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German Pages 211 [212] Year 1977
Trends in Linguistics State-of-the-Art Reports edited by
W Winter University of Kiel, Germany
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DIE LETTISCHE SPRACHE UND IHRE DIALEKTE
von
ALFREDS GÀTERS
MOUTON PUBLISHERS T H E HAGUE - PARIS - NEW YORK
ISBN 90 279 3126 7 © Copyright 1977 Mouton Publishers, The Hague No part of this book may be translated or reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission from the publishers Photoset by Interprint (Malta) Ltd Printed in The Netherlands by Intercontinental Graphics Dordrecht
VORWORT
Die Herausgabe einer kursorischen Übersicht über das Lettische und seine Dialekte erweist sich als dringend notwendig, wenn man die Schwierigkeiten ins Auge faßt, denen des Lettischen unkundige Sprachwissenschaftler bei der Bearbeitung des baltischen Sprachgebietes wie auch Studenten beim Ausarbeiten eines Überblicks über das Lettische nur an Hand des sehr umfangreichen Werkes Lettische Grammatik (Endzelins 1922) gegenüberstehen. Auch sind den Interessierten die zahlreichen Einzelabhandlungen zum Thema, die in den letzten 50 Jahren zum Teil nur in lettischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, kaum zugänglich, sei es wegen sprachlicher Schwierigkeiten oder weil sie in westlichen Bibliotheken nicht geführt werden. Die vorliegende Arbeit soll das Gebiet der lettischen Sprache und ihrer recht bunten Dialektverhältnisse umreißen. Es wurde besonderer Wert auf die Auswertung des sonst unzugänglichen Schrifttums gelegt. Eine umfassende Aufzählung aller Details, die berücksichtigt werden müßten, ist in diesem Rahmen natürlich nicht möglich. Für die Schriftsprache sei insbesondere auf die übersichtlich abgefaßten Darstellungen Teach Yourself Latvian (Budiqa-Lazdiga 1966) und Lehrbuch der lettischen Sprache (Budina-Lazdina 1968) verwiesen. Die Anregung zu dieser Arbeit geht auf Prof. Werner Winter zurück, dem der Verfasser auch für ermutigende Ratschläge dankbar ist. Durch die ständige Hilfe von Rasma Grisle (Riga), Kärlis Dravinä (Lund) und Prof. Velta Rüke-Dravina (Stockholm) sind dem Verfasser vielfach wertvolles, in Deutschland kaum verfügbares Schrifttum zum Thema sowie dialektologische Aufzeichnungen in Manuskriptform und Aufstellungen einiger Paradigmata zugänglich gemacht worden. Für ihre unermüdliche Unterstützung und ihr Interesse an seiner Arbeit ist der Verfasser ihnen sehr zu Dank verpflichtet. Eine hervorragende Dankespflicht hat er schließlich gegenüber seiner Kollegin Hildegard Radtke, die das ganze Manuskript kritisch durchgesehen und die Dialektkarten nach Vorlage von Marta Rudzites Veröffentlichungen gezeichnet hat.
Tahmisch (T) E S i ä Kurisches Tahmisch I S S 3 Livländisches Tahmisch
Mittellettisch (M)
Hiiiiiiil L i v l ä n d i s c h e s M i t t e l l e t t i s c h Semgallisches Mittellettisch llllliill Kurische Mundarten des Mittellettischen 11111.'; Semgallisch-kurische Mundarten des Mittellettischen
Hochlettisch (H)
'Tiefstes' Hochlettisch Lettgallens Selische Mundarten des Hochlettischen Nördlicher Abschnitt der Ubergangszone Mittlerer Abschnitt der Ubergangszone Südlicher Abschnitt der Übergangszone
VèrtTSPlLS Sarfcít«»rtupoln,t.otwa; etc.) (cf. Biese 1953: 49-50), bei den anderen ein -e- (cf. auch die latinisierten Formen Lettonia und letticus) auf. Während die erste im Osten des Landes vorkommt, ist die letzte mehr im westlichen Teil vertreten. (Biese 1953:50) Es liegt nahe zu vermuten, daß -a- aus -e- vor einem velaren Vokal der folgenden Silbe hervorgegangen ist (cf. Ancitis-Jansons 1963:55). Mit den erwähnten Formen Letthia und terra Letthorum wurde zunächst nur das Land der alten Lettgallen belegt. Noch im 16. Jahrhundert bezieht B. Russow in seiner Chronica der Provintz Lyffland(Russow 1578) den Namen Lettland lediglich auf den von Letten bewohnten Teil Livlands, der zum Teil dem Wohngebiet der alten Lettgallen entspricht (cf. Sväbe 1948: 151). Im weiteren Verlauf geschieht eine Verschiebung der Namen Lettland und Letten auch auf die Gebiete anderer lettischer Stämme. So bezeichnet der Chronist Johannes Renner in seiner Chronik Livoniens (1561-82; Renner 1953) als Littland das gesamte von Letten bewohnte Land (auch die Gebiete der Semgallen und Selen, sogar das der finnisch-ugrischen Liven) außer Kurland (Sväbe 1948:151). Noch weiter geht Dionysius Fabricius in Livonicae historiae compendiosa series (um 1610; Fabricius 1848) mit dem Bericht, Lettland umfasse Libiam, Lothaviam veram, Curlandiam, Semigaliam (Sväbe 1948: 151-2; mit weiterem Material). In der Mitte des 17. Jahrhunderts berichtet Paul Einhorn in der Historia Lettica (Einhorn 1649) über ein Volk und eine Sprache. Anders verhält es sich in der mittelalterlichen Verwaltungsterminologie: hier wurde der Name Lettland im 15. Jahrhundert durch den Namen Livonia!Livonien verdrängt, der offiziell die ganze deutsche Kolonie bezeichnete (Sväbe 1948: 151).
6 Mit Betonung des sozialen Unterschiedes übersieht mancher deutsche Verfasser des späteren Mittelalters ganz die ethnische Zugehörigkeit der Letten und redet von 'Bauernvolk' und 'Bauernsprache' schlechthin. So heißt es zum Beispiel im Titel von Enchiridion (Riga 1615): Der kleine Catechismus [ • • •] Nun aber aus dem Teudtschen in die Lieffländische Pawrsprach gebracht (Enchiridon 1615).
