Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH [1 ed.] 9783428548842, 9783428148844

Wie jedes Rechtsgeschäft kann auch die Bestellung von Organwaltern an Wirksamkeitsmängeln leiden. Wird das fehlerhafte O

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German Pages 229 Year 2016

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Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH [1 ed.]
 9783428548842, 9783428148844

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 98

Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH

Von

Milena Gimmler

Duncker & Humblot · Berlin

MILENA GIMMLER

Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 98

Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH

Von

Milena Gimmler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-14884-4 (Print) ISBN 978-3-428-54884-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84884-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Anfang 2016 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Uwe Blaurock, für die umfassende Betreuung dieser Arbeit sowie für die schöne und lehrreiche Zeit, die ich als studentische und wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem von ihm geleiteten Lehrstuhl für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Freiburg verbringen durfte. Danken möchte ich weiter Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (University of Chicago), für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Professor Dr. Marc-Philippe Weller für die wertvolle Möglichkeit meine Arbeit an dessen Lehrstuhl präsentieren zu können. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern und Till, deren Rückhalt und Unterstützung zu dem Gelingen der Arbeit ganz wesentlich beigetragen haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt a.M., im Februar 2016

Milena Gimmler

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

13

§ 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 § 2 Die „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ als möglicher Lösungsansatz . . . . . . 14 § 3 Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2. Kapitel Grundlagen

20

§ 1 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 A. Inhalt des Organverhältnisses und Begriff der Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Das Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Das Mitgliedschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Zustandekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Bestellung im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Bestellung durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Eintragung ins Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Fehlerhafte Rechtsgeschäfte nach bürgerlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Fehlerhafte Beschlüsse im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Fehlerhafter Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 3 Begriff des fehlerhaften Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

8

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

39

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 A. Zurechnung und Wirksamkeit von (Rechts-)Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Zurechnung von Vertretungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht vermittels Bestellungsakt . . 43 bb) Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht durch Mitgeschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Rechtsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Positive Publizität des Handelsregisters gem. § 15 Abs. 3 HGB . . . 47 (1) Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Zurechnung des Vertrauenstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (3) Redlichkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (4) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht . . . . . . . . . . . . 50 (1) Zurechenbarer Rechtsscheintatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (a) Rechtsscheininhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (b) Anknüpfungspunkt hinsichtlich Schaffung relevanten Rechtsscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (c) Mitglieder des Bestellungsorgans kannten und duldeten das Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . 53 (d) Keine Kenntnis der Mitglieder des Bestellungsorgans vom Auftreten des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (2) Schutzwürdigkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Anwendbarkeit der §§ 177 ff. BGB auf Vertretergeschäfte des fehlerhaften Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Organzuständigkeit und Beschränkung der Genehmigungsfähigkeit auf delegierbare Vertretungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Zurechnung von zu Schadensersatz verpflichtenden Handlungen . . . . . . . . 60 a) Fehlerhafter Geschäftsführer als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ 61 b) Zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) In Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Inhaltsverzeichnis

9

II. Gesellschaftsinterne Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Zurechnung von Vertretungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Rechtsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Einwand fehlerhafter Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Rechtshandlungen im eigenen Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Mitwirkung an Organbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Sonstiges internes Rechtshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 B. Pflichten des fehlerhaften Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Pflichten aus dem Organverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Sonderrechtsbeziehung aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . 83 b) Einheitliches gesetzliches Schutzpflichtverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Sonderrechtsbeziehung kraft Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Gesetzliche Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Kartellrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Zwischenergebnis und weitergehende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Pflichten aus das Organverhältnis begleitenden Rechtsverhältnissen . . . . . . . . 96 1. Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Abgrenzung zu den Organpflichten des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . 96 b) Anstellungsvertragliche Bezugnahme auf Organpflichten . . . . . . . . . . . . 99 2. Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. Rechte des fehlerhaften Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Organrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Rechte aus dem Organverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Gesetzliche Organrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Anwendbarkeit des § 326 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Vergütungsansprüche als Gegenleistung im Sinne des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Erhaltung der Vergütungsansprüche nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB 107 aa) Anknüpfungspunkte für die Verantwortung des Gläubigers . . . . . . . 108 bb) Alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit . . . . 110 b) Erhaltung der Vergütungsansprüche über Treu und Glauben . . . . . . . . . 111 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

10

Inhaltsverzeichnis D. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Allgemeine Organhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Haftung aus das Organverhältnis begleitenden Rechtsbeziehungen . . . . . . . 115 3. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Haftung aus culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Haftung als falsus procurator, § 179 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Haftung für unmittelbare Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Haftung für mittelbare Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 E. Strafrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 F. Wertende Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 A. Die fehlerhafte Bestellung des Geschäftsführers als Anwendungsfall der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Die fehlerhafte Bestellung des Geschäftsführers als Anwendungsfall der Lehre vom fehlerhaften Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Entwicklung und Grundlage der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft . . . 147 1. Entwicklung der Lehre durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Dogmatische Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Stellungnahme zugunsten eines allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips 152 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Fehlerhafte Strukturänderungen im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Verband 157 III. Die fehlerhafte Bestellung als fehlerhafte Strukturänderung i.S.d. Lehre vom fehlerhaften Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 C. Die Rechtsfigur der fehlerhaften Organstellung als eigenständiger Lösungsansatz 169 I. Organersetzungsfunktion als maßgebliche dogmatische Grundwertung . . . . . 169 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Inhaltsverzeichnis

11

4. Kapitel Tatbestand und Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

176

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 A. Vorüberlegung zur Ausformung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Anforderungen an den fehlerhaften Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Vollzug des fehlerhaften Organverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 D. Grenzen des Rechtsinstitutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 § 2 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 A. Wirksames Organverhältnis für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Beendigung des Organverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

5. Kapitel Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

191

§ 1 Fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 § 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 § 3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

6. Kapitel Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

208

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

1. Kapitel

Einleitung § 1 Problemstellung Mag er auch Träger von Rechten und Pflichten sein, ist ein rechtsfähiger Verband als solcher mangels natürlicher Handlungsfähigkeit zunächst nicht in der Lage in zurechenbarer Weise am Rechtsverkehr teilzunehmen. Hierzu bedarf er seiner Organe. Deren Verhalten, genauer das Verhalten der Organwalter, die das jeweilige Organ besetzen, wird dem Verband in spezifisch organisationsrechtlicher Weise als eigenes zugerechnet.1 Die Organe eines Verbandes als abstrakte Verbandsinstitution entstehen kraft dessen Organisationsverfassung. Je nach Funktion unterscheidet man zwischen Willensbildungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen.2 Hinsichtlich der Besetzung der Organe ist zwischen geborenen und gekorenen Organwaltern zu differenzieren. Geborene Organwalter haben die Organstellung kraft Mitgliedschaft inne.3 So müssen die Gesellschafter einer AG oder GmbH beispielsweise nicht erst in die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung hineingewählt werden. Gekorene Organwalter erlangen die Organstellung hingegen vermittels eines besonderen Bestellungsaktes, welcher eine organisationsrechtliche Sonderrechtsbeziehung zwischen Organwalter und Verband begründet.4 Der Bestellung bedarf etwa der Geschäftsführer einer GmbH oder das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft.5 Wie jedes Rechtsgeschäft kann auch die Bestellung zum Organwalter an Wirksamkeitsmängeln leiden. Denkbar ist etwa, dass die Person des Bestellten gesetzliche oder statutarische Anforderungen nicht erfüllt, die Bestellung durch ein unzuständiges Organ erfolgte oder der der Bestellung regelmäßig zugrunde liegende Be-

1 So die moderne Organtheorie. Dazu insbesondere Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 17 ff. Zum klassischen Streit über die Eigenzurechnung im Verbandrecht vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 247 ff.; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 151 ff. 2 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 407 f. 3 Jacoby, Das private Amt, 167; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 415. 4 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 415 ff. 5 § 6 Abs. 3 GmbHG; § 84 Abs. 1 AktG.

14

1. Kap.: Einleitung

stellungsbeschluss aus formellen Gründen fehlerhaft und daher nichtig oder jedenfalls wirksam angefochten worden ist.6 Fehlt es hiernach an einer wirksamen Bestellung, ist der Betroffene jedoch gleichwohl als Organwalter des Verbandes tätig geworden, ergeben sich vielfältige Probleme, welche zusammenfassend unter dem Schlagwort des „fehlerhaften Organs“7 diskutiert werden. Das Tätigwerden des fehlerhaft bestellten Organwalters wirft Fragen im Hinblick auf die rechtliche Einordnung von diesem im Namen des Verbandes oder in Wahrnehmung vermeintlich bestehender eigener Kompetenzen vorgenommener (Rechts-)handlungen auf. Müssten diese infolge der Fehlerhaftigkeit der Bestellung insgesamt als nichtig bzw. als dem Verband nicht zurechenbar angesehen werden, könnte dies je nach Sachlage zu erheblichen Rückabwicklungsschwierigkeiten bis hin zur Funktionsunfähigkeit des Verbandes führen. Klärungsbedürftig ist weiter, welchen Pflichten der fehlerhaft bestellte Organwalter bei Tätigwerden für den Verband unterlag und nach welchen Haftungsmaßstäben sein Handeln zu bemessen ist. Zum Schutze der Gesellschafter, der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit könnte hier eine Gleichstellung mit einem wirksam bestellten Organwalter geboten sein. Mit der Auferlegung von Organpflichten könnte sodann auch das Zugeständnis von Organrechten erforderlich werden.

§ 2 Die „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ als möglicher Lösungsansatz Auf der Suche nach einer sachgerechten Lösung im Umgang mit den hier vorerst nur angedeuteten, im Zusammenhang mit dem Tätigwerden eines fehlerhaft bestellten Organwalters entstehenden Problemen, erscheint es hilfreich sich klar zu machen, dass es letztlich um die auch in anderen Konstellationen auftretende Frage geht, ob und auf welche Art und Weise die Nichtigkeits- und Anfechtungsfolgen eines in Vollzug gesetzten fehlerhaften Rechtsverhältnisses der Korrektur bedürfen. Sollten sich die mit dem Tätigwerden eines fehlerhaft bestellten Organwalters verbundenen Probleme unter Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung vermittels des allgemeinen Normenbestandes und ggf. unter Heranziehung einzelner, für den ordentlichen Organwalter geltender Normen sachgerecht bewäl-

6

Dazu unten 2. Kap. § 2 C. III. Zur Abgrenzung von verwandten Konstellationen, insbesondere dem „faktischen Organ“ unten 2. Kap. § 3. 7

§ 2 „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ als möglicher Lösungsansatz

15

tigen lassen, wäre ein entsprechendes Korrekturbedürfnis zu verneinen.8 Zeigt sich demgegenüber, dass sich die Problematik des fehlerhaften Organs bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der fehlerhaften Bestellung keiner sachgerechten Lösung zuführen lässt, scheint Raum für eine rechtsfortbildende Einschränkung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung. Bekannte Beispiele für eine derartige Einschränkung sind die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. vom fehlerhaften Verband sowie die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis. Die im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung entwickelten Rechtsinstitute führen jeweils zu einer Suspendierung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfolgen des fehlerhaften Dauerrechtsverhältnisses für die Vergangenheit.9 Eine solche Suspendierung, mit dem Ergebnis, dass der Fehler des Rechtsgeschäfts nur für die Zukunft geltend gemacht werden kann und das Rechtsverhältnis für die Vergangenheit einem wirksamen gleichsteht, erscheint auch in der Konstellation der fehlerhaften Bestellung eines Organwalters erfolgversprechend. Tatsächlich wird eine solche „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ auch vertreten.10 Hinsichtlich Wertungsgrund, Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen eines solchen Rechtsinstituts gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Was den Wertungsgrund angeht, wird häufig pauschal auf die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. vom fehlerhaften Verband und/oder die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis verwiesen.11 Andere Ansichten halten diesen Ansatz für verfehlt und suchen eine originär an die Organstellung anknüpfende Begründung.12 Im Bereich der Kapitalgesellschaften wird vertreten, dass der Lehre vom

8 Weitergehend hält Stein, Das faktische Organ, 75 f., 198 eine Korrektur über ein festes Rechtsinstitut auch dann noch für möglich, wenn sich dieser Weg gegenüber der einfachen Normanwendung als rechtssicherer und praktikabler darstellt. Dazu noch unten 3. Kap. § 2 C. 9 Zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. zum fehlerhaften Verband vgl. insbesondere Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 71 ff., 120 ff., 137 ff. Zur Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis etwa Joussen, NZA 2006, 963, 963 ff. 10 Die Terminologie ist dabei uneinheitlich. Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1 ff. (Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis); Stein, Das faktische Organ, 97 ff. (Rechtsfigur der fehlerhaften Organstellung); Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 482 f. (Lehre vom fehlerhaften Organ); Strohn, DB 2011, 158, 159 (Lehre von der fehlerhaften Bestellung); Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 20 Rn. 40 (Lehre von der fehlerhaften Organstellung). 11 Vgl. etwa Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 20 Rn. 39 (Verweis auf Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 8 (Verweis auf Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und Grundsätze vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis); Paefgen, in: Großkommentar, GmbHG, § 35 Rn. 41 (entsprechende Anwendung der Grundsätze über das fehlerhafte Anstellungsverhältnis). 12 Stein, Das faktische Organ, 100 ff., 119 ff.; dies., ZHR 148 (1984), 207, 222.

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1. Kap.: Einleitung

fehlerhaften Organverhältnis gegenüber der Lehre vom fehlerhaften Verband kraft Spezialität der Vorrang gebühre.13 Die Lösung über ein Rechtsinstitut der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis wird insbesondere für die fehlerhafte Bestellung der Mitglieder der Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft angenommen.14 Der durchaus vergleichbare Fall fehlerhaft gewählter Aufsichtsratsmitglieder soll wiederum nach verbreiteter Ansicht nicht in den Anwendungsbereich fallen.15 Hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolgen der „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ besteht etwa Uneinigkeit über die Notwendigkeit eines förmlichen Bestellungsaktes, die Anforderungen, die an einen solchen zu stellen sind, die Erforderlichkeit einer Invollzugsetzung des Organverhältnisses, die Bedeutung der Kenntnis der Beteiligten sowie der Eintragung der Bestellung zum Organwalter ins Handelsregister, die Anerkennung von Ausnahmetatbeständen, bei deren Vorliegen das Rechtsinstitut nicht eingreifen kann, die Reichweite ihrer Folgen oder die Anforderungen, die an die Beendigung des fehlerhaften Organverhältnisses ex nunc zu stellen sind.16 In der Rechtsprechung des BGH finden sich schließlich zwar gerade in jüngerer Zeit Verweise auf die „Grundsätze über die fehlerhafte Bestellung“, welche die Existenz eines entsprechenden, fest umrissenen Rechtsinstituts nahelegen.17 Bei genauerer Betrachtung der ergangenen Entscheidungen zeigt sich jedoch, dass dieser Eindruck täuscht. Eine eingehende Begründung zu Notwendigkeit und Dogmatik einer Beschränkung von Fehlerfolgen findet sich allein in der Grundsatzentscheidung des zweiten Zivilsenats vom 6. 4. 1964, welche jedoch das fehlerhafte Anstellungsverhältnis und nicht das fehlerhafte Organverhältnis eines Geschäftsleiters betraf.18 Auch in der ein ehemaliges Vorstandsmitglied betreffenden Folgeentscheidung vom 17. 4. 1967 knüpfte das Gericht an den Anstellungsvertrag an.19 Unter 13

Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 481 ff. Vgl. nur Arnold, in: MüKo, BGB, § 27 Rn. 48 (fehlerhaft bestelltes Vereinsvorstandsmitglied); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 20 (fehlerhaft bestelltes Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 8 (fehlerhaft bestellter GmbH-Geschäftsführer). 15 Gegen eine Einbeziehung fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder insbesondere Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 67 ff., 91 ff. Vgl. auch Vetter, ZIP 2012, 701, 703 ff. 16 Vgl. dazu im Einzelnen unten 4. Kap. 17 BGH, Beschluss vom 27. 9. 2011 – II ZR 225/08, NJW-RR 2012, 106, 106 f. (betreffend den fehlerhaft bestellten besonderen Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG); BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1536 ff. = BGHZ 196, 195 (betreffend fehlerhaft bestelltes Aufsichtsratsmitglied). 18 BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282. Näher zu dieser Entscheidung noch unten 3. Kap. § 1 B. II. 1. a) sowie 3. Kap. § 1 C. II. 2. b). 19 BGH, Urteil vom 17. 4. 1967 – II ZR 157/64, NJW 1967, 1711, 1712 = BGHZ 47, 341. Zu der Einordnung des für den Verband weiterhin tätig werdenden ehemaligen Geschäftsleiters vgl. noch unten 4. Kap. § 1 B. (mit Fn. 11). 14

§ 2 „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ als möglicher Lösungsansatz

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Berufung auf diese beiden Urteile hielt der BGH sodann fest, dass für ein unwirksam wiedergewähltes Aufsichtsratsmitglied die „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ Anwendung fänden, weil es als Aufsichtsrat weiterhin amtierte und es für seine Organpflichten unter Einschluss der Kautelen der §§ 113, 114 AktG auf die tatsächlich ausgeübte Funktion ankomme.20 Aussagen darüber, ob jene Grundsätze parallel zur das fehlerhafte Anstellungsverhältnis betreffenden Rechtsprechung des BGH die Heranziehung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis bedeuten sollen und unter welchen Voraussetzungen sie im Einzelnen greifen, lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen, zumal jedenfalls hinsichtlich des Bestehens der Organpflichten eine Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung entbehrlich wäre, wenn es insoweit entsprechend den Ausführungen des Gerichts auf die „tatsächlich ausgeübte Funktion“ ankäme.21 Dieses Begründungsdefizit wurde auch in den folgenden Entscheidungen des BGH nicht ausgeräumt.22 Hinsichtlich des Umfanges in welchem die Grundsätze zur Anwendung kommen sollen, hielt der zweite Zivilsenat für den fehlerhaft bestellten besonderen Vertreter nach § 147 AktG fest, dass dessen bis zu seiner Abberufung vollzogene Rechtshandlungen wirksam seien.23 Für das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied soll sich diese Folge ausweislich der jüngsten Entscheidung des BGH vom 19. 2. 2013 demgegenüber gerade nicht ergeben.24 Für den fehlerhaft bestellten Geschäftsleiter findet sich allein der Hinweis, dass dieser hinsichtlich seiner Vergütung und seiner Befugnis zur Geschäftsleitung über die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung geschützt sei.25

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BGH, Urteil vom 3. 6. 2006 – II ZR 151/04, NZG 2006, 712, 715 = BGHZ 168, 188. Gegen die Annahme, dass der BGH eine schlichte Parallele zum fehlerhaft angestellten Geschäftsleiter ziehen wollte, spricht der zusätzliche Verweis des Senats auf Hüffer, welcher zwar für das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied unter Hinweis auf die Vergleichbarkeit zu fehlerhaften Gesellschafts- und Dienstverhältnissen von der vorläufigen Wirksamkeit der Organstellung ausging, diese Folge für das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied jedoch gerade nicht annahm. Vgl. Hüffer, in: Hüffer, AktG, 7. Auflage, 2006, § 250 Rn. 6, § 101 Rn. 17, § 84 Rn. 10. 22 Für den besonderen Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG begründete der BGH die Anwendbarkeit der „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ zwar maßgeblich mit dessen Organqualität (vgl. BGH, Beschluss vom 27. 9. 2011 – II ZR 225/08, NJW-RR 2012, 106, 106 f.). Ein Hinweis auf die Grundlagen jener Grundsätze lässt sich diesem Beschluss jedoch kaum entnehmen, weil der zweite Zivilsenat in der nachfolgenden Entscheidung vom 19. 2. 2013 (II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1536 ff. = BGHZ 196, 195) einer umfängliche Korrektur der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, dessen zweifelllos ebenfalls gegebener Organstellung zum Trotz, eine Absage erteilt hat. Vgl. dazu noch unten 5. Kap. § 2. 23 BGH, Beschluss vom 27. 9. 2011 – II ZR 225/08, NJW-RR 2012, 106, 107. Zur Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auf den besonderen Vertreter vgl. unten 5. Kap. § 3. 24 BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1537 (Rn. 20) = BGHZ 196, 195. Ausführlich zu dieser Entscheidung noch unten 5. Kap. § 2. 25 BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1538 (Rn. 24) = BGHZ 196, 195. 21

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1. Kap.: Einleitung

§ 3 Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Beitrag zur Verfestigung der „Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis“ zu leisten. Exemplarisch soll dazu der Fall des Tätigwerdens eines fehlerhaft bestellten GmbH-Geschäftsführers als vermeintliches Mitglied des Leitungsorganes der Gesellschaft betrachtet werden. Die Problematik des „fehlerhaften Organs“ am Beispiel des fehlerhaften GmbH-Geschäftsführers zu behandeln bietet sich an, weil einerseits die grundsätzliche Akzeptanz einer Problemlösung über ein an den Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung ansetzendes festes Rechtsinstitut hier besonders hoch erscheint,26 die Anwendung einer Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis andererseits aber auch dezidiert bestritten wurde.27 Bevor sich der Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis zugewandt wird, sollen im folgenden Abschnitt (2. Kapitel) zunächst die Rechtsbeziehungen, welche zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft generell bestehen können, näher beleuchtet und gegeneinander abgegrenzt werden. Sodann wird sich dem Bestellungsakt sowie dessen Fehlerhaftigkeit zugewandt, welche den Ausgangspunkt des Problems fehlerhafter Geschäftsführung bildet. Weil die Anwendung einer Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis von vornherein allein für den auf fehlerhafter Rechtsgrundlage tätig werdenden fehlerhaften Geschäftsführer in Betracht kommt, bedarf es weiter der Abgrenzung verwandter Problemkonstellationen, insbesondere des Falles des faktischen Geschäftsführers. Die Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis (3. Kapitel) soll in zwei Schritten erfolgen. Im ersten Schritt wird die Rechtslage untersucht, die sich ergäbe, wenn man die anfängliche Nichtigkeit der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung und damit den Umstand, dass der fehlerhafte Geschäftsführer niemals zum Mitglied des Leitungsorganes des Verbandes wurde, anerkennt. Hier wird sich zeigen, dass sich die im Zusammenhang mit dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers für und innerhalb der Gesellschaft auftretenden Probleme unter Verzicht auf die von der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ins Auge gefasste Korrektur der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung nicht sachgerecht bewältigen lassen. Im Anschluss an die sich hieraus ergebende Feststellung eines tatsächlichen Bedürfnisses nach der Anwendung der Lehre sollen im zweiten Schritt deren dogmatische und methodische Grundlagen geklärt werden. Im Rahmen der Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis wird sich die Anknüpfung des Rechtsinstitutes an die Lehre vom fehlerhaften Verband als möglich und gegenüber alternativen Begründungsansätzen als vorzugswürdig er26

Siehe nur Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 282 (für die fehlerhafte Geschäftsleiterbestellung stehe die Notwendigkeit einer Einschränkung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen zumindest im Grundsatz außer Streit). 27 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 99 ff., 146 ff., 183 ff.

§ 3 Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung

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weisen. Ausgehend von diesem Ergebnis sollen im nächsten Abschnitt (4. Kapitel) die genaue Ausformung des Tatbestandes der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis sowie deren Rechtsfolgen betrachtet werden. In diesem Zusammenhang wird sich zeigen, dass sich eine Vielzahl der bestehenden Zweifelsfragen bereits mit Blick auf die dogmatischen Grundlagen des Rechtsinstitutes klären lassen. Vor der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse soll im letzten Abschnitt der Arbeit (5. Kapitel) die Einbeziehung weiterer fehlerhaft bestellter Organwalter, insbesondere die Erstreckung der Lehre auf für die Gesellschaft tätig gewordene fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder diskutiert werden. Sollte sich die Lehre zur rechtformübergreifenden Lösung der Problematik des „fehlerhaften Organs“ eignen, könnte in ihr ein weiterer wesentlicher Schritt hin zur Konsolidierung des Gesellschaftsrechts durch Institutionenbildung gesehen werden.28

28 Grundsätzlich zur Institutionenbildung im Gesellschaftsrecht vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 53 f.

2. Kapitel

Grundlagen § 1 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse A. Inhalt des Organverhältnisses und Begriff der Organstellung Spezifische organschaftliche Rechte und Pflichten, die organschaftliche Treuepflicht sowie die Rechtsmacht des Geschäftsführers für die Gesellschaft zu handeln ergeben sich aus dem zwischen GmbH und Geschäftsführer bestehenden Organverhältnis, welches durch die Bestellung zum Geschäftsführer begründet wird.1 Dass die Bestellung zusätzlich zur Rechtsmacht des Geschäftsleiters auch Rechte und Pflichten erzeugt, war früher umstritten, kann heute jedoch als gesicherte Erkenntnis gelten.2 Die sich aus der Bestellung ergebende Rechtsstellung des Geschäftsführers als solchem wird in Anlehnung an die Terminologie von Gierkes mit dem Begriff der „Organstellung“ umschrieben.3 Dem maßgeblich von H. J. Wolff geprägten zweigliedrigen Organbegriff folgend, muss allerdings zwischen dem Organ als abstrakter Verbandsinstitution und den natürlichen Personen, den Organwaltern, die den der Verbandsinstitution zugewiesenen Aufgabenbereich ausfüllen, unterschieden werden.4 Der Geschäftsführer wird mit der Bestellung hiernach nicht zum Organ, sondern zum Organwalter des Verbandes bzw. zum Mitglied des Leitungsorgans der 1 Vgl. Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 46 Rn. 194; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 102; zur organschaftlichen Treuepflicht siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1046. Dazu, dass nicht sämtliche als solche bezeichnete „Organpflichten“ aus dem Organverhältnis resultieren vgl. unten 3. Kap. § 1 B. I. 2 Zum früheren Streitstand vgl. Krieger, Personalentscheidungen, 3 ff.; Plander, GmbHG 1968, 197, 200 f. 3 Vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 23. 4 Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 224 ff. Die Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter konnte sich zunächst im öffentlichen Recht durchsetzen und entspricht heute auch im Recht der privaten Verbände der herrschenden Auffassung. Vgl. dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 41 ff. In als unproblematisch empfundenen Fällen wird auf eine strenge terminologische Abgrenzung zwischen Organ und Organwalter dennoch zumeist verzichtet, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 415. Allgemein zu Verständnis und Entwicklung des verbandsrechtlichen Organbegriffs siehe Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 30 ff. sowie Diemert, Der Innenrechtsstreit, 90 ff.

§ 1 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse

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Gesellschaft. Im Hinblick darauf wäre es heute an sich zutreffender von der „Organwalterstellung“ des Geschäftsführers zu sprechen. Mit Blick auf die Verbandsorganisation kann von der Organstellung in einem weiteren Sinne auch gesprochen werden, um die Gliedstellung des Geschäftsführers innerhalb des Verbandes zum Ausdruck zu bringen.5 Diese wurde seitens von Gierke besonders betont, welcher die Bestellung als Akt der Gestaltung des eigenen sozialen Organismus qualifizierte, durch welchen der Betroffene in den sozialen Körper des Verbandes eingegliedert werde und als Organ nur noch die Verbandsperson darstelle.6 Aus der Identifikation des Organs (bzw. des Organwalters) mit der juristischen Person ergab sich für von Gierke eine umfassende Organzurechnung.7 Die Organe als „rechtlich geordnete Vermittler eines einheitlichen Gemeinlebens“ entschieden und handelten nicht als Dritte für die juristische Person, sondern ihr Wollen und Handeln sei das der juristischen Person.8 In ihrer reinen Form wird die Lehre von Gierkes heute nicht mehr vertreten.9 Insbesondere in der Auseinandersetzung mit der „Vertretertheorie“, welche von Savigny begründet hatte und welche der „Organtheorie“ von Gierkes gegenüberstand,10 hat sich in jüngerer Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Verhalten des Organwalters nicht ohne Weiteres als solches des Verbandes begriffen werden kann. Mit der „modernen Organtheorie“ lässt sich formulieren, dass es hierzu jeweils eines gesondert zu begründenden Aktes wertender Zurechnung bedarf, welcher sich in seiner Qualität von der Zurechnung des Verhaltens eines einfachen rechtsgeschäftlichen Vertreters freilich unterscheidet.11 5

Vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 3. Vgl. von Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 625 („das Gemeinwesen besitzt vielmehr in jedem Organ ein Stück seiner selbst, es deckt sich als wollende und handelnde Persönlichkeit vollkommen mit dem dabei fungierenden Organ, es wird als Ganzes durch den Theil insoweit dargestellt, als eben durch diesen Theil das einheitliche Leben des Ganzen sich vollzieht.“), 716. Organ meint die konkret zum Organ bestellte Person, obwohl die Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter auch bei von Gierke mitunter schon anklingt, vgl. etwa von Gierke, Deutsches Privatrecht, 498 („Die Organe bedürfen menschlicher Träger, die sie jeweilig darstellen.“). Zur Organstellung nach dem Verständnis von Gierkes vgl. auch Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 24 ff.; Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag, 39 ff. 7 Dass das Organverhalten in seiner rechtlichen Wirkung dem Verband zugerechnet werden muss verkannte von Gierke nicht. Formulierungen nach welchen die Verbandsperson in ihren Organen ebenso zur Erscheinung komme, „wie die Einzelperson in der Rede des Mundes oder der Bewegung der Hand“ (von Gierke, Deutsches Privatrecht, 472) wollte er als reine Metapher verstanden wissen (von Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 16: „Wir dürfen auch in der Wissenschaft uns des Bildes bedienen, wenn wir uns nur dessen bewusst bleiben und nicht das Bild für die Sache nehmen.“). Dazu eingehend Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 172 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 252. 8 von Gierke, Genossenschaftstheorie, 624 f. 9 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 26. 10 Zum dogmatischen Streit zwischen der Organtheorie und der Vertretertheorie vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 250 ff. 11 Vgl. dazu insbesondere Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 17 ff. 6

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2. Kap.: Grundlagen

Die Beobachtung, dass der Organwalter mit der Bestellung in die Verbandsorganisation integriert wird und diesem vermittels seiner „Organstellung“ nicht wie ein externer Dritter gegenübersteht, erscheint jedoch nach wie vor zutreffend und wichtig für das Verständnis des Innenlebens des Verbandes.12 Vereinzelt ist diese Eingliederung des Organwalters in den Verband allerdings auch bestritten worden. Der Verband sei bis ins letzte Glied apersonal strukturiert.13 Das Gesamtorgan eines Verbandes untergliedere sich weiter in apersonale Ämter, welche als unabhängige abstrakte Verbandsinstitution von den Amtswaltern als natürlichen Personen unterschieden werden müssten.14 Sind für die GmbH im Gesellschaftsvertrag drei Geschäftsführer vorgesehen, würde dies beispielsweise bedeuten, dass sich das Geschäftsführungsorgan als Gesamtorgan in drei apersonale Ämter untergliedert, welche jeweils durch einen Geschäftsführer als Amtswalter besetzt werden müssten. Dass es der Zwischenschaltung eines „Amtes des Organwalters“ im Recht der privaten Verbände bedarf, erscheint jedoch zweifelhaft. Dem Umstand, dass die organmitgliedschaftlichen Kompetenzen dem Organwalter nicht als eignes Recht und im eigenen Interesse zukommen, sondern fremdnützig im Gesellschaftsinteresse auszuüben sind, lässt sich auch bei einer personalen Anknüpfung dieser Kompetenzen Rechnung tragen.15 Auch das Anliegen für eine Kontinuität bei einem Amtswalterwechsel zu sorgen, erscheint im Hinblick auf das einzelne Organmitglied nicht gerechtfertigt, zumal eine eindeutige personelle Zuordnung bei der Amtsnachfolge in vielen Fällen schon im Ansatz ausscheiden müsste.16 Überzeugender ist es hiernach entsprechend der wohl herrschenden Meinung auf die Übertragung des Amtsprinzips auf Organmitglieder zu verzichten.17 Die organmitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten sowie die Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln sind dem in die Verbandsorganisation integrierten Geschäftsführer unmittelbar zugeordnet.

B. Das Anstellungsverhältnis Die persönlichen Rechtsbeziehungen des Geschäftsführers zur Gesellschaft, insbesondere dessen vermögensrechtliche Stellung, werden üblicherweise in einem 12

Dazu auch Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 179. Vgl. Bitter, Leistungsklagen, 47. 14 Jacoby, Das private Amt, 6 f., 170 f., 215 f. 15 Vgl. Diemert, Der Innenrechtsstreit, 270. 16 Werden nach dem Ausscheiden eines Geschäftsleiters mehrere Geschäftsleiter auf einmal bestellt, erscheint es beispielsweise völlig willkürlich einen von ihnen als Funktionsnachfolger des Ausgeschiedenen herauszugreifen. So richtig Schrünbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 233 f. Vgl. auch Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, 599. 17 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 234; Diemert, Der Innenrechtsstreit, 212 ff., 270. 13

§ 1 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse

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gesonderten schuldrechtlichen Anstellungsvertrag geregelt.18 Wird der Geschäftsführer entgeltlich tätig, was nicht nur im Falle der Fremd-Geschäftsführung, sondern auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer dem Regelfall entspricht, handelt es sich bei dem Anstellungsverhältnis um ein Dienstverhältnis.19 Anderenfalls ist es als Auftragsverhältnis zu qualifizieren.20 Nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Bestellung der Geschäftsführer jederzeit widerruflich, wobei Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen hiervon unberührt bleiben. Insbesondere aus dieser Vorschrift sowie aus dem Umstand, dass der Anstellungsvertrag nicht zwingend mit der Gesellschaft, sondern auch mit einem Dritten (z. B. der Konzernmutter) geschlossen werden kann, entnimmt die herrschende Meinung die rechtliche Trennung des Anstellungsverhältnisses vom Organverhältnis (sog. Trennungstheorie).21 Aus der Geltung des Abstraktionsprinzips folgt sodann, dass sich Anstellungsund Organverhältnis in ihrem rechtlichen Bestand grundsätzlich unabhängig voneinander beurteilen.22 Die Fehlerhaftigkeit der Geschäftsführerbestellung wirkt sich auf die Frage nach der Wirksamkeit des Anstellungsverhältnisses mithin nicht aus.23 Der Umstand, dass Anstellungs- und Organverhältnis im Ausgangspunkt separat zu betrachten sind, darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen beiden Rechtsverhältnissen ein enger tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, welcher eine sinnvolle Abstimmung aufeinander unerlässlich macht.24

18

Goette, DStR 1998, 1137, 1137 f. Marsch-Barner/Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 1; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 163. 20 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 163. 21 Vgl. Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 3, 6; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 344 f.; Plander, GmbHR 1968, 197, 198; Paefgen, in: Großkommentar, GmbHG, § 35 Rn. 32 ff.; Marsch-Barner/Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 19; Dimsic/Link, BB 2015, 3063, 3064. A.A. die sog. Einheitstheorie, vgl. etwa Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 450 ff.; Schilling, JZ 1961, 545, 545 f. Abweichend auch Reuter, welcher den Anstellungsvertrag als Amtsführungsvertrag einordnet, der als Kausalgeschäft der Übernahme der Organstellung zugrunde liege. Vgl. Reuter, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 27 Rn. 4 f. sowie ders., in: Festschrift Zöllner, 487, 488 ff. 22 Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 5. 23 Leidet das Anstellungsverhältnis ebenfalls an einem Wirksamkeitsmangel bzw. leiden Anstellungs- und Organverhältnis an dem gleichen Mangel (sog. Fehleridentität) werden nach Invollzugsetzung des fehlerhaften Anstellungsverhältnisses auf jenes die Grundsätze vom fehlerhaften Arbeitsvertrag zur Anwendung gebracht. Vgl. nur BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282. Zur Frage ob sich die Grundsätze vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis auch für die Problematik fehlerhafter Geschäftsführung fruchtbar machen lassen siehe unten 3. Kap. § 2 A. 24 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 417; BGH, Urteil vom 21. 1. 1991 – II ZR 144/90, NJW 1991, 1727, 1728 = BGHZ 113, 237. 19

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2. Kap.: Grundlagen

So fiele beispielsweise der Abschluss des Anstellungsvertrages an sich als gewöhnlicher Vertretungsakt in die Kompetenz der Geschäftsführer der GmbH.25 Wer als Geschäftsführer vorgesehen ist, wird die Geschäftsführungstätigkeit in aller Regel jedoch nicht aufnehmen wollen, solange nicht auch die konkreten Bedingungen der Anstellung geklärt sind.26 Auf der anderen Seite vermag das Bestellungsorgan, bei welchem es sich nach dem gesetzlichen Regelfall um die Gesellschafterversammlung handelt, eine verantwortliche und sachgerechte Entscheidung über die Bestellung nur zu treffen, wenn es rechtlich in der Lage ist, zugleich die Anstellungsbedingungen in seine Überlegungen einzubeziehen und sich mit dem in Aussicht genommenen Kandidaten verbindlich hierüber zu einigen.27 Um dieser Interessenlage gerecht zu werden, weist der BGH dem Bestellungsorgan in ständiger Rechtsprechung auch die Annexkompetenz zum Abschluss des Anstellungsvertrages zu.28 Gleiches gilt für die Kompetenz für dessen Änderung und Kündigung.29 Soweit Bestellungs- und Anstellungskompetenz, kraft zulässiger Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, ausnahmsweise auseinander fallen, darf das Anstellungsorgan dem Bestellungsorgan weder durch den verfrühten Abschluss eines Anstellungsvertrages in seiner Entscheidung über die Bestellung vorgreifen, noch darf es die Bestellung vor ihrem Widerruf dadurch unterlaufen, dass es ihr durch die Auflösung des Anstellungsverhältnisses die Grundlage nimmt.30 Zwar führt die Beendigung des Anstellungsvertrages nicht automatisch auch zum Erlöschen des Organverhältnisses.31 Im Allgemeinen wird der Geschäftsführer die mit seiner Organstellung verbundene Bürde und Verantwortung ohne einen entsprechenden Anstellungsvertrag jedoch nicht weiter tragen wollen.32 Ob und inwiefern sich aus dem engen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang zwischen Anstellungs- und Organverhältnis auch für den Fall der fehler25

BGH, Urteil vom 21. 1. 1991 – II ZR 144/90, NJW 1991, 1727, 1728 = BGHZ 113, 237. BGH, Urteil vom 14. 11. 1983 – II ZR 33/83, NJW 1984, 733, 734 = BGHZ 89, 48; BGH, Urteil vom 21. 1. 1991 – II ZR 144/90, NJW 1991, 1727, 1728 = BGHZ 113, 237. 27 BGH, Urteil vom 14. 11. 1983 – II ZR 33/83, NJW 1984, 733, 734 = BGHZ 89, 48; BGH, Urteil vom 21. 1. 1991 – II ZR 144/90, NJW 1991, 1727, 1728 = BGHZ 113, 237. 28 BGH, Urteil vom 21. 1. 1991 – II ZR 144/90, NJW 1991, 1727, 1728 = BGHZ 113, 237; BGH, Urteil vom 27. 3. 1995 – II ZR 140/93, NJW 1995, 1750, 1751; BGH, Urteil vom 3. 7. 2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983, 2983. Vgl. auch Lieder, NZG 2015, 569, 570 ff. 29 BGH, Urteil vom 25. 3. 1991 – II ZR 169/90, NJW 1991, 1680, 1681; Goette, DStR 1998, 1137, 1137; anders noch BGH, Urteil vom 17. 4. 1958 – II ZR 222/56, NJW 1958, 945, 945 (Änderung allein des Anstellungsverhältnisses falle in den Aufgabenbereich der Mitgeschäftsführer) sowie BGH, Urteil vom 19. 1. 1961 – II ZR 217/58, NJW 1961, 507, 507 (vertragliche Aufhebung des Anstellungsverhältnisses falle in den Aufgabenbereich der Geschäftsführer). 30 BGH, Urteil vom 24. 11. 1980 – II ZR 182/79, NJW 1981, 757, 758; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 391. 31 Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 390. 32 BGH, Urteil vom 14. 11. 1983 – II ZR 33/83, NJW 1984, 733, 734 = BGHZ 89, 48; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 390. 26

§ 1 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse

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haften Geschäftsführung Folgen ergeben können, wird im Verlauf dieser Arbeit zu untersuchen sein.33

C. Das Mitgliedschaftsverhältnis Handelt es sich bei dem Geschäftsführer zugleich um einen Gesellschafter der GmbH, so ist neben dem bestehenden Organverhältnis dessen Mitgliedschaft zu beachten. Als Rechtsverhältnis begründet die Mitgliedschaft sowohl eine Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Mitglied und der Gesellschaft, als auch eine Sonderrechtsbeziehung zwischen den Mitgliedern selbst.34 Die sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Rechte und Pflichten treffen den Gesellschafter-Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Gesellschafter und damit grundsätzlich unabhängig vom Organverhältnis. Den Parteien steht es allerdings frei, die Beziehung des Geschäftsführers zur Gesellschaft näher im Gesellschaftsvertrag zu regeln und sie hierbei ausschließlich oder partiell als Teil seines Mitgliedschaftsrechts auszugestalten.35 Insbesondere kann dem Betroffenen im Gesellschaftsvertrag die Innehabung der Geschäftsführerstellung als mitgliedschaftliches Sonderrecht (ad personam oder verknüpft mit seinem Gesellschaftsanteil) zuerkannt werden.36 Bedeutung kann die Gesellschafterstellung des Geschäftsführers ferner im Rahmen seiner Pflichtenbindung und Haftung erlangen. So hat der BGH in verschiedenen Fällen angenommen, dass die Verletzung von Geschäftsführerpflichten des Gesellschafter-Geschäftsführers zugleich eine Verletzung dessen mitgliedschaftlicher Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft darstelle und dementsprechend neben der allgemeinen Organhaftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft auch aus dem Mitgliedschaftsverhältnis abgeleitet werden könne.37

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Vgl. dazu unten 3. Kap. § 1 B. II. 1. sowie 3. Kap. § 1 C. II. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 552; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 ff. 35 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 13. 36 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 64; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 13, 19. 37 Vgl. BGH, Urteil vom 14. 9. 1998 – II ZR 175/97, NJW 1999, 781, 781; BGH, Urteil vom 28. 6. 1982 – II ZR 121/81, NJW 1982, 2869, 2869 f. (betreffend den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH & Co KG); siehe auch Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 197. 34

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2. Kap.: Grundlagen

§ 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt A. Zustandekommen I. Bestellung im Gesellschaftsvertrag Nach § 6 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 GmbHG kann die Geschäftsführerbestellung zunächst im Gesellschaftsvertrag erfolgen.38 Praktische Relevanz kommt dieser Bestellungsvariante für die Bestellung der ersten Geschäftsführer der GmbH im Rahmen der Gründung zu.39 Die Regelung der Bestellung im Gesellschaftsvertrag bedarf, da es sich der Sache nach um einen Beschluss der Gesellschafterversammlung handelt,40 des Vollzugs durch ihre Erklärung gegenüber dem künftigen Geschäftsführer sowie dessen Annahme.41 Die Annahmebedürftigkeit der Bestellung war früher umstritten.42 Mit Blick auf die mit der Bestellung einhergehende Pflichtenbindung des Geschäftsführers entspricht sie heute jedoch der allgemeinen Meinung.43 Ist die Bestellung des Geschäftsführers in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich hierbei um eine echte körperschaftliche Regelung handelt, sodass ein späterer Geschäftsführerwechsel einer Satzungsänderung bedürfte, oder ob lediglich eine formelle Satzungsregelung vorliegt, welche an dem Schutz der materiellen Satzungsregeln nicht teilnimmt.44 Im Zweifel ist Letzteres gewollt.45 II. Bestellung durch Beschluss Erfolgt die Bestellung nicht bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages, so bedarf sie grundsätzlich der Fassung eines Bestellungsbeschlusses seitens des zuständigen Bestellungsorganes.46 Dieser ist durch Abgabe einer Bestellungserklärung gegenüber dem künftigen Geschäftsführer zu vollziehen, welcher die Bestellung 38 Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 98; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 26. 39 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 62; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 26. 40 Vgl. Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 65, 66. 41 Hat der Geschäftsführer als Gesellschafter am Abschluss des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt, so sind mit Vertragsschluss gleichzeitig auch die Erklärung der Bestellung und deren Annahme vollzogen. Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 62. 42 Dazu Plander, GmbHR 1968, 197, 197 ff. 43 Siehe etwa Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 6 Rn. 36; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 25; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 37. 44 Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 98. 45 So Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 98; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 26; Wicke, GmbHG, § 6 Rn. 12. 46 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 61.

§ 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt

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wiederum annehmen muss.47 Handelt es sich bei dem Bestellungsorgan ausnahmsweise um eine einzelne Person, bedarf es der internen Willensbildung vermittels Bestellungsbeschluss naturgemäß nicht. Hier erschöpft sich die Bestellung in der Bestellungserklärung und ihrer Annahme durch den künftigen Geschäftsführer.48 Die Bestellungserklärung ist stets vom Bestellungsorgan selbst vorzunehmen und fällt mithin nicht in den Aufgabenbereich der grds. für die Vertretung der Gesellschaft zuständigen Geschäftsführer. Das Bestellungsorgan kann sich ihrer allerdings als Erklärungsboten oder Bevollmächtigter bedienen.49 Nach dem gesetzlichen Regelfall handelt es sich bei dem Bestellungsorgan um die Gesellschafterversammlung (vgl. §§ 6 Abs. 3 S. 2 Alt. 2, 46 Nr. 5 GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag kann eine abweichende Regelung enthalten (vgl. § 45 Abs. 2 GmbHG) und die Bestellungskompetenz etwa einem fakultativen Aufsichtsrat, einem Beirat, einem Familienstamm oder auch einem einzelnen Gesellschafter (sog. Entsenderecht) zuweisen.50 In der paritätisch mitbestimmten GmbH liegt die Zuständigkeit zur Bestellung der Geschäftsführer zwingend beim Aufsichtsrat.51 Die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter findet insoweit ihre Grenze.52 III. Gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers In eng begrenzten Ausnahmefällen kommt analog § 29 BGB die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers in Betracht.53 Verfügt die Gesellschaft, etwa infolge Todes oder Amtsniederlegung nicht (mehr) über die zur organschaftlichen Vertretung erforderliche Anzahl von Geschäftsführern und ist das zur Behebung dieses Mangels berufene Bestellungsorgan nicht in der Lage diesen Mangel zu beseitigen, besteht in dringenden Fällen die Möglichkeit auf Antrag einen Notge47

Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 108. Die Möglichkeit der Vereinbarung eines solchen „Entsenderechts“ wird allgemein angenommen. Vgl. nur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 7; Paefgen, in: Großkommentar, GmbHG, § 35 Rn. 30. 49 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 23; Riemenschneider/Freitag, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 6 Rn. 33. 50 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 7. 51 § 31 MitbestG, § 12 MontanMitbestG, § 13 MontanMitbestErgG; vgl. auch Bernhardt/ Bredol, NZG 2015, 419, 419 f. 52 Da eine solche Regelung der Organisationsstruktur der GmbH widerspräche, ist es den Gesellschaftern ebenfalls nicht möglich die Geschäftsführer als Bestellungsorgan vorzusehen. Vgl. dazu Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 62. Die Zulässigkeit einer Übertragung der Bestellungskompetenz auf einen gesellschaftsfremden Dritten wird unterschiedlich beurteilt. Vgl. hierzu einerseits Wisskirchen/Kuhn, in: BeckOK, GmbHG, § 6 Rn. 48 (zulässig) sowie andererseits Riemenschneider/Freitag, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 6 Rn. 27 (unzulässig). 53 Vgl. nur Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 72 ff.; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 54 ff. Bei der nach dem MitbestG mitbestimmten GmbH erfolgt die Notbestellung gem. § 31 MitbestG, § 85 AktG. 48

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2. Kap.: Grundlagen

schäftsführer durch das zuständige Registergericht bestellen zu lassen.54 Antragsberechtigt sind Gesellschafter, Geschäftsführer, Gläubiger und Aufsichtsratsmitglieder, aber auch Verwaltungsbehörden zur Durchsetzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht.55 Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis ist im Bestellungsbeschluss festzulegen und auf das Notwendigste zu beschränken.56 Wirksam wird die gerichtliche Bestellung mit der Bekanntgabe an den Bestellten sowie dessen Annahme.57 IV. Eintragung ins Handelsregister Nach §§ 10, 39 GmbHG ist die Geschäftsführerbestellung zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Die Eintragung hat lediglich deklaratorische Wirkung und ist damit keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Bestellung.58

B. Rechtsnatur Die rechtliche Einordnung der Bestellung ist umstritten. Vereinzelt wird der Bestellungsvorgang insgesamt als Organisationsakt, als körperschaftlicher, einseitiger Akt der Gesellschaft oder als mitwirkungsbedürftige Maßnahme der organschaftlichen Selbstverwaltung beschrieben.59 Überzeugender erscheint es demgegenüber auf Seiten der Gesellschaft zunächst zwischen der regelmäßig durch Beschluss erfolgenden internen Willensbildung und der nachfolgenden Bestellungserklärung als verschiedenen Rechtshandlungen zu differenzieren.60 Entsprechend der allgemeinen Einordnung gesellschaftsrechtlicher Beschlüsse kann der Bestellungsbeschluss sodann als mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art qualifiziert 54 Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 54, 57 ff. Vom Fehlen eines erforderlichen Geschäftsführers ist auch dann auszugehen, wenn ein Organwalter zwar bestellt wurde, dieser aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer an seiner Amtsausübung gehindert ist (z. B. Krankheit, Flucht ins Ausland). 55 Wisskirchen/Kuhn, in: BeckOK, GmbHG, § 6 Rn. 50; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 49. 56 Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 77; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 55. 57 Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 68. 58 Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 109; Goette, DStR 1998, 938, 938; Axhausen, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 23. 59 Vgl. Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 35 Rn. 11 (körperschaftlicher Organisationsakt); Krieger, Personalentscheidungen, 8 (einseitiger, mitwirkungsbedürftiger körperschaftlicher Organisationsakt eigener Art); Marsch-Barner/Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 20 (körperschaftlicher, einseitiger Akt der Gesellschaft); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 44 (körperschaftlicher Akt); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 5 (Verweis auf Bestellung als mitwirkungsbedürftige Maßnahme der organschaftlichen Selbstverwaltung). 60 So richtig Hüffer/Schürnbrand, in: Großkommentar, GmbHG, § 46 Rn. 55.

§ 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt

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werden.61 Der Bestellungserklärung ist dem BGH folgend ebenfalls rechtsgeschäftlicher Charakter beizumessen.62 Sodann gilt es zu klären, in welchem Verhältnis die Bestellungserklärung zur Annahme der Bestellung steht. Teilweise wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Bestellungserklärung um ein einseitiges, zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft handelt.63 Die Annahme des Bestellten wäre hiernach bloße Wirksamkeitsvoraussetzung. Nach anderer Ansicht handelt es sich bei der Bestellungserklärung und ihrer Annahme um zwei einseitige, inhaltlich aufeinander bezogene Rechtsgeschäfte.64 Sofern man das Wesentliche eines Vertrages in der einverständlichen, privatautonomen Begründung eines Rechtsverhältnisses erblickt,65 spricht jedoch nichts dagegen, Erklärung und Annahme als Vertragsschluss einzuordnen.66 Hiergegen wurde zwar eingewandt, dass die Rechts- und Pflichtenstellung des Geschäftsführers sich weitestgehend aus dem Gesetz und Gesellschaftsvertrag ergebe und damit dem Willen des Bestellten entzogen sei. Parallel zur Ernennung öffentlich-rechtlicher Amtsträger könne daher auch im Rahmen des Bestellungsvorgangs nicht von einem Vertragsschluss ausgegangen werden.67 Diese Bedenken vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst spräche die Verkürzung der Vertragsfreiheit des künftigen Geschäftsführers hin zu einer bloßen Abschlussfreiheit noch nicht gegen die Einordnung von Bestellungserklärung und Annahme als Vertrag.68 Sodann ist es auch nicht richtig, dass der Geschäftsführer auf den Inhalt der Bestellung keinerlei Einfluss nehmen kann. So können insbesondere Beginn und Ende der Geschäftsführungstätigkeit, der Umfang der Vertretungsbefugnis, eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (vgl. § 181 BGB) oder die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung bis zum Abschluss eines An61

Zum Beschluss als Rechtsgeschäft eigener Art vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 436. BGH, Urteil vom 22. 9. 1969 – II ZR 144/68, NJW 1970, 33, 34 = BGHZ 52, 316; Hüffer/ Schürnbrand, in: Großkommentar, GmbHG, § 46 Rn. 55; Weber, in: Hölters, AktG, § 84 Rn. 3; Flume, Die juristische Person, 344. 63 So etwa Arnold, in: MüKo, BGB, § 27 Rn. 14. 64 Koch, in: Hüffer, AktG, § 84 Rn. 4. 65 Flume, Das Rechtsgeschäft, 618. 66 In diesem Sinne auch Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 40; Schnorr von Carolsfeld, DNotZ 1963, 404, 419; Riemenschneider/Freitag, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 6 Rn. 33; mit der Einordnung als Vertrag sympathisierend ferner Hüffer/Schürnbrand, in: Großkommentar, GmbHG, § 46 Rn. 56; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 46 Rn. 213; Hadding, in: Soergel, BGB, § 27 Rn. 9 (vertragsähnliches Rechtsgeschäft). In seiner Entscheidung vom 19. 1. 1978 führte das OLG München aus, dass sich die Rechtsnatur der Annahme in Abhängigkeit davon entscheide, ob mit dem Betroffenen zugleich ein Anstellungsvertrag geschlossen werde. In diesem Fall sei die Annahme der Bestellung als eine auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung zu qualifizieren, anderenfalls sei sie bloße Rechtsbedingung der Bestellung (1 U 1292/77, BeckRS 1978, 01814). 67 So insbesondere Krieger, Personalentscheidungen, 8 f. 68 Richtig Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 40. 62

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2. Kap.: Grundlagen

stellungsvertrages durchaus Gegenstand von Verhandlungen sein.69 Schließlich trifft auch die Parallele zum öffentlichen Recht nicht das Richtige. Zum einen handelt es sich bei dem „Amt des Geschäftsführers“ nicht um eine Kategorie staatlicher Zweckverwirklichung.70 Zum anderen kann es, anders als im öffentlichen Recht, lediglich als Zusammenfassung eines bestimmten Aufgabenbereiches, nicht jedoch als eine vom Amtswalter getrennte abstrakte Verbandsinstitution begriffen werden.71 Durch die Bestellung wird für den Geschäftsführer nicht bloß das Recht und die Pflicht begründet, die in einem abstrakten Amt gebündelten organmitgliedschaftlichen Kompetenzen wahrzunehmen. Die Organrechte und -pflichten sowie die Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln werden dem Geschäftsführer vielmehr persönlich zugeordnet.72 Für die Qualifikation als Vertrag spricht ferner ein Blick auf die historische Einordnung der Bestellung.73 Noch zur Zeit der Geltung des ADHGB wurde das Rechtsverhältnis des Geschäftsführers zur Gesellschaft als sog. Mandatsverhältnis aufgefasst.74 Das Mandat (auch Vollmachtsauftrag genannt) hatte die rechtliche Vertretung des Auftraggebers zum Inhalt.75 Durch den Vollmachtsauftrag wurde dem sog. Mandatar sowohl eine Vollmacht erteilt als auch partiell das Innenverhältnis bestimmt.76 Die heute geläufige Abstraktion zwischen Vollmachtserteilung und Auftrag war im Vollmachtsauftrag, welcher als Vertrag eingeordnet wurde, noch nicht verwirklicht.77 Mit der Anerkennung jener Abstraktion im allgemeinen bürgerlichen Recht ging auch eine gewandelte Vorstellung von der Qualität der Bestellung einher. Sie wurde vielfach als Vollmachtserteilung begriffen, welche vom Anstellungsverhältnis, als dem der Bestellung zugrundeliegenden Grundverhältnis, unterschieden wurde.78 Konsequent wurde die Bestellung fortan nicht mehr als Vertrag, sondern als einseitiges abstraktes Rechtsgeschäft angesehen.79 69

Ähnlich Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 40. Allgemein zum möglichen Inhalt der Bestellung vgl. Riemenschneider/Freitag, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 6 Rn. 35. 70 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 29. 71 Dazu bereits oben 2. Kap. § 1 A. 72 Vgl. dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 233 f. 73 Ausführlich zu den historischen Grundlagen von Organ- und Anstellungsverhältnis vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 9 ff. sowie Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag, 17 ff. 74 Vgl. Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag, 17 f. 75 Dernburg, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. 2, 448. 76 Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag, 18. 77 Vgl. Müller-Freienfels, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., Bd. 2, 144, 148 f. 78 In diesem Sinne bereits Laband, ZHR 10 (1866), 183, 205 ff.; heute noch anklingend etwa bei Jäger, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 248. 79 So etwa Molitor, in: Festschrift Ehrenberg, 45, 46; heute noch Sudhoff, Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, 14; vgl. auch Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 7. Zum Ganzen Mildenberger, 10 f., 29 ff.

