenda seit jeher eine verschärfte Haftung des grob fahrlässigen Bereicherungsschuldners gefordert wird.11

§ 987 iVm. § 990 sowie § 818 Abs. 4 iVm. § 292. § 932 iVm. § 990 BGB. 8 Prot. 3962 (Ges. Mat. Bd. 3, 673). 9 §§ 932 und § 937 BGB. 10 Z. B. § 49 Abs. 2 VwVfG; zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch m. w. N. Staudinger-Lorenz (1999) Vorbem zu §§ 812 ff., Rdnr. 85 f. 11 Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1964) 145; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, in BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 2 (1981) 1515, 1549. 6 7

2 Thunhart

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Die Rechtsprechung behilft sich, indem sie zwar formal am Erfordernis der positiven Kenntnis festhält, es aber ausreichen lässt, dass dem Bereicherungsschuldner jene Umstände bekannt sind, anhand derer ein „objektiv Denkender“ die Rechtsgrundlosigkeit erkannt hätte.12 Musste der Schuldner also vom Standpunkt des redlichen Verkehrs die Unrechtmäßigkeit seines Erwerbes einsehen, wird er so behandelt, als hätte er den Mangel der Berechtigung tatsächlich gekannt. Die Rechtsprechung begründet dies mit der Überlegung, dass ein Schuldner, der sich – um sich einen Vorteil zu sichern – bewusst der Einsicht verschließt, dass ihm die Berechtigung fehlt, ebenso wenig Schutz verdient wie derjenige, der sich dieser Einsicht öffnet.13 Was hat aber den Gesetzgeber dazu veranlasst, den grob fahrlässigen Schuldner nach dem Wortlaut des § 819 BGB einer milden Herausgabepflicht zu unterstellen? Die Materialien rechtfertigen diese Begünstigung mit der Überlegung, dass es sich im Bereicherungsrecht regelmäßig um einen mit dem Willen des Herausgabeberechtigten erfolgten Erwerb handle, was eine besondere „Erkundigungspflicht“ des Empfängers überflüssig mache.14 Dies erklärt auch, weswegen nach dem Wortlaut des Gesetzes die nachträgliche grob fahrlässige Unkenntnis der mangelnden Berechtigung sowohl nach § 819 als auch nach § 990 BGB unschädlich ist: Wer bereits über eine Sache verfügt, ist nicht mehr verpflichtet, sich weiter über seine Berechtigung zu erkundigen.15 Die gesetzliche Beschränkung der Bösgläubigkeit auf die positive Kenntnis in § 819 BGB will somit zum Ausdruck bringen, dass der Bereicherungsschuldner grundsätzlich keine Nachforschungspflichten hat. Bei eigenmächtigen Eingriffen in fremdes Vermögen geht diese Argumentation allerdings ins Leere, zumal den Eingreifer in solchen Fällen sehr wohl eine Erkundigungspflicht trifft. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Bevorzugung des grob fahrlässigen Bereicherungsschuldners von vornherein auf Leistungskondiktionen zu beschränken.16 Diese Unterscheidung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktionen kann aber wenig über das Bestehen von Erkundigungspflichten aussagen, zumal auch im Bereich der Leistungskondiktionen gewisse Kontroll- und 12 BGH 12. 7. 1996 BGHZ 133, 246; OLG Hamm 27. 5. 1977 NJW 1977, 1824; i. d. S. auch Schreiber, Die Bösgläubigkeit des Bereicherungsschuldners, JuS 1978, 230, 231; Reuter / Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung (1983) § 18 II 2 a; RGRK-Heiman-Trosien, 12. Aufl., § 819, Rdnr. 3; Martinek, Zur Kenntnis des Bereicherungsschuldners vom Rechtsgrundmangel als Voraussetzung der verschärften Haftung, JZ 1996, 1099, 1103; StaudingerLorenz (1999) § 819, Rdnr. 8; im Ergebnis auch LG Hamm 4. 3. 1981 WM 1981, 502 und LG Wiesbaden 25. 9. 1980 WM 1982, 526, wo schon aus den Umständen auf ein Wissen des Herausgabepflichtigen geschlossen wird; krit. MünchKomm-Lieb, 3. Aufl., § 819, Rdnr. 2. 13 BGH 12. 7. 1996 BGHZ 133, 246. 14 Prot. 3963 (Ges. Mat. Bd. 3, 673). 15 Im Ergebnis auch Dimopoulos-Vosikis, Die bereicherungs- und deliktsrechtlichen Elemente der §§ 987 – 1003 BGB (1966) 135. 16 So Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung (1973) 188 Fn 421; Koppensteiner / Kramer, Bereicherung 143 f.

A. Anwendungsbereich der strengen Herausgabepflicht

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Schutzpflichten des Empfängers anerkannt sind. Beispielsweise ist ein Bankkunde verpflichtet, Kontoauszüge auf Fehlbuchungen zu kontrollieren.17 Zurecht wird deshalb gefordert, auch solche nebenvertragliche Schutzpflichten im Rahmen des § 819 BGB zu berücksichtigen, was auch in diesen Fällen zu einer verschärften Haftung des grob fahrlässigen Empfängers führen würde.18 Aber selbst wenn keine Nachforschungspflicht besteht, scheint die Privilegierung des grob fahrlässigen Schuldners nicht den Absichten des Gesetzgebers zu entsprechen. Die Motive gehen nämlich ganz offenbar davon aus, dass eine fahrlässige Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage überhaupt nur schaden kann, wenn den Schuldner eine Nachforschungspflicht trifft. Der Gesetzgeber hat damit lediglich solche Fälle bedacht, in denen die fehlende Berechtigung nur durch Nachforschungen in Erfahrung gebracht werden kann. Nicht berücksichtigt wurden hingegen jene Fälle, in denen die mangelnde Berechtigung schon aus jenen Umständen ersichtlich ist, die dem Herausgabepflichtigen bekannt sind und sich die Frage einer Nachforschungspflicht deshalb gar nicht stellt. Wenn der Gesetzgeber im Bereicherungsrecht die ausnahmsweise Privilegierung des grob fahrlässigen Schuldners mit dem Fehlen einer Nachforschungspflicht begründet, kann diese Privilegierung in jenen Fällen nicht durchschlagen, in denen es gar keiner Nachforschungen bedarf, sondern die fehlende Berechtigung für den Herausgabepflichtigen offenkundig ist. Diese Überlegungen sprechen im Wege einer teleologischen Reduktion des § 819 BGB für eine verschärfte Haftung des grob fahrlässigen Schuldners, der aus den ihm bekannten Tatsachen ohne weiteres auf seine mangelnde Berechtigung schließen konnte. Deshalb muss der Verschuldensmaßstab, der zu einer verschärften Haftung führt, von der Frage getrennt werden, ob im Einzelfall eine Nachforschungspflicht besteht oder nicht. Sollte es beispielsweise der Fall sein, dass ein Schuldner das Fehlen seiner Berechtigung durch Nachforschungen leicht in Erfahrung bringen hätte könne, bestand aber keinerlei Pflicht solche Erkundigungen zu unternehmen, so trifft ihn auch kein Verschulden. Fahrlässiges Verhalten ist aber anzunehmen, wenn eine Verpflichtung zu Erkundigungen missachtet wurde, oder der Herausgabepflichtige schon aus den bekannten Umständen auf die fremde Berechtigung schließen musste. In allen Fällen unterliegt derjenige, der seine mangelnde Berechtigung grob fahrlässig verkennt, einer verschärften Herausgabepflicht.

BGH 29. 5. 1978 BGHZ 72, 9; KG Berlin 14. 5. 1979 WM 1980, 254. Probst, Rückabwicklung und Rechtskenntnis – zur Interpretation des § 819 Abs. 1 BGB, AcP 196 (1996) 225, 253. 17 18

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

3. Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung a) Gesetzliche Rücktrittsrechte Zweites Kriterium, das nach den Vorschriften des BGB zu einer verschärften Herausgabepflicht führt, ist das Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung. In diesem Sinne unterliegt der Vertragspartner, der ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, gemäß § 346 Abs. 1 Satz 2 BGB einer milden Herausgabepflicht. Die Begünstigung des gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten erklärt sich aus der Überlegung, dass ihm eine strenge Haftung kaum zuzumuten wäre, zumal er das Scheitern des Vertrages weder zu vertreten hat noch im Zeitpunkt der Übergabe seinen späteren Rücktritt vorhersehen konnte.19 Demgegenüber unterliegt der Vertragspartner desjenigen, der ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, gemäß § 346 Abs. 1 und 347 Abs. 1 BGB einer strengen Herausgabepflicht. Anwendungsbereich ist vor allem die Rückabwicklung des Vertrages wegen Verzugs oder mangelhafter Leistung. Entgegen der vielleicht missverständlichen Überschrift „Nutzungen und Verwendungen nach Rücktritt“ gilt das Regelungsregime des § 347 BGB auch für Nutzungsvergütungsansprüche aus dem Gebrauch der Sache vor der Rücktrittserklärung.20 Den Rücktrittsgegner trifft die verschärfte Haftung, obwohl für ihn, insbesondere wenn sich die Mangelhaftigkeit des Vertragsgegenstandes erst später herausstellt, die Rückabwicklung des Vertrages oft nicht voraussehbar ist. Weil der Rücktritt wegen Verletzung der vertraglichen Leistungspflicht nach § 323 BGB auch kein schuldhaftes Verhalten voraussetzt, trifft die strenge Haftung den Rücktrittsgegner selbst dann, wenn er das Fehlschlagen des Vertrages gar nicht verschuldet hat.21 Die strenge Haftung wird in diesen Fällen aber gemeinhin mit der Überlegung gerechtfertigt, dass er auf Grund seines eigenen (wenn auch schuldlosen) Fehlverhaltens das Scheitern des Vertrages verursacht hat.22 Der Wortlaut des Gesetzes knüpft die strenge Herausgabepflicht lediglich an das Vorliegen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts beim Vertragspartner. Diese pauschale und undifferenzierte Behandlung unterschiedlicher Rücktrittsgründe wurde in der Literatur bereits stark kritisiert.23 Es ist nämlich keineswegs so, dass in allen

19 Dies war schon nach alter Rechtslage allgemein anerkannt: § 327 a.F. BGB und für die Wandelung Flume, Die Entreicherungsgefahr und die Gefahrtragung bei Rücktritt und Wandlung, NJW 1970, 1161 1166; Soergel-Hadding, 12. Aufl., § 347 Rdnr. 10; RGRK-Ballhaus, 12. Aufl., § 347 BGB, Rdnr. 11 sowie BGH 14. 6. 1952 BGHZ 3, 227; 8. 1. 1970 BGHZ 53 / 144; 31. 10. 1986 JZ 1987, 675 ua. 20 Statt vieler Lorenz / Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht (2002) Rdnr. 435. 21 Kritisch dazu Kohler, Das Rücktrittsrecht in der Reform, JZ 2001, 324, 332 und Lorenz, Die Lösung vom Vertrag, insbesondere Rücktritt und Widerruf, in Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts (2001) 329, 345. 22 Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., § 347, Rdnr. 7; Lorenz in Schuldrechtsreform 348.

A. Anwendungsbereich der strengen Herausgabepflicht

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Fällen eines gesetzlichen Rücktrittsrechtes der andere Teil das Scheitern des Vertrages zu verantworten hätte. Dies gilt etwa für den Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB, wo die Änderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, keiner der Parteien in irgendeiner Weise zurechenbar ist. Zu Recht wird deshalb vorgeschlagen, die formale Unterscheidung in §§ 346 f. BGB unter teleologischen Gesichtspunkten zu korrigieren: Eine strenge Herausgabepflicht trifft – unabhängig vom Bestehen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts des anderen Teiles – nur jenen Vertragspartner, der durch seine objektiv Pflichtverletzung das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat.24

b) Widerruf von Verbraucherverträgen Für den Widerruf von Verbraucherverträgen verweist § 357 Abs. 1 BGB pauschal auf die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt. Fraglich scheint aber, ob auch der Verbraucher, der von einem Widerrufsrecht Gebrauch macht, in den Genuss der milden Herausgabepflicht nach § 347 Abs. 1 Satz 2 BGB kommen kann.25 Nach den Materialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist offensichtlich, dass nach Ansicht des Gesetzgebers die Position des widerrufenden Verbrauchers nicht mit der eines gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten gleichgesetzt werden darf.26 Schließlich erklärt sich die Begünstigung des Rücktrittsberechtigten auch aus der Pflichtverletzung seines Vertragspartners, der trotz Aufforderung nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, während er selbst am Vertrag festhalten wollte. Der Widerruf eines Haustürgeschäfts, eines Fernabsatzvertrages oder von Geschäften im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehn beruht hingegen nicht auf einer Pflichtverletzung des Unternehmers, sondern erfolgt aufgrund der freien Entscheidung des Verbrauchers.27 Dies rechtfertigt eine Verantwortlichkeit des Verbrauchers für das Scheitern des Vertrages und begründet eine strenge Herausgabepflicht. Die Verpflichtung auch zum Ersatz versäumter Nutzungen lässt den Widerruf aus der Sicht des Verbrauchers zwar weniger attraktiv erscheinen, ist aber im Interesse des Unternehmers durchaus sachgerecht, der mit dem Risiko einer gelockerten Vertragsbindung belastet ist und aufgrund eines schwebend wirksamen Vertrages eine Vorleistung erbringt.28 Deshalb hat der Verbraucher, der von einem 23 Kaiser, Die Rechtsfolgen des Rücktritts in der Schuldrechtsreform, JZ 2001, 1057, 1064 f.; Gaier, Das Rücktritts(folgen)recht nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2002, 1, 11; Hager in Dauner-Lieb / Heidl / Lepa / Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht (2002) § 5 Rn. 33 (183 f.). 24 Gaier, WM 2002, 11; Hager in Schuldrecht § 5 Rn. 33 (183 f.). 25 I. d. S. Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., § 347, Rdnr. 7. 26 BT-DS 14 / 6040, 199 f. 27 Lorenz, in Schuldrechtsreform 350; Lorenz / Riehm, Schuldrecht, Rdnr. 450. 28 Siehe Lorenz, in Schuldrechtsreform 350; krit. allerdings Hager, Das geplante Recht des Rücktritts und des Widerrufs, in Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001) 429, 448 ff.; Artz, Neues Verbraucherkreditrecht im BGB, Jahr-

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Widerrufsrecht Gebrauch macht, auch den Wert jener Nutzungen zu ersetzen, die er entgegen den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogen hat, ohne sich auf eine privilegierte Herausgabepflicht berufen zu können. Eine Sonderregelung gilt nur für den Widerruf eines Teilzeit-Wohnrechtsvertrages, wo § 485 Abs. 3 BGB ausdrücklich anordnet, dass der Verbraucher im Fall des Widerrufs für die Überlassung der Wohnräume keine Vergütung schuldet. Die uneingeschränkte Freistellung des Verbrauchers erklärt sich aus den strikten Vorgaben des Art. 5 Z 3 und 4 der Timesharing-Richtlinie. 29 Im System des BGB wird diese Privilegierung hingegen häufig als Fremdkörper empfunden.30 Dennoch handelt es sich dabei nicht unbedingt um einen Wertungswiderspruch: Teilzeit-Wohnrechtsverträge bewirken eine langfristige Bindung des Verbrauchers, verpflichten zur Zahlung vergleichsweise hoher Entgelte und beinhalten die Gefahr einer Übervorteilung des Verbrauchers, was im Vergleich zu anderen Widerrufsrechten eine Begünstigung des Widerrufsrechts rechtfertigen kann. Nach den Wertungen des europäischen Gesetzgebers ist der Verbraucher, der einen Teilzeit-Wohnrechtsvertrag widerruft, angesichts der besonderen Risiken solcher Verträge jedenfalls von jeglicher Verantwortlichkeit befreit.

4. Verpflichtung zur Wahrung potentieller fremder Rechte a) Rechtshängigkeit Als durchgängiges Prinzip des BGB kann gelten, dass eine verschärfte Haftung jedenfalls nach Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruches eintritt.31 Das ist jener Zeitpunkt, in dem der Schuldner die Klageschrift oder den Mahnbescheid erhält.32 Das römische Recht ging noch davon aus, dass den Prozessbesitzer der Vorwurf der Bösgläubigkeit trifft, sobald er weiß, dass gegen ihn Klage erhoben wird.33 Tatsächlich kann der bloße Umstand, dass der Kläger einen Anspruch behauptet, selbst wenn er sich im Nachhinein als berechtigt herausstellt, wohl nicht in jedem Fall den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen. Dementsprechend unterstellt der Gesetzgeber des BGB dem Prozessbesitzer keine Schlechtgläubigkeit, sondern begründet die Haftung für nicht gezogene Nutzungen mit der Überlegung, dass der Prozessbeginn eine „besondere Fürsorgepflicht“ des Beklagten im Interesse des Klägers rechtfertigen kann.34 Die Stellung des Prozessbesitzers wurde buch Junger Zivilrechtswissenschaftler, Das neue Schuldrecht (2001) 227, 251 f. und Rott, Widerruf und Rückabwicklung, in Micklitz / Pfeiffer / Tonner / Willingmann (Hrsg.), Schuldrechtsreform und Verbraucherschutz (2001) 249, 268 f. 29 94 / 47 / EG, 26. 10. 1994 ABl L 280, 83. 30 So etwa Staudinger-Martinek (2001) § 5 TzWrG, Rdnr. 34. 31 §§ 292, 818 Abs. 4 und 987 BGB. 32 §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 und 696 Abs. 3 ZPO. 33 Dig. 5.3. 20. 11.

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deshalb jener eines „in beiderseitigem Interesse tätigen Verwalters“ nachgebildet, den eine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung trifft.35 Auch die heute h. A. sieht den Grund für die Haftungsverschärfung nach Rechtshängigkeit in dem Umstand, dass der Beklagte nach Prozessbeginn mit der Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausganges des Verfahrens rechnen muss und er deshalb verpflichtet ist, die Interessen des Klägers zu wahren.36

b) Vertragliche Rücktrittsrechte Eine verschärfte Herausgabepflicht ist ebenso für vertraglich vereinbarte Rücktrittsrechte vorgesehen: § 347 Abs. 1 BGB verpflichtet beide Vertragspartner zur Herausgabe der gezogenen und entgegen den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogenen Nutzungen. In der Urfassung des BGB wurde diese strenge Herausgabepflicht mit der Überlegung begründet, dass die Parteien im Fall des Rücktritts zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verpflichtet wären. Der Umstand, dass den Vertragspartnern die Möglichkeit eines Rücktritts bewusst war, rechtfertige es, sie im gegenseitigen Interesse zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Erhaltenen zu verpflichten.37 Eine gerade gegenteilige Wertung findet sich allerdings in § 820 BGB: Wurde eine Leistung aus einem Rechtsgrund erbracht, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, und fällt dieser Rechtsgrund weg, so ist der Empfänger zwar zur Herausgabe des Empfangenen verpflichtet, schuldet aus den Nutzungen aber lediglich die noch vorhandene Bereicherung. Gleiches gilt für Leistungen, mit denen ein Erfolg bezweckt wird, dessen Eintritt von den Parteien als ungewiss angesehen wurde. Die Materialien verweisen hier auf die Überlegung, dass nach der Absicht der Parteien die Übertragung des geleisteten Gegenstandes nur eine vorläufige ist, und der Empfänger deshalb zwar zur Rückstellung verpflichtet wäre, eine Verpflichtung zur ordentlichen Bewirtschaftung der Sache oder zur Verzinsung einer Geldleistung jedoch „nach der gewöhnlichen Absicht der Parteien“ nicht anzunehmen sei.38 Beide Regelungen berufen sich damit letztlich auf den hypothetischen Parteiwillen, kommen aber zu unterschiedlichen Ergebnissen.39 Die Widersprüchlichkeit 34

Mot. 408 (Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, Bd. 3, Sachenrecht (1899)

227). 35 Mot. 55 und 408 (Ges. Mat. Bd. 2, 30 und Bd. 3, 227); i. d. S. schon Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, 6. Bd. (1847) 120. 36 Koppensteiner / Kramer, Bereicherung, 2. Aufl. (1988) 143; Reuter / Martinek, Bereicherung, § 18 II 1 und Staudinger-Gursky (1999) § 987 Rdnr. 1. 37 Mot. 281 f. (Ges. Mat. Bd. 2, 156); so auch RGRK–Ballhaus, 12. Aufl., § 347, Rdnr. 2; krit. zur strengen Haftung bei Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts aber Knütel, Zur Schuldrechtsreform, NJW 2001, 2519, 2521. 38 Prot. 3001 (Ges. Mat. Bd. 2, 1187).

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

zwischen §§ 347 und 820 BGB scheint aber weitgehend unschädlich, zumal es sich bei beiden Vorschriften um dispositives Recht handelt, wodurch abweichende Parteienvereinbarungen den gesetzlichen Regelungen jedenfalls vorgehen. Solche Vereinbarungen können auch schlüssig erfolgen, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die strenge Herausgabepflicht den Interessen der Parteien widersprechen würde, also etwa bei besonders langen Rücktrittsfristen. So kann wohl nicht angenommen werden, dass der Käufer einer landwirtschaftlichen Fläche, der dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht auf Lebenszeit einräumt, sich gegebenenfalls zur Vergütung marktüblicher Pachtzinsen für mehrere Jahrzehnte verpflichten möchte. Im Einzelfall kann die Auslegung daher ergeben, dass der Empfänger während des Schwebezustandes zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung verpflichtet ist, nur tatsächlich gezogenen Nutzungen herausgeben muss oder aber im Fall des Rücktritts überhaupt kein Anspruch auf Nutzungsersatz besteht.40 Die bloße Ungewissheit der Berechtigung alleine begründet damit noch keine strenge Haftung für Nutzungen. Vielmehr kann sich eine verschärfte Haftung in solchen Fällen nur aus einer besonderen Rücksichtnahme- und Bewirtschaftungspflicht ergeben, wie sie im Rahmen eines vertraglichen Rücktrittsrechts vereinbart werden kann oder den Beklagten nach Eintritt der Rechtshängigkeit trifft.

5. Ergebnis Wie sich gezeigt hat, lassen sich die verschiedenen Tatbestände, die eine verschärfte Nutzungsherausgabe vorsehen, auf einige allgemeine Kriterien zurückführen. Der strengen Nutzungsersatzpflicht unterliegt demnach: a) der Herausgabepflichtige, der seine mangelnde Berechtigung kannte oder grob fahrlässig verkannte. b) der Vertragspartner, der das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat. Dies ist dann der Fall, wenn er durch die Nichterfüllung seiner vertraglichen Pflichten – wenn auch schuldlos – den anderen Teil zum Rücktritt bewogen hat, oder wenn ein Verbraucher von seinem Widerrufsrechts Gebrauch macht. Sonderregelungen bestehen lediglich für den Widerruf von Teilzeit-Wohnrechtsverträgen. c) der Schuldner, der während der Innehabung zur Wahrung fremder Rechte verpflichtet war. Eine solche gesetzliche Verpflichtung besteht insbesondere während der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruches. Darüber hinaus kann sich eine solche Pflicht auch im Hinblick auf ein vertraglich eingeräumtes Rücktrittsrecht ergeben. 39 Zum Parteiwillen als entscheidendes Kriterien der Rechtsfolgen nach der Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrecht Kaiser, JZ 2001, 1065. 40 Zur Auslegung des Vertrages und den Rechtsfolgen nach §§ 347 und 820 BGB Larenz / Canaris, Schuldrecht-BT, 13. Aufl. (1994) § 73 II 1c.

B. Rechtsgrund der Haftung für nicht gezogene Nutzungen

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In allen diesen Fällen haftet der Schuldner für gezogene sowie jene Nutzungen, die er entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft versäumt hat.41 Was damit gemeint ist, wird im Folgenden untersucht werden. Erfüllt der Schuldner hingegen keinen dieser Tatbestände, unterliegt er einer milden Herausgabepflicht, die im Rahmen dieser Untersuchung erst später behandelt werden soll.

B. Rechtsgrund der Haftung für nicht gezogene Nutzungen 1. Bewirtschaftungspflicht Die strenge Herausgabepflicht ist im BGB als Verpflichtung zum Ersatz der gezogenen und solcher Nutzungen umschrieben, die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft nicht gezogen wurden.42 Diese Haftung geht klar über eine bloße Abschöpfung des unrechtmäßig erlangten Vorteils hinaus, zumal der Herausgabepflichtige auch für solche Gebrauchsvorteile haftet, die er gar nicht verwirklicht hat. Es stellt sich deshalb die Frage, wie diese strenge Herausgabepflicht zu rechtfertigen ist. In den Materialien zum BGB wird die Haftung für nicht gezogene Nutzungen an vielen Stellen mit einer besonderen Nutzungspflicht des Schuldners begründet. So wurde die Auffassung vertreten, dass der Schuldner nach Rechtshängigkeit oder beim vertraglichen Rücktrittsrecht angesichts der drohenden Herausgabepflicht verpflichtet wäre, mit der Sache wie ein ordentlicher Verwalter zu verfahren.43 Auch den Besitzer, der seine mangelnde Berechtigung kennt, trifft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine solche „Nutzbarmachungspflicht“. Dies wurde damit begründet, dass die Kenntnis von der Fremdheit der Sache eine Verbindlichkeit des Wissenden rechtfertigen könne, die Sache so zu verwenden, dass sein Verhalten dem Eigentümer nicht zum Schaden gereicht.44 Nach Ansicht des Gesetzgebers entspricht die Stellung des Besitzers, der seine fehlende Berechtigung kennt, damit jener eines Verwalters, der für einen noch unbestimmten Berechtigten tätig ist.45 Geht man davon aus, dass der unredliche Besitzer zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache verpflichtet ist, so ergibt sich daraus freilich eine Einstandspflicht für jene Nutzungen, die zu ziehen versäumt wurden. Die Motive verweisen hier auf die Verwandtschaft der Nutzungsersatzpflicht zu einem Schadensersatzanspruch gegen den untätigen Besitzer, der seine Bewirtschaftungspflicht schuldhaft missachtet hat.46

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§§ 292, 818 Abs. 4, 819 und 990 BGB auf § 987 BGB sowie § 347 Abs. 1 BGB. §§ 292, 818 Abs. 4, 819 und 990 BGB i. V. m § 987 BGB sowie § 347 Abs. 1 BGB. Mot. 55, 281 f. und 408 (Ges. Mat. Bd. 2, 30 und 156 sowie Bd. 3, 227). Mot. 403 ff. (Ges. Mat. Bd. 3, 224 ff.) Mot. 404 (Ges. Mat. Bd. 3, 225).

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Wenngleich die Annahme einer solchen Bewirtschaftungspflicht die Grundlage der heutigen Textierung im BGB war, muss die Existenz einer solchen Rechtspflicht aus heutiger Sicht nichtsdestoweniger höchst fraglich erscheinen. Im Ergebnis bedeutet dies nämlich, dass der Inhaber verpflichtet wäre, die Sache zu nutzen, obwohl er gar nicht dazu berechtigt ist. Ohne auf die Frage eingehen zu wollen, ob es überhaupt eine Verpflichtung zum rechtswidrigen Handeln geben kann, muss die vorrangige Pflicht des wissentlichen Fremdbesitzers doch die Rückstellung der Sache sein und nicht etwa deren ordnungsgemäße Bewirtschaftung. Nur einzelne Autoren gehen so weit, aus der Verpflichtung zur Herausgabe nicht gezogener Nutzungen ein Nutzungsrecht abzuleiten.47 Die Annahme eines Nutzungsrechts an einer fremden Sache würde der gesetzlichen Güterzuweisung widersprechen, wonach die Nutzungen einer Sache dem Eigentümer zugeordnet sind.48 Außerdem zeigt gerade die Verpflichtung zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen, dass dem Schuldner eben kein Nutzungsrecht zukommt.49 Darüber hinaus war schon in den Beratungen zum BGB durchwegs zweifelhaft, ob eine Verpflichtung zur Nutzbarmachung auch demjenigen auferlegt werden kann, der seine fehlende Berechtigung – wenn auch grob fahrlässig – gar nicht gekannt hat.50 Freilich könnte man hier die Auffassung vertreten, der Besitzer würde auch dann für die Verletzung seiner Bewirtschaftungspflicht haften, wenn er die Existenz dieser Pflicht grob fahrlässig verkannt hat. In diesem Fall wäre aber wohl nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen der Einwand beachtlich, dass der Besitzer die Sache bei Kenntnis der Rechtslage dem Berechtigten zurückgestellt hätte, wodurch sich seine Haftung auf jenen Schaden beschränken würde, der dem Berechtigten durch die Vorenthaltung der Sache entstanden ist. Die Motive begründen die Haftung des grob fahrlässigen Schuldners wohl auch deshalb nicht mit einer Bewirtschaftungspflicht, sondern mit dem allgemeinen Hinweis auf die mangelnde Schutzwürdigkeit des Besitzers und das berechtigte Interesse des Eigentümers.51 Schließlich kann die strenge Herausgabepflicht bei der Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts keinesfalls mit der Annahme einer Bewirtschaftungspflicht begründet werden. Der Rücktritt wegen nicht vertragsgemäßer Leistung nach § 323 BGB setzt nämlich keine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Damit haftet der Rücktrittsgegner für nicht gezogene Nutzungen selbst dann, wenn er die Rück46 Mot. 403 (Ges. Mat. Bd. 3, 224 f.); siehe auch Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen (1966) 40 f. 47 Wacke, Gefahrerhöhung als Besitzerverschulden, FS-Hübner (1984) 669, 678; ders, Antikes im modernen Zivilprozeß, FS-Schneider (1997) 465, 473; Kohler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge (1989) 344 f.; Kaiser in Westermann (Hrsg.), Das Schuldrecht 2002 (2002) 196. 48 So schon Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen 40. 49 Staudinger-Gursky (1999) § 987, Rdnr. 32. 50 Prot. 3963 (Ges. Mat. Bd. 3, 673). 51 Prot. 3962 (Ges. Mat. Bd. 3, 673).

B. Rechtsgrund der Haftung für nicht gezogene Nutzungen

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abwicklung weder voraussehen konnte noch verschuldet hat. Deshalb kann in einem solchen Fall auch keine schuldhafte Verletzung einer Nutzungspflicht angenommen werden.52 In diesem Sinne begründet der historische Gesetzgeber die verschärfte Haftung beim vertraglichen und gesetzlichen Rücktritt nicht mit einer Bewirtschaftungspflicht, sondern mit der Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes. Der Vertragspartner soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers so gestellt werden, als ob er den Vertrag nie geschlossen hätte.53 Daraus ergibt sich, dass die Annahme einer Bewirtschaftungspflicht jedenfalls nicht geeignet ist, eine umfassende Begründung für die Verpflichtung zur Herausgabe versäumter Nutzungen zu liefern. 2. Schadensersatz für den Entzug der Nutzungsmöglichkeit In der älteren Rechtsprechung und Literatur wurde die Verpflichtung zur Herausgabe nicht gezogener Nutzungen als Schadensersatzanspruch wegen Besitzentziehung verstanden.54 Dies beruht auf der Überlegung, dass der Schuldner verpflichtet gewesen wäre, den Gegenstand sofort herauszugeben, ihn aber trotzdem behalten und dem Berechtigten dadurch die Nutzung seiner Sache unmöglich gemacht hat. Gegen ein Verständnis der verschärften Haftung als Schadensersatzpflicht spricht allerdings, dass die Pflicht zur Herausgabe versäumter Nutzungen unabhängig davon besteht, ob und in welchem Umfang der Berechtigte selbst die Nutzungen gezogen hätte oder überhaupt ziehen hätte können.55 So gewährt der BGH beispielsweise Ersatz für die Verwendung eines fremden Grundstückes als Lagerplatz, obwohl der Eigentümer diese Flächen jahrelang brachliegen hat lassen.56 Ein Verständnis der verschärften Haftung als Schadensersatzanspruch würde deshalb die Fiktion erfordern, dass der Berechtigte die Sache auch tatsächlich im Rahmen der ordnungsgemäßen Wirtschaft genutzt hätte, was nicht in allen Fällen zutrifft.57 Gegen eine Qualifikation der verschärften Haftung als Schadensersatzpflicht spricht aber vor allem, dass die Herausgabepflicht – insbesondere beim 52 So aber u. a. Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung (2000) 367 f.; dies., JZ 2001, 1067; Schwab, Schuldrechtsmodernisierung 2001 / 2002 – Die Rückabwicklung von Verträgen nach §§ 346 ff. BGB, JuS 2002, 630, 632 f.; ders. in Schwab / Witt, Einführung in das neue Schuldrecht (2002) 193 und wohl auch Erman-Hefermehl, 11. Aufl., § 987 Rdnr. 5. 53 Mot. 230 und 280 (Ges. Mat. Bd. 2, 127 und 155). 54 RG 16. 9. 1918 RGZ 93, 281; 13. 2. 1934 RGZ 143, 374; Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen 40; Dimopoulos-Vosikis, Elemente 156 ff. 55 So schon RG 16. 9. 1918 RGZ 93, 281. 56 BGH 25. 3. 1963 BGHZ 39, 186. 57 So Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen 40. Konsequenterweise versteht DimopoulosVosikis die unbedingte Haftung für versäumte Nutzungen als schadensersatzrechtliche Beweiserleichterung für den Eigentümer; Elemente, 158.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Rücktritt wegen Schlechterfüllung – kein schuldhaftes Verhalten zur Voraussetzung hat.58 Eine verschuldensunabhängige Haftung würde aber einem wesentlichen Grundsatz des § 823 BGB widersprechen.