Ferner wurde (1638) Lettisch auch Undeutsch genannt: 'Lettisch (Vnteutsch)' (Mancelius 1929: 11). Soweit bekannt, stammen die ersten Nachrichten über die in Frage stehenden Sprachen selbst erst aus dem 14. Jahrhundert. So erwähnt der litauische König Gediminas (1275-1341) 1323 in einem Schreiben an deutsche Minoriten das Semgallische {Semigallicum). Ein Hinweis auf das Kurische stammt aus dem Jahr 1338, ein solcher in Hinblick auf das Lettische aus dem Jahr 1387 (BiJkins 1968: 37-8). Noch in der Beschreibung seiner Reise vom Jahre 1413 berichtet Guillebert de Lannoy, daß Semgallen und Kuren jeweils ihre eigene Sprache haben (Bißins 1968: 37-8; mit genauen Quellenangaben). Hingegen liest man im 16. Jahrhundert bei Johannes Renner: Wider is Liflandt in vorneme provinciert gedielet, in Eistlandt, Lidtlandt und Curlandt, der ein ider syne eigenn sprake heft; doch hebben dye Curen uth dwange ore tungen nicht reden mothen, sonder dye Litteschen sprake angenomen [...] Dit Curlandt, als vorgemeldet, heft eyne eygene sprake gehatt, van den Litten und Eisten gar afgescheiden, die is uthgeradet und vorboden", alszo dat diesulven nemant spreken darff, sonder in stede dersulven reden sye Littisch. Orsake disser vorbadener sprake is my unbewust, dan dat etliche seggen willen, idt sy eine schentliche sprake gewest na den Dutschen worden, derhalven soll sye vorbaden8 syn. (Renner 1953: 110-1).
ANMERKUNGEN 1
Cf. Endzelins (1948: 5); zum Jatvingischen cf. auch Nalepa 1964: 60). Zur Lokalisation dieser Völker vergleiche die Karte bei Spekke (1951: 83). Über die Galinden siehe auch Büga(1958:411-2,414-5,517-8; 1961:662). 3 Zu diesem Problem cf. Szem^renyi (1957: 97-123); eine Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten auch bei Sturms (1960: 31-2). 4 Als einstiger Siedlungsraum der Balten wird ein weites Gebiet angenommen, das sich im Südosten beiderweits des Sejm bis zur Einmündung der Desna in den Dnjepr erstreckt und nach Nordosten sich etwa bis Saveljew an der Wolga und bis zur Einmündung der Moskwa in die Oka ausdehnt. (Dravins 1970: 5-6). 5 Cf. die Karte bei Spekke (1951: 83), ferner auch Endzelins (1945 : 47-9) und Rutkis (1967: 283-5; mit Literaturhinweisen). 6 Endzelins (1945: 44-5), wo auch über das Siedlungsgebiet der Kuren berichtet wird. 7 Cf. Kursis (1968: 79-96) mit weiteren runeninschriftlichen Belegen. 8 Angezweifelt durch Billpns (1968: 38). 2
2 SPRACHLICHE EIGENTÜMLICHKEITEN DER ALTEN LETTISCHEN STÄMME
Was die sprachlichen Eigentümlichkeiten der alten Kuren, Semgallen, Selen und Lettgallen betrifft, so sind sie lediglich aufgrund der in fremden Texten verstreuten einheimischen Namen und zum Teil der in einigen litauischen Mundarten und im Livischen vorkommenden Lettizismen zu eruieren. Sicher festzustellen sind folgende lautliche Eigenarten: (a) gegenüber dem litauischen Ii und g weisen das Kurische und Lettische (Lettgallische) c und dz auf; nach dem Lautbestand der kurischen Lehnwörter in der Sprache der kurländischen Liven zu urteilen, muß g (später > dz) in einer früheren Form des Kurischen noch erhalten gewesen sein (Endzelins 1913-14: 102); (b) während im Litauischen s und z vorkommen, verwendet man im Kurischen und Lettischen (Lettgallischen) s und z; (c) den Lauten d' und t' (< dj und tj), die im zemaitischen Dialekt des Litauischen (sonst im Litauischen dz und c) sowie im älteren Kurisch (später t' > k') erscheinen, entsprechen in den Flexionssilben im Lettischen (Lettgallischen) z und J; (d) dem nordwestlichen zemaitischen (sonst im Litauischen ie) und älteren kurischen ei steht gegenüber ein lettisches ie (cf. Endzelins 1945: 50; Grisle 1966: 28); (e) gegenüber dem Lettischen hat sich im Litauischen und im Kurischen das tautosyllabische n erhalten: lit./kur. an ert in un > lett. uo ie i ü (cf. Endzelins 1913-14; 96-8; 1945; 46-7); (f) wie im Zemaitischen, haben alle kurzen Vokale vor dem tautosyllabischen r im Kurischen eine sekundäre Dehnung erfahren (darbs < darbs 'Arbeit'; etc.); (g) wie im Litauischen und Altpreußischen, ist im Kurischen u vor v/b erhalten geblieben (zuve 'Fisch', dubens 'Boden', etc.) (Endzelins 1951: 7). Schematisch läßt sich das Gesagte folgendermaßen zusammenfassen:
8 Litauisch
Kurisch
Lettisch
kg? sz zem. d't' zem. ei an en in un
c dz [¿] s z d' t' [et\ an en in un
c dz s z s z ie uo ie i u
zem. är er ir ür ubi uvi
är er ir ür ubi uvi
ar er ir ur ibi TO
In eckigen Klammern [ ] sind dabei die Laute des älteren Kurisch angegeben. Äußerst wenig ist über die Sprachen der alten Semgallen und Selen bekannt. Als ein Charakteristikum des Semgallischen wird der Einschub eines kurzen Vokals hinter tautosyllabischem r erwähnt: irabe < irbe 'Rebhuhn'; zirigs < zirgs 'Pferd'; etc. (cf. Endzelins 1951: 152; Abele 1954: 43i_2; Rudzlte 1964: 27; Dambe 1959: 422-6). Das Selische wird gekennzeichnet durch die steigende Intonation ('); darüberhinaus wird hier eine teilweise Erhaltung des tautosyllabischen n (wie im Kurischen und Litauischen) vermutet (Endzelins 1945: 49). Sonst entsprechen den litauischen Konsonanten l f g s z die Konsonanten c dz s z in der Sprache der Selen (wie im Kurischen und Lettischen/ Lettgallischen; Endzelins 1951: 8-9). Um auf die Sprache der alten Lettgallen zurückzukommen, so ist eine sichere Beurteilung des Vokalismus, abgesehen von