§ 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt

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Heute kann als geklärt gelten, dass die Bestellung dem Geschäftsführer nicht allein die Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln vermittelt, sondern auch organschaftliche Rechte und Pflichten begründet.80 Kann sie demnach nicht mehr als einseitige Verleihung von Machtbefugnis gedeutet werden, so erscheint es sachgerecht von dem Verständnis als einseitiges Rechtsgeschäft wieder zu der Einordnung als Vertrag zurückzukehren. Im Ergebnis sind damit im Rahmen des Bestellungsvorgangs regelmäßig zwei Rechtsgeschäfte voneinander zu unterscheiden. Obliegt die Bestellung einem Gremium, bedarf es zur gemeinsamen Willensbildung zunächst des internen Rechtsgeschäfts des Bestellungsbeschlusses. Im Anschluss hieran erfolgt die eigentliche Bestellung zum Geschäftsführer und zwar vermittels Vertragsschluss, welcher zur Entstehung des Organverhältnisses zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft führt.

C. Fehlerhaftigkeit Den Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Bestellung seien einige allgemeine Erläuterungen zum fehlerhaften Rechtsgeschäft im bürgerlichen Recht sowie zu fehlerhaften Beschlüssen im Gesellschaftsrecht vorangestellt. I. Fehlerhafte Rechtsgeschäfte nach bürgerlichem Recht Von der Rechtsfolgenseite her betrachtet, kann von einem fehlerhaften oder unwirksamen Rechtsgeschäft dann gesprochen werden, wenn das Rechtsgeschäft an einem Fehler (Wirksamkeitsmangel) leidet, welcher zur Folge hat, dass dem Geschäft eo ipso oder als Folge der Ausübung eines Gestaltungsrechts, welches die Fehlerhaftigkeit voraussetzt, die (vollständige) Wirksamkeit versagt bleibt, mithin die bestimmungsgemäßen Rechtsfolgen ganz oder teilweise nicht eintreten.81 Primär können als Fehler in diesem Sinne Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe unterschieden werden. Das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen führt dazu, dass die intendierten Rechtsfolgen von Anfang an nicht eintreten.82 Anfechtungsgründe räumen dem Anfechtungsberechtigten die Möglichkeit ein, die Geltung der bestimmungsgemäßen Rechtsfolgen (in der Regel rückwirkend) zu vernichten.83 80

Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 12. Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 9 ff. Die Fehlerhaftigkeit bzw. Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts wird hier der herrschenden Meinung folgend als Oberbegriff zur Nichtigkeit verwendet. Zur fehlenden Trennschärfe zwischen den Begriffen der Unwirksamkeit und der Nichtigkeit im Gesetz vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, 548 f. sowie Hübner, in: Festschrift Wieacker, 399, 401 f. 82 Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 104 Rn. 18. 83 Vgl. Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 104 Rn. 21; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 10. 81

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2. Kap.: Grundlagen

In zweiter Linie können solche Fehler unterschieden werden, die zur relativen oder schwebenden Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führen. Die relative Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts zeichnet sich dadurch aus, dass die Fehlerfolge des Nichteintritts der intendierten Rechtsfolgen nicht absolut gegenüber jedermann, sondern nur im Verhältnis zu bestimmten Personen eintritt.84 Von einem schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft ist die Rede, wenn dessen Wirksamwerden noch den Eintritt einer Wirksamkeitsvoraussetzung voraussetzt. Steht fest, dass die Wirksamkeitsvoraussetzung nicht mehr eintreten kann, so ist das Rechtsgeschäft nicht mehr schwebend, sondern endgültig unwirksam.85 Der Charakter als Rechtsgeschäft ist dem fehlerhaften bzw. unwirksamen Rechtsgeschäft unbenommen. Unwirksamkeit bedeutet nicht, dass das Rechtsgeschäft „etwas rechtlich überhaupt nicht Vorhandenes“ ist, sondern die Nichtgeltung der intendierten Rechtsfolgen.86 Anderweitige Rechtsfolgen (beispielsweise die Schadensersatzpflicht nach § 122 BGB) können sich aus dem unwirksamen Rechtsgeschäft durchaus noch ergeben.87 Auch die hier ins Auge gefasste Frage nach einer möglichen Suspendierung von Fehlerfolgen für die Vergangenheit kann sinnvoll nur dann gestellt werden, wenn die Existenz des Rechtsgeschäftes an sich feststeht. Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Abgrenzung des fehlerhaften Rechtsgeschäfts vom sog. Nicht-Rechtsgeschäft zu. Das fehlerhafte Rechtsgeschäft ist tatbestandlich vollendet und leidet an einem Wirksamkeitsmangel.88 Das NichtRechtsgeschäft hingegen ist tatbestandlich unvollendet und damit rechtlich (noch) nicht als Rechtsgeschäft anzusehen.89 II. Fehlerhafte Beschlüsse im Gesellschaftsrecht Gegenüber den fehlerhaften Rechtsgeschäften im oben beschriebenen Sinne weisen fehlerhafte Beschlüsse im Gesellschaftsrecht einige Besonderheiten auf. Die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses als mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art muss zunächst von der Fehlerhaftigkeit der einzelnen Stimmabgabe, bei welcher es sich um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung handelt, unterschieden werden.90 Im Gegensatz zu einem einfachen Vertrag, bei welchem die Unwirksamkeit einer Willenserklärung stets auch die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts be84

Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 11. Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 11; Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 104 Rn. 20. 86 Flume, Das Rechtsgeschäft, 547 f.; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 174. 87 Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 104 Rn. 18; Flume, Das Rechtsgeschäft, 548. 88 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 10. 89 Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 104 Rn. 16; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 12. 90 Casper, Nichtige Beschlüsse, 29 f. 85

§ 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt

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deutet, muss sich die fehlerhafte Stimmabgabe nicht notwendig auf den Beschluss auswirken.91 Hinsichtlich der Beschlussfehler finden sich besondere gesetzliche Regelungen für die Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (§§ 241 ff. AktG).92 Der Gesetzgeber unterscheidet hier zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen.93 Leidet der Beschluss an einem Nichtigkeitsgrund (vgl. § 241 AktG) ist er von Anfang an wirkungslos.94 Der Nichtigkeitsgrund kann grundsätzlich von jedermann, jederzeit und in jeder Weise geltend gemacht werden.95 Den Aktionären der AG, dem Vorstand sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern steht der besondere Weg einer Nichtigkeitsklage gem. § 249 AktG offen. Die Nichtigkeitsfolge eines Hauptversammlungsbeschlusses tritt lediglich bei Vorliegen besonders schwerwiegender Mängel ein.96 In den übrigen Fällen kommt eine Anfechtung des Beschlusses in Betracht (vgl. § 243 AktG). Die erfolgreiche Anfechtung führt zur rückwirkenden Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses. In funktioneller Hinsicht entspricht der Begriff der Anfechtbarkeit hiernach dem des bürgerlichen Rechts.97 Bei der Geltendmachung des Anfechtungsgrundes bestehen jedoch erhebliche Unterschiede. Hierzu bedarf es nämlich der Erhebung einer besonderen kassatorischen Anfechtungsklage gegenüber der Gesellschaft (vgl. § 246 Abs. 2 AktG), welche nur von einem bestimmten Personenkreis (vgl. § 245 AktG) und nur innerhalb einer bestimmten materiell-rechtlichen Ausschlussfrist (vgl. § 246 Abs. 1 AktG) erhoben werden kann.98 Ob die besonderen aktienrechtlichen Regelungen des Beschlussmängelrechts auch für die Beurteilung anderer fehlerhafter Beschlüsse herangezogen werden können, wird unterschiedlich beurteilt. Die herrschende Meinung nimmt dies allein für fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse der GmbH sowie für fehlerhafte Beschlüsse der Generalversammlung einer Genossenschaft an.99 91

Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 11, 13. Für die Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung einer Genossenschaft besteht zudem noch eine Sonderregelung mit § 51 GenG. 93 Ob neben Nichtigkeit und Anfechtbarkeit noch weiteren Fehlerkategorien eine Existenzberechtigung zukommt und wie diese ggf. voneinander abzugrenzen sind wird unterschiedlich beurteilt. Vgl. dazu Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anhang zu § 47 Rn. 24 ff. sowie Wertenbruch, in: MüKo, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 4 ff. 94 Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 29; Casper, Nichtige Beschlüsse, 33. 95 Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 241 Rn. 4; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 6. 96 Englisch, in: Hölters, AktG, § 241 Rn. 2; Koch, in: Hüffer, AktG, § 241 Rn. 1. 97 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 20. 98 Englisch, in: Hölters, AktG, § 241 Rn. 13. 99 Vgl. Drescher, in: Henssler/Strohn, AktG, § 241 Rn. 3, 4; Hüffer, ZGR 2001, 833, 838 f. Zur Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung enthält § 51 GenG allerdings eine 92

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2. Kap.: Grundlagen

Im Übrigen richtet sich die Beurteilung fehlerhafter gesellschaftsrechtlicher Beschlüsse (Vorstandsbeschlüsse, Aufsichtsratsbeschlüsse etc.) nach den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts (insbesondere den §§ 134, 138 BGB).100 Die Beschlüsse sind hiernach entweder gültig oder nichtig.101 Die Kategorie der Anfechtbarkeit bedürfte einer besonderen Regelung durch den Gesetzgeber. III. Fehlerhafter Bestellungsakt Die nähere Untersuchung des Bestellungsaktes hat gezeigt, dass das Organverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft erst mit Abschluss eines Bestellungsvertrages zwischen den Parteien begründet wird. Unter der „unwirksamen Bestellung“, welche zu den Problemen fehlerhafter Geschäftsführung führt, wenn der vermeintliche Geschäftsführer dennoch für die GmbH tätig wird, ist mithin genau genommen die Unwirksamkeit des Bestellungsvertrages und nicht etwa jene des regelmäßig vorausgehenden Bestellungsbeschlusses zu verstehen. Dennoch wird die Fehlerquelle meist in der Unwirksamkeit des Bestellungsbeschlusses liegen, welche nach allgemeinen Regeln auf den Bestellungsvertrag durchschlägt, weil es sich bei dem Beschluss um eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrages handelt.102 Der Beschluss kann sowohl an formellen als auch an materiellen Mängeln leiden. In formeller Hinsicht kommt etwa die fehlerhafte Einberufung des beschließenden Gremiums, die Versagung eines Teilnahmerechts oder ein Mangel im Abstimmungsverfahren in Betracht.103 Inhaltlich kann der Beschluss insbesondere gegen gesetzliche oder statutarische Eignungsvoraussetzungen verstoßen.104 Als positive Eignungsvoraussetzung fordert der Gesetzgeber die Berufung einer natürlichen, unbeschränkt geschäftsfähigen Person (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Nicht zum Geschäftsführer bestellt werden kann nach der gesetzgeberischen Vorsehung insbesondere ein einem Einwilligungsvorbehalt unterliegender Betreuter (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GmbHG), jemand der aufgrund Urteils oder vollziehbarer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand der GmbH jedenfalls partiell mit dem Gegenstand des Verbotes übereinstimmt (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 GmbHG) sowie jemand der in den letzten fünf Jahren wegen einer oder mehrerer, im Einzelnen aufgeführter, vorsätzlich begangener

spezielle Vorschrift, sodass sich eine Heranziehung des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts insoweit erübrigt. 100 Vgl. Hüffer, ZGR 2001, 833, 838 f., 868 ff. 101 Hüffer, ZGR 2001, 833, 874. 102 Dazu Stein, AG 1999, 28, 42; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 153. 103 Vgl. Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 74; OLG München, Urteil vom 19. 1. 1978 – 1 U 1292/77, BeckRS 1978, 01814, Rn. 51. 104 Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 74.

§ 2 Der (fehlerhafte) Bestellungsakt

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Straftaten verurteilt worden ist (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG).105 Als statutarische Eignungsvoraussetzungen finden sich etwa Vorgaben hinsichtlich des Mindest- oder Höchstalters des Geschäftsführers, hinsichtlich bestimmter beruflicher Qualifikationen, besonderer Kenntnisse oder der Zugehörigkeit des Geschäftsführers zu einem bestimmten Familienstamm.106 Führt der Mangel zur Nichtigkeit des Beschlusses folgt daraus nach allgemeinen Regeln auch die Unwirksamkeit des Bestellungsvertrages. Hat die Gesellschafterversammlung der GmbH den fehlerhaften Beschluss gefasst, kann der Mangel auch zur bloßen Anfechtbarkeit des Beschlusses führen.107 Dies ist insbesondere in den Fällen anzunehmen, in welchen der Gesellschaftsvertrag zusätzliche Eignungsvoraussetzungen vorsieht, welche der neu bestellte Geschäftsführer nicht erfüllt.108 Der Anfechtungsgrund ist sodann im Wege der Anfechtungsklage geltend zu machen. Erst das rechtskräftige Anfechtungsurteil führt nach allgemeinen Regeln zur rückwirkenden Vernichtung des Beschlusses109 und damit auch zur anfänglichen Unwirksamkeit des Bestellungsvertrages. Bis zur erfolgreichen Anfechtung ist der anfechtbare Beschluss (schwebend) wirksam.110 Wurde die Anfechtungsklage nicht fristgerecht erhoben, tritt materielle Präklusion ein. An die Stelle der bisherigen Anfechtbarkeit tritt dann die Gültigkeit des Beschlusses.111 Gleiches gilt, wenn die Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen wurde.112 Der Bestellungsvertrag bleibt in diesen Fällen vom Mangel des Beschlusses unberührt, sodass die Problematik fehlerhafter Geschäftsführung hier (nicht mehr) auftreten kann. Dass allein der Bestellungsvertrag an einem Fehler leidet, ist vor allem dann denkbar, wenn es der vorherigen internen Willensbildung durch Beschluss ausnahmsweise nicht bedurfte, weil die Bestellungskompetenz bei einer einzelnen Person lag (sog. Entsenderecht). Insbesondere ein Verstoß gegen die Eignungsvor105 Näher zur Ausgestaltung der gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen vgl. Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 15 ff. 106 Marsch-Barner/Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 13; Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 40. 107 Liegt die Bestellungskompetenz bei einem anderen Bestellungsorgan (z. B. Aufsichtsrat) scheidet die Anfechtbarkeit mangels Anwendbarkeit der §§ 243 ff. AktG als Fehlerkategorie aus (vgl. oben 2. Kap. § 2 C. II.). Der Ansicht, dass im Falle einer Verlagerung der Beschlusskompetenzen von der Gesellschafterversammlung auf ein anderes Gremium, die Grundsätze über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen entsprechend heranzuziehen seien (so etwa Wertenbruch, in: MüKo, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 293) ist nach der überzeugenden Gegenansicht (vgl. Baumbach/Hueck u. a., in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anhang nach § 47 Rn. 208) schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu folgen. 108 Vgl. Marsch-Barner/Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 18; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1107. 109 Vgl. Casper, in: Spindler/Stilz, AktG, Vorb. zu §§ 241 ff. Rn. 8. 110 Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 35; Casper, Nichtige Beschlüsse, 35. 111 Vgl. Hüffer, ZGR 2001, 833, 837; Casper, Nichtige Beschlüsse, 36. 112 Hüffer, ZGR 2001, 833, 837; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 35.

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2. Kap.: Grundlagen

aussetzungen, welche der Gesetzgeber an die Person des Geschäftsführers stellt (§ 6 Abs. 2 GmbHG), führt auch hier zur Nichtigkeit der Bestellung. Genannt seien schließlich noch die Fälle, in welchen sich die Mitglieder des Bestellungsorgans im Bestellungsbeschluss auf die Bestellung einer bestimmten Person einigen, die Bestellungserklärung dann im gegenseitigen Einverständnis dennoch einer anderen Person gegenüber abgegeben wird. Mangels inhaltlicher Deckung des an sich wirksamen Bestellungsbeschlusses mit der Bestellungserklärung kommt es auch hier zur Unwirksamkeit des Bestellungsvertrages.113

§ 3 Begriff des fehlerhaften Organs Die vorliegend betrachtete Problematik des „fehlerhaften Organs“ ergibt sich, wenn der Betroffene, hier konkret der vermeintliche Geschäftsführer der GmbH, ungeachtet der Fehlerhaftigkeit seiner Bestellung dennoch als Organwalter für und innerhalb des Verbandes tätig wird. Abzugrenzen von dieser Konstellation ist zunächst der „Geschäftsführer kraft Rechtsscheins“.114 Dieser wurde weder zum Geschäftsführer bestellt noch ist er tatsächlich als vermeintliches Mitglied des Leitungsorgans der Gesellschaft tätig geworden. Weil der Betroffene aber etwa zu Unrecht als Geschäftsführer auf dem Briefbogen der Gesellschaft aufgeführt ist, besteht nach außen hin der Eindruck einer entsprechenden Geschäftsführerstellung.115 Sofern die betreffenden Personen diesen Rechtsschein zurechenbar veranlasst haben, haften sie gutgläubigen Dritten gegenüber nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen.116 Weitergehende Probleme können sich mangels tatsächlichen Tätigwerdens für die Gesellschaft nicht ergeben. Der Problematik des fehlerhaften Geschäftsführers ähnlicher ist demgegenüber der Fall, in welchem eine Person nicht auf fehlerhafter rechtsgeschäftlicher Grundlage, sondern gänzlich ohne Bestellungsakt als Mitglied des Leitungsorganes der Gesellschaft tätig wird. So ist es beispielsweise denkbar, dass der ursprüngliche ordentliche Geschäftsleiter aus seinem Amt ausgeschieden ist und ein anderer dessen Position ohne Weiteres ersatzweise übernommen hat117 oder dass ein Dritter (z. B. ein Mehrheitsgesellschafter, Kreditgeber, Familienoberhaupt) soweit in die Geschäftsführung eingreift, dass er den ordentlichen Geschäftsführer praktisch verdrängt.118 113 Vgl. dazu Hüffer/Schürnbrand, in: Großkommentar, GmbHG, § 46 Rn. 57; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 110. 114 Im schweizerischen Recht wird hier anschaulicher vom „Organ durch Kundgabe“ gesprochen, vgl. Forstmoser, in: Festschrift Meier-Hayoz, 125, 131, 134 f. 115 Vgl. Strohn, DB 2011, 158, 159; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 338. 116 Fleischer, GmbHR 2011, 337, 338. Vgl. auch ders., AG 2004, 517, 518. 117 Vgl. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 16. 118 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 18.

§ 3 Begriff des fehlerhaften Organs

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Wie ein solches Tätigwerden als Geschäftsleiter ohne Bestellungsakt rechtlich zu bewerten ist, wird unter dem Schlagwort des „faktischen Geschäftsführers“ bzw. allgemeiner des „faktischen Organs“ diskutiert. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Frage, ob und inwieweit das faktische Organ den Pflichten und dem Haftungsregime des ordentlichen bestellten Organwalters unterworfen werden kann.119 Zudem bereitet es große Schwierigkeiten zu bestimmen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um von einem faktischen Organ sprechen zu können. Anders als im Falle des fehlerhaften Organs, welches durch das Vorliegen eines (fehlerhaften) Bestellungsaktes klar zu identifizieren ist,120 gilt es hier anhand eines Bündels von Indizien im Einzelfall festzustellen, ob die Einflussnahme auf die Geschäftsleitung groß genug ist, um von einem tatsächlichen Tätigwerden als Organwalter der Gesellschaft ausgehen zu können.121 In Anlehnung an das schweizerische Recht findet sich im jüngeren Schrifttum hierzu etwa die Formel, dass faktische Organschaft die Ausübung organspezifischer Funktionen in organtypischer Weise voraussetze.122 Die mit den Begriffen des fehlerhaften und des faktischen Organs beschriebenen Konstellationen gleichen sich insoweit, als dass in beiden Fällen ein tatsächliches Tätigwerden als Organwalter ohne wirksamen Bestellungsakt vorliegt. Hält man eine Lösung der hierdurch auftretenden Probleme über den allgemeinen Normenbestand und ggf. unter Zuhilfenahme einer erweiternden oder analogen Anwendung der für den ordentlichen Organwalter geltenden Bestimmungen für möglich, erscheint eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle nicht zwingend. Von den Befürwortern eines solchen Lösungsansatzes wird das fehlerhafte Organ sodann auch als bloßer Unterfall faktischer Organschaft eingeordnet.123 Die Anwendung einer Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis kommt als möglicher Lösungsansatz demgegenüber von vornherein allein für den auf fehlerhafter rechtsgeschäftlicher Grundlage tätig werdenden fehlerhaften Organwalter in Betracht. Zwischen den Fällen fehlerhafter und rein faktischer Organschaft bedarf es hiernach, jedenfalls im Ausgangspunkt, einer scharfen Trennung.124

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Vgl. Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 38. Welche Anforderungen im Einzelnen an das Vorliegen eines fehlerhaften Bestellungsaktes zu stellen sind, ist freilich umstritten. Dazu unten 4. Kap. § 1 B. 121 Vgl. BGH, Urteil vom 21. 3. 1988 – II ZR 194/87, NJW 1988, 1789, 1790 = BGHZ 104, 44, 48; Fleischer, AG 2004, 517, 524; Flore/Lewinski, GmbH-StB 2001, 178, 179. 122 Vgl. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 341; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rn. 23; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 311 ff. 123 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 19, 183 f.; Weimar, GmbHR 1997, 473, 475 ff.; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 96; vgl. auch Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1108. 124 So auch die h.M. Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 419; ders., in: Festschrift Rebmann, 419, 423 f.; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 156; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 267; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 38; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 10. 120

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2. Kap.: Grundlagen

Hingewiesen sei schließlich noch auf das „Organ einer nichtigen Gesellschaft“. Hinter diesem Begriff verbergen sich die Organwalter einer fehlerhaften Kapitalgesellschaft, für welche das Reichsgericht die organschaftliche Verantwortlichkeit als problematisch empfunden, wenn auch im Ergebnis bejaht hat.125 Da es nach heutigem Erkenntnisstand als gesichert gelten kann, dass es sich bei der fehlerhaften Kapitalgesellschaft nicht um eine „nichtige Gesellschaft“, sondern um eine voll wirksame – wenn auch durch Gestaltungsurteil für die Zukunft auflösbare – Gesellschaft handelt, bereitet dieser Fall mittlerweile keine Schwierigkeiten mehr.126

125 RG, Urteil vom 3. 6. 1910 – V 58/10, RGSt 43, 407, 414 f. (betreffend die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat einer mit einem Nichtigkeitsgrund behafteten Aktiengesellschaft). 126 Dazu K. Schmidt, in: Festschrift Rebmann, 419, 422; Reich, DB 1967, 1663, 1663.

3. Kapitel

Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis § 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis Nach der hier ins Auge gefassten Lösung der Problematik der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung über die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis könnte der der Bestellung anhaftende Wirksamkeitsmangel bei Vorliegen im Einzelnen noch zu ermittelnder Tatbestandsvoraussetzungen allein Wirkung für die Zukunft entfalten. Aufgrund einer Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung für die Vergangenheit wäre der tatsächlich für die Gesellschaft tätig gewordene fehlerhafte Geschäftsführer bis zur Geltendmachung des Fehlers seinem ordentlich bestellten Pendant gleichgestellt. Den der Bestellung zugrunde liegenden Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen ihre Wirkung für die Vergangenheit zu nehmen, ist mit Blick darauf, dass sich eine solche Einschränkung dem Gesetz nicht entnehmen lässt, in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig. Im Sinne einer notwendigen Bedingung für eine entsprechende Korrektur der Fehlerfolgen erscheint es zunächst geboten sicherzustellen, dass ein tatsächliches Bedürfnis nach einer Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung für die Vergangenheit besteht.1 Unabhängig von den hinsichtlich Grundlagen und Ausgestaltung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bestehenden unterschiedlichen Vorstellungen wird ein solches tatsächliches Korrekturbedürfnis von den Vertretern einer entsprechenden Lehre, jedenfalls inzident, angenommen.2 Umgekehrt ist die Notwendigkeit einer Beschränkung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung aber auch bestritten worden. Die Problematik der fehler1

In diesem Sinne auch Stein, Das faktische Organ, 99 (es müsse nachgewiesen werden, dass die Einbeziehung dritter Personen in die gesetzliche Organstellung notwendig ist, dass also ein solches Institut gebraucht werde). 2 Ausdrückliche Ausführungen zum Bedürfnis einer Suspendierung der Fehlerfolgen finden sich etwa bei Stein, Das faktische Organ, 100 ff.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 473 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 269 ff. Der BGH hat entsprechende Erwägungen allein für das fehlerhafte Anstellungsverhältnis eines Geschäftsleiters angestellt, vgl. BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

haften Geschäftsführerbestellung lasse sich auch unter Anerkennung der ipso iure oder nach erfolgter Anfechtung eintretenden anfänglichen Nichtigkeit der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung sachgerecht bewältigen. Nach teilweise vertretener Ansicht soll es sich bei der Problematik der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung um ein reines Normanwendungsproblem handeln. Die sich im Hinblick auf die Tätigkeit des fehlerhaften Geschäftsführers nach innen und außen stellenden Probleme seien jeweils im Einzelfall anhand der betroffenen Normen zu lösen.3 Der Rechtsverkehr sei im Übrigen über § 15 Abs. 3 HGB und die allgemeinen Grundsätze der Rechtsscheinhaftung geschützt.4 Noch weitergehend vertritt Dinkhoff die Auffassung, dass sich die Problematik der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung allein vermittels der Anwendung allgemeiner Regeln sachgerecht lösen lasse, ohne dass es der Erstreckung einzelner, speziell für den ordentlichen Geschäftsführer geltender Vorschriften auf den fehlerhaften Geschäftsführer bedürfe oder diese auch nur möglich sei.5 Wäre dem beizupflichten, würde es sich bei der Problematik der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung bei Lichte betrachtet um ein reines Scheinproblem handeln. Auch mit Blick auf diese abweichenden Lösungsansätze soll vorliegend in einem ersten Schritt der Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis die Rechtslage untersucht werden, die sich ergäbe, wenn man die anfängliche Nichtigkeit der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung in vollem Umfang anerkennt. Der fehlerhafte Geschäftsführer wäre hiernach niemals zum Organwalter der Gesellschaft geworden. Sollte sich ergeben, dass sich die mit dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers verbundenen Probleme unter dieser Prämisse interessengerecht bewältigen lassen, sei es allein durch die Anwendung allgemeiner Regeln, sei es unter zusätzlicher Heranziehung einzelner, speziell für den ordentlichen Geschäftsführer geltender Vorschriften, müsste die Lösung des Problems fehlerhafter Geschäftsführerbestellung über ein festes Rechtsinstitut bereits mangels Bedürfnisses nach einem solch weitgehenden Eingriff wie der Beschränkung der Fehlerfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäftes abgelehnt werden. Sollte sich umgekehrt herausstellen, dass sich die Problematik der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nicht sachgerecht bewältigen lässt, ist den abweichenden Lösungsansätzen jedenfalls dann eine Absage zu erteilen, wenn sich die sodann als tatsächlich not3 Davon ausgehend etwa Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 96; Marsch-Barner/ Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 41; Weimar, GmbHR 1997, 473, 476 f. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 69. Vgl. auch Marsch-Barner/Diekmann, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. III, § 42 Rn. 17; Weimar, GmbHR 1997, 473, 477; Flore/ Lewinski, GmbH-StB 2001, 178, 179; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rn. 9; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 78. 5 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 99 ff., 146 ff., 183 ff.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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wendig erkannte Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis im nächsten Schritt auf eine dogmatisch und methodisch überzeugende Grundlage stellen lässt. Für die Untersuchung der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der fehlerhaften Bestellung ergebenden Rechtslage bietet es sich an, zwischen den einzelnen Problemkreisen, welche sich mit dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers verbinden, zu unterscheiden. Im Einzelnen gilt es zu klären, wie es sich mit der Zurechnung und Wirksamkeit der vom fehlerhaften Geschäftsführer im Außenverhältnis sowie verbandsintern vorgenommenen (Rechts-)Handlungen verhält (dazu A.), inwieweit sich dessen Pflichtenbindung von der eines ordentlichen Geschäftsführers unterscheidet (B.), ob und in welchem Umfang ihm die Rechte eines ordentlichen Geschäftsführers zuerkannt werden können (C.) und nach welchem Maßstäben sich dessen Haftung bemisst (D.). Nach einem kurzen Seitenblick auf die sich nach allgemeinen Regeln ergebende strafrechtliche Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers (E.) soll die Frage nach dem tatsächlichen Bedürfnis nach einer Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis sodann im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung beantwortet werden (F.).

A. Zurechnung und Wirksamkeit von (Rechts-)Handlungen Legt man zugrunde, dass der fehlerhafte Geschäftsführer niemals Organwalter der Gesellschaft geworden ist, ergeben sich zunächst Zweifelsfragen im Hinblick auf die Zurechenbarkeit und die Wirksamkeit seines Verhaltens. Im Außenverhältnis könnte die Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung dazu führen, dass der Gesellschaft die in ihrem Namen vorgenommenen Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers nicht zurechenbar sind. Hat der fehlerhafte Geschäftsführer im Namen der GmbH Verträge abgeschlossen, Gestaltungsrechte ausgeübt, Prozesshandlungen vorgenommen oder Weisungen gegenüber den Arbeitnehmern der GmbH erteilt und würde hierdurch keine Einstandspflicht der GmbH begründet, so müssten sämtliche Rechtsgeschäfte, an welchen der fehlerhafte Geschäftsführer beteiligt war, neu bewertet (man denke an unwirksam ausgesprochene Mahnungen, Anfechtungen, Kündigungen etc.) und ggf. rückabgewickelt werden. Weiter ist fraglich, ob sich die Gesellschaft bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung die zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen des fehlerhaften Geschäftsführers zurechnen lassen müsste. Hat der fehlerhafte Geschäftsführer beispielsweise auf einer Geschäftsfahrt einen Unfall verursacht oder beschädigte er bei einem Geschäftstermin das Eigentum eines Geschäftspartners der GmbH, so kann die Frage, ob dem Geschädigten mit der Gesellschaft ein weiteres und ggf. deutlich solventeres Haftungssubjekt zur Verfügung steht, für diesen von entscheidender Bedeutung sein.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Ebenfalls von großer praktischer Relevanz für den Rechtsverkehr erscheint die Frage, ob sich die Gesellschaft das rechtlich relevante Wissen des fehlerhaften Geschäftsführers zurechnen lassen muss. Hierauf kann es etwa ankommen, wenn es zu klären gilt, ob die Gesellschaft verschärft haftet (vgl. etwa §§ 990, 819 BGB) oder gutgläubig Eigentum erwerben konnte (§§ 892, 932 BGB, § 366 HGB). Für das Innenverhältnis ist bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung zu klären, ob der Gesellschaft die in ihrem Namen seitens des fehlerhaften Geschäftsführers getätigten Innengeschäfte (beispielsweise Erklärungen im Rahmen eines Kaduzierungsverfahrens, vgl. § 21 GmbHG) zugerechnet werden können und wie es sich mit der Wirksamkeit der im Übrigen vorgenommen internen Rechtshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers (insbesondere der Einberufung der Gesellschaftsversammlung gem. § 49 Abs. 1 GmbHG) verhält. I. Außenverhältnis 1. Zurechnung von Vertretungshandlungen Hat der fehlerhafte Geschäftsführer gegenüber Dritten allein oder gemeinsam mit Mitgeschäftsführern oder Prokuristen Vertretungsgeschäfte im Namen der GmbH vorgenommen, ist fraglich, ob diese Wirkung für und gegen die GmbH entfalten. Eine Zurechnung des Vertretungshandelns des fehlerhaften Geschäftsführers aufgrund organschaftlicher Vertretungsmacht (vgl. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG) muss bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ausscheiden. Als intendierte Rechtsfolge der Bestellung wird die organschaftliche Vertretungsmacht von der Nichtigkeitsfolge erfasst.6 Eine Zurechnung könnte sich jedoch auf anderem Wege vollziehen. Zu denken ist an die (konkludente) Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht, die Anwen-

6 Ausgehend von der praktischen Erwägung, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des Vertreters der Gesellschaft in einem Rechtsstreit nicht von dessen Ausgang abhängen dürfe und die Beurteilung der Wirksamkeit der Vertretung im Prozess bei Unterschieden in der materiellen Beurteilung der jeweils mit der Sache befassten Gerichte nicht von Instanz zu Instanz wechseln dürfe, hält der BGH in einem Verfahren, in welchem die Nichtigkeit der Bestellung eines Geschäftsführers mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht wird, allerdings grundsätzlich denjenigen für vertretungsbefugt, welcher im Falle des Obsiegens der Gesellschaft als deren Geschäftsführer anzusehen wäre. Vgl. BGH, Urteil vom 10. 11. 1980 – II ZR 51/ 80, NJW 1981, 1041, 1041 f. Woraus sich die organschaftliche Vertretungsmacht des unwirksam bestellten Geschäftsführers ableiten soll, wird vom BGH offen gelassen. Weil sich aus der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis die organschaftliche Vertretungsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers für die Vergangenheit ergäbe, ließe sich die pragmatische Lösung des zweiten Zivilsenats über ein solches Rechtsinstitut zwanglos erreichen. Anderenfalls bliebe nur der zweifelhafte Weg, den Klägern pauschal über Treu und Glauben die Berufung auf die (potentiell) fehlende organschaftliche Vertretungsmacht des die GmbH im Prozess vertretenden Geschäftsführers zu versagen.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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dung von Rechtsscheingrundsätzen sowie die Möglichkeit einer Genehmigung gem. § 177 Abs. 1 BGB. a) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Die Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers könnten der GmbH kraft rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht zuzurechnen sein. aa) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht vermittels Bestellungsakt Dinkhoff vertritt die Auffassung, dass sich eine Bevollmächtigung des fehlerhaften Geschäftsführers unproblematisch aus dem durchgeführten fehlerhaften Bestellungsakt ergebe. Dies gelte nur dann nicht, wenn der Bestellung Unwirksamkeitsgründe zugrunde gelegen hätten, welche auch eine auf Bevollmächtigung gerichtete Willenserklärung unwirksam machen.7 Auf welchem Wege sich die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht genau vollziehen soll, wird von Dinkhoff nicht näher erläutert. In Betracht kommt die Annahme, dass mit der Bestellungserklärung grds. eine zusätzliche auf Bevollmächtigung gerichtete Willenserklärung einhergehe oder die Vorstellung der fehlerhafte Bestellungsakt könne gem. § 140 BGB in eine rechtsgeschäftliche Vollmachtserteilung umgedeutet werden. Gegen die Annahme einer zusätzlichen Willenserklärung seitens des Bestellungsorgans spricht bereits, dass für eine solche aus Sicht der Beteiligten keinerlei Notwendigkeit besteht. Durch die Bestellung soll der Geschäftsführer organschaftliche Vertretungsmacht erlangen, sodass es der zusätzlichen Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht nicht bedarf.8 Vor allem aber ist das Bestellungsorgan rechtlich überhaupt nicht in der Lage eine wirksame Bevollmächtigung Dritter vorzunehmen. Im Unterschied zur Organbestellung handelt es sich bei der Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht um ein gewöhnliches Vertretungsgeschäft.9 Als solches fällt es unentziehbar in die Kompetenz der Geschäftsführer als dem Vertretungsorgan der Gesellschaft.10 Das Bestellungsorgan kann zwar ausnahmsweise im Innenverhältnis über die Bevollmächtigung zu entscheiden haben. Nach § 46 Nr. 7 GmbHG ist beispielsweise die Bestimmung der Gesellschafterversammlung über die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb vorgesehen. An der Zuständigkeit

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Vgl. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 149 f., 152. Ob ein organschaftlicher Vertreter überhaupt zugleich rechtsgeschäftlicher Vertreter sein kann, wird unterschiedlich beurteilt. Dagegen: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 77; Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 35 Rn. 7; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 92; anders für den Fall der Gesamtvertretung K. Schmidt, Handelsrecht, 569 f. 9 Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 104. 10 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 89. 8

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

der Geschäftsführer für die Abgabe der Vollmachtserklärung im Außenverhältnis ändert dies jedoch nichts.11 Entgegen der Ansicht von Dinkhoff12 ist eine Kompetenz der Gesellschafterversammlung zur Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht auch dann nicht anzunehmen, wenn ein ordentlicher Geschäftsführer nicht vorhanden ist. Eine solche „Aushilfskompetenz“ für den Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft ist im Gesetz nicht angelegt. Sie bedürfte vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie mit § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG allein für den Bereich der Passivvertretung erfolgt ist. Um sicherzustellen, dass der Gesellschaft auch ohne einen Geschäftsführer Willenserklärungen weiterhin zugehen und Schriftstücke zugestellt werden können, erklärt die durch das MoMiG ins Gesetz eingeführte Vorschrift die einzelnen Gesellschafter ersatzweise zu Empfangsvertretern.13 Eine entsprechende Regelung in Bezug auf die aktive Vertretung besteht nicht.14 Mit Blick darauf, dass es die Gesellschafterversammlung durch Bestellung eines neuen Geschäftsführers in der Hand hat, den Zustand der Führungslosigkeit zu beenden, erscheint eine solche auch nicht notwendig.15 Sollte die Gesellschafterversammlung zur Bestellung eines Geschäftsführers nicht in der Lage sein, kommt die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers gem. § 29 BGB analog in Betracht.16 An der fehlenden Kompetenz des Bestellungsorgans muss auch eine Umdeutung des Bestellungsakts in eine rechtsgeschäftliche Vollmachtserteilung gem. § 140 BGB scheitern. Eine solche setzt nämlich objektiv voraus, dass das umzudeutende nichtige Rechtsgeschäft den Erfordernissen des Ersatzgeschäftes, in welches es umgedeutet werden soll, entspricht.17 Mit Blick auf den Umstand, dass die Erteilung organschaftlicher Vertretungsmacht mit der gleichzeitigen Begründung einer umfassenden Pflichtenstellung des Geschäftsführers einhergeht, während die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vollmacht allein die Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln vermittelt, bestehen im Übrigen auch Zweifel am Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen einer Umdeutung. Dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit 11

Vgl. Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 104. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 145 f., 149. 13 Vgl. Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 30; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 242. Die Vorschrift des § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG wurde insbesondere zur Bekämpfung sog. Firmenbestattungen erlassen. Aufgrund der Ersatzzuständigkeit ist es den Gesellschaftern nun nicht mehr möglich, Zustellungen sowie den Zugang von Erklärungen an die Gesellschafft durch die Abberufung der Geschäftsführer gezielt zu vereiteln. Vgl. RegE zum MoMiG, BT-Ds. 16/6140, S. 42. 14 Vgl. Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 246; LG Bonn, Beschluss vom 26. 5. 2009 – 30 T 426/09, NJW-RR 2009, 1342, 1343. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 InsO, nach welcher die Gesellschafter im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft zur Insolvenzantragstellung berechtigt sind, bildet insoweit eine Ausnahme. 15 Vgl. LG Bonn, Beschluss vom 26. 5. 2009 – 30 T 426/09, NJW-RR 2009, 1342, 1343. 16 Vgl. dazu Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 54; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 75. 17 Busche, in: MüKo, BGB, § 140 Rn. 16. 12

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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der Bestellung vernünftigerweise die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht gewollt hätten, kann angesichts der in diesem Falle fehlenden Pflichtenbindung kaum angenommen werden. Gerade weil sich mit der Bestellung die Begründung einer umfassenden Organstellung und nicht allein Vertretungsmacht verbindet, ist sie mit den Fällen unwirksam erteilter Prokura oder Generalvollmacht, in welchen die Umdeutung in eine „normale“ Vollmacht geringerer Reichweite vielfach dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen wird, nicht vergleichbar.18 Der Versuch rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers aus dem fehlerhaften Bestellungsakt abzuleiten, kann hiernach nicht überzeugen. bb) Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht durch Mitgeschäftsführer Fällt die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in die alleinige Kompetenz der Geschäftsführer, so müsste eine entsprechende Bevollmächtigung des fehlerhaften Geschäftsführers von ihnen selbst ausgegangen sein.19 Existieren neben dem fehlerhaften Geschäftsführer keine weiteren Geschäftsführer, kommt die Annahme, dass dem fehlerhaften Geschäftsführer rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht erteilt wurde, von vornherein nicht in Betracht. In den übrigen Fällen erscheint die konkludente Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht durch die Mitgeschäftsführer im Ausgangspunkt möglich.20 Nimmt der fehlerhafte Geschäftsführer im Anschluss an die fehlerhafte Bestellung seine Tätigkeit auf, so geschieht dies regelmäßig mit dem Einverständnis der Mitgeschäftsführer. Je nach Sachlage kann sich dieses etwa durch die gemeinsame Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben oder durch eine Aufgabenverteilung untereinander ausdrücken. Zu klären ist, ob ein solches Verhalten als die schlüssige Erteilung einer Innenoder Außenvollmacht gewertet werden kann. Dies beurteilt sich nach dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont.21 18

Zur Möglichkeit der Umdeutung unwirksam erteilter Prokura vgl. Hopt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 48 Rn. 1. Zur Umdeutung unwirksam erteilter Generalvollmacht siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 15; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 237. 19 Entweder unmittelbar durch eigene Erklärung oder mittelbar durch die Erteilung rechtsgeschäftlicher Untervollmacht über einen rechtsgeschäftlichen Vertreter. Die nachstehenden Überlegungen zur konkludenten Vollmachtserteilung gelten für diese zweite Konstellation entsprechend. 20 Eine ausdrückliche Bevollmächtigung ist in den Konstellationen fehlerhafter Geschäftsführung nicht denkbar. Hierdurch würde dem fehlerhaften Geschäftsführer offen die Position eines einfachen Vertreters eingeräumt. Die Fälle fehlerhafter Geschäftsführung zeichnen sich gerade dadurch aus, dass der fehlerhaft Bestellte die Positionen eines Geschäftsführers wahrnimmt. 21 Vgl. Schubert, in: MüKo, BGB, § 167 Rn. 7.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Die Erteilung konkludenter Innenvollmacht müsste sich aus der Perspektive des fehlerhaften Geschäftsführers ergeben. Im Regelfall werden sich die Mitgeschäftsführer mit dem Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers einverstanden zeigen, weil sie von dessen ordentlicher Bestellung ausgehen. Dies ist für den fehlerhaften Geschäftsführer auch erkennbar. Der objektive Erklärungswert einer Bevollmächtigung kann ihrem Verhalten sodann nicht beigemessen werden. Sollten die Mitgeschäftsführer ausnahmsweise um die Fehlerhaftigkeit der Bestellung wissen, würde dies am objektiven Empfängerhorizont des fehlerhaften Geschäftsführers nur dann etwas ändern, wenn er seinerseits Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung und der diesbezüglichen Bösgläubigkeit der ordentlichen Geschäftsführer hatte. Doch selbst dann ließe sich aus dem Verhalten der Mitgeschäftsführer keine Bevollmächtigung ableiten, weil aus dem bloßen Verzicht auf Offenlegung der Fehlerhaftigkeit der Bestellung nicht auf den Willen zur Erteilung einer Vollmacht geschlossen werden kann.22 Die Erteilung konkludenter Außenvollmacht des fehlerhaften Geschäftsführers müsste sich vom objektiven Empfängerhorizont eines betroffenen Dritten aus ergeben. Zeigen sich die Mitgeschäftsführer mit dem Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers einverstanden, so kann dies aus der Sicht eines Dritten jedoch nur als Bestätigung der Geschäftsführerposition des fehlerhaften Geschäftsführers aufgefasst werden. Vom objektiven Empfängerhorizont eines Dritten aus, ließe sich dem Verhalten der Mitgeschäftsführer in Bezug auf den fehlerhaften Geschäftsführer hiernach allenfalls die Deklaration einer wirksamen Bestellung im Innenverhältnis, nicht aber die konkludente Erteilung einer Außenvollmacht entnehmen. cc) Zwischenergebnis Die Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers könnten der GmbH bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nicht vermittels rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht zugerechnet werden. Die Erteilung einer solchen ließe sich in den hier betrachteten Fällen weder aus dem fehlerhaften Bestellungsakt noch aus dem Verhalten etwaiger Mitgeschäftsführer in der Folgezeit ableiten. b) Rechtsschein Eine Zurechnung könnte sich weiter aus Rechtsscheinsgesichtspunkten ergeben. Wurde der fehlerhafte Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht, kommt ein abstrakter Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs über § 15 22

Die Situation ähnelt den Fällen, in welchen die Erteilung einer Duldungsvollmacht in Rede steht. Auch dort ergibt sich aus der wissentlichen Duldung seitens des Geschäftsherrn höchstens das Bestehen konkludenter Außenvollmacht bzw. einer Scheinvollmacht ggü. dem Dritten, nicht jedoch eine Innenvollmacht ggü. dem Vertreter. Vgl. dazu Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 40 f.

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Abs. 3 HGB in Betracht. Ist eine Eintragung und Bekanntmachung nicht erfolgt, könnte ein konkreter Vertrauensschutz Dritter vermittels der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht anzunehmen sein. Sofern im Hinblick auf die Problematik der fehlerhaften Geschäftsführung die Anwendung einer Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht für notwendig gehalten wird, wird mit Blick auf den Rechtsverkehr auf einen Schutz über Handelsregister und Rechtsscheingrundsätze auch regelmäßig verwiesen.23 aa) Positive Publizität des Handelsregisters gem. § 15 Abs. 3 HGB In der Regel wird das Handelsregister den fehlerhaften Geschäftsführer als ordentlichen Geschäftsführer der GmbH ausweisen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Gesellschaft hinsichtlich der Person des Geschäftsführers und jeder diesbezüglichen Änderung einer Anmeldepflicht unterliegt (vgl. §§ 8, 39 GmbHG).24 Die Erfüllung dieser Pflicht kann seitens des Registergerichts gem. § 14 HGB durch die Festsetzung von Zwangsgeldern erzwungen werden.25 Bei Nichtbefolgung der Anmeldepflicht droht der Gesellschaft zudem die negative Publizität des Handelsregisters gem. § 15 Abs. 1 HGB.26 Im Glauben an die Wirksamkeit der Bestellung wird die Gesellschaft mithin in den meisten Fällen ihrer (bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nur vermeintlich bestehenden) Anmeldepflicht nachkommen. Zu einer Eintragung und Bekanntmachung des fehlerhaften Geschäftsführers trotz Anmeldung kann es sodann allein dann nicht kommen, wenn das Registergericht die anfängliche Nichtigkeit der Bestellung in Ausübung seiner materiellen Prüfungspflicht bemerkt. Deren Reichweite ist umstritten. Gegen die Annahme einer umfassenden Prüfungspflicht spricht, dass das Registergericht in diesem Falle bei Streitigkeiten über materielle Vorfragen entscheiden müsste.27 Überzeugender erscheint es, die Prüfungspflicht des Gerichts auf offenkundige Mängel des der Anmeldung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts zu begrenzen.28 In der Praxis wird es weniger offen zu Tage tretende Mängel ohnehin kaum erkennen können, sodass in solchen Fällen die unrichtige Eintragung und Bekanntmachung der angemeldeten

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Vgl. nur Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 69. Vgl. Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 39 Rn. 2; Schäfer, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 8 Rn. 3; Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 1086. 25 Krafka, in: MüKo, HGB, § 14 Rn. 1; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 39 Rn. 23. 26 Vgl. Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 18; Wamser, in: Henssler/Strohn, HGB, § 15 Rn. 1. 27 Vgl. Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 39 Rn. 17; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 39 Rn. 17. 28 Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 39 Rn. 23; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 39 Rn. 17. Für eine weitergehende materielle Prüfungspflicht des Registergerichts etwa OLG Köln, Beschluss vom 4. 5. 1988 – 2 Wx 6/88, WM 1988, 1749, 1749 f. 24

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Tatsache (selbst bei Annahme einer umfassenden materiellen Prüfungspflicht) zu erwarten steht. Weist das Handelsregister den fehlerhaften Geschäftsführer als ordentlichen Geschäftsführer der GmbH aus, könnten gutgläubige Dritte in ihrem (abstrakten) Vertrauen auf die Richtigkeit der bekanntgemachten Tatsache gem. § 15 Abs. 3 HGB geschützt sein (sog. positive Publizität des Handelsregisters). (1) Vertrauenstatbestand § 15 Abs. 3 HGB setzt zunächst voraus, dass eine einzutragende Tatsache unrichtig bekannt gemacht wurde.29 Bei der Geschäftsführerbestellung handelt es sich um eine abstrakt eintragungspflichtige Tatsache im Sinne des § 15 Abs. 3 HGB. Fraglich ist die Unrichtigkeit deren Bekanntmachung. Teilweise wird eine unrichtige Bekanntmachung allein dann angenommen, wenn eine Divergenz zwischen dem Inhalt der Eintragung und dem Bekanntmachungsinhalt festzustellen ist.30 Die Fälle der Eintragung und Bekanntmachung des fehlerhaften Geschäftsführers könnten hiernach nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 HGB fallen. Nach überwiegender Ansicht erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 HGB jedoch gerade auch auf die (häufigeren) Konstellationen, in welchen Eintragung und Bekanntmachung übereinstimmend von der materiellen Rechtslage abweichen.31 Ein solches weites Verständnis des Unrichtigkeitsbegriffs war nach der EG-Publizitätsrichtlinie32, auf deren Umsetzung § 15 Abs. 3 HGB beruht, zwar nicht veranlasst, der Gesetzgeber fasste den Anwendungsbereich der Norm jedoch bewusst weiter.33 Die Bekanntmachung eines fehlerhaften Geschäftsführers als ordentlicher Geschäftsführer stünde bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung im Widerspruch zur materiellen Rechtslage. Die unrichtige Bekanntmachung einer eintragungspflichtigen Tatsache läge damit vor. (2) Zurechnung des Vertrauenstatbestandes Nach herrschender Meinung muss der durch die unrichtige Bekanntmachung entstandene Vertrauenstatbestand von demjenigen, zu dessen Lasten er wirken soll, selbst veranlasst worden sein (sog. Veranlassungsprinzip).34 29

Vgl. Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 55 ff. Beuthien, NJW 1970, 2283, 2284. 31 Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 407 f.; Wamser, in: Henssler/Strohn, HGB, § 15 Rn. 10; Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 81. 32 ABl. Nr. L 65/8 vom 14. 3. 1968. 33 RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 11. 34 Vgl. Gehrlein, in: E/B/J/S, HGB, § 15 Rn. 33; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 15 Rn. 19; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 165 f. Nach anderer Auffassung ist im Rahmen des § 15 Abs. 3 HGB ein veranlasster Rechtsschein nicht zu fordern (reines Rechtsscheinprinzip). So etwa Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 84 f. 30

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Die Veranlassung der unrichtigen Bekanntmachung des fehlerhaften Geschäftsführers durch die Gesellschaft wäre regelmäßig bereits in dem Umstand zu sehen, dass sie ihn zum Handelsregister angemeldet hat. Durch die Registeranmeldung wird der Eintragungs- und Bekanntmachungsvorgang initiiert, womit dem Veranlassungskriterium grundsätzlich genüge getan ist.35 Problematisch erscheint die Veranlassung der unrichtigen Bekanntmachung allerdings dann, wenn die Anmeldung vom fehlerhaften Geschäftsführer selbst vorgenommen wurde. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung wäre die Gesellschaft in diesem Fall bei der Anmeldung nicht wirksam vertreten worden, weshalb eine Zurechnung des geschaffenen Vertrauenstatbestandes entfallen könnte.36 Die besseren Gründe sprechen jedoch dafür auch hier von einer Veranlassung seitens der Gesellschaft auszugehen. Ziel des Zurechnungskriteriums ist es eine sachlich nicht gerechtfertigte Inanspruchnahme völlig Unbeteiligter über § 15 Abs. 3 HGB zu vermeiden.37 Die Gesellschaft ist keine Unbeteiligte in diesem Sinne. Die Anmeldung des fehlerhaften Geschäftsführers erscheint als direkte Folge des fehlerhaften Bestellungsaktes. Ob sie vom fehlerhaften Geschäftsführer selbst oder einem ordentlich bestellten Mitgeschäftsführer vorgenommen wird, ist letztlich dem Zufall geschuldet, von welchem das Eingreifen positiver Registerpublizität nicht abhängen sollte. Die unrichtige Bekanntmachung könnte mithin auch dann als von der Gesellschaft veranlasst angesehen werden, wenn die Anmeldung durch den fehlerhaften Geschäftsführer selbst erfolgte. (3) Redlichkeit des Dritten Auf der Seite des Dritten setzt das Eingreifen des § 15 Abs. 3 HGB Gutgläubigkeit voraus. Diese ist anzunehmen, wenn der Dritte keine positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der bekanntgemachten Tatsache (hier also der Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung) hatte.38 Entsprechend seiner Natur als abstrakte Verkehrsschutzregel verlangt § 15 Abs. 3 HGB nicht, dass der Dritte die Bekanntmachung durch Einsichtnahme ins Handelsregister oder auf anderem Wege tatsächlich zur Kenntnis genommen hat.39 Die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme ist ausreichend.40 Eine solche wäre im hier betrachteten Geschäftsverkehr stets gegeben.