3. Rechtsfortwirkung und Verfügungsgewalt als Rechtsgrund Nach heute überwiegender Ansicht ist die Nutzungsvergütung kein Schadensersatzanspruch, sondern ein Anspruch aus „Rechtsfortwirkung“.59 Dieses Verständnis geht auf Wilburg zurück, der die Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzungen als „Fortwirkung der zuweisenden Kraft des Eigentums“ erklärt.60 Zur Güterzuweisung gehört nämlich nicht nur die Sache selbst, sondern auch die Möglichkeit der Nutzung.61 So umfasst das Eigentum an einer Landwirtschaft auch das Recht, die Felder zu bewirtschaften, und das Eigentum an einer Wohnung die Berechtigung, diese zu vermieten oder sonst für eigene Zweck zu verwenden. Die Verpflichtung zur Herausgabe nicht gezogener Nutzungen ist die Folge der Zuweisung der Nutzungsmöglichkeit zum Vermögen des Herausgabeberechtigten. 62 Aus der Sicht des Herausgabeberechtigten schützt die Verpflichtung zur Herausgabe nicht gezogener Nutzungen die „abstrakte Möglichkeit der Nutzungsziehung“ bei ordnungsgemäßer Wirtschaft, die dem Herausgabeberechtigten zugeordnet ist.63 Deshalb ist unerheblich, ob der Berechtigte diese Nutzungen selbst gezogen hätte oder nicht. Die Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft sind dabei bloß ein Berechnungsmaßstab der Nutzungsvergütung:64 Der Wert dieser abstrakten Nutzungsmöglichkeit entspricht jenen Nutzungen, die bei ordnungsgemäßer Wirtschaft erzielt werden können. Seitens des Schuldners rechtfertigt sich die Verpflichtung zum Ersatz versäumter Nutzungen im Umstand, dass er Verfügungsgewalt über die fremde Sache und damit die Möglichkeit erlangt hat, im Rahmen der ordentlichen Wirtschaft Nutzungen zu ziehen, wodurch er die Verwendungsmöglichkeit „okkupiert“ hat, die dem Vermögen des Berechtigten zugewiesen ist. Werden mögliche Nutzungen nicht gezogen, etwa weil Felder brachliegen, Maschinen nicht eingesetzt werden oder Wohnungen leerstehen, so werden mögliche Vermögensvorteile nicht ver58 Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (1973) 147. 59 Pinger, Wertersatz im Bereicherungsrecht, MDR 1972, 101, 102; Roth, Ansprüche aus Rechtsfortsetzung und Mitverschulden, AcP 180 (1980) 263, 276. 60 Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (1934) 29 ff. 61 Besonders anschaulich Pinger, Funktion 149 ff. 62 Pinger, MDR 1972, 102; ders, Funktion 149 ff.; Roth, AcP 180 (1980) 276; MünchKomm-Lieb 3. Aufl., § 812, Rdnr. 302; Staudinger-Gursky (1999) § 987, Rdnr. 32. 63 Roth, AcP 180 (1980) 276; Staudinger-Gursky (1999) § 987, Rdnr. 32. 64 Siehe Roth, AcP 180 (1980) 276; Pinger, Funktion 149 ff.; in Erman-Hefermehl, 11. Aufl, § 987, Rdnr. 5; Staudinger-Gursky (1999) § 987, Rdnr. 32.

C. Umfang der Herausgabepflicht

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wirklicht. Die verschärfte Herausgabepflicht ordnet die Entscheidung, ob mögliche Nutzungen gezogen werden, dem alleinigen Verantwortungsbereich des Schuldners zu. Rechtsgrund der Verpflichtung zur Herausgabe versäumter Nutzungen ist folglich die Nutzungsmöglichkeit der Sache, die der Schuldner auf Kosten des Herausgabeberechtigten für sich in Anspruch genommen hat. Ob der Schuldner diese Möglichkeit tatsächlich wahrgenommen hat, ist im Rahmen der verschärften Haftung als eigenverantwortliche Entscheidung des Herausgabepflichtigen ohne Belang und kann ihn nicht von seiner Ersatzpflicht befreien.

C. Umfang der Herausgabepflicht 1. Haftung für nicht gezogene Nutzungen Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die verschärfte Herausgabepflicht im BGB immer als Verpflichtung zum Ersatz der gezogenen und solcher Nutzungen umschrieben ist, die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft zu ziehen verabsäumt wurden. Dies ergibt sich aus der zentralen Vorschrift des § 987 BGB, den Verweisen der §§ 292, 818 Abs. 4, 819 und 990 BGB sowie aus der entsprechenden Bestimmung des § 347 Abs. 1 BGB.65 Somit existiert eine einheitliche Umschreibung der strengen Nutzungsersatzpflicht. Dennoch wurde mitunter die Auffassung vertreten, dass die bereicherungsrechtliche Nutzungsvergütung auf jenen Betrag beschränkt sei, den sich der Schuldner durch den Gebrauch der fremden Sache erspart hat.66 Dies wurde mit der Überlegung begründet, dass ein Bereicherungsschuldner überhaupt nur dann etwas i.S.d. § 812 BGB „erlangt“ hätte, wenn sein wirtschaftliches Vermögen vermehrt wurde oder er sich zumindest eigene Aufwendungen erspart hat.67 Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass § 818 Abs. 1 BGB den Bereicherungsschuldner lediglich zur Herausgabe der „gezogenen“ Nutzungen verpflichten würde, was auch dem unredlichen Schuldner zugute kommen müsse.68 Nach mittlerweile wohl herrschender Auffassung darf das i. S. d. § 812 BGB „Erlangte“ nicht mit der Ersparnis von Aufwendungen gleichgesetzt werden, son65 Der Wortlaut des durch das SMG neu gefassten § 347 BGB unterscheidet sich zwar von § 987 BGB, inhaltliche Abweichungen sind aber nicht erkennbar und vom Gesetzgeber wohl auch nicht gewollt; AnwK-BGB / Hager (2002) § 347 BGB, Rdnr. 1. 66 RGRK-Heimann-Trosien, 12. Aufl., § 812, Rdnr. 9; Jakobs, Eingriffserwerb 54; weitere Hinweise auf Vorauflagen zahlreicher Kommentare und Lehrbücher bei Gursky, Ersparnisgedanke und Reserveursache im Bereicherungsrecht, JR 1972, 279. 67 So etwa Koppensteiner, Probleme des bereicherungsrechtlichen Wertersatzes, NJW 1971, 1769, 1770. 68 So Koppensteiner / Kramer, Bereicherung 118.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

dern ist der Gebrauch oder die Gebrauchsmöglichkeit der fremden Sache an sich.69 Die Ersparnis ist bloß die Folge der Nutzung einer fremden Sache, nicht aber das Erlangte selbst.70 Die verschärfte Bereicherungshaftung hat damit nicht in jedem Fall zur Voraussetzung, dass die Verwendung einer fremden Sache zu einem bleibenden Vermögensvorteil führt.71 Dementsprechend lehnt der BGH im Rahmen der verschärften Bereicherungshaftung eine Bemessung des Gebrauchsvorteils nach der individuellen Ersparnis ausdrücklich ab und verpflichtet den Schuldner zur Herausgabe des „Erlangten“ oder dessen Wert.72 Gegen eine Beschränkung der strengen Herausgabepflicht auf die Ersparnis spricht vor allem, dass damit die bereicherungsrechtliche Unterscheidung zwischen Gut- und Schlechtgläubigkeit weitgehend hinfällig wäre.73 So wäre auch dem Bösgläubigen der Einwand eröffnet, er habe sich durch den Gebrauch der fremden Sache nichts erspart, wodurch der Gläubiger leer ausgehen würde.74 Die Beschränkung des Bereicherungsanspruchs auf das Maß der noch vorhandenen Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB stellt aber lediglich eine „ausnahmsweise Begünstigung“ dar und kann nur für den gutgläubigen und unverklagten Bereicherungsschuldner uneingeschränkt Geltung beanspruchen.75 Demgegenüber zeigt der Verweis des § 818 Abs. 4 BGB, wodurch der unredliche Bereicherungsschuldner auch zum Ersatz nicht gezogener Nutzungen verpflichtet wird, dass der Bereicherungsanspruch gegenüber dem bösgläubigen Schuldner gerade nicht von einer bleibenden Vermehrung des Vermögens abhängig ist.76 Damit entspricht auch die be69 BGH 24. 11. 1981 BGHZ 82, 299; 18. 12. 1986 NJW 1987, 2869; Lieb, Nutzungsmöglichkeiten als Gegenstand von Bereicherungsansprüchen, NJW 1971, 1289, 1294; Batsch, Bereicherungshaftung ohne Vermögensvermehrung? NJW 1972, 611, 613; Palandt-Sprau, 62. Aufl., § 812, Rdnr. 28; Staudinger-Lorenz (1999) § 812, Rdnr. 72; dies wird auch von vielen Vertretern einer subjektiven Berechnungsmethode anerkannt: Kleinheyer, Eingriffsbereicherung durch unbefugte Nutzung und Wertersatz, JZ 1961, 473, 474 und Koppensteiner / Kramer, Bereicherung 120. 70 Gursky, JR 1972, 280; Larenz / Canaris, Schuldrecht-BT § 71 I 2a. 71 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, JZ 1958, 521, 524; Teichmann, Die Flugreise-Entscheidung – BGHZ 55, 128, JuS 1972, 247, 249; Pinger, MDR 1972, 101; Goetzke, Subjektiver Wertbegriff im Bereicherungsrecht? AcP 173 (1973) 289, 321. 72 BGH 7. 1. 1971 BGHZ 55, 128; 24. 11. 1981 BGHZ 82, 299; 18. 12. 1986 NJW 1987, 2869. 73 Autoren, die eine subjektive Bemessung des Bereicherungsanspruches auch im Bereich der verschärften Haftung vertreten, sehen sich deshalb gezwungen, diese Einwände aus dem Verbot des venire contra factum proprium abzuschneiden; so etwa Kleinheyer, JZ 1961, 474 und Koppensteiner, NJW 1971, 1775. 74 Dieses Problemstellung hat sich etwa in der vieldiskutierten Flugreiseentscheidung BGH 7. 1. 1971 BGHZ 55, 128 ergeben: Wenn ein Minderjähriger sich ohne Wissen seiner Eltern einen Flug nach New York erschleicht, kann nicht die Rede davon sein, dass er sich etwas erspart hätte, wenn er sich ein Flugticket gar nicht leisten könnte, und die Reise gegen Bezahlung deshalb gar nie antreten hätte können. 75 Von Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, in FS-Rabel, Bd. 1 (1953) 333, 368.

C. Umfang der Herausgabepflicht

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reicherungsrechtliche Verantwortlichkeit den allgemeinen Vorschriften über die strenge Herausgabepflicht.

2. Die Regeln der ordentlichen Wirtschaft Die strenge Herausgabepflicht ist im Gesetz als Haftung auch für jene Nutzungen umschrieben, die „entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft“ nicht gezogen wurden.77 Praktische Bedeutung erlangten die Regeln der ordentlichen Wirtschaft vor allem bei der Bemessung der Nutzungsvergütung für Kapital. Wer über fremdes Kapital verfügt, kann sich nicht darauf berufen, er habe das Geld brach liegen lassen, sondern ist im Sinne einer ordentlichen Wirtschaft zur gewinnbringenden Anlage verpflichtet. Der Herausgabepflichtige schuldet demnach nicht bloß Zinsen, die er tatsächlich erhalten hat, sondern jenen Zinssatz, den er bei „sorgfaltsgemäßem Verhalten“ erzielen hätte können. In Ermangelung konkreter Parteivorbringen kann dieser Zinssatz auch geschätzt werden. In diesem Sinne ging der BGH beispielsweise im Jahre 1983 davon aus, dass für die langfristige Anlage des Kaufpreises einer Liegenschaft ein Zinssatz von 8 % erzielt werden kann.78 Bei kleineren Beträgen oder bloß kurzfristigen Überlassungen wird der Schuldner hingegen häufig nicht in der Lage sein, eine derartige Verzinsung zu erzielen, weshalb der Zinssatz in solchen Fällen deutlich geringer angesetzt werden muss.79 Bewirtschaftungsregeln existieren freilich nicht nur für Kapital, sondern auch für andere Vermögensgüter, deren Einsatz sich zur Erzielung von wirtschaftlichen Erträgen eignet. Die Kommentarliteratur verweist hier immer wieder auf den Besitzer landwirtschaftlicher Flächen, der zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung gehalten ist, also die Felder nicht brachliegen lassen soll.80 In diesem Zusammen-

76 I. d. S. etwa Canaris, Anm. zu BGH 7. 1. 1971, JZ 1971, 560, 561; RGRK-Heiman-Trosien, 12. Aufl., § 818 Rdnr. 47; Staudinger-Lorenz (1999) § 818 Rdnr. 50 ua. 77 § 987 BGB iVm. §§ 292, 818 Abs. 4, 819 und 990 BGB sowie § 347 Abs. 1 BGB. 78 BGH 27. 10. 1982 NJW 1983, 929. 79 § 347 BGB enthielt in seiner alten Fassung noch eine Vorschrift, wonach eine Geldsumme ab dem Zeitpunkt des Empfanges zu verzinsen ist. Nach herrschender Meinung schuldete der Herausgabeverpflichtete deshalb als „Mindestnutzungsentgelt“ zumindest den gesetzlichen Zinssatz; so etwa Soergel-Hadding, 12. Aufl., § 347, Rdnr. 5. Diese Pauschalierung der Ausgleichspflicht diente dazu, aufwändige Beweisverfahren vorweg zu vermeiden; dazu Huber, Rücktritt vom Vertrag und Ersatz des Verzugsschadens, JZ 1984, 409, 411. Vor allem wenn es um kleinere Beträge oder bloß kurzfristige Überlassungen geht, ist der Schuldner jedoch nicht in der Lage, für das empfangene Geld eine Verzinsung in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu erzielen. Deshalb hat sich der Gesetzgeber des SMG entschieden, in die Neufassung des § 347 BGB auf eine feste Zinspflicht zu verzichten. Nunmehr wird darauf abgestellt werden, welche Verzinsung „nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft für den Schuldner zu erzielen gewesen wäre“; BR-DS 338 / 01, 458 f. 80 Z. B. Staudinger-Kaiser (1995) § 347 Rdnr. 77.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

hang anerkennt die Rechtsprechung sogar eine Verpflichtung zur Beschaffung von Saatgut und Düngemittel.81 Dennoch sind die Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft in der Rechtsprechung eigentlich ohne Bedeutung geblieben. Gerade bei landwirtschaftlichen Flächen und Gewerbebetrieben werden Nutzungsvergütungsansprüche nämlich in ständiger Judikatur nach den verkehrsüblichen Miet- oder Pachtpreisen berechnet, wodurch sich die Frage, ob Bewirtschaftungsregeln eingehalten wurden, erst gar nicht stellt. Nichtsdestoweniger ist es eine Folge der Haftung für nicht gezogene Nutzungen, dass die Berechnung der Gebrauchsvergütung in diesen Fällen unabhängig davon erfolgt, ob der Besitzer aus dem Gebrauch der fremden Sache tatsächlich Vorteile gezogen hat oder nicht.82

3. Keine Verpflichtung zum Gebrauch von Konsumgütern Der Begriff der Nutzungen umfasst gemäß § 100 BGB auch bloße Gebrauchsvorteile, die nicht zwangsläufig mit wirtschaftlichen Erträgen verbunden sein müssen. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Auswirkungen die Regeln der ordentlichen Wirtschaft auf die Bemessung der Nutzungsvergütung für Konsumgüter hat, bei deren Gebrauch von vornherein kein wirtschaftlicher Ertrag angestrebt wird. Bislang ist nur eine einzige Entscheidung bekannt, in der ein Gericht davon ausgegangen ist, dass die Regeln der ordentlichen Wirtschaft auch zum bloß privaten Gebrauch einer Sache verpflichten können. Das LG Mainz hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Rückabwicklungsschuldner einen PKW zwar während 46 Tagen in Besitz hatte, das Fahrzeug mit Ausnahme der Überführungsfahrten aber ohne ersichtlichen Grund nicht benutzt hatte. Nach Ansicht des Gerichts hätte der Beklagte damit „schuldhaft“ unterlassen, die ihm möglichen Nutzungen zu ziehen, weshalb die geschuldete Gebrauchsvergütung auf Grund einer geschätzten „durchschnittlichen Kilometerleistung“ von täglich 55 km berechnet wurde.83 Diese Entscheidung beruht wohl auf einer all zu wörtlichen Interpretation des Gesetzes. Nach ganz herrschender Meinung ist es nämlich keinesfalls vorwerfbar, wenn Konsumgüter nicht täglich verwendet werden: So verstößt nicht gegen die Regeln der ordentlichen Wirtschaft, wer einen PKW in der Garage stehen hat, aber mit dem Fahrrad fährt, über ein Ferienhaus verfügt, aber keinen Urlaub macht, einen Fernseher besitzt, aber lieber Radio hört.84 Auch aus der Rücksicht auf die Interessen des wahren Berechtigten kann keine Nutzungspflicht abgeleitet werden, weil durch den bloßen Gebrauch eines Konsumgutes keine Erträge erwirtschaftet OLG Düsseldorf 7. 1. 1959 NJW 1959, 1227. So BGH 16. 5. 1984 NJW 1984, 2937. 83 LG Mainz 10. 12. 1985 NJW-RR 1986, 350. 84 M. w. N. Staudinger-Kaiser (1995) § 347, Rz 77; Soergel-Huber, 12. Aufl., § 467, Rdnr. 174 und Hager in Dauner-Lieb, Schuldrecht 186 f. 81 82

C. Umfang der Herausgabepflicht

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werden, die herausgegeben werden könnten, sondern ganz im Gegenteil in vielen Fällen mit einer Abnutzung der fremden Sache gerechnet werden müsste. Es kann dem Schuldner also nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er bloße Gebrauchsgüter nicht für seine Zwecke verwendet.

4. Die Untauglichkeit von Wirtschaftsregeln als Bemessungsfaktor Aus dem Umstand, dass es nicht gegen die Regeln der ordentlichen Wirtschaft verstößt, wenn bloße Gebrauchsgüter nicht verwendet werden, wird von manchen Autoren gefolgert, dass die Verpflichtung zur Vergütung von Gebrauchsvorteilen in diesen Fällen von vornherein auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen zu beschränken wäre.85 Diese Auffassung beruht auf der Vorstellung, dass die Verpflichtung zur Herausgabe nicht gezogener Nutzungen nur auf der schuldhaften Verletzung einer Bewirtschaftungspflicht beruhen kann.86 Damit wäre der Umfang der Herausgabepflicht aber ganz entscheidend davon abhängig, ob es sich um ein Wirtschafts- oder um ein bloßes Konsumgut handelt. Es hat sich gezeigt, dass weder die Regeln der ordentlichen Wirtschaft noch die Abgrenzung zwischen Wirtschafts- und Konsumgütern objektivierbar ist, sondern letztlich von der freien Entscheidung des Verwenders abhängt. Einerseits verstößt es etwa nach ganz herrschender Auffassung typischerweise gegen die Regeln der ordentlichen Wirtschaft, wenn landwirtschaftliche Flächen nicht bewirtschaftet werden.87 Andererseits wurde doch mit Recht darauf hingewiesen, dass ein solcher Verstoß dann nicht angenommen werden darf, wenn eine Liegenschaft gerade deshalb erworben wurde, um sie zu renaturieren.88 Auch dem Besitzer einer Zweitwohnung steht es frei, diese zu vermieten und so Einnahmen zu lukrieren oder sie für eigene Zwecke zu nutzen, ohne dass darin ein Verstoß gegen die Regeln der ordentlichen Wirtschaft erblickt werden könnte. Ob eine ordentliche Bewirtschaftung vorgenommen wurde, kann letztlich nur nach den konkreten Absichten des Nutzenden beurteilt werden. In der Literatur wird deshalb vorgeschlagen, die Regeln der ordentlichen Wirtschaft nach dem „vertragsgemäßen Gebrauch“, dem „Vertragszweck“ oder zumindest den „Vorstellungen des Käufers über die Verwendung“ zu beurteilen.89 Dies würde aber bedeuten, dass der Käufer einer Wohnung zum Zweck der Weitervermietung für entgangene Mieteinnahmen haftete, während ein anderer, der von Anfang an nicht vermieten wollte, keine Nutzungsvergütung 85 Z. B. Staudinger-Kaiser (1995) § 347, Rz 77 f.; dies, Die Rückabwicklung 368; SoergelHuber, 12. Aufl., § 467, Rdnr. 174; Erman-Hefermehl, 11. Aufl, § 987 Rdnr. 5. 86 So wohl auch RGRK-Pikart, 12. Aufl., § 987, Rdnr. 45. 87 So auch BGH 29. 1. 1993 NJW-RR 1993, 626 = WM 1993, 1155. 88 Kaiser, Rückabwicklung 369. 89 Kaiser, Rückabwicklung 368; Handkommentar zum BGB-Schulze, 3. Aufl. (2003) § 347, Rdnr. 2; Soergel-Huber, 12. Aufl., § 467, Rdnr. 173; Erman-Grunewald, 11. Aufl., § 467, Rdnr. 16.

3 Thunhart

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

schuldete, wenn er die Wohnung leerstehen lässt. Wer von vornherein keine gewinnbringende Verwendung beabsichtigt, würde damit von einer Herausgabepflicht befreit, wer sich aber erst im Nachhinein gegen eine Bewirtschaftung entscheidet, müsste auch nicht gezogene Nutzungen herausgeben. Besonders wenn es sich um einen unredlichen Schuldner handelt, kann der Herausgabeanspruch aber nicht davon abhängen, ob er ursprünglich eine gewinnbringende Verwendung der fremden Sache beabsichtigte oder nicht.

5. Verpflichtung zum Ersatz des objektiven Gebrauchswertes Es liegt auf der Hand, dass der gesetzliche Verweis auf die Regeln der ordentlichen Wirtschaft unmittelbar nur auf ertragsfähige Wirtschaftsgüter anwendbar ist. Überhaupt sind die Vorschriften des BGB, wie schon eingangs erwähnt, vor allem auf die Vergütung von Erträgen zugeschnitten, die durch die Nutzung einer fremden Sache erwirtschaftet wurden. So nennen die historischen Materialien als typische Beispiele für Nutzungen landwirtschaftliche Erzeugnisse, die Ausbeute aus Bergwerken, Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung sowie Zinsen aus Kapital.90 Die primäre Ausrichtung auf wirtschaftliche Erträge zeigt sich wohl auch im Umstand, dass das Gesetz durchwegs von der „Herausgabe von Nutzungen“ spricht, unkörperliche Gebrauchsvorteile, wie sie mit der Verwendung von Konsumgütern verbunden sind, aber schon ihrer Natur nach nicht „herausgegeben“ werden können. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass die Herausgabepflicht bei Konsumgütern von vornherein auf die gezogenen Nutzungen beschränkt wäre. Weil das Gesetz nichts über den Umfang der Nutzungsvergütung für bloße Gebrauchsvorteile aussagt, handelt es sich vielmehr um eine Rechtslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden muss. Die Beschränkung der Nutzungsvergütung an Konsumgütern auf tatsächlich verwirklichte Gebrauchsvorteile würde eine im Vergleich zu Wirtschaftsgütern kaum erklärbare Ungleichbehandlung bedeuten. Wenn der Besitzer einer landwirtschaftlichen Fläche nicht einwenden kann, er habe die Felder brach liegen lassen, so scheint nicht einsichtig, wenn der Besitzer eines Wochenendhauses einwenden dürfte, er habe das Haus nicht bewohnt. Wenn der Gesetzgeber dem Schuldner bei ertragfähigen Wirtschaftsgütern den Einwand versagt, er habe mögliche Nutzungen unterlassen, so muss dies auch für bloße Gebrauchsgüter gelten. In beiden Fällen will die Pflicht zur Herausgabe nicht gezogener Nutzungen dem Schuldner ganz offensichtlich den Einwand verwehren, er hätte mögliche Gebrauchsvorteile nicht ausgeschöpft. Für die Gleichbehandlung von Konsum- und Wirtschaftsgütern spricht auch der Zweck des Gesetzes. Wenn der Grund der Verpflichtung zum Ersatz nicht gezogener Nutzungen im Umstand liegt, dass der Herausgabepflichtige Verfügungsgewalt über die fremde Sache hatte, so kann es keinen Unterschied ma90

Mot. 130 (Ges. Mat. Bd. 2, 127).

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes

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chen, ob es sich um ein ertragfähiges Wirtschaftsgut oder um einen bloßen Gebrauchsgegenstand handelt. Im Rahmen der verschärften Herausgabepflicht ist deshalb ohne Belang, ob eine Wohnung bewohnt, ein Segelboot nur selten zu Wasser gelassen, oder ein Fernsehgerät nur gelegentlich eingeschaltet wurde. Die Verpflichtung zur Herausgabe jener Nutzungen, die der Schuldner nach den Regeln der ordentlichen Wirtschaft ziehen hätte können, möchte generell den Einwand versäumter Gebrauchsvorteile abschneiden. Daraus ergibt sich, dass sich die Herausgabepflicht in allen Fällen unabhängig von der konkreten Verwendung durch den Schuldner nach jenen Vorteilen richtet, die gewöhnlich mit dem Gebrauch der Sache verbunden sind. Die Bezugnahme auf die Regeln der ordentlichen Wirtschaft ist deshalb nichts anderes als eine Umschreibung des „objektiven Nutzungswertes“ der Sache. Im folgenden Kapitel werden Methoden vorgestellt, nach denen der objektive Nutzungswert einer Sache bemessen werden kann. Alle Berechnungen basieren auf der Überlegung, dass die Gebrauchsmöglichkeit einer Sache einen Marktpreis hat. Der objektive Nutzungswert entspricht deshalb jenen Kosten, die für gewöhnlich aufgewendet werden müssen, um in den Genuss des Gebrauchs einer entsprechenden Sache zu kommen.

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes 1. Berechnung nach Eigentümerkosten a) Lineare Teilwertabschreibung in der Rechtsprechung Insbesondere für die Bemessung der Nutzungsvergütung für den Gebrauch von KFZ hat die Rechtsprechung die sogenannte „lineare Teilwertabschreibung“ entwickelt. Nach dieser Bemessungsmethode ergibt sich der Nutzungswert aus dem Kaufpreis und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer einer Sache. Schon von ihrem Ansatz her eignet sich die lineare Teilwertabschreibung nur für Sachen, die einer bloß begrenzten Nutzungsdauer unterliegen. Ursprünglich wurde diese Berechnungsmethode deshalb im Zusammenhang mit der Wandelung von Verträgen über Kraftfahrzeuge entwickelt, später aber auch auf andere Gegenstände mit beschränkter Nutzungsdauer angewendet.91 Außerdem ist diese Berechnungsmethode längst nicht mehr auf die Rückabwicklung von Verträgen beschränkt, sondern wird von der Rechtsprechung auch im Bereicherungs- und Sachenrecht verwendet.92 91 BGH 23. 5. 1984 WM 1984, 1098; OLG Koblenz 2. 5. 1991 NJW 1992, 760; BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47 ua. 92 OLG Hamm 20. 3. 1980 VerR 1982, 248; OLG Frankfurt / M 21. 7. 1980 VersR 1981, 388 ua.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Die Theorie der linearen Teilwertabschreibung beruht auf der Vorstellung, dass der Käufer sich durch Bezahlung des Kaufpreises „die Nutzbarkeit der Sache bis zur Gebrauchsuntauglichkeit“ erkauft, weshalb der Kaufpreis dem Wert der Nutzungen während der gesamtmöglichen Nutzungsdauer einer Sache entspricht.93 Würde jemand eine Sache bis zum Ende ihrer Nutzbarkeit gebrauchen, erreicht der Wert der Nutzungen also die Höhe des Kaufpreises. Daraus ergibt sich auch, dass der Kaufpreis einer Sache die Obergrenze des Wertes der bloß zeitweiligen Gebrauchsmöglichkeit bildet.94 Die lineare Teilwertabschreibung geht deshalb davon aus, dass der Wert der bloß zeitweiligen Nutzung aus einem Vergleich zwischen der jeweiligen Gebrauchszeit und der gesamten Lebensdauer der Sache ermittelt werden kann. Der Wert der Nutzungen entspricht dann jenem Anteil am Kaufpreis, der sich aus dem Verhältnis zwischen tatsächlicher Nutzung und möglicher Gesamtnutzungsdauer der Sache ergibt. Mathematisch lässt sich der Gebrauchsvorteil mit der Formel „Kaufpreis geteilt durch die voraussichtliche Gesamtnutzungszeit multipliziert mit der tatsächlichen Nutzungsdauer“ ausdrücken.95 Diese Berechnungsmethode impliziert, dass der Gebrauchswert einer Sache über deren gesamte Nutzungsdauer gleich bewertet wird. Die lineare Teilwertabschreibung trennt damit den Gebrauchswert bewusst vom realen Wertverlust: Unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Abnutzung wird für gebrauchte Sachen nämlich in aller Regel ein wesentlich geringerer Preis bezahlt, als dies bei neuen Sachen der Fall ist. Der reale Wertverlust bei der erstmaligen Ingebrauchnahme einer fabrikneuen Sache ist typischerweise anfänglich überproportional hoch, und wird mit zunehmender Nutzungsdauer vergleichsweise geringer.96 Die lineare Teilwertabschreibung geht damit davon aus, dass der in einer Sache steckende Gebrauchswert im Gegensatz zum jeweiligen Marktwert „linear“ aufgezehrt wird, der Innehaber aus der Sache also „jeden Tag denselben Nutzen“ zieht.97 Besonders bei der kurzfristigen Nutzung fabrikneuer Sachen hat diese Berechnungsmethode freilich zur Folge, dass eine so berechnete Nutzungsvergütung hinter dem Wertverlust zurückbleibt, den der Eigentümer der Sache erleidet. Dies wird gemeinhin damit gerechtfertigt, dass die Pflicht zur Herausgabe des Gebrauchsvorteils keinen Schadensersatzanspruch darstellt, und der anfänglich hohe Wertverlust sich eben nicht in einem erhöhten Nutzungswert niederschlägt.98 Die durch den Gebrauch verursachte Wertminderung soll deshalb nur im Wege des BGH 25. 10. 1995 NJW 1996, 250. BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47. 95 Staudinger-Kaiser (1995) § 347 BGB, Rdnr. 62. 96 Anschaulich Klimke, Ermittlung der anrechenbaren Gebrauchsvorteile nach Bereicherungsrecht, DAR 1984, 69, 70 f. 97 Reinking / Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. (2003) Rn 806. 98 Soergel-Huber, 12. Aufl., § 467, Rdnr. 165; Klimke, Nochmals: Ermittlung der anrechenbaren Gebrauchsvorteile nach Bereicherungsrecht, DAR 1986, 301, 305. 93 94