Fällen mit tautosyllabischem rt, wegen eines nur ungenügend überlieferten spärlichen Materials nicht möglich. Einesteils muß man annehmen, daß im Lettgallischen der urbaltische Lautbestand im Bereich des Vokalismus (mit der erwähnten Ausnahme) erhalten geblieben war, andererseits verleiten vereinzelte Fälle (wie zum Beispiel die zur hypothetischen Form *Latuva gehörigen Ableitungen; Biese 1953: 49-50) zu der Vermutung, daß sich der Übergang e > a und vielleicht auch noch manche andere Vokalveränderungen zumindest bei einem Teil der Lettgallen bereits vor der Zeit der ersten Wortüberlieferungen vollzogen hatten. Im Hochlettischen (jetzt auch Lettgallisch), das sich aus der Sprache der alten Lettgallen entwickelt hat, sind folgende Vokalveränderungen bekannt: e > a; e, > ä; ä > ö > uo\ ie > l\uo > ü\l > ei; ü > eu/yu. Es wird vermutet, daß sich diese Veränderungen nicht vor dem 15. Jahrhundert vollzogen haben (Endzelins 1945: 65). Bei einigen von ihnen (zum Beispiel e > a\ a > 6) ist das jedoch nicht mit Sicherheit zu behaupten. Vergleiche die
9 urkundlichen Ortsnamen Barsone (Berzone) aus dem 14.-15. Jahrhundert, Oppemolle (UpmaleP) aus dem 13. Jahrhundert, Plowe (plava? 'Wiese') aus dem 14. Jahrhundert (Bukss 1948: 173, 180), die den Zeitpunkt einiger Vokalveränderungen zurückverlegen lassen. Sichere Schlüsse auf das Alter einzelner Veränderungen lassen sich jedoch auf Grund des bekannten Materials auf keinen Fall ziehen.
3 BEZIEHUNGEN D E R SPRACHEN D E R BALTISCHEN STÄMME ZUEINANDER
Überblickt man die sprachlichen Abweichungen, so muß man das Kurische als ein sprachliches Bindeglied zwischen dem Litauischen (und zum Teil auch dem Altpreußischen) und dem Lettischen ansetzen (cf. Endzelins 1913-14: 96). Allerdings sind die festgestellten Abweichungen vom Lettischen nicht sehr zahlreich, so daß das Kurische dem Lettischen näher gestanden hat als dem Litauischen. Bei den alten Sprachen der übrigen Stämme (Semgallen, Selen und Lettgallen) dürfte es sich lediglich um Dialekte einer Sprache gehandelt haben, die ohne strenge Grenzen ineinander übergingen. Es ist zu vermuten, daß auch zwischen diesen Dialekten und dem Kurischen keine sehr strenge Grenze bestanden hat.
4 DIE ERSTEN DIALEKTAUFZEICHNUNGEN
Erst relativ spät kommt es zu Aufzeichnungen von Dialektformen sowie zu historischen Nachrichten über die lettischen Dialekte überhaupt. Von Dialekten schlechthin berichtet wohl Paul Einhorn in seiner Historia Lettica: Was die anreichet so das Fürstenthumb Curland und Semgallen bewohnen ¡so können dieselben/ob sie schon ein Volck sind/ in drey Theile getheilet werden/nemblich in Düne = oder Seibürger/Semgaller und Curen.oder Düne= oder Selburgische/ Semgallische und Curische Letten/denn ob sie sich schon einer Sprache gebrauchen/so kommen sie doch in allem nicht überein/und gebrauchen die Düne= und Seibürger viel Worte/so die andern nicht im Gebrauch haben!pronunciiren oder reden auch dieselbe Sprache viel anders auß wie die andern. (Einhorn 1649: 1-2)
Was die dialektischen Aufzeichnungen betrifft, so betrachtet W. Schmid die Sprache von Simon Grunaus Vaterunser (zwischen 1521 und 1529), in der mehrere preußische Formen auftreten, als kurisch beziehungsweise als eine kurische Dialektform des Lettischen (Schmid 1962: 265-73; cf. Ozols 1965: 59-60). Wenn diese Vermutung zutrifft, so handelt es sich hierbei um den ältesten bekannten Text eines lettischen Dialekts. Spuren kurischer, semgallischer (ar erir > är er ir; weiterhin Formen wie süvens 'Ferkel', zirini 'Erbsen', is- 'heraus-', üz- 'auf-'; etc.) sowie lettgallischer beziehungsweise hochlettischer (i > y\ ei > ai\ etc.) Mundarten (Grisle 1959: 524, 488) sind zu erkennen in den Belegen der ersten bekannten Grammatik (Manvdvctio Ad Lingvam Lettonicam) von Johannes Georg Rehehusen, die um 1630 verfasst, 1644 in Riga veröffentlicht wurde (Rehehusen 1644). Einzelne Belege zu den hochlettischen Mundarten bringt G. Mancelius ( = Georg Manzel, lettisch Juris Mancelis) in seiner Phraseologia Lettica (Riga 1638; Mancelius 1929). Abgesehen von der Erwähnung einiger Wörter, die nach seiner Beobachtung in Ostlettland angewandt werden, liefert G. Mancelius einige Formen, die die Lautqualität der alten lettgallischen Mundarten wiedergeben. So zum Beispiel aus der Gegend von Daugavpils kohrms 'Maul-
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w u r f (schriftlettisch kurmis) (Mancelius 1929: 276); aus Serpils Suhß 'Fisch' (schriftlett. zivs) (Mancelius 1929: 283) und Seerxs 'Pferd' (schriftlett. zirgs) (Mancelius 1929: 272); Wullx 'Wolf' (schriftlett. vilks) (Mancelius 1929: 275), das dem in Lettgallen gebräuchlichen vylks entspricht (Ozols 1965: 160); aus der Gegend von Serpils Ghums' Feuer' (schriftlett. uguns) (Mancelius 1929: 295), Ghuijs (Mancelius 1929: 377) und Vstuba 'Stube'; aus Alüksne Istoba (Mancelius 1929; 341); aus Alüksne und Rezekne Vstob (Ozols 1965: 160; schriftlett. istaba); aus Alüksne Postarak 'später' (Mancelius 1929: 386). Auf die nicht-mouillierte Qualität von -k- (wie in den hochlettischen Mundarten) im Infinitiv schkaudiet (schriftlettisch skaudit) 'niesen' weist G. Mancelius hin: In diesem Worte muß das (Kjausgesprochen werden/ wiewirLieffländer[ das (K) aufreden / wan wir sagen Kerl / kehre. (Mancelius 1929: 253)
= Deutsche; A. G.]