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Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 61; Gehrlein, in: E/B/J/S, HGB, § 15 Rn. 33. Vgl. Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 39. 37 Gehrlein, in: E/B/J/S, HGB, § 15 Rn. 31; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 39. 38 Vgl. Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 68. 39 Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 94; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 15 Rn. 21. 40 Vgl. Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 94. 36

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

(4) Rechtsfolge Auf der Rechtsfolgenseite gewährt § 15 Abs. 3 HGB dem Dritten die Möglichkeit sich auf die unrichtig bekannt gemachte Tatsache zu berufen.41 Wären die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 HGB gegeben und beriefe sich der Dritte im Rahmen von mit dem fehlerhaften Geschäftsführer getätigten Vertretungsgeschäften auf die positive Publizität des Handelsregisters, müsste sich die GmbH sodann in der Folge so behandeln lassen, als habe der fehlerhaften Geschäftsführer mit organschaftlicher Vertretungsmacht gehandelt. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung könnten der GmbH über § 15 Abs. 3 HGB mithin eine Vielzahl von Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers zugerechnet werden. Zu beachten ist allerdings, dass § 15 Abs. 3 HGB dem gutgläubigen Dritten lediglich die Möglichkeit eröffnet, sich auf die unrichtige Bekanntmachung zu berufen. Umgekehrt kann er es jedoch auch bei der wahren Rechtslage (d. h. der fehlenden Vertretungsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers) belassen.42 Aus der Perspektive des Dritten würde ein solcher Verzicht auf den abstrakten Vertrauensschutz nach § 15 Abs. 3 HGB immer dann als vorteilhaft erscheinen, wenn das in Rede stehende Vertretungsgeschäft, an welchem der fehlerhafte Geschäftsführer beteiligt war, von Anfang an oder rückblickend zu dessen Nachteil gereichte. bb) Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht Wurde der fehlerhafte Geschäftsführer nicht oder noch nicht ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht, müsste ein abstrakter Vertrauensschutz des Dritten über die positive Registerpublizität nach § 15 Abs. 3 HGB ausscheiden. Möglicherweise könnte dem Dritten in diesen Fällen jedoch konkreter Vertrauensschutz nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Duldungsund Anscheinsvollmacht gewährt werden. Auf der Rechtsfolgenseite führen diese dazu, dass ein Dritter, welchem gegenüber ein falsus procurator aufgetreten ist, wahlweise vom Geschäftsherrn verlangen kann, so gestellt zu werden, als habe der Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt.43 Im Ergebnis muss sich der Geschäftsherr das Vertretergeschäft damit zurechnen lassen.44 Für den Fall der Anscheinsvollmacht ist diese weitgehende Rechtsfolge um41

Vgl. Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 72; Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 96. Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 72. 43 Der konkrete Vertrauensschutz wirkt allein zugunsten des Dritten. Auch mit Blick darauf, dass die Durchsetzbarkeit der Rechtsscheinhaftung im Prozess mit Risiken belastet sein kann, ist ihm ebenso wie im Rahmen des § 15 Abs. 3 HGB ein Wahlrecht zuzugestehen, ob er sich auf den Rechtsschein berufen möchte oder nicht. Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 519 ff.; ders., Handelsrecht, 94; Krebs, in: MüKo, HGB, Vor § 48 Rn. 56. Nach der Gegenauffassung steht der Vertrauensschutz nicht zur Disposition des Geschäftsgegners. Vgl. Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 167 Rn. 75. 44 Vgl. Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 167 Rn. 17. 42

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stritten. Da eine Sorgfaltspflichtverletzung einen weitergehenden Anspruch nicht begründen könne, billigt ein Teil des Schrifttums dem Dritten in den Konstellationen der Anscheinsvollmacht lediglich negativen Vertrauensschutz in Form eines Schadensersatzanspruches aus culpa in contrahendo gem. §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu.45 Zur Gewährleistung eines effektiven Verkehrsschutzes und mit Blick auf die gesetzlichen Scheinvollmachten (§§ 171, 172 BGB), welche ebenfalls positiven Vertrauensschutz gewähren, ist der herrschenden Auffassung folgend jedoch auch hier von der Zurechnung des Vertretergeschäfts als Rechtsfolge auszugehen.46 (1) Zurechenbarer Rechtsscheintatbestand Sowohl Duldungs- als auch Anscheinsvollmacht setzten zunächst das Vorliegen eines dem Geschäftsherrn zurechenbaren Rechtsscheintatbestandes mit dem Inhalt bestehender Vollmacht voraus. Im Falle der Duldungsvollmacht schafft der Geschäftsherr den Scheintatbestand einer Vollmacht, indem er das ihm bekannte Verhalten des vermeintlichen Vertreters (in der Regel über einen längeren Zeitraum) duldet. Der Dritte kann diese Duldung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin verstehen, dass der Geschäftsherr dem Vertreter Innenvollmacht erteilt hat.47 Anders als teilweise angenommen, handelt es sich bei der Duldung mithin nicht um eine auf Erteilung einer Außenvollmacht gerichtete Willenserklärung,48 sondern lediglich um die konkludente Deklaration bestehender Innenvollmacht.49 Die Zurechnung des Rechtsscheins erfolgt unter dem Gesichtspunkt der bewussten Schaffung eines Scheintatbestands.50 Die Anscheinsvollmacht unterscheidet sich von der Duldungsvollmacht allein dadurch, dass der Geschäftsherr hier vom Auftreten des vermeintlichen Vertreters keine Kenntnis hat.51 Schreitet er eine längere Zeit gegen dieses nicht ein, so kann der Dritte aus diesem Verhalten wiederum nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf das Vorliegen einer Innenvollmacht schließen.52 Die konkludente Deklaration bestehender Innenvollmacht seitens des Geschäftsherrn ist damit auch in diesem Fall gegeben. Der hierdurch entstandene Rechtsschein ist dem Geschäfts45

So etwa Flume, Das Rechtsgeschäft, 832 ff. Vgl. Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 245; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 173 Rn. 9; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, 896. 47 BGH, Urteil vom 21. 6. 2005 – XI ZR 88/04, BKR 2005, 496, 498; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 167 Rn. 15. 48 So etwa Mansel, in: Jauernig, BGB, § 167 Rn. 8; Merkt, AcP 204 (2004), 638 ff. 49 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 41. 50 Vgl. BGH, Urteil vom 22. 10. 1996 – XI ZR 249/95, NJW 1997, 312, 314; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 42. 51 Vgl. BGH, Urteil vom 21. 6. 2005 – XI ZR 88/04, BKR 2005, 496, 499; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 39. 52 Vgl. BGH, Urteil vom 10. 3. 1953 – I ZR 76/52, LM Nr. 4 zu § 167 BGB 1. Leitsatz. 46

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herrn nach überwiegender Auffassung zuzurechnen, sofern ihm hinsichtlich dessen Verursachung Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.53 Habe der Geschäftsherr das Auftreten des vermeintlichen Vertreters bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können, müsse er dessen Vertretungshandeln gegen sich gelten lassen.54 Nach anderer Meinung ist der Zurechnungsgrund nicht im Verschuldenssondern im Risikoprinzip zu sehen. Der Geschäftsherr müsse sich hiernach den Rechtsschein zurechnen lassen, sofern sich in dem unbemerkten Vertreterhandeln des anderen ein betriebsinternes Organisationsrisiko verwirklicht habe.55 (a) Rechtsscheininhalt Nimmt der fehlerhafte Geschäftsführer Vertretungshandlungen für die GmbH vor, so entsteht auf Seiten des Dritten nicht der Eindruck, er handele mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht. Der Dritte wird vielmehr annehmen der fehlerhafte Geschäftsführer sei ordentlich bestellt und handele mit organschaftlicher Vertretungsmacht qua seiner Geschäftsführerposition. Der bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung durch die fehlerhafte Geschäftsführung entstehende Rechtsscheintatbestand („Scheingeschäftsführer“) unterscheidet sich damit inhaltlich von jenem, welcher den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zugrunde liegt („Scheinvollmacht“). Dass dieser unterschiedliche Rechtscheininhalt der Anwendung der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht entgegen stünde, ist mit Blick auf die parallele Struktur von rechtsgeschäftlicher Innenvollmacht und organschaftlichem Bestellungsakt allerdings nicht anzunehmen. In beiden Fällen handelt es sich um rein interne Rechtsgeschäfte, welche durch die Vermittlung von Rechtsmacht als Grundlage für Rechtsgeschäfte mit Dritten dienen.56 Durch diese Grundlagenfunktion werden die Dritten von deren Fehlerhaftigkeit des Rechtsgeschäfts unmittelbar betroffen. Ein Rechtsscheinschutz kommt in Betracht, wenn sie berechtigt auf die Wirksamkeit des internen Geschäfts vertrauen durften. Für den Fall der rechtsgeschäftlichen Vollmachtserteilung wird dies angenommen, wenn deren Wirksamkeit, dem Geschäftsherrn zurechenbar, nach außen hin deklariert wurde. Bei Anerkennung ihrer anfänglichen Nichtigkeit kann für die organschaftliche Bestellung nichts anderes gelten. Auch hier wäre zu fragen, ob das interne Rechtsgeschäft der Organbestellung dem Geschäftsherrn (d. h. der Gesellschaft) zurechenbar nach außen hin deklariert wurde, sodass der Dritte auf deren Wirksamkeit berechtigt vertrauen konnte. Die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht könnten bei An53

Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 167 Rn. 16. Vgl. BGH, Urteil vom 12. 2. 1952 – I ZR 96/51, NJW 1952, 657, 658 = BGHZ 5, 111, 116; BGH, Urteil vom 10. 3. 1953 – I ZR 76/52, LM Nr. 4 zu § 167 BGB 1. Leitsatz. 55 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 51 f., 194 f. Nach Canaris handelt es sich bei der Anscheinsvollmacht um ein rein handelsrechtliches Institut. 56 Zur Qualifikation sowohl der Vollmacht als auch der Organbestellung (Bestellung eines Vereinsvorstandes) als sog. drittgerichtete Rechtsgeschäfte vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 132 f. 54

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erkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung mithin jedenfalls analog angewendet werden.57 (b) Anknüpfungspunkt hinsichtlich Schaffung relevanten Rechtsscheins Sowohl Duldungs- als auch Anscheinsvollmacht gehen von der Schaffung des Rechtsscheins durch den Geschäftsherrn selbst aus. Im Falle der Duldungsvollmacht setzt die Duldung des Geschäftsherrn den Rechtsschein. Bei der Anscheinsvollmacht kann der Dritte aus dem Schweigen des Geschäftsherrn auf das Bestehen einer Innenvollmacht des Vertreters schließen. Vorliegend ist die GmbH Geschäftsherrin. Da diese tatsächlich nicht selbst handeln kann, fragt sich, auf wessen Verhalten innerhalb der Gesellschaft für die Schaffung eines relevanten Rechtsscheins abzustellen wäre. Handelt es sich bei dem Geschäftsherrn um eine natürliche Person, so muss diese sich die Schaffung eines Rechtsscheins durch einen anderen als sich selbst nur dann zurechnen lassen, wenn der andere den Rechtsschein in Ausübung seiner analog §§ 164 ff. BGB zu beurteilenden Zuständigkeit gesetzt hat und der Rechtsschein diesem Vertreter zurechenbar ist.58 Für die Gesellschaft als Geschäftsherrin ist entsprechend auf die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsverteilung abzustellen.59 Die Vornahme des Bestellungsaktes fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bestellungsorgans der GmbH.60 Hinsichtlich der Schaffung eines relevanten Rechtsscheins käme es mithin auf das Verhalten der Mitglieder des Bestellungsorgans an, welche in der Regel die Gesellschafter sein werden. War für die Bestellung zum Geschäftsführer eine bestimmte Mehrheit erforderlich, ist entscheidend, ob in dem Verhalten der nötigen Mehrheit der Mitglieder die Schaffung des Rechtsscheins eines „Scheingeschäftsführers“ gesehen werden kann.61 (c) Mitglieder des Bestellungsorgans kannten und duldeten das Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers Kannte und duldete die notwendige Mehrheit der Mitglieder des Bestellungsorgans das Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers, so entstand für Dritte, welchen gegenüber der fehlerhafte Geschäftsführer als Vertreter der GmbH aufgetreten ist, der Eindruck, der fehlerhafte Geschäftsführer sei ordentlicher Geschäftsführer der 57 Von einer analogen Anwendung der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht geht auch Jarzembowski, Fehlerhafte Organakte, 102 f. aus. 58 Die analoge Anwendung der rechtsgeschäftlichen Stellvertretungsregeln erscheint gerechtfertigt, da auch die Rechtsscheinhaftung eine Haftung kraft Teilnahme am Rechtsverkehr darstellt und sie zudem zu denselben Rechtsfolgen wie ein Rechtsgeschäft führt. Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 452, 457. 59 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 76 (Fn. 49), 459. 60 Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 41 ff. 61 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 459. A.A. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 178 (Duldungsvollmacht bei wissentlicher Duldung aller Gesellschafter).

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GmbH und handele mit organschaftlicher Vertretungsmacht. Entsprechend den Grundsätzen der Duldungsvollmacht könnte bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hierin die relevante Schaffung des Rechtsscheins eines Scheingeschäftsführers gesehen werden, welchen die GmbH sodann gegen sich gelten lassen müsste. Hinsichtlich der Zurechnung dieses Rechtsscheins ergäben sich jedenfalls dann keine Probleme, wenn die Mitglieder des Bestellungsorgans Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Geschäftsführerbestellung hatten. Der Zurechnungsgrund der wissentlichen Schaffung des Rechtsscheins läge hier vor. Im Regelfall werden die Mitglieder des Bestellungsorgans den fehlerhaften Geschäftsführer jedoch gerade deshalb gewähren lassen, weil sie selbst von der Wirksamkeit des Bestellungsaktes ausgehen. Fraglich ist, ob auch in einem solchen Fall des Irrtums über den Scheincharakter des gesetzten Rechtsscheins noch von dessen wissentlicher Schaffung gesprochen werden könnte. Diese sich in gleicher Weise auch in den herkömmlichen Fällen der Duldungsvollmacht stellende Frage lässt sich nicht bereits mit Blick auf die Irrtumsregeln der §§ 119 ff. BGB beantworten. Der Irrtum über die Wirksamkeit des Bestellungsaktes kann zwar als Motivirrtum bewertet werden. Für dessen Beachtlichkeit lassen sich hieraus jedoch keine Schlüsse ziehen, da ein vergleichbarer Motivirrtum über die Wirksamkeit einer Willenserklärung nicht denkbar ist.62 Für die Unerheblichkeit des Irrtums spricht, dass die Entstehung von Fehlern bei der Vornahme interner Rechtsgeschäfte der Sphäre der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien zuzuordnen ist. Anders als außenstehende Dritte haben diese viel eher die Gelegenheit die Fehlerhaftigkeit von Bestellungsakt oder Innenvollmacht zu vermeiden bzw. in der Folgezeit zu erkennen.63 Diese Risikoverteilung zu Lasten des Geschäftsherrn bestätigt ein Blick auf die Regelung der gesetzlichen Scheinvollmachten nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB. Die Kundgabe einen anderen bevollmächtigt zu haben (§ 171 BGB) bzw. die Aushändigung und Vorlage einer Vollmachtsurkunde (§ 172 BGB) führt auch dann zur Annahme einer Scheinvollmacht, wenn der Geschäftsherr glaubte, eine wirksame Innenvollmacht erteilt zu haben.64 Kann sich der Geschäftsherr im Falle der Deklaration der Wirksamkeit des internen Rechtsgeschäfts durch Kundgabe oder Vollmachtsurkunde nicht auf den Irrtum über dessen Mangelhaftigkeit berufen, so kann für die Deklaration der Wirksamkeit durch Duldung nichts anderes gelten.65 62

Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 484. So auch Canaris, welcher festhält, dass derjenige, der ein drittgerichtetes Rechtsgeschäft verlautbart, eher als ein gänzlich unbeteiligter Dritter die Möglichkeit hat, den Mangel zu vermeiden und somit „näher daran“ sei, dass Risiko eines Irrtums über die Rechtslage zu tragen. Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 485. 64 Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 171 Rn. 11; Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 172 Rn. 11. 65 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 112. 63

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Der Irrtum über den Scheincharakter des durch Duldung gesetzten Scheintatbestandes einer wirksamen Bestellung wäre mithin als unbeachtlich einzuordnen.66 Dogmatisch könnte hier mit der Figur des Einwendungsausschlusses kraft Rechtsschein gearbeitet werden.67 (d) Keine Kenntnis der Mitglieder des Bestellungsorgans vom Auftreten des Geschäftsführers Wusste die notwendige Mehrheit der Mitglieder des Bestellungsorgans nicht von der Geschäftsführertätigkeit des fehlerhaften Geschäftsführers, käme bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung das Vorliegen eines zurechenbaren Rechtscheintatbestandes entsprechend den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht in Betracht. Die fehlende Kenntnis vom Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers wird allerdings die absolute Ausnahme darstellen. Dass der Geschäftsführer im Anschluss an die Bestellung zur Tat schreitet, ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Jedenfalls wenn sie von der Wirksamkeit der Bestellung ausgegangen sind, könnten sich die Mitglieder des Bestellungsorgans kaum darauf berufen, dass sie nichts von dessen anschließender Tätigkeit gewusst haben. Hier könnten sodann die Grundsätze der Duldungsvollmacht zur Anwendung gelangen. Hatten die Mitglieder des Bestellungsorgans Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung, so werden sie das Handeln des fehlerhaften Geschäftsführers in der Regel verhindert haben. Allein wenn die Mitglieder des Bestellungsorgans aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Bestellung davon ausgegangen sind, dass der fehlerhafte Geschäftsführer nicht für die GmbH tätig wird, dieser aber dennoch für und innerhalb des Verbandes als Geschäftsführer aufgetreten ist, scheint Raum für die entsprechende Anwendung der Grundsätze der Anscheinsvollmacht. Aus der Perspektive Dritter stellt sich das Schweigen der Mitglieder des Bestellungsorgans trotz des wiederholten Auftretens des fehlerhaften Geschäftsführers sodann als konkludente Deklaration einer wirksamen Geschäftsführerbestellung im Innenverhältnis dar. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung wäre die Schaffung des Rechtsscheins eines Scheingeschäftsführers sodann anzunehmen. Auch die Zurechnung des Rechtsscheins könnte in diesen Konstellationen bejaht werden. Bei Zugrundelegung des Verschuldensprinzips, weil unterstellt werden kann, dass die Mitglieder des Bestellungsorgans bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt das Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers hätten erkennen und verhindern können. Bei Zugrundelegung des Risikoprinzips, weil die Sicherstellung, dass die Mitglieder des Bestellungsorgans vom Auftreten einer Person als Ge66

So im Ergebnis (jeweils für den Fall nichtiger Bevollmächtigung) auch BGH, Urteil vom 25. 3. 2003 – XI ZR 227/02, NJW 2003, 2091, 2092; BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – XI ZR 164/ 03, NJW 2004, 2745, 2746; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 173 Rn. 7. 67 So Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 109, 112 ff.

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schäftsführer erfahren, eine Frage des betrieblichen Organisationsrisikos ist. Welchem Zurechnungsgrund im Rahmen der Anscheinsvollmacht der Vorzug zu geben ist, kann hier dahinstehen. (2) Schutzwürdigkeit des Dritten Auf Seiten des Dritten erfordert die Anwendung der Grundsätze der Duldungsund Anscheinsvollmacht dessen Schutzwürdigkeit.68 Diese setzt zunächst Gutgläubigkeit in Bezug auf die Wirksamkeit der Bevollmächtigung voraus. In Anlehnung an die gesetzlichen Scheinvollmachten nach §§ 171 f. BGB schadet dem Dritten bereits fahrlässige Unkenntnis (vgl. § 173 BGB).69 Weiter muss der Rechtsscheintatbestand kausal für die Vornahme des Vertretergeschäfts geworden sein.70 Anders als im Rahmen des § 15 Abs. 3 HGB reicht die abstrakte Möglichkeit Vertrauen zu bilden gerade nicht aus. Im Falle fehlerhafter Geschäftsführung wäre der Dritte mithin dann schutzwürdig, wenn er die Fehlerhaftigkeit der Bestellung weder kannte noch kennen musste und wenn er das in Rede stehende Vertretergeschäft im Vertrauen auf die Geschäftsführerposition des fehlerhaften Geschäftsführers vorgenommen hat. cc) Zwischenergebnis Wurde die Bestellung des fehlerhaften Geschäftsführers ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht und hatte der jeweils betroffene Dritte keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung, wären bei Anerkennung deren anfänglicher Nichtigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 HGB erfüllt. Der Dritte könnte sodann im Hinblick auf seitens des fehlerhaften Geschäftsführers als falsus procurator getätigte Vertretungshandlungen verlangen, so gestellt zu werden, als sei organschaftliche Vertretungsmacht gegeben gewesen. Ist der fehlerhafte Geschäftsführer über einen gewissen Zeitraum nach außen hin als ordentlicher Geschäftsführer aufgetreten und wurde dessen (fehlerhafte) Bestellung nicht ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht, so könnten der GmbH bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung dessen Vertretungshandlungen analog der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Kannte und duldete die notwendige Mehrheit der Mitglieder des Bestellungsorgans dessen Tätigwerden, könnte in analoger Anwendung auf die Grundsätze der Duldungsvollmacht zurückgegriffen werden. Hatte sie keine Kenntnis, wäre der GmbH der Rechtsschein des Scheingeschäftsführers analog der Grundsätze der Anscheinsvollmacht zurechenbar. Der hiernach eintretende konkrete

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Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 167 Rn. 17. Vgl. Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 173 Rn. 8 f. 70 BGH, Urteil vom 4. 12. 1980 – VII ZR 57/89, WM 1981, 171, 172; Schubert, in: MüKo, BGB, § 167 Rn. 119; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 167 Rn. 9. 69

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Vertrauensschutz des Dritten ergäbe sich allein dann nicht, wenn dieser ausnahmsweise als nicht schutzwürdig erschiene. Ebenso wie im Falle des abstrakten Vertrauensschutzes nach § 15 Abs. 3 HGB ist allerdings auch hier festzuhalten, dass sich der Dritte auf den Rechtsschein bei Eingreifen der Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zwar berufen könnte, er hierzu jedoch nicht gezwungen wäre.71 Erschiene ihm das Vertretergeschäft nachteilig, könnte er auf den ihm gewährten Schutz verzichten, sodass eine Zurechnung der Vertretungshandlung ausbleiben müsste. c) Genehmigung Auf Seiten der GmbH kommt bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hinsichtlich des Vertretungshandelns des fehlerhaften Geschäftsführers schließlich die Möglichkeit einer Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB in Betracht. Bei der Genehmigung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, welche zur rückwirkenden Wirksamkeit des Vertretergeschäfts führt (§ 177 Abs. 1 BGB i.V.m. § 184 Abs. 1 BGB).72 Das Vertretergeschäft wirkt sodann für und gegen den Geschäftsherrn, als habe dieser von Anfang an Vertretungsmacht erteilt.73 Ein ohne Vertretungsmacht im Namen des Geschäftsherrn abgeschlossener Vertrag, welcher an keinem anderweitigen Wirksamkeitsmangel leidet, ist grundsätzlich genehmigungsfähig.74 Die Genehmigungsfähigkeit endet, wenn die Genehmigung endgültig verweigert wurde, die Verweigerungsfiktion des § 177 Abs. 2 S. 2 BGB eintritt oder wenn der andere Teil den Vertrag nach § 178 BGB widerrufen hat.75 Bis dahin ist der Vertrag schwebend unwirksam.76 Einseitige ohne Vertretungsmacht vorgenommene Rechtsgeschäfte sind grundsätzlich nichtig und nicht genehmigungsfähig.77 Eine Genehmigung ist jedoch ausnahmsweise dann möglich, wenn das Fehlen der Vertretungsmacht vom Erklärungsempfänger nicht beanstandet wurde oder dessen Einverständnis vorlag (§ 180 S. 2 BGB).78 71

Vgl. hierzu oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. b) bb) (1) Fn. 43. Vgl. Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 177 Rn. 30. 73 Mansel, in: Jauernig, BGB, § 177 Rn. 6; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 177 Rn. 30. 74 Valenthin, in: BeckOK, BGB § 177 Rn. 19; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 177 Rn. 4. 75 Vgl. Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 177 Rn. 17 ff.; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 177 Rn. 24. Ausnahmsweise kann das Recht des Vertretenen zur Genehmigung auch gem. § 242 BGB verwirkt sein, vgl. Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 177 Rn. 16. 76 Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 177 Rn. 4; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 177 Rn. 6; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 177 Rn. 18. 77 Mansel, in: Jauernig, BGB, § 180 Rn. 1; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 180 Rn. 2. 78 Schubert, in: MüKo, BGB, § 180 Rn. 9 ff., 10; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 180 Rn. 3. 72

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aa) Anwendbarkeit der §§ 177 ff. BGB auf Vertretergeschäfte des fehlerhaften Geschäftsführers Die §§ 177 ff. BGB gelten für alle Fälle der Vornahme von Rechtsgeschäften in fremdem Namen ohne Vertretungsmacht.79 Grundsätzlich könnten sie damit auch auf das Vertreterhandeln des fehlerhaften Geschäftsführers Anwendung finden. Nicht anwendbar sind die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB, wenn eine Zurechnung des Vertretergeschäfts bereits kraft Rechtsschein erfolgt.80 Beriefe sich der Dritte bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hiernach gegenüber der Gesellschaft auf § 15 Abs. 3 HGB oder konkreten Vertrauensschutz in analoger Anwendung der Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht, so müsste die Gesellschaft das Vertreterhandeln des fehlerhaften Geschäftsführers ohnehin gegen sich gelten lassen. Unterließe es der Dritte jedoch sich auf Rechtscheingrundsätze zu berufen oder sollten deren Voraussetzungen nicht vorliegen, so wäre Raum für eine Genehmigung. Interessant wäre die Genehmigungsmöglichkeit für die Gesellschaft immer dann, wenn sich das Vertretergeschäft für sie als vorteilhaft darstellt. bb) Organzuständigkeit und Beschränkung der Genehmigungsfähigkeit auf delegierbare Vertretungsgeschäfte Um die Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft zu wahren, muss die Rechtsmacht die mit dem Vertretergeschäft verbundenen Rechtswirkungen für die GmbH im Nachhinein durch Genehmigung herbeizuführen demselben Organ zugewiesen sein, welches die Zurechnung des Vertretergeschäfts auch bereits im Vorfeld durch Erteilung von Vertretungsmacht hätte bewirken können.81 Zuständig für die Erteilung von Vertretungsmacht im Hinblick auf konkrete Vertretergeschäfte sind die ordentlichen Geschäftsführer der GmbH.82 Dementsprechend liegt auch die nachträgliche Genehmigung von Vertretergeschäften grundsätzlich bei diesen. Für die Vertretungsgeschäfte des fehlerhaften Geschäftsführers ergibt sich hieraus, dass bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung eine Genehmigungsmöglichkeit für die Gesellschaft allein dann angenommen werden könnte, wenn diese neben dem fehlerhaften Geschäftsführer zusätzlich über ordentliche Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl verfügt. Eine Aushilfskompetenz der Gesellschafterversammlung, die es dieser im Falle der 79

Schubert, in: MüKo, BGB, § 177 Rn. 3. BGH, Urteil vom 20. 1. 1983 – VII ZR 32/82, NJW 1983, 1308, 1309 = BGHZ 86, 273, 275; Schubert, in: MüKo, BGB, § 177 Rn. 10. 81 Vgl. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 153. 82 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 70. Für bestimmte Vertretungsgeschäfte kann die Erteilung von Vertretungsmacht ausnahmsweise in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Gesellschaftsorgans fallen. Nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG obliegt die Bestellung eines besonderen Prozessvertreters etwa der Gesellschafterversammlung, vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 46 Rn. 54 ff. 80

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Führungslosigkeit der Gesellschaft ermöglichen würde die Genehmigung selbst vorzunehmen, könnte ebenso wenig angenommen werden wie jene für die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vollmacht.83 Ihrer Rechtsnatur nach handelt es sich bei der durch die Geschäftsführer erteilten Vertretungsmacht um eine rechtsgeschäftliche Untervollmacht.84 Die den Geschäftsführern selbst zukommende organschaftliche Vertretungsmacht kann von ihnen nicht übertragen werden.85 Bedeutung erlangt dieser Umstand im Hinblick auf solche Vertretergeschäfte, die allein von den organschaftlichen Vertretern der Gesellschaft vorgenommen werden können und nicht auf Dritte weiterdelegiert werden dürfen. Stößt die Rechtsmacht, Vertretungsmacht für die Gesellschaft zu erteilen, hier an ihre Grenzen, muss für die nachträgliche Genehmigungsmöglichkeit das Gleiche gelten. Anderenfalls könnten die Geschäftsführer die fehlende Delegierbarkeit von Vertretergeschäften allzu leicht umgehen, indem sie den Dritten jeweils als falsus procurator handeln lassen und das Geschäft nachträglich genehmigen.86 Hat der fehlerhafte Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gesellschaft derartige, den ordentlichen Geschäftsführern vorbehaltene Vertretungsgeschäfte vorgenommen, könnte dessen fehlende organschaftliche Vertretungsmacht hiernach nicht über eine Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB ausgeglichen werden. Problematisch erscheint diese Einschränkung etwa für den Fall der Erteilung einer handelsrechtlichen Prokura (§ 48 Abs. 1 HGB). Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung könnte der fehlerhafte Geschäftsführer keine wirksame Prokurarteilung vornehmen. Da es zur Prokuraerteilung organschaftlicher Vertretungsmacht bedarf,87 käme auch deren nachträgliche Genehmigung nicht in Betracht. Parallel zum fehlerhaften Geschäftsführer, müssten sodann auch sämtliche von diesem bestellen Prokuristen als Vertreter ohne Vertretungsmacht qualifiziert werden.88 cc) Zwischenergebnis Sofern die Gesellschaft das vom fehlerhaften Geschäftsführer vorgenommene Vertretergeschäft nicht bereits nach Rechtsscheingrundsätzen gegen sich gelten lassen müsste, käme bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung 83 A.A. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 153. Zur Frage nach einer Aushilfskompetenz der Gesellschaftsversammlung zur Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht vgl. oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. a) aa). 84 Stein, AG 1999, 28, 42. 85 Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 92; Stein, AG 1999, 28, 33. 86 Vgl. Stein, AG 1999, 28, 35. 87 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 48 Rn. 4; Weber, in: E/B/J/S, HGB, § 48 Rn. 11. 88 Da es sich bei der Prokuraerteilung um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt, könnte sich ein Schutz zugunsten Dritten hier sodann ebenfalls insbesondere über § 15 Abs. 3 HGB ergeben. Hat der fehlerhafte Geschäftsführer einfache Vertretungsmacht erteilt, wäre im Gegensatz zur Prokuraerteilung eine Genehmigung durch die Gesellschaft in den Grenzen der genehmigungsfähigkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts grundsätzlich denkbar.

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eine Genehmigung des Geschäfts nach Maßgabe der §§ 177 ff. BGB grundsätzlich in Betracht. Die Möglichkeit der Genehmigung setzt allerdings insbesondere voraus, dass die Gesellschaft über ordentliche Geschäftsführer verfügt, welche die Genehmigung in vertretungsberechtigter Zahl aussprechen können und dass es sich bei dem potentiell zu genehmigenden Vertretungsgeschäft um ein solches handelt, für dessen Vornahme die ordentlichen Geschäftsführer einem Dritten auch im Voraus rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht hätten erteilen können. 2. Zurechnung von zu Schadensersatz verpflichtenden Handlungen Ebenso wie eine natürliche Person für ihr eigenes Handeln die Schadensverantwortung trägt, muss auch der Verband für das zu Schadensersatz verpflichtende bzw. allgemein für das rechtswidrig-schuldhafte Handeln seiner Organwalter einstehen. Dieser Rechtsgedanke ist in § 31 BGB allein für den rechtsfähigen Verein positivrechtlich erfasst worden. Da die Vorschrift jedoch als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsinstituts der Repräsentationshaftung begriffen werden kann, findet sie nach allgemeiner Ansicht auf andere Verbände analoge Anwendung.89 An der Einstandspflicht der GmbH für das rechtswidrig-schuldhafte Handeln ihres ordentlichen Geschäftsführers gem. § 31 BGB analog besteht hiernach kein Zweifel.90 Fraglich ist, ob bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung über die analoge Anwendung der Zurechnungsnorm des § 31 BGB auch eine Haftung der GmbH für das Verhalten des fehlerhaften Geschäftsführers begründet werden könnte. Dazu müsste der fehlerhafte Geschäftsführer als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB qualifizierbar sein. Die Einstandspflicht der GmbH bezöge sich sodann auf „zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen“, welche der fehlerhafte Geschäftsführer „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung“ vorgenommen hat. Für den mit Willensakt der Gesellschaft tätig gewordenen faktischen Geschäftsführer findet sich vereinzelt die Feststellung, dass § 31 BGB analog anwendbar sei.91 Für den fehlerhaften Geschäftsführer, dessen Tätigwerden sich auch bei Anerkennung dessen anfänglicher Nichtigkeit immerhin auf einen förmlichen Bestellungsakt der Gesellschaft zurückführen lässt, müsste die Zurechnungsnorm 89

Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 274 f. welcher anmerkt, dass es rechtsmethodisch an sich zutreffender wäre eine Repräsentantenhaftung abseits vom Verein aufgrund Institutionenbildung und nicht über eine Analogie anzunehmen. 90 Umstritten ist lediglich der Anwendungsbereich des § 31 BGB analog. Für eine Zurechnung des Organverhaltens im Rahmen schuldrechtlicher Sonderverbindungen wird teilweise auf § 278 BGB verwiesen (so etwa Flume, Die juristische Person, 395 ff.). Nach der überzeugenden Gegenauffassung ist aber auch hier § 31 BGB analog die richtige Zurechnungsnorm, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 277 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 155. 91 Weimar, GmbHR 1997, 473, 479; Achsnich, Die Haftung faktischer Organe, 184.

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sodann erst recht Anwendung finden.92 Dinkhoff macht das Eingreifen des § 31 BGB davon abhängig, ob dem Betroffenen Vertretungsmacht seitens der Gesellschaft eingeräumt wurde, was in den Fällen fehlerhafter Geschäftsführung regelmäßig anzunehmen sei.93 Da die bisherige Untersuchung demgegenüber gezeigt hat, dass der fehlerhafte Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung stets als falsus procurator zu qualifizieren wäre, müsste die Anwendung des § 31 BGB analog, unter der Prämisse, dass ihre Anwendbarkeit Vertretungsmacht des Handelnden voraussetzt, jedoch ausscheiden. a) Fehlerhafter Geschäftsführer als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ Ausgehend vom Wortlaut des § 31 BGB, welcher ein Handeln des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ erfordert, erscheint es naheliegend die Anwendbarkeit der Zurechnungsnorm jedenfalls davon abhängig zu machen, dass dem Betroffenen eine irgend geartete Vertretungsmacht seitens der Gesellschaft verliehen wurde. Im Lauf der Zeit, hat der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ durch Rechtsprechung und Lehre allerdings eine erhebliche Ausdehnung erfahren.94 Zur Annahme eines solchen soll es bereits genügen, „dass dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, dass er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert“.95 Darauf, ob der Vertreter in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen war oder mit Vertretungsmacht handelte, soll es hiernach gerade nicht ankommen.96 92

Weimar, GmbHR 1997, 473 ff. hält die Unterscheidung zwischen nur unwirksamer und völlig fehlender Bestellung für entbehrlich, sodass sich die Feststellung, dass § 31 BGB analog auf den faktischen Geschäftsführer Anwendung finde, direkt auch auf den fehlerhaften Geschäftsführer als Unterfall bezieht. 93 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer der GmbH, 160 f. 94 Vgl. BGH, Urteil vom 30. 10. 1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 391 f. = BGHZ 49, 19; Flume, Die juristische Person, 387. 95 Vgl. BGH, Urteil vom 30. 10. 1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 392 = BGHZ 49, 19; BGH, Urteil vom 5. 3. 1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856; BGH, Urteil vom 12. 7. 1977 – VI ZR 159/75, NJW 1977, 2259, 2260. 96 Schöpflin, in: BeckOK, BGB, § 31 Rn. 7; BGH, Urteil vom 30. 10. 1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 391 = BGHZ 49, 19; BGH, Urteil vom 5. 3. 1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856. Das weite Verständnis des verfassungsmäßig berufenen Vertreters, welches zu einer Ausdehnung des § 31 BGB hin zu einer allgemeinen Repräsentantenhaftung geführt hat, ist in der Literatur auch auf Kritik gestoßen. So weist etwa Schürnbrand darauf hin, dass sich Wertungswidersprüche ergeben, wenn zwar die Verbände nach § 31 BGB für ihre Repräsentanten einzustehen haben, die Vorschrift auf die Repräsentanten einer natürlichen Person als Unternehmensträger jedoch keine Anwendung findet, sodass es hier insbesondere bei der Exkulpationsmöglichkeit nach § 831 BGB verbleibt, vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 112 ff. Das Bedürfnis nach einer Erfassung der Repräsentanten des Verbandes wird freilich auch von den Kritikern einer allgemeinen Repräsentantenhaftung nicht bestritten.

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Die Ausdehnung des Begriffs des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ zielt in erster Linie darauf ab, neben den Organwaltern gegebenenfalls auch Personen unterhalb der Organebene, insbesondere leitende Angestellte, in den Anwendungsbereich des § 31 BGB einzubeziehen.97 Dahinter steht die überzeugende Erwägung, dass es anderenfalls in der Hand der Gesellschaft läge, durch Delegation von Aufgaben auf untere Ebenen, den Anwendungsbereich des § 31 BGB zugunsten der weniger strengen Zurechnungsnorm des § 278 BGB im vertraglichen und der Haftungsnorm des § 831 BGB im deliktischen Bereich einzuengen.98 Verfolgt die Erweiterung des Begriffs des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ auch eine andere Stoßrichtung, so zeigt sie doch, dass es für die Erfassung des Kreises der Personen, deren Handeln über § 31 BGB analog der Gesellschaft zugerechnet werden soll, nicht auf eine formale, sondern auf einen tatsächliche Betrachtungsweise ankommen muss.99 Gegen die Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers, welcher mit der tatsächlichen Wahrnehmung der Geschäftsführungstätigkeit stets „bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person selbstständig und eigenverantwortlich erfüllt“, bestünden hiernach auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit dessen Bestellung keine durchgreifenden Bedenken. Dass es für die Zurechnung von Organverhalten über § 31 BGB analog nicht auf die Wirksamkeit des zugrundeliegenden Bestellungsaktes ankommen kann, bestätigt der Umstand, dass auch im Rahmen des § 831 BGB sowie des § 278 BGB für die Einordnung einer Hilfsperson als Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfe die Wirksamkeit des zum Geschäftsherrn bzw. Schuldner bestehenden Rechtsverhältnisses nicht entscheidend ist.100 Dass der Prinzipal für den Fall, dass sein Gehilfe beispielsweise beim Verlegen von Dachziegeln das Hausdach des Vertragspartners beschädigt oder vorbeigehende Passanten verletzt, seiner vertraglichen wie deliktischen Einstandspflicht nicht mit dem Hinweis auf die Unwirksamkeit des zwischen ihm und dem Gehilfen bestehenden Schuldverhältnisses entgehen darf, erscheint auch allein interessengerecht. Für die Berufung der Gesellschaft auf die Fehlerhaftigkeit der Bestellung muss bei Anerkennung ihrer anfänglichen Nichtigkeit im Rahmen des § 31 BGB im Ausgangspunkt das Gleiche gelten.

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Vgl. Koenen, Die Zurechnung von Organverhalten bei juristischen Personen, 33 f. Aufgrund der ansonsten bestehenden Exkulpationsmöglichkeit war vor allem eine Zurückdrängung des § 831 BGB zugunsten des § 31 BGB analog intendiert. Vgl. RG, Urteil vom 17. 1. 1940 – II 82/39, RGZ 163, 21, 30; Koenen, Die Zurechnung von Organverhalten bei juristischen Personen, 33; Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 10. Wegen der Möglichkeit der Vorsatzfreizeichnung nach § 278 S. 2 BGB käme es ohne die Anwendung des § 31 BGB analog jedoch auch im rechtsgeschäftlichen Bereich zu einer Zurechnungsverschärfung. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 277. 99 Für den mit Willensakt der Gesellschaft auftretenden faktischen Organwalter in diesem Sinne auch Achsnich, Die Haftung faktischer Organe, 186. 100 Für § 831 BGB siehe Wagner, in: MüKo, BGB, § 831 Rn. 14; Spindler, in: BeckOK, BGB, § 831 Rn. 10. Für § 278 BGB siehe Grundmann, in: MüKo, BGB, § 278 Rn. 43. 98

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Passend zu dieser Erwägung hat der BGH schließlich auch den Scheinsozius einer GbR als deren „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“ eingestuft.101 Ausschlaggebend war auch hier, dass dem Anwalt die selbstständige und eigenverantwortliche Bearbeitung von Mandaten (und damit bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der Sozietät) überlassen wurden. Auf die Wirksamkeit der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter und damit als Handlungsorgan der GbR kam es hingegen nicht an.102 Der fehlerhafte Geschäftsführer könnte hiernach auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung als „verfassungsmäßig berufender Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB qualifiziert werden. b) Zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen Mit der Voraussetzung einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung nimmt § 31 BGB Bezug auf alle Rechtsgründe, aus welchen sich eine Schadensersatzpflicht ergeben kann.103 Zu denken ist etwa an eine Haftung der Gesellschaft für (vor-)vertragliche Pflichtverletzungen (§§ 280 ff. BGB i.V.m. § 31 BGB analog), unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff. BGB i.V.m. § 31 BGB analog) oder rechtmäßiges Verhalten, welches ausnahmsweise zu einer Schadensersatzpflicht führen kann (vgl. §§ 228, 904 BGB i.V.m. § 31 BGB analog).104 Sofern die Haftung der Gesellschaft für ein Verhalten des fehlerhaften Geschäftsführers im rechtsgeschäftlichen Bereich in Rede steht, wäre bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung besonders zu beachten, dass dieser für die GmbH als falsus procurator auftritt. Hieraus folgt zunächst, dass im Rahmen einer Haftung der Gesellschaft aus einem (vorvertraglichen) Schuldverhältnis stets sicherzustellen wäre, dass dieses tatsächlich wirksam begründet wurde. Ginge die Begründung des Schuldverhältnisses auf ein Vertretungshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers zurück und ließe sich dieses der Gesellschaft bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung weder über § 15 Abs. 3 HGB noch über die analoge Anwendung von Anscheins- und Duldungsvollmacht oder vermittels einer Genehmigung zurechnen, bestünde für deren Haftung aufgrund vertraglicher Pflichtverletzung mangels Schuldverhältnis von vornherein kein Anknüpfungspunkt. In den Fällen, in welchen sich die Gesellschaft das Vertretungshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers nicht zurechnen lassen müsste, würde sich sodann die 101 BGH, Urteil vom 3. 5. 2007 – IX ZR 218/05, NJW 2007, 2490, 2491 f. = BGHZ 172, 169. Zur Haftung des Scheinsozius selbst vgl. Blaurock, in: Festschrift Krämer, 177, 177 ff. 102 BGH, Urteil vom 3. 5. 2007 – IX ZR 218/05, NJW 2007, 2490, 2492 = BGHZ 172, 169. 103 Vgl. Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 30. Über den Wortlaut hinaus findet § 31 BGB analog zudem im Rahmen von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen (§ 1004 BGB; § 1 GWB etc.) Anwendung. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 274. 104 Vgl. Schöpflin, in: BeckOK, BGB, § 31 Rn. 10; Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 30.

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Frage stellen, ob sich eine Einstandspflicht der Gesellschaft über § 31 BGB analog zugunsten ihres vermeintlichen Vertragspartners über die direkte Anknüpfung an das Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers als falsus procurator bei Vertragsschluss ergeben kann. Sind dem Dritten im Zusammenhang mit dem Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers Schäden entstanden, wird er in solchen Konstellationen ein großes Interesse daran haben, neben dem fehlerhaften Geschäftsführer selbst auch die Gesellschaft zur Verantwortung zu ziehen. Ob das Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers als falsus procurator eine „zum Schadensersatz verpflichtende Handlung“ im Sinne des § 31 BGB analog darstellen kann, erscheint, sofern sich die Gesellschaft dessen Vertretungshandeln nach Maßgabe des Vertretungsrechts nicht zurechnen lassen müsste, zweifelhaft. Die sich aus der Vertretungsordnung ergebende Wertung, nach welcher die Gesellschaft die in ihrem Namen abgegebene Willenserklärung eines falsus procurator gerade nicht gegen sich gelten lassen muss, darf durch die Anwendung des § 31 BGB analog nicht ausgehöhlt werden. Das sich hier auftuende Spannungsverhältnis zwischen § 31 BGB und den Wertungen des Vertretungsrechts findet sich in gleicher Form in den Fällen, in welchen ein ordentlich bestellter Organwalter seine organschaftliche Vertretungsmacht überschreitet und die Gesellschaft sich in der Folge auch dessen Vertretungshandeln ausnahmsweise nicht zurechnen lassen muss.105 Diskutiert wird in diesem Zusammenhang eine Einstandspflicht der Gesellschaft über § 31 BGB analog i.V.m. § 179 BGB, culpa in contrahendo und deliktsrechtlichen Vorschriften. Für das Verhältnis zwischen § 31 BGB analog und den Wertungen der Vertretungsordnung kann es keinen Unterschied machen, ob sich die Stellung des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ der Gesellschaft als falsus procurator aus dem anfänglichen Fehlen oder der Überschreitung organschaftlicher Vertretungsmacht ergibt. Der vornehmlich mit Blick auf den seine Vertretungskompetenzen überschreitenden ordentlichen Geschäftsführer entwickelte Meinungsstand zu diesem Problemkomplex erscheint auf den bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung stets als falsus procurator handelnden fehlerhaften Geschäftsführer übertragbar. Eine Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB oder § 179 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 BGB analog wird von der herrschenden Meinung abgelehnt.106 Mit Blick darauf, dass § 179 Abs. 1 BGB ebenso wie § 179 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Garantenhaftung des falsus procurator wegen der Abgabe einer Willenserklärung im fremden Namen begründet,107 erscheint die Ablehnung der Norm als Anknüpfungspunkt für eine 105 Zu denken ist hier insbesondere an den Fall, dass ein lediglich zur Gesamtvertretung berechtigter Geschäftsführer ein Vertretungsgeschäft allein vorgenommen hat. 106 Vgl. Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 39; Flume, Die juristische Person, 388; Prölss, JuS 1986, 169, 175; BGH, Urteil vom 8. 7. 1986 – VI ZR 47/85, NJW 1986, 2941, 2942 = BGHZ 98, 148; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 31 Rn. 3. 107 Flume, Die juristische Person, 388.

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Einstandspflicht der Gesellschaft über § 31 BGB analog auch überzeugend. Ist die seitens des falsus procurator abgegebene Willenserklärung der Gesellschaft vertretungsrechtlich nicht zurechenbar, so darf sie auch nicht als deren Garant herangezogen werden.108 Ob und in welchem Umfang im Falle fehlender Zurechnung der Vertretungshandlung eine Haftung der Gesellschaft aus culpa in contrahendo i.V.m. § 31 BGB analog angenommen werden kann, ist umstritten. In der Regel würde ein solcher Anspruch in den hier betrachteten Konstellationen bereits am Fehlen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses scheitern.109 Dass der Gesellschaft die Begründung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses zuzurechnen ist, während sie das spätere Vertretungshandeln des ordentlichen oder fehlerhaften Geschäftsführers nicht gegen sich gelten lassen muss, erscheint jedoch immerhin denkbar. Nach teilweise vertretener Ansicht soll ein Anspruch gegen die Gesellschaft aus culpa in contrahendo i.V.m. § 31 BGB analog sodann insgesamt ausgeschlossen sein.110 Nach der Gegenansicht ist er zu gewähren, wobei ein Teil der Literatur die Haftung der Gesellschaft auf das negative Interesse beschränken möchte.111 Der Anspruch aus culpa in contrahendo i.V.m. § 31 BGB analog dürfe nicht dazu führen, dass die Gesellschaft im Ergebnis genauso stehe, als sei das ohne Vertretungsmacht abgeschlossene Rechtsgeschäft wirksam geworden.112 Nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH ist ein Vorrang der Vertretungsordnung allein dann anzuerkennen, wenn eine Haftung gerade aufgrund der Abgabe der Willenserklärung ohne Vertretungsmacht eintreten soll. Bei Vorliegen einer weitergehenden Pflichtverletzung wird ein Anspruch hingegen als möglich erachtet.113 Dem ist zu folgen. Um die Vorschriften der Vertretungsordnung nicht zu umgehen, verbietet sich die Annahme einer Einstandspflicht der Gesellschaft aufgrund des Handelns ohne Vertretungsmacht. Der Anknüpfung an eine sonstige Pflichtverletzung stehen die §§ 177 ff. BGB nicht entgegen. Allein der Umstand, dass die relevante Pflichtverletzung (in Betracht kommt insbesondere die arglistige Vortäuschung bestehender Vertretungsmacht) im Rahmen rechtsgeschäftlicher Betätigung erfolgte, kann für die Gesellschaft nicht entlastend wirken.114 108

Vgl. Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 39. Dazu, dass eine Haftung der Gesellschaft aus culpa in contrahendo für das Verhalten des falsus procurator zumeist bereits am Vorliegen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses scheitern wird vgl. auch Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 40. 110 Vgl. Peters, in: Festschrift Reinhardt, 127, 131 ff. 111 Vgl. Prölss, JuS 1986, 169, 174; Flume, Die juristische Person, 391 ff. Für eine Beschränkung auf das negative Interesse: Canaris, JuS 1980, 332, 334 f.; Coing, in: Festschrift Fischer, 65, 75. 112 Vgl. Canaris, JuS 1980, 332, 334 f.; Coing, in: Festschrift Fischer, 65, 75. 113 BGH, Urteil vom 8. 7. 1986 – VI ZR 47/85, NJW 1986, 2941, 2942 = BGHZ 98, 148; BGH, Urteil vom 20. 2. 1979 – VI ZR 256/77, NJW 1980, 115, 116. 114 Vgl. BGH, Urteil vom 8. 7. 1986 – VI ZR 47/85, NJW 1986, 2941, 2942 = BGHZ 98, 148. 109

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Gleiches muss auch für die deliktische Verantwortung der Gesellschaft gelten. Verwirklicht der ordentliche oder fehlerhafte Geschäftsführer im Zuge seines Vertretungshandelns einen Deliktstatbestand (insbesondere § 826 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB [Betrug] oder § 267 StGB [Urkundenfälschung]), so gründet sich die Haftung der Gesellschaft über § 31 BGB analog auf den Verstoß gegen die jeweiligen deliktische Verhaltenspflichten und nicht auf den Umstand rechtsgeschäftlichen Vertretungshandelns.115 Der Regelungsbereich der Vertretungsordnung ist nicht betroffen, sodass für eine Nichtanwendung des § 31 BGB analog kein Grund ersichtlich ist.116 c) In Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung Der fehlerhafte Geschäftsführer müsste für eine Zurechnung seines Verhaltens über § 31 BGB analog schließlich „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung“ gehandelt haben. Das Merkmal dient dazu rein private Handlungen des verfassungsmäßig berufenen Vertreters aus dem Anwendungsbereich des § 31 BGB auszunehmen, da hier eine Einstandspflicht der Gesellschaft nicht mehr gerechtfertigt erscheint.117 Kommt es für die Qualifikation als verfassungsmäßig berufenen Vertreter auf eine tatsächliche Betrachtungsweise an, so muss Gleiches auch für die Bestimmung der ihm „zustehenden“ Verrichtung gelten. Zu fordern ist hier ein enger objektiver Zusammenhang des schädigenden Verhaltens mit dem tatsächlich übernommenen organschaftlichen Wirkungskreis.118 d) Zwischenergebnis Das Schadensersatz begründende Handeln des fehlerhaften Geschäftsführers könnte der GmbH auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung über § 31 BGB analog in weitem Umfang zugerechnet werden. Im nichtrechtsgeschäftlichen Bereich ergäben sich gegenüber einem ordentlich bestellten Geschäftsführer keine Besonderheiten. Im rechtsgeschäftlichen Bereich wäre die fehlende Vertretungsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers zu beachten.

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BGH, Urteil vom 8. 7. 1986 – VI ZR 47/85, NJW 1986, 2941, 2942 = BGHZ 98, 148. Vgl. BFH, Urteil vom 28. 1. 1993 – V R 75/88, NJW 1994, 78, 79. Für eine uneingeschränkte Anwendung des § 31 BGB analog im deliktischen Bereich im Ergebnis auch Canaris, JuS 1980, 332, 334; Flume, Die juristische Person, 389 ff.; Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 41; Prölss, JuS 1986, 169, 174. 117 Vgl. Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 33. 118 Vgl. BGH, Urteil vom 30. 10. 1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 392 = BGHZ 49, 19; Arnold, in: MüKo, BGB, § 31 Rn. 33; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 31 Rn. 5; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 31 Rn. 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 280. 116

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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3. Wissenszurechnung Verwandt mit der Frage nach der Einstandspflicht der GmbH für zu Schadensersatz verpflichtende Handlungen des fehlerhaften Geschäftsführers ist die Frage danach, inwieweit sich die GmbH bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung dessen Wissen oder Wissenmüssen zurechnen lassen müsste. Hierauf kann es beispielsweise ankommen, wenn zu klären ist, ob die Gesellschaft das Eigentum an einer beweglichen Sache oder an einem Grundstück gutgläubig vom Nichtberechtigten erwerben konnte (vgl. §§ 892, 932 BGB, § 366 HGB) oder ob sie ihren Geschäftspartner zur Abgabe einer Willenserklärung arglistig getäuscht hat (vgl. § 123 BGB).119 Was die Zurechnung der Kenntnis des ordentlichen Geschäftsführers anbelangt, so war in Lehre und Rechtsprechung lange die Vorstellung vorherrschend, dass das Wissen eines jeden vertretungsberechtigten Organmitglieds eo ipso als Wissen der juristischen Person zu betrachten sei.120 Darauf, ob das Wissen privat oder dienstlich erlangt wurde, ob das Organmitglied am konkreten Rechtsgeschäft beteiligt war oder ob es bereits aus seiner Position ausgeschieden ist, sollte es nicht ankommen.121 Dieser „absoluten Wissenstheorie“ lag jedenfalls unausgesprochen die Organtheorie von Gierkes zugrunde, nach welcher das Wissen, Wollen und Handeln des Organwalters, aufgrund seiner Gliedstellung im sozialen Organismus, d. h. aufgrund seiner Organstellung, als Wissen, Wollen und Handeln der juristischen Person selbst zu betrachten sein sollte.122 Mit der Einsicht, dass sich die organschaftliche Zurechnung entgegen von Gierke nicht ohne Weiteres aus der Organstellung ableitet, sondern dass es hierfür stets eines eigens zu begründenden Akts wertender Zurechnung bedarf,123 wurde in der Folge überwiegend auch die absolute Wissenstheorie aufgegeben.124

119

Vgl. zu diesen und weiteren Fällen der Wissenszurechnung etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 284. 120 BGH, Urteil vom 23. 10. 1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81, 84; BGH, Urteil vom 3. 3. 1956 – IV ZR 314/55, NJW 1956, 869, 869 = BGHZ 20, 149; BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 = BGHZ 41, 282; in diesem Sinne auch noch der zehnte Zivilsenat des BGH im Jahre 2002 vgl. BGH, Urteil vom 6. 2. 2002 – X ZR 215/00, NJW-RR 2002, 978, 982 (kritisch dazu Buck-Heeb, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 2 Rn. 8 f.). 121 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 27. 122 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 286 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 27. 123 Vgl. dazu bereits oben 2. Kap. § 1 A. 124 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. 2. 1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 = BGHZ 132, 30. (Wissenszurechnung gründet nicht in der Organstellung). Im Ansatz auch bereits BGH, Urteil vom 8. 12. 1989 – V ZR 246/87, NJW 1990, 975, 976 = BGHZ 109, 327 (Wissenszurechnung von Organvertretern lasse sich nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden).