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes

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Schadensersatzes geltend gemacht werden können, beziehungsweise dort, wo dies ausdrücklich vorgesehen ist, wie beim Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft gemäß § 503 BGB oder beim Widerruf eines Verbrauchergeschäftes nach § 357 BGB.99 Unter Berufung auf die lineare Teilwertabschreibung ermittelt die Judikatur die Nutzungsvergütung bei Kraftfahrzeugen anhand eines Kilometersatzes, der sich aus dem Kaufpreis und der erwartbaren Gesamtlaufleistung des jeweiligen Fahrzeugtyps ergibt. Die Rechtsprechung ist über lange Zeit von einer zu erwartenden Gebrauchsdauer von 10 Jahren und einer durchschnittlichen Jahreskilometerleistung von 15.000 km ausgegangen, was eine Gesamtlaufleistung von insgesamt 150.000 km ergibt. Diese Annahmen führen im Sinne einer linearen Teilwertabschreibung zu einer Nutzungsvergütung von 0.67% des Kaufpreises je gefahrenen 1000 km.100 Zwischenzeitlich wurden diese 0.67% des Kaufpreises zur festen Formel für die Berechnung der Nutzungsvergütung von Kraftfahrzeugen, ohne dass im Einzelfall noch geprüft worden wäre, ob beim jeweiligen Fahrzeug nicht eine höhere oder geringere Gesamtlaufleistung zu erwarten ist.101 Vor allem die Lehre hat seit jeher darauf hingewiesen, dass eine allzu schematische Anwendung des 0.67%-Wertes die Zielvorgabe einer möglichst wirklichkeitsnahen Bemessung des Gebrauchsvorteils verfehlen würde, und die voraussichtliche Gesamtlaufleistung eines Fahrzeuges nicht pauschal mit 150.000 km bewertet werden kann. Schon der technische Fortschritt und die gestiegenen Qualitätsstandards würden es nahe legen, künftig von einer erhöhten Haltbarkeit von Fahrzeugen auszugehen.102 Darüber hinaus wurde angemerkt, dass die erwartbare Gesamtlaufleistung auch von der Fahrzeugklasse abhängen kann. So müsse wohl davon ausgegangen werden, dass ein Fahrzeug der gehobenen Klasse eine höhere Laufleistung hat, als dies bei einem Kleinwagen der Fall wäre.103 Die lineare Teilwertabschreibung findet auch für Gebrauchtfahrzeuge Verwendung. Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Berechnung hier aber nicht anhand des einstigen Neuwagenpreises, sondern nach dem Zeitwert beziehungsweise dem vereinbarten Gebrauchtwagenpreis, der dann mit der zu erwartenden „RestI. d. S. Reinking / Eggert, Autokauf Rn 806. OLG Nürnberg 17. 4. 1980 DAR 1980, 345; OLG Köln 2. 7. 1982 DAR 1982, 402, 19. 4. 1991 NJW-RR 1991, 1340 und 10. 1. 1992 VersR 1993, 109; OLG Nürnberg 11. 10. 1984 DAR 1985, 81; OLG München 16. 12. 1986 NJW 1987, 3012 und 22. 2. 1989 DAR 1989, 187; OLG Hamm 10. 12. 1987 NJW-RR 1988, 1140; LG Bonn 21. 10. 1997 NJW-RR 1998, 864; OLG Braunschweig 6. 8. 1998 OLGR 1998, 274. 101 Einzelne Gerichte haben auch in jüngerer Zeit noch unter Hinweis auf die Rechtssicherheit und Praktikabilität ein Abgehen von dieser seit Jahrzehnten verwendeten Formel abgelehnt; z. B. LG Bonn 21. 10. 1997 NJW-RR 1998, 846; OLG Braunschweig 6. 8. 1998 OLGR 1998, 274. 102 Reinking / Eggert, Autokauf Rn 820. 103 So Kaufmann, Berechnung der Gebrauchsvorteile bei Wandlung eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug, DAR 1990, 294 f., und unter Hinweis auf Fabrikate mit „zweifelhaften Ruf“ Creutzig, Recht des Autokaufs, 4. Aufl. (1999) 218 ff. 99

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fahrleistung“ verrechnet wird.104 Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die zu erwartende Gesamtlaufleistung nicht bloß anhand der Fahrzeugtype ermittelt wird, sondern der Erhaltungszustand des jeweiligen Gebrauchtwagens Berücksichtigung findet.105 Diese Berechnungsmethode wird von der Rechtsprechung auch auf Maschinen, Möbel und andere Gegenstände angewendet, die einer beschränkten Nutzungsdauer unterliegen.106 So errechnete der BGH anlässlich der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Autowaschanlage den herauszugebenden Gebrauchsvorteil anhand einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von sieben Jahren.107 Besonders bei Gütern des täglichen Gebrauchs wird die erwartbare Nutzungsdauer häufig von den Gerichten nach freiem Ermessen geschätzt. Beispielsweise wird bei Einbauküchen je nach Preisklasse von einer Gebrauchsdauer von 14 bis 20 Jahren ausgegangen und die durchschnittliche Nutzungsdauer einer Couchgarnitur auf fünf Jahre geschätzt.108 Ebenso wurde die erwartbare Nutzungsdauer einer EDVAnlage mit maximal fünf Jahren festgesetzt.109 Im Einzelfall ist die zu veranschlagende Nutzungsdauer auch von der Intensität und Art der jeweiligen Verwendung abhängig.110

b) Bedenken gegen die Annahme eines gleichbleibenden Gebrauchswertes Die lineare Teilwertabschreibung hat den Vorteil, dass sie sowohl eine praktikable Berechnungsmethode liefert, als auch durch die Berücksichtigung des jeweiligen Sachwertes und der zu erwartenden Nutzungsdauer den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung tragen kann. Dass sich der Gebrauchswert eines Gegenstandes damit in jedem Fall scheinbar exakt berechnen lässt, sollte aber nicht über grundlegende Schwächen dieser Berechnungsmethode hinwegtäuschen. Bedenken an der Richtigkeit der Annahme eines gleichbleibenden Gebrauchswertes ergeben sich insbesondere angesichts der Judikatur zu Gebrauchtwagen, wo die Rechtsprechung von einer Verrechnung nach Neuwert und Gesamtnutzungs104 BGH 17. 5. 1995 NJW 1995, 2195; OLG Saarbrücken 20. 9. 1989 NJW-RR 1990, 493; OLG Koblenz 25. 6. 1992 VersR 1993, 1492; OLG Dresden 12. 11. 1997 DAR 1999, 68; so auch schon Thilenius, Zur Höhe der Nutzungsentschädigung bei der Rückabwicklung eines Kraftfahrzeugkaufvertrages, DAR 1981, 102, 104. 105 I. d. S. etwa OLG Hamm 17. 12. 1996 DAR 1997, 111. 106 BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47; 25. 10. 1995 NJW 1996, 250. 107 BGH 23. 5. 1984 WM 1984, 1098. 108 OLG Koblenz, 2. 5. 1991 NJW-1992, 760; OLG Köln 18. 2. 1998 NJW-RR 1999, 774 und AG Frankfurt 31. 5. 1996 NJW-RR 1997, 500; OLG Koblenz 4. 10. 1991 NJW-RR 1992, 688. 109 OLG Koblenz 4. 10. 1991 NJW-RR 1992, 688. 110 BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47.

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dauer Abstand nimmt, und statt dessen auf den konkreten Zeitwert und die Restlaufleistung abstellt. Die Verrechnung auf Neuwagenbasis würde im Fall eines veralteten Gebrauchtwagens nämlich sehr bald den Zeitwert eines Fahrzeuges übersteigen und damit zu unrealistischen und augenscheinlich überhöhten Werten führen.111 Die Kalkulation nach Zeitwert ergibt dabei freilich einen im Vergleich zum Neuwagen deutlich geringeren Kilometersatz. 112 Dies hat zur Folge, dass der Kilometersatz, der einem herausgabepflichtigen Neuwagenkäufer für die Nutzung eines PKW im dritten Jahr verrechnet wird, ca ein Drittel über jenem Satz liegt, den ein Gebrauchtwagenkäufer für das selbe Fahrzeug schuldet. Unter Annahme einer 150.000 km Gesamtlaufleistung und den von der Deutschen Automobil Treuhand GmbH publizierten Neu- und Gebrauchtwagenpreisen ergibt sich für einen dreijährigen Mittelklassewagen113 für den Neuwagenkäufer eine Nutzungsvergütung von 96 Euro für 1000 km, während ein Gebrauchtwagenkäufer lediglich mit 73 Euro belastet wird. Damit entstehen ernste Bedenken an der Richtigkeit der lineare Teilwertabschreibung als Methode zur Bemessung des objektiven Nutzungswertes. Der objektive Gebrauchswert ein und desselben Fahrzeuges kann nicht davon abhängen, von wem es benutzt wird. Gerade bei Kraftfahrzeugen ergibt sich die Unzulänglichkeit der Theorie vom linearen Nutzungswert auch aus der einfachen Überlegung, dass der Gebrauchswert eines fabrikneuen Fahrzeuges nicht gleich bewertet werden kann wie die Verwendung eines veralteten und schäbigen Fahrzeuges, das jeden Moment Gefahr läuft, polizeilich aus dem Verkehr gezogen zu werden. Die mit dem Besitz eines Neufahrzeuges verbundenen Vorteile sind dabei nicht bloß ideeller Natur, wie etwa das damit verbundene Prestige. Im Gegensatz zu veralteten Typen befindet sich ein Neufahrzeug auf dem letzten technischen Stand, was Wirtschaftlichkeit, Ausstattung und Sicherheit betrifft.114 Darüber hinaus sind neuere Fahrzeuge gemeinhin verlässlicher als Fahrzeuge, die dem baldigen Ende ihrer technischen Nutzbarkeit entgegensehen. Auch was die Betriebskosten betrifft, muss bei Altfahrzeugen mit dem Austausch selbst langlebiger Verschleißteile und mitunter kostspieligen Reparaturen gerechnet werden, während der Halter eines Neufahrzeuges noch in den Genuss der Herstellergarantie kommt. Der unterschiedliche Gebrauchswert von neuen und veralteten Fahrzeugen zeigt sich schließlich in der Marktlage und den Kosten, die ein Eigentümer für die Nutzung eines Fahrzeuges über einen bestimmten Zeitraum aufwenden muss. Dass viele Käufer nichtsdestoweniger den höheren Wertverlust eines Neufahrzeuges in Kauf nehmen, lässt sich nur anhand des höheren Gebrauchswertes eines solchen Fahrzeuges erklären. 111 Siehe das Rechenbeispiel bei Rädel, Die Berechnung des Gebrauchsvorteils, DAR 1985, 312. 112 Im Ergebnis kommt die Rechtsprechung damit zu Ergebnissen, die einem „degressiven“ Nutzungswert entsprechen; siehe Thilenius, DAR 1981, 104. 113 Das Rechenbeispiel bezieht sich auf einen VW Golf 75 PS, BJ 2000, damaliger Neupreis 14.425 Eur, Zeitwert im Jahr 2003 mit 45.000 km 7.619 Eur (DAT-Marktspiegel). 114 I. d. S. Rädel, DAR 1985, 312.

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Statistischen Erhebungen zufolge nutzt ein Neuwagenkäufer sein Fahrzeug derzeit durchschnittlich 5,5 Jahre, bis er es wieder als Gebrauchtwagen abstößt.115 Nach den aktuellen Gebrauchtwagenpreisen ergibt sich daraus bei einem Mittelklassewagen ein Wertverlust von ca 20 Cent pro Kilometer. Die Berechnung der Nutzungsvergütung anhand einer linearen Teilwertabschreibung über zehn Jahre würde aber lediglich einen Kilometersatz von 15 Cent ergeben.116 Damit liegt eine so errechnete Nutzungsvergütung deutlich unter jenen Kosten, die der durchschnittliche Neuwagenkäufer für den Gebrauch des Fahrzeuges aufwendet. Bei der Bemessung der Nutzungsvergütung muss deshalb sehr wohl berücksichtigt werden, dass ein Neuwagenkäufer sein Fahrzeug typischerweise nicht bis zum Ende der möglichen Nutzungsdauer verwendet, sondern es zuvor als Gebrauchtwagen veräußert.117 Deshalb darf auch die Nutzungsvergütung nicht so berechnet werden, als ob der Verwender das Fahrzeug bis zur Schrottreife benutzen wolle. Auch bei der Bemessung der Nutzungsvergütung muss berücksichtigt werden, dass es sich um ein Neufahrzeug handelt, und nicht um einen älteren Gebrauchtwagen. Schließlich führt die Annahme eines linearen Gebrauchswertes über die gesamte Nutzungsdauer bei neueren Fahrzeugen zu einer zu niedrigen Nutzungsvergütung und damit zu einer ungerechtfertigten Begünstigung des Herausgabepflichtigen.118

c) Konkrete Wertminderung als Maßstab der Nutzungsvergütung Die Ermittlung des objektiven Gebrauchswertes kann richtigerweise nur anhand jener Kosten erfolgen, die ein Eigentümer gewöhnlich für den Gebrauch einer entsprechenden Sache aufwenden muss. Diese Kosten beinhalten jedenfalls die durch den Gebrauch der Sache eintretende Wertminderung, dh. jenen Differenzbetrag, der sich aus der Gegenüberstellung des Ankaufpreises einer entsprechenden Sache und dem Wiederverkaufspreis zum Ende der Nutzung ergibt.119 Die Nutzungsvergütung muss deshalb jedenfalls die durch den Gebrauch bewirkte Wertminderung abdecken. Vor allem für den Bereich der Teilzahlungsgeschäfte wird auch von der ganz überwiegenden Literatur schon seit jeher die Berechnung der Nutzungsvergütung nach der durch den Gebrauch konkret eingetretenen Wertminderung vorgeschlagen.120 DAT-Veedol Report (2003) 19. DAT-Marktspiegel: Opel Vectra B 2.0 CD Exclusiv BJ 1997, damaliger Neupreis 22.660 Eur, Zeitwert im Jahr 2003 mit 85.000 km 5.606 Eur. 117 So auch KG Berlin 10. 1. 1980 DAR 1980, 245. 118 So schon Rädel, DAR 1985, 312. 119 I. d. S. Crisolli, Das Reichsgesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte, 4. Aufl. (1931) 157 f. 120 Samter, Kommentar zum Reichsgesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte (1911) 50; Crisolli, Abzahlungsgeschäfte 157 f.; Janka, Rücktritt vom Abzahlungsgeschäft – Was muss 115 116

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Insbesondere bei Fahrzeugen ermöglicht das Abstellen auf den tatsächlichen Wertverlust, dass durch den konkreten Wertvergleich alle wertbeeinflussenden Faktoren erfasst werden, wie etwa die Anzahl der gefahrenen Kilometer, die Dauer der Nutzung, der allgemeine Pflege- und Erhaltungszustand sowie ein erhöhter Abnutzungs- und Verschleißgrad.121 Während die Theorie vom linearen Nutzungswert nur die Fahrzeugtype berücksichtigt, kann die Berechnung anhand des tatsächlich eingetretenen Wertverlustes also sehr wohl unterscheiden, ob es sich um ein teures Neufahrzeug oder einen verschlissenen Gebrauchtwagen von geringem Wert handelt. Auch ist die Höhe der Nutzungsvergütung nicht bloß von der Anzahl der gefahrenen Kilometer abhängig, sondern es werden auch Nutzungsdauer und Nutzungsintensität gleichermaßen berücksichtigt. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob ein Geländewagen als Nutzfahrzeug für Forstarbeiten eingesetzt wird, oder bloß für Wochenendausflüge aus der Garage geholt wird. Darüber hinaus erspart das Abstellen auf den konkreten Wertverlust die mit der Schätzung der Gesamtnutzungsdauer verbundenen Unsicherheiten, zumal sich der Zeitwert eines Kraftfahrzeugs anhand von Tabellen sehr exakt bestimmen lässt.

d) Das Problem des Neuwertverlustes Bei fabrikneuen Sachen muss beachtet werden, dass sie schon durch die erste Ingebrauchnahme erheblich an Wert verlieren. Die Bewertung des Nutzungsvorteils anhand des Wertverlustes würde insbesondere bei Neufahrzeugen zu überaus hohen Nutzungsersatzansprüchen führen. Der anfänglich hohe Wertverlust erklärt sich nicht aus der technischen Abnutzung des Fahrzeuges, sondern aus dem Misstrauen der Käufer gegenüber Gebrauchtwagen. Freilich findet dieser anfängliche Wertverlust keine Entsprechung im Gebrauchsvorteil, der aus der kurzfristigen Nutzung eines fabrikneuen Fahrzeuges gezogen wird. Der Käufer eines Neufahrzeugs nimmt den anfänglich hohen Wertverlust vor allem deshalb in Kauf, weil er nur so über Jahre hinweg in den Vorteil eines Fahrzeugs ohne Vorbesitzer gelangen kann. Bei der Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Kaufvertrags wird diese Vermögensplanung aber durchkreuzt. Wenn die Nutzungsvergütung anhand der Kosten berechnet werden soll, die auch ein Eigentümer für den Gebrauch der Sache aufwenden hätte müssen, ergibt sich die Untauglichkeit einer konkreten Wertverlustrechnung hier schon aus dem Umstand, dass ein Eigentümer einen eben erworbenen Neuwagen für gewöhnlich nicht gleich wieder abstoßen würde.122 Deshalb muss auch die Nutzungsvergütung anhand des Wertverlustes, der bei einem Wiederverkauf des Fahrzeuges nach der durchschnittlichen Behaltezeit eines Neuwagenkäufers eingetreten wäre, berechnet der Käufer für Gebrauch und Abnutzung zahlen? BB 1950, 10; Ostler / Weidner, Abzahlungsgesetz, 6. Aufl. (1971) § 2 AbzG Anm. 77; Reinking / Eggert, Autokauf Rn 269. 121 Rädel, DAR 1985, 312; Reinking / Eggert, Autokauf Rn 269. 122 A. A. Kaufmann, DAR 1990, 295.

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und dieser Betrag auf die tatsächliche Nutzungsdauer durch den Käufer umgelegt werden.123 Durch die Aufrechnung des Neuwertverlustes auf die typische Behaltezeit entspricht die Nutzungsvergütung jenem Wertverlust, mit dem auch der durchschnittliche Neuwagenkäufer für den Gebrauch des Fahrzeuges rechnen muss. Heute beträgt die statistische Behaltedauer eines Neuwagens 5,5 Jahre.124 Innerhalb dieser durchschnittlichen Nutzungsdauer wird freilich ein linearer Nutzungswert angenommen. Die damit verbundenen Ungenauigkeiten scheinen aber vernachlässigbar, zumal der Gebrauchswert eines Fahrzeugs innerhalb der ersten Jahre weitgehend gleich bleibt. Während eine technische Veralterung überhaupt nicht zu befürchten ist, dürften Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen nur unwesentlich bemerkbar sein und Reparaturen fallen wohl größtenteils noch unter die Herstellergarantie. Ein ähnliches Problem stellt sich auch bei Kleidung, Radiogeräten oder Einbauküchen, die für gewöhnlich überhaupt nur als Neuwaren erworben, und deshalb schon durch die erste Ingebrauchnahme beinahe vollständig entwertet werden. Würde man hier auf den konkreten Wertverlust abstellen, so würde die Gebrauchsvergütung schon bei kurzfristiger Nutzung beinahe die Höhe des Neupreises erreichen. Auch hier akzeptiert der Eigentümer den beinahe vollständigen Wertverlust nur, weil er die Sache ohnehin bis zum Ende der Nutzungszeit selbst gebrauchen will. Beim Käufer einer Couchgarnitur oder einer Einbauküche kann nicht davon ausgegangen werden, er würde sie nach einer bestimmten Zeit verkaufen, weshalb auch hier auf die durchschnittliche Nutzungsdauer solcher Gegenstände abgestellt werden muss, was zur linearen Teilwertabschreibung im herkömmlichen Sinn führt. Die Annahme eines linearen Nutzungswertes scheint hier ebenfalls weitgehend unproblematisch, zumal beispielsweise der Nutzungswert von Einrichtungsgegenständen für den Eigentümer über viele Jahre hinweg annähernd gleich bleibt.

e) Verzinsung des Anlagekapitals als notwendiger Bestandteil der Nutzungsvergütung Wenn sich die Bemessung des Nutzungswertes nach jenen Kosten richten soll, die ein Eigentümer für den Gebrauch einer Sache aufwenden muss, so darf die Nutzungsvergütung sich nicht mit dem Wertverlust gleichgesetzt werden, sondern es müssten auch die Finanzierungskosten hinzugezählt werden. Tatsächlich ist die Frage, ob bei der Bemessung des Nutzungsentgelts auch eine Verzinsung des Anlagekapitals berücksichtigt werden darf, allerdings höchst umstritten. In der Literatur zum Teilzahlungsgeschäft wird schon lange eine Berücksichtigung der Kapitalverzinsung gefordert.125 Dies entspricht dort auch den Vorstellun123 124

I. d. S. schon KG Berlin 10. 1. 1980 DAR 1980, 245. DAT-Vedool Report 2003 19 f.

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gen des historischen Gesetzgebers in den Beratungen des Reichstages zum Abzahlungsgesetz, wo davon ausgegangen wurde, dass der Nutzen einer Sache mit dem Zinssatz des Kaufpreises identisch ist, der dafür bezahlt wird.126 Es wurde sogar vorgeschlagen, die geschuldete Nutzungsvergütung abgesehen von einer etwaigen Wertminderung mit der üblichen Verzinsung des Sachwertes gesetzlich zu fixieren.127 Obwohl diese Berechnungsmethode die Zustimmung der Abgeordneten fand, entschied man sich letztlich doch dafür, die Bemessung der Nutzungsvergütung dem Ermessen des Richters im Einzelfall zu überlassen, zumal das Gesetz doch nicht alle bestimmenden Faktoren im voraus festlegen könne. Der BGH lehnt hingegen eine Einbeziehung der Finanzierungskosten in die Nutzungsvergütung ab. Dies wird mit der Überlegung begründet, dass eine Verzinsung gesetzlich ausdrücklich nur für Geldleistungen angeordnet sei, nicht jedoch für sonstige Vermögenswerte.128 Darüber hinaus würde die Verzinsung des Anschaffungspreises nur auf den Kapitaleinsatz abstellen, nicht aber darauf, welchen Nutzen der Begünstigte aus der Überlassung des Gegenstandes gezogen hat oder ziehen hätte können.129 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass der objektive Gebrauchswert nicht anders als anhand der Kosten bemessen werden kann, die gewöhnlich zur Erlangung des Gebrauchs aufgewendet werden müssen. Wer sich den Gebrauch einer Sache verschaffen will, muss nicht nur mit einer gebrauchsbedingten Wertminderung rechnen, sondern auch das Kapital aufbringen, um eine entsprechende Sache zu erwerben. Zu den Eigentümerkosten zählt deshalb auch die Finanzierung des Ankaufpreises. Darüber hinaus zeigt gerade die Verzinsung von Kapital die Notwendigkeit, auch bei der Nutzungsvergütung für den Gebrauch anderer Vermögenswerte die Verzinsung des Anlagekapitals zu berücksichtigen. Geht es nämlich um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages, wäre nicht einzusehen, wenn zwar der Käufer den Kaufpreis verzinst zurückerhält, der Verkäufer aber für den Kapitalwert seiner Leistung keine Verzinsung verlangen dürfte.130 Die Gebrauchsvergütung muss deshalb jedenfalls jenen Betrag beinhalten, der sonst als Verzinsung von Geldleistungen geschuldet wird. 125 Crisolli, Abzahlungsgeschäfte 157 f.; Janka, BB 1950, 10; Ostler / Weidner, Abzahlungsgesetz, § 2 AbzG, Anm. 77; Reinking / Eggert, Autokauf Rn 269; zur Kapitalverzinsung als Maßstab des Nutzungsausfallsschadens m. w. N. zum englischen Recht Flessner, Geldersatz für Gebrauchsentgang, JZ 1987, 271, 275 f. und ders, Die Bemessung des Schadenersatzes nach europäischen Vertragsrecht, in Schulze / Ajani (Hrsg.), Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts (2003) 125, 135 f. 126 I. d. S. ging das OLG Zweibrücken davon aus, dass der Wert der langfristigen Nutzung eines Autos der 12%igen Verzinsung des Kaufpreises entsprechen würde; 26. 4. 1933 JW 1934, 307. Diese Entscheidung ist aber ein Einzelfall geblieben. 127 Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstags, IX. Leg. Per., II. Sess. (1893 / 94) 2029 f. und 2035 f. 128 BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47. 129 BGH 11. 4. 1973 NJW 1973, 1078. 130 A. A. Soergel-Huber, 12. Aufl., § 467 Rdnr. 168.

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Fraglich ist, wie hoch dieser Zinssatz angesetzt werden muss. Im Bereicherungsrecht verweist § 818 Abs. 4 BGB auf die allgemeinen Vorschriften, wodurch gemäß § 246 BGB ein Zinssatz von 4% geschuldet wird. In § 347 BGB n. F. wurde hingegen bewusst auf die Festlegung eines bestimmten Zinssatzes verzichtet, weil der Schuldner insbesondere bei kleineren Beträgen und bei kürzerer Nutzungsdauer vielfach nicht in der Lage wäre, eine Verzinsung in der Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu erreichen.131 Dennoch wird wohl zu berücksichtigen sein, dass der Gebrauchsvorteil auch in solchen Fällen in der Ersparnis von Sollzinsen liegen kann. Der Gebrauchswert von Kapital hängt freilich ganz entscheidend von den individuellen Verhältnissen des Verfügungsberechtigten ab. Die Fixierung eines gesetzlichen Zinssatzes hat aber gerade den Sinn jenen Schwierigkeiten entgegenzuwirken, welche die Bewertung dieser Vorteile mit sich bringt. Wenn es um die Bewertung des objektiven Gebrauchsvorteils geht, scheint deshalb zumindest die hilfsweise Heranziehung des gesetzlichen Zinssatzes jedenfalls zulässig. Die Einbeziehung der Verzinsung des Anlagekapitals hat darüber hinaus den Vorteil, dass eine Berechnung des Gebrauchswertes nach Eigentümerkosten auch bei Gütern möglich wird, die gar keiner Wertminderung unterliegen. So wäre durchaus vorstellbar, die Nutzungsvergütung für Liegenschaften, wenn keine gesicherten Mietpreise festgestellt werden können, anhand einer Verzinsung des Grundstückwertes zu bemessen. Darüber hinaus ermöglicht diese Berechnungsmethode eine zuverlässige und sachgerechte Bemessung des Gebrauchswertes von Gegenständen, bei denen sowohl die Bemessung nach Mietpreisen ausscheidet als auch eine lineare Teilwertabschreibung versagt, wie dies etwa bei Kunstgegenständen, Teppichen, Musikinstrumenten, Oldtimern und dergleichen der Fall ist.132 Der objektive Gebrauchswert einer Sache kann nur nach jenen Kosten bemessen werden, die sonst am Markt für den Gebrauch der Sache aufgewendet werden müssen. Aus der Sicht eines Eigentümers zählt dazu nicht bloß die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis, sondern auch die Finanzierungskosten des Anschaffungspreises. Dementsprechend muss auch der objektive Nutzungswert einer Sache aus dem Wertverlust zuzüglich einer Verzinsung des Sachwertes während der Nutzungsdauer errechnet werden. 2. Berechnung nach marktüblichen Nutzungsentgelten a) Marktübliche Miet- und Pachtpreise in der Rechtsprechung Zur Bemessung des objektiven Nutzungswertes von Liegenschaften und Wohnungen liegt es nahe, jenen Preis heranzuziehen, den der Herausgabepflichtige aufwenden hätte müssen, um ein entsprechendes Objekt zu mieten oder zu pachten. BR-DS 338 / 01, 457 f. Siehe RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28 und Ostler / Weidner, Abzahlungsgesetz, § 13 Anm. 84. 131 132

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Bei der verspäteten Rückstellung von gemieteten Räumen sieht § 546a BGB sogar ausdrücklich eine Verpflichtung des Schuldners zum Ersatz des marktüblichen Mietzinses vor. Gerade bei Immobilien hat die befristete Nutzung damit einen leicht zu ermittelnden Marktpreis. Dementsprechend geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass der „objektiven Nutzungswert“ von Liegenschaften dem jeweiligen Miet- oder Pachtpreis entspricht.133 Der Mietwert orientiert sich dabei am Zustand der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs. Spätere, durch den Schuldner vorgenommene Investitionen, die zu einer Erhöhung des Nutzungswertes führen, bleiben selbstverständlich außer Betracht.134 Auch wenn es um die Bestimmung des Nutzungswertes von Unternehmen, etwa Fabrikanlagen, Gastwirtschaften, Tankstellen oder anderen Gewerbebetrieben geht, ermittelt die Rechtsprechung den „objektiven Ertragswert“ anhand des marktüblichen Pachtzinses.135 Eine Herausgabe des Ertragswertes in Gestalt des Pachtzinses für das Unternehmen wird allerdings nur zugelassen, wenn ein bereits begonnener Gewerbebetrieb, dh. die Gesamtheit aller persönlichen und sachlichen Betriebsmittel einschließlich Warenbestand, Kundenstamm und Ruf übernommen wird.136 Wurden dem Schuldner hingegen bloß die Räumlichkeiten und das Inventar überlassen und hat er das Unternehmen erst selbst begonnen, richtet sich die Nutzungsvergütung bloß nach dem Mietwert der Sachmittel, nicht aber nach dem Pachtwert des Unternehmens. Dies gilt selbst dann, wenn alle Räumlichkeiten samt dem erforderlichen Inventar in eingebautem und gebrauchstauglichem Zustand überlassen werden, der Geschäftsbetrieb aber erst vom Herausgabepflichtigen begonnen wurde.137 Der durch die Überlassung von Sachmitteln gewährte Vorteil beschränkt sich nach Ansicht der Rechtsprechung auf den Umstand, dass der Begünstigte nunmehr in der Lage ist, diese Vermögenswerte für sein Vorhaben zu nutzen, darf aber nicht mit dem Ertragswert des vom Herausgabepflichtigen gegründeten Unternehmens selbst gleichgesetzt werden.138

b) Fiktive Mietpreise in der Rechtsprechung Tritt ein Verkäufer vom Vertag zurück, weil der Käufer mit den Ratenzahlungen in Verzug gerät, so berechnet die ständige Rechtsprechung die für den zwischen133 BGH 10. 11. 1965 BGHZ 44, 241; 19. 1. 1966 WM 1966, 479; 9. 7. 1969 WM 1969, 1083; 20. 5. 1983 BGHZ 87, 296; 22. 11. 1991 NJW 1992, 892; 14. 7. 1995 JZ 1996, 151. 134 BGH 22. 11. 1991 NJW 1992, 892; 14. 7. 1995 JZ 1996, 151. 135 RG 5. 1. 1919 RGZ 97, 245; BGH 22. 3. 1954 JR 1954, 460; 8. 1. 1975 BGHZ 63, 365; 12. 5. 1978 NJW 1978, 1578; 22. 10. 1997 NJW-RR 1998, 17. 136 BGH 16. 5. 1984 NJW 1984, 2937. 137 BGH 16. 5. 1984 NJW 1984, 2937. 138 BGH 19. 1. 1966 WM 1966, 479.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

zeitlichen Gebrauch der Kaufsache geschuldete Nutzungsvergütung nach Mietpreisen. Im Vergleich zu anderen Bereichen, wo die Nutzungsvergütung nach der linearen Teilwertabschreibung bemessen wird, nimmt diese Fallgruppe deshalb eine Sonderstellung ein. Die Rechtsprechung entwickelte sich ursprünglich zum Abzahlungsgesetz, und ist heute wohl nicht nur für die Herausgabepflicht des Verbrauchers beim Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft gemäß § 503 BGB, sondern für alle Verzugsfälle bei Ratenvereinbarungen einschlägig.139 Eine Berechnung der Nutzungsvergütung anhand marktüblicher Mietpreise wird von der Rechtsprechung aber nur zugelassen, wenn es sich um Gegenstände handelt, die üblicherweise vermietet werden, d. h. wenn Vermietungen im Wirtschaftsleben mit einer gewissen Häufigkeit auftreten und somit typisch geworden sind, sodass sich ein Marktpreis bilden konnte.140 Die Durchsicht der einschlägigen Entscheidungen zeigt aber, dass kaum jemals auf Marktpreise zurückgegriffen werden konnte. So wurde etwa festgestellt, dass Gegenstände wie alte Gemälde, Musikinstrumente oder Orientteppiche für gewöhnlich nicht auf Zeit gemietet, sondern nur gekauft werden, wodurch ein Rückgriff auf marktübliche Mietpreise von vorneherein ausscheidet.141 Selbst bei Kraftfahrzeugen konnte in keinem einzigen Fall eine Berechnung der Nutzungsvergütung anhand von marktüblichen Mietpreisen vorgenommen werden. So musste etwa festgestellt werden, dass fabrikneue Nutzfahrzeuge aus Kostengründen üblicherweise nicht vermietet werden.142 Ebenso werden ältere PKW typischerweise nicht gewerbsmäßig vermietet, wodurch auch hier keine marktüblichen Mietpreise festgestellt werden konnten.143 Eine Berechnung nach üblichen Mietpreisen wurde auch abgelehnt, wenn der Käufer ein Fahrzeug längerfristig benutzt hat: Solche langfristigen Verträge kämen nach der Lebenserfahrung nämlich nicht vor. Darüber hinaus würden die von den Autovermietern geforderten Tagesmietpreise eine langfristige Anmietung eines Fahrzeugs für den Mieter schlichtweg untragbar machen.144 In solchen Fällen behilft sich die Rechtsprechung, indem sie von einem fiktiven Mietzins ausgeht, wie er sich unter gewöhnlichen Umständen ergeben würde, wenn die Vermietung üblich wäre oder einmal würde.145 Die Berechnung dieses gedachZur älteren Judikatur RGRK-Kessler, 12. Aufl., § 2 AbzG, Rdnr. 17. BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330 = NJW 1956, 418 ua. 141 RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28. 142 RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28; i. d. S. auch BGH 9. 7. 1969 NJW 1969, 1967. 143 So die Mitteilung des Gesamtverbandes der Kfz-Vermieter Deutschland, wonach die Vermietung von Fahrzeugen unüblich ist, die älter als drei Jahre sind; zitiert nach BGH 23. 9. 1966 MDR 1966, 999. 144 BGH 16. 9. 1966 WM 1966, 1174; 9. 7. 1969 NJW 1969, 1967; i. d. S. schon OLG Zweibrücken 26. 4. 1933 mit zweifelnder Anm. Crisollis, JW 1934, 307. 145 So die Leitentscheidung BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330 (334) sowie 8. 11. 1965 NJW 1966, 446; 16. 9. 1966 WM 1966, 1174; 23. 9. 1966 MDR 1966, 999; 9. 7. 1969 NJW 1969, 1967; 1. 10. 1969 WM 1969, 1384 und 11. 4. 1973 NJW 1973, 1078. 139 140