Der erste bisher bekannte hochlettische (lettgallische) Text stammt erst aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es handelt sich um die Evangeliensammlung EVANGELIA Toto Anno singulis Dominicis & Festis diebus juxta antiquam Ecclesise consvetudinem in Livonia Lothavis prselegi SOLITA (Vilnse s.d.), die 1753 in Asüne (Lettgallen) zur Drucklegung angenommen und wohl im selben Jahr in Vilnius veröffentlicht wurde (Biese 1953). Als Übersetzer dieser Sammlung, die auch als Asünes Evangelien bezeichnet wird, wird der Jesuitenpater Jänis Lukasevics (1699-1779) vermutet. Weitere bedeutende hochlettische Sprachdenkmäler sind der Katechismus (Eisa möceiba un eisas lyugsonas 1768, 1775, 1786) von Mikejs Rots (1721-1785) und besonders sein katholisches Enchiridion Wyssa mocieba katoliszka (Polocka 1805).'
ANMERKUNG 1
Zu den älteren hochlettischen Texten cf. Bukss (1952: 4 7 - 9 , 61-3, 79-82).
5 UNTERSCHEIDUNG VON DIALEKTEN UND MUNDARTEN
Es hat sich in der lettischen Dialektologie eingebürgert, Dialekte und Mundarten zu unterscheiden. Ein Dialekt stellt eine auf weiterem Gebiet gesprochene Abart der Sprache dar und umfaßt mehrere weniger unterschiedliche Mundarten. Da die benachbarten Mundarten eines Dialekts für gewöhnlich sehr ähnlich sind, kann ihre Zahl nicht genau angegeben werden. Folglich ist die Unterteilung eines Dialekts in Mundarten oft nur ein willkürliches Verfahren und auch nur teilweise von Belang. Während die lettischen Dialekte in drei Gruppen zerfallen, und zwar in den (1) mittellettischen (M vidus dialekts), (2) tahmischen/livischen (T tämnieku/libiskais dialekts) und (3) hochlettischen (H augszemnieku dialekts) Dialekt, beläuft sich die Zahl der Mundarten auf rund 500 (cf. Rage 1967: 383, 674). Im mittellettischen Dialekt werden an Mundarten vier Hauptgruppen unterschieden: (a) die mittellivländischen Mundarten (Vidzemes vidus izloksnes), (b) die semgallischen (zemgaliskäs izloksnes), (c) die kurischen (kursiskäs izloksnes) und (d) die semgallisch-kurischen (zemgaliski kursiskäs izloksnes) Mundarten. Den tahmischen oder livischen Dialekt unterteilt man in zwei Hauptgruppen: (a) in die tahmischen Mundarten Kurlands (Kurzemes fibiskäs oder dzilo un nedzifo tämnieku izloksnes; nach Dravips (1971: 400) dzi(tämiskäs und viegltämiskäs izloksnes, deutsch 'strengtahmisch' und 'leichttahmisch') und (b) in solche Livlands. Der hochlettische Dialekt umfaßt zwei mundartliche Hauptgruppen: (a) die hochlettischen Mundarten Lettgallens und Nordost-Livlands sowie (b) die selischen Mundarten Ostsemgallens und Südost-Livlands. Es ist auch möglich, von den westlichen (Ostsemgallen und die Übergangszone Ostlivlands) und östlichen (dzilo augszemnieku izloksnes 'tiefstes'/strenges Hochlettisch in Lettgallen) Mundarten dieses Dialekts zu sprechen. Vergleicht man die drei Dialekte miteinander, so stehen der mittellettische und der tahmische Dialekt einander näher, während sich der
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hochlettische Dialekt durch sein stärker abweichendes phonetisches System und durch ausgeprägtere grammatische und lexikalische Eigenarten von ihnen abhebt (Rudzite 1964: 29). Folglich werden die mittellettischen und die tahmischen Mundarten gegenüber den hochlettischen zuweilen auch als niederlettische Mundarten (lejzemnieku izloksnes) zusammengefaßt (Endzelins 1945: 65; Rudzite 1964: 29). Als ein wesentlicher Faktor im Werdegang der Dialekte gelten die verschiedenen Fremdherrschaften, durch die die lettischen Gebiete aufgeteilt wurden. So trug zur Entwicklung des Hochlettischen die polnische Herrschaft 1629-1772 bei (Grisle *1970), durch die Lettgallen von den übrigen lettischen Gebieten abgeschnitten wurde. Als eine der Ursachen zur Entstehung so zahlreicher Mundarten werden mangelnde Beziehungen zwischen den zu verschiedenen Frongutshöfen gehörenden Bauern über mehrere Jahrhunderte hindurch betrachtet. Im 18. Jahrhundert verloren die Bauern ihr Land und das Recht, ihren Gutsherrn zu verlassen, so dafi der Einwohnerbestand der einzelnen von jeweils einem Baron verwalteten Gebiete im Wesentlichen gleich blieb und die Sprache gewisse Eigentümlichkeiten entwickeln konnte. Als weitere Gründe, die allerdings von geringerem Belang sein dürften, werden zuweilen Dorfgemeinschaften und Kirchgemeinden erwähnt (Rudzite 1964: 27-8).