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Der dogmatische Anknüpfungspunkt für die Wissenszurechnung wird heute überzeugend in § 31 BGB analog verortet, dessen Repräsentationsgedanke auch in diesem Zusammenhang fruchtbar gemacht werden kann.125 Der Gegenauffassung126, welche auch für die organschaftliche Wissenszurechnung auf § 166 BGB verweist, ist entgegenzuhalten, dass die Norm auf die Zurechnung fremder Kenntnis abstellt, das Organverhalten der juristischen Person jedoch in organspezifischer Weise „als eigenes“ zuzurechnen ist.127 Im Rahmen der wertenden Beurteilung, nach welcher es im Einzelfall zu entscheiden gilt, ob der juristischen Person das Wissen ihres Organmitglieds über § 31 BGB analog zugerechnet werden kann, wurde seitens des BGH, getragen vom Gedanken des Verkehrsschutzes, eine Pflicht der Gesellschaft zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation entwickelt.128 Eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sei derart zu organisieren, dass Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb der Organisation den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich weitergegeben werden (Informationsweiterleitungspflicht) und dass sie umgekehrt, sofern relevant, auch abgefragt werden (Informationsabfragepflicht).129 Dem folgend stellt sich die Wissenszurechnung heute als Sanktion der Verletzung einer Organisationspflicht der Gesellschaft dar.130 Fraglich ist, ob eine solche Organisationspflichtverletzung auch dann angenommen werden kann, wenn die Kenntnis oder das Kennenmüssen des fehlerhaften Geschäftsführers in Rede steht. Diese Frage parallel zur Einstandspflicht der Gesellschaft für schadensersatzbegründendes Handeln des fehlerhaften Geschäftsführers zu beantworten erscheint naheliegend. Ist die tatsächliche Eingliederung des fehlerhaften Geschäftsführers in die Betriebsorganisation durch die Wahrnehmung bedeutsamer, wesensmäßiger Funktionen als ausreichend zu betrachten, um ihn als verfassungsmäßig berufenen Vertreter, d. h. als Repräsentanten im haftungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren, so kann im Rahmen der Wissenszurechnung nichts anderes gelten. Die Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung stünde der Einstandspflicht der Gesellschaft für Pflichtverletzungen des fehlerhaften Ge125 So etwa Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 27; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 287 f.; Weber, in: Hölters, AktG, § 78 Rn. 15. 126 Für eine Anwendung des § 166 BGB etwa Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 147; Flume, Die juristische Person, 404 f.; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 212. 127 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 287 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 27. 128 BGH, Urteil vom 2. 2. 1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 = BGHZ 132, 30. 129 BGH, Urteil vom 2. 2. 1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 = BGHZ 132, 30; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. 10. 2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360 (Wissen sei der juristischen Person zuzurechnen, sofern es bei ordnungsgemäßer Organisation aktenmäßig festzuhalten, weiterzugeben und vor Vertragsschluss abzufragen ist). 130 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 28.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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schäftsführers bei der Wahrnehmung seiner Geschäftsführungstätigkeit wie gesehen grundsätzlich nicht entgegen. Für die Verletzung von Informations- und Informationsabfragepflichten durch den fehlerhaften Geschäftsführer wäre von einer Zurechnung des pflichtwidrigen Verhaltens über § 31 BGB analog keine Ausnahme zu machen. Im Rahmen der Wissenszurechnung ergäben sich für den fehlerhaften Geschäftsführer mithin auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung gegenüber seinem ordentlich bestellten Pendant keine Besonderheiten. II. Gesellschaftsinterne Rechtshandlungen Kommt dem internen Handeln des fehlerhaften Geschäftsführers rein tatsächliche Qualität zu, stellt sich die Frage nach dem Bestehen oder der Zurechenbarkeit damit intendierter Rechtsfolgen naturgemäß nicht. Dass dem fehlerhaften Geschäftsführer bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung beispielsweise für die Ausarbeitung gesellschaftsinterner Organisationsabläufe, die Wahrnehmung der Buchführung oder die Überwachung nachgeordneter Mitarbeiter die Organkompetenz fehlen würde, könnte sich dementsprechend für die Beteiligten nicht unmittelbar nachteilig auswirken. Hat der fehlerhafte Geschäftsführer die ihm vermeintlich zukommenden tatsächlichen Geschäftsführungsaufgaben ordnungsgemäß erfüllt, spielt es rückblickend keine Rolle, dass er als formal Unzuständiger handelte.131 Verursachte der fehlerhafte Geschäftsführer durch sein tatsächliches internes Handeln einen Schaden, stellt sich nicht die Frage der Zurechenbarkeit und Wirksamkeit seines Handelns, sondern jene nach seiner haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber der GmbH.132 Bedeutung erlangt die Frage nach der Zurechenbarkeit und Wirksamkeit des internen Geschäftsführerhandelns hingegen dann, wenn es auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet war. 1. Zurechnung von Vertretungshandlungen Angesprochen sind hiermit zunächst die Fälle, in welchen der fehlerhafte Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern im Namen der GmbH Willenserklärungen abgegeben oder entgegengenommen hat. Zu denken ist hier etwa an die Anforderung und Entgegennahme von ausstehenden Einlagezahlungen (vgl. § 19 GmbHG), die Anforderung und Entgegennahme von Nachschüssen (vgl. § 26 GmbHG), die Zustimmung zur Übertragung von Geschäftsanteilen (vgl. § 15 Abs. 5 GmbHG), den Erwerb eigener Geschäftsanteile 131 Ähnlich Stein, Das faktische Organ, 102 f.; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 41. 132 Dazu unten 3. Kap. § 1 D. I.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

durch die GmbH (vgl. § 33 GmbHG) oder die Erklärungen im Rahmen eines Kaduzierungsverfahrens (vgl. § 21 GmbHG).133 Bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung müsste die Zurechnung derartiger gesellschaftsinterner Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers vermittels organschaftlicher Vertretungsmacht ausscheiden. Zu klären ist, ob der Gesellschaft dessen Handeln auf andere Weise, namentlich kraft Rechtsschein, zugerechnet werden könnte.134 War das Vertretungshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers für den Gesellschafter, gegenüber welchem die Vertretungshandlung vorgenommen wurde, nachteilig, stellt sich zudem umgekehrt die Frage, ob dieser der Gesellschaft das Fehlen der organschaftlichen Vertretungsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers entgegenhalten dürfte. a) Rechtsschein Ein Bedürfnis für die Anwendung von Rechtsscheinregeln auf gesellschaftsinterne Rechtsgeschäfte wäre bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung jedenfalls im Einzelfall durchaus zu verzeichnen. So erschiene es etwa als besondere Härte, einen Gesellschafter, welcher seine Einlage gutgläubig an den fehlerhaften Geschäftsführer (und damit unwirksam) geleistet hat, weiterhin für zur Einlageleistung verpflichtet zu halten und ihn hinsichtlich seiner ursprünglichen Leistung auf einen mittlerweile ggf. wertlosen Rückabwicklungsanspruch gegen die Gesellschaft zu verweisen. Ist der fehlerhafte Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht, käme in derartigen Fällen ein Schutz vermittels der positiven Registerpublizität gem. § 15 Abs. 3 HGB in Betracht. Die Gesellschafter der GmbH müssten hierzu als „Dritte“ im Sinne der Vorschrift einzustufen sein. Der Anwendungsbereich des den allgemeinen Geschäftsverkehr schützenden § 15 HGB erstreckt sich nach allgemeiner Ansicht jedoch gerade nicht auf unternehmensinterne Vorgänge.135 Die Organmitglieder, insbesondere die Gesellschafter der GmbH sind damit grund133

Das Bestehen organschaftlicher Vertretungsmacht der Geschäftsführer hinsichtlich derartiger das Innenverhältnis betreffender Innengeschäfte entspricht der herrschenden Auffassung. Vgl. nur Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 60. Nach anderer Ansicht soll die Vertretungsmacht der Geschäftsführer allein den Außenverkehr umfassen, sodass deren Zuständigkeit für gesellschaftsrechtliche Innengeschäfte mit Gesellschaftern nur bestünde, soweit ihnen diese durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss übertragen wurde. So etwa Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 79 ff. Zur fehlenden Trennschärfe zwischen Innen- und Außengeschäften siehe Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 35 Rn. 13. 134 Die für das Außenverhältnis diskutierte Möglichkeit, die Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers nachträglich zu genehmigen, ist aufgrund des Umstandes, dass die Vornahme der hier betrachteten Innengeschäfte organschaftliches Handeln voraussetzt, nicht gegeben. Etwas anderes gilt für mit den Gesellschaftern getätigte gewöhnlich Verkehrsgeschäfte. Insofern ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen (vgl. 3. Kap. § 1 A. I. 1. c)). 135 Vgl. Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 42.

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sätzlich keine Dritten gem. § 15 HGB.136 Eine Ausnahme wird lediglich für den Fall diskutiert, dass der Gesellschafter der GmbH wie ein außenstehender Geschäftspartner (beispielsweise als Darlehensgeber) gegenüber getreten ist. Da sich die Schutzwürdigkeit des Gesellschafters bei derartigen individualrechtlichen Rechtsgeschäften nicht von jener eines außenstehenden Dritten unterscheide, soll diesem hier nach teilweise vertretener Ansicht ausnahmsweise der Schutz des § 15 HGB zukommen.137 Dem etwaigen Bestehen gesellschaftsinternen Sonderwissens werde durch das Erfordernis der Gutgläubigkeit im Rahmen des § 15 HGB hinreichend Rechnung getragen.138 Dass sich die Schutzwürdigkeit der Gesellschafter, auch bei Vorliegen eines individualrechtlichen Rechtsgeschäfts, von der eines außenstehenden Dritten unterscheidet, zeigt sich indes mit Blick auf die Regelung des § 37 Abs. 2 GmbHG. Zum Schutze des Rechtsverkehrs bestimmt die Norm die Unbeschränkbarkeit der organschaftlichen Vertretungsmacht nach außen. Gegenüber dem Interesse der Gesellschaft, nicht gegen ihren Willen vertreten zu werden, wurde dem Verkehrsschutz hier seitens des Gesetzgebers der Vorrang eingeräumt.139 Die Gesellschafter der GmbH können sich auf die Norm des § 37 Abs. 2 GmbHG jedoch gerade nicht berufen.140 Zur Begründung wird geltend gemacht, dass die mitgliedschaftliche Treuepflicht ihnen eine stärkere Rücksichtnahme auf die Gesellschaftsbelange abverlange.141 Zudem seien die Gesellschafter an der Geschäftsführerbestellung beteiligt, wodurch sie „auf beiden Seiten“ stünden. Im Unterschied zu einem externen Dritten hätten sie das Risiko der Gesellschaft als Vertretener mitzutragen.142 Sind die Gesellschafter folglich nicht als „Dritte“ im Sinne des § 37 Abs. 2 GmbHG einzustufen, so erscheint es konsequent ihnen parallel zu dieser Wertung auch den Drittschutz über § 15 HGB insgesamt zu versagen.143 136 OLG Dresden, Urteil vom 10. 7. 2001 – 2 U 632/01, NZG 2001, 1141, 1141; Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 42; Gehrlein, in: E/B/J/S, HGB, § 15 Rn. 10; Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 24; Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 15 Rn. 12. 137 Vgl. RG, Urteil vom 26. 11. 1912 – II 359/12, RGZ 81, 17, 21; Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 43; Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 24. 138 Vgl. Krebs, in: MüKo, HGB, § 15 Rn. 43. 139 Fleischer, NZG 2005, 529, 529; Westermann, in: Festschrift für Meier-Hayoz, 445, 446 f. 140 Vgl. BGH, Urteil vom 23. 6. 1997 – II ZR 353/95, NJW 1997, 2678, 2678; BGH, Urteil vom 20. 9. 1962 – II ZR 209/61, NJW 1962, 2344, 2346 f. = BGHZ 38, 26 (für die OHG); Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 35 Rn. 30; Fleischer, NZG 2005, 529, 536 f.; Westermann, in: Festschrift Meier-Hayoz, 445, 451 ff.; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 37 Rn. 19; einschränkend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 48. 141 Vgl. Fleischer, NZG 2005, 529, 536 f. 142 Vgl. Westermann, in: Festschrift Meier-Hayoz, 445, 453. 143 So unter Verweis auf die zu § 37 Abs. 2 GmbHG im Personenhandelsgesellschaftsrecht bestehende Parallelvorschrift des § 126 Abs. 2 HGB bereits Hager, Jura 1992, 57, 61; ihm folgend Gehrlein, in: E/B/J/S, HGB, § 15 Rn. 10; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Auflage, 2007, § 15 Rn. 12.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Mit dem Gedanken, der Gesellschafter stünde durch dessen Beteiligung an der Geschäftsführerbestellung „auf beiden Seiten“, ist bereits auch der entscheidende Wertungsgesichtspunkt angesprochen, welcher gegen eine analoge Heranziehung der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht spricht. Die nähere Untersuchung der Rechtsscheingrundsätze hat gezeigt, dass in Ansehung der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich der Schaffung des Rechtsscheintatbestandes auf das Verhalten der Mitglieder des Bestellungsorgans abzustellen wäre.144 Oblag die Geschäftsführerbestellung dem Regelfall entsprechend der Gesellschafterversammlung, würde sich das Bestehen des Rechtsscheins eines Scheingeschäftsführers mithin an das Verhalten der Gesellschafter selbst anknüpfen. War der einzelne Gesellschafter an der Schaffung des Rechtsscheins beteiligt, so könnte sich dessen Bestehen nicht zugleich zu seinen Gunsten auswirken. Weniger eindeutig ließe sich die Frage nach der entsprechenden Anwendbarkeit der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht beantworten, wenn die Kompetenz zur Geschäftsführerbestellung ausnahmsweise einem anderen Bestellungsorgan, beispielsweise dem Aufsichtsrat in einer paritätisch mitbestimmten GmbH, zugewiesen war. Da die Gesellschafter gegenüber einem außenstehenden Dritten jedoch auch hier eine weitaus bessere Möglichkeit haben, die Fehlerhaftigkeit der Bestellung zu erkennen, erschiene es auch in diesen Fällen überzeugender ihnen konkreten Vertrauensschutz zu versagen. b) Einwand fehlerhafter Bestellung Nicht der Schutz des Gesellschafters, sondern jener der Gesellschaft steht in Rede, wenn der fehlerhafte Geschäftsführer eine für den Gesellschafter nachteilige Vertretungshandlung vorgenommen hat. Zu denken ist etwa an eine an den säumigen Gesellschafter im Rahmen des Kaduzierungsverfahrens gerichtete Ausschlusserklärung gem. § 21 Abs. 2 GmbHG, welche im Falle ihrer Wirksamkeit den Verlust sämtlicher Mitgliedschaftsrechte sowie den Verfall des Geschäftsanteils zugunsten der Gesellschaft nach sich zöge.145 Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung stellt sich hier die Frage, ob der Gesellschafter der GmbH die fehlende Zurechenbarkeit der Vertretungshandlung des fehlerhaften Geschäftsführers entgegenhalten dürfte. Je nach Lage des Einzelfalls, insbesondere wenn der Gesellschafter die fehlerhafte Bestellung mitzuverantworten hat, wird der Einwand fehlender Vertretungsmacht hier als treuwidrig qualifiziert werden können.146

144

Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. b) bb) (1) (b). Vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 21 Rn. 11 f. 146 Die Möglichkeit einer Treuepflichtverletzung wird auch von Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 186, 191 in Betracht gezogen. 145

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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c) Zwischenergebnis Hat der fehlerhafte Geschäftsführer im Namen der GmbH gegenüber deren Gesellschaftern Willenserklärungen abgegeben und entgegengenommen, so könnte dessen Vertretungshandeln der GmbH bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung grundsätzlich nicht zugerechnet werden. Im Unterschied zu externen Dritten, welche die Fehlerhaftigkeit des Bestellungsaktes weder verhindern noch erkennen können, erscheinen die Gesellschafter weniger schutzwürdig. Ihnen käme weder die positive Publizität des Handelsregisters zugute, noch griffen die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht in analoger Anwendung. Beriefe sich der Gesellschafter der GmbH gegenüber seinerseits auf die Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts, wäre im Einzelfall zu prüfen, ob ihm der Einwand aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht abgeschnitten werden müsste. 2. Rechtshandlungen im eigenen Namen a) Mitwirkung an Organbeschlüssen Das interne rechtserhebliche Handeln des Geschäftsführers erschöpft sich nicht in der Vornahme von Vertretungshandlungen für die GmbH. Insbesondere bei der Mitwirkung an Geschäftsführungsbeschlüssen handelt der Geschäftsführer vielmehr im eigenen Namen und aufgrund eigener, ihm vermittels Bestellungsakt zukommender Organmacht.147 Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung käme dem fehlerhaften Geschäftsführer eine entsprechende Organmacht nicht zu. Innerhalb des Geschäftsführungsgremiums müsste er sodann, wie ein sonstiger Dritter, als Nichtmitglied behandelt werden. Die Mitwirkung des fehlerhaften Geschäftsführers bei der Beschlussfassung wäre hiernach grundsätzlich unwirksam. Da zwischen der einzelnen Stimmabgabe und dem Beschluss als solchem zu unterscheiden ist,148 müsste die Mitwirkung des fehlerhaften Geschäftsführers allerdings nicht zwingend auch zur Nichtigkeit der Beschlüsse selbst führen. Die Beschlussfähigkeit des Organs vorausgesetzt, griffe hier der Grundsatz, nach welchem die Mitwirkung eines Nichtmitglieds nur dann Auswirkungen auf den gefassten Beschluss hat, wenn dessen Stimme den Ausschlag für oder gegen den Beschlussantrag gegeben hat (sog. Kausalitätserfordernis).149

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Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 185. Vgl. dazu oben 2. Kap. § 2 C. II. 149 Vgl. Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 40 f. (betreffend den Vorstand der AG); BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1537 = BGHZ 196, 195 (betreffend den Aufsichtsrat einer AG). Die für Beschlüsse des Aufsichtsrats geltenden Regeln werden sich insoweit auf Beschlüsse von Leitungsorganen übertragen lassen. So auch Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 40. Insgesamt sind die Organbeschlüsse von 148

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Je nach Sachlage könnte die Mitwirkung des fehlerhaften Geschäftsführers bei der Beschlussfassung hiernach auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung unschädlich bleiben. Von der Nichtigkeit der gefassten Geschäftsführungsbeschlüsse wäre umgekehrt jedenfalls dann auszugehen, wenn sämtliche Geschäftsführer fehlerhaft bestellt wurden150 oder wenn infolge der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung die gesetzliche oder satzungsmäßig vorgeschriebene Mindestzahl an Geschäftsführern nicht erreicht wurde.151 Sofern die Stimmabgabe eines fehlerhaften Geschäftsführers im Übrigen für das Beschlussergebnis ursächlich geworden ist, wäre der gefasste Beschluss bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung als nichtig oder ggf. als mit gegenteiligem Beschlussergebnis zustande gekommen anzusehen.152 Würde die Mitwirkung des fehlerhaften Geschäftsführers zur Nichtigkeit eines Organbeschlusses führen oder müsste davon ausgegangen werden, dass der Beschluss mit anderem Inhalt zustande gekommen ist, ergäben sich für die Beteiligten hieraus unterschiedlich weitreichende Folgen. Mündete die Beschlussfassung in eine Außenbindung der Gesellschaft, könnte nicht selten eine de facto Heilung des mangelhaften Organhandelns angenommen werden.153 Für die Wirksamkeit des Vertretungshandelns der Geschäftsführer gegenüber externen Dritten spielt das Nichtvorliegen einer internen Befugnis, welche durch den Geschäftsführungsbeschluss hätte herbeigeführt werden sollen, grundsätzlich keine Rolle (vgl. § 37 Abs. 2 GmbHG).154 Ist ein wirksames Vertretungsgeschäft (ggf. unter Heranziehung von Rechtsscheingrundsätzen) zustande gekommen, wird man eine Pflicht der Geschäftsführer, dieses wieder rückgängig zu machen, kaum annehmen können. Sofern eine solche Rückabwicklung überhaupt möglich wäre, würde sie der Gesellschaft regelmäßig mehr schaden als nutzen.155 Leitungsorganen seitens Rechtsprechung und Literatur wenig durchdrungen. Vgl. dazu Hüffer, ZGR 2001, 833, 871. 150 Stein, Das faktische Organ, 100; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 2; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 474. Vgl. auch BGH, Urteil vom 16. 12. 1953 – II ZR 167/52, NJW 1954, 385, 387 = BGHZ 11, 231 (betreffend die Beschlüsse des Aufsichtsrats einer GmbH, dessen Mitglieder alle nichtig gewählt worden waren). 151 Stein, Das faktische Organ, 101. Eine gesetzliche Mindestzahl der Geschäftsführer ist wegen § 33 MitbestG, § 13 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG in der mitbestimmten GmbH vorgeschrieben. Nach herrschender Auffassung (vgl. etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 5; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 14) muss die mitbestimmte GmbH aufgrund der erforderlichen Bestellung eines Arbeitsdirektors mindestens zwei Geschäftsführer haben. Die unwirksame Bestellung eines der Geschäftsführer führt sodann zur Handlungsunfähigkeit der Geschäftsführung. 152 Vgl. Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 41 (betreffend den Vorstand der AG); BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1537 = BGHZ 196, 195 (betreffend Aufsichtsrat der AG). 153 So richtig Stein, Das faktische Organ, 102. 154 Wisskirchen/Kuhn, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 47. 155 Vgl. Stein, Das faktische Organ, 102.

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Wurde der Organbeschluss erst vollzogen, käme es auf die Frage nach dessen Fehlerhaftigkeit in solchen Fällen mithin regelmäßig nicht mehr an. Gänzlich anders stellt sich die Situation dar, wenn das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Geschäftsführungsbeschlusses die notwendige Grundlage für weitergehende interne Rechtsakte bildete. Als Beispiel sei die Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft genannt, welche durch Gesellschaftsvertrag den Geschäftsführern als Aufgabe zugewiesen sein kann.156 Ist der seitens der Geschäftsführer gefasste Feststellungsbeschluss nichtig, liegt hierin zunächst eine Verletzung der Rechenlegungspflicht der Gesellschaft.157 Vor allem aber ist mit der Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses auch dem hieran anknüpfenden Ergebnisverwendungsbeschluss (vgl. § 29 GmbHG) der Boden entzogen.158 Dieser wiederum ist Voraussetzung für die Entstehung möglicher Ausschüttungsansprüche der Gesellschafter, sodass sich diese nach erfolgter Ausschüttung ggf. bereicherungsrechtlichen Ansprüchen der GmbH ausgesetzt sähen.159 Da die Steuergesetze an eine korrekte sog. offene Ausschüttung andere Rechtsfolgen knüpfen als an eine ansonsten vorliegende verdeckte Gewinnausschüttung, hat die Frage des formell korrekten Zustandekommens des Ausschüttungsanspruches eines Gesellschafters zudem eine steuerrechtliche Dimension.160 Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit gehen hier mithin weit über den eigentlichen Beschluss hinaus und können ein Bedürfnis nach der Rückabwicklung einer Vielzahl intern vorgenommener Maßnahmen auslösen. b) Sonstiges internes Rechtshandeln Neben der Mitwirkung an Beschlüssen wären auch sonstige interne Rechtshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers (z. B. die Ausübung vermeintlich bestehender Widerrufs- oder Vetorechte) bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit grundsätzlich unwirksam.161 Ob die Unwirksamkeitsfolge uneingeschränkt auch für die interne Rechtshandlung der Einberufung der Gesellschafterversamm156 Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 16; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 42a Rn. 24; Büteröwe, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 42a Rn. 4; a.A. Hüffer/ Schürnbrand, in: Großkommentar, GmbHG, § 46 Rn. 26. 157 Vgl. Habersack, NZG 2003, 659, 660; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 271. 158 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 29 Rn. 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 37; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 46 Rn. 50 (jeweils mit Verweis auf § 253 AktG analog). 159 Vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 29 Rn. 44. Sofern die Ausschüttung nicht das Stammkapital der GmbH beeinträchtigte, kommt allerdings ein Ausschluss von Rückgewähransprüchen zugunsten des gutgläubigen Gesellschafters nach § 32 GmbHG in Betracht, vgl. Heidinger, in: Michalski, GmbHG, § 32 Rn. 5; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 Rn. 5. 160 Vgl. näher Seeling/Zwickel, DStR 2009, 1097, 1097. 161 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 474 f.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

lung durch den fehlerhaften Geschäftsführer gelten würde, ist hingegen zweifelhaft.162 Weil sich mit der Unwirksamkeit der Einberufung wiederum weitreichende Fehlerfolgen verbinden, kommt der Frage besondere Bedeutung zu. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung obliegt nach § 49 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich den Geschäftsführern.163 Nach heute herrschender Ansicht kann die Einberufung unabhängig von der gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Regelung der Geschäftsführung und Vertretung durch jeden Geschäftsführer einzeln vorgenommen werden.164 Begründet wird dies mit der Annahme, dass es sich bei der Einberufung nicht um einen Akt der Geschäftsführung und Vertretung handele,165 sowie mit dem Hinweis darauf, dass es einem jeden Geschäftsführer zur pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung möglich sein müsse, die Gesellschafterversammlung auch ohne die Mitwirkung seiner Kollegen zu befassen.166 Wurde die Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten einberufen, so bedeutet dies grundsätzlich gem. §§ 121 Abs. 2, 241 Nr. 1 AktG analog die Nichtigkeit sämtlicher in der daraufhin erfolgten Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.167 Etwas anderes gilt nach § 51 Abs. 3 GmbHG allein dann, wenn alle Gesellschafter anwesend waren (Vollversammlung) und niemand der Beschlussfassung aufgrund des Einberufungsmangels widersprochen hat.168 Zur Abmilderung dieser drakonisch erscheinenden Fehlerfolge hat der Gesetzgeber im Rahmen der Parallelvorschrift des § 121 Abs. 2 AktG eine Erleichterung dahin vorgesehen, dass Personen, die in das Handelsregister als Vorstandsmitglieder eingetragen sind, als befugt gelten, an der im Aktienrecht für eine Einberufung notwendigen Beschlussfassung des Gesamtvorstandes mitzuwirken (§ 121 Abs. 2 162

Zweifel bestehen auch hinsichtlich der Rechtsnatur der Einberufung. Teilweise wird sie als innergesellschaftliche Leitungsmaßnahme bzw. korporationsrechtlicher Akt ohne rechtsgeschäftlichen Charakter begriffen (vgl. etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 2). Da die Einberufung auf den Rechtserfolg der Existenz und Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung als intendierte Rechtsfolge gerichtet ist, bestehen indes keine dogmatischen Bedenken sie als rechtsgeschäftlichen Akt im Innenverhältnis aufzufassen (in diesem Sinne etwa Schindler, in: BeckOK, GmbHG, § 49 Rn. 7 f.; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 15 f.). 163 Vgl. Schindler, in: BeckOK, GmbHG, § 49 Rn. 15; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 3; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 17. 164 Vgl. BayObLG, Beschluss vom 2. 7. 1999 – 3Z BR 298/99, NZG 1999, 1063, 1063; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 3; Schindler, in: BeckOK, GmbHG, § 49 Rn. 15; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 49 Rn. 2. 165 Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 3; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 49 Rn. 17. 166 Vgl. Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 49 Rn. 17. 167 BGH, Urteil vom 7. 2. 1983 – II ZR 14/82, NJW 1983, 1677, 1677 = BGHZ 87, 1; BayObLG, Beschluss vom 2. 7. 1999 – 3Z BR 298/99, NZG 1999, 1063, 1063; Schindler, in: BeckOK, GmbHG, § 49 Rn. 32; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 11; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 49 Rn. 7; Wicke, GmbHG, § 49 Rn. 5. 168 Vgl. Schindler, in: BeckOK, GmbHG, § 49 Rn. 32; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 11; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 49 Rn. 7.

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S. 2 AktG).169 Ob diese gesetzgeberische Fiktion im Wege analoger Anwendung auf den Fall der Einberufung der Gesellschafterversammlung in der GmbH übertragen werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. Eine Mindermeinung will § 121 Abs. 2 S. 2 AktG aus Gründen der Rechtssicherheit heranziehen und verweist darauf, dass der Gesetzgeber die Einberufung der GmbH-Gesellschafterversammlung im Vergleich zur Aktionärsversammlung, wie § 51 Abs. 3 GmbHG zeige, sogar habe erleichtern wollen.170 Mit der herrschenden Ansicht ist eine Analogie zu § 121 Abs. 2 S. 2 AktG hingegen abzulehnen. Zwar kann aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Problematik gesehen hat, sie jedoch allein im Aktienrecht einer Lösung zuführte, nicht ohne Weiteres auf das Fehlen einer Regelungslücke geschlossen werden.171 Aufgrund der typischerweise personalistischen Struktur der GmbH fehlt es jedoch an einer vergleichbaren Interessenlage.172 Im Unterschied zur Aktiengesellschaft richtet sich die Einladung zur GmbH-Gesellschafterversammlung regelmäßig nicht an einen anonymen Gesellschafterkreis, welcher zur Beurteilung der Einberufungsbefugnis weitgehend auf die Informationen aus dem Handelsregister angewiesen ist. Die Gesellschafter stehen der GmbH nicht wie außenstehende Dritte gegenüber, sodass eine Durchbrechung des an sich lediglich deklaratorischen Charakters der Handelsregistereintragung aus Gründen der Rechtssicherheit hier nicht angezeigt ist.173 Noch über eine analoge Heranziehung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG hinaus ist Stein der Auffassung, dass sich sowohl im GmbH- als auch im Aktienrecht die Einberufungsbefugnis des fehlerhaften Geschäftsleiters im Wege der erweiternden Auslegung direkt aus den Einberufungsvorschriften der § 49 Abs. 1 GmbHG, § 121 Abs. 2 S. 1 AktG herleiten lasse.174 Ließe sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung die Einberufungsbefugnis des fehlerhaften Geschäftsführers tatsächlich über eine extensive Auslegung des § 49 Abs. 1 GmbHG gewinnen, ergäben sich für die Beteiligten im Zusammenhang mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung aus der Fehlerhaftigkeit der Geschäftsführerbestellung keine Nachteile, und zwar unabhängig davon, ob der fehlerhafte Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen wurde oder nicht. 169

Vgl. Kubis, in: MüKo, AktG, § 121 Rn. 20. Vgl. Liebscher, in: MüKo, GmbHG, § 49 Rn. 15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. 11. 2003 – 16 U 95/98, NZG 2004, 916, 921; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 2. 171 Eine § 121 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechende Regelung war vorgesehen in § 79 Abs. 2 S. 3 des Regierungsentwurfes eines GmbH-Gesetzes von 1972 (BT-Drucks. 6/3088, S. 131), wurde aber in das Änderungsgesetz vom 04. 07. 1980 (BGBl. 1980 I, 836) nicht übernommen. Da die Gründe hierfür nicht sicher bestimmbar sind, lässt sich aus diesem Umstand ein Argument für oder gegen eine analoge Anwendung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG nicht herleiten. Vgl. auch Stein, Das faktische Organ, 82 (Fn. 27), 84 (Fn. 36). 172 Vgl. Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 49 Rn. 26; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rn. 3; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 49 Rn. 3. 173 Ähnlich Schindler, in: BeckOK, GmbHG, § 49 Rn. 18 (der eine Heranziehung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG für den Fall einer rein kapitalistisch strukturierten GmbH in Erwägung zieht). 174 Vgl. Stein, Das faktische Organ, 76 ff. 170

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Dem Versuch, die Einberufungsbefugnis des fehlerhaften Geschäftsführers über eine erweiternde Normauslegung zu begründen, ist jedoch bereits im Ansatz zu widersprechen. Die Rechtsmacht des Geschäftsführers, gesellschaftsintern rechtswirksam zu handeln, resultiert aus der Bestellung und wird in den Vorschriften der § 49 Abs. 1 GmbHG und § 121 Abs. 2 S. 1 AktG vom Gesetzgeber nicht begründet, sondern vorausgesetzt.175 Die Einberufungsbefugnis des fehlerhaften Geschäftsleiters lässt sich aus § 49 Abs. 1 GmbHG, § 121 Abs. 2 AktG hiernach ebenso wenig herleiten, wie dessen organschaftliche Vertretungsmacht aus einer extensiven oder analogen Anwendung der § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Nicht umsonst arbeitet der Gesetzgeber in § 121 Abs. 2 S. 2 AktG mit einer Fiktion, welche die nicht bestehende Rechtsmacht zum internen Handeln für eingetragene ScheinVorstandsmitglieder ersetzen soll. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung könnte eine Befugnis des fehlerhaften Geschäftsführers zur Einberufung der Gesellschafterversammlung hiernach insgesamt nicht angenommen werden. c) Zwischenergebnis Das interne Organhandeln des fehlerhaften Geschäftsführers wäre bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung unwirksam. Sofern die Wirksamkeit eines Geschäftsführungsbeschlusses in Rede steht, müsste die unwirksame Mitwirkung des fehlerhaften Geschäftsführers nicht zwingend dessen Nichtigkeit bedeuten. Wäre dies jedoch der Fall (oder käme der Beschluss mit einem anderen als dem angenommenen Inhalt zustande), könnten die von den Beteiligten angenommenen Rechtsfolgen des Beschlusses von Anfang an nicht eintreten, was insbesondere dann weitreichende Folgen hätte, wenn der Beschluss die Grundlage für weitergehende interne Maßnahmen bildete. Besonders schwer wöge die Unwirksamkeit des internen Rechtshandelns des fehlerhaften Geschäftsführers ferner im Falle der Einberufung der Gesellschafterversammlung. Da der fehlerhafte Geschäftsführer weder im Wege der erweiterten Auslegung des § 49 Abs. 1 GmbHG noch gem. § 121 Abs. 2 S. 2 AktG analog als einberufungsbefugt angesehen werden könnte, würde die von seiner Seite vorgenommene Ladung grundsätzlich zur Nichtigkeit sämtlicher in der daraufhin erfolgten Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse führen.

B. Pflichten des fehlerhaften Geschäftsführers Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit sich bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung die Pflichtenbindung des fehlerhaften 175 Zur Organmacht des Geschäftsführers gesellschaftsintern rechtsgeschäftlich zu handeln als Rechtsfolge der Bestellung vgl. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 185.

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Geschäftsführers von jener seines ordentlich bestellten Pendants unterscheiden würde. Im Mittelpunkt des Interesses stehen hierbei die dem ordentlichen Geschäftsführer gerade in seiner Eigenschaft als Organwalter auferlegten Organpflichten. Ergäbe sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung, dass der fehlerhafte Geschäftsführer nicht dem strengen organschaftlichen Pflichtenprogramm des Mitglieds des Leitungsorganes eines Verbandes unterworfen werden kann, könnten sich hieraus erhebliche Schutzlücken zu Lasten der Gesellschafter, der Gesellschaftsgläubiger sowie der Allgemeinheit ergeben. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs und möglichen Wechselbeziehungen zu den Organpflichten sollen sodann die Pflichten des fehlerhaften Geschäftsführers aus einem gegebenenfalls begleitend zum unwirksamen Organverhältnis bestehenden Anstellungs- oder Mitgliedschaftsverhältnis näher untersucht werden.176 I. Organpflichten Gegenüber der GmbH obliegt dem Geschäftsführer zuförderst die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsleitung, worunter insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung nach innen sowie zur Vertretung der Gesellschaft nach außen zu verstehen ist.177 Nach § 43 Abs. 1 GmbHG hat er hierbei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu verfahren, d. h. diejenige Sorgfalt anzuwenden, welche ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat.178 Konkretisierungen der Geschäftsleitungspflicht finden sich vereinzelt im Gesetz. So muss der Geschäftsführer beispielsweise gem. § 35a GmbHG bestimmte Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen machen oder nach § 41 GmbHG für die Buchführung sorgen. Des Weiteren kann die Geschäftsleitungspflicht durch den Gesellschaftsvertrag, das Anstellungsverhältnis oder Weisungen der Gesellschafter konkretisiert werden, welchen der Geschäftsführer im Falle ihrer Rechtmäßigkeit Folge zu leisten hat.179 Welche konkreten Verhaltensanforderungen im Einzelfall an den Geschäftsführer zu stellen sind, ist im Übrigen anhand des Maßstabes eines

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Auf weitere Pflichten des fehlerhaften Geschäftsführers, insbesondere im deliktischen Bereich, wird inzident im Rahmen der Frage nach dessen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit eingegangen. Dazu unten 3. Kap. § 1 D. 177 Vgl. Leinekugel, in: Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 18 Rn. 1. 178 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 33; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 3. 179 Die Möglichkeit einer Konkretisierung von Organpflichten im Anstellungsvertrag ist umstritten, wird jedoch überwiegend bejaht. Vgl. hierzu Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag, 12 f.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

ordentlichen Geschäftsmannes zu entwickeln.180 Hierbei bietet es sich an, zwischen den vier größeren Pflichtenkreisen der Legalitätspflicht, der Sorgfaltspflicht im engeren Sinne, der Überwachungspflicht sowie der Compliance-Pflicht des Geschäftsführers zu unterscheiden.181 Neben der Geschäftsleitungspflicht des Geschäftsführers ist insbesondere dessen organschaftliche Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft hervorzuheben. Die Treuepflicht verpflichtet den Geschäftsführer in allen das Interesse der Gesellschaft berührenden Angelegenheiten allein deren Wohl und nicht den Vorteil Dritter oder den eigenen Vorteil im Auge zu haben.182 Seine Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen muss der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Gänze zur Verfügung stellen.183 Nach Maßgabe seines Anstellungsverhältnisses und den Bedürfnissen der Gesellschaft gilt Gleiches für seine Arbeitskraft.184 Aus der organschaftlichen Treuepflicht resultieren vielfältige Einzelpflichten, von denen als wichtigste das Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers sowie dessen Verschwiegenheitspflicht genannt seien. Geltungsgrund sowohl der Geschäftsleitungspflicht als auch der organschaftlichen Treuepflicht185 ist das durch Bestellung zwischen GmbH und Geschäftsführer begründete Organverhältnis.186 Der Umstand, dass der Inhalt des Organverhältnisses durch Gesetz und Gesellschaftsvertrag in weitem Umfang vorgegeben ist, ändert nichts an dieser Einschätzung. Bei der Ausgestaltung bestehender Rechte und Pflichten können den Parteien auch in einfachen Schuldverhältnissen seitens des Gesetzgebers Vorgaben gemacht und Grenzen gesteckt sein, ohne dass aufgrund der Einschränkung der Inhaltsfreiheit deren privatautonomer Geltungsgrund in Frage gestellt würde.187 Für die Annahme, dass die Geschäftsleitungspflicht des Geschäftsführers aus der durch Bestellung begründeten organschaftlichen Sonder180

Vgl. Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 48. Hierzu im Einzelnen Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 12 ff. 182 Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 86; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 153. 183 Vgl. Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 167; Haas/Ziemons, in: BeckOK, GmbHG, § 43 Rn. 139. 184 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 49; Oetker, in: Henssler/ Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 24. 185 Zur Begründung der Treuepflicht wird zusätzlich auf § 242 BGB rekurriert. Vgl. Weller, ZHR 175 (2011), 110, 117 ff. 186 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 343 (durch die Bestellung werde ein korporationsrechtliches Sonderverhältnis begründet, dessen Pflichtenprogramm sich in Sorgfalts- und Treuepflichten systematisieren lasse). BGH, Urteil vom 19. 2. 1990 – II ZR 268/88, NJW 1990, 1725, 1730 (§ 43 GmbHG regele Pflichten von Organmitgliedern aus ihrem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft); so auch schon BGH, Urteil vom 9. 7. 1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, 1829, 1829 (für § 93 Abs. 1 AktG). 187 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die allg. Ausführungen von Flume, Das Rechtsgeschäft, 3 f. zu gesetzlichen Rechtsfolgen kraft privatautonomer Gestaltung. 181

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rechtsbeziehung zur Gesellschaft resultiert, kommt es mithin auch nicht entscheidend darauf an, ob man diese in § 43 Abs. 1 GmbHG gesetzlich verankert sieht oder sie als ungeschriebene Organpflicht einordnet.188 Denn selbst wenn man annimmt, § 43 Abs. 1 GmbHG enthalte eine generalklauselartige Umschreibung der Verhaltenspflichten des Geschäftsführers und begründe nicht allein einen allgemeinen Sorgfaltsmaßstab, bleibt es dabei, dass die sodann im Gesetz niedergelegte Pflicht für den Geschäftsführer Geltung aufgrund der durch Bestellung begründeten Sonderrechtsbeziehung beansprucht. Ganz in diesem Sinne hat auch der BGH festgehalten, dass es sich bei § 43 Abs. 1 GmbHG nicht um ein Schutzgesetz handele, da die Vorschrift allein die Pflichten von Organmitgliedern aus ihrem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft regele.189 Auch für die allgemeine Organhaftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbH hat der BGH überzeugend ausgeführt, dass diese an die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer anknüpfe, die durch die nur mit Zustimmung des Betroffenen mögliche Berufung zum Geschäftsführer begründet werde. Und weiter, dass der auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützte Schadensersatzanspruch nach § 29 ZPO am Gerichtsstand der Gesellschaft geltend gemacht werden könne, weil die Vorschrift auf ein solches „nicht gesetzlich begründetes Verpflichtungsverhältnis“ anwendbar sei.190 Nicht überzeugen kann vor diesem Hintergrund die Auffassung, welche die Organpflichten des Geschäftsleiters insgesamt im Gesetz verankert sieht.191 Dass sich die Organpflichten nach zutreffender Einschätzung nicht aus dem ggf. bestehenden schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft ergeben, lässt noch nicht den Schluss darauf zu, dass sie hiernach aus der Organstellung und damit aus dem Gesetz folgen.192 Die zweigeteilte Betrachtung, nach welcher sich die Pflichten entweder aus dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis oder aus dem Gesetz ergeben müssen, lässt die durch Bestellung begründete organschaftliche Sonderrechtsbeziehung außer Acht, was damit zusammenhängen 188 Für eine pflichtenbegründende Funktion des § 43 Abs.1 GmbHG etwa Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 10; Haas/Ziemons, in: BeckOK, GmbHG, § 43 Rn. 43. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 170 schreibt § 43 Abs. 1 GmbHG hingegen allein die Funktion eines allgemeinen Sorgfaltsmaßstabes zu. Ebenso Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag, 68 f. 189 BGH, Urteil vom 19. 2. 1990 – II ZR 268/88, NJW 1990, 1725, 1730. 190 BGH, Urteil vom 10. 2. 1992 – II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800, 801. 191 So etwa Ehricke, ZGR 2000, 351, 371 ff.; ders., Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 226 ff.; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 115 f.; Stein, Das faktische Organ, 121. 192 Noch weitergehend folgert Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 226 ff. aus dem Umstand, dass die Organpflichten nicht aus dem Anstellungsverhältnis resultieren, dass sich diese demnach unabhängig von einer Willenserklärung des Geschäftsleiters aus der Übernahme der Position als betreffendes Organ ergäben. Dass es aber jedenfalls im Ausgangspunkt auf eine Willenserklärung des Geschäftsführers ankommen muss, zeigt schon die Annahmebedürftigkeit der Bestellung, welche gerade mit Blick darauf allgemein anerkannt wird, dass dem Geschäftsführer die aus der Bestellung resultierenden Organpflichten nicht ohne seinen Willen auferlegt werden können.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

mag, dass sich die Erkenntnis, dass auch die Bestellung ein Rechtsverhältnis begründet, im Gesellschaftsrecht erst nach und nach durchgesetzt hat.193 Die dem Geschäftsführer als solchem auferlegten Organpflichten erschöpfen sich allerdings nicht in jenen aus dem Organverhältnis. Dem Gesetzgeber steht es frei, Pflichten, die er an sich auch dem im Rechtsverkehr auftretenden Verband selbst auferlegen könnte, (auch) an die Organwalter des Verbandes persönlich zu richten. Während die gegenüber der Gesellschaft aus dem Organverhältnis resultierende Pflichtenbindung des Geschäftsführers den Geschäftsverkehr und öffentliche Interessen nur reflexartig zu schützen vermag, wird durch die Auferlegung solcher „externer Pflichten“ eine direkte Verantwortung des Organwalters nach außen geschaffen. Als Beispiel für Organpflichten in diesem Sinne sei etwa die Pflicht des Geschäftsführers zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 15a Abs. 1 InsO, die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 28e SGB IV) oder die steuerliche Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters gem. § 34 AO genannt. Geltungsgrund jener Pflichten ist nicht die durch Bestellung begründete Sonderrechtsbeziehung des Geschäftsführers zur GmbH, sondern das Gesetz.194 Obwohl in beiden Fällen von Organpflichten gesprochen wird, muss hinsichtlich der Frage nach der Erstreckung jener Pflichten auf den fehlerhaften Geschäftsführer je nach Geltungsgrund differenziert werden.195 Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung könnte die Geltung der aus dem Organverhältnis resultierenden Organpflichten (man könnte hier von Organpflichten i. e.S. sprechen) für den fehlerhaften Geschäftsführer allein dann angenommen werden, wenn sich eine entsprechende Pflichten enthaltende Sonderrechtsbeziehung auch zwischen fehlerhaftem Geschäftsführer und Gesellschaft konstruieren ließe. Hinsichtlich der Organpflichten, welche zwar formal an die Stellung als Geschäftsführer anknüpfen, ihren Geltungsgrund jedoch nicht im Organverhältnis, sondern im Gesetz finden (Organpflichten i.w.S.), ist die Fragestellung eine andere. Hier ist zu klären, ob der fehlerhafte Geschäftsführer, obwohl er bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung niemals zum Organwalter der Gesellschaft geworden ist, dennoch im Wege der Auslegung oder Analogienbildung in den Adressatenkreis der pflichtbegründenden Norm einbezogen werden könnte.

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Vgl. dazu Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 23. Ähnlich Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 164 ff. der in diesem Zusammenhang von „gesetzlichen Berufspflichten“ spricht. 195 Die Differenzierung erfolgt in Anlehnung an Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 51, 163 ff., welcher allerdings abweichend von der auch hier zugrunde gelegten herrschenden Auffassung vom Bestehen eines einheitlichen Geschäftsleiterverhältnisses zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft ausgeht (sog. Einheitstheorie). 194

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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1. Pflichten aus dem Organverhältnis Nach der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis wäre, vermittels einer Suspendierung der Nichtigkeitsfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäfts, bis zur Geltendmachung des der Bestellung anhaftenden Wirksamkeitsmangels vom Vorliegen eines Organpflichten begründenden, wirksamen Organverhältnisses auszugehen. Zu klären ist, ob sich die Geltung dieser gegenüber der Gesellschaft bestehenden Organpflichten für den fehlerhaften Geschäftsführer auch ohne eine solche direkt am fehlerhaften Rechtsgeschäft ansetzende Korrektur begründen ließe. Als möglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme einer entsprechenden pflichtenbegründenden Sonderrechtsbeziehung kommt die tatsächliche Wahrnehmung der Geschäftsleitung durch den fehlerhaften Geschäftsführer in Betracht. Mit dem Hinweis darauf, dass sich aus bloß tatsächlichem Tätigwerden keine Sonderrechtsbeziehung ergeben könne, wird die Möglichkeit einer solchen Anknüpfung teilweise schon vom Ansatz her abgelehnt.196 Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zugestimmt werden. Dass Sonderrechtsbeziehungen auch durch tatsächliches Handeln entstehen können, zeigen insbesondere die Rechtsfiguren der Geschäftsführung ohne Auftrag sowie der culpa in contrahendo. a) Sonderrechtsbeziehung aus Geschäftsführung ohne Auftrag Der Versuch, die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) für den Fall des Tätigwerdens eines fehlerhaft bestellten Geschäftsführers fruchtbar zu machen, wurde in einer früheren Entscheidung vom Reichsgericht unternommen.197 Gegen die Qualifikation des vermeintlichen Geschäftsführers als Geschäftsführer ohne Auftrag bestehen indes durchgreifende Bedenken.198 Insbesondere stellt ein Tätigwerden aufgrund eines fehlerhaften Organverhältnisses nicht ein solches ohne Auftrag dar.199 In der Folgezeit wurde eine Lösung über die Vorschriften der GoA von der Rechtsprechung sodann auch nicht mehr vertreten. b) Einheitliches gesetzliches Schutzpflichtverhältnis Als gewinnbringender könnte sich die Betrachtung der Figur der culpa in contrahendo erweisen. Mit Rücksicht darauf, dass zwischen den Parteien bereits im Vorfeld eines Vertragsschlusses eine Vertrauensbeziehung zustande kommt, vermittels welcher sich die Einwirkungsmöglichkeit der einen Partei auf die Rechts196

Vgl. Hüffer, in: Hüffer, AktG, 10. Auflage, 2012, § 93 Rn. 12 (bezogen auf das faktische Organ). 197 RG, Urteil vom 2. 7. 1909 – 630/08, Das Recht 1909 Nr. 2938. 198 Dazu Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 171 f. 199 Reich, DB 1967, 1663, 1666; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 174; allgemein zum Verhältnis der GoA zu fehlerhaften Rechtsverhältnissen, Falk, JuS 2003, 833.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

gütersphäre der anderen Partei vergrößert, wird zwischen ihnen bereits in diesem Stadium eine Sonderrechtsbeziehung angenommen, aus welcher sich schadensersatzbewehrte Schutzpflichten ergeben (vgl. §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).200 Dieser der culpa in contrahendo zugrunde liegende Gedanke wurde von Canaris zu der „Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis“ weiterentwickelt. Könne die tatsächliche Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen bereits bei Aufnahme geschäftlichen Kontakts unabhängig vom Parteiwillen zu einem gesetzlichen Schuldverhältnis führen, so müsse Gleiches erst recht für die Zeit nach Vertragsschluss gelten, wo sich die Einwirkungsmöglichkeit und damit die Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien noch verstärke. Geltungsgrund der Schutzpflichten sei damit vom Zeitpunkt ihrer Entstehung im vorvertraglichen Bereich bis hin zu ihrem endgültigen Erlöschen nach Vertragsdurchführung ein einheitliches gesetzliches Schutzpflichtverhältnis, dessen Bestand von der Wirksamkeit des durchgeführten Vertrages unabhängig sei. Bezeichnenderweise habe von Jhering, der Begründer der Lehre der culpa in contrahendo, sogar umgekehrt das Bestehen der Schutzpflichten im vorvertraglichen Bereich damit gerechtfertigt, dass sie im Ausführungsstadium von der Vertragsnichtigkeit unberührt blieben.201 Ob auch im Falle eines wirksamen Vertragsschlusses vom Fortbestand eines gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses neben dem vertraglichen Schuldverhältnis ausgegangen werden kann, ist zweifelhaft. Mit Blick auf § 311a Abs. 1 BGB, welcher die Möglichkeit eines vertraglichen Schuldverhältnisses das allein Schutzpflichten begründet voraussetzt, ist eher davon auszugehen, dass das gesetzliche Schutzpflichtverhältnis mit Vertragsschluss im vertraglichen Schuldverhältnis aufgeht.202 Die Schutzpflichten sind sodann als solche vertraglicher Natur zu qualifizieren (sog. Umschlagtheorie).203 Haben die Parteien hingegen einen nichtigen Vertrag geschlossen oder wurde der Vertrag wirksam angefochten, ist mit Canaris vom Weiterbestand des gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses auszugehen. Die hiernach eintretende Immunität der Schutzpflichten gegenüber der Nichtigkeit des Vertrages kann heute als gesicherte Erkenntnis gelten.204 200

Vgl. Canaris, JZ 1965, 475, 476. Der Gedanke der Inanspruchnahme und Gewährung tatsächlichen Vertrauens erklärt freilich nicht alle mittlerweile zur c.i.c. entwickelten Fallgruppen. Dazu Emmerich, in: MüKo, BGB, § 311 Rn. 39 ff. 201 Canaris, JZ 1965, 475, 476 ff.; ders., BB 1967, 165, 169; vgl. auch Thiele, JZ 1967, 649, 649 ff. 202 Vgl. Weller, Die Vertragstreue, 211. 203 In diesem Sinne etwa Larenz, Schuldrecht AT, 117 ff. 204 Vgl. Krebs, Sonderverbindung, 124; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband 46 f. weist zusätzlich auf die Möglichkeit hin, durch eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen allein auf die vertragliche Leistungsbeziehung auch die Immunität vertraglicher (!) Schutzpflichten annehmen zu können. Da sich gegenüber der Begründung der Schutzpflichten aus einem gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis höchstens graduelle Unterschiede ergeben können, kann die

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Dieses für schuldrechtliche Verträge gefundene Ergebnis könnte sich auf das Organverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft übertragen lassen.205 Auch hier kommt es durch die Ausführung des vermeintlich wirksamen Rechtsverhältnisses zu einer tatsächlichen Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen, wodurch sich die Einwirkungsmöglichkeit vor allem seitens des Geschäftsführers auf die Rechtsgütersphäre der Gesellschaft erheblich vergrößert. Vermittels dessen tatsächlicher Einbindung in die Gesellschaft kommen ihm faktisch die gleichen Entscheidungs- und Machtbefugnisse zu wie einem ordentlich bestellten Geschäftsführer. Auch hat er den gleichen Zugang zu gesellschaftsinternen Informationen.206 Im Hinblick auf die sich hierdurch eröffnenden, gegenüber einem außenstehenden Dritten erheblich gesteigerten Schädigungsmöglichkeiten, erscheint es gerechtfertigt, auch für diesen Fall vom (Fort-)Bestehen eines gesetzlichen Schutzpflichtverhältnisses zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft im Falle des tatsächlichen Vollzugs des vermeintlich bestehenden Organverhältnisses auszugehen. c) Sonderrechtsbeziehung kraft Leitung Eine über das Bestehen klassischer Schutzpflichten noch hinausgehende Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers könnte sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung vermittels der zum „faktischen Geschäftsführer“ entwickelten Lösungsansätze begründen lassen.