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes

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ten Mietpreises ist äußerst komplex: Hauptansatzpunkt der hypothetischen Mietzinskalkulation ist die durch Gebrauch bedingte Wertminderung des Mietgegenstandes, zumal ein Mietpreis dem Vermieter jedenfalls einen Ausgleich für den Wertverlust verschaffen muss.146 Weiters wird die Verzinsung des Anlagekapitals berücksichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Verkäufer eigenes oder fremdes Kapital eingesetzt hat.147 Darüber hinaus rechnet die Rechtsprechung einen Anteil an den „allgemeinen Geschäftsunkosten“ eines Vermieters und einen „Unternehmergewinn“ ein, ohne den sich eine Vermietung aus der Sicht eines Vermieters nicht lohnen würde.148 Beispielsweise erachtete der BGH für die Überlassung eines LKW einen Gewinnanteil von 10% des Betrages für angemessen, der sich aus der Wertminderung und der Verzinsung des Anlagekapitals ergibt, wobei Geschäftsunkosten noch gesondert in Anschlag gebracht wurden.149 Schließlich wird im Einzelfall noch ein „Ausgleich für ein etwa vorhandenes Risiko“ zugeschlagen, der aber dann zu unterbleiben muss, wenn der Käufer eines Fahrzeuges eine Kaskoversicherung abgeschlossen hat.150 Der aufgrund einer solchen Kostenrechnung ermittelte Wert wird aber noch einer Gegenkontrolle unterzogen, zumal ein bloß nach den Interessen des Vermieters ermitteltes Entgelt nicht geeignet ist, den objektiven Gebrauchswert anzugeben.151 Unabhängig von den betriebswirtschaftlichen Erwägungen des Vermieters würde ein Mieter nämlich nicht mehr aufwenden, als ihm die Nutzungsmöglichkeit wert ist. Im Gegensatz zum heutigen § 503 BGB, der nur Verbraucherverträge erfasst, befasste sich die Rechtsprechung zum Abzahlungsgesetz zumeist mit gewerblich genutzten Gegenständen und konnte deshalb auf den Ertrag abstellen, den ein gewerblicher Mieter durch den Gebrauch der Sache erzielen kann. Von diesem Nutzen werden allerdings wiederum Geschäftsunkosten und ein Gewinnanteil in Abzug gebracht, zumal sich der Mietvertrag sonst aus der Sicht des gedachten Mieters nicht auszahlen würde.152 Will man diese Beschränkung bei der Ermittlung des gedachten Mietpreises auf Verbraucherverträge übertragen, müsste man sich wohl fragen, ob ein verständiger Verbraucher bereit wäre, für die Benutzung einer Sache den aus der Sicht des Vermieters nötigen Mietpreis zu bezahlen. In der Rechtsprechung wird der gesondert zu ermittelnde Nutzen des Mieters jedenfalls als Grenze verstanden, die bei der Berechnung des fiktiven Mietpreises nicht überschritten werden darf. 146 147

I. d. S. schon RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28 und 16. 5. 1942 RGZ 169, 141. BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330; 9. 7. 1969 NJW 1969, 1967; 9. 7. 1969 NJW 1969,

1967. BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330 und Folgeentscheidungen. BGH 16. 9. 1966 WM 1966, 1174. 150 BGH 23. 9. 1966 MDR 1966, 999. 151 I. d. S. schon RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28. 152 Erstmals BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330. Anders noch OLG Nürnberg 12. 5. 1934 JW 1934, 2716, das die Nutzungsvergütung für einen LKW nach dem möglichen Reingewinn beim betrieblichen Einsatz eines solchen Fahrzeuges berechnet hat, und damit den Käufer de facto zur Herausgabe des erwirtschafteten Gewinns verurteilt hat. 148 149

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Schließlich nennt die Rechtsprechung noch das Erfüllungsinteresse des Verkäufers als absolute Obergrenze der geschuldeten Nutzungsvergütung.153 Hier bricht die Judikatur bewusst mit der Analogie zum Mietverhältnis. Im Fall des berechtigten Rücktritts vom Teilzahlungsgeschäft wolle das Gesetz den Verkäufer nämlich nur so stellen, wie er gestanden wäre, wenn er das Geschäft nicht abgeschlossen hätte.154 Deshalb solle er auch nicht mehr erhalten, als ihm bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Teilzahlungsgeschäftes durch den Käufer zugestanden wäre. Ergibt sich deshalb bei der Ermittlung des gedachten Mietzinses, dass dieser den vereinbarten Kaufpreis übersteigt, so werden die Mietsätze herabgesetzt oder überhaupt die Endsumme entsprechend gekürzt.

c) Bedenken an der Bemessung nach fiktiven Mietpreisen Besonders weil die Bemessung der Nutzungsvergütung nach fiktiven Mietpreisen nicht selten zu unangemessen hohen Ansprüchen des Herausgabeberechtigten führt, ist diese Berechnungsmethode in der Literatur auf scharfe Kritik gestoßen.155 Auch die Rechtsprechung hat bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen, die keine Teilzahlungsgeschäfte sind, eine Bemessung der Nutzungsvergütung nach Mietpreisen abgelehnt.156 Zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung verweist die Judikatur auf die angeblich völlig unterschiedliche Interessenslage nach der Wandelung eines zuvor erfüllten Kaufvertrages, die nicht mit der nach Rücktritt des Verkäufers von einem Teilzahlungsgeschäft vergleichbar sei.157 Nur die Stellung des Käufer nach dem Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft wäre nämlich mit der eines Mieters vergleichbar, bloß dass es im Fall des Rücktritts an einer einvernehmlichen Mietzinsvereinbarung fehle.158 Dass diese Ähnlichkeiten aber eher oberflächlicher Natur sind und die Interessenlage bei Kauf und Miete doch sehr unterschiedlich ist, soll im Folgenden nachgewiesen werden. Nach den Absichten des Gesetzgebers soll der Verkäufer durch seine Rücktrittserklärung weder schlechter noch besser gestellt werden, als wenn der Vertrag ord153 Dazu BGH 9. 7. 1959 NJW 59, 2014 und 14. 6. 1967 NJW 1967, 1807. Anders noch OLG Nürnberg 12. 5. 1934 mit ablehnender Besprechung von Crisolli, JW 1934, 2716. 154 So schon RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28. 155 Crisolli, Abzahlungsgeschäfte 157; Ewald, Das geltende Abzahlungsgesetz und seine Reform – eine richterliche Untersuchung (1956) 68 ff.; Reinicke / Tiedtke, Zweifelsfragen bei der Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes, ZIP 1992, 217, 220; dies, Kaufrecht, 6. Aufl. (1997) 543 f.; Dreher, Anm. zu BGH 26. 6. 1991, JR 1992, 157, 159; Bülow, Verbraucherkreditgesetz, 4. Aufl. (2000) § 13 Rdnr. 24. 156 OLG Hamm 20. 3. 1980 VersR 1982, 248; OLG Zweibrücken 25. 10. 1984 DAR 1986, 89; OLG Saarbrücken 20. 9. 1989 NJW-RR 1990, 493; BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47; OLG Köln 10. 1. 1992 VersR 1993 109; BGH 25. 10. 1995 NJW 1996, 250. 157 BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47 . 158 BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330 = NJW 1956, 418; 11. 4. 1973 NJW 1973, 1078 ; siehe auch RGRK-Kessler, 12. Aufl., § 2 AbzG Rdnr. 17.

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes

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nungsgemäß erfüllt worden wäre.159 Dies kann aber nicht dadurch geschehen, dass der Kaufvertrag im Fall des Zahlungsverzugs in ein Mietverhältnis umgedeutet wird. Der Verkäufer hat sich nämlich bewusst für den Verkauf der Sache entschieden. Der Zuspruch eines fiktiven Vermietergewinns bewirkt jedoch, dass der Teilzahlungsverkäufer im Fall des Rücktritts besser gestellt wird, als er bei Einhaltung des Vertrages gestanden wäre.160 Es lässt sich nicht rechtfertigen, dem Verkäufer allein wegen des Scheiterns des angestrebten Vertrages fiktive Mieterträge zuzusprechen, auf die er auch im Fall der Wirksamkeit des Vertrages keinen Anspruch hätte.161 Dass die Bemessung der Nutzungsvergütung für den Gebrauch der Kaufsache nach Mietpreisen zu einer ungerechtfertigten Begünstigung des Verkäufers führt, zeigt sich ganz besonders anhand jenes Anteils am Mietpreis, der die Geschäftsunkosten des Vermieters abdecken soll. Unstreitig ist, dass ein Mieter durch den marktüblichen Mietpreis auch für Unkosten des Vermieters aufkommen muss. Dass dem Verkäufer „allgemeine Geschäftsunkosten“ für die Vermietung zugesprochen werden, obwohl ihm solche Kosten gar nicht entstanden sind, muss allerdings absurd erscheinen.162 Der Verkäufer wird damit sogar besser gestellt als ein Vermieter, der diese Kosten tatsächlich aufwenden muss. Jener kalkulatorische Anteil am Mietpreis, der die Geschäftsunkosten des Vermieters abdecken soll, gibt keineswegs den Nutzungswert der Sache wieder, sondern soll einem Vermieter tatsächlich getätigte Aufwendungen ersetzen. Für den zurücktretenden Verkäufer ist der Zuspruch tatsächlicher oder fiktiv ermittelter Mietpreise folglich nichts anderes als eine unerklärliche und ungerechtfertigte Begünstigung. Auch die Behandlung des Käufers als Mieter der Kaufsache scheint bedenklich, weil weder er noch sein Vertragspartner einen Mietvertrag abschließen wollte. Die Rechtsprechung außerhalb von Teilzahlungsgeschäften hat mehrfach darauf hingewiesen, dass insbesondere der private Autohalter kein potentieller Mieter ist, weshalb er auch nicht so gestellt werden darf, als ob er das Fahrzeug gemietet hätte.163 Im Entschluss, eine Sache endgültig käuflich zu erwerben und als eigene zu nutzen sieht die sonstige Rechtsprechung eine Investitionsentscheidung, die auch im Rahmen der Rückabwicklung des gescheiterten Vertrages zu respektieren ist.164 Diese 159 Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstags, IX. Leg Per, II. Sess. (1893 / 94) 2029, 2032 und 2038. 160 So auch Reinicke / Tiedtke, ZIP 1992, 220. 161 So zur Rückabwicklung von Kaufverträgen, die keine Teilzahlungsgeschäfte sind BGH 25. 10. 1995 NJW 1996, 250. 162 Damit sind nicht die Kosten der Errichtung des Teilzahlungsgeschäftes gemeint, zumal der Ersatz dieser Aufwendungen im Gesetz zusätzlich zur Nutzungsvergütung angeordnet ist; so in § 503 Abs. 2 BGB, § 13 Abs. 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 AbzG. 163 OLG Hamm 20. 3. 1980 VersR 1982, 248; OLG Zweibrücken 25. 10. 1984 DAR 1986, 89; OLG Saarbrücken 20. 9. 1989 NJW-RR 1990, 493; BGH 26. 6. 1991 BGHZ 115, 47; OLG Köln 10. 1. 1992 VersR 1993 109; BGH 25. 10. 1995 NJW 1996, 250. 164 BGH 25. 10. 1995 NJW 1996, 250.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

Erwägungen müssen auch für den Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft gelten. Die nachträgliche Verpflichtung zur Entrichtung von Mietpreisen bedeutet eine grobe Missachtung der Vermögensentscheidung des Käufers und führt zwangsläufig dazu, dass er mit wesentlich höheren Kosten belastet wird als jene, mit denen er beim Erwerb der Sache für diesen Zeitraum rechnen musste. Damit wird gefährlich in die Vermögensplanung des Erwerbers eingegriffen. Es ist durchaus vorstellbar, dass der Ankauf einer Sache wirtschaftlich vernünftig, die langfristige Anmietung derselben Sache aber wirtschaftlich unsinnig wäre oder gar die wirtschaftlichen Kapazitäten des Schuldners übersteigen würde. Jedenfalls ist es aber durchaus wahrscheinlich, dass derjenige, der sich für den Ankauf einer Sache entschieden hat, einen solchen Mietvertrag niemals abgeschlossen hätte. Gegen eine pauschale Heranziehung von Mietpreisen spricht schließlich, dass diese Berechnungsmethode in vielen Fällen zu exorbitanten Nutzungsentgelten führt. Besonders wenn der Verkäufer mit seiner Rücktrittserklärung vorerst zuwartet, erreichen fiktive Mietpreise nicht selten beinahe die Höhe des vereinbarten Kaufpreises. In einem Extremfall sprach der BGH dem Verkäufer sogar eine Nutzungsvergütung in der Höhe des Erfüllungsinteresses zu.165 Wenn die Entschädigung für den bloß zeitweiligen Gebrauch der Sache damit häufig den noch ausständigen Kaufpreisanteil erreicht, kann nicht richtig sein, dass der Verkäufer nun vom Käufer einen dem Kaufpreis entsprechenden Betrag und zusätzlich noch die Herausgabe der Sache selbst verlangen darf.166 Insbesondere bei Gegenständen, die üblicherweise nicht gemietet werden, ist die Berechnung der Gebrauchsvergütung nach fiktiven Mietpreisen deshalb keine geeignete Methode, den wirklichen Gebrauchswert anzugeben.

d) Subsidiarität der Berechnung nach marktüblichen Nutzungsentgelten Der objektive Gebrauchswert kann sich nur aus dem Marktpreis der Gebrauchsmöglichkeit ergeben. Das sind jene Kosten, die ein Nachfrager aufwenden muss, um in den Genuss des Gebrauchs einer entsprechenden Sache zu gelangen. Niemand würde einen PKW auf Jahre mieten, wenn dadurch jene Kosten erheblich überschritten werden, die beim Ankauf eines entsprechenden Fahrzeuges entstehen.167 Wenn es aber billiger kommt, einen Gegenstand zu kaufen anstatt einen Nutzungsvertrag abzuschließen, so entspricht auch der marktübliche Gebrauchswert nicht dem Mietpreis, sondern jenen Kosten, die für den Erwerb des Eigentums aufgewendet werden müssen. Eine Berechnung der Nutzungsvergütung anhand von Miet- oder PachtpreiSo BGH 14. 6. 1967 NJW 1967, 1807. Ewald, Die sogenannten „Richtsätze“ nach § 2 AbzG, MDR 1955, 655, 656; siehe auch Emmerich in Westphalen / Emmerich / Rottenburg (Hrsg.), Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. (1996) § 13, Rdnr. 39 und Reinicke / Tiedtke, Kaufrecht 544. 167 I. d. S. OLG Frankfurt 9. 7. 1959 NJW 1969, 1967. 165 166

D. Berechnung des objektiven Nutzungswertes

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sen ist deshalb nur zulässig, wenn dadurch nicht jene Kosten überschritten werden, die ein Eigentümer für den Gebrauch der Sache aufwenden muss. Miet- und Pachtpreise als Maßstab der Nutzungsvergütung sind demgegenüber bei Sachen unproblematisch, die üblicherweise langfristig gemietet werden. Dies trifft vor allem auf Immobilien zu, zumal angesichts der langen Vertragszeiten, geringen Geschäftsunkosten und zumeist vollständigen Auslastung der Mietobjekte die Preise weitgehend jenen Kosten entsprechen, die auch ein Eigentümer aufwenden muss. Die erwartbaren Renditen für das eingesetzte Anlagekapital entsprechen zumindest grob dem Zinsniveau für langfristige Bindungen am Kapitalmarkt. In diesem Bereich stehen sich Eigentum und Miete damit als annähernd gleichwertige Alternativen gegenüber, wodurch die Bemessung der Nutzungsvergütung anhand von Miet- und Pachtpreisen zu keiner Benachteiligung des Herausgabepflichtigen führt. Das Abstellen auf marktübliche Nutzungsentgelte ist auch in all jenen Fällen notwendig und zulässig, in denen der Ersatzpflichtige gar nicht die volle Verfügungsmacht beansprucht, sondern eine Sache bloß mitbenutzt und ein Erwerb des Eigentums von vornherein nicht in Betracht käme. Dies trifft vor allem auf die konsenlose Benutzung fremder Grundstücke zu, etwa weil Automaten auf öffentlichem Grund aufgestellt oder fremde Stromleitungen verwendet wurden. Weil ein Nachfrager hier keine (oder zumindest keine kostengünstigere) Möglichkeit hat als einen Benützungsvertrag abzuschließen, entspricht der objektive Gebrauchswert hier den marktüblichen Nutzungsgebühren.168 3. Ergebnis Im Rahmen der strengen Herausgabepflicht bemisst sich die Nutzungsvergütung unabhängig davon, ob der Schuldner aus dem Gebrauch der fremden Sache einen Vorteil gezogen hat. Die verschärfte Herausgabepflicht geht deshalb auf den objektiven Gebrauchswert der Sache. Dieser Wert muss anhand jener Kosten ermittelt werden, die sonst am freien Markt aufgewendet werden müssen, um eine entsprechende Sache nutzen zu können. Die Nutzungsvergütung kann deshalb anhand jener Kosten berechnet werden, die ein Eigentümer für den Gebrauch der Sache für einen bestimmten Zeitraum aufwenden muss. Diese Kosten ergeben sich aus der Differenz zwischen Ankaufsund Wiederverkaufspreis der Sache nach Ablauf der Nutzungsdauer (Wertminderung) zuzüglich der Finanzierungskosten (Verzinsung des Anlagekapitals). Dieser Betrag entspricht dem objektiven Gebrauchswert der Sache. Etwas anderes gilt nur für fabrikneue Gegenstände, die schon durch die erste Ingebrauchnahme erheblich an Wert verlieren, weil sie ab diesem Zeitpunkt nur 168 So auch BGH 18. 4. 1956 BGHZ 20, 270; 19. 12. 1956 BGHZ 22, 395; 4. 5. 1973 NJW 1973, 1281; 23. 10. 1980 WM 1981, 129; 21. 3. 1996 BGHZ 132, 198.

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2. Kapitel: Strenge Herausgabepflicht

mehr als Gebrauchtwaren veräußert werden können. Ein Eigentümer würde solche Gegenstände typischerweise nicht sofort wieder veräußern, sondern längere Zeit für sich behalten, wodurch sich der anfangs hohe Wertverlust kostenmäßig auf die gesamte Nutzungsdauer verteilt. Deshalb ist auch bei der Bemessung der Nutzungsvergütung die zu veranschlagende Wertminderung im Wege einer Aliquotierung jenes Wertverlustes zu ermitteln, der nach der typischen Verwendungsdauer eines Erstkäufer zu erwarten ist. Hingegen ermittelt die Rechtsprechung den Nutzungswert eines Neufahrzeuges im Wege einer linearen Teilwertabschreibung über die technisch mögliche Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeuges. Dies führt zu Vergütungsansprüchen, die deutlich unter jenen Kosten liegen, die ein typischer Neuwagenkäufer für den Gebrauch eines technisch vergleichbaren Fahrzeuges aufwendet. Will sich dieser Käufer nämlich die Vorteile eines neuen Modells erhalten, so kann er das Fahrzeug nicht bis zur Schrottreife benutzen, sondern muss es schon zuvor gegen ein Neufahrzeug eintauschen, was zu vergleichsweise höheren Kosten führt. Die Fiktion eines gleichbleibenden Gebrauchswertes über die technisch mögliche Gesamtnutzungsdauer entspricht gerade bei PKW keinesfalls der Realität. Der Gebrauchswert einer Sache kann auch anhand marktüblicher Nutzungsentgelte ermittelt werden. Doch darf der Schuldner hier nicht in die Stellung eines Mieters oder Pächter gedrängt werden, wenn ein solches Vertragsverhältnis wirtschaftlich unsinnig wäre und er einen solchen Nutzungsvertrag auch nie abgeschlossen hätte. Schwere Bedenken bestehen deshalb gegen die Vorgangsweise der Rechtsprechung, die Nutzungsvergütung anhand von fiktiven Mietpreisen zu ermitteln, wenn es sich um Sachen handelt, die üblicherweise nicht gemietet werden. Eine so ermittelte Nutzungsvergütung übersteigt sehr bald jenen Kosten, die für den zeitweiligen Erwerb des Eigentums aufgewendet werden müssen. Eine Bemessung der Nutzungsvergütung nach Miet- oder Pachtpreisen ist deshalb nur zulässig, wenn diese Kosten jene Aufwendungen nicht übersteigen, die ein Eigentümer während einer bestimmten Zeitspanne für den Gebrauch einer entsprechenden Sache aufwenden muss.

3. Kapitel

Gebrauchsbedingte Wertminderung A. Problemstellung Wird eine fabrikneue Sache erstmals in Gebrauch genommen, verliert sie mitunter erheblich an Wert. Wie schon erwähnt verliert ein PKW unabhängig von irgendwelchen technischen Abnutzungserscheinungen schon durch die erste Ingebrauchnahme einen erheblichen Teil des Neuwertes. Besonders betroffen sind aber Gegenstände wie Kleidungsstücke und elektronische Geräte, die für gewöhnlich nur neu gekauft werden und deshalb schon durch die erstmalige Nutzung beinahe vollständig entwertet werden. Die Nutzungsvergütung dient lediglich der Abschöpfung jener Vorteile, die mit dem Gebrauch einer fremden Sache verbunden sind. In der Nutzungsvergütung nicht enthalten ist jedoch eine Entschädigung für den Wertverlust, der dadurch entsteht, dass diese Sache nicht mehr als „neu“ verkauft werden kann. Der Nutzungswert eines Ballkleides, das an einem Abend getragen wurde, ist recht gering, während das Kleid, das nun nicht mehr als neu verkauft werden kann, einen erheblichen Teil seines Wertes verloren hat. Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Herausgabeberechtigte diesen „Neuwertverlust“ selbst tragen muss, oder aber Anspruch auf Entschädigung hat. Diese Frage ist von höchster praktischer Bedeutung, zumal der Berechtigte bei kurzfristiger Ingebrauchnahme nur eine vergleichsweise geringe Nutzungsvergütung beanspruchen kann, während der Wertverlust der Sache mitunter beträchtlich ist. Das BGB kennt sehr unterschiedliche Vorschriften, in denen eine solche Wertersatzpflicht vorgesehen ist.

B. Schadensersatzpflicht bei Bösgläubigkeit und Rechtshängigkeit Im Bereich des Eigentümer-Besitzerverhältnisses ist der Ersatz der nutzungsbedingten Wertminderung als Schadensersatzanspruch anerkannt. §§ 989 iVm. 990 BGB sehen vor, dass der unredliche Besitzer für den Schaden verantwortlich ist, der dadurch entsteht, dass die Sache infolge seines Verschuldens verschlechtert wird. Bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der fehlenden Berechtigung qualifiziert die herrschende Meinung schon die bloße Benutzung der fremden Sa-

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3. Kapitel: Gebrauchsbedingte Wertminderung

che als schuldhaft. Dadurch ist der unredliche Besitzer im Wege des Schadensersatzes in jedem Fall zum Ersatz der eingetretenen Wertminderung verpflichtet.1 Entsprechendes gilt durch den Verweis des § 818 Abs. 4 BGB für den unredlichen Bereicherungsschuldner. Der Schuldner haftet freilich nur dann für den Neuwertverlust, wenn er schon zum Zeitpunkt der erstmaligen Gebrauchsüberlassung bösgläubig war. Nachträgliche Kenntnis oder Fahrlässigkeit schadet nicht, weil der Neuwertverlust dann bereits eingetreten ist und nicht durch das schuldhafte Verhalten des Herausgabepflichtigen verursacht wurde. Entsprechendes gilt für die Zeit der Rechtshängigkeit. Wie bereits ausgeführt bewirkt die Rechtshängigkeit eine besondere Rücksichtnahmepflicht des Beklagten. Weil der Schuldner mit einem für ihn ungünstigen Ausgang des Verfahrens rechnen muss, soll er die potentiellen Rechte des Klägers wahren.2 Die erstmalige Ingebrauchnahme einer fabrikneuen Sache verletzt dieses Rücksichtnahmegebot und macht deshalb für die dadurch eingetretene Wertminderung schadensersatzpflichtig. Sollte der Fall eintreten, dass ein Beklagter sich während des Prozesses zur erstmaligen Ingebrauchnahme der Sache entschließt, etwa weil er nach wie vor von seiner Berechtigung überzeugt ist, so haftet er für die dadurch eingetretene Wertminderung. Wurde die Sache hingegen bereits zuvor gutgläubig in Gebrauch genommen, kann auch die spätere Rechtshängigkeit keine Schadensersatzpflicht für den Neuwertverlust mehr begründen.

C. Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft § 503 Abs. 2 BGB enthält eine Sonderregelung für die Rückabwicklung von Teilzahlungsgeschäften, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen werden. Befindet sich der Verbraucher mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen in Verzug und ist eine zweiwöchige Nachfrist erfolglos verstrichen, kann der Unternehmer vom Vertrag zurücktreten. Macht der Unternehmer von diesem Recht Gebrauch, ist er verpflichtet die bis dahin geleisteten Zahlungen rückzuerstatten und hat im Gegenzug einen Anspruch auf Rückstellung seiner eigenen Leistung. Darüber hinaus gibt ihm § 503 Abs. 2 BGB das Recht auf eine Nutzungsvergütung für den Gebrauch der Sache. Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers ist bei der Bemessung der Nutzungsvergütung auf die inzwischen eingetretene Wertminderung Rücksicht zu nehmen. Der Wortlaut des § 503 Abs. 2 BGB scheint problematisch, zumal die Berücksichtigung der Wertminderung im Rahmen der Nutzungsvergütung den Eindruck erweckt, es handle sich 1 RG 3. 7. 1934 RGZ 145, 79; RGRK-Pikart, 12. Aufl., § 989, Rdnr. 8. Staudinger-Gursky (1999) § 989, Rdnr. 15; Palandt-Bassenge, 62. Aufl., § 989, Rdnr. 4; MünchKomm-Medicus, 3. Aufl., § 989, Rdnr. 3; a.A. Soergel-Huber, 12. Aufl., § 467, Rdnr. 49. 2 M. w. N. Koppensteiner / Kramer, Bereicherung, 143; Reuter / Martinek, Bereicherung, § 18 II 1 und Staudinger-Gursky (1999) § 987 Rdnr. 1.

C. Rücktritt vom Teilzahlungsgeschäft

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um eine bloße Billigkeitsentscheidung nach freiem Ermessen. Fraglich ist deshalb, wie diese Berücksichtigung der Wertminderung zu verstehen ist. Die Vorschrift des heutigen § 503 Abs. 2 BGB stammt ursprünglich aus dem Abzahlungsgesetz, wurde später in das Verbraucherkreditgesetz übernommen und erst im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in das BGB eingefügt.3 Um die Absichten des Gesetzgebers zu erforschen ist es deshalb erforderlich, auf die Beratungen des Reichstages über den Entwurf des Abzahlungsgesetzes einzugehen. In der damaligen Debatte begründete Lenzmann die Verpflichtung des Käufers, dem zurücktretenden Verkäufer den zwischenzeitlichen Wertverlust zu vergüten, mit der Überlegung, dass die Rückabwicklung des Vertrages einem „Rückkauf“ der Sache entspreche. Der Rücktritt ermöglicht dem Verkäufer, anstatt den noch ausständigen Kaufpreises zu fordern, die Ware zurückzunehmen. Deshalb solle er dafür nicht mehr bezahlen, als die Ware zu diesem Zeitpunkt noch wert ist.4 Eine andere Begründung führte Ennecerus, der die Wertminderung der Sache im Fall des Rücktritts als „Schädigung des Verkäufers“ auffasste, die durch den Verzug des Käufers verursacht wurde und deshalb von diesem zu vergüten sei.5 Letztere Auffassung würde § 503 Abs. 2 BGB die Funktion eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs verleihen, was wenig überzeugend erscheint. Allgemeine Einigkeit herrschte jedenfalls darüber, dass der Verkäufer durch seine Rücktrittserklärung weder besser noch schlechter gestellt werden soll, als wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Belastung des Verkäufers mit dem Risiko der Wertminderung ungerecht und wirtschaftlich untragbar erscheinen würde, was eine Wertersatzpflicht des säumigen Käufer nötig macht.6 Diese Überlegungen sind auch die Grundlage des heutigen § 503 BGB. Nach den Absichten des Gesetzgebers haftet der Käufer deshalb jedenfalls in vollem Umfang für die durch die Ingebrauchnahme der Sache eingetretene Wertminderung. Dementsprechend wird die vom Gesetz vorgeschriebene „Berücksichtigung“ der Wertminderung auch von der Rechtsprechung so verstanden, dass der Käufer im Rahmen der Nutzungsvergütung jedenfalls den gesamten Wertverlust des Kaufgegenstandes ersetzen muss, und nicht etwa nur einen vom billigen Ermessen abhängigen Zuschlag zum Gebrauchswert.7 Daraus ergibt sich, dass die „Berücksich3 § 13 Abs 2 VerbrKrG; Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16. 5. 1894 (RGBl 450). 4 Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstags, IX. Leg. Per., II. Sess. (1893 / 94) 2026 ff. 5 Ebenda 2030 ff. 6 Ebenda 2029, 2032 und 2038. Wenn Lenzmann befürchtet, dass, müsste der Verkäufer in falsch verstandener Humanität das Risiko der Wertminderung tragen, „den armen Leuten, die auf den Weg des Abzahlungsgeschäfts angewiesen sind“ eine erhebliche Verteuerung der Preise droht, erinnert dies in ganz erstaunlicher Weise an die moderne Economic Theory of Law. 7 Grundlegend BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330.