6 ZUSAMMENFASSENDER ÜBERBLICK ÜBER DIE DIALEKTE 1
6.1 DER MITTELLETTISCHE DIALEKT (M)
Der Ausdruck mittellettisch wird hier zur topographischen (nicht historischen) Qualifikation des in Mittellettland gesprochenen Dialekts angewandt, der die Mundartgruppen von Mittellivland, Mittel- und Westsemgallen und Südkurland umfasst. Die ersten sind folglich aus der Sprache der Lettgallen oder Letten (in Livland) und der Semgallen (in Semgallen), die letztgenannten aus der der alten Kuren (daher: kurische Mundarten) hervorgegangen. Den beiden ersten Gruppen gemeinsam sind folgende Eigentümlichkeiten: (a) im Gegensatz zu den übrigen Dialekten besser erhaltener ursprünglicher Lautbestand (die anderen Dialekte, vor allem das Hochlettische, sind dagegen im Hinblick auf die Morphologie vielfach archaischer); (b) in den meisten Mundarten des Mittellettischen Erhaltenbleiben aller drei Intonationen: der gedehnten ("), der gebrochenen (*) und der fallenden O ; cf. A.sg. vili 'Feile' mit vili 'du trogst' und A.sg. vili 'Naht'; (c) Erhaltenbleiben der tautosyllabischen Lautverbindungen ir und ur vor Konsonanten (mirt 'sterben'; durt 'stechen'; etc.), die sich im Hochlettischen und Tahmischen meistens verändert haben; (d) Übergang der alten verbalen e-Stämme der Vergangenheit in äStämme; (e) Einschub des Vokals i zwischen dem Stammauslaut slzltldund dem Endungskomplex im Futur der ersten Konjugation, was auch im Schriftlettischen die Regel ist: nesisu 'ich werde tragen'; lauzisu 'ich werde brechen'; metisu 'ich werde werfen'; vedisu 'ich werde führen'; etc. In einigen Mundarten des Mittellettischen wird i auch hinter anderen Konsonanten des Stammauslautes eingeschoben: cf. in Vecbrenguji: näcis 'wird kommen'; beris 'wird schütten'; cepis 'wird backen'; mirisu 'ich werde sterben';
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(f) bei reflexiven Verben Verlust des Typs P-R-V(cf. 16.4.2)-,dafür der Typ P-V-R (apvilkties 'sich beziehen, anziehen'; etc.).
6.1.1 Die Mundarten Süd-Kurlands oder kurische Mundarten Diese Mundarten, die in Rucava, Bärta, Nica, Virga, Priekule, Raqlp, Skrunda und anderswo gesprochen werden, berühren sich jetzt enger mit dem Mittellettischen, so daß sie zum Mittellettischen gestellt werden können. (Rudzite 1964:61) Nach Ansicht anderer Dialektologen (Grisle* 1970) gehören sie eigentlich zu keinem der drei Dialekte. Nach Norden hin (um Kuldiga, Sabile und Kandava) gehen sie allmählich in das Tahmische über. Ihre Eigentümlichkeiten - den meisten Mundarten Kurlands eigen sind im Wesentlichen folgende: (a) Verlust des Unterschiedes zwischen der gebrochenen und fallenden Intonation, wobei die erste Überhand gewonnen hat (in Rucava jü^u 'ich spanne an', lüyx 'ich bitte'; dagegen in Valmiera jü$u, tóju); (b) Erhaltenbleiben von u vor b/v (zum Beispiel dubens 'Boden', zuve 'Fisch'; sonst im Mittellettischen dibens und zius)\ (c) Erhaltenbleiben des tautosyllabischen -n- (zum Beispiel bezdelinga 'Schwalbe'; sonst bezdetiga); (d) Schwund von v hinter / (zum Beispiel cileks 'Mensch'; sonstcilvèks); (e) Dehnung aller Vokale vor tautosyllabischem r, unabhängig von der jeweiligen Intonation (därbs 'Arbeit'; vèrgs 'Sklave'; mirt 'sterben';¿fori 'stechen'; etc.), wobei i und ii auch diphthongisiert werden können (in Raijki miert, duort); (f) Übergang der substantivischen /-Stämme in die Kategorie der èStämme (zuve : zivs 'Fisch'; guóve :guovs 'Kuh'; ace \acs 'Auge'; ugune : uguns 'Feuer'; etc.); (g) Auslaut des Lokativs Singular auf einen Diphthong (silai : silä 'im Tann'; vidui : vidii 'in der Mitte'; sètai : setä 'im Hof'; upei : upè 'im Fluß '; etc.); im Tahmischen wird dieser Diphthong zu -el-e (vakre 'am Abend'; ruöke 'in der Hand'; etc.); (h) bei reflexiven Verben Erhaltung des Typs P - R - V (zum Beispiel in Rucava nuosaraudi 'du weinst bitterlich'); (i) Bewahren der präteritalen ¿-Stämme (zum Beispiel in Rucava vezu 'ich führe'; vedèm 'wir führten') und des Futurs ohne Einschub von / (in Rucava sesu 'ich werde mich hinsetzen' und ves 'wird führen'; im Mittellettischen und Schriftlettischen sèdisuos und vedis', etc.); (j) statt der Präposition aiz beziehungsweise des Präfixes aiz- 'hinter' die ältere Form az oder äz (Abele 1929: 106).
17 6.2 DER TAHMISCHE ODER LIVISCHE DIALEKT (T)
Dieser Dialekt wird im Norden und Nordwesten Kurlands sowie im Nordwesten Livlands gesprochen -unmittelbar an der Ostseeküste. Da er sich auf livischem Substrat entwickelt hat, werden die entsprechenden Mundartgruppen Kurlands und Livlands zusammenfassend bisweilen als livischer Dialekt bezeichnet. Der Ausdruck iahmisch bezieht sich im engeren Sinne auf die Mundartgruppe Kurlands. Hierbei hat es sich zunächst um eine ironisierende Bezeichnung gehandelt, abgeleitet von dem Adverb täm 'bisher', das in Nordost-Kurland statt lidz tarn oder lidz sim gebraucht wird. (Endzelins 1921: 189-90; Draviqs 1966: 50-1). Wie in der vorliegenden Arbeit, werden mit dem Ausdruck tahmisch oft alle auf livischem Substrat entwickelten Mundarten (in Kurland wie auch in Livland) belegt. Diese weiter gefaßte Bezeichnung trägt der Tatsache Rechnung, daß sich der erwähnte Dialekt auch auf kurischem Substrat entwickelt hat: nach den neuesten Forschungen haben die Kuren außer in Kurland auch in West-Livland, Riga und an der Düna um Lielvärde und Skrivep gelebt. (Endzelins 1954: 130, Grisle *1970).