Möglichkeit der Aufrechterhaltung vertraglicher Schutzpflichten hier offen bleiben. Erwähnt sei schließlich noch der Ansatz von Picker, welcher das Bestehen gesetzlicher Schutzpflichten aus dem Fundamentalsatz des neminem laedere ableitet. Als Idealprinzip verlange dieser grds. umfassenden Integritätsschutz. Weil er jedoch mit dem Gegenprinzip der Handlungsfreiheit des Schädigers in Ausgleich zu bringen sei, stelle sich das Problem einer sinnvollen Haftungsbegrenzung. Im Deliktsrecht werde diese rechtstechnisch durch das Erfordernis der Verletzung von Rechtsgütern, absoluten Rechten und Schutzgesetzen erreicht, welche zu einer Eingrenzung des Kreises potentieller Gläubiger führe. In der Sonderverbindung sei ein solches „Nadelöhr“ nicht notwendig, da die unverzichtbare haftungsrechtliche Individualisierung hier von vornherein durch die gegebene Individualität und Vereinzelung der Beziehung gesichert sei. Der Grundsatz des neminem laedere könne voll durchgreifen, sodass den Parteien der Sonderverbindung ein umfassender Integritätsschutz zuzugestehen sei. Die der Sonderverbindung von Picker beigemessene Funktion, den potentiellen Gläubigerkreis zu bestimmen, kann von einer unwirksamen Sonderverbindung ebenso erfüllt werden. Da er die Schutzpflichten zudem nicht im Parteiwillen, sondern im Haftungsgrundsatz des neminem laedere begründet sieht, ist trotz ihrer abweichenden Herleitung auch nach dem Ansatz Pickers von der Immunität der Schutzpflichten gegenüber der Nichtigkeit des Vertrages auszugehen. Zum Ganzen vgl. Picker, AcP 183 (1983), 369, 460 ff. 205 Hierauf weist Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 475 hin. Entsprechende Überlegungen finden sich auch bei Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 273 sowie bei Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 2 (Fn. 15). 206 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 273.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Dass auch derjenige, der ohne Bestellungsakt die Funktion eines Geschäftsführers ausübt, der strengen organschaftlichen Pflichtenbindung und Haftung eines ordentlichen Organwalters unterliegt, wird vielfach vertreten.207 Ließe sich eine umfängliche Bindung des faktischen Geschäftsführers an die gegenüber der GmbH bestehenden Organpflichten begründen, müsste sich dieser Begründungsansatz für den fehlerhaften Geschäftsführer, dessen Handeln immerhin ein förmlicher (wenn auch fehlerhafter) Bestellungsakt zugrunde liegt, erst recht eignen. Die Ansichten, welche eine Lösung des Problems des fehlerhaften Geschäftsführers über eine Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht für notwendig erachten, verweisen sodann im Zusammenhang von Pflichtenbindung und Haftung teilweise auch auf den „faktischen Geschäftsführer“.208 Der Schwerpunkt der Diskussion um den faktischen Geschäftsführer liegt bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen es gerechtfertigt erscheint, eine auf die Geschäftsführung Einfluss nehmende oder Geschäftsführungsaufgaben faktisch wahrnehmende Person als faktischen Geschäftsführer zu qualifizieren. Diskutiert wird etwa, ob als faktischer Geschäftsführer nur natürliche Personen in Betracht kommen, ob die Einordnung als faktischer Geschäftsführer die Kenntnis oder Duldung der Gesellschaft voraussetzt, ob es eines Auftretens im Außenverhältnis bedarf und inwieweit es durch das Tätigwerden des Handelnden zu einer Verdrängung der ordentlichen Organwalter gekommen sein muss.209 Die dogmatische Begründung, welcher es bedarf, um die Erstreckung des organschaftlichen Pflichten- und Haftungsregimes auf den faktischen Geschäftsführer zu erklären, wird von den Befürwortern einer umfassenden Pflichtenbindung und Haftung demgegenüber nicht selten vernachlässigt.210 Sofern die organschaftliche Verantwortung des faktischen Geschäftsführers insgesamt im Wege der erweiternden oder analogen Normanwendung begründet werden soll, kann dem mit Blick auf den unterschiedlichen Geltungsgrund der Organpflichten nicht gefolgt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob für die Einbeziehung des Betroffenen auf eine einheitliche Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers abgestellt wird211 oder dem Ansatz gefolgt wird, nach welchem die Normadressateneigenschaft des Betroffenen unter Verzicht auf eine allgemeingültige Definition des faktischen

207 BGH, Urteil vom 24. 10. 2005 – II ZR 55/04, NZG 2006, 62, 64; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 27 ff.; Strohn, DB 2011, 158, 165; Flore/Lewinski, GmbH-StB 2001, 178, 182; Reich, DB 1967, 1663, 1666 f. 208 So etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 69, § 43 Rn. 101. 209 Zum Begriff des faktischen Geschäftsführers etwa Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 304 ff.; Strohn, DB 2011, 158, 160 ff. 210 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 3 halten fest, dass die übliche Bezeichnung als „faktischer Geschäftsführer“ leider „mythische Kraft als Quelle freier Rechtsfindung“ entfalte. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 419 (Die Rechtsfigur des „faktischen Organs“ verleitet zu juristischer Ungenauigkeit.). 211 Vgl. Reich, DB 1667, 1663, 1666 ff.

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Geschäftsführers anhand des Schutzzwecks der jeweiligen Einzelnorm ermittelt werden müsse.212 Die Frage nach Grund und Grenzen einer erweiternden oder analogen Anwendung für den ordentlichen Geschäftsführer geltender Normen, stellt sich allein mit Blick auf jene Organpflichten, die ihren Geltungsgrund im Gesetz finden.213 Für die Organpflichten i.e.S. ist entsprechend den Ausführungen zum fehlerhaften Geschäftsführer auf das Bestehen eines pflichtenbegründenden Sonderrechtsverhältnisses abzustellen. Die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Organhaftungsvorschriften, insbesondere § 43 Abs. 2 GmbHG, setzten eine entsprechende Pflichtenbindung voraus,214 sodass sich die Frage nach der Erstreckung deren Anwendungsbereichs auf den faktischen Geschäftsführer erst stellt, wenn eine Organpflichten enthaltende Sonderrechtsbeziehung begründet werden konnte. Zu kurz greift auch der Hinweis darauf, dass sich die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG an das organschaftliche Handeln und nicht an die interne Berechtigung zu demselben anknüpfe.215 Dass sich die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG aus dem tatsächlichen Geschäftsführerhandeln ergibt, ist jedenfalls für den ordentlichen Geschäftsführer nicht anzunehmen. Hier knüpft die Haftung an die durch annahmebedürftige Bestellung begründete Sonderrechtsbeziehung zur Gesellschaft.216 Die allgemeine Organhaftung kann hiernach höchstens auch bei tatsächlichem Tätigwerden als Geschäftsführer eintreten und zwar dann, wenn sich hieraus eine entsprechende Pflichten enthaltende Sonderrechtsbeziehung ableiten lässt, was es aber gerade zu begründen gilt. Der dogmatischen Ausgangsfrage sachgerecht Rechnung tragen die Ansichten, welche von einer zwischen faktischem Geschäftsführer und Gesellschaft bestehenden „Sonderrechtsbeziehung kraft Leitung“ ausgehen, aus der sich, jedenfalls soweit eine Verdrängung des ordentlichen Geschäftsführers erfolge,217 auch eine allgemeine Pflicht zur Geschäftsleitung ergeben soll.218 212 Dafür Stein, ZHR 148 (1984), 207, 222; dies., Das faktische Organ, 69 f., 72 ff., 94 f., 143 ff.; Weimar, GmbHR 1997, 473, 476 f.; ders., GmbHR 1997, 538, 542 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 3. 213 Zu den gesetzlichen Organpflichten gehört insbesondere die im Zusammenhang mit dem faktischen Geschäftsführer wohl am häufigsten diskutierte Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F.). Die hier gestellte Frage nach der Normadressateneigenschaft des faktischen Geschäftsführers trifft das Richtige, kann aber nicht unbesehen auf alle Organpflichten erstreckt werden. 214 So richtig Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 170 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. 2. 1992 – II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800, 801. 215 Vgl. Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 191; siehe auch BGH, Urteil vom 25. 6. 2001 – II ZR 38/ 99, BGHZ 148, 167 = NJW 2001, 3123, 3123. 216 BGH, Urteil vom 10. 2. 1992 – II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800, 801. Dementsprechend wird die Haftung des ordentlichen Geschäftsführers auch zu Recht nicht davon abhängig gemacht, dass dieser seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat. 217 Das Bestehen von Leitungspflichten allein für den Fall der Verdrängung der legalen Leitungsorgane durch den illegal Leitenden wird angenommen von Krebs, Geschäftsfüh-

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Krebs leitet das Bestehen einer solchen Sonderrechtsbeziehung aus aktienkonzernrechtlichen Überlegungen ab. Aus den Vorschriften zur Haftung des gesetzlichen Vertreters des herrschenden Unternehmens (§§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3, 323 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 309 Abs. 2 AktG) lasse sich ein allgemeines Prinzip der Haftung bei sorgfaltswidriger Leitung abstrahieren, mit welchem eine Sonderverbindung kraft Leitung korrespondiere.219 Nach anderer Ansicht rechtfertigt sich die Annahme einer Sonderrechtsbeziehung zwischen faktischem Geschäftsführer und GmbH aus dem Normzweck der allgemeinen Organhaftungsvorschriften. Dem ordentlichen Geschäftsführer sei dessen besonderes Pflichtenprogramm samt der zugehörigen strengen Sanktionsregeln (§ 43 Abs. 2 GmbHG) als Ausgleich zu dessen weitreichenden Befugnissen und Einwirkungsmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft auferlegt. Ein solcher Ausgleich sei zugunsten der Gesellschaft, Gesellschafter und Gläubiger nicht nur dann vonnöten, wenn die Organstellung des Geschäftsführers wirksam begründet worden sei, sondern auch dann, wenn er rein tatsächlich als Leitungsorgan auftrete.220 Jedenfalls sofern mit der Annahme einer solchen Sonderrechtsbeziehung Leitungspflichten des faktischen Geschäftsführers begründet werden sollen, erscheinen die dargestellten Ansichten zu weitgehend. Eine nicht zum Organwalter bestellte Person hat sich im Ausgangspunkt jeder das verbandsinterne Kompetenzgefüge konterkarierenden Einflussnahme oder Übernahme der Geschäftsleitung zu enthalten. Dementsprechend ist es auch Aufgabe der ordnungsgemäß bestellten Mitglieder des Leitungsorgans, unzulässige Eingriffe in die Geschäftsleitung abzuwehren bzw. den Zustand faktischer Geschäftsführung schnellstmöglich zu beenden.221 Die an den faktischen Geschäftsführer gerichtete Verhaltensanforderung muss daher zu jeder Zeit darin bestehen, seine unzulässige Geschäftsführungstätigkeit einzustellen. Die gleichzeitige Statuierung von Leitungspflichten setzt sich hierzu in Widerspruch. Dies gilt auch dann, wenn der faktische Geschäftsführer die ordentlichen Geschäftsführer teilweise oder vollständig verdrängt hat. Dass in diesem Falle die Gefahr besteht, dass die eigentlich zur Entscheidung berufenen Organwalter nicht mehr hinreichend über den Zustand der Gesellschaft informiert sind rungshaftung, 177. Ähnlich Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 314 f. (Pflicht zur Geschäftsleitung sei anzunehmen, wenn der Betreffende die ordentlichen Geschäftsleiter zumindest teilweise verdrängt und statt ihrer eigenhändig die Geschicke der Gesellschaft in der Hand habe). 218 Vgl. Fleischer, AG 2004, 517, 523 f.; ders., GmbHR 2011, 337, 340; Spindler, in: MüKo, AktG, § 93 Rn. 18; Krebs, Geschäftsführungshaftung, 179 f., 269 ff., 328 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 303 ff.; Achsnich, Die Haftung faktischer Organe, 63 ff. 219 Krebs, Geschäftsführungshaftung, 154 ff., 232 ff., 328 ff.; vgl. auch ders., Sonderverbindung, 21, 118 f. 220 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 303 f.; Fleischer, GmbHR 2011, 337, 340; ähnlich Spindler, in: MüKo, AktG, § 93 Rn. 18. 221 Krebs, Geschäftsführungshaftung, 177.

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und sie in der Folge nicht mehr sachgerecht einschätzen können, was nunmehr im Gesellschaftsinteresse veranlasst und geboten ist,222 ist vorstellbar. Auch dass in solchen Fällen ein erhöhtes Bedürfnis der Gesellschaft und jedenfalls reflexartig auch der Gesellschaftsgläubiger besteht, zusätzlich zu den weiterhin verantwortlich bleibenden ordentlichen Organwaltern,223 auch den faktischen Geschäftsführer zur Verantwortung zu ziehen. Dessen Haftung an die Verletzung von Leitungspflichten, etwa die Nichtergreifung einer sich bietenden Geschäftschance zu knüpfen, kann dennoch nicht überzeugen. Die Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung setzt notwendig voraus, dass die entsprechende Pflicht zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung bestanden hat und von dem Betroffenen auch hätte erfüllt werden können. Bot sich der Gesellschaft nun beispielsweise die Chance zum Abschluss eines lukrativen Vertrages mit einem potentiellen Geschäftspartner und war diese Chance nur dem faktischen Geschäftsführer bekannt, so hätte er sie mangels Stellung als ordentlicher Geschäftsführer dennoch nicht selbst im Namen der Gesellschaft ergreifen dürfen. Dass aus der angenommenen Sonderrechtsbeziehung kraft Leitung für den faktischen Geschäftsführer auch die Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln und sonstige Kompetenzen eines Organwalters resultieren können, wird zu Recht nicht vertreten. Mit der Anknüpfung an die Nichterfüllung seiner Leitungspflicht müsste man dem faktischen Geschäftsführer hiernach im genannten Beispiel zum Vorwurf machen, dass er nicht als falsus procurator für die Gesellschaft aufgetreten ist. Das kann nicht richtig sein. Müsste der faktische Geschäftsführer damit rechnen, dass ihm aufgrund seiner bereits erfolgten Einmischungen nunmehr Leitungspflichten zukommen, würde sich hieraus für ihn zudem ein Anreiz ergeben, sein Tun fortzusetzen. Auch das kann von keiner Seite gewollt sein. Ist hiernach der Annahme einer Geschäftsleitungspflicht des faktischen Geschäftsführers eine Absage zu erteilen, so bedeutet dies nicht, dass die dargestellten Ansätze keine Grundlage für das Bestehen klassischer Schutzpflichten gegenüber der Gesellschaft bieten könnten. Dem weiter nachzugehen erübrigt sich jedoch, da für den fehlerhaften Geschäftsführer eine entsprechende Schutzpflichten enthaltende Sonderrechtsbeziehung bereits über die Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis begründet werden könnte. 2. Gesetzliche Organpflichten Vom Bestehen gesetzlicher Organpflichten (Organpflichten i. w. S.) wird vorliegend ausgegangen, wenn die entsprechenden Pflichten zwar formal an die Geschäftsführerstellung anknüpfen, sie ihren Geltungsgrund jedoch nicht im durch Bestellung begründeten Organverhältnis zur Gesellschaft, sondern im Gesetz findet. Hier gilt es zu ermitteln, ob der fehlerhafte Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung durch normspezifische Auslegung oder 222 223

So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 314. Dazu ausführlich Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 26 ff., 61 ff.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Analogie in den Adressatenkreis der Norm einbezogen werden könnte. Dies soll im Folgenden exemplarisch am Beispiel der Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers gem. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO sowie an dessen Verpflichtung zur Erfüllung kartellrechtlicher Vorschriften verdeutlicht werden. a) Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO Die Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft dient primär dem Schutz der Gläubiger von beschränkt haftenden Rechtssubjekten sowie allgemein dem Schutz des Rechtsverkehrs vor Schädigungen durch materiell insolvente, beschränkt haftende Gesellschaften.224 Als solche trifft die Insolvenzantragspflicht zunächst die GmbH selbst und nicht etwa einzelne für sie tätige Personen.225 Die Antragspflicht des Geschäftsführers ergäbe sich damit bereits aus dessen Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber als organschaftlicher Vertreter deren Rechtspflichten zu erfüllen (Legalitätspflicht). Bei dieser „internen“ Verpflichtung aus dem Organverhältnis hat es der Gesetzgeber jedoch nicht belassen, sondern den Geschäftsführer mit § 15a Abs. 1 S. 1 InsO zusätzlich persönlich zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet. Dass es sich hierbei nicht bloß um die nähere gesetzliche Ausgestaltung des zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer bestehenden Organverhältnisses handelt, zeigt der Umstand, dass der Geschäftsführer im Falle der Pflichtverletzung nicht allein der GmbH gegenüber verantwortlich ist, sondern unabhängig von einer Haftung im Innenverhältnis ebenso eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO226 sowie strafrechtliche Konsequenzen drohen (vgl. § 15a Abs. 4, 5 InsO). Zu klären ist, ob die dem Geschäftsführer obliegende gesetzliche Organpflicht zur Insolvenzantragsstellung gem. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO auch auf den fehlerhaften Geschäftsführer erstreckt werden könnte. Der Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 InsO spricht dafür, den Adressatenkreis der Norm allein auf ordentlich bestellte Geschäftsführer zu beschränken. Nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO trifft die Insolvenzantragspflicht die „Mitglieder des Vertretungsorgans“ der juristischen Person. Dies sind im Falle der GmbH ihre ordentlich bestellten Geschäftsführer, welche unabhängig davon, ob und wie die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis innerhalb des Kollegialorgans ausgestaltet ist, jeweils einzeln zur Insolvenzantragsstellung ver224

Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 15a Rn. 1. Dies zeigt der Blick auf § 13 Abs. 1 InsO, wonach zur Antragsstellung sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner berechtigt sind. Schuldner ist die GmbH, sodass die korrespondierende Pflicht zur Antragstellung ebenfalls dieser obliegt. Vgl. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 104. 226 Zur Qualifikation des § 15a Abs. 1 InsO als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB vgl. Hohmann, in: MüKo, StGB, § 15a InsO Rn. 4. 225

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pflichtet sind.227 Der fehlerhafte Geschäftsführer wäre bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hingegen niemals Mitglied des Vertretungsorgans der GmbH geworden. Das Gesetz scheint damit für das Bestehen der Insolvenzantragspflicht an die Wirksamkeit des Organverhältnisses zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer anzuknüpfen. Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflicht streiten demgegenüber für eine Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in den Adressatenkreis der Norm. Die Insolvenzantragspflicht dient vor allem dem Schutz der Gläubiger vor einem weiteren Verfall des Gesellschaftsvermögens.228 Sie soll eine sachgemäße insolvenzrechtliche Abwicklung ermöglichen und ist damit Ausdruck des allgemeinen Verbots, die Überschuldung auf Kosten der Gläubiger zu verschärfen.229 Indem das Gesetz den Geschäftsführer der GmbH dazu verpflichtet für die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrags zu sorgen, nimmt es denjenigen in Anspruch, von welchem aufgrund seiner Position innerhalb der Gesellschaft erwartet werden kann, dass er die Voraussetzungen der Insolvenzreife rechtzeitig erkennt, welchem die nötigen Entscheidungsgrundlagen für eine pflichtgemäße Abwägung des „ob“ der Insolvenzantragsstellung zur Verfügung stehen und welchem die Mittel und Möglichkeiten gegeben sind, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.230 Zwar ist es im Regelfall die Bestellung zum Geschäftsführer, die der betroffenen Person diese Stellung einräumt. Für das Schutzbedürfnis der Gläubiger spielt die Wirksamkeit des Bestellungsaktes jedoch keine Rolle. Nimmt der fehlerhafte Geschäftsführer trotz des fehlerhaften Bestellungsakts die Geschäftsführungsaufgaben wahr, so unterscheidet er sich im Hinblick auf seine tatsächliche Befähigung zur Entscheidung über die Stellung eines Insolvenzantrags nicht von einem ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführer. Im Hinblick darauf erscheint es möglich, ihn aus Gründen des Gläubigerschutzes in den Adressatenkreis des § 15a Abs. 1 S. 1 InsO einzubeziehen. Die Antragspflicht ist dem fehlerhaften Geschäftsführer auch zumutbar, da von ihm erwartet werden kann, dass ihm die an einen Geschäftsführer gerichteten gesetzlichen Erwartungen bekannt sind.231 Die Auferlegung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO müsste allerdings ausscheiden, wenn dem fehlerhaften Geschäftsführer nicht zugleich auch das Recht zur Stellung eines Insolvenzantrages gem. § 15 Abs. 1 S. 1 InsO zugesprochen werden könnte.232 Ohne ein entsprechendes Antragsrecht hätte der fehlerhafte Geschäftsführer keine Möglichkeit zur Insolvenzantragstellung, sodass eine entsprechende Pflicht nicht statuiert werden dürfte. 227 228 229 230 231 232

Haas, DStR 1998, 1359, 1359. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 104. Vgl. Stein, ZHR 148 (1984), 207, 229. Vgl. Stein, ZHR 148 (1984), 207, 224. So auch Stein, ZHR 148 (1984), 207, 224. Vgl. Haas, DStR 1998, 1359, 1362.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Für den Fall des faktischen Geschäftsführers, welcher Geschäftsführungstätigkeiten bar eines (wenn auch fehlerhaften) Bestellungsaktes durchführt, sieht sich die Annahme eines Antragsrechts erheblichen Bedenken ausgesetzt. Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass ein solches mit dem Telos des Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht zu vereinbaren wäre.233 Sinn und Zweck dieses Verfahrens ist es, in möglichst kurzer Zeit die Frage zu klären, ob aufgrund eines zulässigen Antrags das Insolvenzverfahren zu eröffnen ist und ob in der Zwischenzeit vorläufige die Gläubigergesamtheit schützende Maßnahmen getroffen werden müssen.234 Die Zulässigkeit des Antrags, d. h. insbesondere das Vorliegen eines Antragsrechts, ist dem Insolvenzgericht seitens des Antragstellers darzulegen und sodann vom Gericht von Amts wegen zu prüfen. Da das Gericht über das Bestehen eines Antragsrechts innerhalb der gebotenen Kürze entscheiden muss und von Amts wegen in diesem Stadium des Verfahrens noch nicht ermitteln darf, ist es auf sicher handhabbare und justiziable Feststellungskriterien angewiesen. Solche liegen hinsichtlich der Qualifikation als faktischer Geschäftsführer jedoch nicht vor. Ob die wahrgenommene Tätigkeit und Einflussnahme des Betroffenen innerhalb der GmbH den Umfang und die Intensität erreicht hat, bei welcher es gerechtfertigt erscheint von einem faktischen Geschäftsführer zu sprechen, bedarf einer umfassenden Würdigung dessen Verhaltens, welche vom Insolvenzgericht unter den genannten Prüfungsbedingungen und innerhalb der gebotenen Kürze nicht zu leisten ist.235 Anders ist die Situation für den fehlerhaften Geschäftsführer zu beurteilen. Mit dem Vorliegen eines (wenn auch fehlerhaften) formalen Bestellungsaktes ist dem Gericht ein gut handhabbares Kriterium gegeben, vermittels welchem es schnell und sicher ermitteln kann, ob es sich bei dem Antragsteller um einen (fehlerhaften) Geschäftsführer handelt.236 Gegen das Zugeständnis eines mit der Pflicht zur Antragstellung korrespondierenden Insolvenzantragsrechtes bestehen daher keine Bedenken. Im Ergebnis erscheint es hiernach möglich, den fehlerhaften Geschäftsführer auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung in den Adressatenkreis des §§ 15 Abs. 1 S. 1, 15a Abs. 1 S. 1 InsO einzubeziehen. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH könnte er mithin als berechtigt 233 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 300; Haas, DStR 1998, 1359, 1360. 234 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 300; Haas, DStR 1998, 1359, 1360. 235 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 300; Haas, DStR 1998, 1359, 1360. Um dennoch eine Haftung des faktischen Geschäftsführers konstruieren zu können, behilft sich ein Teil der Literatur damit, anstelle der Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrages eine Pflicht darauf hinzuwirken, dass die ordentlichen Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen (so etwa Stein, ZHR 148 (1984), 207, 231, 235 ff.; vgl. auch Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 234) bzw. die Pflicht, die Fortführung des insolventen Unternehmens einzustellen (so K. Schmidt, in: Festschrift Rebmann, 419, 434), zu konstruieren. 236 So im Ergebnis auch Haas, DStR 1998, 1359, 1362.

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und verpflichtet angesehen werden, rechtzeitig (d. h. ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, vgl. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. b) Kartellrechtliche Verantwortlichkeit Die kartellrechtlichen Vorschriften richten sich an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen (vgl. etwa § 1 GWB).237 Eine persönliche Verantwortung des Geschäftsführers als „Unternehmensleiter“ wird hierdurch zunächst nicht begründet. Die gegenüber der Gesellschaft bestehende Legalitätspflicht gebietet es diesem jedoch auch hier, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft gesetzestreu verhält, was ein kartellrechtskonformes Verhalten mit einschließt.238 Eine interne Pflicht des Geschäftsführers zur Einhaltung kartellrechtlicher Vorschriften ist somit gegeben. Bei dieser internen Pflichtenbindung aus dem Organverhältnis hat es der Gesetzgeber jedoch wiederum nicht belassen. Eine zusätzliche externe Verantwortlichkeit des Geschäftsführers ergibt sich über das Ordnungswidrigkeitenrecht. Nach § 81 GWB kann eine Kartellrechtsverletzung mit einem Bußgeld geahndet werden. Als Bußgeldadressat kommt neben der Gesellschaft auch der Geschäftsführer persönlich in Betracht. Dies ergibt sich über § 9 Abs. 1 OWiG. Die Vorschrift ordnet an, dass ein Gesetz nach welchem „besondere persönliche Merkmale“ die Möglichkeit einer Ahndung begründen, auch auf das vertretungsberechtigte Organ einer juristischen Person anzuwenden sei, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei der juristischen Person vorliegen.239 Um ein solches besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 9 Abs. 1 OWiG handelt es sich bei der kartellrechtlichen Unternehmereigenschaft.240 Über die Vorschrift des § 9 Abs. 1 OWiG wird der Geschäftsleiter damit in den Adressatenkreis der bußgeldbewährten kartellrechtlichen Vorschriften einbezogen und zugleich deren Regelungsgehalt an das Organhandeln angepasst.241 Durch diesen Mechanismus werden für den Geschäftsführer eigenständige gesetzliche Organpflichten erzeugt, welche neben die entsprechenden

237 Vgl. Dreher, WuW, 2009, 133, 134; Nordemann, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 1 GWB Rn. 18. 238 Vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141, 144; ders., BB 2008, 1070, 1070. 239 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 9 Rn. 7. 240 Dreher, in: Festschrift Konzen, 85, 89. 241 Teilweise wird der Modifikation über § 9 OWiG (bzw. über die Parallelnorm des § 14 StGB) noch weitergehend eine so starke Wirkung beigemessen, dass es zur Entstehung einer neuen, eigenständigen, allein an das vertretungsberechtigte Organ gerichteten Verhaltensnorm komme. Vgl. Radtke, in: MüKo, StGB, § 14 Rn. 1, 5, 9. Allgemein zur (umstrittenen) normtheoretischen Struktur der § 9 OWiG, § 14 StGB vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 9 Rn. 7 ff.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

kartellrechtlichen Pflichten der Gesellschaft treten.242 Man kann in diesem Zusammenhang von einer Pflichtenteilhabe sprechen.243 Dass tatsächlich eine eigene gesetzliche Pflichtenbindung des Geschäftsführers geschaffen wird, welche von dessen intern bestehender Legalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft zu trennen ist, zeigt der Umstand, dass nicht jeder Kartellrechtsverstoß im Außenverhältnis auch zu einer Verletzung der Legalitätspflicht im Innenverhältnis führen muss.244 Das Vorliegen kartellrechtlicher „Außenpflichten“ des Geschäftsführers wird weiter dadurch bestätigt, dass Dritte im Falle einer Kartellrechtsverletzung gem. § 33 Abs. 3 S. 1 GWB einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch nicht allein gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen den Geschäftsführer selbst geltend machen können.245 Die Frage, ob diese kartellrechtliche Pflichtenbindung auch auf den fehlerhaften Geschäftsführer erstreckt werden kann, wurde vom Gesetzgeber in § 9 Abs. 3 OWiG ausdrücklich selbst beantwortet. Hiernach ist § 9 Abs. 1 OWiG auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis des Vertreters begründen sollte, unwirksam ist.246 Die über § 9 Abs. 1 OWiG begründeten gesetzlichen Organpflichten des Geschäftsführers werden damit klar von der Wirksamkeit der Bestellung abgekoppelt. Im Hinblick darauf, dass die direkte Bindung des Geschäftsführers an die kartellrechtlichen Vorschriften nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern im Interesse Dritter bzw. im öffentlichen Interesse an der effektiven Durchsetzung der kartellrechtlichen Vorgaben erfolgt, erscheint dies auch sinnvoll. Im Ergebnis ergibt sich die kartellrechtliche Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers damit bereits durch bloße Gesetzesanwendung.

242 Eine eigene öffentlich-rechtliche Erfüllungspflicht ergibt sich für den Geschäftsführer in vielen Fällen bereits aus dem jeweiligen bereichsspezifischen Gesetz. Als Beispiel sei § 34 Abs. 1 AO genannt, wonach der gesetzliche Vertreter die steuerlichen Pflichten der juristischen Person zu erfüllen hat. Hier kommt den § 14 StGB/§ 9 OWiG allein die Funktion zu, die bereits bestehende Pflicht straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich abzusichern. Begründet das bereichsspezifische Gesetz hingegen keine Erfüllungspflicht des Vertreters, kommt den § 14 StGB/§ 9 OWiG über ihre bloß absichernde, auch eine pflichtbegründende Funktion zu. Vgl. hierzu Rogall, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 9 Rn. 19 sowie Radtke, in: MüKo, StGB, § 14 Rn. 26 ff. 243 So etwa Radtke, in: MüKo, StGB, § 14 Rn. 23 ff., welcher in dieser Teilhabe des organschaftlichen Vertreters an der unmittelbar den Vertretenen treffenden Pflicht den Strafgrund des § 14 StGB erblickt. 244 Eine abweichende Beurteilung kann sich insbesondere bei unsicherer Kartellrechtslage ergeben, vgl. hierzu Thole, ZHR 173 (2009), 504, 521 ff. 245 Vgl. Dreher, WuW 2009, 133, 137 ff.; Kapp/Gärtner, CCZ 2009, 168, 170. 246 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 9 Rn. 83.

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3. Zwischenergebnis und weitergehende Überlegungen Die Frage, ob die dem ordentlichen Geschäftsführer obliegenden Organpflichten bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung auch den hiernach niemals zum Organwalter gewordenen fehlerhaften Geschäftsführer träfen, ist differenziert zu beantworten. Eine umfassende Bindung des fehlerhaften Geschäftsführers an die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Organpflichten aus dem Organverhältnis (Organpflichten i. e.S.), ließe sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nicht begründen. Möglich wäre allein die Aufrechterhaltung klassischer Schutzpflichten, welche auch im einfachen Schuldverhältnis von der Vertragsnichtigkeit nicht erfasst werden. Entsprechend ihrer Funktion als Korrelat der gegebenen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgütersphäre der anderen Partei, dienen die Schutzpflichten dem Integritätsinteresse des Vertragspartners, d. h. der Bewahrung der vorhandenen Güterlage (status quo).247 Aus dem Schutzpflichtverhältnis ergäbe sich hiernach immerhin ein gewisser Schutz der Gesellschaft vor schädigenden Handlungen des faktisch in die Gesellschaftsorganisation eingebundenen fehlerhaften Geschäftsführers. Anders stellt sich die Lage hinsichtlich jener Organpflichten dar, die ihren Geltungsgrund nicht in der organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung, sondern im Gesetz finden (Organpflichten i.w.S.). Am Beispiel der Insolvenzantragspflicht hat sich gezeigt, dass es Sinn und Zweck der pflichtenbegründenden Norm ermöglichen können, auch den fehlerhaften Geschäftsführer in den Normadressatenkreis einzubeziehen. Dass der Gesetzgeber die Wirksamkeit der internen organschaftlichen Rechtsbeziehung zur Gesellschaft nicht notwendig zum Kriterium des Bestehens einer an den Geschäftsführer gerichteten gesetzlichen Organpflicht erhebt, bestätigt § 9 Abs. 3 OWiG, welcher für die Frage nach der kartellrechtlichen Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers relevant wurde. Aufgrund ihrer Stellung im allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht kommt der Norm auch über das Kartellrecht hinaus Bedeutung zu. In allen Fällen, in welchen sich über § 9 Abs. 1 OWiG eine Ausweitung und Anpassung einer an sich nur für die Gesellschaft geltenden bußgeldbewährten Pflicht auf ihren Geschäftsführer ergibt, gilt dies gem. § 9 Abs. 3 OWiG auch für den fehlerhaften Geschäftsführer.248 Der Regelungsmechanismus des § 9 OWiG findet sich zudem mit § 14 StGB auch im Strafrecht.249 Ist die Verletzung einer die Gesellschaft betreffenden Pflicht strafbewehrt (beispielsweise die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, vgl. § 266a StGB), so führt § 14 Abs. 1 StGB auch zur per247 Vgl. Canaris, JZ 1965, 475, 477 f.; Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, 27 ff.; Weller, Vertragstreue, 247 f., 255 f. 248 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 9 Rn. 83. 249 Vgl. Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 14 Rn. 1.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

sönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers.250 Nach § 14 Abs. 3 StGB gilt dies wiederum unabhängig von der Wirksamkeit des Bestellungsaktes und damit auch für den fehlerhaften Geschäftsführer.251 Auch wenn die Normadressateneigenschaft des fehlerhaften Geschäftsführers bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung im Grundsatz für jede pflichtenbegründende Norm gesondert geprüft werden müsste, wird hier bereits deutlich, dass im Unterschied zu den Organpflichten aus dem Organverhältnis die Geltung der gesetzlichen Organpflichten für den fehlerhaften Geschäftsführer auch ohne eine Suspendierung der Fehlerfolgen der Bestellung, jedenfalls in weiten Teilen, begründet werden könnte. II. Pflichten aus das Organverhältnis begleitenden Rechtsverhältnissen Zusätzlich zu den Pflichten aus dem Organverhältnis können sich für den Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft Pflichten aus einem gegebenenfalls bestehenden Anstellungs- oder Mitgliedschaftsverhältnis ergeben. Die Begründung eines Anstellungsverhältnisses ist von Gesetzes wegen zwar nicht zwingend veranlasst. Allein schon zur Regelung von Vergütungsansprüchen sowie aus steuerlichen Gründen ist der Abschluss eines Anstellungsvertrages mit dem Geschäftsführer in der Praxis jedoch üblich.252 Das Bestehen einer mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung ist zusätzlich dann anzunehmen, wenn es sich bei dem Geschäftsführer zugleich um einen Gesellschafter der GmbH handelt. In welchem Verhältnis die anstellungs- und mitgliedschaftlichen Pflichten zu den Organpflichten stehen, insbesondere ob deren Geltung zu einer gewissen Kompensation fehlender organschaftlicher Pflichten des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft führen kann, soll im Folgenden untersucht werden. 1. Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis a) Abgrenzung zu den Organpflichten des Geschäftsführers Bevor sich den anstellungsvertraglichen Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere der Frage zugewandt wird, ob die Parteien im Anstellungsvertrag auf die Organpflichten Bezug nehmen können und welche Folgen sich hieraus für den fehlerhaften Geschäftsführer ergeben, sei noch einmal betont, dass die dem Geschäftsführer zukommenden Organpflichten als solche nicht aus dem schuldrecht250

Vgl. Radke, in: MüKo, StGB, § 14 Rn. 6. Momsen, in: BeckOK, StGB, § 14 Rn. 57; Radke, in: MüKo, StGB, § 14 Rn. 117. 252 Vgl. Wisskirchen/Kuhn, in: BeckOK, GmbHG, § 6 Rn. 66; Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 78. 251

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lichen Anstellungsverhältnis, sondern entweder aus dem mit Bestellung begründeten Organverhältnis (Organpflichten i. e.S.) oder aus dem Gesetz resultieren (Organpflichten i.w.S.). Dass sich insbesondere die Pflicht des Geschäftsführers zur sorgfältigen Geschäftsleitung nicht erst aus dessen Anstellungsvertrag ergibt, sondern ihm bereits vermittels (wirksamer) Bestellung zum Organwalter obliegt, sollte mit Blick darauf, dass die Annahmebedürftigkeit der Bestellung gerade aufgrund ihrer pflichtenbegründenden Wirkung angenommen wird, feststehen.253 Sähe man den Geltungsgrund der Organpflichten im schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis, dürfte es auch die Konstellation, in welcher der ordentliche Geschäftsführer gänzlich ohne Anstellungsverhältnis für die Gesellschaft tätig wird, nicht geben. Dass es des Abschlusses eines Anstellungsverhältnisses nicht zwingend bedarf und der ordentliche Geschäftsführer auch in diesem Falle einer umfassenden organschaftlichen Pflichtenbindung unterliegt, entspricht jedoch der allgemeinen Meinung.254 Schließlich bestätigt sich die Annahme, dass die Organpflichten nicht im schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis wurzeln, in der Behandlung der Fälle, in welchen der wirksam bestellte und angestellte Geschäftsführer abberufen wird oder sein Amt niederlegt. Das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis wird von der mit wirksamer Abberufung oder Amtsniederlegung eintretenden Beendigung des Organverhältnisses in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt.255 Zwar wird sich der auf Abberufung oder Amtsniederlegung gerichteten Willenserklärung in vielen Fällen im Wege der Auslegung auch eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses entnehmen lassen.256 Bleibt das Anstellungsverhältnis nach Beendigung des Organverhältnisses jedoch (jedenfalls vorläufig) bestehen, vertritt zu Recht niemand, dass dem Geschäftsführer auch weiterhin die Erfüllung vermeintlich aus dem Anstellungsverhältnis resultierender organschaftlicher Pflichten obliege.257 Diskutiert wird allein, ob für den Geschäftsführer in einem solchen Falle das Recht oder die Pflicht bestehen kann, in

253

Dazu bereits oben 2. Kap. § 2 A. I. Vgl. Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 48; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 227; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 152. 255 Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 105; Grobys, NJW-Spezial 2005, 513, 513. 256 BGH, Urteil vom 24. 2. 1954 – II ZR 88/53, NJW 1954, 799, 799 = BGHZ 12, 337; BGH, Urteil vom 26. 10. 1955 – VI ZR 90/54, NJW 1955, 1917, 1917 = BGHZ 18, 334; Wicke, GmbHG, § 38 Rn. 13. Den Parteien steht es zudem frei das rechtliche Schicksal von Organ- und Anstellungsverhältnis durch Kopplungsklauseln zu verbinden, vgl. dazu Grobys/Glanz, NJWSpezial 2007, 129, 129 sowie Graf von Westphalen, BB 2015, 834, 838 ff. (kritisch im Hinblick auf § 307 BGB). 257 Vgl. Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177, 2182 f.; Harde, Die Abberufung, 278 f. die zu Recht darauf hinweisen, dass dem Geschäftsführer die Ausübung der Geschäftsführertätigkeit mit seiner Abberufung rechtlich unmöglich wird. 254

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

einer vergleichbaren Position unterhalb der Geschäftsführerebene weiterbeschäftigt zu werden.258 In einen gewissen Widerspruch zu diesen Ausführungen setzt sich die Rechtsprechung des BGH zum fehlerhaften Anstellungsverhältnis. Seit seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1964 entscheidet der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass auf ein fehlerhaftes Anstellungsverhältnis die zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze Anwendung finden.259 Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass der an sich zur anfänglichen Nichtigkeit führende Wirksamkeitsmangel des Anstellungsverhältnisses nur für Zukunft geltend gemacht werden kann, erscheint im Ergebnis auch überzeugend.260 Zur Begründung hat der BGH allerdings auch darauf abgestellt, dass der Organwalter bei der Geschäftsführung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unterliegen müsse, über vertrauliche Angaben Stillschweigen zu bewahren habe, Treuepflicht und Wettbewerbsverbot unterliegen müsse, bei Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals zur Einberufung der Hauptversammlung sowie bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zur Konkursantragsstellung verpflichtet sein müsse und schließlich, dass ihn die strafrechtliche und steuerliche Verantwortlichkeit zu treffen habe. Es sei unabweisbar, in allen diesen Hinsichten das fehlerhafte Anstellungsverhältnis ebenso zu behandeln, als ob ein gültiger Anstellungsvertrag vorläge. Man könne einer Gesellschaft, die jemanden ohne wirksamen Anstellungsvertrag als Organmitglied beschäftigt habe, unmöglich verwehren, auf Erfüllung der dem Anstellungsvertrag wesentlichen Pflichten zu bestehen und dem Betreffenden nicht gestatten, sich bei einer Verletzung dieser Pflichten darauf zu berufen, dass der Anstellungsvertrag unwirksam sei.261 Dass der fehlerhaft angestellte Organwalter im Falle der Verletzung der seitens des Gerichts aufgezählten Pflichten seiner Inanspruchnahme mit dem Einwand der anfänglichen Nichtigkeit des Anstellungsverhältnisses begegnen könnte und es, um ihm diesen Einwand zu nehmen, der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis bedarf, würde voraussetzten, dass alle vom BGH vorstehend genannten Pflichten ihren Geltungsgrund im schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis finden. Ebendies kann jedoch nicht angenommen werden.262 Sämtliche angeführten 258

Dazu Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177, 2182 f. Vgl. auch BGH, Urteil vom 25. 8. 1995 – II ZR 212/64, GmbHR 1966, 277, 277 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. 8. 1995 – 15 U 286/94, BeckRS 1995, 30996422. 259 BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282; BGH, Urteil vom 23. 10. 1975 – II ZR 90/73, NJW 1976, 145, 146 = BGHZ 65, 190; BGH, Urteil vom 16. 1. 1995 – II ZR 290/93, NJW 1995, 1158, 1159; BGH, Urteil vom 17. 9. 1998 – IX ZR 237/97, NJW 1998, 3567, 3567 = BGHZ 139, 309; BGH, Urteil vom 3. 7. 2000 – II ZR 282/ 98, NJW 2000, 2983, 2983. 260 Dazu noch unten 3. Kap. § 1 C. II. 2. b) sowie 3. Kap. § 2 A. 261 BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 = BGHZ 41, 282. 262 Vgl. Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 48; Reich, DB 1967, 1663, 1664 (Fn. 17); siehe auch Paefgen, in: Großkommentar, GmbHG, § 35 Rn. 41, Fn. 93

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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Pflichten ergeben sich für den Organwalter bereits ab dessen Bestellung, deren Wirksamkeit in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall auch nicht in Frage stand. Die Geltung der aus dem Organverhältnis entspringenden Organpflichten wird von der Nichtigkeit des Anstellungsverhältnisses nicht berührt, weil sich beide Rechtsverhältnisse in ihrem Bestand unabhängig voneinander beurteilen. Die aus dem Gesetz entspringenden Organpflichten knüpfen formal an die Stellung des Organwalters an, welche mit der Bestellung und nicht mit der Anstellung begründet wird. Auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit des Anstellungsvertrages wäre es dem Organwalter folglich nicht möglich, sich unter Berufung auf die Nichtigkeitsfolge seiner organschaftlichen Pflichtenbindung und Haftung zu entziehen.263 b) Anstellungsvertragliche Bezugnahme auf Organpflichten Ist hiernach klar, dass sich die Organpflichten des Geschäftsführers aus Organverhältnis oder Gesetz ergeben, bleibt zu klären, welche Pflichten von den Parteien im Anstellungsvertrag vereinbart werden können und in welcher Beziehung diese anstellungsvertraglichen Pflichten zu den organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers stehen. Unbestritten ist es Geschäftsführer und Gesellschaft zunächst möglich, solche Pflichten zu vereinbaren, welche lediglich eine Ergänzung des organschaftlichen Pflichtenprogramms darstellen.264 Zu denken ist etwa an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, eine Residenzpflicht oder die Verpflichtung in einer verbundenen Gesellschaft das Amt eines Aufsichtsratsvorsitzenden auszuführen.265 Ferner kann im Anstellungsvertrag eine nähere Konkretisierung der Pflichten des Geschäftsführers aus dem Organverhältnis erfolgen.266 Ob darüber hinaus auch die Organpflichten gegenüber der Gesellschaft insgesamt, insbesondere die allgemeine Geschäftsleitungspflicht des Geschäftsführers, zum Gegenstand des Anstellungsvertrages gemacht werden können, wird unter(Rechtsfolgen der Bestellung und Anstellung würden in wenig klarer Weise miteinander verwoben). 263 Die seitens des BGH hinsichtlich Pflichtenstellung und Verantwortung des Organwalters angestellten Erwägungen wären treffend gewesen, wenn es sich im der Entscheidung vom 6. 4. 1964 zugrunde liegenden Fall nicht um die fehlerhafte Anstellung, sondern um die fehlerhafte Bestellung des Organwalters gehandelt hätte. Hierin mag auch der Grund dafür liegen, dass die Entscheidung des BGH häufig als Beleg für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis herangezogen wird (so etwa von Dauner/Lieb, in: Henssler/Strohn, AktG, § 84 Rn. 13; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. 6. 2006 – II ZR 151/ 04, NZG 2006, 712, 715 = BGHZ 168, 188). 264 Vgl. Beiner/Braun, Der Vorstandsvertrag, Rn. 32. 265 Vgl. Jaeger, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 367 ff.; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 55. 266 Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 88; Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 110.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

schiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht soll diese Möglichkeit nicht gegeben sein. Weil sich aus der Bestellung nicht nur die Rechtsmacht zum Handeln mit Wirkung für die Körperschaft, sondern auch die Geschäftsleiterpflichten begründen, sei für eine parallel bestehende Geschäftsbesorgungspflicht aufgrund Dienstvertrags kein Raum.267 Allein der Umstand, dass sich die Organpflichten für den Geschäftsführer schon vermittels dessen Bestellung ergeben, zwingt jedoch nicht zu der Annahme, dass deren Erfüllung auf schuldrechtlicher Ebene nicht zusätzlich vereinbart werden kann. Die Frage, ob dieses Vorgehen rechtlich sinnvoll ist, ist von der Frage nach dessen rechtlicher Zulässigkeit streng zu trennen. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass die Parteien eines Rechtsverhältnisses bereits bestehende Rechte und Pflichten durch die Begründung weiterer vertraglicher Rechtsverhältnisse verdoppeln.268 Dementsprechend erscheint es auch hier überzeugender mit der herrschenden Auffassung davon auszugehen, dass Geschäftsführer und Gesellschaft die Pflicht zur Erfüllung von Organpflichten zusätzlich auch im Anstellungsvertrag festschreiben können.269 Können die Parteien hiernach die Erfüllung von Organpflichten auch im schuldrechtlichen Anstellungsvertrag vereinbaren, könnte sich hierdurch zugunsten der Gesellschaft für den Fall der fehlerhaften Bestellung eine Art Kompensation der verkürzten Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers auf korporationsrechtlicher Ebene ergeben. Wäre der fehlerhafte Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung zwar nicht aus dem Organverhältnis, aber immerhin noch auf schuldrechtlicher Ebene zur Erfüllung der Organpflichten, insbesondere zur sorgfältigen Geschäftsleitung verpflichtet, ergäben sich für die GmbH aus der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung mit Blick auf die Pflichtenstellung des fehlerhaften Geschäftsführers keine wesentlichen Nachteile. Gegen die Annahme einer solchen Pflichtenkompensation auf schuldrechtlicher Ebene spricht jedoch, dass die Parteien das Anstellungsverhältnis stets in Ergänzung des Organverhältnisses vereinbaren. Mit dem Anstellungsvertrag soll die persönliche Rechtsbeziehung des Betroffenen zur Gesellschaft gerade mit Blick auf dessen Eigenschaft als Mitglied des Leitungsorgans geregelt werden.270 Allein auf Grundlage 267

So Reuter, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 27 Rn. 4 f. sowie ders., in: Festschrift Zöllner, 487 ff. nach dessen Auffassung es sich bei dem Anstellungsvertrag sodann auch nicht um einen Dienstvertrag, sondern um einen Amtsführungsvertrag handelt, der auf Seiten des Organwalters die Pflicht zur Übernahme und Beibehaltung der Organstellung und auf Seiten des Verbandes die Obliegenheit begründe, dem Organwalter die Organstellung zu verschaffen und zu belassen. Ähnlich auch Krieger, Personalentscheidungen, 163 f. (Bestellung erzeuge Pflichten aus dem Amt, während Anstellungsvertrag Pflicht zum Amt begründe); zustimmend Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 236. 268 Jacoby, Das private Amt, 544. 269 Nach verbreiteter Ansicht soll sich die Pflicht, die organschaftlichen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft auszuführen, dem Anstellungsvertrag im Wege verständiger Auslegung sogar stets entnehmen lassen. Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 347, 349; Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 88. 270 Vgl. Beiner/Braun, Der Vorstandsvertrag, Rn. 32.

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des Anstellungsverhältnisses kann und darf der Betroffene nicht als Geschäftsführer der GmbH tätig werden.271 Die Entscheidung über die Person des Geschäftsführers obliegt dem Bestellungsorgan, welches seinen entsprechenden Willen durch Bestellung und Abberufung zu äußern hat. Wird der Geschäftsführer auf schuldrechtlicher Ebene zur Erfüllung seiner organschaftlichen Aufgaben verpflichtet, werden dessen wirksame Bestellung, insbesondere die ihm durch Bestellung vermittelte Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln sowie die ihm korrespondierend zu den Organpflichten zukommenden organschaftlichen Kompetenzen von den Parteien notwendig vorausgesetzt.272 Der rechtlichen Trennung von Organverhältnis und Anstellungsverhältnis zum Trotz, wirkt sich das Fehlen einer wirksamen Bestellung hiernach auf die Erfüllbarkeit der dem Betroffenen aus dem Anstellungsverhältnis zukommenden Pflichten aus. Sofern die im Anstellungsvertrag vereinbarten Pflichten von dem Betroffenen in seiner Stellung als Geschäftsführer erfüllt werden sollen, liegt in der fehlenden oder anfänglich nichtigen Bestellung ein Leistungshindernis, welches ihn rechtlich außerstande setzt die geschuldete Leistung zu erbringen.273 Vergleichbar dem Arzt ohne Approbation oder dem Kraftfahrer ohne Führerschein ist auch dem Geschäftsführer ohne Organstellung die Erfüllung solcher anstellungsvertraglicher Pflichten rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB).274 Für den fehlerhaften Geschäftsführer könnten sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung aus dem Anstellungsvertrag hiernach allein noch solche Pflichten ergeben, zu deren Erfüllung es nicht notwendig der Stellung als Geschäftsführer bedarf und deren Erfüllung nach dem ggf. durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Parteiwillen ausnahmsweise auch unabhängig von der wirksamen Bestellung zum Geschäftsführer geschuldet sein sollte. Aus der inhaltlichen Bezugnahme auf die dem Geschäftsführer obliegenden Organpflichten im Anstellungsvertrag ließe sich für die Pflichtenstellung des fehlerhaften Geschäftsführers demgegenüber nichts gewinnen. Die Verpflichtung zur sorgfältigen und gewissenhaften Wahrnehmung der dem Geschäftsführer als Organwalter zukommenden organschaftlichen Aufgaben steht und fällt mit dessen wirksamer Bestellung. 271

Soll die Bestellung dem Abschluss des Anstellungsvertrages nachfolgen und unterbleibt sie abredewidrig oder endet das Organverhältnis und bleibt der Anstellungsvertrag weiter bestehen, kommt für den Betroffenen allein auf Grundlage des Anstellungsverhältnisses lediglich eine Beschäftigung unterhalb der Organebene in Betracht. Vgl. Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn. 119; Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177, 2182 f. 272 Vgl. BGH, Urteil vom 11. 7. 1951 – II ZR 118/50, NJW 1951, 881, 882. 273 Vgl. Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 151 ff.; Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177, 2182; Harde, Die Abberufung, 278. Die Ausführungen beziehen sich jeweils auf das Schicksal der anstellungsvertraglichen Pflichten nach Abberufung des Geschäftsführers. Führt der Wegfall der Stellung als Organwalter zur rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung kann für den hier betrachteten Fall, in welchem die Stellung von Anfang an nicht wirksam begründet wurde, nichts anderes gelten. 274 Zur Unmöglichkeit der Leistung des angestellten Arztes ohne Berufsausübungserlaubnis vgl. BAG, Urteil vom 6. 3. 1974 – 5 AZR 313/73, DB 1974, 1168, 1168 f. Zur Unmöglichkeit der Leistung des Kraftfahrers ohne Fahrerlaubnis vgl. BAG, Urteil vom 18. 12. 1986 – 2 AZR 34/86, NJW 1987, 2837, 2838.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

2. Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis Handelt es sich bei dem Geschäftsführer zugleich um einen Gesellschafter der GmbH, bestehen gegenüber der Gesellschaft Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis.275 Inhaltliche Überschneidungen mit den Organpflichten des Gesellschafter-Geschäftsführers können sich im Bereich der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ergeben.276 Dem Gesellschafter-Geschäftsführer ist es beispielsweise nicht nur in seiner Eigenschaft als Mitglied des Leitungsorgans, sondern auch als Gesellschafter verboten, der Gesellschaft gebührende Geschäftschancen für sich selbst auszunutzen oder zum eigenen Nutzen „in die Gesellschaftskasse zu greifen“.277 Die Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ließe die allein an die Gesellschafterstellung des fehlerhaften Gesellschafter-Geschäftsführers anknüpfende mitgliedschaftliche Treuepflicht unberührt. Im Schnittbereich des organschaftlichen und mitgliedschaftlichen Pflichtenkreises des Gesellschafter-Geschäftsführers kann die mitgliedschaftliche Treuepflicht für die gegenüber der Gesellschaft verkürzte organschaftliche Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers hiernach einen gewissen Ausgleich schaffen. Die Größe der Schnittmenge, innerhalb derer eine Kompensation eintreten kann, darf allerdings nicht überschätzt werden.278 Vor allem eine allgemeine Pflicht zur sorgfältigen Leitung der Geschäfte der Gesellschaft lässt sich aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht nicht ableiten.279 3. Zwischenergebnis Zusätzlich zu den Organpflichten aus dem Organverhältnis können für den Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft Pflichten aus begleitenden Rechtsbeziehungen, namentlich einem Anstellungsverhältnis oder einem Mitgliedschaftsverhältnis resultieren. 275 276

1047.

Vgl. dazu bereits oben 2. Kap. § 1 C. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62; Fleischer, WM 2003, 1045,

277 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 353; a.A. Westermann, NJW 1982, 2870, 2870, nach welchem die Verletzungshandlung des fehlerhaften Umgangs mit Geldmitteln der Gesellschaft mit der Organstellung und nicht mit der Gesellschaftereigenschaft (im konkreten Fall der Kommanditisteneigenschaft des Geschäftsführers in einer GmbH & Co. KG) zusammenhängt. 278 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 354 (nur ausnahmsweise und gerade nicht typischerweise verletze Gesellschafter-Geschäftsführer neben seinen Geschäftsführerpflichten zugleich auch mitgliedschaftliche Treuepflicht). Zu weitgehend demgegenüber BGH, Urteil vom 28. 6. 1982 – II ZR 121/81, NJW 1982, 2869, 2869, welcher konstatiert, dass es Fälle geben möge, in welchen ein Verstoß gegen Geschäftsführerpflichten nicht ohne Weiteres auch eine Gesellschafterpflicht verletze und welcher das Regel-AusnahmeVerhältnis hierdurch gerade umkehrt. 279 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 353.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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Gegen die Annahme, dass die Parteien den Geschäftsführer auch im Anstellungsvertrag zur sorgfältigen und gewissenhaften Erfüllung der ihm als Organwalter zukommenden organschaftlichen Aufgaben verpflichten können, bestehen keine Bedenken. Der Geschäftsführer schuldet der Gesellschaft die Erfüllung der ihm obliegenden Organpflichten dann sowohl auf korporativer als auch auf schuldrechtlicher Ebene. Die Erfüllbarkeit der anstellungsvertraglichen Pflicht zur Wahrnehmung der organschaftlichen Aufgaben setzt die Bestellung zum Geschäftsführer allerdings notwendig voraus. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung entfiele die entsprechende anstellungsvertragliche Pflichtenbindung hiernach aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit. Die sich aus einer mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung ergebenden Pflichten des Gesellschafter-Geschäftsführers knüpfen demgegenüber allein an dessen Gesellschafterstellung an und werden von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung nicht berührt.