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3. Kapitel: Gebrauchsbedingte Wertminderung

tigung“ der Wertminderung in § 503 Abs. 2 BGB so zu verstehen ist, dass der Verbraucher nicht bloß eine Nutzungsvergütung schuldet, sondern den Unternehmer für gebrauchsbedingte Wertminderung vollständig entschädigen muss. In der Rechtsprechung wird die Berechnung des Nutzungsvorteils und der Wertminderung strikt auseinandergehalten.8 Die Wertminderung ergibt sich dabei aus der Wertdifferenz der Kaufsache zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer und zur Zeit der Rücknahme durch den Verkäufer.9 In der älteren Judikatur versuchte man den Wertverlust einer Sache nicht selten in Prozentsätzen des Neuwertes anzugeben.10 Das AG Stuttgart entwickelte sogar eine Tabelle für die Bemessung des Gebrauchswertes und der Wertminderung, aus der beispielsweise entnommen werden konnte, dass Kleidungsstücke schon nach einem halben Jahr die Hälfte ihres Neuwertes eingebüßt hätten, während dies bei Fahrrädern erst nach eineinhalb Jahren der Fall sei.11 In der Rechtsprechung des BGH wurde hingegen in keinem einzigen Fall auf solche Tabellen zurückgegriffen, sondern der Marktwert zur Zeit der Übergabe und im Zeitpunkt der Rücknahme jeweils von Sachverständigen im Einzelfall festgestellt.12 Die Wertminderung umfasst damit sowohl den durch die Abnutzung eintretenden Minderwert, als auch den Wertverlust, der bei einer erstmaligen Ingebrauchnahme einer neuen Sache durch den Verlust der Neuheit entsteht.13 Die Rechtsprechung berücksichtigt, dass in der Nutzungsvergütung schon eine Entschädigung für die Wertminderung enthalten ist, welche die Sache durch die gewöhnliche Abnutzung erleidet.14 Deshalb darf neben einer Gebrauchsvergütung nicht noch eine Vergütung für die abnutzungsbedingte Wertminderung verrechnet werden.15 Etwas anderes gilt nach Auffassung der Rechtsprechung für jene Wertminderung, die durch die erstmalige Ingebrauchnahme einer Sache eintritt. Dieser Verlust ist in RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28; 16. 5. 1942 RGZ 169, 141. Entscheidend ist der gemeine Wert der Sache, nicht etwa der im Teilzahlungsgeschäft vereinbarte Kaufpreis; RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28. 10 Kritisch schon RG 10. 4. 1935 RGZ 147, 344. 11 AG Stuttgart 26. 5. 1930 JW 1930, 2765. Auch die Industrie- und Handelskammer stellte überaus detaillierte „Richtlinien und Sätze“ für die Abnützung verschiedener Warenkategorien auf, aus denen zu entnehmen ist, dass etwa Rundfunkgeräte innerhalb der ersten drei Monate jeweils 10%, in den nächsten drei Monaten jeweils 5%, und für jeden weiteren Monat nur mehr 3% des Barkaufpreises an Wert verlieren (Abnutzungsquoten beim Rücktritt vom Ratengeschäft, aufgestellt von der Industrie- und Handelskammer Berlin vom 19. 3. 1934, abgedruckt in BB 1949, 381 und 497). Diese Richtsätze wurden von der Literatur im allgemeinen im Interesse der Rechtssicherheit als wertvolle Anhaltspunkte überwiegend positiv aufgenommen; so z. B. bei Ewald, MDR 1955, 655. Einzelne Autoren forderten sogar, dass diese Tabellen auf den Vertragsformularen abgedruckt werden sollten; Janka, BB 1950, 10, 11. 12 So z. B. BGH 1. 10. 1969 WM 1969, 1384. 13 RG 10. 4. 1935 RGZ 147, 344; BGH 16. 4. 1952 BGHZ 5, 373 ua. 14 So schon RG 4. 10. 1932 RGZ 138, 28. 15 RG 16. 5. 1942 RGZ 169, 141. 8 9

D. Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung

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der Nutzungsvergütung nicht enthalten, weshalb dieser Neuwertverlust neben der Nutzungsvergütung beansprucht werden kann.16 Tatsächlich sind aber keine Entscheidungen ersichtlich, in denen rechnerisch zwischen abnutzungsbedingter Wertminderung und Neuwertverlust getrennt worden wäre, und letzterer dem Verkäufer zusätzlich zur Nutzungsvergütung zugesprochen worden wäre. Statt dessen erachten die einschlägigen Entscheidungen die gebrauchsbedingte Wertminderung als Mindestbetrag, der im Rahmen der Nutzungsvergütung und des Wertersatzes i. S. d. § 503 Abs. 2 BGB jedenfalls geschuldet ist.17 Der Verkäufer hat nach der Rechtsprechung deshalb nur dann einen zusätzlichen Anspruch auf Wertersatz, wenn die eingetretene Wertminderung die Nutzungsvergütung übersteigt.18

D. Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung Auch die Vertragspartei, die ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, hat gemäß § 346 Abs 2 und 3 BGB Anspruch auf Ersatz für die Verschlechterung des übergebenen Gegenstandes. Diese Haftung erklärt sich aus der Überlegung, dass der Rückabwicklungsgegners seine vertraglichen Pflichten verletzt und deshalb das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat. Diese Wertersatzpflicht ist aber eingeschränkt: § 346 Abs. 2 Nr. 3 bestimmt, dass eine durch die „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung“ außer Betracht bleibt. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wollte damit jedenfalls klarstellen, dass in der Nutzungsvergütung schon ein Ersatz für die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch bewirkte Wertminderung enthalten ist.19 Für den Wertverlust, der sich aus der gebrauchsbedingten Abnutzung der Sache ergibt, wird der Rückabwicklungsgläubiger nämlich – so die Vorstellung des Gesetzgebers – durch die Nutzungsvergütung entschädigt. Der Ausschluss des Ersatzes betrifft jedenfalls Abnutzungen, die mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache verbunden sind. Bedenklich erscheint aber, dass nach den wohl eindeutigen Absichten des Gesetzgebers die „durch die Ingebrauchnahme entstandene Wertminderung“ auch den Neuwertverlust einer Sache erfasst. Die Materialien sprechen von dem Wertverlust eines Neuwagens, der unabhängig von der tatsächlichen Nutzung schon dadurch entsteht, dass das FahrRG 16. 5. 1942 RGZ 169, 141; BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330. Insbes. BGH 23. 9. 1966 MDR 1966, 999. 18 Dieses Verfahren scheint insofern problematisch, als dass Finanzierungskosten unberücksichtigt bleiben, die ein Interessent aufwenden hätte müssen bzw die der Eigentümer nunmehr nutzlos aufgewendet hat. Zur Einbeziehung der Finanzierungskosten siehe deshalb unten. 19 BT-DS 14 / 6040, 193. 16 17

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3. Kapitel: Gebrauchsbedingte Wertminderung

zeug zum Straßenverkehr zugelassen wird und deshalb nicht mehr als neu angesehen wird.20 Dies würde bedeuten, dass der Herausgabeberechtigte den Neuwertverlust selbst tragen muss. Ein solches Ergebnis muss freilich grob unbillig erscheinen, zumal der Verkäufer seine vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hat, und gerade der Käufer durch die Verletzung seiner vertraglichen Pflichten die Ursache der Rückabwicklung gesetzt hat. Die Materialien begnügen sich hier mit dem Hinweis, dass beim Rücktritt des Verkäufers wegen Zahlungsverzug jedenfalls ein umfassender Schadensersatzanspruch gemäß § 281 BGB bestünde.21 Nach § 280 Satz 2 BGB besteht diese Schadensersatzpflicht allerdings nur, wenn der Schuldner seine Pflichtverletzung zu vertreten hat. Das Schadensersatzrecht kann also nicht verhindern, dass der Verkäufer im Fall einer schuldlosen Vertragsverletzung des Käufers mit dem Neuwertverlust belastet wird, obwohl er seine vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hat und sich der Grund für die Rückabwicklung des Vertrages in der Sphäre des Käufers ereignet hat. Ein Verkäufer, der sein Rücktrittsrecht ausübt, weil der Käufer seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen kann, würde damit den Verlust tragen müssen, der sich daraus ergibt, dass er die Sache nur mehr zu einem verminderten Preis weiterverkaufen kann. Kaiser leitet aus der Haftung für nicht gezogene Nutzungen ein Nutzungsrecht des Käufers ab, und begründet damit die Freistellung von der Haftung für die dadurch bedingte Wertminderung.22 Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Haftung für nicht gezogene Nutzungen eine Umschreibung des Umfangs der Nutzungsvergütung, verleiht dem Schuldner aber kein Recht an der herauszugebenden Sache. Außerdem bleibt unerklärlich, weshalb der Schuldner zum Gebrauch der Sache auf Kosten seines Vertragspartners verpflichtet sein sollte, um ihm so mitunter beträchtlichen Schaden zuzufügen. Kohler erachtet die Belastung des Rücktrittsberechtigten mit dem Risiko der Wertminderung für sachgerecht, weil dieser selbst über die Ausübung des Rücktrittsrecht entscheiden könne, während der vertragsbrüchige Teil, wenn er seine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, der Rückforderung schutzlos ausgeliefert sei. Der Rücktrittsberechtigte sei nicht schutzwürdig, zumal er das Risiko des Wertverlusts ohnehin dadurch steuern könne, dass er von der Ausübung seines Rücktrittsrechtes absieht.23 Dem ist entgegenzuhalten, dass der Vertragspartner in vielen Fällen faktisch zur Ausübung des Rücktrittsrechts gezwungen ist, etwa weil sein Vertragspartner nicht mehr in der Lage ist, den vollen Kaufpreis zu entrichten. In diesem Fall muss entschieden werden, wer das Risiko tragen soll, dass die Sache nun einen geringeren Wiederverkaufswert hat. Es ist nicht leicht einzusehen, wesBT-DS 14 / 6040, 193 f. BT-DS 14 / 6040, 194; krit. zur Systematik Faust in Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (2002) 259. 22 Kaiser, JZ 2001, 1061; ihr folgend Schwab, JuS 2002, 633 und in Schwab / Witt, Schuldrecht 193. 23 Kohler, Rückabwicklung 285 f.; ders, JZ 2001, 328 und 332. 20 21

D. Einstehenmüssen für eine vertragliche Rückabwicklung

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halb ausgerechnet jene Vertragspartei mit dem Risiko des Neuwertverlustes belastet wird, die ihre Vertragspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat, und der andere Teil, dessen Verhalten zur Rückabwicklung des Vertrages geführt hat, freigestellt werden sollte. Eine solche Rechtslage würde auch den sonstigen Wertungen in § 346 BGB widersprechen, wonach die Wertersatzpflicht bei zufälliger Verschlechterung oder Untergang der Sache nicht verschuldensabhängig ist. Der Rücktrittsgegner ist nämlich gemäß § 346 Abs. 2 BGB ungeachtet seines Verschuldens wertersatzpflichtig, wenn die Sache sich zufällig verschlechtert hat oder untergeht. Dies rechtfertigt sich im Umstand, dass er wegen mangelhafter Leistung selbst die Ursache für den Rücktritt gesetzt hat, ohne dass es auf die Schuldhaftigkeit der Vertragsverletzung ankommen würde. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb beispielsweise ein KfzHändler, der wegen Zahlungsverzug zurücktritt, zwar nicht für den Neuwertverlust entschädigt wird, wohl aber wenn das ausgelieferte Fahrzeug von Vandalen beschädigt wurde.24 Da der Schuldner schon für eine zufällige Wertminderung haftet, so muss dies umso mehr dann gelten, wenn die Wertminderung auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen ist, wie dies für die gebrauchsbedingte Wertminderung zutrifft. Außerdem widerspricht die Belastung des Rücktrittsberechtigten mit dem Neuwertverlust den Regeln über das Teilzahlungsgeschäft. § 503 Abs. 2 BGB ordnet ausdrücklich an, dass der Käufer nach dem Rücktritt des Verkäufers wegen Zahlungsverzug verschuldensunabhängig die inzwischen eingetretene Wertminderung ersetzen muss. Wenn § 503 Abs. 2 BGB die objektive Pflichtverletzung des Vertragspartners ausreichen lässt, um ihn zum Ersatz des Neuwertverlustes zu verpflichten, so bedeutet dies, dass der Gesetzgeber den Vertragspartner, der seine Leistung ordnungsgemäß erbracht hat, für schutzwürdiger erachtet als den anderen Teil, der – wenn auch schuldlos – seine Pflicht verletzt hat. Diese gesetzliche Wertung ist unabhängig davon, ob der Kaufpreis in Teilzahlungen erbracht werden soll oder nicht, und muss deshalb auch für andere gesetzliche Rücktrittsrechte gelten, die auf eine Pflichtverletzung des Vertragspartners abstellen. Der selbe Grundgedanke findet sich auch in den Materialien zur Urfassung des § 346 BGB, wonach der Vertragspartner so gestellt werden soll, als hätte er den Vertrag nie geschlossen.25 Dies kann aber nur dadurch geschehen, dass ihm das Risiko der Wertminderung abgenommen wird. All diese Erwägungen sprechen dafür, den Ausschluss der Wertersatzpflicht für „die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung“ auf jene Wertminderung zu beschränken, die sich aus der gebrauchsbeding24 Auf diesen Wertungswiderspruch macht auch Kaiser aufmerksam, die daraus aber (de lege ferenda) die Forderung einer gänzlich Befreiung des Schuldners von der Wertersatzpflicht ableitet; JZ 2001, 1057, 1051. 25 Mot. 230 und 280 (Ges. Mat. Bd. 2, 127 und 155 f.); ähnlich zum Abzahlungsgesetz Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstags, IX. Leg. Per., II. Sess (1893 / 94) 2029, 2032 und 2038.

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3. Kapitel: Gebrauchsbedingte Wertminderung

ten Abnutzung einer Sache ergibt. Für diesen Wertverlust wird der Rücktrittsberechtigte nämlich durch die Nutzungsvergütung entschädigt. Eine wertungskonforme Interpretation des Gesetzes erfordert aber, dass der Rücktrittsgegner, der das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat, dem vertragstreuen Teil sehr wohl jenen Schaden ersetzen muss, der dadurch entsteht, dass die Sache nicht mehr als fabrikneu verkauft werden kann.

E. Widerruf von Verbraucherverträgen Nach alter Rechtslage bestimmte § 361a Abs. 2 BGB für den Widerruf von Verbraucherverträgen ausdrücklich, dass den Konsument für die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache eingetretene Wertminderung keine Ersatzpflicht trifft. Damit haftet der Verbraucher nur für die Gebrauchsvorteile, nicht aber für die Wertminderung der Kaufsache. Der Unternehmer war so gezwungen, für den Fall des Widerrufs die Wertminderung des Vertragsgegenstandes in Kauf zu nehmen.26 Im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde diese einseitige Belastung des Unternehmers besonders deshalb als ungerecht empfunden, weil der Unternehmer gerade bei Fernabsatzverträgen, bei denen die Widerrufsfrist erst mit der Lieferung zu laufen beginnt, das Risiko der Verpflichtung zur Rücknahme einer gebrauchten Ware gar nicht vermeiden kann.27 Nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sieht deshalb § 357 Abs. 3 BGB für den Widerruf von Verbraucherverträgen vor, dass der Verbraucher für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung Wertersatz leisten muss. Der Gesetzgeber begründet diese Verpflichtung mit der Überlegung, dass das Widerrufsrecht dem Verbraucher unabdingbar ist und der Unternehmer nicht vermeiden kann, die Sache vom Verbraucher „gebraucht“ zurücknehmen zu müssen, obwohl er vertragsgemäß geliefert hat und ihm deshalb das Risiko der Wertminderung nicht zugemutet werden kann.28 Davon betroffen sind vor allem die Rückabwicklung von Haustürgeschäften, Fernabsatzverträge und Geschäfte im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehn.29 Im Schrifttum werden allerdings ernste Zweifel an der Europarechtskonformität von § 357 Abs. 3 BGB im Hinblick auf die Rückabwicklung von Fernabsatzverträgen geäußert.30 Art. 6 der Fernabsatzrichtlinie sieht nämlich vor, dass die einzigen 26 Krit. zur alten Rechtslage etwa Gaertner / Gierschmann, Das neue Fernabsatzgesetz, DB 2000, 1601, 1604 und unter Hinweis auf die steigenden „Kosten des Verbraucherschutzes“ Mankowski, Schwebende Wirksamkeit unter § 361a BGB – Probleme, Reaktionsmöglichkeiten, Kritik und Korrektur, WM 2001, 793 und 833, 835. 27 BT-DS 14 / 6040, 199. 28 BT-DS 14 / 6040, 199. 29 §§ 312, 312d und § 495 iVm. § 358 Abs. 2. 30 Mankowski, Widerrufsrecht und Rückgaberecht, in Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts (2001), 357, 370 f.; Rott,

E. Widerruf von Verbraucherverträgen

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Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden dürfen, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware sind.31 Die Gegenmeinung verweist hingegen darauf, dass die Verpflichtung zum Wertersatz keine „Kosten infolge des Widerrufs“ darstellt, sondern vielmehr dem Ersatz für die Beschädigung des Vertragsgegenstandes dient.32 Tatsächlich scheint höchst fraglich, ob die Wertersatzpflicht in § 357 Abs. 3 BGB überhaupt „Kosten“ i.S. der Richtlinie darstellt. Der Verbraucher muss den Wertverlust nämlich jedenfalls tragen, wenn er von einem Widerruf des Vertrages absieht und die Sache behält. Macht der Verbraucher hingegen von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, würde die Befreiung von einer Wertersatzpflicht den widerrufenden Verbraucher besser stellen als jenen Käufer, der die Sache behält. Das Fehlen jeder Verantwortlichkeit zusammen mit dem Anspruch auf vollständige Rückzahlung des Kaufpreises würde dem widerrufenden Verbraucher in ungerechtfertigter Weise die Möglichkeit geben, eine gebrauchte Sache zum Neupreis einzutauschen. Die Wertersatzpflicht belastet den Verbraucher deshalb mit keinen Kosten, sondern berücksichtigt lediglich jenen Vermögensschwund, der durch die eigenverantwortliche Ingebrauchnahme der Sache schon in seinem Vermögen eingetreten ist. Ganz offensichtlich werden die wechselseitigen Ansprüche zwischen Unternehmer und Verbraucher in Art. 6 der Richtlinie nicht abschließend geregelt.33 Nach Punkt 14 der Erwägungen der Richtlinie ist es Sache der Mitgliedsstaaten, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen. Die Ausgestaltung des Rückabwicklungsverhältnisse und die Berücksichtigung der bis dahin entstandenen Schäden und Vorteile obliegt demnach dem nationalen Gesetzgeber, wobei die mit der Richtlinie verfolgten Zielsetzungen freilich nicht vereitelt werden dürfen. Das Widerrufsrecht im Fernabsatz soll dem Verbraucher die Möglichkeit geben, die Ware zu überprüfen um dann den Vertragsabschluss nochmals zu überdenken.34 Dafür ist keineswegs erforderlich, dass der Verbraucher die Sache schon benutzt und sich dann doch für eine RückWiderruf und Rückabwicklung nach der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie und dem Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, VuR 2001, 78, 85; Brüggemeier / Reich, Europäisierung des BGB durch große Schuldrechtsreform? BB 2001, 213, 219; AnwKBGB / Ring (2002) § 357 Rdnr. 41; MünchKomm-Ulmer, 4. Aufl. § 357 Rdnr. 5; Schulze / Ebers, Streitfragen im neuen Schuldrecht, JuS 2004, 366, 371; krit im Interesse des Verbraucherschutzes auch Hager in Zivilrechtswissenschaft 448 ff. und Artz, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler (2001), 251 f. 31 Richtlinie 97 / 7 / EG ABlEG L 144. 32 Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., § 357 Rdnr. 14; Grigoleit, Besondere Vertriebsformen im BGB, NJW 2002, 1151, 1154 f.; Rott, in Micklitz / Pfeiffer / Tonner / Willingmann, Schuldrechtsreform 285; Rolland, in Haas / Medicus / Rolland / Schäfer / Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht (2002) IV Rdnr. 106 (157). 33 So auch Grigoleit, NJW 2002, 1155. 34 Erwägungen Nr. 14 der Richtlinie 97 / 7 / EG ABlEG L 144; dazu auch Arnold / Dötsch, Verschärfte Verbraucherhaftung beim Widerruf? NJW 2003, 187, 188.

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3. Kapitel: Gebrauchsbedingte Wertminderung

gabe entscheidet.35 Auch dem durchschnittlichen Verbraucher ist sehr wohl bewusst, dass er eine Sache nicht gebrauchen und sie später kostenlos an der Verkäufer zurücksenden kann. Solche Interessen sind nicht schutzwürdig, würden zu Missbrauch anleiten und Unternehmern unnötigerweise schwere Schäden zufügen. Dass die Fernabsatzrichtlinie durch die Gewährung eines Widerrufsrecht den Unternehmer nicht unkalkulierbaren Kosten aussetzen möchte, zeigt sich insbesondere in Art. 6 Abs. 3, wonach kein Widerrufsrecht besteht, wenn es sich um Maßanfertigungen oder schnell verderbliche Waren handelt. Die Wertersatzpflicht des Verbrauchers, der die Sache unnotwendigerweise in Gebrauch genommen hat, liegt deshalb nicht nur im Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzebers, sondern ist auch notwendig, um Missbrauch zu verhindern und den Unternehmer keinen übermäßigen Kosten auszusetzen. Andererseits soll den Verbraucher die Wertersatzpflicht nicht unvorbereitet treffen. Deshalb sieht § 357 Abs. 3 BGB vor, dass der Verbraucher nur dann zum Wertersatz verpflichtet ist, wenn er spätestens bei Vertragsabschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen wurde, eine unnötige Verschlechterung der Sache zu vermeiden. Damit der Verbraucher die Möglichkeit behält, die Leistung des Unternehmers zu prüfen und erst dann über die Ausübung eines Widerrufsrechtes zu entscheiden, sind von dieser Wertersatzpflicht darüber hinaus gemäß § 357 Abs. 3 BGB jene Verschlechterungen ausgenommen, die ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll der Verbraucher beispielsweise schriftlich darauf hingewiesen werden, dass er ein Buch zur Prüfung des Inhalts und der Fehlerfreiheit aus der Verpackung nehmen und auch durchblättern kann. Eine darüber hinausgehende Nutzung, die dazu führt, dass der Unternehmer das Buch nicht mehr als neu verkaufen kann, führt hingegen zu einer Wertersatzpflicht.36 Ebenso soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein Verbraucher darauf hingewiesen werden können, dass er einen im Fernabsatz erworbenen PKW auf einem Privatgelände testen möge bevor er über die Ausübung seines Widerrufsrecht entscheidet, widrigenfalls er den mit der Erstzulassung des Fahrzeugs verbundenen Wertverlust von bis zu 20% ersetzen muss.37 Die Annahme einer solchen Obliegenheit wurde mitunter wegen der mit einer solchen Probefahrt verbundenen Schwierigkeiten als praktisch undurchführbar kritisiert.38 Aus den Vorgaben des Gesetzes ergibt sich jedenfalls, dass eine Prüfung der Ware unter möglichster Schonung der Interessen des Unternehmers erfolgen muss.39 Ob eine bestimmte Vorgehensweise dem Verbraucher 35 So auch Rott, in Micklitz / Pfeiffer / Tonner / Willingmann, Schuldrechtsreform 285 und Kaiser in Westermann, Schuldrecht 197. 36 BT-DS 14 / 6040, 200. 37 BT-DS 14 / 6040, 200. 38 I.d.S. Artz, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler (2001), 252 und Medicus, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, 15. Aufl. (2004) § 50 III 2 , Rdnr. 261. 39 Tendenziell anders Schwab in Schwab / Witt, Schuldrecht 221 ff., der dem Verbraucher bei Prüfung der Kaufsache weite Spielräume einräumt, was aber in offensichtlichen Konflikt

F. Schlussfolgerungen

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noch zuzumuten ist hängt sicher von einer Abwägung der betroffenen Interessen ab. Die Organisation einer Probefahrt auf Privatgrund ist freilich mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden, die dem Verbraucher aber angesichts des beträchtlichen Wertverlustes, den der Unternehmer bei Rücknahme eines bereits zugelassenen Fahrzeuges tragen müsste, wohl zumutbar sind.

F. Schlussfolgerungen 1. Wertersatzpflicht als Bestandteil der strengen Herausgabepflicht Wie sich gezeigt hat, ist die strenge Herausgabepflicht immer mit der Verpflichtung zum Ersatz der durch den Gebrauch bedingten Wertminderung verbunden. Jene gesetzgeberischen Wertungen, die eine Verpflichtung zum Ersatz des objektiven Nutzungswertes rechtfertigen, können auch eine Ersatzpflicht für die gebrauchsbedingte Wertminderung begründen. Im Sachen- und Bereicherungsrecht ergibt sich Wertersatzpflicht schon aus einem Schadensersatzanspruch. Bei der Rückabwicklung von Verträgen zeigt sich hingegen, dass diese Ersatzpflicht nicht immer verschuldensabhängig ist. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Risikoverteilung. Die Gefahr der zwischenzeitlichen Wertminderung trägt jene Vertragspartei, die das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat. Die Bösgläubigkeit des Schuldners, die Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruches und das Einstehenmüssen für das Scheitern eines Vertrages bewirken eine besondere Verantwortlichkeit des Herausgabepflichtigen, die sowohl den Ersatz des objektiven Gebrauchswertes als auch eine Haftung für die zwischenzeitliche Wertminderung begründet. 2. Das Verhältnis von Nutzungsvergütung und Wertersatz Das BGB hält die Nutzungsvergütung und den Ersatz der Wertminderung nicht immer streng auseinander. So sieht § 503 BGB für Teilzahlungsgeschäfte vor, dass bei der Bemessung der Vergütung von Nutzungen einer zurückzugewährenden Sache auf die inzwischen eingetretene Wertminderung Rücksicht zu nehmen sei. Wie schon dargestellt, geht die Rechtsprechung aber ganz zurecht davon aus, dass der Schuldner jedenfalls für die volle Wertminderung haftet, weil nur so der Rücktrittsberechtigte voll entschädigt werden kann.40 Nutzungsvergütung und Wertersatz sind grundsätzlich zwei verschiedene Ansprüche. Während der Anspruch auf Nutmit den klaren Absichten des Gesetzgebers gerät, den Unternehmer vor unnötigen Verlusten zu bewahren. 40 Grundlegend BGH 22. 12. 1955 BGHZ 19, 330.

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3. Kapitel: Gebrauchsbedingte Wertminderung

zungsvergütung der Abschöpfung des unrechtmäßig erhaltenen Gebrauchsvorteils dient, bezweckt der Anspruch auf Ersatz der Wertminderung eine Entschädigung des Herausgabeberechtigten. Ein Wertersatz für die „gebrauchsbedingte Abnutzung“ kann nur alternativ zur Nutzungsvergütung geltend gemacht werden. In diesem Sinne sieht § 346 Abs. 2 BGB vor, dass der Ersatz der durch die „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung“ ausgeschlossen ist, weil in der Nutzungsvergütung schon eine Entschädigung für die gewöhnliche Abnutzung enthalten ist.41 Die Zuerkennung eines Anspruchs auf Wertersatz für die gebrauchsbedingte Abnutzung neben einer Nutzungsvergütung würde den Herausgabeberechtigten ungerechtfertigt begünstigen.42 Auch ein Eigentümer muss entscheiden, ob er sein Eigentum nutzt und eine Wertminderung durch Abnutzung in Kauf nimmt, oder aber auf eine Nutzung verzichtet und den Substanzwert erhält. Niemals aber kann er beides für sich beanspruchen. „Sonstige Verschlechterungen“, die während der Nutzungsdauer eingetreten sind und nicht im Rahmen der Nutzungsvergütung berücksichtigt wurden, sind hingegen neben der Nutzungsvergütung ersatzfähig. Typische Fälle sonstiger Wertminderungen sind beispielsweise Unfallschäden bei Kfz.43 Aber auch der Neuwertverlust, der dadurch entsteht, dass die Sache nicht mehr als Neuware veräußert werden kann, wird nicht von der Nutzungsvergütung abgegolten, was einen gesonderten Anspruch auf Entschädigung begründet. Das Verhältnis von Nutzungsvergütung und Wertersatz erfordert deshalb eine Unterscheidung von „gebrauchsbedingter Abnutzung“, deren Entschädigung schon in der Nutzungsvergütung enthalten ist, und „sonstiger Wertminderung“, die zusätzlich zur Nutzungsvergütung ersatzfähig ist. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zu § 346 Abs. 2 BGB haftet der Herausgabepflichtige neben der Nutzungsvergütung ganz allgemein für „Substanzverletzungen oder Abnutzungen infolge übermäßigen Gebrauchs“.44 Dabei ist allerdings Vorsicht geboten. Oft wird der „übermäßige Gebrauch“ schon im Rahmen der Nutzungsvergütung Berücksichtigung gefunden haben, was weitergehende Ansprüche ausschließt. Auch Beschädigungen der Sache sind oft typische Folgen des Gebrauchs, und damit schon in der Nutzungsvergütung enthalten, wie dies etwa auf Steinschläge am Lack eines Fahrzeuges zutreffen kann, wodurch keine weiteren Ersatzansprüche bestehen. Entscheidendes Kriterium ist, ob für die jeweilige Wertminderung bereits im Rahmen der Nutzungsvergütung entschädigt wurde. BT-DS 14 / 6040, 193. Faust in Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (2002) 245 f. 43 A. A. Kaiser, JZ 2001, 1061, Schwab, JuS 2002, 633 und ders in Schwab / Witt, Schuldrecht, 194, die entgegen der hier vertretenen Auffassung die Freistellung des Herausgabepflichtigen als Kehrseite einer angeblichen Nutzungspflicht verstehen. Diese Auffassung würde den Herausgabegläubiger, der seine Sache wiedererhalten möchte, in unerklärlicher Weise zum kostenlosen Versicherer des Schuldners machen. 44 BT-DS 14 / 6040, 196. 41 42

F. Schlussfolgerungen

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3. Vereinfachte Bemessung von Nutzungsvergütung und Wertersatz Die strenge Haftung verpflichtet den Schuldner sowohl zur Nutzungsvergütung als auch zum Wertersatz. Die Nutzungsvergütung für fabrikneue Gegenstände mit beschränkter Nutzungsdauer bemisst sich nach ganz herrschender Meinung nach der aliquoten Wertminderung der Sache. Nach der hier vertretenen Auffassung ist jenem Betrag noch eine Verzinsung des Anlagekapitals hinzuzurechnen. Der Umstand, dass die strenge Herausgabepflicht immer auch zum Wertersatz verpflichtet, erlaubt in der Praxis den Verzicht auf eine strenge Abgrenzung zwischen Nutzungsvergütung und Wertersatzpflicht und ermöglicht damit ein vereinfachtes Bemessungsverfahren, bei dem nicht zwischen gebrauchsbedingter Abnutzung und Neuwertverlust unterschieden wird. Die Herausgabepflicht ergibt sich dann aus dem tatsächlich eingetretenen Wertverlust zuzüglich einer Verzinsung des Kapitalwertes. Dies soll anhand folgenden Beispiels illustriert werden: Wird der Kauf einer Computeranlage im Wert von 2.000 Euro wegen Zahlungsverzug ein Jahr nach Übergabe des Geräts rückabgewickelt, und stellt der Sachverständige fest, dass die Anlage jetzt einen Wiederverkaufswert von nur mehr 1.000 Euro hat und solche Anlagen für gewöhnlich eine Nutzungsdauer von 5 Jahren haben, so ergibt sich für die Ansprüche des Verkäufers Folgendes: Wie oben ausgeführt errechnet sich die Nutzungsvergütung bei Neuwaren aus dem aliquoten Anteil an der Wertminderung während der typischen Nutzungsdauer eines Erstkäufers (400 Euro) zuzüglich einer 4%-igen Verzinsung des Kapitalwertes (80 Euro). Dies ergibt eine Nutzungsvergütung von 480 Euro. Zusätzlich schuldet der Käufer den Ersatz des Neuwertverlustes, also jenen Anteil an der Wertminderung, die nicht auf die gebrauchsbedingte Abnutzung zurückzuführen ist, was im konkreten Fall einen zusätzlichen Anspruch auf 600 Euro ergibt. Im Sinne eines vereinfachten Bemessungsverfahrens ergibt sich der Herausgabeanspruch aus der tatsächlich eingetretenen Wertminderung zuzüglich einer Verzinsung des Anlagekapitals. Dies erlaubt dem Gericht, von der Feststellung einer durchschnittlichen Gebrauchsdauer abzusehen. So ergibt sich im Beispiel der Computeranlage schon aus der Verzinsung des Sachwertes iHv. 80 Euro und dem Wertverlust nach Ablauf der einjährigen Nutzungsdauer iHv. 1.000 Euro einen Vergütungsanspruch von 1.080 Euro. Der so errechnete Anspruch umfasst sowohl den Gebrauchswert als auch die Neuwertminderung.