6.2.1 Eigentümlichkeiten aller tahmischen beziehungsweise livischen Mundarten (a) Verlust des Unterschiedes zwischen der gebrochenen und fallenden Intonation (wie in den kurischen Mundarten): * und " werden zu *2, erhalten Die Aussprache von "2 nähert sich in Kurland der gebrochenen (*), in Livland der fallenden (") Intonation. (b) Monophthongierung von ie und uo und Kürzung der langen Vokale in Suffixen und Endungen (zum Beispiel: säktes statt säkties 'beginnen'; zvejat statt zvejuot 'fischen'; runat statt runät 'reden'; meklet statt meklet 'suchen'; zveineks statt zveinieks 'Fischer' unds'ipalsstattsipuols'Zwiebel' in Svetciems; (cf. Putnips 1935: 76). (c) Verlust der kurzen Endsilbenvokale, verbunden mit Ersatzdehnung vorausgehender Laute und Entwicklung einer sekundären Intonation (zum Beispiel: in Ance ak < aka' Brunnen'; lap < /a/?a'Blatt', zem < zeme 'Erde'; in Ärlava zem < zeme und däb < daba 'Natur'); (d) Entwicklung von au zu ou und von av zu ov (zum Beispiel: loüks < lauks 'Feld', broükt < braukt 'fahren', sovädaks < savädäks 'anders geartet'; (cf. Putnips 1935: 57);
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(e) Entwicklung von e zu ei vor Verschlußlauten (zum Beispiel: in Svetciems bleidiks < bledigs 'hinterlistig', Sveicems < Svetciems-, in Ance sveitit < svetlt 'segnen' oder paeids < paedis 'satt gegessen'; in Ärlava eidans < ediens 'Essen'); (f) Reduktion des Genus femininum zugunsten des Masculinum, und zwar am häufigsten beim Prädikatsnomen (zum Beispiel in Ance man ta sird täc miksc 'ich habe ein weiches Herz', strichweise auch beim Attribut briesmiks vetr 'ein fürchterlicher Sturm'; etc.); seltener der Übergang der femininen Substantive in die Kategorie der Masculina (gars asc < gara aste 'ein langer Schwanz'; etc.); (g) teilweiser Übergang der substantivischen /-Stämme in die Kategorie der e-Stämme (vollkommener Verlust der /-Stämme zum Beispiel in Ance; Äbols * 1953) sowie der ¿-Stämme in die der ä-Stämme; (h) weitgehender (in Ance vollkommener: Äbols *1953) Verlust der uStämme, die in die Kategorie der (/)o-Stämme übergegangen sind; (i) infolge des Schwundes von kurzen Endsilbenvokalen-Verallgemeinerung der 3. Person der Konjugation auch für die 1. und 2. Person (zum Beispiel: in Svetciems tu gul 'du schläfst'; in Ance: es zin 'ich weiss', nies grib 'wir wollen', jus var 'ihr könnt'); (j) häufiger Ersatz des Genetivs durch andere Kasus (in Ance: jürmale nau ves < jürmale nau veja 'am Strand gibt es keinen Wind'; piedruokn ghl 'das Ende des Ärmels'; etc.); (k) wie im Mittellettischen und Schriftlettischen, Angleichung der Deklination der Ordinalia im Allgemeinen an die der bestimmten Adjektive: (1) teilweise statt des Possessivpronomens Gebrauch des Dativs des Personalpronomens; (m) Dativ-Instrumentalis plural zum Teil auf -ms (tiems 'jenen'; etc.); (n) weitgehender Verlust der Charakteristika der athematischen Konjugation; (o) Verlust des Supins; (p) Bevorzugung des Akkusativs bei den meisten Präpositionen im Singular.
6.2.2 Nur im Tahmischen Kurlands auftretende Eigentümlichkeiten (a) Schwund suffigaler Vokale innerhalb von Silben, die ohne Hilfsakzent ausgesprochen werden; dieser Schwund kann eine Ersatzdehnung der vorausgehenden Laute hinterlassen (ablis < äbolirfs 'Klee'; kümlis
e oder ie (in Vlpe vejs'Wind';in Liväniaüdya 'Weberin'; in Baitinava viejs 'Wind' und mekl'iet 'suchen'; etc.); (e) Diphthongierung von i (> ei) und ti (> ou, oder im Osten eu/yu/iu); zum Beispiel: in Augulene treis 'drei'; in Liväni Reiga 'Riga', labeiba 'Getreide', 3eiveiba 'Leben'; in Augulene und Krustpils cöuka (< cüka) 'Schwein', in Liväni ceuka 'Schwein' und beut (< büt) 'sein', in Baitinava cyuka 'Schwein'; (f) statt sk und zg die Lautgruppen sk und zg (in Augulene skduns < skünis 'Scheune', skelt 'spalten' und rezgis 'Gewirr'; etc.); (g) sk statt ks (in Liväni riskava 'eine Handvoll', priskäuc 'Schürze'; in Baitinava iska 'das Innere' und aüska 'der obere Teil'; etc.); (h) teilweises Erhalten des alten Lokativs singular der /-Stämme {-ie > -1 im östlichen Hochlettisch) und «-Stämme {-ou > ü im östlichen Hochlettisch; in Märciena äecie 'im Auge' und tirguö 'auf dem Markt'; etc.); (i) konsequenter Gebrauch der Form der substantivischen (7)o-Stämme im Dativ singular der (;')/o-Stämme {brüolam 'dem Bruder'; etc.); (j) Gebrauch der vollen Genetivform in den substantivischen Genetivkomposita, oft auch der vollen Adjektivform in den Komposita mit einem Adjektiv im ersten Glied (beide Kompositionsglieder häufig getrennt von dem Beziehungswort; zum Beispiel: jüona ügas 'Johannisbeeren' in §kilbeni (cf. Reidzäne 1970: 34); in Liväni leläis cel's neben lercel's 'Landstrasse'); (k) Angleichung der Deklination der Ordinalia im Allgemeinen an die der unbestimmten Adjektive; (1) teilweises Erhalten der verbalen e-Stämme der Vergangenheit (in Liväni: 1. Pers.sg. ved$, 1. Pers.pl. vedem, 2. Pers.pl. vedet 'führen'; in Märciena: 1. Pers.sg. säucu, 3. Pers. säuce, 1. Pers.pl. säucem, 2. Pers.pl. säucet 'rufen'; etc.); (m) Bildung des Futurs ohne Einschub von -i- bei primären Verben, deren Wurzel auf s z d t auslautet (in Kalniena zum Beispiel essu, essi, essam, esset 'essen'); (n) erhaltenes Supinum; (o) besonderer Reichtum an Partipizialformen und zum Teil an Formen des Modus relativus; (p) bei präfigierten reflexiven Verben Vorherrschen des Typs P-R-V (zum Beispiel sasatyka 'trafen sich' und pasakör% 'erhängten sich' in Liväni); (r) gegenüber dem Tahmischen und zum Teil dem Mittellettischen Vorliebe für den Gebrauch des Genetivs; so die Anwendung des Genetivs des Subjekts beim negierten Hilfsverb büt 'sein' und des Genetivs des Objekts bei negierten transitiven Verben (zum Beispiel cäura mäisa napi-
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budssi 'einen zerlöcherten Sack wirst du nicht vollstopfen'), der Genetivus finalis (zum Beispiel beju oüdina 'ich war Wasser holen'), der Genetiv des Ausrufs (zum Beispiel in Vestiena tik bgsskoüniga ih?ka! 'solch ein unverschämter Mensch!').