C. Rechte des fehlerhaften Geschäftsführers I. Organrechte Bei den dem ordentlichen Geschäftsführer zukommenden Organrechten handelt es sich nicht um subjektive Rechte im engeren Sinne, welche deren Träger zur Verwirklichung dessen individueller Freiheit gegeben sind. Die Organrechte sollen dem Geschäftsführer allein die sachgerechte Wahrnehmung der ihm obliegenden Organpflichten ermöglichen.280 Bereits aus dieser „dienenden“ Funktion der Organrechte wird deutlich, dass für die Annahme ihres Bestehens bei Fehlen entsprechender korrespondierender Organpflichten kein Raum ist. 1. Rechte aus dem Organverhältnis Für die aus dem Organverhältnis resultierenden Organpflichten des Geschäftsführers hat sich gezeigt, dass sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung eine umfassende Pflichtenbindung nicht begründen ließe. Angenommen werden könnte allein eine klassische Schutzpflichten enthaltende Sonderrechtsbeziehung zur Gesellschaft.281 Als Anknüpfungspunkt für korrespondierende Rechte kommen diese klassischen Schutzpflichten nicht in Betracht, da sie dem fehlerhaften Geschäftsführer nicht die Erfüllung organschaftlicher Aufgaben abverlangen, sondern lediglich als Ausgleich der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers auf die Rechtsgütersphäre der Gesellschaft deren Integritätsinteresse schützen sollen. Für die dem ordentlichen Geschäftsführer aus dem 280 281

Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 377. Dazu oben 3. Kap. § 1 B. I. 1.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Organverhältnis zukommenden organschaftlichen Rechte, insbesondere das Recht zur Geschäftsleitung, welches durch verschiedene Hilfsrechte, wie Teilnahme- oder Informationsrechte abgesichert wird,282 folgt hieraus, dass deren Bestehen bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung insgesamt nicht angenommen werden könnte. 2. Gesetzliche Organrechte Sofern der Gesetzgeber dem Geschäftsführer zur Erfüllung der an ihn gerichteten gesetzlichen Organpflichten auch entsprechende Rechte zuerkennt, stellt sich parallel zu den Organpflichten i.w.S. die Frage, ob der fehlerhafte Geschäftsführer in den Adressatenkreis der rechtsbegründenden Norm einbezogen werden könnte. Als Beispiel sei hier nur an das Recht des Geschäftsführers zur Stellung eines Insolvenzantrages gem. § 15 Abs. 1 S. 1 InsO erinnert, welches den Geschäftsführer erst in die Lage versetzt, im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft seiner gesetzlichen Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO nachzukommen. Die Möglichkeit, den fehlerhaften Geschäftsführer auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung in den Adressatenkreis der Norm einzubeziehen, wurde für § 15 Abs. 1 S. 1 InsO angenommen.283 Sofern es gerechtfertigt erscheint, den fehlerhaften Geschäftsführer als Normadressat einer gesetzlichen Organpflicht zu begreifen, liegt es nahe, ihn auch als Adressat der das korrespondierende Organrecht statuierenden Norm anzusehen. Am Recht zur Insolvenzantragsstellung nach § 15 Abs. 1 S. 1 InsO zeigt sich allerdings auch, dass das Bedürfnis einer entsprechenden Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers allein für die Zuerkennung eines zur Pflichterfüllung ggf. notwendigen korrespondierenden Organrechts noch nicht zwingend ausreichen muss. Das Recht zur Stellung des Insolvenzantrages konnte dem fehlerhaften Geschäftsführer hier erst mit Blick darauf zugestanden werden, dass dem Registergericht mit dem (fehlerhaften) förmlichen Bestellungsakt ein sicher handhabbares Kriterium an die Hand gegeben wäre, vermittels welchem es die Antragsberechtigung des Antragstellers in der gebotenen Kürze überprüfen könnte.284 II. Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers Der Geschäftsführer einer GmbH erhält für seine Tätigkeit regelmäßig eine im Anstellungsvertrag vereinbarte Vergütung.285 Sowohl für den Fremd- als auch den Gesellschafter-Geschäftsführer bilden die anstellungsvertraglichen Vergütungsan282 Vgl. Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 35 Rn. 12; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 62. 283 Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. I. 2. a). 284 Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. I. 2. a). 285 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 63.

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sprüche oft die wirtschaftliche Lebensgrundlage. Der Frage, wie sich die Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung auf dessen Vergütung auswirken würde, kommt daher insbesondere aus der Perspektive des fehlerhaften Geschäftsführers entscheidende Bedeutung zu. Wird der Geschäftsführer entgeltlich für die Gesellschaft tätig, handelt es sich bei seinem Anstellungsverhältnis um ein Dienstverhältnis, auf welches die §§ 323 ff., 611 ff. BGB grundsätzlich Anwendung finden.286 Wie sich bei Untersuchung der Pflichtenstellung des fehlerhaften Geschäftsführers gezeigt hat, wäre diesem bei Annahme der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung die Erfüllung der von seiner Seite geschuldeten Geschäftsführertätigkeit rechtlich unmöglich.287 Sofern die Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers insgesamt als Gegenleistung für dessen Tätigwerden als Organwalter vereinbart wurden, wovon regelmäßig auszugehen sein wird, könnte sich deren rechtliches Schicksal bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung mithin im Ganzen nach den allgemeinen Regeln über die Gegenleistungsgefahr bei Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung bestimmen (§ 326 BGB). 1. Anwendbarkeit des § 326 BGB Nicht anzuwenden wäre § 326 BGB allerdings dann, wenn sich aus § 38 Abs. 1 GmbHG eine speziellere Regelung hinsichtlich der Behandlung anstellungsvertraglicher Vergütungsansprüche des Geschäftsführers entnehmen ließe. Die Vorschrift bestimmt, dass die Bestellung des Geschäftsführers zu jeder Zeit widerruflich ist, dass dies jedoch unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen gilt. Für den abberufenen Geschäftsführer wurde aus § 38 Abs. 1 GmbHG vereinzelt ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Entschädigungsanspruch in Höhe der mit der Gesellschaft vereinbarten Bezüge abgeleitet.288 Wäre dem zu folgen und würden hiernach die Vergütungsansprüche des Geschäftsführers vom Wegfall dessen Organstellung nicht betroffen, könnte Gleiches für den hier betrachteten Fall anzunehmen sein, in welchem die Stellung als Organwalter von Anfang an nicht wirksam begründet wurde. Insbesondere mit Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Norm erscheint es allerdings überzeugender, in dem gesetzgeberischen Hinweis auf Entschädigungsansprüche des Geschäftsführers allein eine Verweisung auf die allgemeinen vertragsrechtlichen Vorschriften zu sehen.289 Die Vorschrift des § 38 Abs. 1 GmbHG steht der Anwendung des § 326 BGB hiernach nicht entgegen. 286

Vgl. Paefgen, in: Großkommentar, GmbHG, § 35 Rn. 382 ff. Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. II. 1. b). 288 So etwa Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 341 ff. 289 Der Hinweis auf fortbestehende Entschädigungsansprüche hat ausgehend von der entsprechenden Regelung für die Aktiengesellschaft (Art. 227 Abs. 3 ADHGB) über das Genossenschaftsrecht (§ 24 GenG) Eingang in das GmbHG von 1892 gefunden. Für die Aktiengesellschaft hat der Gesetzgeber bei Schaffung des AktG 1935 den Hinweis auf Entschädigungsansprüche klarstellend durch die ausdrückliche Verweisung „auf die allgemeinen 287

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Für die Konstellation der wirksamen Abberufung des Geschäftsführers bei Fortbestand des Anstellungsverhältnisses lässt sich die Anwendung des § 326 BGB ggf. durch die Annahme vermeiden, dass mit der Abberufung eine Änderung des Inhaltes des Anstellungsverhältnisses einhergeht.290 Sofern eine entsprechende Vereinbarung für die Zeit nach der Abberufung getroffen wurde oder sich ein entsprechender Wille der Parteien im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder aufgrund konkludenten Verhaltens feststellen lässt, kann hier von der Umwandlung des Anstellungsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis auszugehen sein, welches den ehemaligen Geschäftsführer fortan zur Leistung von Diensten unterhalb der Geschäftsführungsebene verpflichtet.291 Die Erfüllung unterhalb der Organebene angesiedelter Leistungspflichten bleibt dem ehemaligen Geschäftsführer weiterhin möglich, sodass § 326 BGB aufgrund des geänderten Pflichteninhalts nicht zum Zuge kommt. Jedenfalls sofern er nach Abberufung tatsächlich entsprechende Dienste für die GmbH erbringt, verliert der ehemalige Geschäftsführer sodann auch nicht seine Vergütungsansprüche.292 Der Situation des fehlerhaften Geschäftsführers ist die des ehemaligen Geschäftsführers nach Abberufung bei Fortbestand des Anstellungsverhältnisses ähnlich. Hier wie dort fehlt dem Betroffenen die Stellung als Mitglied des Leitungsorgans, welche es ihm ermöglichen würde, seine Pflicht zum Tätigwerden als Geschäftsführer zu erfüllen und hierdurch seine Vergütungsansprüche als Gegenleistung zu verdienen. Anders als im Falle der Abberufung kommt bei anfänglicher Nichtigkeit der Bestellung die Annahme einer Modifikation des Inhaltes des Anstellungsvertrages jedoch nicht in Betracht. Während sich nämlich für den ehemaligen Geschäftsführer die Frage stellt, ob und unter welchen Bedingungen er für die Gesellschaft eine neue Tätigkeit als leitender Angestellter aufnehmen muss, geht es für den fehlerhaften Geschäftsführer darum, dessen bereits erfolgtes Tätigwerden zu beurteilen. Nach Abberufung haben die Parteien die Möglichkeit sich auf den ggf. Vorschriften“ ersetzt, wie sie sich auch heute noch in § 84 Abs. 3 S. 5 AktG findet. Im GmbHG und GenG ist demgegenüber die alte Fassung erhalten geblieben. Den Vorschriften des § 38 Abs. 1 GmbHG sowie des § 24 Abs. 3 S. 2 GenG einen von § 84 Abs. 3 S. 5 AktG abweichenden Bedeutungsgehalt zuzumessen, kann mit Blick auf diese Entstehungsgeschichte sowie die Parallelität der im Hinblick auf die Fortgeltung von Vergütungsansprüchen des abberufenen Organwalters bestehenden Interessenlagen nicht überzeugen. Vgl. dazu Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 146 ff. m.w.N. 290 Unabhängig von einer solchen Inhaltsänderung, soll sich das Schicksal der Vergütungsansprüche des ehemaligen Geschäftsführers nach teilweise vertretener Ansicht insgesamt nach den Regeln des Annahmeverzugs und nicht nach § 326 BGB bestimmen. So etwa Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 250 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 6. Weil sich Unmöglichkeit und Annahmeverzug ausschließen (vgl. § 297 BGB) kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Vgl. Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 153 f. m.w.N. sowie unten Fn. 293. 291 Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 153; Nägele, BB 2001, 305, 307. 292 Erbringt der ehemalige Geschäftsführer entsprechende Dienste für die GmbH nicht, entscheidet sich das Schicksal seiner Vergütungsansprüche nach den Regeln über den Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). Vgl. Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 155 f.

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anzunehmenden geänderten Inhalt des Anstellungsverhältnisses einzustellen, d. h. insbesondere den konkreten neuen Aufgabenbereich des ehemaligen Geschäftsführers festzulegen, welchen die Gesellschaft diesem vor Aufnahme seiner Tätigkeit als leitender Angestellter sodann zuweisen muss.293 Für den fehlerhaften Geschäftsführer besteht eine entsprechende Möglichkeit nicht. Den Parteien hier nachträglich den Willen zu unterstellen, dass der fehlerhafte Geschäftsführer auf Grundlage des wirksamen Anstellungsvertrages als leitender Angestellter tätig werden sollte, wäre eine reine Fiktion. Für die Bestimmung des rechtlichen Schicksals der Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers ist hiernach der Blick auf § 326 BGB zu richten. 2. Vergütungsansprüche als Gegenleistung im Sinne des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB Nach Maßgabe des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB geht mit dem Wegfall der Leistungspflicht des Schuldners aufgrund Unmöglichkeit (§ 275 BGB) der Wegfall dessen Anspruches auf Gegenleistung einher. Sofern die Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers insgesamt als Gegenleistung der ihm bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung rechtlich unmöglichen Geschäftsführertätigkeit vereinbart wurden, folgt aus der Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB hiernach im Ausgangspunkt, dass sie vollständig entfallen. a) Erhaltung der Vergütungsansprüche nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB Ein anderes Ergebnis könnte sich allerdings aus der Anspruchserhaltungsnorm des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB ergeben. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung dann nicht entfällt, wenn der Gläubiger für den Umstand, aufgrund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Der Umstand, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht, ist vorliegend in der Fehlerhaftigkeit der Bestellung zu sehen. Bei Anerkennung deren anfänglicher Nichtigkeit bildet sie ein Leistungshindernis, welches den fehlerhaften Geschäftsführer außerstande setzt, als Organwalter für die Gesellschaft tätig zu werden. Für die Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB kommt es hiernach darauf an, ob die Gesellschaft die Fehlerhaftigkeit der Bestellung allein oder weit überwiegend zu verantworten hat.

293

Vgl. Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 155.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

aa) Anknüpfungspunkte für die Verantwortung des Gläubigers Nach welchen Maßstäben sich die Verantwortung des Gläubigers im Rahmen des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB bemisst, konnte bis heute noch keiner abschließenden Klärung zugeführt werden.294 Auch bei Anlegung strengster Maßstäbe bildet jedenfalls eine schuldhafte Vertragsverletzung des Gläubigers einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Annahme dessen Verantwortlichkeit i.S.d. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB.295 Für die Fälle, in welchen sich die Verantwortlichkeit des Gläubigers nicht bereits über eine entsprechende Anwendung der §§ 276, 278 BGB begründen lässt, wird teilweise die Ansicht vertreten, dass es der abstrakten Aufteilung der Verantwortung zwischen Schuldner und Gläubiger in verschiedene Risikosphären bedürfe. Der Gläubiger sei sodann für jene Leistungshindernisse verantwortlich, die aus der ihm zugewiesenen Risikosphäre entstammen (sog. Sphärentheorie).296 Die Verantwortlichkeit des Gläubigers von der Frage abhängig zu machen, ob er gegenüber dem Schuldner das Risiko für den Eintritt des Leistungshindernisses zu tragen hat, erscheint mit Blick auf den Charakter des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB als Gefahrtragungsnorm sachgerecht.297 Auch die auf Gläubigerseite auf das Vorliegen eines Annahmeverzuges abstellende Anspruchserhaltungsvorschrift des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB zeigt, dass es für den Übergang der Gegenleistungsgefahr nicht notwendig einer schuldhaften Pflichtverletzung des Gläubigers bedarf. Ausgehend von dem Gedanken, dass es in erster Linie Sache der Parteien ist zu bestimmen, welche Risiken sie jeweils zu tragen und welche Umstände sie damit zu verantworten haben, ist es im Rahmen des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB allerdings überzeugender, die Risikotragung des Gläubigers nicht anhand objektiver Kriterien über die abstrakte Abgrenzung verschiedener Sphären, sondern mit Blick auf das konkrete vertragliche Verhaltensprogramm zu ermitteln.298 In diesem Sinne stellt auch der BGH vorrangig darauf ab, ob der Gläubiger im Vertrag ausdrücklich oder 294 Vgl. Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 154. Gerade mit Blick auf die bei Bestimmung der Gläubigerverantwortlichkeit i.S.d. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB bestehenden Rechtsunsicherheiten wird für die Vergütungsansprüche des abberufenen Geschäftsführers vielfach insgesamt auf die Regeln des Annahmeverzugs verwiesen (vgl. insb. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 250 ff.). Weil sich Unmöglichkeit und Annahmeverzug ausschließen, kommt eine Anspruchserhaltung über die Regeln des Annahmeverzugs jedoch allein dann in Betracht, wenn sich aus dem Anstellungsverhältnis die Pflicht des ehemaligen Geschäftsführers zur Leistung von Diensten unterhalb der Organebene ableiten lässt. Anderenfalls verbleibt es bei der mit Abberufung eintretenden Unmöglichkeit der anstellungsvertraglich weiterhin geschuldeten Geschäftsführerleistung, sodass sich die Erhaltung der Vergütungsansprüche des ehemaligen Geschäftsführers nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB bemisst. Dass sich im Rahmen des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB Auslegungsschwierigkeiten ergeben, darf der Anwendung der Norm nicht entgegenstehen. 295 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 326 Rn. 14 f.; BGH, Urteil vom 11. 11. 2010 – III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916, 917. 296 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 87 ff.; Kronke, JuS 1984, 758, 760 ff. 297 Ernst, in: MüKo, BGB, § 326 Rn. 62. 298 Vgl. Ernst, in: Müko, BGB, § 326 Rn. 59 ff.

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konkludent das Risiko des betreffenden Leistungshindernisses übernommen hat.299 Von einer entsprechenden Risikotragung ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Gläubiger einen bestimmten Beitrag zum Erfüllungsgeschehen übernommen hat, ohne dessen vertragsgemäße Erbringung es dem Schuldner nicht möglich wäre, seine Leistung zu erbringen.300 In den hier betrachteten Fällen erscheint es bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung damit sinnvoll zu fragen, ob sich dem jeweiligen Anstellungsvertrag des fehlerhaften Geschäftsführers die vertragliche Übernahme der Geschäftsführerbestellung durch die Gesellschaft als notwendiger Beitrag zum Erfüllungsgeschehen entnehmen lässt. Teilweise findet sich in Anstellungsverträgen die ausdrückliche Verpflichtung der Gesellschaft zur Geschäftsführerbestellung.301 Die Vereinbarung einer solchen schuldrechtlichen Bestellungspflicht ist mit Blick auf den damit einhergehenden Eingriff in die Verbandsouveränität nicht unproblematisch. Andererseits existiert kein generelles Verbot innergesellschaftliche Entscheidungen und Maßnahmen zum Gegenstand schuldrechtlicher Vereinbarungen zu machen.302 Ob die Parteien eine entsprechende Verpflichtung der Gesellschaft begründen konnten, insbesondere ob dem auf Seiten der Gesellschaft handelnden Anstellungsorgan diesbezüglich Vertretungsmacht zukam, wäre hier im Einzelfall genau zu prüfen.303 Im Falle ihrer Wirksamkeit, wird man der Vereinbarung der schuldrechtlichen Bestellungspflicht die Übernahme des Risikos und damit der Verantwortung der Gesellschaft für die nicht ordnungsgemäße Geschäftsführerbestellung entnehmen können. Da es sich bei der Bestellung nicht um eine einseitige Gläubigerhandlung handelt, kann sich die Risikotragung der Gesellschaft allerdings von vornherein nur auf den Teil des Bestellungsgeschäftes beziehen, welcher von ihrer Seite vorzunehmen ist. Wäre die Fehlerhaftigkeit der Bestellung auf einen Wirksamkeitsmangel der Annahmeerklärung des fehlerhaften Geschäftsführers zurückzuführen, käme eine Pflichtverletzung auf Seiten der Gesellschaft nicht in Betracht. Die ausdrückliche Vereinbarung einer schuldrechtlichen Bestellungspflicht der Gesellschaft bildet die Ausnahme. In den verbleibenden Fällen könnte sich dem Anstellungsvertrag allerdings jedenfalls eine Obliegenheit der Gesellschaft zur Geschäftsführerbestellung entnehmen lassen, aus deren Bestehen auf eine entsprechende Risikoübernahme und Verantwortung für die ordnungsgemäße Geschäfts299

BGH, Urteil vom 13. 1. 2011 – III ZR 87/10, NJW 2011, 756, 758; BGH, Urteil vom 11. 11. 2010 – III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916, 917; BGH, Urteil vom 18. 10. 2001 – III ZR 265/00, NJW 2002, 595, 595. 300 Ernst, in: MüKo, BGB, § 326 Rn. 60. 301 Vgl. BAG, Urteil vom 8. 8. 2002 – 8 AZR 574/011, NZG 2002, 1177, 1177 ff. (betreffend die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages durch den Geschäftsführer wegen Nichteinhaltung der anstellungsvertraglichen Bestellungsvereinbarung durch die Gesellschaft). 302 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 23. 303 Grundlegend zu den Anforderungen, die an eine schuldrechtliche Bestellungsverpflichtung zu stellen sind vgl. Fleck, ZGR 1988, 104, 121 ff.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

führerbestellung geschlossen werden könnte. Mit Blick darauf, dass die Parteien das Anstellungsverhältnis gerade im Hinblick auf die Geschäftsführerstellung des Betroffenen abschließen und Letzterer ohne eine entsprechende Bestellung nicht in der Lage wäre, die vereinbarten Pflichten als Organwalter zu erfüllen, wird man von einer entsprechenden Bestellungsobliegenheit der Gesellschaft regelmäßig ausgehen können.304 Als Anknüpfungspunkt für die Verantwortlichkeit der Gesellschaft für das bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit bestehende Leistungshindernis der fehlerhaften Bestellung erscheint hiernach sowohl die Verletzung einer bestehenden schuldrechtlichen Bestellungspflicht als auch die Verletzung einer im Anstellungsvertrag übernommenen Bestellungsobliegenheit denkbar. Wie für die Bestellungspflicht bereits festgestellt wurde, wird man eine Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung allerdings nicht in jedem Fall der Fehlerhaftigkeit der Bestellung, sondern allein in solchen Fällen annehmen können, in welchen der Fehler auf Seiten der Gesellschaft zu verzeichnen ist. bb) Alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit Die Anspruchserhaltungsnorm des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB greift erst, wenn der Gläubiger für den Eintritt des Umstandes, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Ab einem gewissen Umfang kann die Mitverantwortung des Schuldners dem Übergang der Gegenleistungsgefahr mithin entgegenstehen. Mit der weit überwiegenden Verantwortlichkeit des Gläubigers soll ein Grad der Verantwortung umschrieben werden, welcher über § 254 BGB auch einen Schadensersatzanspruch ausschließen würde.305 304

Die Annahme einer solchen anstellungsvertraglichen Bestellungsobliegenheit ist auch für den abredewidrig nicht bestellten bzw. vorzeitig abberufenen Geschäftsführer relevant. Stellt sich die Nichtbestellung oder Abberufung als Obliegenheitsverletzung der Gesellschaft dar, kann sich hieraus über § 326 Abs. 2 S. 1 BGB die Aufrechterhaltung der Vergütungsansprüche des Betroffenen ergeben. Wie im Falle der vertraglichen Vereinbarung einer Bestellungspflicht ergibt sich auch hier über den Anstellungsvertrag mittelbar eine Beschränkung der Bestellungs- und Abberufungsfreiheit des Bestellungsorgans. Müssen die Mitglieder des Bestellungsorganes damit rechnen, dass dem Betroffenen die vereinbarten Vergütungsansprüche auch weiterhin zukommen, werden sie sich aus wirtschaftlichen Gründen vielfach zur Geschäftsführerbestellung bzw. zur Belassung des Geschäftsführers in der Geschäftsführerposition gezwungen sehen. In dem für das Schicksal des Anstellungsverhältnisses geltenden Verweis des § 38 Abs. 1 GmbHG auf die allgemeinen vertraglichen Vorschriften ist dieses Spannungsverhältnis jedoch ausdrücklich angelegt. Auch ist es den Parteien unbenommen für die Fälle des Auseinanderfallens zwischen Organ- und Anstellungsverhältnis durch vertragliche Vereinbarungen Vorsorge zu treffen. Schließlich führt die anstellungsvertragliche Übernahme einer entsprechenden Bestellungsobliegenheit auch noch nicht ohne Weiteres zur Aufrechterhaltung von Vergütungsansprüchen über § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB. Da die Vorschrift die weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit voraussetzt, kann sie insbesondere dann nicht greifen, wenn der Geschäftsführer seine Abberufung durch pflichtwidriges Verhalten selbst veranlasst hat. Vgl. Greger, in: Festschrift Boujong, 145, 155. 305 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 326 Rn. 14. Vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S. 187.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung müsste in diesem Zusammenhang insbesondere jeweils geklärt werden, wie sich die ggf. vorliegende Kenntnis oder das Kennenmüssen des fehlerhaften Geschäftsführers im Hinblick auf den Bestellungsmangel auswirkt. Denkbar erscheint es weiter bei der Bewertung der Mitverantwortung des Gesellschafter-Geschäftsführers andere Maßstäbe anzulegen, als bei jener des Fremd-Geschäftsführers. Hier soll es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass jedenfalls dann, wenn im konkreten Einzelfall auf Seiten der Gesellschaft die Verletzung einer anstellungsvertraglichen Bestellungspflicht oder Bestellungsobliegenheit angenommen werden kann und der fehlerhafte Geschäftsführer den Bestellungsmangel weder kannte noch erkennen musste, die Erhaltung seiner Vergütungsansprüche über § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB möglich wäre. b) Erhaltung der Vergütungsansprüche über Treu und Glauben Das Eingreifen des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB zugunsten des fehlerhaften Geschäftsführers erscheint letztlich als Frage des Einzelfalles. Bliebe es bei dem Wegfall der Gegenleistungspflicht, müsste der fehlerhafte Geschäftsführer der Gesellschaft die für sein bisheriges Tätigwerden erhaltene Vergütung nach Bereicherungsrecht zurückgewähren.306 Umgekehrt erhielte er bereicherungsrechtlichen Wertersatz für seine rechtsgrundlos geleisteten Dienste. Im Hinblick auf die Vergütung stellt sich die Situation des fehlerhaften Geschäftsführers bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung damit ebenso dar wie im Falle des fehlerhaft begründeten, aber vollzogenen Anstellungsverhältnisses. Hier hat der BGH entschieden, dass dem Betroffenen seine für sein bisheriges Tätigwerden erhaltenen Bezüge über die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis erhalten bleiben.307 Mit Blick auf den Vergütungsanspruch argumentiert der BGH überzeugend, dass sich die Arbeitsleistung eines Geschäftsleiters als bereicherungsrechtlicher Posten nicht sachgerecht erfassen lasse und dass die Rückzahlung bereits erhaltener Bezüge diesem in nicht hinnehmbarer Weise seine bisherige Existenzgrundlage nehmen könnte.308 Die Erwägungen treffen für den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer gleichermaßen. Weil sich das Nichtbestehen der Vergütungsansprüche jedoch nicht aus der drohenden Nichtigkeit des Anstellungsverhältnisses, sondern mittelbar über die anfängliche Nichtigkeit der Bestellung ergäbe, hilft die Anwendbarkeit der Grundsätze des 306 Die auf die Rücktrittsregeln verweisende Vorschrift des § 326 Abs. 4 BGB wäre vorliegend nicht einschlägig, weil sie voraussetzt, dass die Gegenleistung vor Erlöschen des Gegenleistungsanspruches erbracht wurde. Vgl. Ernst, in: MüKo, BGB, § 326 Rn. 18. 307 Vgl. nur BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282; BGH, Urteil vom 16. 1. 1995 – II ZR 290/93, NJW 1995, 1158, 1159; BGH, Urteil vom 17. 9. 1998 – IX ZR 237/97, NJW 1998, 3567, 3567 = BGHZ 139, 309. 308 BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 ff. = BGHZ 41, 282.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

fehlerhaften Arbeitsverhältnisses auf das fehlerhafte Anstellungsverhältnis dem fehlerhaft bestellten Geschäftsführer jedoch nicht weiter. Nähme man vermittels der hier ins Auge gefassten Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis eine Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung für die Vergangenheit vor, ergäbe sich aus der Fehlerhaftigkeit der Bestellung bis zu deren Geltendmachung kein Leistungshindernis, sodass dem fehlerhaften Geschäftsführer seine Vergütungsansprüche erhalten blieben. Belässt man es bei der Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung, erscheint es denkbar, es der Gesellschaft jedenfalls im Einzelfall nach Treu und Glauben zu verwehren, sich auf den Wegfall ihrer Gegenleistungspflicht zu berufen. Andererseits hat die bisherige Untersuchung der Rechtslage, die sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ergäbe, gezeigt, dass der fehlerhafte Geschäftsführer hier gegenüber der GmbH nicht der vollen Pflichtenbindung und Verantwortung eines ordentlich bestellten Geschäftsführers unterläge. Die Höhe der Vergütungsansprüche eines Geschäftsführers bestimmt sich jedoch gerade auch mit Blick auf die große Verantwortung, welche dieser innerhalb der Gesellschaft zu tragen hat.309 Würde man es der Gesellschaft nach Treu und Glauben verwehren, sich auf den Wegfall ihrer anstellungsvertraglichen Gegenleistungspflicht zu berufen, erschiene es umgekehrt nicht angemessen, dem fehlerhaften Geschäftsführer die Möglichkeit zuzugestehen, gegenüber der Gesellschaft, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Organhaftung,310 dessen bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit fehlende Stellung als Organwalter einzuwenden. Dem fehlerhaften Geschäftsführer diesen Einwand abzuschneiden, erschiene jedoch wiederum kritisch, weil ihm, wie gesehen, umgekehrt auch nicht die ggf. zur sachgerechten Aufgabenerfüllung notwendigen organschaftlichen Kompetenzen zukämen. Um die mit dem Wegfall von Vergütungsansprüchen des fehlerhaften Geschäftsführers einhergehende besondere Härte zu vermeiden, erschiene es vor diesem Hintergrund zwar nicht ausgeschlossen, einen Interessenausgleich zwischen den Parteien dadurch herbeizuführen, dass man es unter Heranziehung von § 242 BGB jeweils der einen oder anderen Seite verwehrt, sich auf die Fehlerhaftigkeit der Bestellung zu berufen. Der Rechtssicherheit wäre mit einer solchen, von reinen Billigkeitserwägungen im Einzelfall ausgehenden Lösung jedoch nicht gedient. 3. Zwischenergebnis Sofern die Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers insgesamt als Gegenleistung der ihm bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung rechtlich unmöglichen Geschäftsführertätigkeit vereinbart wurden, ergibt sich aus 309 310

BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1368 = BGHZ 41, 282. Dazu sogleich unten 3. Kap. § 1 D. I. 1.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich deren vollständiges Entfallen. Die dem fehlerhaften Geschäftsführer auf Grundlage des Anstellungsvertrages zugeflossene Vergütung wäre der Gesellschaft hiernach nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzugewähren. Für sein tatsächliches Tätigwerden käme dem fehlerhaften Geschäftsführer im Gegenzug allein ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Wertersatz zu. Dieses für den fehlerhaften Geschäftsführer harte Ergebnis würde bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung vermieden, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB angenommen werden kann. Dies erscheint als Frage des Einzelfalls. Im Übrigen bliebe zur Anspruchserhaltung allein der Weg über § 242 BGB.

D. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit Im nächsten Schritt der Untersuchung der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ergebenden Rechtslage, soll sich anhand einiger wesentlicher Haftungstatbestände der Reichweite der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers zugewandt werden. I. Innenhaftung 1. Allgemeine Organhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG Für den ordentlichen Geschäftsführer bildet die allgemeine Organhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG die zentrale Haftungsgrundlage gegenüber der Gesellschaft.311 Verletzt der ordentliche Geschäftsführer schuldhaft die ihm gegenüber der GmbH obliegenden Organpflichten aus dem Organverhältnis und ist der Gesellschaft hieraus ein Schaden entstanden, so hat er diesen, sofern nicht ausnahmsweise ein speziellerer Haftungsgrund greift, nach den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 GmbHG auszugleichen.312 In analoger Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG trifft den Geschäftsführer in Abweichung von der allgemeinen zivilprozessualen Beweislastverteilung die Beweislast dafür, dass er seine Pflichten erfüllt hat und dass er bei der Entscheidung, die zu dem Schaden der Gesellschaft geführt hat, nicht schuldhaft handelte oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßen Verhalten entstanden wäre.313 Hinsichtlich des Schadens kommen der GmbH zudem Erleichterungen der Substantiierungslast zugute. Hier wird es als ausreichend erachtet, wenn sie Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für die Schätzung des Schadens 311

Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 1. Vgl. Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 172, 177 f. 313 Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, § 8 Rn. 8; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 215; Haas/Ziemons, in: BeckOK, GmbHG, § 43 Rn. 315. 312

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

nach § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte bieten.314 Mit der Beweislastumkehr und den Beweiserleichterungen zugunsten der Gesellschaft stellt § 43 Abs. 2 GmbHG ein scharfes Schwert der Geschäftsführerhaftung dar.315 Wie im Rahmen der Pflichtenstellung des fehlerhaften Geschäftsführers bereits festgehalten wurde, begründet die Haftungsnorm des § 43 Abs. 2 GmbHG die Organpflichten, deren Verletzung sie sanktioniert, nicht selbst, sondern setzt deren Bestehen voraus.316 Die Frage, ob der fehlerhafte Geschäftsführer in den Adressatenkreis der Haftungsnorm des § 43 Abs. 2 GmbHG einbezogen werden kann, stellt sich hiernach grundsätzlich allein mit Blick auf die Sanktionierung der Verletzung klassischer Schutzpflichten, deren Bestehen über die Annahme eines von der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nicht berührten Schutzpflichtverhältnisses angenommen werden könnte.317 Da auch im schuldrechtlichen Bereich gesetzliche Haftungsmodifikationen auf das gesetzliche Schutzpflichtverhältnis ausgedehnt werden318 und die Interessenlage der Parteien im Hinblick auf die Beweislastverteilung nicht von der Wirksamkeit der Bestellung abhängt, erschiene die Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle der Verletzung von Schutzpflichten gegenüber der Gesellschaft sodann auch angemessen. Hat der fehlerhafte Geschäftsführer der Gesellschaft im Rahmen seiner tatsächlichen Geschäftsführungstätigkeit einen Schaden zugefügt und lässt sich sein Verhalten als Verletzung einer klassischen Schutzpflicht bewerten, könnte er hiernach auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG zur Verantwortung gezogen werden. Eine weitergehende Organhaftung des fehlerhaften Geschäftsführers ließe sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung allein über § 242 BGB erreichen. Wie bei der Beurteilung des Vergütungsanspruches des fehlerhaften Geschäftsführers bereits ausgeführt, erscheint es grundsätzlich denkbar, diesem (ebenso wie der Gesellschaft) je nach Lage des Einzelfalles aus Billigkeitserwägungen die Berufung auf die anfängliche Nichtigkeit der Bestellung nach Treu und Glauben zu versagen. Als genereller Lösungsansatz im Umgang mit der Problematik 314

Vgl. Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 271; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/ Müller, Haftung, § 9 Rn. 61; BGH, Urteil vom 4. 11. 2002 – II ZR 224/00, NZG 2003, 81, 83 = BGHZ 152, 280, 287. 315 Eine gewisse Erleichterung ergibt sich für den Geschäftsführer im Bereich unternehmerischer Entscheidungen. Seit der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244) ist anerkannt, dass dem Geschäftsleiter in Anlehnung an die business judgement rule des amerikanischen Rechts hier ein gewisser haftungsfreier unternehmerischer Ermessensspielraum eingeräumt werden muss, welcher nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Mit Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG durch das UMAG (BGBl. 2005 I, 2802) hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nachvollzogen. Auf den Geschäftsführer der GmbH findet die Vorschrift analoge Anwendung. Vgl. dazu Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 66 ff. 316 Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. I. 1. c). 317 Oben 3. Kap. § 1 B. I. 1. 318 Vgl. Canaris, JZ 1965, 475, 481.

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fehlerhafter Geschäftsführung erscheint der Rückgriff auf § 242 BGB jedoch ungeeignet. Belässt man es bei der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung muss es den Parteien jedenfalls grundsätzlich möglich sein, sich auf die tatsächliche Rechtslage auch zu berufen. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung kann eine allgemeine Organhaftung des fehlerhaften Geschäftsführers hiernach regelmäßig allein für den Fall der Verletzung gegenüber der Gesellschaft bestehender, klassischer Schutzpflichten in Betracht kommen. 2. Haftung aus das Organverhältnis begleitenden Rechtsbeziehungen Für die Verletzung anstellungsvertraglicher Pflichten haftet der ordentliche Geschäftsführer nach zutreffender Ansicht aus § 280 Abs. 1 BGB.319 Für den fehlerhaften Geschäftsführer gilt im Ausgangspunkt das Gleiche. Da sich allerdings gezeigt hat, dass sich die Fehlerhaftigkeit der Bestellung bei Anerkennung ihrer anfänglichen Nichtigkeit auf die Erfüllbarkeit der anstellungsvertraglichen Pflichten auswirken würde, müsste eine Vertragshaftung für die Verletzung solcher Pflichten, deren Erfüllung dem fehlerhaften Geschäftsführer mangels Stellung als Organwalter rechtlich unmöglich wäre, naturgemäß ausscheiden. Handelt es sich bei dem fehlerhaften Geschäftsführer um einen Gesellschafter der GmbH, so kann sich aus seiner Tätigkeit für die Gesellschaft eine Verletzung seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht ergeben.320 Da deren Bestand und Reichweite von der Wirksamkeit der Bestellung nicht abhängt, haftet der fehlerhafte GesellschafterGeschäftsführer aufgrund einer Treuepflichtverletzung im gleichen Umfang wie der ordentliche Gesellschafter-Geschäftsführer. Als Anspruchsinhaber kommt in erster Linie die Gesellschaft selbst in Betracht.321 Da eine mitgliedschaftliche Treuepflicht auch zwischen den Gesellschaftern besteht, ist zudem eine Haftung des fehlerhaften Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber den Mitgesellschaftern denkbar.322 Im 319

Für eine in Anspruchskonkurrenz zur allgemeinen Organhaftung des Geschäftsführers tretende anstellungsvertragliche Haftung des Geschäftsführers aus § 280 BGB etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1077 f.; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 6; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 18; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 346 ff. Der bei Annahme von Anspruchskonkurrenz entstehenden Gefahr einer Aushöhlung der Sonderverjährungsvorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG kann durch deren Übertragung auf den anstellungsvertraglichen Schadensersatzanspruch sachgerecht begegnet werden. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1078. Nach Ansicht des BGH soll § 43 Abs. 2 GmbHG als gesetzliche Anspruchsgrundlage und als Spezialregelung die vertragliche Haftung wegen Verletzung des Anstellungsvertrages demgegenüber in sich aufnehmen. Vgl. BGH, Urteil vom 12. 6. 1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255, 1256; BGH, Urteil vom 9. 12. 1996 – II ZR 240/95, NJW 1997, 741, 742; ebenso Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 193. 320 Vgl. dazu bereits oben 2. Kap. § 1 C. sowie 3. Kap. § 1 B. II. 2. 321 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. 9. 1998 – II ZR 175/97, NJW 1999, 781, 781. 322 Vgl. Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 168; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 30.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Verhältnis zur allgemeinen Organhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG stehen Ansprüche aus der Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht in echter Anspruchskonkurrenz.323 3. Deliktische Haftung Gleich dem ordentlichen Geschäftsführer trifft auch den fehlerhaften Geschäftsführer die in § 823 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende deliktische Jedermanns-Pflicht, verletzende Eingriffe in die absolut geschützten Rechtsgüter und Rechte anderer zu unterlassen. Verletzt der fehlerhafte Geschäftsführer im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit absolute Rechtsgüter der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter, kann er hiernach unabhängig von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung zur Verantwortung gezogen werden.324 In Betracht kommt weiter eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber der GmbH oder ihrer Gesellschafter aufgrund des Verstoßes gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaft ist etwa § 266 StGB (Untreue) anerkannt.325 Ist der Adressatenkreis des entsprechenden Schutzgesetzes begrenzt, ist im Wege der Auslegung oder Analogie326 zu bestimmen, ob der fehlerhafte Geschäftsführer als Pflichtiger im Sinne des Schutzgesetzes angesehen werden kann.327 So ergibt beispielsweise die Auslegung des § 266 StGB, dass für das Vorliegen des strafbegründenden persönlichen Merkmals einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht (vgl. § 28 Abs. 1 StGB) nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Betreuungsverhältnisses, sondern ungeachtet möglicher Wirksamkeitsmängel auf das Bestehen eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses über fremdes Vermögen abzuheben sein kann.328 Auch bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung könnte der fehlerhafte Geschäftsführer hiernach gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB zur Verantwortung gezogen werden.

323 Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 197; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 62; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 178; Terlau/Hürten, in: MAH GmbH-Recht, § 10 Rn. 157. 324 Inwieweit sich aus der Tätigkeit als Geschäftsführer eine Verletzung der als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannten Mitgliedschaft der Gesellschafter ergeben kann ist umstritten. Vgl. dazu Wagner, in: MüKo, BGB, § 823 Rn. 234 ff. 325 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62. 326 Stehen strafrechtliche Normen als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB in Rede, muss die Möglichkeit der analogen Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in den Adressatenkreis der Norm, aufgrund des im Strafrecht geltenden Analogieverbotes ausscheiden. 327 Für den Fall dass das Gesetz formal an die Geschäftsführerstellung anknüpft vgl. bereits oben 3. Kap. § 1 B. I. 2. 328 Dierlamm, in: MüKo, StGB, § 266 Rn. 163; Wittig, in: BeckOK, StGB, § 266 Rn. 27.

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Bei Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung kann ein deliktischer Anspruch der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter aus § 826 BGB gegeben sein. Ob die Verletzungshandlung des Schädigers als sittenwidrig im Sinne der Norm anzusehen ist, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Umstände, in welche die auf Vertrag oder Gesetz beruhende Pflichtenstellung des Schädigers gegenüber dem Geschädigten mit einfließt.329 Die Fehlerhaftigkeit der Bestellung kann im Rahmen des § 826 BGB hiernach im Einzelfall eine Rolle spielen. So hat etwa das OLGKoblenz einen Anspruch der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer aus § 826 BGB mit der Begründung angenommen, dass dieser durch die Niederlegung des Geschäftsführeramtes trotz des drohenden Zusammenbruchs der Gesellschaft das gebotene Mindestmaß an Rücksichtnahme auf die Belange der GmbH verletzt habe.330 Da den fehlerhaften Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hingegen gerade keine Leistungspflicht zur Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben träfe, sondern umgekehrt sogar ein Fall illegaler Leitung vorläge, könnte die Beendigung seiner Tätigkeit, auch in einem ungünstigen Zeitpunkt, kaum das Verdikt der Sittenwidrigkeit nach sich ziehen. Eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers aus § 826 BGB müsste bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung in einem derart gelagerten Fall abgelehnt werden. Im Verhältnis zur allgemeinen Organhaftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG stehen die deliktischen Ansprüche der GmbH in echter Anspruchskonkurrenz.331 4. Zwischenergebnis Hat der fehlerhafte Geschäftsführer der Gesellschaft im Rahmen seiner tatsächlichen Geschäftsführungstätigkeit einen Schaden zugefügt, käme eine Haftung nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 GmbHG bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung grundsätzlich allein dann in Betracht, wenn das schädigende Verhalten als Verletzung einer gegenüber der GmbH bestehenden klassischen Schutzpflicht gewertet werden kann. Auf Grundlage des Anstellungsvertrages könnte die GmbH den fehlerhaften Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung allein für die Verletzung solcher Pflichten zur Verantwortung ziehen, deren Erfüllung ausnahmsweise auch unabhängig von der Stellung des Betroffenen als Geschäftsführer geschuldet sein sollte. Für die Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers aufgrund der Verletzung seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht spielt die Wirksamkeit der Geschäftsführerbestellung demgegenüber keine Rolle. Der fehlerhafte Gesellschafter-Geschäftsführer haftet hier gleich seinem ordentlich bestellten Pendant. 329 330 331

Wagner, in: MüKo, BGB, § 826 Rn. 20. OLG Koblenz, Urteil vom 26. 5. 1994 – 6 U 455/91, NJW-RR 1995, 556, 557. Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Verletzt der fehlerhafte Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft oder ihren Gesellschaftern eine deliktische Jedermannspflicht, ergeben sich für dessen Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber dem ordentlichen Geschäftsführer keine Besonderheiten. Im Rahmen der Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz kann die Fehlerhaftigkeit der Bestellung dann eine Rolle spielen, wenn der Adressatenkreis des Schutzgesetzes begrenzt ist. Für die Geschäftsführerhaftung aus § 826 BGB kann sich die bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung gegenüber der Gesellschaft verkürzte Pflichtenstellung des fehlerhaften Geschäftsführers auf die Beurteilung der Sittenwidrigkeit seines Handels auswirken. II. Außenhaftung 1. Vertragliche Haftung Gegenüber Dritten kommt eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers aus Vertrag immer dann in Betracht, wenn dieser im Rahmen seiner Geschäftsführungstätigkeit ausnahmsweise eigene vertragliche Bindungen eingegangen ist. Zu denken ist etwa an die persönliche Übernahme einer Bürgschaft, die Vereinbarung eines Schuldbeitritts, die Abgabe einer Garantie oder die versehentliche Eingehung eines Eigengeschäfts (vgl. § 164 Abs. 2 BGB).332 Da sich die vertragliche Haftung an das Verhalten des fehlerhaften Geschäftsführers im Rechtsverkehr knüpft und damit unabhängig von der Wirksamkeit dessen Bestellung eintritt, ergeben sich gegenüber der Verantwortlichkeit des ordentlichen Geschäftsführers hier keine Besonderheiten. 2. Haftung aus culpa in contrahendo Tritt ein ordentlicher Geschäftsführer im Namen der GmbH zu einem Dritten in geschäftlichen Kontakt, kommt ein vorvertragliches Schuldverhältnis grundsätzlich allein zwischen der Gesellschaft und dem jeweiligen Geschäftspartner zustande. Für die Verletzung vorvertraglicher Verhaltenspflichten durch den Geschäftsführer hat hiernach im Ausgangspunkt gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 3, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 BGB analog allein die GmbH als Vertragspartnerin des vorvertraglichen Schuldverhältnisses einzustehen.333 332

Mit Blick auf den Auslegungsgrundsatz unternehmensbezogenen Handelns, nach welchem ein unternehmensbezogenes Geschäft auf ein Handeln im Namen des Geschäftsinhabers hindeutet (vgl. dazu Schubert, in: MüKo, BGB, § 164 Rn. 117 ff.), wird ein Eigengeschäft selten anzunehmen sein. Da sich das Handeln des fehlerhaften Geschäftsführers nach außen hin gleich dem eines ordentlichen Geschäftsführers darstellt, bestehen hinsichtlich der Anwendung der Auslegungsregel auf das Vertretungshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers keine Bedenken. 333 Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 232; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 313; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 55.

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Für die Verletzung vorvertraglicher Verhaltenspflichten der Gesellschaft durch den fehlerhaften Geschäftsführer gilt nichts anderes, da sich die GmbH, wie gesehen, das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln des fehlerhaften Geschäftsführers als ihres „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über § 31 BGB analog grundsätzlich auch dann zurechnen lassen müsste, wenn man die anfängliche Nichtigkeit der Bestellung anerkennt.334 Dass ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit den Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB ausnahmsweise auch zu einer Person entstehen kann, die selbst nicht Vertragspartei werden soll, hat der Gesetzgeber in § 311 Abs. 3 S. 1 BGB zum Ausdruck gebracht.335 Für die Eigenhaftung des ordentlichen Geschäftsführers aus culpa in contrahendo werden im Wesentlichen drei Fallgruppen diskutiert. Vereinzelt wird eine Eigenhaftung des Geschäftsführers aus culpa in contrahendo in der Konstellation befürwortet, dass dieser ausnahmsweise als Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist. Eine Haftung könne sich hier aus der Verletzung einer gegenüber dem Geschäftspartner bestehenden Aufklärungspflicht hinsichtlich des Nichtbestehens der Vertretungsmacht ergeben.336 Wäre diese Fallgruppe anzuerkennen, würde sie bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung gerade auch für den sodann stets als falsus procurator auftretenden fehlerhaften Geschäftsführer Bedeutung gewinnen. Nach der überzeugenden Gegenansicht bildet § 179 BGB für die Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht jedoch eine die zusätzliche Haftung aus culpa in contrahendo ausschließende Spezialregelung.337 Weitgehend anerkannt ist, dass sich eine Eigenhaftung des Geschäftsführers aus der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens ergeben kann, sofern dieses die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat (vgl. § 311 Abs. 2 S. 2 BGB).338 Über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus 334 Da der fehlerhafte Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung allerdings stets als falsus procurator zu qualifizieren wäre, müsste hier jeweils sichergestellt werden, dass ein vorvertragliches Schuldverhältnis zur Gesellschaft vermittels Rechtsschein oder Genehmigung tatsächlich zustande gekommen ist. 335 Die Vorschrift geht wie auch § 311 Abs. 2 BGB auf das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. 2001 I, 3181) zurück. Mit der Einführung der §§ 311 Abs. 2, 3 BGB hat der Gesetzgeber das zuvor gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsinstitut der culpa in contrahendo in Gesetzesform gegossen. Vgl. Schulze, in: Schulze u. a., BGB, § 311 Rn. 12. 336 So insbesondere Prölss, JuS 1986, 169, 172 ff. Ersetzt werden soll der Schaden, welcher dem Dritten durch den Mangel der Vertretungsmacht entstanden ist. Da es anderenfalls an einem solchen Schaden fehlt, stellt sich die Haftungsfrage mithin nur, wenn das Verhalten des falsus procurator dem Geschäftsherrn nicht auf andere Weise (Rechtsschein, Genehmigung) zugerechnet werden kann. 337 Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 177 Rn. 56 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 11. 11. 1992 – 26 W 15/92, MDR 1993, 515, 515; Leptien, in: Soergel, BGB, § 179 Rn. 23; a.A. Flume, Das Rechtsgeschäft, 805. 338 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 52; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 315; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 98.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

muss der Geschäftsführer beim Vertragspartner ein zusätzliches, von ihm selbst ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärung hervorgerufen haben.339 Da es anderenfalls jedem Fachmann zu raten wäre, sich aus Vertragsverhandlungen herauszuhalten, kann der Hinweis auf die „persönliche Sachkunde“ oder die „ganz besondere Sachkunde“ des Geschäftsführers für die Annahme besonderen persönlichen Vertrauens noch nicht genügen.340 Auch aus Erklärungen betreffend die Solvenz der Gesellschaft lässt sich eine Eigenhaftung aus dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme von Vertrauen nicht herleiten.341 Zu fordern ist vielmehr die Abgabe einer Erklärung im Vorfeld einer Garantieerklärung.342 Der Dritte muss erkennbar darauf vertrauen, dass der Geschäftsführer selbst die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung gewährleistet und der Geschäftsführer muss dieses Vertrauen nutzen, um den Dritten zum Geschäftsabschluss zu bewegen.343 Die Abgabe einer solchen garantieähnlichen Erklärung ist ohne Weiteres auch durch den fehlerhaften Geschäftsführer denkbar. Da sich der Geschäftsführer mit der Inanspruchnahme auf seine Person bezogenen Vertrauens gerade neben seine Rolle als Organwalter stellt,344 kann es auf die Wirksamkeit seiner Bestellung nicht ankommen.345 Schließlich wird die Eigenhaftung des Geschäftsführers aus culpa in contrahendo aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses diskutiert. 346 Überzeugende Kriterien zu dessen Bestimmung konnten bislang nicht entwickelt werden.347 Nicht ausreichend 339 BGH, Urteil vom 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2222 = BGHZ 126, 181; BGH, Urteil vom 1. 7. 1991 – II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312, 1314; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 311. 340 Medicus, EWiR 1993, 233, 234; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 316; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 107 ff. 341 BGH, Urteil vom 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2222 = BGHZ 126, 181; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 235; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 314; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 102 ff.; a.A. K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1503; ders., Gesellschaftsrecht, 1089, welcher die These zur Diskussion stellt, dass sich das Vertrauen des Vertragsgegners hinsichtlich der Solvenz der Gesellschaft stets auf den Geschäftsführer als Repräsentanten der GmbH richte, sodass dieser als „Vertrauensträger kraft Amtes“ aus c.i.c. hafte, wenn er eine die Solvenz der Gesellschaft betreffende Informationspflicht schuldhaft verletzt. 342 BGH, Urteil vom 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2222 = BGHZ 126, 181; Goette, Die GmbH, § 8 Rn. 235; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 316. 343 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 316. 344 So die treffende Formulierung von Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 112: „Er [Der Geschäftsführer] beschränkt sich nicht mehr auf seine Rolle als Organ der Gesellschaft, sondern tritt neben diese […].“ Vgl. auch Lutter, GmbHR 1997, 329, 330. 345 Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 167. 346 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Sandberger, Die Außenhaftung des GmbHGeschäftsführers, 55 – 98. 347 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 320; kritisch auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 72.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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sind jedenfalls die kapitalmäßige Beteiligung des Geschäftsführers an der GmbH348 sowie die Bestellung dinglicher Sicherheiten zugunsten der Gesellschaft oder die Übernahme einer Bürgschaft durch den Geschäftsführer.349 Ob an der Fallgruppe des wirtschaftlichen Eigeninteresses überhaupt festgehalten werden sollte ist zweifelhaft.350 Hält man eine Eigenhaftung des Geschäftsführers aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses grundsätzlich für möglich, werden die Kriterien zur Begründung eines solchen jedenfalls außerhalb der Stellung des Betroffenen als Geschäftsführer zu suchen sein. Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Wirksamkeit der Bestellung für eine Eigenhaftung des Geschäftsführers aus culpa in contrahendo insgesamt unerheblich ist. Gegenüber dem ordentlichen Geschäftsführer ergäben sich für die Einstandspflicht des fehlerhaften Geschäftsführers aus culpa in contrahendo auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung damit keine Unterschiede. 3. Haftung als falsus procurator, § 179 BGB Eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber Dritten kann sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung weiter aus § 179 BGB ergeben. Im Verhältnis zum Geschäftsgegner weist § 179 BGB das Risiko fehlender Vertretungsmacht dem Vertreter zu.351 Das Vertretungshandeln im Namen eines anderen ruft bei dem Geschäftsgegner regelmäßig das Vertrauen in das Zustandekommen des Vertretergeschäfts mit dem Geschäftsherrn hervor. Wird dieses Vertrauen enttäuscht, weil das Vertretergeschäft den Geschäftsherrn mangels Vertretungsmacht nicht bindet, so hat der Vertreter hierfür grds. nach § 179 BGB in Form einer verschuldensunabhängigen Garantenhaftung einzustehen.352 Während der ordentliche Geschäftsführer nur ausnahmsweise aufgrund der Überschreitung seiner Vertretungsmacht als falsus procurator gem. § 179 BGB zur Rechenschaft zu ziehen sein kann, würde der fehlerhafte Geschäftsführer bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung wie gesehen stets als Vertreter ohne Vertretungsmacht handeln. Zu beachten ist allerdings, dass der Geschäftsgegner trotz fehlender Vertretungsmacht eines Schutzes über § 179 BGB generell nicht bedarf, wenn das Vertretergeschäft mit dem Geschäftsherrn auf andere 348 BGH, Urteil vom 23. 10. 1985 – VIII ZR 210/84, NJW 1986, 586, 587 f.; a.A. noch BGH, Urteil vom 27. 10. 1982 – VIII ZR 187/81, NJW 1983, 676, 677. 349 BGH, Urteil vom 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2221 = BGHZ 126, 181; a.A. noch BGH, Urteil vom 8. 10. 1987 – IX ZR 143/86, NJW-RR 1988, 615, 616. 350 Für die Aufgabe der Fallgruppe plädieren etwa Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 98; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 320; ähnlich Lutter, GmbHR 1997, 329, 330. 351 Vgl. Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 179 Rn. 1; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 535. 352 Schramm, in: MüKo, BGB, 6. Auflage, 2012, § 179 Rn. 1; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 179 Rn. 1; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 179 Rn. 1.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Weise zustande gekommen ist.353 Wäre der GmbH das Vertretungshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung über § 15 Abs. 3 HGB, in analoger Anwendung der Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht oder vermittels einer Genehmigung nach § 177 BGB zuzurechnen, müsste eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers über § 179 BGB mithin ausscheiden. Anderenfalls wäre weiter zu differenzieren. Scheiterte die Zurechnung des Vertretungshandelns aus Rechtsscheingesichtspunkten an der Bösgläubigkeit des Dritten, so stünde diese nach § 179 Abs. 3 S. 1 BGB auch einer Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers als falsus procurator entgegen. Nach der Vorschrift ist eine Einstandspflicht des Vertreters ohne Vertretungsmacht nicht begründet, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste.354 Für eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers gem. § 179 BGB verblieben hiernach die Fälle, in welchen sich der gutgläubige Geschäftsgegner seinem Wahlrecht entsprechend gegen die Inanspruchnahme eines Rechtsscheinschutzes entschiede und die Gesellschaft ihrerseits das Vertretergeschäft nicht genehmigt. Der Umfang der Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers würde sich sodann danach bestimmen, ob dem fehlerhaften Geschäftsführer die Fehlerhaftigkeit der Bestellung bekannt war oder nicht. In den meisten Fällen wird der fehlerhafte Geschäftsführer die Geschäftsführungstätigkeit im Glauben an die Wirksamkeit seiner Geschäftsführerstellung wahrnehmen. Hat er hiernach den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, wäre seine Haftung als falsus procurator gem. § 179 Abs. 2 BGB auf den Ersatz des negativen Interesses begrenzt.355 War der fehlerhafte Geschäftsführer bezüglich des Bestehens der eigenen Vertretungsmacht hingegen bösgläubig, so würde er dem Geschäftsgegner gem. § 179 Abs. 1 BGB nach dessen Wahl auf Erfüllung oder das Erfüllungsinteresse haften.356 4. Deliktische Haftung Von besonderer Bedeutung für den Rechtsverkehr ist schließlich die Frage, wie sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung die Reichweite der deliktischen Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers im Außenverhältnis bestimmen würde.