5 Thunhart

4. Kapitel

Milde Herausgabepflicht A. Bereicherungsrecht Ansprüche gegen den redlichen und unverklagten Bereicherungsschuldner sind gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, soweit er „nicht mehr bereichert ist“. Diese Beschränkung der Ersatzpflicht auf den noch vorhandenen Vermögensvorteil soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sicherstellen, dass der gutgläubige Schuldner durch die Rückforderung keinen Schaden erleidet.1 Dementsprechend erachtet auch die heutige Rechtsprechung als den „obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts“, dass die Herausgabepflicht des gutgläubigen Schuldners keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus führen dürfe.2 Dies erklärt sich aus der Überlegung, dass dem gutgläubigen Schuldner zugebilligt werden muss, über die Sache frei zu verfügen, zumal er seine fehlende Berechtigung weder kannte noch kennen musste, und ihm deshalb auch keine Nachteile aus der Nichtbeachtung der fremden Berechtigung erwachsen dürfen.3 Verfügungen über die fremde Sache, die der Schuldner im Vertrauen auf seine Berechtigung vorgenommen hat, sollen ihm später nicht zum Nachteil gereichen. Die Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung schützt damit den gutgläubigen Schuldner vor Nachteilen aus Verfügungen, die er im Vertrauen auf seine Berechtigung getroffen hat.4 Im Gegensatz zur strengen Nutzungsersatzpflicht, wo unabhängig von den Verfügungen des Schuldners der objektive Gebrauchswert ersetzt wird, ist die milde Bereicherungshaftung auf jenen Vermögensvorteil beschränkt, den sich der Schuldner durch den Gebrauch der fremden Sache verschafft hat. Der Vorteil aus der Nutzung einer fremden Sache liegt dabei typischerweise im Umstand, dass sich der Herausgabepflichtige anderweitige Aufwendungen erspart hat.5 Wie hoch diese Ersparnis angesetzt werden darf, hängt im Sinne eines hypothetischen KausalverProt. 2984 ff. (Ges. Mat. Bd. 2, 1183 f.). So ausdrücklich BGH 19. 1. 1951 BGHZ 1, 75; 7. 1. 1991 BGHZ 55, 128; 17. 6. 1992 NJW 1992, 2415; 21. 3. 1996 BGHZ 132, 198. 3 Prot. 2982 (Ges. Mat. Bd. 2, 1182). 4 So schon von Tuhr, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, FS-Becker (1907) 291, 294 ff.; Reuter / Martinek, Bereicherung, § 17 III 2; Esser / Weyers, Schuldrecht, 7. Aufl., Bd. 2 (1991) § 51 II 2; Larenz / Canaris, Schuldrecht-BT § 73 I 1 b. 5 Prot. 2989 (Ges. Mat. Bd. 2, 1184 f.). 1 2

B. Ansprüche gegen den Besitzer

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laufs davon ab, wie sich der Bereicherungsschuldner verhalten hätte, wenn er nicht über die fremde Sache verfügen hätte können.

B. Ansprüche gegen den Besitzer 1. Wertungswidersprüche im Vergleich zum Bereicherungsrecht Gemäß § 993 Abs. 1 BGB ist der gutgläubige Besitzer von der Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzungen befreit. Nur solche Früchte müssen herausgegeben werden, die nach den Regeln einer ordentlichen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind (sogenannte Übermaßfrüchte). Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die sachenrechtlichen Vorschriften auch alle bereicherungsrechtlichen Ansprüche verdrängen. Selbst wenn sich der gutgläubige Besitzer durch den Gebrauch einer fremden Sache eigene Aufwendungen erspart hat und somit fortdauernd bereichert ist, müsse er diesen Vermögensvorteil nicht herausgeben.6 Im Vergleich zum Bereicherungsrecht, wo auch der redliche Schuldner gemäß § 818 Abs. 3 BGB zumindest den verbliebenen Vermögensvorteil herauszugeben hat, bedeutet die völlige Freistellung des redlichen Besitzers eine schon auf den ersten Blick kaum einsichtige Privilegierung. Die Widersprüchlichkeit zwischen sachen- und bereicherungsrechtlichen Vorschriften wurde schon in der Entstehungsgeschichte des BGB als problematisch erkannt. So wurde in den Beratungen zum Bereicherungsrecht vorgebracht, dass es keinen Unterschied machen könne, ob eine zum Eigentum geeignete Sache herausgegeben werden muss, oder ob es sich um ein nutzbares Recht handelt.7 Eine Harmonisierung der beiden Vorschriften ist im Gesetzgebungsprozess jedoch nicht geglückt. So wurde in den Beratungen zum Bereicherungsrecht zwar erwogen, die Regelungen an das Sachenrecht anzupassen, doch wurde ein entsprechender Antrag abgelehnt, weil die Verpflichtung zur Herausgabe des verbliebenen Vermögensvorteiles als notwendig erachtet wurde, um nicht „dem Bereicherten einen ganz ungerechtfertigten Vorteil zuzuwenden, den Rückfordernden aber unbillig zu benachteiligen“.8 Die Textierung des § 993 BGB stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest. Eine wörtliche Interpretation des BGB würde deshalb nicht selten zu groben Wertungswidersprüchen führen: Hat der gutgläubige Schuldner beispielsweise aufgrund eines nichtigen Kaufvertrages Eigentum erworben, schuldet er gemäß § 818 BGB die Herausgabe der Nutzungen. War aber auch die Übereignung unwirksam, so ist er nach dem Wortlaut des § 993 BGB von der Herausgabepflicht befreit. Eine 6 M. w. N. Baur / Stürner, Sachenrecht, B II § 11 Rn 34; a.A. aber Pinger, Funktion 57 und ders, Die Nebenfolgen der Vindikation im Anspruchssystem des BGB, JR 1973, 268, 272. 7 Prot. 2995 (Ges. Mat. Bd. 2, 1186). 8 Prot. 2996 (Ges. Mat. Bd. 2, 1186).

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

solche Rechtslage hätte zur Folge, dass der Käufer, der die stärkere Position des Eigentümers erworben hat, im Rahmen der Rückabwicklung schlechter gestellt wäre als der unberechtigte Besitzer.9 Um dies zu vermeiden, werden verschiedenste Maßnahmen ergriffen: Die Rechtsprechung stellt in einem wenig überzeugenden Analogieschluss den rechtsgrundlosen dem unentgeltlichen Erwerb gleich.10 Die überwiegende Auffassung in der Literatur gewährt hier hingegen ausnahmsweise bereicherungsrechtliche Ansprüche.11 Natürlich können durch solche rechtswissenschaftliche Nachbesserungsarbeiten gröbste Ungereimtheiten vermieden werden. Beide Vorgangsweisen bekämpfen aber bloß die Symptome, nicht jedoch die Ursachen der Ungleichbehandlung und lassen die Privilegierung des Besitzers im Restanwendungsbereich der Vorschrift weiterhin aufrecht. 2. Die Motive der Privilegierung des redlichen Besitzers In den Beratungen zu § 993 BGB wurde die Freistellung des gutgläubigen Besitzers mit der Überlegung begründet, dass die regelmäßige Kondizierbarkeit der Nutzungen zu einer „Überspannung des Eigentumsschutzes“ führen würde und eine „schadensbringende Haftung ohne Verschulden des Haftenden“ zur Folge hätte.12 Ebenso wie im Bereicherungsrecht soll damit der gutgläubige Schuldner vor Vermögensnachteilen geschützt werden, die ihm durch eine unbeschränkte Herausgabepflicht entstehen könnten. Gerade die Herausgabe des noch vorhandenen Vermögensvorteils würde aber zu keiner Schädigung, sondern bloß zu einer Abschöpfung der unrechtmäßigen Bereicherung führen. Insoweit kann diese Rechtfertigung nicht überzeugen. Das Recht des gutgläubigen Besitzers an den Früchten ist freilich keine Erfindung des BGB. Die Materialien verweisen auf gleichlautende Bestimmungen in anderen Kodifikationen, insbesondere auf Art. 549 Code Civil und § 330 des österreichischen ABGB, die sich wiederum auf das römische Recht zurückführen lassen.13 Dies macht es nötig, die Rechtfertigung der Privilegierung des Besitzers in diesen Rechtsordnungen zu suchen. In Frankreich wird die Freistellung des gutgläubigen Besitzers in Art. 549 Code Civil vor allem mit der Überlegung begründet, dass die Erträge einer Sache gewöhnlich nicht zur Kapitalisierung bestimmt sind und die Herausgabe langfristiger Nutzungen den Besitzer überfordern könnte, zumal er diese Ersatzpflicht nicht vorhersehen konnte.14 Dieser Gedanke lässt sich auf das römische Recht zurückfühDazu Roth, JuS 2003, 941 f. BGH 9. 7. 1982 NJW 1983, 164; 3. 11. 1989 BGHZ 109, 179 ua. 11 M. w. N. Staudinger-Gursky (1999) Vorbem zu §§ 987 – 993, Rdnr. 41 ff. 12 Mot. 401 (Ges. Mat. Bd. 3, 223). 13 Mot. 401 (Ges. Mat. Bd. 3, 223). 14 Zénati, Les biens 2. Aufl. (1997) Rn. 362; Terré / Simmler, Les biens, 4. Aufl. (1992) Rn. 174; Jourdain, Les biens (1995) Rn. 44. 9

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B. Ansprüche gegen den Besitzer

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ren, das die Freistellung mitunter davon abhängig machte, ob die Früchte bereits verbraucht wurden.15 Auch die Vorentwürfe zum österreichischen ABGB schränkten das Recht des gutgläubigen Besitzers ursprünglich auf „fructis consumptis“ ein.16 Der Eigentümer sollte aber einen Anspruch auf die Früchte haben, soweit diese gegenständlich oder wertmäßig noch im Vermögen des Schuldners vorhanden sind.17 Die Freistellung bezüglich verbrauchter Früchte erklärt sich hier aus der Überlegung, dass der Besitzer in solchen Fällen zumeist nicht mehr bereichert ist. Später wurde die Freistellung des Besitzers auch im österreichischen Recht auf alle Nutzungen ausgedehnt. Das Argument des gutgläubigen Verbrauchs und der wirtschaftlichen Überforderung kann freilich nur eine Freistellung hinsichtlich tatsächlich verbrauchter Früchte rechtfertigen, nicht aber für Vermögensvorteile gelten, über die der Besitzer noch verfügt. Eine andere Erklärung findet sich ebenfalls bereits in römisch-rechtlichen Quellen, wo das Recht des redlichen Besitzer an den Früchten als Entschädigung für die Bearbeitung und Pflege des Bodens verstanden wurde.18 Diese Auffassung findet sich auch in den Beratungen zum österreichischen ABGB, wo das Recht des Besitzers an den Früchten mit der restriktiven Ausgestaltung seiner Aufwandersatzansprüche gerechtfertigt wurde.19 Diese Gegenverrechnung scheint aber nur in jenen Fällen sachgerecht, in denen die Nutzungen als Äquivalent der investierten Aufwendungen gelten können. Tatsächlich ist aber nicht jeder Nutzungsvorteil mit eigenen Aufwendungen verbunden. Es wäre absurd den Besitzer, der über mehrere Jahre in einer fremden Wohnung wohnte, unter Hinweis auf angebliche Aufwendungen von seiner Nutzungsersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer zu befreien. Selbst bei landwirtschaftlich genutzten Flächen geht dieses Argument ins Leere, wenn der Besitzer das Grundstück, anstatt es selbst zu bewirtschaften, verpachtet und nun ohne eigene Aufwendungen in den Genuss des Pachtzinses für ein fremdes Grundstück kommt. Ein weiterer Erklärungsversuch beherrscht die österreichische Auffassung, wo die Freistellung des redlichen Besitzers fast ausschließlich als Entschädigung für den Verlust des Kaufpreis verstanden wird, den dieser an einen Dritten bezahlt hat.20 Die aktuelle österreichische Rechtsprechung geht sogar so weit, die Privilegierung des redlichen Besitzers in § 330 ABGB überhaupt auf solche Fälle einzuschränken, in denen der Besitzer einen Kaufpreis an Dritte entrichtet hat, wähInst. 2.1, 35 Codex Theresianus II 3, 83; Entwurf Horten II 2, 19. 17 Harrasowsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitung, Bd. 5 (1886) 86 FN 6. 18 Inst 2.1, 35; dazu ausführlich Apathy, Das Recht des redlichen Besitzers an den Früchten, JBl 1978, 520 ff. 19 Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungsprotokolle zum österreichischen ABGB, Bd. 1 (1889, Nachdr. 1976) 234 f. 20 Wilburg, Bereicherung 123; Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis (1973) 220; F. Bydlinski in Klang (Hrsg.), Kommentar zum ABGB, Bd. 6, 2. Aufl. (1951) 474; i. d. S. auch Zeiller, Commentar über das ABGB, Bd. 2 / 1 (1811) 69 f. 15 16

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

rend in allen anderen Fällen Nutzungen sehr wohl herausgabepflichtig sind.21 Es ist gut vorstellbar, dass auch der deutsche Gesetzgeber bei § 993 BGB derartige Konstellationen vor Augen hatte. So wäre nämlich erklärlich, dass der redliche Besitzer, der eine Sache unentgeltlich erworben hat, nach der ausdrücklichen Regelung des § 988 BGB sehr wohl zur Herausgabe der verbliebenen Bereicherung verpflichtet ist. Die Verrechnung mit dem Verlust des Kaufpreises entspricht daher dem allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsatz, dass der gutgläubige Schuldner alle Nachteile einwenden kann, die ihm entstanden sind, und überhaupt freigestellt wird, wenn er durch den Gebrauch der Sache keinen bleibenden Vermögensvorteil erlangt hat. Ebenso liegt aber auf der Hand, dass diese Argumentation nicht greifen kann, wenn der Besitzer den Kaufpreis von seinem Vormann herausfordern kann. Insbesondere für die Rückabwicklung von Verträgen im zweipersonalen Verhältnis muss eine Freistellung im Hinblick auf den geleisteten Kaufpreis absurd erscheinen, zumal der Besitzer hier vom Eigentümer selbst den Kaufpreis zurückerhält.22 Im römischen Recht wurde die gänzliche Freistellung des gutgläubigen Besitzers gelegentlich auch mit der Vorstellung gerechtfertigt, dass der gutgläubige Besitzer an die Stelle des Eigentümers trete.23 Die bildliche Gleichstellung mit dem Eigentümer lässt sich wohl auf den Gedanken zurückführen, dass der redliche Besitzer wie ein Eigentümer frei über die fremde Sache verfügen kann, ohne hiefür schadensersatzpflichtig zu werden.24 Inwieweit das heutige Recht durch diese Auffassung beeinflusst wurde, lässt sich schwer beurteilen; zumindest in den Beratungen zum österreichischen ABGB wurde dieser Rechtsgedanke als unbegründet verworfen: Der gute Glaube könne den Besitzer zwar vor einer Haftung schützen, ihm aber kein Recht an den Nutzungen einer fremden Sache verschaffen.25 Schließlich erweist sich diese Eigentümerfiktion gerade im Verhältnis zum wahren Eigentümer als unhaltbar, zumal der redliche Glaube an die eigene Berechtigung nicht stärker sein kann als das Recht des wahren Eigentümers. Im 19. Jahrhundert werden schließlich bloße Praktikabilitätserwägungen als Rechtfertigung für die umfassende Freistellung des redlichen Besitzers angeführt.26 In diesem Sinne befürchtete der österreichische Gesetzgeber, dass der Besitzer in den zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten „auf eine drückende Art“ und für ihn unerwartet mit dem Nachweis der eigenen Aufwendungen belastet würde.27 21 OGH 22. 4. 1997 SZ 70 / 69 = JBl 1998, 49; 9. 11. 1995 ecolex 1996, 855; 15. 1. 1987 SZ 60 / 6 = JBl 1987, 513 ua. 22 So zur österreichischen Rechtslage Apathy, JBl 1978, 520. 23 D 22,1, 25, 1; M. w. N. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 9. Aufl. (1906) 932; Schey, Über den redlichen und unredlichen Besitzer, FS-Unger (1898) 413 (444) und Apathy, JBl 1978, 512; so auch ALR I 6 § 176; eher einschränkend aber D 41, 1, 48 pr. 24 § 993 BGB; besonders deutlich § 329 ABGB; vgl. auch ALR I 6 § 176. 25 Ofner, Ur-Entwurf, Bd. 1, 232. 26 M. w. N. Randa, Das Eigentumsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. (1893) 377. 27 Ofner, Ur-Entwurf, Bd. 1, 234 f.

B. Ansprüche gegen den Besitzer

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Dabei wurde durchaus eingeräumt, dass es sich „nach dem Naturrechte“ schwer beweisen lasse, dass dem redlichen Besitzer ein Vorteil aus der fremden Sache zukommen soll. Doch könne die „bürgerliche Gesetzgebung“ dem Redlichen diesen Vorteil zuweisen, um „verwickelte Streitigkeiten und Berechnungen“ hintanzuhalten“.28 Auch in Frankreich wird Art 549 Code Civil heute als vereinfachende Pauschalierung der Gegenansprüche des Besitzers verstanden.29

3. Notwendige Einschränkung des Besitzerprivilegs Die Entstehungsgeschichte der Vorläuferbestimmungen zu § 993 BGB zeigt, dass sich die Freistellung ursprünglich auf Fälle beschränkte, in denen der redliche Besitzer durch die Nutzung der fremden Sache keinen bleibenden Vermögensvorteil erhalten hat, etwa weil die Früchte und Erträge schon gutgläubig verbraucht wurden oder den erwirtschafteten Erträgen ebenso hohe Gewinnungskosten gegenüberstehen. Erst später wurde die Freistellung des redlichen Besitzer vor allem aus Praktikabilitätserwägungen pauschal auf alle Nutzungen ausgedehnt. Fraglich scheint, ob bloße Praktikabilitätserwägungen diese Privilegierung des Besitzers rechtfertigen können. In den Beratungen zum Bereicherungsrecht des BGB wurde vereinzelt die Auffassung vertreten, dass die Verpflichtung zum Nachweis der vermögensmindernden Ausgaben besonders bei längeren Zeiträumen zu „Zweifeln und Streitigkeiten“ Anlass geben könnte.30 Jedoch reichte dieses Argument für eine Freistellung des Empfängers für die Mehrheit nicht aus, zumal solche Beweisschwierigkeiten nicht überschätzt werden dürfen und die Rechtsprechung dem Empfänger den nach den Umständen gerechtfertigten Schutz nicht versagen werde.31 Tatsächlich geben die bisherigen Erfahrungen im Bereicherungsrecht keinen Anlass zur Annahme, der Herausgabepflichtige wäre durch den Beweis eigener Aufwendungen oder sonstiger vermögensmindernder Umstände überfordert. Überhaupt entspricht eine Vermutung, wonach die Verfügbarkeit einer fremden Sache im Regelfall zu keinem bleibenden Vermögensvorteil führt, heute nicht mehr der Realität. Im bäuerlichen Milieu des 19. Jahrhunderts scheint eine Pauschalverrechnung der Erträge mit den Erwirtschaftungskosten noch eher plausibel. Das moderne Wirtschaftsleben basiert hingegen auf sehr exakten Kostenrechnungen, in denen sich die Nutzung einer fremden Sache jedenfalls als Investitionskostenvorteil niederschlägt, der sich im Regelfall exakt bestimmen lässt. Auch für den modernen Konsumenten bedeutet die Verfügbarkeit einer fremden Sache in aller Ofner, Ur-Entwurf, Bd. 1, 232. Piedelièvre, Encyclopedie juridique Dalloz – Répertoire de droit civil (1997) fruits, Rn. 56. 30 Prot. 2987 (Ges. Mat. Bd. 2, 1184). 31 Prot. 2996 (Ges. Mat. Bd. 2, 1186). 28 29

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

Regel eine klar bestimmbare Ausgabenersparnis. Mit gutem Grund wird heute vor allem in Frankreich und Österreich die Frage gestellt, ob diese „veraltete römische Regel“ im modernen Wirtschaftsleben nicht längst ihre Berechtigung eingebüßt hat.32 Es soll nicht bestritten werden, dass die Feststellung des noch vorhandenen Vermögensvorteils sich mitunter aufwändig gestalten kann. Bloße Schwierigkeiten im Beweisverfahren dürfen jedoch nicht dazu führen, dass ein berechtigter Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen von vornherein verneint wird. Das gilt vor allem in jenen Fällen, in denen offensichtlich ist, dass der Besitzer einen bleibenden Vermögensvorteil erlangt hat, der ihm nicht zusteht. Selbst bei landwirtschaftlich genutzten Flächen erscheint die Abweisung des Herausgabeanspruchs unter Hinweis auf Beweisschwierigkeiten grob unbillig, wenn es sich um ein verpachtetes Grundstück handelt und der Besitzer ohne eigenes Zutun in den Genuss von Geldzahlungen gekommen ist, die an sich dem Eigentümer gebühren. Freilich obliegt es der Autonomie des Gesetzgebers, im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität solche Pauschalregelungen vorzusehen.33 Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers findet aber dort ihre Grenze, wo gleichheitswidrige Ergebnisse erzielt werden. Der Umstand, dass ein gutgläubiger Bereicherungsschuldner den noch vorhandenen Vermögensvorteil herausgeben muss, währen der redliche Besitzer aus Praktikabilitätserwägungen nach dem Wortlaut des § 993 BGB völlig freigestellt wird, führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Selbst wenn man die sachenrechtliche Position des Herausgabepflichtigen als wertungsrelevantes Kriterium erachtete, bliebe völlig unerklärlich, weshalb der Besitzer, der sich irrig für den Eigentümer hält, besser gestellt wird als der wahre Eigentümer. Dass gleichheitswidrige Ergebnisse in der Rechtsanwendung korrigiert werden müssen, ergibt sich schon aus dem Gebot der verfassungskonformen Interpretation und ist unbestritten.34 Besonders im Bereicherungsrecht und anhand der Vorschriften über den Rücktritt vom Vertrag ist ersichtlich, dass nach den Wertungen des Gesetzgebers ein ungerechtfertigt erlangter Vermögensvorteil jedenfalls herausgabepflichtig ist und selbst der redliche Schuldner sich nicht auf Kosten eines anderen bereichern soll. Die Freistellung des Besitzers führt nicht nur zu dessen ungerechtfertigten Bereicherung, sondern auch zu einer Schädigung des Eigentümers, die sich mit den Wertungen des BGB nicht vereinbaren lässt. Das Fehlen einer Verpflichtung zur Herausgabe des noch vorhandenen Vermögensvorteils in § 993 BGB stellt demnach 32 Wilburg, Bereicherung 123; Piedelièvre, Encyclopedie juridique Dalloz (1997) fruits, Rn. 56. 33 Um diesen Effekt nicht wieder rückgängig zu machen, dürfen „strikte Ordnungsvorschriften“ an sich auch nicht ihres pauschalen Anwendungsbereiches beraubt werden; dazu Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. (1982) 192. 34 Zur Zulässigkeit der Rechtsfortbildung bei gleichheitswidrigem Gesetzeswortlaut Canaris, Lücken 71 ff.

C. Herausgabe der gezogenen Nutzungen

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eine verdeckte Regelungslücke dar, die durch eine teleologische Reduktion geschlossen werden muss.35 Die Freistellung des redlichen Besitzers soll nach den klaren Vorstellungen des Gesetzgebers gewährleisten, dass der schuldlose Herausgabepflichtige durch den Rückforderungsanspruch keinen Nachteil erleidet.36 Der Wortlaut des § 993 BGB schießt aber über den Zweck der Vorschrift hinaus: Hat der Besitzer durch den Gebrauch der fremden Sache einen bleibenden Vermögensvorteil erlangt, so bedeutet die Freistellung nämlich nicht nur, dass er keinen Schaden erleidet, sondern ganz im Gegenteil sogar eine rechtsgrundlose Bereicherung auf Kosten des Eigentümers. Eine teleologische Reduktion hat zur Folge, dass die in § 993 BGB vorgesehene Freistellung nur dann anwendbar ist, wenn der redliche Besitzers sich durch die Nutzung der fremden Sache keinen bleibenden Vermögensvorteil verschafft hat. Wohl aber ist auch der redliche Besitzer zur Herausgabe der verbliebenen Bereicherung verpflichtet. Der gutgläubige Besitzer wird im Restanwendungsbereich des § 993 BGB freigestellt, wenn er nachweisen kann, dass der Gebrauch der fremden Sache für ihn mit keiner Ausgabenersparnis verbunden war oder er andere vermögensmindernde Aufwendungen tätigen musste, die den Vorteil übersteigen, der mit dem Gebrauch der Sache verbunden war. In diesem Sinne führt vor allem der Umstand, dass der Besitzer für die Sache einen Kaufpreis bezahlt hat, den er nicht zurückerhält, zu einer Befreiung von der Nutzungsersatzpflicht. Kann der redliche Besitzer aber den für die Sache bezahlten Preis zurückerlangen, besteht kein Grund mehr, ihn von der Verpflichtung zur Herausgabe eines verbliebenen Vermögensvorteils zu befreien, den er durch die Nutzung einer fremden Sache erhalten hat. Diese faktische Angleichung der Herausgabepflicht an die Rechtslage im Bereicherungsrecht entspricht den Wertungen des BGB weit mehr als die Fortschreibung einer zweifelhaften römisch-rechtlichen Pauschalvorschrift, die sich im modernen Wirtschaftsleben längst überlebt hat.

C. Herausgabe der gezogenen Nutzungen Im Gegensatz zur Haftung für Nutzungen, die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft nicht gezogen wurden, stellt die Beschränkung der Herausgabepflicht auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen eine Begünstigung dar. Dieser milden Haftung unterliegt gemäß § 302 BGB der Schuldner, dessen Gläubiger sich in Annahmeverzug befindet, sowie gemäß § 346 Abs. 1 iVm. § 347 Abs. 1 BGB jene Vertragspartei, die ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, soweit ihr kein Verstoß gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten anlastet. Darüber hinaus muss auch der Käufer, der wegen der Mangelhaftigkeit der Ware den Aus35 36

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991) 377 und 391. Mot. 401 (Ges. Mat. Bd. 3, 223).

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

tausch verlangt, gemäß § 439 Abs. 4 iVm. § 346 f. BGB die während des zwischenzeitlichen Gebrauchs der mangelhaften Sache gezogenen Nutzungen ersetzen.37 Die milde Haftung erklärt sich hier in allen Fällen weniger aus Vertrauensschutzerwägungen, sondern aus dem Umstand, dass den Schuldner angesichts des Fehlverhaltens seines Gläubigers keinerlei Verpflichtung trifft, die fremde Sache ordnungsgemäß zu bewirtschaften oder sonst sinnvoll einzusetzen. Im Verhältnis zum Gläubiger, der sich in Annahmeverzug befindet beziehungsweise das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat, würde die Verpflichtung zur Herausgabe versäumter Nutzungen unbillig erscheinen. Die Beschränkung der Herausgabepflicht auf tatsächlich gezogene Nutzungen soll deshalb verhindern, dass dem Schuldner aus dem Fehlverhalten seines Gläubigers Nachteile entstehen, die er nicht verschuldet hat.38 Wenn das Gesetz die Herausgabepflicht auf tatsächlich gezogene Nutzungen beschränkt, ist der Schuldner nur für jene Vorteile ersatzpflichtig, die ihm tatsächlich zugute kommen. Wurde ein Feld nicht bestellt oder Kapital nicht zinsbringend angelegt, darf dies dem Schuldner nicht zum Nachteil gereichen. Nur tatsächlich erzielte Erträge sind herauszugeben. Fraglich ist allerdings, welche Auswirkungen diese Beschränkung der Herausgabepflicht auf tatsächlich gezogene Nutzungen für die Bemessung der Gebrauchsvergütung für bloße Konsumgüter hat. Privat-PKW, HiFi-Geräte oder Segelboote sind nämlich schon von vornherein nicht zur Erzielung von wirtschaftlichen Erträgen geeignet, die herausgegeben werden könnten. Daraus darf aber nicht abgeleitet werden, der Schuldner hätte aus dem Gebrauch solcher Gegenstände keinen Nutzen gezogen. Selbst wenn durch die fremde Sache keine wirtschaftlichen Erträge erzielt wurden, so hat der Schuldner durch deren Gebrauch doch einen Vorteil gezogen, soweit er sich anderweitige Ausgaben erspart hat. Jede andere Auffassung würde zu einer ungerechtfertigten Begünstigung des Herausgabepflichtigen führen, der sich durch die Nutzung einer fremden Sache einen bleibenden Vermögensvorteil verschaffen konnte, der ihm nicht zusteht. Die Ersparnis von Aufwendungen muss deshalb der Erzielung von Erträgen gleichgestellt werden. „Gezogene Nutzungen“ sind deshalb nicht bloß wirtschaftliche Erträge, sondern jeder bleibende Vermögensvorteil, den der Herausgabepflichtige durch den Gebrauch der fremden Sache erlangt hat. Damit entspricht die Verpflichtung zum Ersatz der gezogenen Nutzungen der bereicherungsrechtlichen Herausgabe des noch vorhandenen Vermögensvorteils gemäß § 818 Abs. 3 BGB. 37 Diese Nutzungsersatzpflicht ist höchst umstritten, was wohl vor allem daran liegt, dass über das Ausmaß dieser Ersatzpflicht weitgehend unklar scheint. Auf die gegen eine solche Nutzungsersatzpflicht vorgebrachten Argumente wird deshalb erst im Kapitel über die Bemessung der Nutzungsvergütung eingegangen. 38 Zum Gläubigerverzug Mot. 74 f. (Ges. Mat. Bd. 2, 41), so auch MünchKomm-Ernst, 4. Aufl. § 302, Rdnr. 1; Soergel-Wiedemann, 12. Aufl., § 302, Rdnr. 2. Mot. 74 f. (Ges. Mat. Bd. 2, 41); zum gesetzlichen Rücktrittsrecht nach alter Rechtslage m. w. N. MünchKommJanßen, 4. Aufl., § 347, Rdnr. 27 f.

D. Bemessung der Nutzungsvergütung

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Das Verständnis der Beschränkung der Herausgabepflicht auf gezogene Nutzungen als Synonym für die Zulässigkeit des Einwandes des Wegfalls der Bereicherung entspricht dabei durchwegs den Absichten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes: Schon nach alter Rechtslage haftete jene Vertragspartei, die ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübte, gemäß § 327 a.F. BGB und dessen analoger Anwendung im Gewährleistungsrecht nur nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften.39 Durch die Neufassung des § 347 BGB und die nunmehrige Verpflichtung zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen sollte an den Grundsätzen und der Berechnung der Nutzungsvergütung nichts geändert werden, was ebenfalls für eine Synchronisation mit der milden Bereicherungshaftung spricht.40 Die Verpflichtung zur Herausgabe des noch vorhandenen Vermögensvorteils wird auch der Interessenslage der Beteiligten gerecht: Sowohl im Fall des Gläubigerverzuges als auch beim gesetzlichen Rücktrittsrecht trifft den Gläubiger die Verantwortlichkeit dafür, dass der Schuldner über die fremde Sache verfügt. Deshalb darf dem Schuldner aus dem Fehlverhalten seines Gläubigers kein Nachteil erwachsen, was eine Begrenzung des Herausgabeanspruchs auf den beim Schuldner noch vorhandenen Vermögensvorteil erfordert.