6.3.2 Eigentümlichkeiten der östlichen Mundarten (a) Monophthongierung von ie und uo (auch im nördlichen Abschnitt der Übergangszone: Alüksne, Kalniena, Gulbene, Augulene, etc.); zum Beispiel pici 'fünf', sie 'Sieb', lügs 'Fenster'; (b) Velarisation von i, und zwar unter ähnlichen phonetischen Bedingungen wie die Entwicklung a > o (zum Beispiel in Liväni vys 'alles', vysta 'Huhn' und myza 'Rinde'); (c) wie in den kurischen Mundarten zum Teil Dehnung des Vokals und Diphthongierung des Monophthongs innerhalb der tautosyllabischen Lautgruppen ir und ur, wenn sie unter der fallenden Intonation stehen (teilweise auch im nördlichen Abschnitt der Übergangszone) (zum Beispiel: in Baitinava miert 'sterben' und tiergs 'Markt'; in Balvi p'irkt 'kaufen'; in Liväni ferks 'Markt', vkrve 'Seil' und kürpe 'Schuh'; in Balvi küorpe 'Schuh'); (d) k und g (wenn sie nicht direkt hinter s/z erscheinen) > cund 3 (zum Beispiel in Liväni Ups 'ein Holzgefäß'; ceve 'Stute', 3eims 'Gesicht'und puca 'Blume'); (e) Palatalisierung der Konsonanten vor i/e, zuweilen auch hinter diesen Vokalen (zum Beispiel jäunekl'is 'Jüngling' und elksnis 'Erle' in Kräslava); (f) Deminutive auf -eijs m. oder -ena f. (zum Beispiel: in Skaista mal'eria 'Rand' und plaveija 'Wiese'; in Liväni ganenc 'Hirt'); (g) innerhalb der Deklination die Entwicklung -asl-es > -ysl-is (zum Beispiel: in Liväni G.sg.N.pl. galys 'des Fleisches; die Fleischsorten', mösys 'der Schwester; die Schwestern', kojys 'des Beines; die Beine'; etc.); (h) in der Deklination der Adjektive und Pronomina der Genetiv plural auf -üs (< -uos) und -us (anderswo -u) (zum Beispiel: in Skaista G.pl. m./f. jus 'jener', lobus 'der guten'; in Preiji tüs 'jener'; in Värkava boltüs 'der weissen'); (/) teilweiser Übergang der (femininen) ¿-Stämme in die Kategorie der maskulinen o-Stämme (so in Skilbeni, Nordost-Lettgallen) (Reidzäne 1969: 91-128), der e-Stämme in die der ä-Stämme (zum Beispiel in Liväni säuleita [deminut ] 'Sonne') und strichweise Bevorzugung der ¿-Stämme gegenüber den ä-Stämmen (in Skilbeni; Reidzäne 1969:91-3);
22 (j) im Präterium strichweise Übergang der verbalen öio- (zum Teil auch der äio-, a- und /-)-Stämme in avä-Stämme; (k) Vorkommen der Pronominajis 'er' und jei (< fl) 'sie' und nach ihrem Vorbild tis : tys 'jener' und tei 'jene'; (1) Vorkommen der Präposition und des Präfixes iz beziehungsweise iz- 'zu; von, heraus'; (m) eine Reihe von lexikalischen Besonderheiten (zum Beispiel vuska 'Schaf', sonst aita\ in Slplbeni skujines 'eine Hafersorte' und tynüms 'reine Flachsfaser' (Reidzäne 1970: 22, 32, et passim).
ANMERKUNG ' Zu Verwaltungsgebieten cf. die Karte bei Rutkis (1967: 159, 158).
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PHONETIK
7.1 BETONUNG
Abgesehen von einigen wenigen Fällen, liegt die Wortbetonung in allen Dialekten sowie in der Schriftsprache auf der ersten Silbe, und zwar auch in Zusammensetzungen. Die zweite Silbe wird betont bei (a) Ableitungen mit vis- 'aller' (bei Superlativen wie visskaistäkais 'allerschönster'; bei einigen Adverbien beziehungsweise präpositioneilen Ausdrücken wie vis visädi 'verschiedentlich', vis maz 'zumindest', vis apkärt 'ringsherum'); (b) Zahlwörtern mit pus- 'halb' (wie pusuotra 'anderthalb'); (c) einigen Komposita mit pus-, in denen die Bedeutung 'Hälfte' (lettisch puse) dominiert (wie in pus'jäsus 'zum Teil reitend' oder nuogulet pus'nakti 'die Hälfte der Nacht verschlafen'); (d) einigen pronominalen, adverbiellen und partikelhaften Zusammensetzungen mit ne- (wie ne kas 'nichts', ne'käds 'kein', ne'maz 'gar nicht'); (e) einigen Adverbien mit ar- und pa- (wie ar vien 'stets', pa tiesi 'wahrhaftig' und pa'visam 'ganz und gar'), sowie bei einigen anderen Adverbien (nupat 'soeben', täpat 'ebenso\gandriz 'beinahe'; etc.); (f) den Pronomina mit ik- (ik'viens 'jeder'; etc.); (g) den Grußformeln lab'vakar 'guten Abend'; und schließlich bei (h) emphatisch oder im Affekt gebrauchten Partizipialformen (zum Beispiel: in Liväni skut sal'eics 'er läuft, was das Zeug hält', eigentlich 'mit vorgebeugtem Oberkörper'; in Ärlava vir stiep, acs pär'griezus 'die Männer trugen ihn, daß ihnen die Augen aus den Höhlen quollen'; Grisle * 1970) und Adverbien (lenitirjäm 'langsam'; etc.). Nur selten wird die dritte Silbe betont (wie in pama'zitiifäm 'langsam' (Endzelins 1951: 29-33); beim Infinitiv mit anlautendem nenuo- 'nicht genug . . . . ' (wie in nenuo'skatities 'beim Hinsehen nicht genug davon kriegen', etc.). Abgesehen von diesen allgemein gültigen Fällen, kann die Betonung im Tahmischen zuweilen auf einer anderen Silbe liegen: so bei Komposita
24 auf der ersten Silbe des zweiten Kompositionsgliedes (wie in fcimen säls 'Kümmelsalz' in Stende), weiterhin bei einigen weiteren Verbalformen, zusammengesetzten Zahlwörtern und anderen Ausdrücken (DraviqsRüke 1955: 41-6; Rudzite 1970: 93-7). In Ance wird zuweilen die Wurzelsilbe von negierten Verbalformen betont: zum Beispiel skates tik, ka nepa'krit un nesa'sites! 'paß auf, daß du nicht hinfällst und dich stößt' (Äbols * 1953; cf. auch Rudzite 1970b: 96-7).