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Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 179 Rn. 6. Vgl. Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 179 Rn. 9; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 179 Rn. 28. 355 Wie im Rahmen des § 122 BGB ist das negative Interesse höchstens bis zur Höhe des Erfüllungsinteresses zu ersetzen. Vgl. Schubert, in: MüKo, BGB, § 179 Rn. 50; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 179 Rn. 8. 356 Vgl. Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 179 Rn. 5; Schubert, in: MüKo, BGB, § 179 Rn. 34; Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 179 Rn. 19. 354

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

123

a) § 823 Abs. 1 BGB aa) Haftung für unmittelbare Rechtsgutsverletzung Steht die unmittelbare Beteiligung an der Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter eines Dritten im Raum, gestaltet sich die Eigenhaftung des ordentlichen wie auch des fehlerhaften Geschäftsführers unproblematisch. Sind auch die übrigen Voraussetzungen des Deliktstatbestandes erfüllt, trifft sie eine deliktische Eigenhaftung gem. § 823 Abs. 1 BGB aufgrund des Verstoßes gegen die Jedermann obliegende deliktische Pflicht, verletzende Eingriffe in die absolut geschützten Rechtsgüter und Rechte anderer zu unterlassen.357 Auf die Wirksamkeit der internen Geschäftsführerbestellung kann es hier naturgemäß nicht ankommen. Auch kann die auf das Geschäftsführerhandeln des ordentlichen wie des fehlerhaften Geschäftsführers Anwendung findende Zurechnungsnorm des § 31 BGB zu keiner Enthaftung führen.358 Verursachte der (ordentliche oder fehlerhafte) Geschäftsführer beispielsweise auf einer Dienstfahrt schuldhaft einen Autounfall, so ändert die parallel bestehende Einstandspflicht der GmbH gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 31 BGB analog nichts an der Eigenhaftung des Geschäftsführers aus § 823 Abs. 1 BGB.359 bb) Haftung für mittelbare Rechtsgutsverletzung Schwieriger ist die Frage nach einer eigenen deliktischen Einstandspflicht zu beantworten, wenn es um die rechtliche Einordnung einer lediglich mittelbaren Rechtsgutsverletzung geht. Sofern sie fahrlässig erfolgt sind, begründen mittelbare Eingriffe in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter nur dann eine Haftung aus unerlaubter Handlung, wenn die vermeintliche Verletzungshandlung als Verstoß gegen eine deliktische Verkehrspflicht gewertet werden kann.360 Ist ein solcher nicht anzunehmen, stellt sich der mittelbare Eingriff lediglich als Rechtsgutsgefährdung dar, welche aufgrund ihrer Entfernung zum Verletzungserfolg 357

Die gilt unabhängig davon, ob ihnen die unmittelbare Rechtsverletzung als (Mit-)Täter anzulasten ist oder ob ihnen lediglich die Rolle eines Anstifters oder Gehilfen zukam (§ 830 BGB). Vgl. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 321. 358 Schöpflin, in: BeckOK, BGB, § 31 Rn. 27; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 466 f.; BGH, Urteil vom 5. 12. 1989 – VI ZR 335/88, NJW 1990, 976, 977 = BGHZ 109, 297. 359 Für den ordentlichen Geschäftsführer ergibt sich ein anderes Ergebnis selbst nach der reinen Organtheorie von Gierkes nicht (vgl. dazu auch Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 122). Aus dem Umstand, dass die Gesellschaft durch ihre Organe handelt, möchte von Gierke keine vollständige Enthebung des Organwalters aus dessen persönlicher Verantwortung ableiten. Das Körperschaftsdelikt lasse vielmehr stets einen Rest von selbstständiger Individualverschuldung stehen. Vgl. von Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 768 f. 360 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 23 ff., 374; Medicus, ZGR 1998, 570, 572. Die mittelbare Rechtsgutsverletzung kann sowohl durch positives Tun als auch durch Unterlassen erfolgen. Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 38 (Unterlassen als historischer Urtyp der bloß mittelbaren Rechtsverletzung).

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

(dieser wird erst durch weitere Zwischenursachen vermittelt) für sich genommen eine Haftung noch nicht rechtfertigt.361 Zur Erfassung der deliktischen Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers für mittelbare Eingriffe in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter ist mithin zu klären, inwieweit diesen im Rahmen der Wahrnehmung von Geschäftsführungstätigkeiten eigene deliktische Verkehrspflichten treffen. Hierbei bietet es sich an, zunächst das Bestehen deliktischer Verkehrspflichten des ordentlichen Geschäftsführers zu untersuchen. Knüpfen sich diese an dessen interne Pflichtenbindung gegenüber der Gesellschaft, können sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung für den fehlerhaften Geschäftsführer Unterschiede in der Haftung ergeben. Liegen sie demgegenüber in dessen Verhalten im Rechtsverkehr begründet, gestaltet sich die deliktische Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers auch im Rahmen mittelbarer Rechtsgutsverletzungen parallel. Unter welchen Voraussetzungen eigene deliktische Verkehrspflichten des ordentlichen Geschäftsführers anzunehmen sind, ist umstritten. Insbesondere besteht Uneinigkeit bezüglich des Verhältnisses der Verkehrspflichten des Geschäftsführers zu jenen der GmbH. Im Ausgangspunkt ist davon auszugehen, dass bei der Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr entstehende deliktische Verkehrspflichten zunächst die GmbH selbst treffen.362 Dies gilt insbesondere für die Pflicht den Betrieb derart zu organisieren, dass keine vermeidbaren Drittschäden verursacht werden (allgemeine Organisationspflicht).363 Verletzt der Geschäftsführer diese der GmbH obliegenden Verkehrspflichten, so kann der Gesellschaft dessen schuldhaftes Verhalten über § 31 BGB analog zugerechnet werden. Die Verkehrspflicht der juristischen Person und das schuldhafte Verhalten des Organwalters addieren sich hierdurch zum Eigendelikt der juristischen Person.364 Ob der Geschäftsführer zusätzlich auch selbst haftet, ist für die deliktische Verantwortung der juristischen Person ohne Belang. Von einem solchen Eigendelikt des Organwalters als „Anknüpfungstat“ ist die Verkehrspflichthaftung der juristischen Person mangels Akzessorietät nicht abhängig.365 Die Annahme persönlicher deliktischer Verkehrspflichten des Geschäftsführers neben jenen der Gesellschaft ist mithin nicht bereits durch das Haftungskonzept der

361

Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 374. Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 475. 363 Vgl. Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 471. 364 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 238 ff., 479; zustimmend Medicus, ZGR 1998, 570, 576. 365 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 77; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 238 ff., 478 f.; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 24; a. A.: Altmeppen, ZIP 1995, 881, 887 f.; ders., in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 61 nach welchem die Haftung der juristischen Person über § 31 BGB tatbestandlich die Haftung des Organs voraussetzt. 362

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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juristischen Person veranlasst. Zu ihrer Rechtfertigung bedarf es vielmehr „besonderer Gründe“. In seiner viel kritisierten Baustoff-Entscheidung366 hat der 6. Zivilsenat des BGH dem Geschäftsführer deliktische Verkehrspflichten gegenüber Dritten zugewiesen, soweit sich sein Aufgabenbereich auf die Wahrnehmung deliktischer Integritätsinteressen Dritter erstrecke. Dem Geschäftsführer komme insoweit eine deliktische Garantenstellung zu.367 Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht gefolgt werden. Die im Innenverhältnis bestehenden Organpflichten dürfen nicht einfach als deliktische Verkehrspflichten in das Außenverhältnis projiziert werden.368 Anderenfalls würde der Grundsatz, nach welchem Organisationspflichten der Organmitglieder nur der Gesellschaft gegenüber bestehen, praktisch aus den Angeln gehoben.369 Die Anknüpfung deliktischer Verhaltenspflichten an den internen Aufgabenbereich des Geschäftsführers kann auch nicht durch den Gedanken der „Übernahmehaftung“ gerechtfertigt werden.370 Zwar ist es im Bereich der gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Verkehrspflichten anerkannt, dass Dritte zu ihrer Erfüllung eingeschaltet werden können, wodurch sich der Verantwortungsbereich des Erstverpflichteten verschmälert und eigene deliktische Verhaltenspflichten des Dritten begründet werden.371 Der Geschäftsführer steht der Gesellschaft jedoch nicht wie ein Dritter gegenüber. Die hinter der Übernahmehaftung stehenden Erwägungen, insbesondere der Umstand, dass der Erstverpflichtete im Vertrauen auf die Pflichterfüllung durch den Zweitverpflichteten auf eigene Sicherungsmaßnahmen verzichtet,372 passen im Verhältnis der juristischen Person zu ihren Organwaltern nicht. Nimmt der Geschäftsführer die deliktischen Verhaltenspflichten der GmbH wahr, so ist dieses Verhalten der GmbH in organspezifischer Weise als eigenes zuzurechnen. Die Aufgabenwahrnehmung durch den Geschäftsführer stellt sich hiernach als Aufgabenwahrnehmung der GmbH selbst dar. Zu einer Delegierung von Ver366

BGH, Urteil vom 5. 12. 1989 – VI ZR 335/88, NJW 1990, 976 ff. = BGHZ 109, 297. BGH, Urteil vom 5. 12. 1989 – VI ZR 335/88, NJW 1990, 976, 977 f. = BGHZ 109, 297. 368 Vgl. Dreher, ZGR 1992, 22, 38 nach dessen Ansicht die Garantenstellung nichts anderes sei „als der – vergebliche – Versuch, gesellschaftsinterne Pflichtverletzungen haftungsrechtlich zu externalisieren“; zustimmend Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 155. 369 In diesem Sinne auch der 2. Zivilsenat des BGH (Urteil vom 13. 4. 1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801, 1803 = BGHZ 125, 366) in einem obiter dictum. Eine abschließende Stellungnahme zur Linie des 6. Zivilsenats ist bislang nicht erfolgt. 370 So auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 77; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 474 ff.; Medicus, ZGR 1998, 570, 575 f.; a.A.: Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 421; Grunewald, ZHR 157 (1993), 451, 456 f. (bezogen auf Verkehrssicherungspflichten gegenüber der Allgemeinheit). 371 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. 1. 1989 – VI ZR 186/88, NJW-RR 1989, 394, 395. 372 Siehe dazu BGH, Urteil vom 6. 10. 1958 – III ZR 175/57, NJW 1959, 34, 35; BGH, Urteil vom 17. 1. 1989 – VI ZR 186/88, NJW-RR 1989, 394, 395. 367

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

kehrspflichten auf eine andere Person kommt es hierdurch nicht.373 Bestätigt wird dieses Ergebnis mit Blick darauf, dass die Aufgabenzuweisung an den Geschäftsführer für die Gesellschaft nicht entlastend wirkt. Übertrüge die GmbH die Wahrnehmung deliktischer Verkehrspflichten gegenüber der Allgemeinheit auf einen externen Unternehmer, so würde sich ihre Verkehrspflicht zu einer bloßen Auswahlund Überwachungspflicht verengen. Bei der Aufgabenwahrnehmung durch den Geschäftsführer bleibt sie hingegen voll verantwortlich.374 Abzulehnen ist schließlich auch der Versuch, aus dem Berufsbild des Managers „allgemeine berufliche Rechtspflichten“ des Geschäftsführers abzuleiten.375 Abgesehen von der Unbestimmtheit einer solchen deliktsrechtlichen Figur der „Berufshaftung“376 erscheint die Professionalität einer Tätigkeit als pflichtbegründender Faktor wenig überzeugend.377 Allein aus dem Innenverhältnis zur GmbH oder dem äußeren Erscheinungsbild der Geschäftsführerstellung lassen sich deliktische Verkehrspflichten des Geschäftsführers mithin nicht begründen. Einem restriktiven Ansatz im Schrifttum folgend ist eine eigene deliktische Verantwortung des Geschäftsführers vielmehr allein dann anzunehmen, wenn dieser ausnahmsweise in eigener Person einen der anerkannten Entstehungstatbestände für deliktische Verkehrspflichten verwirklicht. Zu denken ist hierbei insbesondere an die eigenhändige Schaffung einer Gefahrenquelle oder die Übernahme einer Beschützergarantenstellung durch die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens.378 Dass es hiernach in den meisten Fällen bei der alleinigen deliktischen Verkehrsund damit Einstandspflicht der juristischen Person bleiben wird, steht im Einklang mit der gesetzgeberischen Grundkonzeption der Geschäftsführerhaftung als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft (vgl. § 43 Abs. 2 GmbHG).379 Auch der Umstand, dass die Geschädigten im Regelfall allein auf den Haftungsfonds der Gesellschaft angewiesen sind, ist unbedenklich. Das vom Opfer zu tragende Insol-

373

575 f.

Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 435 ff.; Medicus, ZGR 1998, 570,

374 Vgl. Krebs/Dylla-Krebs, DB 1990, 1271, 1274; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 437. 375 So aber v. Bar, in: Festschrift Kitagawa, 279, 293 f. 376 Vgl. Spindler, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 13 Rn. 15. 377 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 433; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 409; Canaris, in: Festschrift Larenz, 1983, 27, 83. 378 Vgl. näher Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 457 ff.; Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 24. 379 Allgemein zum Grundsatz der Haftungskonzentration bzw. -kanalisierung nach innen vgl. Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 283 ff.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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venzrisiko erscheint hier nicht größer als im Falle der Schädigung durch eine natürliche Person.380 Mit Blick auf den fehlerhaften Geschäftsführers ist im Ergebnis festzuhalten, dass sich das Vorliegen „besonderer Gründe“, welche eigene deliktische Verkehrspflichten des Geschäftsführers begründen können (zum Beispiel die Beschützergarantenstellung des Geschäftsführers einer Kur-GmbH, welcher eine Touristengruppe in gefährliches Gelände führt381), unabhängig vom Innenverhältnis zur GmbH bestimmt. Ebenso wie im Falle der unmittelbaren Rechtsgutsverletzung spielt hiernach auch für die Frage nach der deliktischen Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers für mittelbare Rechtsgutsverletzungen die Fehlerhaftigkeit der Bestellung keine Rolle. b) § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz Die deliktische Außenhaftung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber Dritten gem. § 823 Abs. 2 i.V.m. einem Schutzgesetz kommt nach allgemeinen Regeln dann in Betracht, wenn der fehlerhafte Geschäftsführer als Adressat eines dem Schutze eines Dritten dienenden Schutzgesetzes (z. B. §§ 263, 266 StGB) dieses selbst verletzt und hierdurch einen zurechenbaren Schaden verursacht. Ist der Adressatenkreis des in Rede stehenden Schutzgesetzes eingeschränkt, gilt es bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung wiederum vermittels Auslegung und (sofern zulässig) Analogienbildung zu bestimmen, ob der fehlerhafte Geschäftsführer als Pflichtiger im Sinne des Schutzgesetzes angesehen werden kann. Für den Gläubigerschutz von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang vor allem die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO. Deren Charakter als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist einhellig anerkannt.382 Dass der Adressatenkreis der Norm, welche sich ihrem Wortlaut nach an „die Mitglieder des Vertretungsorgans“ richtet, auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung auf den fehlerhaften Geschäftsführer ausgedehnt werden könnte, wurde bereits gezeigt.383 Auch dieser ist den Gläubigern hiernach über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO zum Ersatz des ihnen entstandenen Schadens verpflichtet. Handelt es sich um sog. Altgläubiger der Gesellschaft, d. h. um jene, welchen ein Anspruch gegen die GmbH bereits zu einer Zeit erwachsen war, als der (fehlerhafte) Geschäftsführer noch keine Veranlassung hatte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, so beschränkt sich ihr Anspruch gem. § 823 380

163 ff. 381

In diesem Sinne auch Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers,

Dieses Beispiel findet sich bei Mertens/Mertens, JZ 1990, 488, 489. Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 353; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 228. 383 Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. I. 2. a). 382

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 InsO auf Ersatz des sog. Quotenschadens.384 Hierunter ist der Schaden zu verstehen, welcher ihnen durch die Verminderung der Insolvenzquote infolge der Insolvenzverschleppung entstanden ist.385 Neugläubiger der Gesellschaft, d. h. jene, die ihren Anspruch nach Eintritt der Insolvenzreife und Ablauf der Prüfungsfrist erworben haben, erhalten demgegenüber den vollen Schaden ersetzt. Sie sind hiernach so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie von vornherein nicht in Rechtsbeziehung zu der überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH getreten wären.386 c) § 826 BGB Schließlich kann sich der fehlerhafte Geschäftsführer Dritten gegenüber aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB haftbar machen. Für den ordentlichen Geschäftsführer werden im Rahmen des § 826 BGB insbesondere die Fälle mangelnder Aufklärung von Anlagekunden über Risiken von Warentermin- und Optionsgeschäften,387 eine Haftung aufgrund Insolvenzverschleppung,388 eine Einstandspflicht wegen des Verschiebens von Vermögenswerten389 sowie die Haftung aufgrund Organisationsverschuldens390 diskutiert. Welche Anforderungen hier im Einzelnen an das Verhalten des ordentlichen Geschäftsführers zu stellen sind, um es als vorsätzliche sittenwidrige Schädigungshandlung einstufen zu können, ist umstritten und nicht zuletzt eine Frage des Einzelfalles.391 384

Groß, ZGR 1998, 551, 556; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 237. Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 237. 386 BGH, Urteil vom 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2222 ff. = BGHZ 126, 181. Vor dieser Grundsatzentscheidung wurde auch den Neugläubigern allein der Quotenschaden zugestanden. Vgl. dazu Groß, ZGR 1998, 551, 556 sowie die ausführliche Auseinandersetzung bei Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 181 ff. 387 Dazu etwa BGH, Urteil vom 16. 11. 1993 – XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514 = BGHZ 124, 151; OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. 6. 1993 – 10 U 168/92, NJW-RR 1993, 1520, 1521 ff.; Reese, DStR 1995, 688, 691. 388 Das bloße Unterlassen der Aufklärung des Geschäftspartners über die schlechte finanzielle Lage der Gesellschaft kann nach richtiger Ansicht noch nicht zu der Annahme sittenwidrigen Verhaltens des Geschäftsführers führen (vgl. Reese, DStR 1995, 688, 691; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 231). Ein solches ist aber beispielsweise dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer mit dem Willen, den als unabwendbar erkannten Todeskampf des Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, die Schädigung der Gesellschaftsgläubiger billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 26. 6. 1989 – II ZR 289/88, NJW 1989, 3277, 3278 f. = BGHZ 108, 134; Schaub, DStR 1992, 1766, 1768). 389 Dazu Kiethe, DStR 1993, 1298, 1301; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 231 f. 390 Vgl. dazu insbesondere BGH, Urteil vom 18. 10. 1993 – II ZR 255/92, NJW 1994, 197, 197 ff. 391 Zu den einzelnen Fallgruppen vgl. Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 223 ff. 385

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Parallel zu der im Rahmen der mittelbaren Rechtsgutsverletzungen nach § 823 Abs. 1 BGB getroffenen Wertung kann jedoch festgehalten werden, dass es für die Begründung der Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers gegenüber Dritten nicht entscheidend auf dessen interne Pflichtenbindung gegenüber der GmbH ankommen kann. Auch im Rahmen des § 826 BGB dürfen interne Organpflichten nicht einfach in das Außenverhältnis projiziert werden.392 Es ist vielmehr streng darauf zu achten, dass sich gerade das Verhalten des Geschäftsführers in eigener Person als sittenwidrig darstellt.393 Unter dieser Prämisse kann sich die Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung von jener des ordentlichen Geschäftsführers nicht unterscheiden. Ebenso wie dem ordentlichen Geschäftsführer droht hiernach auch dem fehlerhaften Geschäftsführer beispielsweise dann die Haftung, wenn er von der Gesellschaft geschuldete Informationen arglistig verschweigt oder den Geschäftspartner bewusst über entscheidungserhebliche und aufklärungspflichtige Tatsachen täuscht. 5. Zwischenergebnis Die zivilrechtliche Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber Dritten entspricht auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung weitgehend jener des ordentlichen Geschäftsführers. Die eigene Einstandspflicht des fehlerhaften Geschäftsführers aus Vertrag sowie aus culpa in contrahendo knüpft sich an dessen Verhalten im Rechtsverkehr und gestaltet sich folglich unabhängig von der Wirksamkeit seiner internen Beziehung zur GmbH. Auf die Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers als falsus procurator gem. § 179 BGB wirkt sich die Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung insoweit aus, als dass er stets als Vertreter ohne Vertretungsmacht zu qualifizieren wäre. Gegenüber dem ordentlichen Geschäftsführer, welcher aus § 179 BGB nur haftet, wenn er die Grenzen seiner bestehenden organschaftlichen Vertretungsmacht ausnahmsweise überschreitet, kann es hiernach öfter zu einer Haftung kommen. 392

Nicht zu überzeugen vermag vor diesem Hintergrund die Entscheidung des BGH, Urteil vom 18. 10. 1993 – II ZR 255/92, NJW 1994, 197, 197 ff. Der BGH begründete die Sittenwidrigkeit des Handelns des Geschäftsführers mit Blick darauf, dass dieser den Kläger dazu veranlasst habe eine wertvolle Vorleistung zu erbringen ohne dass die Herbeischaffung der zur Bezahlung nötigen Mittel gesichert war. Der Geschäftsführer hätte nach Auffassung des 2. Zivilsenats den Zufluss der benötigten Mittel sicherstellen und diesen nicht ohne weitere Kontrolle einem ihm erst seit kurzem bekannten Dritten überlassen dürfen. Bei Lichte betrachtet geht der die Sittenwidrigkeit begründende Vorwurf gegen den Geschäftsführer hier dahin, dass dieser in besonders schwerwiegender Weise Organisationspflichten verletzt habe. Diese bestehen jedoch allein gegenüber der GmbH und nicht gegenüber deren Vertragspartnern. Als Anknüpfungspunkt für eine Haftung gegenüber Dritten erscheinen sie hiernach als ungeeignet. Ähnlich Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 232 ff. 393 So auch Sandberger, Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers, 235 f.; Bank, in: Patzina u. a., Haftung von Unternehmensorganen, Kapitel 10, Rn. 72.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Die deliktische Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber Dritten aus § 823 Abs. 1 BGB entspricht im Falle einer unmittelbaren Rechtsgutsverletzung der seines ordentlich bestellten Pendants. Zur Beurteilung der Einstandspflicht für mittelbare Rechtsgutsverletzungen gem. § 823 Abs. 1 BGB galt es zu klären, ob sich das Bestehen der hierfür maßgeblichen deliktischen Verkehrspflichten an das Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft knüpft. Diese Frage wurde verneint, sodass sich auch in diesem Bereich zwischen der Haftung des fehlerhaften und des ordentlichen Geschäftsführers aus der Fehlerhaftigkeit der Bestellung keine Unterschiede ergeben können. Der Prämisse, dass interne Organpflichten nicht zur Begründung einer externen Haftung in das Außenverhältnis projiziert werden dürfen, kommt auch im Rahmen des § 826 BGB Bedeutung zu. Auch dort kann es für die Begründung der Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers gegenüber Dritten nicht entscheidend auf dessen interne Pflichtenbindung ankommen. Die eigene Außenhaftung aus § 826 BGB ergibt sich hiernach ebenfalls unabhängig von der Wirksamkeit des Organverhältnisses. Einzig im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB kann es auch gegenüber Dritten auf die Wirksamkeit der Bestellung des Geschäftsführers ankommen. Richtet sich das entsprechende Schutzgesetz an einen begrenzten Adressatenkreis, so käme eine Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nur in Betracht, wenn er trotz des Fehlens der Stellung als Organwalter in denselben einbezogen werden kann.

E. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Für die Untersuchung der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ergebenden strafrechtlichen Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers bietet es sich an zwischen sog. Allgemeindelikten, Sonderdelikten die über § 14 StGB sekundär an die Geschäftsführerstellung anknüpfen und Sonderdelikten die den Geschäftsführer als primären Normadressaten in Bezug nehmen zu unterscheiden.394 Die Allgemeindelikte zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine besondere Täterqualifikation verlangen.395 Wie jeder Dritte kann sich hiernach auch der fehlerhafte Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit etwa des Betrugs (§ 263 StGB), der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) strafbar machen. Auf die Wirksamkeit der Organstellung kommt es im Rahmen dieser Delikte nicht an.396 394

Vgl. Groß, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit faktischer Vertretungsorgane, 34 f. Groß, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit faktischer Vertretungsorgane, 34; Büning, Die strafrechtliche Verantwortung faktischer Geschäftsführer, 17. 396 Stein, Das faktische Organ, 130 (Fn. 31); vgl. auch Büning, Die strafrechtliche Verantwortung faktischer Geschäftsführer, 17 ff. 395

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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Richtet sich eine Strafnorm primär an die nach geltendem Recht bislang nicht straffähige Gesellschaft,397 kann sich die strafrechtliche Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers über § 14 Abs. 3 StGB ergeben.398 Als Beispiel sei hier auf die Strafbarkeit wegen der Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB verwiesen. Nach § 266a Abs. 1 StGB ist strafbar, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung, einschließlich der Arbeitsförderung, vorenthält. In gleicher Weise wird gem. § 266a Abs. 2 StGB bestraft, wer als Arbeitgeber der zuständigen Einzugsstelle Arbeitgeberanteile vorenthält, soweit dies darauf zurückzuführen ist, dass der Täter gegenüber der Einzugsstelle unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen macht (§ 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder die Einzugsstelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB). § 266a Abs. 3 StGB erfasst schließlich das Verheimlichen des Nichtabführens von sonstigen, nicht von § 266a Abs. 1 StGB erfassten Teilen des Arbeitsentgelts, die der Arbeitgeber einbehalten und für den Arbeitnehmer einem anderen zu zahlen hat.399 Täter des Sonderdelikts des § 266a StGB kann in all seinen Tatbestandsalternativen zunächst nur der Arbeitgeber (oder eine ihm nach § 266a Abs. 5 StGB gleichgestellte Person400) sein.401 Als Dienstberechtigter im Sinne des §§ 611 ff. BGB fällt die Arbeitgeberrolle der strafunfähigen GmbH selbst zu.402 Da es sich bei der Arbeitgebereigenschaft jedoch um ein strafbarkeitsbegründendes persönliches Merkmal gem. § 14 Abs. 1 StGB handelt, ermöglicht diese Vorschrift die Überwälzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf den vertretungsberechtigten Organwalter, d. h. den Geschäftsführer der GmbH.403 Nach § 14 Abs. 3 StGB ist § 14 Abs. 1 StGB auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis begründen sollte (d. h. der Bestellungsakt), unwirksam

397

Im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen (etwa Großbritannien, Frankreich, USA oder Japan) kennt das deutsche Kriminalstrafrecht ausschließlich Strafen bzw. Sanktionen gegen natürliche Personen. Juristische Personen und Personenverbände können bislang keine Adressaten kriminalstrafrechtlicher Sanktionen sein, was de lege ferenda aber immer wieder gefordert wird. Vgl. dazu Radtke, in: MüKo, StGB, § 14 Rn. 128 m.w.N. 398 Stein, Das faktische Organ, 130. 399 Zu den drei Tatbeständen des § 266a StGB im Einzelnen vgl. Radtke, in: MüKo, StGB, § 266a Rn. 42 ff. 400 Nach § 266a Abs. 5 StGB handelt es sich hierbei um den Auftraggeber eines Heimarbeiters, eines Hausgewerbebetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist. Vgl. dazu näher Tag, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 266a Rn. 38 f. 401 Wittig, in: BeckOK, StGB, § 266a vor Rn. 1. 402 Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB ist der gem. §§ 611 ff. BGB Dienstberechtigte, d. h. derjenige, dem der Arbeitnehmer Dienste leistet und von dem er persönlich abhängig ist. Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rn. 3. 403 Radtke, in: MüKo, StGB, § 266a Rn. 11; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 391.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

ist.404 Die strafrechtliche Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers ergäbe sich für Sonderdelikte wie § 266a StGB, die über § 14 StGB sekundär an die Geschäftsführerstellung anknüpfen, mithin auch bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung direkt aus dem Gesetz. Zweifelhaft kann die Strafbarkeit des fehlerhaften Geschäftsführers bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hiernach allein noch im Hinblick auf solche Sonderdelikte sein, die den Geschäftsführer oder rechtsformübergreifend „das Mitglied des Vertretungsorgans“ explizit als Normadressaten benennen. Zu denken ist etwa an die Vorschrift des § 82 GmbHG, welche bestimmte öffentlich gemachte unwahre Angaben des Geschäftsführers inkriminiert oder an § 15a Abs. 4, 5 InsO, welcher die vorsätzliche (Abs. 4) oder fahrlässige (Abs. 5) Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer unter Strafe stellt. Ob sich der Anwendungsbereich dieser Vorschriften auch auf die Person des fehlerhaften Geschäftsführers erstrecken lässt, ist jeweils eine Frage der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Geschäftsführer“ (bzw. „Mitglied des Vertretungsorgans“), welches den Täterkreis umschreibt. Hierbei gilt es strafrechtliche Besonderheiten, insbesondere das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Analogieverbot, zu beachten. Dieses erfordert eine unbedingte Einhaltung des Gesetzeswortlautes und markiert rechtstechnisch damit die Grenze zwischen zulässiger extensiver Gesetzesauslegung und strafrechtlich unzulässiger Analogienbildung.405 Obwohl unter dem „Geschäftsführer“ oder dem „Mitglied des Vertretungsorgans“ aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive eine Person zu verstehen ist, die ordnungsgemäß zum Geschäftsführer bestellt wurde,406 gehen sowohl Rechtsprechung als auch Literatur nahezu einhellig davon aus, dass auch der fehlerhafte Geschäftsführer unter die entsprechenden Sonderdelikte subsumiert werden kann.407 Sofern dieses Ergebnis über die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis erreicht werden soll, sieht sich die Annahme einer entsprechenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers keinen Bedenken ausgesetzt.408 Könnte der der Bestellung zugrunde liegende Fehler entsprechend der Lehre allein für die Zukunft Wirkung entfalten, wäre der fehlerhafte 404 Vgl. dazu Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 14 Rn. 42 f. sowie bereits oben 3. Kap. § 1 B. I. 3. 405 Die Annahme des Wortlautes als Grenze des strafrechtlichen Analogieverbotes entspricht der herrschenden Auffassung. Nach einer Mindermeinung soll es demgegenüber auch im Strafrecht erlaubt sein, allein auf den Sinn und Zweck des Gesetzes abzustellen. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Groß, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit faktischer Vertretungsorgane, 75 ff. 406 Büning, Die strafrechtliche Verantwortung faktischer Geschäftsführer, 140; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 223 . 407 Vgl. Dannecker/Müller, in: BeckOK, GmbHG, § 82 Rn. 42; RG, Urteil vom 14. 10. 1887 – 846/87, RGSt. 16, 269, 271; RG, Urteil vom 6. 2. 1930 – II 22/29, RGSt 64, 81, 84 f.; BGH, Urteil vom 5. 10. 1954 – 2 StR 447/53, NJW 1954, 1854, 1854 = BGHSt 6, 314. 408 Vgl. Reich, DB 1967, 1663, 1667.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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Geschäftsführer bis zur Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Bestellung als ordentlicher Organwalter anzusehen. Vielfach wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers jedoch auch abseits der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis begründet. So entschied bereits das Reichsgericht in dessen Grundsatzentscheidung vom 14. Oktober 1887, in welcher es über die Strafbarkeit des fehlerhaft bestellten Vorstandsmitglieds einer eingetragenen Genossenschaft gem. § 214 KO a.F. zu befinden hatte, dass ein Mangel in der Wahl oder in der rechtlichen Qualifikation des betreffenden Organmitglieds nicht als „Strafausschließungsgrund“ gelten könne und begründete diese Ansicht vor allem mit dem Zweck des § 214 KO.409 Dieser bestehe darin, die Gläubiger und Mitglieder der Genossenschaft gegen eine pflichtwidrige Geschäftsführung ihrer Vorstandsmitglieder dadurch zu schützen, dass sie die Letzteren als die Repräsentanten und verantwortlichen Geschäftsträger der Genossenschaft in gleicher Weise, wie jeden anderen Gemeinschuldner, den Strafvorschriften der §§ 209 – 211 KO unmittelbar unterwirft. Diesem Zwecke würde es geradezu wiederstreben, wenn im einzelnen Falle ein gewähltes und in Funktion getretenes Vorstandsmitglied die Verantwortlichkeit für seine Geschäftsführung damit sollte ablehnen können, dass seine Wahl eine fehlerhafte und den Anforderungen des Gesetzes oder Statutes nicht entsprechende gewesen sei.410 Weiter wird für die Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in die entsprechenden Sonderdelikte ins Feld geführt, dass dieser vermittels der – wenn auch nicht wirksamen – Bestellung die an ihn gerichteten gesetzlichen Erwartungen kenne, weshalb er nicht mit einer Strafbarkeit überzogen werde, mit der er nicht rechnen konnte oder brauchte.411 In systematischer Hinsicht wird verschiedentlich auf die Wertung des § 14 Abs. 3 StGB verwiesen, in welchem der Gesetzgeber seinem Willen, Bestellungsmängeln für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Organs keine Bedeutung beizumessen, Ausdruck verliehen habe.412 Jedenfalls aber könne der Vorschrift kein Umkehrschluss dahin entnommen werden, dass der Gesetzgeber für direkt an den Geschäftsführer adressierte Sonderdelikte Rechtsgrundlagenmängel für strafrechtlich beachtlich habe erklären wollen.413 Ebenfalls um ein systematisches Argument handelt es sich bei dem Verweis darauf, dass die Einbeziehung in die entsprechenden Sonderdelikte ggf. das vom Gesetzgeber im Ausgangspunkt nicht intendierte Phänomen der „Normspaltung“ verhindere.414 In der Tat erschiene es jedenfalls irritierend, wenn man den fehlerhaften Geschäftsführer beispielsweise zivilrechtlich für zur Insolvenzantragsstellung nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO verpflichtet hielte und auch 409

RG, Urteil vom 14. 10. 1887 – 846/87, RGSt. 16, 269, 271. RG, Urteil vom 14. 10. 1887 – 846/87, RGSt. 16, 269, 271. 411 Büning, Die strafrechtliche Verantwortung faktischer Geschäftsführer, 141; Stein, Das faktische Organ, 135; dies., ZHR 148 (1984), 207, 224. 412 Büning, Die strafrechtliche Verantwortung faktischer Geschäftsführer, 141. 413 Stein, ZHR 148 (1984), 207, 224; Büning, Die strafrechtliche Verantwortung faktischer Geschäftsführer, 141. 414 Vgl. K. Schmidt, in: Festschrift Rebmann, 419, 436 ff. 410

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

eine entsprechende zivilrechtliche Haftung über § 823 Abs. 2 BGB annähme, die strafrechtliche Verantwortung nach § 15a Abs. 4, 5 InsO jedoch ablehnen wollte, obwohl die Absätze klar auf den Verpflichteten gem. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO Bezug nehmen.415 Die angeführten Argumente illustrieren, dass zweifellos ein Bedürfnis dafür besteht den fehlerhaften Geschäftsführer in den Adressatenkreis der primär an den „Geschäftsführer“ oder „das Mitglied des Vertretungsorgans“ gerichteten Sonderdelikte einzubeziehen. Dieses Ergebnis unabhängig von einer direkt am fehlerhaften Rechtsgeschäft der Bestellung ansetzenden Korrektur allein mit teleologischen und systematischen Argumenten zu begründen, erscheint im Strafrecht allerdings zweifelhaft. Bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung bliebe es dabei, dass der fehlerhafte Geschäftsführer niemals zum „Geschäftsführer“ bzw. zum „Mitglied des Vertretungsorgans“ der Gesellschaft geworden wäre. Nimmt man Analogieverbot und Wortlautgrenze hier ernst, und will man nicht der teleologischen und systematischen Auslegung gegenüber dem „naiven Glauben an den gemeinen Wortsinn“416 von vornherein den Vorzug geben, müsste die Strafbarkeit des fehlerhaften Geschäftsführers bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ansich konsequent verneint werden.417

F. Wertende Gesamtbetrachtung Im Folgenden soll im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung der für die einzelnen Problembereiche gefundenen Ergebnisse ermittelt werden, ob ein tatsächliches Bedürfnis nach einer Korrektur des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung im Wege der Suspendierung dessen Fehlerfolgen für die Vergangenheit festgestellt werden kann oder ob umgekehrt die Anwendung allgemeiner Regeln und ggf. die Heranziehung speziell für den ordentlichen Geschäftsführer geltender Vorschriften im Umgang mit dem Problem fehlerhafter Geschäftsführung als ausreichend zu erachten ist. Was die Zurechnung und Wirksamkeit von (Rechts-)Handlungen des fehlerhaften Geschäftsführers anbelangt, so hat sich gezeigt, dass sich die hiermit verbundenen 415 Jedenfalls im Falle einer solchen direkten Anknüpfung der strafrechtlichen Norm auf gesellschaftsrechtliche oder (im Falle des § 15a Abs. 1 S. 1 InsO wohl insolvenzrechtliche) Bezugsnormen vermag auch die Annahme eines eigenständigen strafrechtlichen Organbegriffes nicht zu überzeugen. In diesem Sinne bereits Reich, DB 1967, 1663, 1667. A.A. etwa Fuhrmann, in: Festschrift Tröndle, 139, 147 ff., welcher die Eigenständigkeit der strafrechtlichen Begriffsbildung betont und eine an den tatsächlichen Verhältnissen orientierte Auslegung befürwortet. Zu dem begrenzten Aussagewert einer solchen „faktischen Betrachtungsweise“ vgl. K. Schmidt, in: Festschrift Rebmann, 419, 430 ff. 416 So K. Schmidt, in: Festschrift Rebmann, 419, 440. 417 Gegen die Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in den Täterkreis entsprechender Sonderdelikte etwa Kiethe/Hohmann, in: MüKo, StGB, 1. Auflage, § 82 GmbHG Rn. 41; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 122 ff.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

135

Probleme im Außenverhältnis auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung in erheblichem Umfang bereits sachgerecht lösen ließen. Zum Schadensersatz führendes bzw. allgemein rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten des fehlerhaften Geschäftsführers müsste sich die GmbH nach Maßgabe des § 31 BGB analog zurechnen lassen.418 Gleiches gilt für das rechtlich relevante Wissen des fehlerhaften Geschäftsführers.419 Aus der Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung können sich für die betroffenen Dritten insoweit bereits nach allgemeinen Regeln keine nachteiligen Folgen ergeben. Im Außenverhältnis vorgenommene Vertretungshandlungen des fehlerhaften Geschäftsführers wären der GmbH bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung zwar nicht aufgrund organschaftlicher Vertretungsmacht zuzurechnen. Die vorstehende Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass sich eine Einstandspflicht der Gesellschaft in vielen Fällen über § 15 Abs. 3 HGB, in analoger Anwendung der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sowie vermittels einer Genehmigung gem. § 177 Abs. 1 BGB ergäbe.420 Die Gefahr sämtliche vom fehlerhaften Geschäftsführer vorgenommenen Vertretungsgeschäfte einzeln rückabwickeln zu müssen, wäre hiernach auch ohne eine direkt am fehlerhaften Rechtsgeschäft der Bestellung ansetzende Korrektur nicht gegeben. Nicht enthoben wären die Parteien allerdings von der Notwendigkeit, in jedem Zweifelsfall nachträglich (ggf. gerichtlich) klären zu müssen, ob die Voraussetzungen einer Zurechnung tatsächlich vorlagen. War der Geschäftspartner im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Bestellung bösgläubig, wäre ein Rechtsscheinschutz ausgeschlossen. Verzichtete er seinem Wahlrecht entsprechend auf die Inanspruchnahme abstrakten oder konkreten Vertrauensschutzes, müsste eine Zurechnung ausscheiden, es sei denn die GmbH könnte das Geschäft durch Genehmigung an sich ziehen. Letztere müsste wiederum im Einzelfall rechtlich zulässig und tatsächlich erfolgt sein. Mit steigender Anzahl der vom fehlerhaften Geschäftsführer getätigten Geschäfte wäre für die Beteiligten mithin trotz der regelmäßig bestehenden Möglichkeit der Zurechnung seines Vertretungshandelns auch ein steigendes Maß an Rechtsunsicherheit und Kosten verbunden. Eine zusätzliche Dimension gewänne das Fehlen organschaftlicher Vertretungsmacht ferner dann, wenn der fehlerhafte Geschäftsführer unterhalb der Organebene eingegliederten Hilfspersonen der Gesellschaft seinerseits (vermeintlich) rechtgeschäftliche Vertretungsmacht erteilt hat. Insbesondere aus der unwirksamen Prokuraerteilung, für welche auch eine nachträgliche Genehmigung nicht in Betracht käme,421 würden sich dem Vertretungshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers vergleichbare Probleme in Bezug auf das Vertretungshandeln des vermeintlichen Prokuristen ergeben. Eine über die allgemeinen Regeln hinausgehende Korrektur der Fehlerfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung 418 419 420 421

Dazu oben 3. Kap. § 1 A. I. 2. Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. I. 3. Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. b) und c). Dazu oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. c) bb).

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

erscheint hinsichtlich des Vertretungshandelns des fehlerhaften Geschäftsführers im Außenverhältnis hiernach nicht zwingend erforderlich aber sinnvoll. Ein weitergehendes Korrekturbedürfnis zeigt sich mit Blick auf die zum internen Rechtshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers gefundenen Ergebnisse. Während außenstehende Dritte bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung vor dem Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers als falsus procurator über Rechtsscheingrundsätze geschützt werden könnten, böte sich eine entsprechende Schutzmöglichkeit den Gesellschaftern der GmbH nicht.422 Mit dem fehlerhaften Geschäftsführer als Vertreter getätigte (Innen-)Geschäfte wären grundsätzlich rückabzuwickeln, was für die Gesellschafter insbesondere dann verheerend wäre, wenn es sich bei der GmbH um keine solvente Schuldnerin mehr handelt. Ob sich die Gesellschafter umgekehrt mit Blick auf ihre mitgliedschaftliche Treuepflicht auf das Fehlen der organschaftlichen Vertretungsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers berufen könnten, erscheint als Frage des Einzelfalls, was eine jedenfalls missliche unterschiedliche Behandlung der jeweils betroffenen Gesellschafter erwarten ließe. Interne Rechtshandlungen, welche der fehlerhafte Geschäftsführer aus vermeintlich bestehender eigener Kompetenz vorgenommen hat, müssten bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung insgesamt als unwirksam betrachtet werden.423 Eine Ausnahme ließe sich insbesondere für die Befugnis zur Einberufung der Gesellschafterversammlung nach § 49 Abs. 1 GmbHG nicht begründen. Im Extremfall könnte dies zur Nichtigkeit sämtlicher in der Zeit des Tätigwerdens des fehlerhaften Geschäftsführers gefasster Gesellschafterbeschlüsse führen. Ohne eine entsprechende Korrektur des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung müssten im Übrigen sämtliche seitens des fehlerhaften Geschäftsführers vorgenommenen gesellschaftsinternen Rechtshandlungen daraufhin untersucht werden, ob sie rückabgewickelt werden müssen und können, ob sie die Grundlage für weitergehende interne Maßnahmen gebildet haben, die sodann ggf. ebenfalls rückabgewickelt werden müssten (neben der Einberufung der Gesellschafterversammlung ist hier insbesondere an die Feststellung des Jahresabschlusses424 zu denken) oder ob ausnahmsweise eine Sachlage angenommen werden kann, aufgrund derer sich die unwirksame interne Rechtshandlung des fehlerhaften Geschäftsführers, etwa mangels Kausalität für das Ergebnis eines Geschäftsführungsbeschlusses, nicht auf die Wirksamkeit einer gesellschaftsinternen Maßnahme auswirken konnte. Letzteres wird in der Praxis allerdings häufig schon mangels hinreichender Aufzeichnungen schwer feststellbar sein. Neben dem bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung im Hinblick auf das interne Rechtshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers zu erwartenden immensen Rückabwicklungsaufwand wären mithin regelmäßig auch tatsächliche Probleme bei der Auseinandersetzung und Nachverfolgung der einzelnen Maßnahmen des fehlerhaften Geschäftsführers zu 422 423 424

Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. II. 1. Dazu oben 3. Kap. § 1 A. II. 2. Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. II. 2. a).

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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befürchten, welche die Erfassung der rechtlichen Gegebenheiten innerhalb der GmbH erschweren und deren Handlungsfähigkeit auch für die Zukunft negativ beeinflussen könnten. Für den Problemkomplex der Zurechenbarkeit und Wirksamkeit der vom fehlerhaften Geschäftsführer vorgenommenen (Rechts-)Handlungen lässt sich ein, über die Anwendung allgemeiner Regeln hinausgehendes, tatsächliches Korrekturbedürfnis damit insgesamt feststellen, wobei die in Gestalt von Rückabwicklungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit drohenden Probleme im Innenverhältnis jene im Außenverhältnis deutlich überwiegen. Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf die sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit ergebenden Rechte und Pflichten sowie die Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers. Was das Außenverhältnis anbelangt hat die vorstehende Untersuchung gezeigt, dass sich eine dem ordentlichen Geschäftsführer jedenfalls weitgehend angeglichene externe Pflichtenbindung und Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers auch bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ergäbe. Hinsichtlich der dem ordentlichen Geschäftsführer insbesondere im öffentlichen Interesse auferlegten Organpflichten i.w.S. wurde deutlich, dass der fehlerhafte Geschäftsführer trotz deren formaler Anknüpfung an die Geschäftsführerstellung auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung vielfach im Wege der erweiternden Auslegung oder Analogienbildung in den Adressatenkreis der pflichtbegründenden Normen einbezogen werden könnte.425 Gleiches gilt für die ggf. korrespondierenden Organrechte.426 Im Anwendungsbereich des § 9 OWiG, § 14 StGB ergibt sich eine externe Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers sogar bereits vermittels ausdrücklicher gesetzgeberischer Anordnung.427 Auch im Rahmen der Außenhaftung hat sich gezeigt, dass der Wirksamkeit der internen organschaftlichen Beziehung zur Gesellschaft für die externe Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers regelmäßig keine Bedeutung zukommt. Dies gilt für die sich aus dem Geschäftsführerhandeln im Rechtsverkehr ggf. ergebende eigene vertragliche oder quasivertragliche Verantwortlichkeit gegenüber Dritten ebenso wie für die deliktische Einstandspflicht des Geschäftsführers.428 Was das Innenverhältnis anbelangt wurde demgegenüber deutlich, dass eine dem ordentlichen Geschäftsführer vergleichbare Bindung an die gegenüber der Gesellschaft bestehenden Organpflichten aus dem Organverhältnis bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nicht begründet werden könnte. Da die Organpflichten i. e.S. ihren Geltungsgrund in der mit der Bestellung entstehenden

425 426 427 428

Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. I. 2. und 3. Oben 3. Kap. § 1 C. I. 2. Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. I. 2. b) und 3. Vgl. oben 3. Kap. § 1 D. II.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung zur Gesellschaft finden,429 verbietet sich hier insbesondere der Versuch, eine dem ordentlichen Geschäftsführer äquivalente Pflichtenbindung im Wege der Normanwendung herbeiführen zu wollen. Ohne eine direkt am fehlerhaften Rechtsgeschäft der Bestellung ansetzende Korrektur ließe sich allein das Bestehen klassischer Schutzpflichten zwischen GmbH und fehlerhaftem Geschäftsführer annehmen, welche auch im einfachen Schuldverhältnis von der Nichtigkeitsfolge nicht erfasst werden.430 Grundsätzlich käme sodann auch nur insoweit eine allgemeine Organhaftung des fehlerhaften Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG in Betracht.431 Eine Kompensation der fehlenden Organpflichten gegenüber der GmbH in dem Sinne, dass der fehlerhafte Geschäftsführer bei Bestehen eines Anstellungsverhältnisses jedenfalls noch auf schuldrechtlicher Ebene die Erfüllung organschaftlicher Aufgaben schulden und für eine entsprechende Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB haften könnte, könnte aufgrund der inhaltlichen Anknüpfung jener Pflichten an die Stellung als Organwalter nicht angenommen werden.432 Handelt es sich bei dem fehlerhaften Geschäftsführer zugleich um einen Gesellschafter der GmbH, unterläge dieser auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung immerhin in vollem Umfang einer mitgliedschaftlichen Treuepflicht. Insbesondere die allgemeine Pflicht zur sorgfältigen Leitung der Geschäfte der GmbH kann sich hieraus jedoch nicht ableiten.433 Die interne Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft bliebe bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung hiernach weit hinter jener seines ordentlich bestellten Pendants zurück. Da sich die Entscheidungs-, Einsichts- und Einflussmöglichkeiten des fehlerhaften Geschäftsführers bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungstätigkeiten faktisch nicht von jenen des ordentlich bestellten Geschäftsführers unterscheiden und die Gesellschaft für dessen schädigendes Verhalten ihrerseits über § 31 BGB analog einzustehen hat, ist das Interesse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter an einer umfassenden Einbindung auch des fehlerhaften Geschäftsführers in das strenge organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime evident. Ein Interesse am Bestehen einer umfassenden Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers für die Erfüllung von Organpflichten i. e.S. besteht auch auf Gläubigerseite. Im Falle einer internen Pflichtverletzung können diese zwar nicht unmittelbar gegen den Geschäftsführer vorgehen. Bestehen Ansprüche gegen die Gesellschaft, haben sie jedoch die Möglichkeit, sich die Innenhaftungsansprüche der GmbH im Wege der Pfändung und Überweisung übertragen zu lassen sowie im Insolvenzfall von einer entsprechenden Massevergrößerung zu profitieren. Die allgemeine Organhaftung 429 430 431 432 433

Dazu oben 3. Kap. § 1 B. I. Oben 3. Kap. § 1 B. I. 1. Vgl. oben 3. Kap. § 1 D. I. 1. Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. II. 1. Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. II. 2.

§ 1 Tatsächliches Korrekturbedürfnis

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dient hiernach reflexartig auch dem Gläubigerschutz.434 Darüber hinaus wird eine vollständige Bindung an die Organpflichten i. e.S. schließlich häufig auch im Interesse des fehlerhaften Geschäftsführers selbst liegen. Ist dieser für die Gesellschaft entgeltlich tätig geworden und wurden seine Vergütungsansprüche als Gegenleistung für seine Geschäftsführungstätigkeit vereinbart, was regelmäßig anzunehmen sein wird, droht bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung über § 326 Abs. 1 S. 1 BGB deren vollständiges Entfallen.435 Eine Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht käme hier zwar über § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB in Betracht. Mit Blick auf die generell bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Voraussetzungen der Anspruchserhaltungsnorm, welche durch den Umstand, dass an der Entstehung des in Rede stehenden Leistungshindernisses der fehlerhaften Bestellung stets sowohl die Gesellschaft als auch der fehlerhafte Geschäftsführer mitgewirkt haben, noch weiter erhöht würden, wäre der Rückgriff auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht für die Beteiligten jedoch mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Da sich über § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB im Übrigen allein die Aufrechterhaltung der Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers begründen ließe, während es bei dessen verkürzter interner Pflichtenbindung gegenüber der Gesellschaft verbliebe, erscheint die Regelung zur Herbeiführung eines gerechten Interessenausgleiches im Rahmen der Problematik der fehlerhaften Geschäftsführung auch wenig geeignet. Eine umfassende organschaftliche Verantwortlichkeit des fehlerhaften Geschäftsführers für die Zeit seines Tätigwerdens bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung seiner entsprechenden Vergütung ließe sich ggf. über § 242 BGB herbeiführen.436 Je nach Lage des Einzelfalls könnte es den Parteien hier jeweils versagt werden, sich zu ihren Gunsten auf die anfängliche Nichtigkeit der Bestellung zu berufen. Mit Blick darauf, dass im Falle fehlerhafter Geschäftsführung regelmäßig ein Bedürfnis nach einer umfassenden internen Pflichtenbindung und Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers besteht und sich eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der seitens des fehlerhaften Geschäftsführers bezogenen Vergütung umgekehrt regelmäßig als besondere Härte darstellen würde, erscheint der Weg über ein Rechtssicherheit schaffendes festes Rechtsinstitut einer an Billigkeitserwägungen im Einzelfall orientierten Korrektur über Treu und Glauben jedoch überlegen.437 Soll der fehlerhafte Geschäftsführer gegenüber der GmbH über die Verletzung klassischer Schutzpflichten hinaus zur Verantwortung gezogen werden, erscheint es weiter angezeigt, ihm im Gegenzug auch die zur sachgerechten Wahrnehmung 434 Vgl. Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 57. 435 Dazu oben 3. Kap. § 1 C. II. 2. 436 Dazu oben 3. Kap. § 1 C. II. 2. b) sowie 3. Kap. § 1 D. I. 1. 437 Vgl. dazu auch Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 283, welcher festhält, dass in der Abstraktion vom Einzelfall gerade der Fortschritt der Ausbildung eines festen Rechtsinstituts gegenüber einer bloßen ad-hoc-Korrektur mit Hilfe des Grundsatzes von Treu und Glauben liege.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

der Geschäftsführungspflichten notwendigen korrespondierenden Organrechte aus dem Organverhältnis zuzuerkennen, deren Bestehen bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung, wie gesehen, nicht angenommen werden könnte.438 Mit Blick auf die strafrechtliche Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers hat sich schließlich gezeigt, dass sich bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung eine Strafbarkeit für die Verletzung von Allgemeindelikten sowie von Sonderdelikten, die über § 14 StGB sekundär an die Geschäftsführerstellung anknüpfen zwar problemlos begründen ließe. Die nahezu einhellig angenommene Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in den Adressatenkreis von Sonderdelikten, die den Geschäftsführer als primären Normadressaten in Bezug nehmen, sähe sich ohne eine direkt am Rechtsgeschäft der fehlerhaften Bestellung ansetzende Korrektur jedoch erheblichen Bedenken ausgesetzt.439

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis Im ersten Schritt der Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis konnte gezeigt werden, dass ein tatsächliches Bedürfnis nach einer Suspendierung der Fehlerfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung angenommen werden kann. Insbesondere gesellschaftsintern drohen im Zusammenhang mit dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers mit Blick auf dessen fehlende Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln, die verkürzte Pflichtenbindung und Haftung und umgekehrt die Gefährdung der Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers Probleme, die sich auf dem Boden der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ergebenden Rechtslage einer befriedigenden Lösung nicht zuführen lassen. Im nächsten Schritt soll ermittelt werden, ob sich die als tatsächlich notwendig erkannte Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auf eine dogmatisch und methodisch überzeugende Grundlage stellen lässt. Als weiterführend könnte sich hier der Blick auf bereits etablierte Rechtsinstitute, welche mit einer Suspendierung von Fehlerfolgen arbeiten, erweisen. Tatsächlich wird zur Begründung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis in der Literatur sowohl auf die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis als auch die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. die Lehre vom fehlerhaften Verband verwiesen.440 Ob deren dogmatische und methodische 438

Vgl. oben 3. Kap. § 1 C. I. 1. Dazu oben 3. Kap. § 1 E. 440 Abstellend auf die Lehre vom fehlerhaften Anstellungsverhältnis etwa Paefgen, in: Großkommentar, GmbHG, § 35 Rn. 41. Auf die Lehre vom fehlerhaften Anstellungsverhältnis und die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft verweisend Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 8; Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 35 Rn. 37; Fleischer, in: 439

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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Grundlage sich tatsächlich auch für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis fruchtbar machen lässt, soll im Folgenden untersucht werden. Ein eigenständiger Ansatz zur Begründung eines festen Rechtsinstituts im Umgang mit der Problematik fehlerhaft bestellter Organwalter wurde darüber hinaus von Stein entwickelt.441 Diesem ebenfalls auf eine Suspendierung der Fehlerfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung hinauslaufenden Begründungsansatz wird sich im Anschluss zugewandt.