D. Bemessung der Nutzungsvergütung 1. Grundsätzliches Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung, die Privilegierung des gutgläubigen Besitzers und die Beschränkung der Herausgabepflicht auf tatsächlich gezogene Nutzungen bewirken, dass der Schuldner nur jenen Vermögensvorteil herausgeben muss, den er durch den Gebrauch der fremden Sache erlangt hat. Dem Herausgabeberechtigten kann freilich nicht zugemutet werden, den Vermögensvorteil des Schuldners nachzuweisen.41 Deshalb verpflichtet die ständige Rechtsprechung den Schuldner auch im Rahmen der milden Haftung primär zum Ersatz des objektiven Nutzungswertes: So schuldet der redliche Benutzer eines fremden Grundstückes im typischen Fall ein marktübliches Nutzungsentgelt.42 Auch der schuldlose Eingriff in fremde Patentrechte führt für gewöhnlich zu einem Anspruch auf eine angemessene Lizenzgebühr.43 Ebenso stimmen die Berech39 Flume, NJW 1970, 1166; Soergel-Hadding, 12. Aufl., § 347, Rdnr. 10; RGRK-Ballhaus, 12. Aufl., § 347 BGB, Rdnr. 11 und Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., § 347, Rdnr. 8; BGH 14. 6. 1952 BGHZ 3, 227; 8. 1. 1970 BGHZ 53 / 144; 31. 10. 1986 JZ 1987, 675 ua. 40 BR-DS 338 / 01, 449 und 458. 41 Für das Bereicherungsrecht Prot. 2989 (Ges. Mat. Bd. 2, 1184 f.). 42 18. 4. 1956 BGHZ 20, 270; 19. 12. 1956 BGHZ 22, 395; 4. 5. 1973 NJW 1973, 1281; 23. 10. 1980 WM 1981, 129; 21. 3. 1996 BGHZ 132, 198. 43 Ausdrücklich unter Hinweis auf den Ersparnisgedanken BGH 19. 12. 2000 BGHZ 146, 217.

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

nungsmethoden bei Kraftfahrzeugen mit jenen überein, die im Rahmen der verschärften Herausgabepflicht üblich sind.44 Die vorrangige Verpflichtung zum Ersatz des objektiven Nutzungswerts rechtfertigt sich in der Vermutung, dass der Bereicherungsschuldner sich vertragliche Nutzungsentgelte, Lizenzgebühren oder die Anschaffung eines anderen Fahrzeuges erspart hat, das dann ebenso abgenutzt und entwertet worden wäre, und damit einen bleibenden Vermögensvorteil in der Höhe des objektiven Gebrauchswertes erlangt hat.45 Im Rahmen der milden Herausgabepflicht darf der Schuldner jedoch einwenden, dass der durch den Gebrauch der Sache erlangte Vermögensvorteil doch hinter dem objektiven Nutzungswert zurückgeblieben ist, wofür er allerdings die Darlegungs- und Beweislast trägt.46 Der Einwand, dass der subjektive Vorteil aus der Nutzung unter dem objektiven Gebrauchswert liegt, ist unabhängig davon zulässig, ob eine sinnvolle Nutzung der Sache nicht möglich war, auf Grund des Fehlverhaltens des Herausgabepflichtigen misslungen ist oder aber bewusst unterlassen wurde.47 Eine Befreiung tritt selbst dann ein, wenn der Schuldner im Vertrauen auf den empfangenen Vermögensvorteil über sein sonstiges Vermögen ungünstige Verfügungen getroffen oder überhaupt verschwenderische Ausgaben getätigt hat.48 Entscheidend ist lediglich, ob diese Verfügungen durch den Erhalt des fremden Vermögenswertes verursacht wurden.49 Dementsprechend stellt die Rechtsprechung bei der Ermittlung des noch vorhandenen Vermögensvorteils auf eine Gesamtbetrachtung der Vermögensverhältnisse des Bereicherungsschuldners ab, wobei sich die geschuldete Nutzungsvergütung aus der Differenz zwischen der gegenwärtigen Vermögenslage des Schuldners und jenem hypothetischen Vermögensstand ergibt, wenn der Schuldner den ungerechtfertigt erlangten Vorteil nicht erhalten hätte.50

44 Im Sinne einer linearen Teilwertabschreibung OLG Hamm 8. 7. 1970 NJW 1970, 1298 und 10. 12. 1987 NJW-RR 1988, 1140; OLG Nürnberg 12. 1. 1978 DAR 1978, 198; OLG Köln 2. 7. 1982 DAR 1982, 402; OLG München 22. 2. 1989 DAR 1989, 187. 45 BGH 18. 4. 1956 BGHZ 18, 270; OLG Nürnberg 12. 1. 1978 DAR 1978, 198; BGH 23. 10. 1980 WM 1981, 129; OLG Hamm 10. 12. 1987 NJW-RR 1988, 1140; BGH 25. 10. 1995 NJW 1996, 250; 10. 12. 2000 BGHZ 146, 217 u. v. a. 46 RG 27. 4. 1936 RGZ 151, 123; BGH 25. 10. 1989 BGHZ 109, 139; LG Frankfurt a. M. 28. 2. 1996 NJW 1997, 329. 47 Zum Einwand des Wegfalls der Bereicherung: Prot. 2987 (Ges. Mat. Bd. 2, 1184). 48 So zur Rechtslage im Bereicherungsrecht Prot. 2983 (Ges. Mat. Bd. 2, 1182 f.). 49 Für das Bereicherungsrecht Mot. 837 (Ges. Mat. Bd. 2, 1182). 50 I. d. S. zum Wegfall der Bereicherung BGH 19. 1. 1951 BGHZ 1, 75; 18. 2. 1972 WM 1972, 564 BGH 19. 1. 1951 BGHZ 1, 75; m. w. N. RGRK-Heimann-Trosien, 12. Aufl., § 818, Rn 22.

D. Bemessung der Nutzungsvergütung

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2. Günstigere Beschaffungsmöglichkeit und Rückgriff auf eigene Ressourcen Im Rahmen der milden Herausgabepflicht ist der Einwand beachtlich, dass der Schuldner, wenn er nicht auf die fremde Sache zurückgreifen hätte können, eine günstigere Beschaffungsmöglichkeit gewählt hätte.51 Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich nach einer Patentrechtsverletzung herausstellt, dass der Verletzer bei Kenntnis der fremden Rechte auf eine andere, für seine Zwecke aber gleichwertige technische Konstruktion zurückgegriffen hätte, bei der keine oder zumindest geringere Lizenzgebühren angefallen wären.52 Die Zulässigkeit dieses Einwandes ergibt sich aus der Überlegung, dass der im Vermögen des Schuldners verbliebene Vermögensvorteil bloß der durch den Gebrauch der fremden Sache erzielten Ersparnis entspricht, also jenen Kosten, die er sonst aufwenden hätte müssen. Entsprechendes gilt, wenn der Herausgabepflichtige gegebenenfalls überhaupt auf eigene Ressourcen zurückgegriffen hätte. Verwendet beispielsweise jemand aufgrund eines Irrtums über den Grenzverlauf ein benachbartes Grundstück als Lagerplatz, so hat er durch die Benutzung des fremden Eigentums keinen bleibenden Vermögensvorteil erlangt, wenn er bei Kenntnis des wahren Grenzverlaufs die Waren ebenso gut auf seinem Grund lagern hätte können und dies auch getan hätte. Im Rahmen der milden Haftung trifft den Eingreifer keine Herausgabepflicht. Der Einwand einer alternativen Beschaffungsquelle ist aber nur zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Schuldner davon gegebenenfalls auch tatsächlich Gebrauch gemacht hätte. In diesem Sinne weist Flume darauf hin, dass bei der Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufs die „vermögensmäßige Entscheidung“ des Schuldners jedenfalls berücksichtigt werden muss.53 Insbesondere bei der Rückabwicklung fehlgeschlagener Verträge kann sich der Schuldner, der sich für eine Anschaffung entschieden hat, nicht darauf berufen, er hätte auch auf eigene Ressourcen zurückgreifen können. Erfolgte beispielsweise die Benutzung eines fremden Grundstückes aufgrund eines unwirksamen Bestandvertrages, so gibt es keinen Grund zur Annahme, der Herausgabepflichtige hätte gegebenenfalls auf seine eigene Liegenschaft zurückgegriffen. Statt dessen muss davon ausgegangen werden, dass er auch in diesem Fall eine andere Liegenschaft gemietet hätte, und sich so die marktüblichen Bestandzinsen erspart hat.54 Die eigene unvernünftige Investitionsentscheidung geht damit zu Lasten des Herausgabepflichtigen und wird ihm auch im Rahmen des Nutzungsersatzes nicht abgenommen. Gursky, JR 1972, 283; im Ergebnis auch Esser / Weyers, Schuldrecht § 54 I 4. Grundsätzlich zur Ersparnis bei Patentrechtsverletzungen BGH 19. 12. 2000 BGHZ 146, 217; zum Einwand des Wegfalls der Bereicherung zutreffend Benkard-Rogge, 9. Aufl., § 139 PatG, Rdnr. 86. 53 Unter zusätzlichem Hinweis auf das Verbot des venire contra factum proprium Flume, Der Wegfall der Bereicherung in der Entwicklung vom römischen zum geltenden Recht, FSNiedermeyer (1952) 103, 154 ff. 54 I. d. S. RG 20. 12. 1920 RGZ 97, 310. 51 52

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

3. Aufgedrängte Gebrauchsvorteile und hypothetischer Verzicht Bei der rechtsgrundlosen Nutzung eines Kraftfahrzeuges ist in der Regel davon auszugehen, dass sich der Schuldner die Beschaffungskosten eines anderen, gleichwertigen Fahrzeuges ersparte.55 Dennoch lässt die Rechtsprechung den Einwand zu, dass der Schuldner, wenn er nicht über das fremde Fahrzeug verfügt hätte, sein bisheriges oder ein anderes, kostengünstigeres Fahrzeug benutzt hätte. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner arglistig zum Kauf eines kostenintensiveren Fahrzeuges verleitet wurde, das er sonst nicht angeschafft hätte.56 In solchen Fällen geht die Rechtsprechung zumeist davon aus, dass der Schuldner sein altes Fahrzeug weiterbenutzt hätte und berechnet die Nutzungsvergütung anhand der hinsichtlich des Altwagens ersparten Kosten.57 Dies hat freilich zur Folge, dass der Herausgabepflichtige in den Genuss der Vorteile eines teureren Fahrzeuges kommt, dafür aber keinen Ersatz leisten muss. Es liegt auf der Hand, dass ein luxuriöser ausgestattetes Fahrzeug durch den höheren Komfort und die stärkere Motorleistung einen höheren Gebrauchsvorteil bietet. Doch braucht sich der Herausgabepflichtige diese „aufgedrängten“ Vorteile nicht anrechnen lassen, weil ihm nach dem Ende der Benutzung kein Vermögensvorteil geblieben ist.58 Entsprechendes muss gelten, wenn der Herausgabepflichtige gegebenenfalls überhaupt auf eine solche Sache verzichtet hätte. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Schenkung eines Luxusgegenstandes widerrufen wird, den sich der Beschenkte selbst nicht leisten konnte oder wollte. Wird deshalb beispielsweise ein Schenkungsvertrag über ein Wochenendhaus widerrufen, so ist leicht vorstellbar, dass sich der Geschenknehmer durch die Nutzung des Hauses keinen Vermögensvorteil verschafft hat. Jener „ideelle“ Vorteil aber, der darin besteht, dass der Schuldner über mehrere Jahre dieses Haus nutzen konnte, wird im Rahmen der milden Herausgabepflicht nicht berücksichtigt.59 Die Unbeachtlichkeit ideeller Vorteile wird auch mit der Überlegung begründet, dass der „ungegenständliche“ Vorteil, der im bloßen Gebrauch einer Sache liegt, 55 BGH 2. 7. 1962, NJW 1962, 1909; OLG Nürnberg 12. 1. 1978 DAR 1978, 198; OLG Hamm 10. 12. 1987 NJW-RR 1988, 1140. 56 Unter Hinweis auf das Fehlen einer „willentlichen Entscheidung“ des Herausgabepflichtigen Flume, FS-Niedermeyer 173 f. 57 OLG Nürnberg 11. 4. 1978 DAR 1980, 324; OLG Hamm 8. 7. 1970 NJW 1970, 2296. 58 OLG Hamm 8. 7. 1970 NJW 1970, 2296. 59 Die Unbeachtlichkeit ideeller Gebrauchsvorteile zeigt sich auch im Umstand, dass irrtümlich ausbezahlte Geldleistungen, die gutgläubig für den Unterhalt verbraucht wurden, ohne dass sich der Empfänger Aufwendungen aus eigenem Vermögen erspart hat, nach ständiger Rechtsprechung. nicht zurückgefordert werden können. Der erhöhte Lebensstandard und die damit einhergehenden ideellen Vorteile müssen vom gutgläubigen Schuldner nicht ersetzt werden; 8. 12. 1995 NJW 1996, 926 = WM 1996, 932; 27. 10. 1999 NJW 2000, 740 u. v. a.

D. Bemessung der Nutzungsvergütung

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schon seiner Natur nach wegen seiner „Flüchtigkeit“ als weggefallen zu behandeln ist.60 Außerdem besteht im Rahmen der milden Herausgabepflicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB eben gerade keine Verpflichtung zum Wertersatz, sondern bloß zur Herausgabe des noch vorhandenen Vermögensvorteils.61 Wenn der Gebrauch einer Sache zu keiner bleibenden Vermögensvermehrung geführt hat, kommt es zu keiner Bereicherung im Schuldnervermögen, die herausgegeben werden müsste. Die Unbeachtlichkeit solcher Gebrauchsvorteile, die zu keiner bleibenden Vermögensvermehrung geführt haben, ergibt sich schließlich auch aus dem „obersten Grundsatz“ der milden Herausgabepflicht, wonach der Schuldner durch die Rückforderung keinen Schaden erleiden soll. Würde man etwa im Fall des Widerrufs eines Schenkungsvertrages über ein Wochenendhaus den Beschenkten zum Ersatz des Mietwertes verpflichten, obwohl er ein solches Haus nie anschaffen oder mieten wollte, so hätte dies zur Folge, dass er durch die Herausgabepflicht einen bleibenden Nachteil erleidet. Gerade in solchen Fällen erweist sich die milde Herausgabepflicht als wichtiges Vertrauensschutzinstrument, das den Herausgabepflichtigen vor Nachteilen schützt, die er weder veranlasst noch verschuldet hat.62

4. Unwirtschaftlicher Einsatz fremder Betriebsmittel In manchen Fällen ermöglicht die milde Nutzungsersatzpflicht dem Schuldner, die unwirtschaftliche Verwendung eines Betriebsmittels einzuwenden. Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Elektrizitätsversorungsunternehmen, das städtische Stromleitungen verwendete, die dadurch ersparten Konzessionsentgelte in Form einer Gutschrift an die Letztverbraucher weitergab. Weil die unberechtigte Nutzung der Leitungen damit weder zu einer Erhöhung der Unternehmensgewinne, noch zu einer Verminderung etwaiger Verluste führte, ließ der BGH im Rahmen der milden Herausgabepflicht den Einwand des Wegfalls der Bereicherung zu.63 Dem entspricht die Judikatur zur Verzinsung von Kapital. Im Sinne des Ersparnisgedankens ergibt sich die geschuldete Nutzungsvergütung für Kapital nicht aus einem festen Zinssatz, sondern richtet sich nach der tatsächlich erzielten Verzinsung oder aber nach den ersparten Fremdfinanzierungskosten.64 Der Herausgabepflichtige schuldet folglich keine Verzinsung, wenn er nachweisen kann, dass er weder Sollzinsen erspart noch sonst eine Verzinsung erzielt hat, etwa weil er das 60 Gursky, Nochmals: Kraftfahrzeugvermietung an Minderjährige, NJW 1969, 2183, 2184; Reuter / Martinek, Bereicherung § 17 IV 3b; Larenz / Canaris, Schuldrecht-BT § 73 I 2b; Erman-Westermann, 11. Aufl., § 818 BGB, Rdnr. 28. 61 Larenz, Zur Bedeutung des „Wertersatzes“ im Bereicherungsrecht, FS-Caemmerer (1978) 209, 223; Goetzke, AcP 173 (1973) 316 Fn. 121. 62 I. d. S. etwa MünchKomm-Lieb, 3. Aufl., § 818, Rdnr. 83 f.; Staudinger-Lorenz (1999) § 818, Rdnr. 34. 63 BGH 21. 3. 1996 BGHZ 132, 198. 64 Z. B. BGH 8. 10. 1991 BGHZ 115, 268.

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

Geld zinslos auf einem Girokonto geführt hat, wofür die Rechtsprechung allerdings einen präzisen Ausweis der Kontostände fordert.65 Dass unwirtschaftliche Verfügungen nicht zu Lasten des Schuldners gehen, entspricht den klaren Absichten des Gesetzgebers, der nur im Rahmen der verschärften Haftung zur Herausgabe versäumter Nutzungen verpflichtet, die milde Herausgabepflicht aber auf tatsächlich gezogene Nutzungen beschränkt. Dem redlichen Schuldner dürfen aus dem Umstand, dass er Betriebsmittel nicht gewinnbringend eingesetzt hat, keine Nachteile entstehen. Dies bedeutet aber keineswegs, dass dem Schuldner das Risiko unternehmerischer Fehlentscheidungen abgenommen würde. Hat sich der Herausgabepflichtige bewusst für die Anschaffung eines Betriebsmittels entschieden, hat er sich nämlich unabhängig davon, ob tatsächlich Gewinne erwirtschaftet wurden, jedenfalls die Anschaffungskosten erspart und damit einen bleibenden Vermögensvorteil erhalten. Eine solche bewusste Investitionsentscheidung muss vor allem bei der Rückabwicklung von Verträgen angenommen werden. Beispielsweise kann der Schuldner nach der Rückabwicklung eines unwirksamen Kreditvertrages nicht einwenden, er hätte aus der Verwendung des Kapitals keinen Vorteil gezogen, weil er sich nichtsdestoweniger die sonst anfallenden Finanzierungskosten erspart hat.66 Auch bei der Rückabwicklung von Verträgen über Wirtschaftsgüter hat sich der Schuldner bewusst für den Einsatz eines solchen Betriebsmittels entschieden und sich damit Anschaffungskosten erspart. Deshalb kann der Käufer eines LKW sich bei der Rückabwicklung des Vertrages nicht mit dem Hinweis von seiner Nutzungsersatzpflicht befreien, er hätte durch den Einsatz des Fahrzeuges keinen Gewinn erzielt. Er hat sich nämlich für den Ankauf eines solchen Fahrzeuges entschieden und sich durch dessen Nutzung jedenfalls die Aufwendungen für den Kauf eines anderen erspart. Der herauszugebende Vermögensvorteil liegt hier unabhängig von den erzielten Gewinnen oder erlittenen Verlusten in der Ersparnis sonstiger Aufwendungen, ohne dass das Risiko falscher unternehmerischer Entscheidungen auf den Herausgabeberechtigten überwälzt werden könnte.67

5. Die Nutzungsvergütung bei vertraglicher Nacherfüllung Gemäß § 439 Abs. 4 BGB muss der Käufer, der wegen der Mangelhaftigkeit der Ware den Austausch verlangt, die während des zwischenzeitlichen Gebrauchs der mangelhaften Sache gezogenen Nutzungen ersetzen. Diese Nutzungsersatzpflicht wurde in der Literatur mitunter heftig kritisiert. So wurde darauf hingewiesen, dass der Käufer während des Gebrauchs unzweifelhaft zur Nutzung der gekauft Sache Z. B. LG Frankfurt a. M. 28. 2. 1996 NJW 1997, 329. BGH 18. 4. 1962 NJW 1962, 1148; RG 27. 4. 1936 RGZ 151, 123; unter Hinweis auf das „Verwendungsrisiko des Darlehnsnehmers“ Erman-Westermann, 11. Aufl., § 818, Rdnr. 34; weiterführend Larenz / Canaris, Schuldrecht-BT § 73 I 5g . 67 I. d. S. auch Reuter / Martinek, Bereicherung § 17 IV 3 b. 65 66

D. Bemessung der Nutzungsvergütung

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berechtigt war, weshalb ihm nicht im Nachhinein eine Ersatzpflicht treffen dürfe.68 Zumal selbst ein vertragsgemäß liefernder Verkäufer über keinen Anspruch auf Nutzungsvergütung verfügt, würde die Nutzungsvergütung bei Nachlieferung den Verkäufer allein wegen seiner ursprünglich vertragswidrigen Leistung besser stellen.69 Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass auch der Verkäufer für den zwischenzeitlichen Gebrauch der Kaufsumme keinerlei Vergütung schuldet, weshalb die Verpflichtung des Käufers zur Nutzungsvergütung einseitig erscheinen müsse.70 Der Gesetzgeber begründet die Nutzungsersatzpflicht bei Nacherfüllung hingegen mit der Überlegung, dass der Käufer mit der Nachlieferung eine neue Sache erhält und nicht einzusehen wäre, dass er die zurückzugebende Sache im Zeitraum davor unentgeltlich nutzen solle, wodurch er unberechtigterweise Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehen würde.71 Dieser ungerechtfertigte Vorteil wird vom Gesetzgeber vor allem im Umstand gesehen, dass die gebrauchsbedingte Abnutzung der Kaufsache bei vertragsgemäßer Lieferung jedenfalls zu Lasten des Käufers gegangen wäre, was ihm durch die Nacherfüllung abgenommen wird.72 Die Notwendigkeit eines Nutzungsersatzes zeigt sich, wenn beispielsweise mangelhafte PKW-Reifen nach einem Jahr ausgetauscht werden, obwohl diese Reifen angesichts der hohen Beanspruchung beim Käufer auch im mangelfreien Zustand jedenfalls nach zwei Jahre verschlissen wären. Hier ist der Käufer durch die kostenlose Nachlieferung zweifellos begünstigen, weil er diese Reifen ein Jahr länger fahren können wird als dies bei ursprünglich mangelfreier Auslieferung möglich gewesen wäre. Diese Bereicherung findet im Vertrag keine Rechtfertigung, was eine Nutzungsersatzpflicht des Käufers rechtfertigt. Eine ungerechtfertigte Begünstigung des Verkäufers, wie sie von manchen Autoren behauptet wird, braucht nicht befürchtet zu werden, zumal dieser die Kosten des Austauschs der Kaufsache tragen muss. Entgegen vielfach geäußerten Befürchtungen widerspricht die Nutzungsersatzpflicht bei Ersatzlieferung auch nicht Art. 3 Abs. 3 der VerbrauchsgüterkaufRichtlinie, wonach die Nachlieferung unentgeltlich zu erfolgen hat.73 Der Begriff „unentgeltlich“ erfasst nach der Legaldefinition in Art. 3. Abs. 4 der Richtlinie lediglich die für die „Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Kaufsache notwendigen Kosten, insbesondere Versands-, Arbeits- und Materialkosten“. Demgegenüber erlaubt Punkt 15 der Erwägungsgründe ausdrücklich, dass Rückerstat68 Hoffmann, Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, ZRP 2002, 347, 349; Ball, Die Nacherfüllung beim Autokauf, NZV 2004, 217, 221. 69 Schwab, JuS 2002, 636. 70 Gsell, Nutzungsvergütung bei kaufrechtlicher Nacherfüllung? NJW 2003, 1969, 1970. 71 BT-DS 14 / 640, 232. 72 BT-DS 14 / 640, 233. 73 RL 1999 / 44 / EG AblEG L 171; W-H. Roth, Europäischer Verbraucherschutz und BGB, JZ 2001, 475, 489; Hoffmann, ZRP 2002, 349; Ball, NZV 2004, 222; Schulze / Ebers, JuS 2004, 369 und wohl auch Gsell, NJW 2003, 1974.

6 Thunhart

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

tungsansprüche des Verbrauchers nach Rücktritt vom Vertrag gemindert werden können, „um der Benutzung der Ware Rechnung tragen zu können, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist.“ Zu Recht leitet der deutsche Gesetzgeber daraus ab, dass eine Nutzungsersatzpflicht des Verbrauchers bei Rückgabe der mangelhaften Sache vom europäischen Gesetzgeber gebilligt wird.74 Tatsächlich bedeutet die Nutzungsvergütung für den Verbraucher auch keine Kosten, sondern dient lediglich dem Ausgleich jener Vorteile, die der Käufer aus dem Austausch der Kaufsache gezogen hat und über das hinausgehen, was er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages erwarten durfte. In der Literatur wird vorgeschlagen die Nutzungsersatzpflicht für die ursprünglich gelieferte Sache im Wege einer teleologischen Interpretation des § 439 Abs. 4 BGB in eine Vergütungspflicht für die verlängerte Nutzungsmöglichkeit der nachgelieferten Sache umzudeuten, wobei auch die schadensersatzrechtlichen Grundsätze zum Problem „neu für alt“ hilfsweise herangezogen werden.75 Daraus wird mitunter abgeleitet, dass der Käufer die Differenz zwischen dem Zeitwert einer gebrauchten Sache zum Zeitpunkt der Rückstellung und dem Neuwert der nachgelieferten Sache ersetzen müsse.76 Zumindest diese schematische Regel würde den Käufer schwer benachteiligen, weil er so ohne ersichtlichen Grund den Neuwertverlust der Sache tragen müsste. Der überproportionale Wertverlust bei der erstmaligen Ingebrauchnahme der Ware übersteigt bei weitem jene Vorteile, die dem Käufer durch den Austausch der ursprünglich gelieferten Sache zugute kommen. Im Ergebnis würde diese Bemessung den Käufer zum neuerlichen Kauf der Sache zwingen und somit den Nacherfüllungsanspruch praktisch wertlos machen. Überhaupt scheint die Umdeutung des § 439 Abs. 4 BGB überflüssig, wenn man die Verpflichtung zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen im Sinne der milden Herausgabepflicht als Abschöpfung des durch den zwischenzeitlichen Gerbrauch der Sache verbliebenen Vermögensvorteils versteht. Die milde Herausgabepflicht verpflichtet zum Ersatz jenes bleibenden Vermögensvorteils, den sich der Schuldner durch den Gebrauch der Sache verschafft hat. Der durch den zwischenzeitlichen Gebrauch der ursprünglich gelieferten Ware verschaffte Vermögensvorteil besteht im Umstand, dass der Käufer die nachgelieferte Sache länger gebrauchen kann und sich dadurch möglicherweise Investitionskosten erspart. Im oben angeführten Beispiel der schadhaften Reifen, die im mangelfreien Zustand voraussichtlich zwei Jahre gehalten hätten und nach einem Jahr gegen eine neue Garnitur getauscht wurden, entspricht die Ersparnis jenen Kosten, die für die Bereifung des Fahrzeuges innerhalb eines Jahres aufzuwenden sind, d. h. 50% des Anschaffungspreises der Reifen zuzüglich der Finanzierungskosten (objektiver Gebrauchswert). 74 BT-DS 14 / 640, 233; ebenso MünchKomm-Faust, 4. AAufl., § 439, Rdnr 32; Westermann, Das neue Kaufrecht einschließlich des Verbrauchsgüterkaufs, JZ 2001, 530, 537. 75 Schwab, JuS 2002, 636 f.; Gsell, NJW 2003, 1971 ff. 76 Ball, NZV 2004, 222.

D. Bemessung der Nutzungsvergütung

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Dennoch gibt es viele Fälle, in denen der Käufer den Einwand erheben kann, dass er aus der zwischenzeitlichen Nutzung der ursprünglich gelieferten Sache überhaupt kein Vermögensvorteil gezogen hat. Dies ist typischerweise dann der Fall, wenn es sich um Waren handelt, die keiner beschränkten Nutzungsdauer unterliegen. Wird beispielsweise ein defektes Klavier gegen ein mangelfreies Modell ausgetauscht, so kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Käufer später Investitionskosten ersparen oder beim Wiederverkauf einen höheren Preis erzielen würde, wodurch er dem Verkäufer bei Nacherfüllung auch keinerlei Nutzungsvergütung schuldet. Weiters kann der Käufer Umstände einwenden, die sich aus seinem persönlichen Konsumverhalten beziehungsweise seiner individuellen Wirtschaftsführung ergeben und dazu führen, dass er aus der verlängerten Nutzbarkeit der Kaufsache keinen Vorteil zieht. Geht es etwa um die Vergütung für den zwischenzeitlichen Gebrauch eines Mobiltelefons, das vom Verkäufer wegen unbehebbarer Defekte ausgetauscht werden musste, so ist leicht vorstellbar, dass der Käufer aus der verlängerten Nutzbarkeit des Ersatztelefons keinen Vorteil zieht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass er solche Telefone nicht bis zum Ende der technisch möglichen Nutzungsdauer verwendet, sondern für gewöhnlich zuvor gegen das neueste Modell austauscht.77 In der Literatur wird die Frage aufgeworfen, wie jene Fälle zu behandeln sind, in denen es unklar bleibt, ob der Käufer aus der verlängerten Nutzungsmöglichkeit der Kaufsache einen Vorteil ziehen wird. So wird diskutiert, ob der Käufer einwenden kann, dass das gekaufte Fahrzeug unter Umständen vor Ablauf der möglichen Nutzungsdauer einen Totalschaden erleiden werde oder eine erworbene Brotbackmaschine in absehbarer Zeit möglicherweise gar keine Verwendung mehr finden wird, weil sich der Bezug von einer Bäckerei früher oder später doch als weniger arbeitsintensiv herausstellen werde. Der Vorschlag, den Anspruchs auf Nutzungsvergütung erst dann zu beurteilen, wenn die weitere Verwertbarkeit der Kaufsache feststeht, würde den Ausgleich unter den Vertragspartnern auf unbestimmte Zeit verschieben und ist wohl auch praktisch undurchführbar.78 Das Fehlen gesicherter Vorhersagen über die weitere Verwendung der Kaufsache sollte auch nicht dazu führen, dieses „Prognoserisiko“ von vornherein dem Verkäufer aufzubürden, weil sonst schon vage Behauptungen des Käufers die berechtigten Ansprüche des Verkäufers blockieren könnten.79 Nach der hier vertretenen Auffassung gibt es keinen Grund, die Nutzungsersatzpflicht des Käufers nach § 439 Abs. 4 BGB anders zu handhaben als die milde Bereicherungshaftung in § 818 Abs. 3 BGB. Deshalb haftet auch der Käufer bei Nacherfüllung für die zwischenzeitlichen Nutzung der ursprünglich gelieferten Sache grundsätzlich auf den objektiven Gebrauchswert. Er kann aber einwenden, 77 78 79

6*

Unter Berufung auf die Grundsätze „neu für alt“ auch Gsell, NJW 2003, 1972. So aber Schwab, JuS 2002, 636 f. So aber Gsell, NJW 2003, 1972 f.

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4. Kapitel: Milde Herausgabepflicht

dass sein dadurch erzielter Vermögensvorteil geringer ausgefallen ist. Die Beweislast für diesen Einwand trifft demnach den Käufer, der glaubhaft darlegen muss, dass er aus der verlängerten Nutzungsmöglichkeit der nachgelieferten Ware keinen Vermögensvorteil zieht, also beispielsweise das nachgelieferte Fahrzeug nicht länger nutzen und trotz der geringeren Kilometerleistung auch keinen höheren Wiederverkaufspreis erzielen wird.