7.2 INTONATION
An Intonationen, das heißt Wechsel der Lauthöhe und Intensität innerhalb der langen Silben (Silben mit langem Vokal/Diphthong sowie mit kurzem Vokal in Verbindung mit tautosyllabischem l/r/m/n), unterscheidet man im allgemeinen eine gedehnte ("), eine gebrochene/gestoßene ( * ) und eine fallende ( x ) Intonation; von ihr kann die Bedeutung eines Wortes abhängen (wie in zäle 'Saal' oder zäle 'Gras'). 1 Neben diesen drei Hauptintonationen begegnet man noch weiteren Variationen, wie der gedehnt-fallenden, gebrochen-fallenden, steigend-fallenden, etc. Alle drei Hauptintonationen finden sich nebeneinander nur noch im Mittellettischen: in Livland um Ergeme, Lugazi (Rage 1964: 9-10), Rauna, Cesis, Smiltene, etc.; in Semgallen um Jaunpils, Blldiene, etc. (Endzelins 1951: 34-48). In anderen Gebieten ist die fallende Intonation zum Teil in eine gebrochene, zum Teil in eine gebrochen-fallende Intonation umgewandelt (Endzelins 1951: 40). Das Hochlettische hat dagegen den Unterschied zwischen der fallenden und gedehnten Intonation eingebüßt. In den meisten Mundarten des Hochlettischen sowie in einigen Mundarten des Mittellettischen, die geographisch an das Hochlettische angrenzen (so zum Beispiel in Bauska, Baldone, Lielvärde und Suntazi), wird statt der gedehnten Intonation die fallende gesprochen. Nur vereinzelt erscheint im Hochlettischen die gedehnte Intonation statt der fallenden. Im Tahmischen wiederum hat sich die gedehnte Intonation voll erhalten, wohingegen die fallende und gebrochene zusammengefallen sind. Das Ergebnis dieses Prozesses sind verschiedene Modifikationen der Intonation: in Kurland (besonders bei Dundaga) kommt sie der gebrochenen, in Westlivland der fallenden Intonation nahe. Vereinzelt hört man noch andere Modifikationen. So kommen in der Mundart von Stende sechs Intonationen vor: die gedehnte, gedehnt-fallende, gebrochene, gebrochen-fallende, fallende und steigend-fallende Intonation (Dravips-Rüke 1955:4). In der Mundart von Mazgramzda(Mittellettisch; Südwest-Kurland) wird als Endprodukt der gedehnten Intonation eine
25 fallend-steigende Intonation beschrieben (Abele 1929: 90; Rudzite 1964: 68). Vor allem in Grenzgebieten zweier Dialekte sowie in Grenzgebieten des Lettischen überhaupt sind verschiedene, recht bunte Modifikationen der Silbenintonation festzustellen (cf. Rudzite 1964: 68). Unterschiede herrschen auch bei der Intonation der Endsilben und Suffixe (cf. Endzellns 1951: 41-4; Rudzite 1964: 69, 158, 265). Zum Beispiel wird die Endung des Lokativs singular oder plural im Hochlettischen Lettgallens und Nordost-Livlands (im Norden der Übergangszone) mit der gebrochenen Intonation ausgesprochen (wie in kreumä 'im Busch' und kreumüs 'in den Büschen' in Liväni; döarzä 'im Garten' in Galgauska), in den selischen Mundarten des Hochlettischen (in OstSemgallen, Mittel- und Südost-Livland) dagegen mit der steigenden (wie in: golä 'am Ende' in Dignäja; viteijä (deminutiv) 'im Ort' und vokord 'am Abend' in Lubäna; läikd 'zur Zeit' in Lazdona), in einem kleineren Landstrich auch mit der fallenden Intonation (wie in: krümä und mezä 'im Wald' in Pjaviqas; azarä 'im See' in Selpils). Im Mittellettischen erscheint hier teils die gedehnte (cf. in Kauguri mezä; üderä 'im Wasser' in Ergeme), im Tahmischen zum Teil die gebrochene (auch hier im Plural, wie in pukäs 'in den Blumen' und raguös 'in den Hörnern' in Stende), zum Teil ist die Intonation wegen der überkurzen Aussprache des Vokals (Aböls *1953) nicht zu beurteilen (zum Beispiel in den Lokativen wie: pufce 'in der Blume' und raga 'im Horn' in Stende; zeme/(pl.) zemes 'in der Erde', plaves 'in den Wiesen', vires 'in den Männern' in Ance).
7.3 METATONIE
Meistens behält die Wurzel ihre Intonation auch in den Ableitungen unverändert. Nicht selten kommen jedoch Fälle vor, in denen eine Metatonie (Intonationswechsel beim Wort mit ein und derselben Wurzel) in Erscheinung tritt. So tragen Deminutive auf -elis m. / -ele f. in einigen mittellettischen Mundarten Semgallens (Mezotne, Code, etc.) und Kurlands (Dzükste, Aizpute, etc.) und zum Teil im Tahmischen (unter anderem in Stende) die gedehnte Intonation, während das Grundwort mit der gebrochenen Intonation gesprochen wird: cf. mittellettisches aüns 'Hammel'\aiinelis 'ein kleiner Hammel' mit aüns:auneh aus Stende (Dravius-Rüke 1955: 53; Rudzite 1964: 159). In einigen tahmischen Mundarten begegnet man dem gleichen Intonationswechsel auch bei Ableitungen auf -ene / -