5. Kapitel

Die Haftung für eigenübliche Sorgfalt A. Die Sonderstellung des Rücktrittsberechtigten Ein gesetzlich zum Rücktritt Berechtigter, dessen Vertragspartner das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat, unterliegt selbstverständlich keiner strengen Herausgabepflicht, dennoch kann er auch die Vorteile der milden Herausgabepflicht nicht gänzlich für sich in Anspruch nehmen. Zumindest nachdem er von den Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen, ist ihm nämlich – im offenkundigen Gegensatz zu einem gutgläubigen Besitzer oder Bereicherungsschuldner – bewusst, dass er über eine fremde Sache verfügt. Dieses Wissen verbietet ihm, mit der Sache freier nach Willkür zu verfahren. Entgegen dem Wortlaut der §§ 346 f. BGB wollen einige Autoren den Rücktrittsberechtigten ab dem Zeitpunkt einer strengen Herausgabepflicht unterwerfen, in dem er von seinem Rücktrittsrecht erfährt.1 So wird gefordert, dass der in eigenen Angelegenheiten nachlässige Käufer, der das gekaufte landwirtschaftliche Grundstück brachliegen und verwahrlosen lässt, ab dem Zeitpunkt der Kenntnis seines Rücktrittsrechts Wertersatz für die nicht eingefahrene Ernte leisten soll, wenn er wegen eines Sachmangels den Vertrag rückgängig macht.2 Dies würde aber bedeuten, dass der Käufer, der an seinen Gewohnheiten festhält, einen Pachtzins entrichten müsste, wodurch er einen mitunter beträchtlichen Vermögensnachteil erleiden würde. Angesichts der Vertragsverletzung seines Geschäftspartners scheint es dem vertragstreuen Teil aber kaum zumutbar, sich plötzlich als Landwirt zu betätigen beziehungsweise kurzfristig einen Pächter suchen zu müssen.3 Wer eine mangelhafte Sache veräußert und diese wieder zurücknehmen muss, kann 1 Unter Hinweis auf § 346 Abs. 3 Nr. 1 BGB Kaiser in Westermann, Schuldrecht 202 und 208; in Analogie zum vertraglichen Rücktrittsrecht Schwab, JuS 2002, 635 und ders. in Schwab / Witt, Schuldrecht 202. Die Analogie zum vertraglichen Rücktrittsrecht scheint jedenfalls wenig tragfähig, zumal dort die Rückabwicklung des Vertrages aufgrund der freien Willensentscheidung des Ausübenden, beim gesetzlichen Rücktrittsrecht hingegen aufgrund der Vertragsverletzung des anderen Teiles erfolgt. Dies rechtfertigt die vergleichsweise Besserstellung des Inhabers eines gesetzlichen Rücktrittsrechts, wie sie in §§ 346 f. vorgesehen ist. 2 Kaiser in Westermann, Schuldrecht 208. 3 Für die Regeln der ordentlichen Wirtschaft als ungeeignetes Kriterium der Herausgabepflicht des Inhabers eines gesetzlichen Rücktrittsrecht ausdrücklich BT-DS 14 / 6040, 197.

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5. Kapitel: Die Haftung für eigenübliche Sorgfalt

nicht erwarten, dass der zurücktretende Käufer, der aus dem zwischenzeitlichen Gebrauch keinen Vorteil gezogen hat, aus eigenen Mitteln einen marktüblichen Pachtpreis entrichtet. In allen Fällen würde eine strenge Haftung auf den objektiven Gebrauchswert den Rücktrittsberechtigen ungerecht belasten, zumal die Rückabwicklung des Vertrages nur durch das Fehlverhalten seines Vertragspartners veranlasst wurde. Nach den klaren Anordnungen des Gesetzgebers trifft das Risiko, dass der Rücktrittsberechtigte mögliche Nutzungen entsprechend seinem sonstigen gewohnheitsmäßigen Verhalten unterlässt, jenen Vertragspartner, der das Scheitern des Vertrages zu verantworten hat. Wohl aber treffen den Inhaber eines gesetzlichen Rücktrittsrechts im Interesse des anderen Teiles bestimmte Rücksichtnahmepflichten. Ein Vertragspartner, der sein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, kommt deshalb gemäß § 347 BGB nur dann in den vollen Genuss der milden Herausgabepflicht, wenn ihm kein Verstoß gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten anlastet. Es handelt sich dabei um eine Einschränkung der milden Herausgabepflicht. Nach § 347 Abs. 1 BGB haftet jene Vertragspartei, die ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, für nicht gezogene Nutzungen nach Maßgabe jener Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Den Schuldner trifft dann eine Herausgabepflicht, wenn er Nutzungen entgegen seinem sonstigen gewohnheitsmäßigen Verhalten unterlassen hat. Darüber hinaus haftet der Rücktrittsberechtigte, der gegen die eigenübliche Sorgfalt verstößt, gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 3 auch für eine etwaige Wertminderung der zurückzugewährenden Sache. In welchen Fällen ein solcher Verstoß anzunehmen ist und welche Auswirkungen damit für die Bemessung der Gebrauchsvergütung verbunden sind, scheint bislang weitgehend unklar.

B. Zeitpunkt der Haftungsverschärfung Ein Verstoß gegen das sonstige gewohnheitsmäßige Verhalten eines Herausgabeverpflichteten ist jedenfalls so lange undenkbar, wie dem Schuldner die Umstände noch unbekannt sind, die ihn zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen. Vor diesem Zeitpunkt muss der Herausgabepflichtige nämlich davon ausgehen, dass es sich um „seine“ Sache handelt. Selbst wenn er grundlos auf eine nutzbringende Verwendung verzichtet, bringt er dadurch doch unwiderlegbar zum Ausdruck, dass diese Verhaltensweise seiner Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten entspricht. Dass hier „Schlendrian und Schlamperei“ dem Schuldner nicht schaden, erklärt sich aus dem Umstand, dass er zu dieser Zeit darauf vertrauen durfte, dass ihm durch sein nachlässiges Verhalten keine weiteren Nachteile entstehen werden.4 Dieses Ergebnis deckt sich im Übrigen auch mit der alten Rechtslage, wo der Rücktrittsberech4 MünchKomm-Gaier, 4. Aufl., § 346 Rdnr. 58; krit Kaiser, Die Rechtsfolgen des Rücktritts in der Schuldrechtsreform, JZ 2001, 1057, 1067.

B. Zeitpunkt der Haftungsverschärfung

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tigte nach herrschender Meinung bis zur Kenntnis des Rücktrittsgrundes in Analogie zum gutgläubigen Bereicherungsschuldner jedenfalls in den Genuss der milden Bereicherungshaftung nach § 818 Abs. 3 BGB kam.5 Die Haftung wegen Verstoßes gegen die eigenübliche Sorgfalt wird deshalb erst in jenem Zeitpunkt relevant, in dem der Schuldner von jenen Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen.6 Gemäß § 277 BGB lässt die Beschränkung der Haftung auf Verstöße gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten die Verantwortlichkeit für grobe Fahrlässigkeit unberührt. Unklar ist, ob § 277 BGB bedeutet, dass der Rücktrittsberechtigte unter Umständen für versäumte Erträge oder Wertverluste auch für jene Zeit haftet, in der er gar nicht wissen konnte, dass er über ein Rücktrittsrecht verfügt. Kommt es etwa zur Rückabwicklung eines Wohnungskaufvertrages wegen versteckter Baumängeln, und stellt sich heraus, dass der Käufer die Wohnung im Sinne grober Sorglosigkeit über viele Monate weder bewohnt noch gewinnbringend vermietet hat, so stellt sich die Frage, ob er dem Verkäufer für entgangene Mieteinnahmen haftet. Eine solche Haftung scheitert meines Erachtens am Umstand, dass der sorglose Umgang mit einer Sache, die der Rücktrittsberechtigte berechtigterweise für die seine hält, nicht den Tatbestand der Fahrlässigkeit erfüllt. Fahrlässigkeit ist der Vorwurf einer Pflichtverletzung.7 Damit eine Handlung oder Unterlassung als fahrlässig gelten kann, muss die Widerrechtlichkeit dieses Verhaltens erkennbar sein.8 Bevor der Rücktrittsberechtigte von den Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen, ist für ihn nicht erkennbar, dass er die Sache zurückstellen wird müssen, weshalb ihm eine Missachtung der Interessen seines Vertragspartners nicht vorwerfbar ist. In dieser Zeitspanne behandelt der Rücktrittsberechtigte den Vertragsgegenstand als sein Eigentum. Selbst der grob sorglose Umgang mit einer vermeintlich eigenen Sache führt nicht zum Vorwurf der Fahrlässigkeit, weil der Rücktrittsberechtigte davon ausgehen muss, dass er mit der Sache wie ein Eigentümer nach § 903 BGB nach Belieben verfahren darf.9 Daraus ergibt sich, dass die verschärfte Haftung des Rücktrittsberechtigten erst ab jenem Zeitpunkt schlagend wird, in dem er von den Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen. 5 § 327 BGB a.F. und hinsichtlich der Wandelung etwa m. w. N. RGRK-Ballhaus, 12. Aufl., § 347 BGB Rdnr. 12. 6 Zur Kenntnis der zum Rücktritt berechtigenden Umstände als entscheidendes Kriterium bei Kaiser, JZ 2001, 1064, Gaier, Das Rücktritts(folgen)recht nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2002, 1, 11; Hager in Dauner-Lieb, Das neue Schuldrecht § 5 Rn. 34 (184); Derleder, Sachmängel- und Arglisthaftung nach neuem Schuldrecht, NJW 2004, 969, 974; a.A. Faust in Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 250. 7 Stathopoulos, Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Fahrlässigkeit und Rechtswidrigkeit im Zivilrecht, in FS-Larenz (1993), 631 634 f.; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 2. Aufl. (1995) 56 ff.; Medicus, Schuldrecht I, 15. Aufl., § 29 II 1 , Rdnr. 301. 8 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. (1996) Rn. 371 (240). 9 So auch Gaier, WM 2002, 11.

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5. Kapitel: Die Haftung für eigenübliche Sorgfalt

Bis zur Kenntnis der Umstände, die zum Rücktritt berechtigen, kommt der Rücktrittsberechtigten selbst bei grob sorglosem Verhalten in den vollen Genuss der milden Herausgabepflicht. Die Beschränkung der Haftung des Rücktrittsberechtigten, der die Auflösung des Vertrages nicht vorhersehen kann, entspricht den Wertungen des Bereicherungs- und Sachenrechts, wo den Gutgläubigen keinerlei Haftung für versäumte Nutzungen trifft. Dass auch der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes diesen Zeitpunkt als entscheidend ansieht, ergibt sich nicht zuletzt aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB, wonach ein Herausgabepflichtiger nur dann privilegiert wird, wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst nach der Verarbeitung gezeigt hat.10 Als Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass die Haftung des Rücktrittsberechtigten wegen Verstoßes gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten erst ab jenem Zeitpunkt eingreift, in dem er von den Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen.

C. Haftung für nicht gezogene Nutzungen Die Haftung wegen Verstoßes gegen die eigenübliche Sorgfalt wird erst in jenem Zeitpunkt relevant, in dem der Schuldner von jenen Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen. Daraus darf aber keinesfalls abgeleitet werden, der Schuldner wäre nunmehr zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache verpflichtet.11 Angesichts des Fehlverhaltens seines Gläubigers triff den Schuldner nämlich grundsätzlich keine Bewirtschaftungspflicht. Der rücktrittsberechtigte Schuldner haftet demnach lediglich für die „gezogenen Nutzungen“, das heißt auf den ihm aus dem Gebrauch der fremden Sache noch verbliebenen Vermögensvorteil.12 Die Privilegierung des Schuldners findet aber dort ihre Grenze, wo er gerade deshalb auf eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung verzichtet, weil es sich um eine fremde Sache handelt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Vermieter in Hinblick auf die künftige Herausgabepflicht auf Mieteinnahmen verzichtet. Ein Verstoß gegen die eigenübliche Sorgfalt kann sich auch aus dem Umstand ergeben, dass der Käufer eine Wohnung, in die er ursprünglich einziehen wollte, bewusst leer stehen lässt und mit der Ausübung seines gesetzlichen Rücktrittsrechts zuwartet. Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten ist damit der Maßstab für die Treuebindung des Rücktrittsberechtigten an seinen Vertragspartner.13 Der Schuldner soll angesichts des Fehlverhaltens seines Vertragspartners keinesfalls zu einer ordKaiser, JZ 2001, 1061; Hager, in Dauner-Lieb, Schuldrecht § 5 Rn. 34 (184). So aber Gaier, WM 2002, 11. 12 So auch unter Hinweis auf den Restbereicherungsanspruch nach § 346 Abs. 3 BGB Derleder, NJW 2004, 975 FN 57. 13 Zu dieser Rücksichtnahmepflicht Kaiser, Rückabwicklung 267 ff.; dies, JZ 2001, 1063 f.; bzgl. des vereinbarten Rücktrittsrecht auch Kohler, JZ 2001, 334. 10 11

D. Ersatz der Wertminderung

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nungsgemäßen Bewirtschaftung gezwungen werden, wodurch er unschuldig und wider Willen in die Rolle eines pflichtschuldigen Verwalters auf fremde Rechnung gedrängt würde. Wohl aber ist ihm im Interesse seines Vertragspartners die Fortführung jener Maßnahmen zumutbar, die er auch vor Kenntnis seines Rücktrittsrechts durchgeführt hat. So ist dem Landwirt, der ein Grundstück erworben hat, auch nachdem er sich zum Rücktritt entschlossen hat, die weitere Bestellung der Felder durchaus zumutbar, während dies auf einen Grundstücksspekulanten nicht zutreffen würde. Unabhängig von seinem sonstigen gewohnheitsmäßigen Verhalten sind dem Rücktrittsberechtigten im Interesse seines Vertragspartners weiters Maßnahmen zumutbar, deren Unterlassung grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 277 BGB darstellen würde. Diese Einschränkung der Privilegierung des Rücktrittsberechtigten stellt eine sinnvolle Ergänzung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten dar. Sollte es beispielsweise der Fall sein, dass jemand aus Gewohnheit auch größere Geldbeträge zu Hause aufbewahrt anstatt sie verzinslich anzulegen, so stellt dieser Umstand einen wohl groben Verstoß gegen die sonst übliche Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten dar. Hier überwiegt das finanzielle Interesse des Gläubigers jenes des Schuldners, der an seinen seltsamen Gewohnheiten festhalten möchte, weshalb dieser ausnahmsweise für eine gewinnbringende Verwendung des Geldbetrages haftet. Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gibt an, welche Maßnahmen dem Vertragspartner nach Kenntnis seines Rücktrittsrechtes zumutbar sind. Im Fall des Verstoßes gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beschränkt sich die Nutzungsvergütung deshalb nicht auf die im Schuldnervermögen aktuell vorhandene Bereicherung, sondern es ist jener Vermögensvorteil geschuldet, den der Schuldner bei Beachtung der eigenüblichen Sorgfalt aus dem Gebrauch der fremden Sache gezogen hätte. Hat der zurücktretende Käufer beispielsweise die gekaufte Wohnung zu einem überaus günstigen Preis vermietet, und nach dem Auftauchen schwerer Baumängeln, die ihn zum Rücktritt berechtigen, überhaupt auf die Eintreibung des Mietzinses verzichtet, so haftet er dem Verkäufer im Fall des Rücktritts keineswegs für den objektiven Gebrauchswert in Gestalt des marktüblichen Mietzinses, sondern lediglich für eine Nutzungsvergütung in Höhe des vereinbarten Mietpreises, ohne sich allerdings darauf berufen zu können, dass er auf die Geltendmachung dieser Einnahmen verzichtet hat.

D. Ersatz der Wertminderung Der rücktrittsberechtigte Vertragspartner ist gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB nur dann wertersatzpflichtig, wenn er gegen die Sorgfalt verstoßen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Diese Privilegierung ergibt sich aus der Überlegung, dass er selbst seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt

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5. Kapitel: Die Haftung für eigenübliche Sorgfalt

hat und deshalb auch nicht ersatzpflichtig werden soll.14 Auch hier ist die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten der Maßstab für die Treuebindung des Rücktrittsberechtigten an seinen Vertragspartner.15 Der Schuldner soll angesichts des Fehlverhaltens seines Vertragspartners zwar nicht für die Sorgfalt eines ordentlichen Verwahrers haften, wohl aber ist ihm zuzumuten, die fremde Sache keinen unnötigen Gefahren auszusetzen. Wie bereits ausgeführt, ist ein Verstoß gegen die eigenübliche Sorgfalt jedenfalls so lange ausgeschlossen, wie dem Schuldner die Umstände noch unbekannt sind, die ihn zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen. Ab diesem Zeitpunkt haftet der Rücktrittsberechtigte beispielsweise für Schäden, die dadurch entstehen, dass er nach dem Rücktritt vom Vertrag die mangelhafte Ware aus seinem Magazin entfernt und im Freien lagert. Es fragt sich, inwieweit der Rücktrittsberechtigte auch für den Neuwertverlust haftet, der dadurch entsteht, dass eine fabrikneue Sache nur mehr als gebraucht veräußert werden kann. Entscheidend ist, ob die Ingebrauchnahme und Entwertung einer fabrikneuen Sache, von welcher der Schuldner weiß, dass er sie dem Vertragspartner zurückstellen wird müssen, als Verstoß gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beziehungsweise grobe Fahrlässigkeit qualifiziert werden kann. Grundsätzlich muss die kurzfristige Ingebrauchnahme einer fabrikneuen Sache, von der man weiß, das sie dem Vertragspartner zurückgestellt werden muss, angesichts des damit verbundenen überproportionalen Wertverlustes als grob fahrlässig qualifiziert werden. Stellt der Käufer etwa bei der Zulassung eines neuen LKW fest, dass das Fahrzeug nicht die zugesicherte Nutzlast hat, und nimmt er das Fahrzeug dennoch in Gebrauch, so haftet er im Fall des Rücktritts für den Neuwertverlust. Etwas anderes gilt nur, wenn der Rücktrittsberechtigte auf die Sache angewiesen ist und ihm der Verzicht auf den Gebrauch der Sache nicht zumutbar ist. Dies würde etwa zutreffen, wenn kein Ersatzfahrzeug verfügbar ist und der Käufer den LKW in seinem Unternehmen benötigt, um seine laufenden Aufträge zu erfüllen.16

Handkommentar-Schulze, 3. Aufl., § 347, Rdnr. 16 Zu dieser Rücksichtnahmepflicht Kaiser, Rückabwicklung 267 ff.; dies, JZ 2001, 1063 f.; bzgl. des vereinbarten Rücktrittsrecht auch Kohler, JZ 2001, 334. 16 So auch Derleder, NJW 2004, 974. 14 15

6. Kapitel

Ergebnisse – Das BGB enthält keine einheitlichen Vorschriften über die Nutzungsvergütung. Einschlägige Regelungen finden sich im allgemeinen Teil, im Vertragsrecht, im Bereicherungsrecht und im Sachenrecht. Die einzelnen Tatbestände lassen sich aber auf gemeinsame Grundgedanken zurückführen. So unterscheiden alle Regelungsbereiche eine milde und eine strenge Herausgabepflicht. – Die strenge Herausgabepflicht trifft (i.) den Schuldner, der seine fehlende Berechtigung kannte oder grob fahrlässig verkannte, (ii.) den Vertragspartner, dem eine wenn auch schuldlose Vertragsverletzung zur Last fällt, (iii.) den Verbraucher, der von einem Widerrufsrecht Gebrauch macht, es sei denn, es handelt sich um einen Teilzeit-Wohnrechtsvertrag, sowie (iv.) den Schuldner während der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruches. Bei entsprechender Vertragsgestaltung kann eine verschärfte Herausgabepflicht auch denjenigen treffen, (v.) der ein vertragliches Rücktrittsrecht ausübt. – Das BGB umschreibt die strenge Herausgabepflicht mit der Haftung für gezogene und solche Nutzungen, die entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft nicht gezogen wurden. Die Haftung für versäumte Nutzungen erklärt sich aus dem Umstand, dass der Schuldner durch seine Verfügungsgewalt die Gebrauchsmöglichkeit der fremden Sache für sich in Anspruch genommen hat. Damit ist dem Schuldner der Einwand abgeschnitten, er hätte aus dem Gebrauch der fremden Sache keinen Vorteil gezogen. Die verschärfte Herausgabepflicht geht deshalb auf den objektiven Gebrauchswert. – Der objektive Gebrauchswert einer Sache kann nur anhand jener Kosten bestimmt werden, die am freien Markt aufgewendet werden müssen, um eine entsprechende Sache nutzen zu können. Die Kosten eines Eigentümers ergeben sich aus der Differenz zwischen Ankaufs- und Wiederverkaufswert der Sache nach Ablauf der Nutzungsdauer (Wertminderung) und den Finanzierungskosten (Verzinsung des Anlagekapitals). Weil sich der Neuwertverlust bei fabrikneuen Gegenständen nicht in einem erhöhten Nutzungswert niederschlägt, ist die zu veranschlagende Wertminderung im Wege einer Aliquotierung jenes Wertverlustes zu ermitteln, der nach der typischen Verwendungsdauer durch einen Erstkäufer zu erwarten ist. (Die Rechtsprechung stellt hingegen auf die technisch mögliche Gesamtnutzungsdauer der Sache ab, was die so errechnete Nutzungsvergütung unter jenen Betrag sinken lässt, den ein durchschnittlicher Käufer einer solchen

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6. Kapitel: Ergebnisse

Sache für den Gebrauch aufwendet.) Eine Berechnung nach Miet- oder Pachtpreisen ist nur zulässig, wenn diese Kosten jene Aufwendungen nicht übersteigen, die ein Eigentümer für eine entsprechende Sache aufwenden muss. – Die strenge Herausgabepflicht ist immer mit einer Ersatzpflicht für jenen Wertverlust verbunden, den die Sache durch den Gebrauch erlitten hat. Die abnutzungsbedingte Wertminderung wird allerdings schon durch die Nutzungsvergütung entschädigt, weshalb sie nicht zusätzlich beansprucht werden kann. Wohl aber hat der Berechtigte neben der Nutzungsvergütung einen zusätzlichen Anspruch auf Ersatz des Neuwertverlustes, der sich daraus ergibt, dass eine fabrikneue Sache nun nicht mehr als neu verkauft werden kann. Im Sinne eines vereinfachten Bemessungsverfahrens bemisst sich die strenge Herausgabepflicht in solchen Fällen aus dem tatsächlich eingetretenen Wertverlust zuzüglich einer Verzinsung des Kapitalwertes. – Die milde Herausgabepflicht ist im BGB nicht einheitlich definiert. Das Bereicherungsrecht gewährt den Einwand des Wegfalls der Bereicherung, das Vertragsrecht beschränkt die Herausgabepflicht auf gezogene Nutzungen und das Sachenrecht stellt den redlichen Besitzer scheinbar völlig frei. Die milde Herausgabepflicht soll verhindern, dass der Schuldner durch die Herausgabepflicht Schaden erleidet. Die pauschale Freistellung des redlichen Besitzers im Sachenrecht widerspricht den sonstigen Grundsätzen des BGB und schießt über den Zweck der Regelung hinaus, was eine teleologische Reduktion erforderlich macht. – Die milde Herausgabepflicht ist auf den noch vorhandenen Vermögensvorteil beschränkt. Die Höhe der Nutzungsvergütung ergibt sich aus der Differenz zwischen der tatsächlichen und jener hypothetischen Vermögenslage des Schuldners, in der er sich befände, wenn er nicht auf die fremde Sache zurückgreifen hätte können. Der Schuldner kann deshalb einwenden, er hätte gegebenenfalls auf eigene Ressourcen zurückgegriffen, eine günstigere Bezugsquelle gewählt oder auf den Gebrauch einer solchen Sache ganz verzichtet. An einer bewussten Investitionsentscheidung muss sich der Schuldner aber festhalten lassen. – Der Vertragspartner, der ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausübt, haftet für Nutzungen und Wertminderung nach der milden Herausgabepflicht, darüber hinaus aber auch für jene Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Dies soll im Interesse des anderen Teiles ein missbräuchliches oder grob fahrlässiges Brachliegenlassen der Sache zu fremden Lasten verhindern. Die Haftung wegen Verstoßes gegen die eigenübliche Sorgfalt ist erst ab jenem Zeitpunkt denkbar, in dem der Vertragspartner von den Umständen erfährt, die ihn zum Rücktritt berechtigen. Der Nutzungsvergütung bemisst sich nach jenen Vermögensvorteilen, die der Vertragspartner bei Beachtung seiner sonst üblichen Sorgfalt erwirtschaften hätte können.

Kenntnis des eigenen gesetzlichen Rücktrittsrechts

eigenübliche Sorgfalt „Haftung für eigenübliche Sorgfalt“

„Herausgabe der gezogenen Nutzungen“ „Einwand des Wegfalls der Bereicherung“ vermeintliche Freistellung des Besitzers

ortsüblicher Mietzins

„Haftung für gezogene und entgegen den Regeln der ordentlichen Wirtschaft versäumte Nutzungen“

Umschreibung

bei eigenü. Sorgf. erzielbare Vermögensvermehrung

tatsächliche Vermögensvermehrung

objektiver Gebrauchswert

Umfang

bei Einwand: Feststellung der nutzungsbedingten Vermögensvermehrung im Sinne eines hypothetischen Kausalverlaufs

wie streng, aber ohne Neuwertersatz

Mietpreise, wenn geringer

bei Neuwaren Aliquotierung des Wertverlustes auf die durchschnittliche Behaltedauer (kann bei Einbeziehung der Neuwertersatzpflicht unterbleiben)

Wertminderung + Verzinsung des Anlagekapitals

Bemessung der Nutzungsvergütung

bei rücksichts- wie mild, aber unter hypothetischer loser In- Beachtung der gebotenen Rücksicht gebrauchnahme

nein

ja

Neuwertersatz

Privilegierung des Widerruf des Teilzeitnutzungsverträgen in § 485: keine Verantwortlichkeit

§ 346 f. § 439 (4)

§ 302 § 818 (3) § 993

sonstige Fälle

Mild

§ 346 f § 357 § 503 § 818 f. §§ 987 und 990

§§

§ 546a

Rechtshängigkeit

Verantwortung für das Scheitern des Vertrages

Schlechtgläubigkeit

Tatbestände

Verspätete Rückgabe des Mietgegenstandes

Streng

Typen

Grafische Darstellung der Ergebnisse

Grafische Darstellung der Ergebnisse 93

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7*

Sachregister Abnutzung 53, 56, 64, 81 Abzahlungsgesetz 46, 55 Annahmeverzug 15, 73 Aufgedrängte Bereicherung 78 Ausschließlichkeitsprinzip 13 Austauschanspruch 80 Bemessung der Nutzungsvergütung 11, 35 – 52, 75 – 84, 88 – 89 Bereicherungshaftung – Anwendungsbereich 13 – bei Gutgläubigkeit 16, 66 – 67 – bei Schlechtgläubigkeit 16, 53, 17 – 19 – nach Rechtshängigkeit 16, 22, 54 Berücksichtgung der Wertminderung 54 Beschädigung 59, 64, 90 Beschaffungsmöglichkeit, günstigere 77 Besitzer – gutgläubiger 13, 16, 67 – 73 – Haftung nach Rechtshängigkeit 16, 22, 54 – schlechtgläubiger 16, 53, 17 – 19 Betriebsmittel 79 Beweislast 76 Bewirtschaftungspflicht 23, 25, 89 Code Civil 68

Fehlbuchungen 19 Fehlinvestitionen 77 Fernabsatzrichtlinie 60 Fernabsatzverträge 21, 60 Fiktive Mietpreise 45 – 50 Finanzierungskosten 47, 42 – 44 Fremdbesitzerexzess 13 Früchte 12, 69 Gebrauchsvorteile, bloße 12, 32 Gebrauchswert, objektiver 34, 66, 75, 35 – 52 Gebrauchtwagen 38, 37 – 41 Geschäftsunkosten 47, 49 Gewerbebetriebe 45 Girokonto 80 Gläubigerverzug 16, 75 Gleichheitssatz, verfassungsrechtlicher 72 Güterzuweisung, gesetzliche 28 Haustürgeschäfte 21 Herausgabe, Begriff 34 Ideelle Vorteile 78 Ingebrauchnahme, bestimmungsgemäße 60, 64

Definition der Nutzungsvergütung 11 EDV-Anlagen 38, 65 Eigentümerfiktion 70 Eigentümerkosten 35 – 44 Eigenübliche Sorgfalt 15, 85 – 90 Eingriffskondiktion 13, 18 Erkundigungspflichten 18 Ersparnisbereicherung 29, 66, 74, 75 – 84 Erträge, wirtschaftliche 12, 32, 80 Ertragswert, objektiver 45

Kaufpreis, Entschädigung für 69 Kausalverlauf, hypothetischer 67, 76, 84 Kilometersätze 37 Kleidung 42, 53 Konsumgüter 12, 74, 83, – 35 Konsumverhalten, persönliches 83 Kontrollpflichten 19 Kraftfahrzeuge 32, 46, 76, 78, 81, 37 – 42 Kundenstamm 45 Kunstgegenstände 44

Sachregister Lagerungen auf fremden Grund 27, 77 Landwirtschaftliche Nutzungen 24, 28, 71, 85 Leerstehende Wohnungen 28, 34, 88 Leistungskondiktion 18 Luxusgegenstände 78 Marktübliche Nutzungsentgelte 77, 44 – 51 Maschinen 38 Mietpreise 32, 44 – 51 Mietwagen 46, 50 Milde Herausgabepflicht 14, 66 – 84 Möbel 38, 42 Nacherfüllung 80 – 84 Nachforschungspflichten 18 Nachträgliche Kenntnis(-möglichkeit) 18, 54 Naturrecht 71 neu für alt 82 Neuwagen 58, 62, 90, 41 – 42 Neuwertverlust 53, 56 – 57, 64, 90, 41 – 42 Nutzungen – Begriff 11 – gezogene 11, 15, 75 – nicht gezogene 11, 15, 89, 29 – 35 Nutzungsmöglichkeit 28 Nutzungspflicht 25, 32, 88 Nutzungsrecht 26, 58 Nutzungswert, objektiver 75, 35 – 52 Offenkundigkeit 19 Öffentlicher Grund 51 Okkupation einer Nutzungsmöglichkeit 28 Pachtpreise 24, 32, 44 – 51 Parteiwille, hypothetischer 23 Patentrecht 75, 77 Praktikabilitätserwägungen 70 Privatgebrauch 12, 34, 78 Privilegierung des redlichen 67 – 73 Prognoserisiko 83 Prozessbesitzer 16, 22, 54 Prüfung von Waren 62

Besitzers

101

Ratenvereinbarungen 46 Rechtsfortwirkung 28 Rechtshängigkeit 16, 22, 54 Risikoaufschlag 47 Rückabwicklung von Verträgen 13, 48, 67, 74, 20 – 22, 23 – 24, 54 – 63, 85 – 90 Rückkauf 55 Rücksendung von Waren 61 Rücksichtnahmepflicht 22, 86, 90 Rücktrittsberechtigter, gesetzlich 20, 85 – 90 Rücktrittsrecht – gesetzliches 15 – 16, 73, 85 – 90, 20 – 21, 57 – 60 – vertragliches 23 Schadensersatz – für Wertminderung 53 – und Nutzungen 27 Schädigungsverbot, bereicherungsrechtliches 66 Schenkungswiderruf 78 Schuldnerverzug 49, 59 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 14, 21, 55, 57, 60, 75, 88 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten 15, 85 – 90 Sozialleistungen, Rückforderung von 17 Strenge Herausgabepflicht 14, 16 – 65 Stromleitungen 51, 79 Teilwertabschreibung, lineare 35 – 40 Teilzahlungsgeschäfte 46, 57 Teilzeit-Wohnrechtsverträge 22 Timesharing-Richtlinie 22 Übermaßfrüchte 67 Übermäßiger Gebrauch 64 Unfallschäden 64, 83 Ungewissheit der Berechtigung 24 Unternehmen, Nutzungswert von 45 Verbraucherdarlehn 21, 60 Verbraucherwiderruf 21 – 22, 60 – 63 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 81 Vermietergewinn 47, 49 Vermögensvermehrung 30 Vertragszweck 33

102

Sachregister

Verzicht, hypothetischer 78 Verzinsung des Sachwertes 44, 47, 65 Wandelung 48, 74 Wegfall der Bereicherung 15, 17, 23, 84, 75 – 84 Wegfall der Geschäftsgrundlage 21 Wertverlust, gebrauchsbedingter 12, 47, 89 – 91

Widerruf von Verbraucherverträgen 21 – 22, 60 – 63 Wirtschaft, Regeln der ordentlichen 11, 15 – 16, 28, 67, 88, 29 – 35 Wirtschaftsführung, individuelle 83 Wissentlichkeit 17 Zinsen 12, 31, 74, 79, 89 Zulassung zum Straßenverkehr 58, 62 Zweitwohnung 33