A. Die fehlerhafte Bestellung des Geschäftsführers als Anwendungsfall der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis Die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis kommt zur Anwendung, wenn ein Arbeitsvertrag von Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen und durch die Aufnahme der Arbeit einverständlich in Vollzug gesetzt worden ist, sich aber später als (von Anfang an) nichtig herausstellt oder wirksam nach § 142 BGB angefochten wurde.442 Sofern keine grundlegenden Interessen entgegenstehen, wird der Arbeitsvertrag für die Vergangenheit sodann so behandelt, als sei er wirksam vereinbart worden.443 Für die Zukunft kann sich jede der Parteien vermittels einseitiger Erklärung von dem fehlerhaften Arbeitsvertrag lösen.444 Methodisch wird dieses Ergebnis vermittels einer teleologischen Reduktion der Nichtigkeitsfolgen erreicht. Den Fehlerfolgen wird keine rückwirkende Kraft zugemessen, sodass sie nicht mehr ex tunc, sondern lediglich ex nunc wirken.445 In der Literatur ist die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis nicht ohne Widerspruch geblieben.446 Als Ergebnis richterrechtlicher Rechtsfortbildung, wel-

Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 20 (für fehlerhaft bestelltes Vorstandsmitglied); Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 46 (für fehlerhaft bestelltes Vorstandsmitglied); für die Heranziehung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 274; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 20 Rn. 39 (für fehlerhaft bestelltes Vorstandsmitglied); für die Heranziehung der Lehre vom fehlerhaften Verband etwa Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 2 f. 441 Stein, Das faktische Organ, 100 ff., 119 ff.; dies., ZHR 148 (1984), 207, 222. 442 Preis, in: ErfK, BGB, § 611 Rn. 145; Joussen, NZA 2006, 963, 964; BAG, Urteil vom 30. 4. 1997 – 7 AZR 122/96, NZA 1998, 199, 200. 443 Joussen, in: BeckOK, ArbR, BGB, § 611 Rn. 129 f. 444 Preis, in: ErfK, BGB, § 611 Rn. 147; Joussen, NZA 2006, 963, 964. 445 Joussen, NZA 2006, 963, 964; Preis, in: ErfK, BGB, § 611 BGB, Rn. 145. Vereinzelt wird anstelle einer teleologischen Reduktion mit dem Einwand des venire contra factum proprium gearbeitet. So etwa Kraft, in: Soergel, BGB, § 611 Rn. 44; vgl. auch Riezler, Venire contra factum proprium, 137 f. 446 Vgl. etwa Canaris, BB 1967, 165, 169 f.; Käßer, Der fehlerhafte Arbeitsvertrag, 93 f.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

che auf eine über 40-jährige Anwendungskontinuität zurückblicken kann, ist ihre Geltung heute jedoch nicht mehr ernsthaft in Zweifel zu ziehen.447 Als Gründe, welche die teleologische Reduktion zu rechtfertigen vermögen, werden Probleme bei der Rückabwicklung des Arbeitsverhältnisses,448 die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers449 sowie die besondere personenrechtliche Prägung des Arbeitsverhältnisses450 angeführt.451 Ebenso wie das Arbeitsverhältnis lässt sich auch das Organverhältnis als ein Dauerrechtsverhältnis intensiver personenrechtlicher Prägung begreifen. Letztere ergibt sich insbesondere aus der organschaftlichen Treuepflicht des Geschäftsführers gegenüber der GmbH, welche dessen weitgehende persönliche Einbindung in das Gesellschaftsinteresse nach sich zieht.452 Für die Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis kann diese Parallele allein allerdings noch nicht den Ausschlag geben. Dies zeigt ein Blick auf weitere (fehlerhafte) Dauerrechtsverhältnisse, welche ebenfalls eine besondere personenrechtliche Prägung aufweisen und dennoch nicht in den Anwendungsbereich des Rechtsinstituts einbezogen werden. Vor allem Wohnraummietverträge greifen existentiell in den persönlichen Lebensbereich des Mieters ein, ohne dass deren Fehlerhaftigkeit entsprechend der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis behandelt würde. Gleiches gilt beispielsweise für Bürgschaften, Kommissionsgeschäfte oder Darlehensverträge, welche bei entsprechender Ausgestaltung und Laufzeit ebenfalls ein starkes personenrechtliches Element aufweisen können.453 Eine größere Unterscheidungskraft könnte den Gesichtspunkten der Rückabwicklungsschwierigkeiten sowie der sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zukommen. Probleme bei der Rückabwicklung werden im fehlerhaften Arbeitsverhältnis insbesondere hinsichtlich der ausgetauschten Leistungen in Form der Arbeitsleistung und des dafür gewährten Entgelts angenommen. Die erbrachte Arbeit sei als Vermögenswert dem Vermögen des Arbeitgebers unwiderruflich inkorporiert und somit nicht rückgewährbar.454 Zudem lasse sich nur sehr schwer feststellen, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber noch bereichert sei, weil er etwa eigene

447

So richtig Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 105. Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 34 Rn. 49. 449 Kramer, in: MüKo, BGB, 5. Auflage, 2007, Einleitung Bd. 2, Rn. 77; Joussen, in: BeckOK, ArbR, BGB, § 611 Rn. 128. 450 Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, 130. 451 Zum Ganzen Stein, Das faktische Organ, 50 ff. 452 Stein, Das faktische Organ, 53; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 136. 453 Vgl. Stein, Das faktische Organ, 54 f. 454 Richardi/Buchner, in: Münch. Hdb. ArbR, § 34 Rn. 40; Richardi/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 611 Rn. 307; BAG, Urteil vom 19. 6. 1959 – 1 AZR 565/57, NJW 1959, 2036, 2037. 448

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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Aufwendungen für Dienste erspart habe.455 Die Anwendung der Vorschriften des Bereicherungsrechts sei daher bereits aus Praktikabilitätserwägungen heraus unpassend.456 Weiter werde das Bereicherungsrecht der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers nicht gerecht. Das Arbeitsverhältnis bilde für diesen regelmäßig die wesentliche Lebensgrundlage.457 Mit Rücksicht darauf müsse er darauf vertrauen dürfen, dass ihm diese jedenfalls für die Vergangenheit nicht entzogen werde.458 Könne der Arbeitnehmer Lohn- und Fürsorgeansprüche lediglich als Posten eines Bereicherungsanspruches geltend machen, würde dies dem Gedanken des Arbeitnehmerschutzes nicht gerecht.459 Auf den Geschäftsführer einer GmbH lassen sich die vorstehenden Erwägungen jedenfalls partiell übertragen. Auch hier ist dessen erbrachte Arbeitsleistung als bereicherungsrechtlicher Posten schwer zu erfassen. Neben vermögenswerten Leistungen erbringt der Geschäftsführer in erheblichem Umfang auch in Geld nicht berechenbare Leistungen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Größe seiner Verantwortung und daran, dass dessen Arbeitsleistung nicht nach Stunden, sondern nach dessen Aufgaben bemessen ist. Diese Faktoren lassen sich, je länger der Geschäftsführer für die Gesellschaft tätig wird, umso schwieriger bewerten und ausgleichen.460 Auch ein gewisser Sozialschutz kann dem Geschäftsführer nicht abgesprochen werden. Eine etwaige Rückzahlungspflicht erhaltener Bezüge würde den Geschäftsführer schwer treffen und möglicherweise sogar ruinieren, wenn er seine Lebenshaltung nach seinen Bezügen eingerichtet hat. Letzteres wiederum, kann durch die Interessen der Gesellschaft sowie Repräsentationspflichten geboten sein.461 Zu beachten ist allerdings, dass sich die Frage nach der Vergütung des Geschäftsführers und eines entsprechenden Bestandsschutzes hinsichtlich erhaltener Bezüge im Rahmen dessen schuldrechtlicher Beziehung zur Gesellschaft stellt. Mit dem Argument, dass mit dem zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft bestehenden Anstellungsverhältnis für den erfolgten Austausch von Arbeitsleistung und Vergütungsansprüchen auch im Falle unwirksamer Bestellung ein hinreichender Rechtsgrund existiere, wurde die Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis auf das fehlerhafte Organverhältnis sodann auch dezidiert bestritten.462 Rückabwicklungsprobleme hinsichtlich des zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft erfolgten Leistungsaustauschs seien erst zu erwarten, wenn auch der 455 456 457 458 459 460 461 462

136.

Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, § 5 Rn. 143. Vgl. Joussen, NZA 2006, 963, 965. Canaris, BB 1967, 165, 167. Vgl. Joussen, NZA 2006, 963, 965. Kramer, in: MüKo, BGB, 5. Auflage, 2007, Einleitung Bd. 2, Rn. 77. BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1368 = BGHZ 41, 282. BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1368 = BGHZ 41, 282. Stein, Das faktische Organ, 50 ff.; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH,

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Anstellungsvertrag an einem zu dessen anfänglicher Nichtigkeit führenden Fehler leide.463 Entsprechend der ständigen Rechtsprechung könnten die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses für den fehlerhaften Anstellungsvertrag sodann auch zur Anwendung gebracht werden.464 Eine Rechtfertigung für die Anwendung der Grundsätze auf das fehlerhafte Organverhältnis sei auch in diesem Fall nicht gegeben.465 Ausgehend von der rechtlichen Trennung zwischen Organ- und Anstellungsverhältnis erscheint die Annahme, dass das Anstellungsverhältnis unabhängig von der Fehlerhaftigkeit der Bestellung eine hinreichende Grundlage für den Leistungsaustausch zwischen fehlerhaftem Geschäftsführer und Gesellschaft bilden kann, naheliegend. Die genauere Untersuchung der bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung eintretenden Rechtslage hat jedoch gezeigt, dass die sodann fehlende Stellung des fehlerhaften Geschäftsführers als Organwalter über die Frage nach der Erfüllbarkeit seiner Geschäftsführungspflichten mittelbar auch auf die schuldrechtliche Ebene durchschlüge.466 Auch wenn die rechtliche Unmöglichkeit der seitens des fehlerhaften Geschäftsführers geschuldeten Geschäftsführungstätigkeit die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages unberührt ließe (vgl. § 311a Abs. 1 BGB), könnte diesem mangels entsprechender Leistungspflicht kein Rechtsgrund für die erbrachte Arbeitsleistung des fehlerhaften Geschäftsführers entnommen werden. Über § 326 Abs. 1 S. 1 BGB kann sich Gleiches gegebenenfalls auch für dessen Vergütungsansprüche ergeben. Dem fehlerhaften Arbeitsverhältnis vergleichbare Rückabwicklungsschwierigkeiten sowie ein soziales Schutzbedürfnis des Geschäftsführers können sich hiernach nicht allein mit dem Fall des Tätigwerdens auf Grundlage eines fehlerhaften Anstellungsverhältnisses, sondern auch mit der Fehlerhaftigkeit des Organverhältnisses verbinden. In seinem Grundsatzurteil zur Anwendbarkeit der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis auf das fehlerhafte Anstellungsverhältnis argumentierte der BGH zudem mit dem Bedürfnis den Geschäftsführer auch für den Fall, dass der Anstellungsvertrag an einem Fehler leidet, der organschaftlichen Pflichtenbindung und Verantwortung zu unterwerfen.467 Dass das Gericht an dieser Stelle nicht sauber 463

Stein, Das faktische Organ, 51. Zur Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis auf das fehlerhafte Anstellungsverhältnis vgl. BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282; BGH, Urteil vom 23. 10. 1975 – II ZR 90/73, NJW 1976, 145, 146 = BGHZ 65, 190; BGH, Urteil vom 16. 1. 1995 – II ZR 290/93, NJW 1995, 1158, 1159; BGH, Urteil vom 17. 9. 1998 – IX ZR 237/97, NJW 1998, 3567, 3567 = BGHZ 139, 309; BGH, Urteil vom 3. 7. 2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983, 2983; Lieder, NZG 2015, 569, 573 f. sowie bereits oben 3. Kap. § 1 C. II. 2. b). 465 Stein, Das faktische Organ, 51 f.; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 136. 466 Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. II. 1. b) sowie 3. Kap. § 1 C. II. 467 BGH, Urteil vom 6. 4. 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 = BGHZ 41, 282. 464

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zwischen der korporativen und der schuldrechtlichen Beziehung des Geschäftsführers zur Gesellschaft unterschieden hat, wurde bereits festgehalten.468 Da sich die Organpflichten des Geschäftsführers entweder aus dem Organverhältnis oder dem Gesetz ergeben, bestünde für diesen auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit des Anstellungsverhältnisses nicht die Möglichkeit sich unter Berufung auf den Vertragsmangel seiner organschaftlichen Verantwortung zu entziehen. Für den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer hat sich demgegenüber gezeigt, dass dieser bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung jedenfalls im Innenverhältnis zur Gesellschaft einer umfassenden organschaftlichen Pflichtenbindung und Verantwortung nicht unterläge. Das vom BGH für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis ins Feld geführte Bedürfnis, auch den für die Gesellschaft auf fehlerhafter Rechtsgrundlage tätig gewordenen Geschäftsführer umfassend in das organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime einzubinden, besteht hiernach gerade und einzig für den Fall der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung. Ob mit der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis der richtige Anknüpfungspunkt gefunden ist, um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, erscheint allerdings zweifelhaft. Zwar ließe sich auch für das fehlerhafte Arbeitsverhältnis argumentieren, dass der Arbeitgeber ein anerkennenswertes Interesse daran habe, seinen Arbeitnehmer trotz der Fehlerhaftigkeit des zu diesem bestehenden Rechtsverhältnisses für die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nachträglich zur Verantwortung ziehen zu können. Dass dieses Interesse über jenes eines jeden Gläubigers an der vertragsgemäßen Pflichtenbindung des Schuldners trotz Fehlerhaftigkeit des durchgeführten (Dauer-)Rechtsverhältnisses hinausgeht, ist jedoch nicht ersichtlich. Die eine Suspendierung der Fehlerfolgen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Besonderheiten werden daher zu Recht allein auf Seiten des Arbeitnehmers verortet. Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis auf das fehlerhafte Organverhältnis wesentlich mit dem Bedürfnis nach einer umfassenden organschaftlichen Pflichtenbindung und Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers zu begründen, würde den Grundlagen der Lehre damit nicht gerecht.469 Gegen die Heranziehung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis spricht weiter, dass sich die bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten anders als im einfachen Arbeitsverhältnis gerade nicht in dem erfolgten Leistungsaustausch zwischen den Parteien erschöpfen. Aus der bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung fehlenden Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers für die GmbH zu handeln können sich Rückabwicklungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten zwischen der Gesellschaft und Dritten, insbesondere aber innerhalb des Verbandes ergeben. Vor allem die sich mit der fehlerhaften Geschäftsführung verbindende 468 469

Vgl. oben 3. Kap. § 1 B. II. 1. a). Ähnlich Stein, Das faktische Organ, 59.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Gefahr der Unwirksamkeit einer Vielzahl gefasster Beschlüsse der Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung bildet eine originär gesellschaftsrechtliche Problematik, welche im Arbeitsverhältnis keine Entsprechung findet. Im Ergebnis kann der Rückgriff auf die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis für die Begründung einer Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung damit nicht überzeugen.470

B. Die fehlerhafte Bestellung des Geschäftsführers als Anwendungsfall der Lehre vom fehlerhaften Verband Als gewinnbringender könnte sich der Blick auf die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. vom fehlerhaften Verband erweisen. Im Ausgangspunkt wurde die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft für den Fall der fehlerhaften Gründung von Personenaußengesellschaften entwickelt. Mit Unterschieden im Detail wird der Anwendungsbereich der Lehre heute auch auf weitere fehlerhafte gesellschaftsrechtliche Rechtsakte erstreckt. Die Entwicklung verläuft in zwei Richtungen. Zum einen wird diskutiert, inwieweit die Lehre auch auf reine Innengesellschaften Anwendung finden muss.471 Zum anderen wird der Versuch unternommen einzelne fehlerhafte Vertrags- bzw. Strukturänderungen in den Anwendungsbereich der Lehre einzubeziehen.472 Dass bestimmte gesellschaftsinterne Veränderungen die Anwendung des Rechtsinstitutes rechtfertigen, kann mit Blick auf den fehlerhaften Beitritt eines Gesellschafters, welcher seit jeher parallel zur fehlerhaften Gründung einer Gesellschaft behandelt wird,473 nicht ernsthaft in Zweifel stehen. Die Aufgabe besteht hier vielmehr darin abzugrenzen, welche konkreten fehlerhaften ändernden Rechtsakte der Lehre unterfallen sollen und in welchem Fall eine Suspendierung der Fehlerfolgen nicht gerechtfertigt erscheint oder jedenfalls nicht auf dem Boden der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft vollzogen werden kann. Für die Grundlegung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ist dieser zweite Entwicklungsstrang interessant. Da die Geschäftsführerbestellung die innergesellschaftliche Organisationsstruktur der GmbH verändert, könnte sie im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit entsprechend den Regeln zur fehlerhaften Gesellschaft zu behandeln sein. 470 So im Ergebnis auch Stein, Das faktische Organ, 50 ff.; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer der GmbH, 136 f.; vgl. auch Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 71 f. 471 Zur Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Innengesellschaften, insbesondere die stille Gesellschaft, vgl. etwa Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, 11.5 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 144 ff. 472 Dazu insbesondere Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 289 ff. 473 Vgl. nur A. Hueck, Das Recht der OHG, 99.

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Um eine Aussage hierüber treffen zu können, muss Klarheit über die Voraussetzungen bestehen, die eine fehlerhafte Vertrags- bzw. Strukturänderung abstrakt erfüllen muss, um in den Anwendungsbereich des Rechtsinstitutes einbezogen werden zu können. Diesbezüglich hat sich bislang kein fester Maßstab herausgebildet, was mit Blick auf die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der dogmatischen Fundierung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auch nicht verwundern kann.474 Im Folgenden soll daher zunächst die Entwicklung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nachvollzogen und der ihre Anwendung rechtfertigende Wertungsgrund ermittelt werden. Hierbei wird sich der Ansatz der Vertreter der sog. Lehre vom fehlerhaften Verband als überlegen erweisen, welcher die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft mit den gesetzlichen Regeln zur fehlerhaften Kapitalgesellschaft zu einem einheitlichen Rechtsinstitut zusammenführt. Sodann soll ein Maßstab formuliert werden, an welchem fehlerhafte ändernde Rechtsakte zu messen sind, um in den Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband einbezogen werden zu können. In einem letzten Schritt wird schließlich zu ermitteln sein, ob die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung die Voraussetzungen eines fehlerhaften ändernden Rechtsaktes im Sinne der Lehre des fehlerhaften Verbandes erfüllt. I. Entwicklung und Grundlage der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft 1. Entwicklung der Lehre durch die Rechtsprechung Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist eine in Vollzug gesetzte Personengesellschaft, deren Gesellschaftsvertrag nach allgemeinen Grundsätzen ipso iure oder nach erfolgter Anfechtung anfänglich nichtig wäre, für die Vergangenheit nach innen und außen als wirksam anzusehen, sofern dieser Einschränkung der Nichtigkeitsfolge keine vorrangigen Schutzinteressen entgegenstehen. Der dem Gesellschaftsvertrag anhaftende Fehler kann sodann allein für die Zukunft geltend gemacht werden.475 Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft geht zurück auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts, welches sie in offener Anlehnung an die gesetzlichen Regelungen der fehlerhaften Körperschaft (§§ 275 ff. AktG, 75 ff. GmbHG, 94 ff. GenG) entwickelte.476 Nachdem das Reichsgericht die fehlerhafte Personengesellschaft in früheren Entscheidungen lediglich im Außenverhältnis aus Gründen des Rechts474 Vgl. etwa Schweizer, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. II, § 96 Rn. 16 (Anwendung der Grundsätze auf nichtige bzw. anfechtbare Vertrags- bzw. Strukturänderungen sei längst noch nicht abschließend geklärt). 475 Goette, DStR 1996, 268 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 155 ff.; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 71. 476 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 105 Rn. 77.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

scheins der fehlerfrei entstandenen Gesellschaft gleichstellte,477 vollzog es in seiner Grundsatzentscheidung von 1940 den Schritt zur vollständigen Anerkennung der Wirksamkeit der fehlerhaften Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis.478 Der Gesellschaftsrechtssenat des BGH knüpfte an die Rechtsprechung des Reichsgerichts nahtlos an und verfestigte sie in einer Vielzahl von Entscheidungen in ihrem Kernbestand soweit, dass sie heute mit Recht „als gesicherter Bestandteil des Gesellschaftsrechts“479 bezeichnet werden kann.480 In der Literatur wird die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nahezu einhellig anerkannt.481 Über die dogmatische Fundierung des Rechtsinstitutes gehen die Meinungen auseinander. Die Rechtsprechung beschränkt sich insoweit im Wesentlichen darauf, mit der Gewährung von Bestandsschutz und Verkehrsschutz die maßgeblichen Gesichtspunkte zu benennen, die nach dem Vollzug des fehlerhaften Gesellschaftsvertrages die richterliche Abkehr von den Rechtsfolgen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre sachlich tragen sollen.482 So heißt es schon in der Grundsatzentscheidung von 1940, dass durch das Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr Tatsachen geschaffen würden „die als solche in aller Regel nach außen hin aus Gründen des Rechts und der Verkehrssicherheit nicht mehr ungeschehen gemacht werden und deshalb auch nicht unbeachtet bleiben können“.483 Und weiter, dass auch im Innenverhältnis „nicht daran vorbeigegangen werden kann, dass die Gesellschaft auch insoweit – unter Umständen geraume Zeit – gelebt hat und damit zahlreiche Rechtstatsachen geschaffen sind, die sich fortlaufend gerade auch auf das Innenverhältnis auswirken sollten, und zwar so, wie es der Gesellschaftsvertrag vorsah“.484 Die Auseinandersetzung der Gesellschaft nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung führe „zu kaum lösbaren Schwierigkeiten, zu größter Rechtsverwirrung und zu durchaus unbilligen Ergebnissen“.485 477 Vgl. etwa RG, Urteil vom 12. 2. 1902 – I 333/01, RGZ 51, 33, 37; RG, Urteil vom 12. 6. 1911 – II 67/11, RGZ 76, 439, 441; RG, Urteil vom 14. 11. 1916 – II 346/16, RGZ 89, 97, 98; RG, Urteil vom 13. 10. 1933 – II 110/33, RGZ 142, 98, 107 f. 478 RG, Urteil vom 13. 11. 1940 – II 44/40, RGZ 165, 193, 201 ff. 479 BGH, Urteil vom 29. 6. 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375, 377 = BGHZ 55, 5, 8. 480 Vgl. Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 35. 481 Insbesondere Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 120 ff., 172 ff., 447 ff. hat sich allerdings gegen die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. für deren Einbettung in das System der Vertrauenshaftung ausgesprochen. Vgl. auch Möschel, in: Festschrift Hefermehl, 1976, 171 ff., Müller-Graff, JuS 1979, 24, 28 f. 482 BGH, Urteil vom 24. 10. 1951 – II ZR 18/51, NJW 1952, 97, 97 f. = BGHZ 3, 285; BGH, Urteil vom 12. 5. 1954 – II ZR 167/53, NJW 1954, 1562, 1562 = BGHZ 13, 320; BGH, Urteil vom 29. 6. 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375, 377 = BGHZ 55, 5; BGH, Urteil vom 30. 9. 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748, 748; Miras, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. I, § 100 Rn. 25 ff.; vgl. auch Stimpel, ZGR 1973, 73, 101. 483 RG, Urteil vom 13. 11. 1940 – II 44/40, RGZ 165, 193, 204. 484 RG, Urteil vom 13. 11. 1940 – II 44/40, RGZ 165, 193, 205. 485 RG, Urteil vom 13. 11. 1940 – II 44/40, RGZ 165, 193, 205 f.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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Mit diesen und in der Folgezeit ähnlichen Formulierungen lässt die Rechtsprechung zwar die rechtspraktisch tragenden Erwägungen erkennen, welche zur Entwicklung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft geführt haben. Die dogmatische Untermauerung der Lehre bleibt sie hingegen schuldig bzw. überlässt sie bewusst der Literatur.486 2. Dogmatische Begründungsansätze In der wissenschaftlichen Diskussion haben sich verschiedene Ansätze zur dogmatischen Begründung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft herausgebildet. Einen mittlerweile überkommenen Begründungsansatz lieferte zunächst die in die allgemeine Lehre faktischer Vertragsverhältnisse eingebettete Lehre von der faktischen Gesellschaft, nach welcher es für ein Gesellschaftsverhältnis keines Vertragsrudiments bedürfe, sondern die Betätigung der Beteiligten erheblich und ausreichend sei.487 Wenn somit schon der Gründungsakt der Gesellschaft nicht auf dem erklärten Willen der Gesellschafter beruhe, sondern auf der tatsächlichen Gemeinschaft der Gesellschafter und dem faktischen Zusammenwirken beim Betreiben des Unternehmens, so könne diese tatsächliche Gemeinschaft durch die Rechtsordnung nicht rückwirkend beseitigt werden.488 Die Lehre von der faktischen Gesellschaft maß dem rechtsgeschäftlichen, voluntativen Element der Gründerentscheidung über den Gesellschaftsvertrag keinerlei Bedeutung bei und zeigte sich damit als unvereinbar mit dem gültigen Konzept der auf privatautonomer Gestaltung ruhenden Rechtsgeschäftslehre, deren gesamtes Funktions- und Schutzsystem bei ihrer Anwendung aus den Angeln gehoben würde.489 Wegen der Unvereinbarkeit der Lehre mit der Grundkonzeption des BGB konnte sie sich somit zu Recht nicht durchsetzen.490 Auch der BGH betonte stets, dass es zur Anwendung des Rechtsinstituts der fehlerhaften Gesellschaft eines Gesellschaftsvertrages bedürfe, welcher von dem tatsächlichen, wenn auch rechtlich fehlerhaften Willen der Vertragsschließenden getragen sei.491 486

19 f. 487

Vgl. Fischer, in: Richterliche Rechtsfortbildung, 45 ff.; Stimpel, in: 25 Jahre BGH, 13,

Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse, 17 ff.; ders., in: Festschrift Siber, 1, 16 ff., 27 ff.; Siebert, in: Festschrift Hedemann, 266, 286 ff.; ders., Faktische Vertragsverhältnisse, 40 ff.; Simitis, Die faktischen Vertragsverhältnisse, 226 ff. 488 So besonders weitgehend Siebert, in: Festschrift Hedemann, 266, 287. 489 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 138; ders., AcP 186 (1986), 421, 423; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 7; Maultzsch, JuS 2003, 544, 545; Kummer, Jura 2006, 330, 331; siehe auch die Ausführungen bei Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 48 ff. 490 Lehmann, NJW 1958, 1, 5 bezeichnete die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen als „Atombombe zur Zerstörung gesetzestreuen juristischen Denkens“. 491 Siehe insbesondere BGH, Urteil vom 28. 11. 1953 – II ZR 188/52, NJW 1954, 231, 231 = BGHZ 11, 190. Eine terminologische Abgrenzung gegenüber der Lehre von der faktischen

150

3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Nach Überwindung der rein faktischen Betrachtungsweise lassen sich heute im Wesentlichen noch zwei Ansätze zur Begründung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft unterscheiden. Hierbei handelt es sich namentlich um die sog. „Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen“ sowie die „Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages“, welche in jüngerer Zeit zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzip weiterentwickelt wurde, das den Grundstein einer Lehre vom fehlerhaften Verband legt. Nach der in der Literatur zunächst vorherrschenden Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen müssen die allgemeinen Anfechtungs- und Nichtigkeitsfolgen eingeschränkt werden, um im Interesse des Verkehrsschutzes nach außen sowie des Bestandsschutzes nach innen eine Rückabwicklung gemäß den §§ 985 ff., 812 ff. BGB zu vermeiden.492 In Bezug auf das Innenverhältnis führte Hueck hierzu aus, dass mit der Ausführung des Gesellschaftsvertrages gemeinschaftliches Vermögen gebildet worden sei, die Beiträge der einzelnen Gesellschafter meist nicht mehr in Natur vorhanden seien, das Geld ausgegeben, Grundstücke gebaut, eingebrachte Maschinen aufgestellt und abgenutzt, Forderungen einbezogen worden seien usw. Hielte man sich an die allgemeinen Grundsätze des BGB, so müssten all diese Rechtsfolgen rückgängig gemacht bzw. bereicherungsrechtlich ausgeglichen werden, was große Unbilligkeiten nach sich zöge und zudem praktisch kaum durchzuführen sei.493 Die Wirksamkeit der fehlerhaften Gesellschaft im Außenverhältnis begründete Hueck mit einem seinerzeit üblichen Erst-Recht-Schluss vom Innen- auf das Außenverhältnis.494 Dieses Vorgehen ist auf berechtigte Kritik gestoßen495 und wurde in der Folge auch von den Anhängern der Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen nicht mehr vertreten.496 In methodischer Hinsicht arbeitet der Ansatz mit einer teleologischen Reduktion der Nichtigkeits- und Anfechtungsfolgen verbunden mit einer analogen Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungsbestimmungen.497 Die Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages sieht demgegenüber den entscheidenden zur Anerkennung der fehlerhaften Gesellschaft führenden Gesellschaft erfolgte erst in der Entscheidung vom 5. 3. 1964 – II ZR 208/61, LM Nr. 19 zu § 105 HGB. Meinte er auch stets die „fehlerhafte Gesellschaft“ verwendete der BGH bis dahin missverständlich ebenfalls den Begriff der „faktischen Gesellschaft“. 492 Vgl. A. Hueck, AcP 149 (1944), 1, 11 ff.; ders., Das Recht der OHG, 72 ff.; Erman, Personengesellschaften auf mangelhafter Vertragsgrundlage, 53 ff.; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 61 ff.; Westermann, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, § 8 Rn. 222 ff. 493 A. Hueck, Das Recht der OHG, 79 ff. 494 A. Hueck, Das Recht der OHG, 79. 495 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 120 f.; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 55; vgl. auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 125 (Fn. 139). 496 Westermann, in: Erman, BGB, § 705 Rn. 73 f. 497 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 86; vgl. auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 215.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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Moment in dem Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag nicht nur Schuld-, sondern auch Organisationsvertrag sei.498 Mit ihrem Vollzug vervollständige sich die Personengesellschaft zu einer in das Rechtsleben eintretenden gesamthänderischen Wirkungs- und Organisationseinheit.499 Die auf Individualrechtsgeschäfte und Individualrechtsverhältnisse ausgerichteten bürgerlich-rechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsvorschriften seien auf eine solche Organisationseinheit, welche ab ihrer Entstehung das zwischen den Gesellschaftern bestehende Schuldverhältnis überlagere, nicht zugeschnitten.500 Mit der einverständlichen Schaffung einer über Organe und Vermögen verfügenden Gesamthand verlören die Gesellschafter die unbeschränkte Dispositionsbefugnis über ihre das Innenverhältnis überschreitenden Beziehungen.501 Bis zur Geltendmachung des Mangels müssten sie sich daher grundsätzlich an der Gesamthandsgemeinschaft sowie deren Vertragsgrundlage festhalten lassen. Dies habe zur Folge, dass ein dem Gesellschaftsvertrag zugrunde liegender Mangel nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche Existenz der als Organisation hervortretenden Gesellschaft unberührt lasse. Bedeutung könne dem Mangel allein als Auflösungsgrund für die Zukunft zukommen.502 Der Gedanke, dass der überindividuelle Charakter der Gesellschaft als Organisation eine Modifikation der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre erfordert, konnte in jüngerer Zeit in der Zusammenschau mit den gesetzlichen Vorschriften zur fehlerhaften Kapitalgesellschaft zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzip fortentwickelt werden. Karsten Schmidt folgend, lässt sich dieses im Ausgangspunkt dahin formulieren, dass ein einmal errichteter Verband nur mit Wirkung für die Zukunft abgewickelt werden kann.503 Schäfer hat das Prinzip enger dahin beschrieben, dass allein ein als rechtsfähig gegründeter Verband nur für die Zukunft abgewickelt werden könne.504 Die hierin zum Ausdruck kommende Anknüpfung an die Entstehung des Rechtssubjekts wird nachvollziehbar, wenn man den Vertretern der „Doppelwirkungslehre“ folgend das besondere personenrechtliche und organi498

Flume, Die Personengesellschaft, 13 ff.; Ulmer, in: Festschrift Flume, 301, 308 ff.; ders., ZHR 161 (1997), 102, 119; Hüffer, in: Hüffer, AktG, 10. Auflage, 2012, § 275 Rn. 3; Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 5; Wiedemann, ZGR 1996, 286, 291; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 81 ff.; Meyer-Panhuysen, Die fehlerhafte Kapitalerhöhung, 60 f. 499 Flume, Die Personengesellschaft, 17 f. 500 Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 92; Ulmer, in: Festschrift Flume, 301, 315. 501 Vgl. Ulmer, in: Festschrift Flume, 301, 314. Ähnlich Maultzsch, JuS 2003, 544, 546. 502 Koch, in: MüKo, AktG, § 275 Rn. 6. 503 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 140 f.; ders., AcP 186 (1986), 421, 425 f. Für die Behandlung fehlerhafter Kapitalgesellschaften stellt dieser allerdings nicht auf die Entstehung der Verbandsorganisation, sondern auf dessen Errichtung kraft Staatsakts ab. Dazu noch unten 3. Kap. § 2 B. I. 3. 504 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 137 ff., insb. 147 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 19. Etwas weitergehender jetzt allerdings ders., GWR 2014, 25, 26 f. (Erstreckung der Lehre vom fehlerhaften Verband auf „verbandsähnlich ausgestaltete Publikums-Innengesellschaft“ lasse sich mit gutem Grund vertreten).

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

sationsrechtliche Moment bei Personengesellschaften allein für die Gesamthand, welcher ebenso wie den Kapitalgesellschaften Rechtssubjektivität zukommt, verwirklicht sieht. Der überindividuelle Charakter sowohl der Gesamthand als auch der Kapitalgesellschaft kommt in ihrer Qualität als Rechtssubjekt zum Ausdruck, sodass die Entstehung des Rechtssubjekts als gemeinsamer Anknüpfungspunkt auf einer höheren Abstraktionsebene sehr geeignet erscheint.505 Überzeugen könnte die Anknüpfung allerdings nur, wenn der als entscheidend zugrunde gelegte überindividuelle Charakter der Gesellschaft als Organisation auf Seiten der Personengesellschaft tatsächlich allein bei einer gesamthänderisch verfassten Gesellschaft verwirklicht wäre. Eine gegenüber ihren Mitgliedern verselbstständigte Organisation ist jedoch auch für reine Innengesellschaften (keine Gesamthand, kein Rechtssubjekt) denkbar, wie etwa der Fall der mehrgliedrigen stillen Publikumsgesellschaft belegt, welche eine eigene Verbandsverfassung mit Repräsentationsorganen, Stimmrechten, der Möglichkeit eines Ein- und Austritts etc. erhalten kann, ohne hierdurch zur Gesamthand zu werden.506 Kann das von den Vertretern der Doppelwirkungslehre betonte organisationsrechtliche oder personenrechtliche Element hiernach auch bei Personengesellschaften vorzufinden sein, die nicht gesamthänderisch verfasst sind, so erscheint der im Personengesellschaftsrecht bestehende Fokus auf die Gesamthand zu eng und so muss auch das allgemeine verbandsrechtliche Prinzip weiter formuliert werden. Eine Anknüpfung an die Entstehung des Verbandes erscheint hier sachgerecht, weil dem Verband, verstanden als durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfasster, auf Mitgliedschaft beruhender und gegenüber den Mitgliedern verselbstständigter, einem Verbandszweck („gemeinsamen Zweck“) dienender Organisation, das aus der Sicht des Mitglieds von Flume apostrophierte personenrechtliche Element immanent ist.507 Fasst der Verbandsbegriff hiernach alle Fälle, in welchen eine Gesellschaft als Organisation überindividuellen Charakter entfaltet, zusammen, so erscheint die Formulierung des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips dahin, dass ein einmal entstandener Verband allein für die Zukunft abgewickelt werden kann, als die konsequentere Fortentwicklung des Gedankens der Doppelwirkungslehre. Für die sich anschließende Diskussion, welchem der dogmatischen Begründungsansätze zu folgen ist, soll daher dieses weiter formulierte Prinzip in Ansatz gebracht werden. 3. Stellungnahme zugunsten eines allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips Betrachtet man die Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen auf der einen Seite sowie Doppelwirkungslehre und allgemeines Prinzip auf der anderen 505

Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 148. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 170 f. sowie ders., ZHR 178 (2014), 10 ff. (Grundlegend zur Innen-KG als Verband). 507 Zu diesem Verbandsbegriff vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 167 (Fn. 1), 168. 506

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Seite, so scheinen sich die dogmatischen Begründungsansätze diametral gegenüber zu stehen. Während die Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen das Augenmerk auf drohende Rückabwicklungsschwierigkeiten legt, betonen die Lehre von der Doppelwirkung des Gesellschaftsvertrages sowie die Vertreter eines allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips den überindividuellen Charakter der Gesellschaft als Organisation. Tatsächlich ist von den Vertretern der Doppelwirkungslehre der Rekurs auf Rückabwicklungsschwierigkeiten auch für überflüssig gehalten worden.508 Wichtig zu erkennen ist jedoch, dass die bloße Existenz der Organisation als solche eine Modifikation der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre noch nicht zu rechtfertigen vermag. Dass die Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände vom Gesetzgeber im Ausgangspunkt allein mit Blick auf Individualrechtsgeschäfte konzipiert wurden, würde ihrer Anwendung nicht entgegenstehen, wenn sich der aus ihnen ergebende Verweis auf das allgemeine Rückabwicklungsregime auch für die gesellschaftsrechtliche Organisation als sachgerecht erweisen würde. Erst der Umstand, dass sich die Organisation nach allgemeinen Regeln typischerweise nicht rückabwickeln lässt, stellt die gesellschaftsrechtliche Besonderheit dar, für welche sich die Rechtsgeschäftslehre nicht blind zeigen darf.509 Auch bei Betonung des überindividuellen Charakters der Gesellschaft sind es hiernach im Kern weiterhin die auch von der Beschränkungslehre hervorgehobenen Rückabwicklungsschwierigkeiten, die eine Modifikation der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre sachgerecht erscheinen lassen. Der Doppelwirkungslehre ist hier die wesentliche Erkenntnis zu verdanken, dass diese Rückabwicklungsschwierigkeiten ihre „Wurzel“ in der überindividuellen Organisation finden und gerade deshalb eine besondere Qualität aufweisen, welche sie von „gewöhnlichen“ auch in schuldrechtlichen Dauerrechtsverhältnissen auftretenden Schwierigkeiten unterscheiden. Dieser Aspekt wurde in der Vergangenheit wiederum von den Vertretern der Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen nicht hinreichend beachtet, welche bislang nicht zu erklären vermochte, warum das Vorliegen von Rückabwicklungsschwierigkeiten gerade im Falle der fehlerhaften Personengesellschaft eine teleologische Reduktion der allgemeinen Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften zu 508 Dies wird sehr deutlich etwa bei Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 92, welcher ausführt, dass die Frage, warum sich eine teilrechtsfähige Organisationseinheit nicht rückwirkend beseitigen lässt, unzutreffend formuliert sei. Es gehe nicht darum, die Möglichkeit der rückwirkenden Beseitigung zu leugnen, sondern anzuerkennen, dass die allgemeinen Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände auf Individualrechtsgeschäfte zugeschnitten sind. Damit seien sie grundsätzlich nicht geeignet und bestimmt, die rechtlich relevante Organisationseinheit rückwirkend zu beseitigen. Ähnlich auch Flume, Die Personengesellschaft, 17 (auf Individualrechtsgeschäfte ausgerichtete Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände seien auf die in Vollzug gesetzte Gesamthandsgesellschaft in ihrer rechtlichen Existenz als Personengesellschaft grds. nicht anwendbar); Oechsler, NJW 2008, 2471, 2473 (das Argument der Abwicklungsschwierigkeiten sei ein aus heutiger Sicht entbehrlicher Notbehelf). 509 Vgl. dazu K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 426 (Fn. 18).

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

tragen vermag und welche sich damit der nicht unberechtigten Kritik aussetzte, letztlich doch wieder allein an den durch Vollzug der Gesellschaft geschaffenen Zustand als „Faktum“ anzuknüpfen.510 Eine tragfähige dogmatische Begründung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft vermag hiernach weder die Doppelwirkungslehre noch die Beschränkungslehre zu leisten.511 Die Vertreter eines allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips haben demgegenüber das Bestehen drohender Rückabwicklungsschwierigkeiten als innere Rechtfertigung der Anknüpfung an die Entstehung des Verbandes bereits mitgedacht. Aufgrund des besonderen personenrechtlichen und organisationsrechtlichen Moments unterscheide sich die mitgliedschaftliche Verbandsverfassung von fehlerhaften Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften. Diese könnten nach dem BGB außer Vollzug gesetzt bzw. rückabgewickelt werden, die (vollzogene) mitgliedschaftliche Verbandsverfassung könne es im Allgemeinen nicht.512 Insbesondere für fehlerhafte Korporationen will Karsten Schmidt diese Begründung allerdings nicht gelten lassen. Die Wirksamkeit des fehlerhaft errichteten Verbandes ergebe sich hier kraft konstitutiver Registereintragung.513 Wo das positive Recht einem solchen Staatsakt Konstitutivwirkung für die Schaffung eines Rechtsträgers beimesse, komme es im Einzelfall weder auf den Vollzug noch auch nur auf den Verbandscharakter des Rechtsträgers an. Gegen diese Einordnung der Registereintragung als eigenständige Grundlage der Lehre vom fehlerhaften Verband spricht allerdings der Umstand, dass es auch im Kapitalgesellschaftsrecht drohende Rückabwicklungsschwierigkeiten waren, die den Gesetzgeber zur Schaffung der Regeln zur fehlerhaften Korporation bewogen.514 Die Anknüpfung der Vorschriften 510 Flume, Die Personengesellschaft, 16 f.; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 55. 511 Neben der mangelnden Beachtung der Rückabwicklungsschwierigkeiten hatte sich für die Doppelwirkungslehre auch schon der Fokus auf die Gesamthand als zu eng erwiesen, vgl. oben 3. Kap. § 2 B. I. 2. 512 K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 426; ders., Gesellschaftsrecht, 141. Vgl. auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 141 ff. 513 K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 426 f.; ders., Gesellschaftsrecht, 141; vgl. auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 29 ff.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 173; Ulmer, in: Festschrift Flume, 301, 313. 514 Vgl. bereits die Denkschrift zum Entwurf des Handelsgesetzbuches, Reichstag, 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895/97, 171 f. (Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, 1093 f.): „Aufgrund der Eintragung in das Handelsregister ist sie [die AG] thatsächlich ins Leben getreten; möglicherweise hat der Betrieb des Unternehmens längere Zeit gedauert, sind Rechtsgeschäfte geschlossen, Ansprüche erworben, Verbindlichkeiten eingegangen worden. Alles dies kann nicht einfach als nicht geschehen behandelt werden.“ Bei diesen Ausführungen stand dem Gesetzgeber zwar noch kein ausgereiftes dogmatisches Konzept der im Innen- und Außenverhältnis zunächst wirksamen und erst für die Zukunft auflösbaren fehlerhaften Korporation vor Augen. Dennoch zeigt sich hier bereits klar, dass der gesetzgeberischen Begrenzung der Fehlerfolgen das Bestreben der Verhinderung anderenfalls zu erwartender Rückabwicklungsschwierigkeiten zugrunde liegt. Zu Entwicklung und Wer-

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an die Registereintragung und damit die Entstehung der juristischen Person kraft Staatsakt erscheint hiernach nicht als Ausdruck besonderer Respektierung eines staatlichen Hoheitsaktes.515 Sie lässt sich vielmehr entsprechend der als tragend erkannten Wertung im Personengesellschaftsrecht darauf zurückführen, dass die fehlerhafte Korporation als „überindividuelle Wirkungseinheit“ typischerweise einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach allgemeinen Regeln nicht zugänglich ist.516 Gerade weil diese Grundwertung auch den Regeln zur fehlerhaften Korporation entnommen werden kann, erscheint es gerechtfertigt ein einheitliches für alle Verbände geltendes Prinzip anzunehmen. Die Registereintragung verhält sich gegenüber dieser grundlegenden Wertung neutral.517 Bedeutung kommt ihr erst hinsichtlich der Frage nach der konkreten Ausgestaltung der Vorschriften zur fehlerhaften Korporation zu. Auf dieser Ebene wird relevant, dass das Recht der fehlerhaften Gesellschaft auch ein Sanktionsproblem ist. Weil die Satzung anders als der personengesellschaftsrechtliche Gesellschaftsvertrag vor Eintragung der juristischen Person einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt und weil die Auflösung und Auseinandersetzung der juristischen Person nach Eintragung bei schweren Satzungsmängeln notfalls auch unabhängig vom Gesellschafterwillen per Amtslöschung erzwungen werden kann, kann die Rechtsordnung die Wirksamkeit der fehlerhaften Korporation anders als im Personengesellschaftsrecht in deutlich weiterem Umfang hinnehmen.518 Dem hat der Gesetzgeber mit der konkreten Ausgestaltung der Vorschriften zur fehlerhaften Korporation (starke Limitierung der überhaupt beachtlichen Satzungsfehler, Möglichkeit der Heilung bestimmter Fehler durch satzungsändernden Beschluss, Geltendmachung des Fehlers durch fristgebundene Gestaltungsklage) auch Rechnung getragen.519 Die Registereintragung markiert hiernach als Tatbestandsmerkmal der Vorschriften zur fehlerhaften Korporation einen Wechsel des für fehlerhafte Verbände geltenden Sanktionsregimes.520 Während die der Personengesellschaft sowie der Vor-Gesellschaft anhaftenden Fehler nach den Regeln zur fehlerhaften Gesellschaft in weitem Umfang (ex nunc) geltend gemacht werden können,521 ist dies nach dem Formwechsel des Verbandes von einer Vor-Gesellschaft sui generis hin zu einer juristischen Person nur noch in tungsgrund der Regeln zur fehlerhaften Korporation vgl. insbesondere auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 62 ff., 113 ff. 515 So auch Koch, in: MüKo, AktG, § 275 Rn. 7; Flume, Die Personengesellschaft, 18; vgl. auch Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 5. 516 Zur Parallele zwischen Personengesellschaft und juristischer Person als „Wirkungseinheit“ vgl. Flume, Die Personengesellschaft, 18. 517 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 152. 518 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 150. 519 Näher zum Inhalt der §§ 275 ff. AktG, 75 ff. GmbHG, 94 ff. GenG siehe Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 139 ff. 520 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 156. 521 Zur Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf die Vor-Gesellschaft vgl. BGH, Urteil vom 12. 5. 1954 – II ZR 167/53, NJW 1954, 1562, 1562; Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 8; Bleiweiß, Bestandskraft fehlerhafter Verträge, 132 f.

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beschränktem Umfang möglich. Die die Modifikation der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre rechtfertigende Grundwertung, nach welcher die gesellschaftsrechtliche Organisation (sei es Personengesellschaft, sei es Vor-Gesellschaft sui generis, sei es juristische Person) einer Rückabwicklung nach allgemeinen Regeln typischerweise nicht zugänglich ist, bleibt von diesem Wechsel des Sanktionsregimes unberührt. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass sich das allgemeine verbandsrechtliche Prinzip, nach welchem ein entstandener Verband allein für die Zukunft abgewickelt werden kann, durchgängig auf die Wertung zurückführen lässt, dass mit der Entstehung des Verbandes Rückabwicklungsschwierigkeiten besonderer Qualität drohen, was eine Modifikation der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre als sachgerecht erscheinen lässt. Dieser Ansatz überzeugt, weil er die praktische Erwägung bestehender Rückabwicklungsschwierigkeiten auf die Besonderheit des Verbandes als Organisation zurückführt und damit rechtsdogmatisch untermauert. Für das Personengesellschaftsrecht ist es allerdings alternativ auch denkbar, der Verbindung zwischen Organisation und Rückabwicklungsschwierigkeiten nicht durch das Abstellen auf ein allgemeines Prinzip, sondern vermittels einer Weiterentwicklung der Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen Rechnung zu tragen.522 Die organisationsrechtliche Seite des fehlerhaften Gesellschaftsverhältnisses könnte hier als materielle Begründung der teleologischen Reduktion der bürgerlich-rechtlichen Unwirksamkeitsvorschriften dienen.523 Die teleologische Reduktion setzt den Nachweis voraus, dass sich der Anwendungsbereich der Unwirksamkeitsvorschriften im Hinblick auf ihre Folgenanordnung, genauer den ihnen immanenten Verweis auf die allgemeinen Rückabwicklungsvorschriften, für fehlerhafte Gesellschaften als zu weit erweist und deshalb der einschränkenden Korrektur bedarf. Mit der Argumentation, dass sich die allgemeinen Rückabwicklungsvorschriften für die fehlerhafte Gesellschaft nicht eignen, weil sie im Unterschied zu einfachen Schuldverhältnissen überindividuellen Organisationscharakter entfaltet, mit welchem sich Rückabwicklungsschwierigkeiten besonderer Qualität verbinden, kann dieser Nachweis durchaus überzeugend erbracht werden.524 In ihrer Begründung liegen die Annahme eines allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips und die in ihrer Argumentation derart weitergeführte Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen eng beieinander. Die Entscheidung bringt hier sodann auch eine bloße methodische Überlegung. Die direkte Anwendung eines gefundenen allgemeinen Prinzips geht der teleologischen Reduktion einzelner gesetzlicher Bestimmungen auf Konkurrenzebene vor.525 Die bürgerlich-rechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsregeln sind auf522

546 f. 523

Dafür Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 86, 88; Maultzsch, JuS 2003, 544,

Maultzsch, JuS 2003, 544, 546 f. Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 129. 525 Vgl. Schäfer, in: Großkommentar, HGB, § 105 Rn. 324; ders., Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 130. 524

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grund des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips in ihrer Rechtsfolgenanordnung von vornherein suspendiert. Für die teleologische Reduktion einzelner Vorschriften mit Unwirksamkeitsfolge verbleibt hiernach weder Bedürfnis noch Raum.526 4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die von der Rechtsprechung im Personengesellschaftsrecht entwickelte Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip stützen lässt, welches sie mit den gesetzlichen Vorschriften zur fehlerhaften Korporation zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Rechtsinstitut zusammenführt. Im Ausgangspunkt lässt sich dieses Prinzip dahin formulieren, dass ein entstandener Verband allein für die Zukunft abgewickelt werden kann. Unter einem Verband ist hierbei eine durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfasste, auf Mitgliedschaft beruhende und gegenüber den Mitgliedern verselbstständigte, einem Verbandszweck dienende Organisation zu verstehen. In dem Umstand, dass sich mit dieser Organisation typischerweise Rückabwicklungsschwierigkeiten besonderer Qualität verbinden, findet das allgemeine verbandsrechtliche Prinzip seine innere Rechtfertigung. II. Fehlerhafte Strukturänderungen im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Verband Im Folgenden soll ermittelt werden, unter welchen Voraussetzungen auch fehlerhafte Veränderungen innerhalb des Verbandes in den Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband einzubeziehen sind. Generell erscheint eine solche Einbeziehung dann möglich, wenn die fehlerhafte Änderung der sicher in den Anwendungsbereich fallenden fehlerhaften Verbandsgründung wertungsmäßig so nahe steht, dass eine abweichende Beurteilung des Sachverhaltes nicht gerechtfertigt erscheint. Gefragt ist hiermit nach der hinreichenden Vergleichbarkeit zwischen fehlerhafter Verbandsgründung und fehlerhaftem ändernden Rechtsakt. Im Personengesellschaftsrecht wird eine solche Vergleichbarkeit teilweise für jedwede fehlerhafte Änderung des Gesellschaftsvertrages angenommen.527 Begründet wird diese Auffassung entweder mit dem Charakter der Gesellschaft als Organisation, welcher ein Bedürfnis nach der Anpassung allgemeiner Vorschriften bei Vertragsänderungen im gleichen Maße erzeuge wie bei der fehlerhaften Grün-

526 Schäfer, Die Lehre vom allgemeinen Verband, 129 ff.; zur Konkurrenzfrage allgemein vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 87 ff. 527 Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 138 ff.; Schöne, BeckOK, BGB, § 705 Rn. 93. Jedenfalls im Grundsatz auch Finger, ZGR 1976, 240, 243 ff.; Erman, Personengesellschaften auf mangelhafter Vertragsgrundlage, 38.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

dung,528 oder mit dem Hinweis auf auch in diesen Fällen bestehende Rückabwicklungsschwierigkeiten.529 Die Rechtsprechung hat sich bei der Übertragung der von ihr entwickelten Grundsätze auf fehlerhafte Vertragsänderungen zurückhaltender gezeigt. Die Regeln seien „nicht ohne Weiteres“, sondern allein im Falle solcher Änderungen, die den „Status“ der Gesellschaft beträfen, anzuwenden.530 Zu einer ähnlichen Eingrenzung kommt die Ansicht, welche lediglich solche Vertragsänderungen in den Anwendungsbereich des Rechtsinstitutes einbeziehen will, die zu „Auswirkungen auf die Organisation“ geführt haben. Berühre die Vertragsänderung demgegenüber allein die schuldrechtlichen Elemente des Gesellschaftsvertrages, verbleibe es bei den allgemeinen Regeln.531 Im Kapitalgesellschaftsrecht fokussiert sich die Diskussion auf die Einbeziehbarkeit fehlerhafter Strukturänderungen in den Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband. Eine Strukturänderung kann begriffen werden als eine Maßnahme, welche die Identität (Verschmelzung, Aufspaltung), den Gesellschaftszweck (Liquidation, Konzernierung), die Rechtsform (Formwechsel), die Kapitalstruktur oder die Zuständigkeit oder Besetzung von Organen der Gesellschaft verändert.532 Gemeinsames Kennzeichen dieser Akte ist ein Eingriff in die Verfassung bzw. Organisation des Verbandes sowie das Erfordernis rechtsgeschäftlicher Legitimation durch die Gesellschafter.533 Eine gesetzliche Regelung findet sich lediglich für einen Teilbereich fehlerhafter Strukturänderungen, namentlich für fehlerhafte Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz (vgl. §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG). Ob diese Regelungen als Ausdruck der Lehre vom fehlerhaften Verband verstanden werden können ist umstritten.534 Hinsichtlich der übrigen fehlerhaften Strukturänderungen wird teilweise vertreten, dass sie insgesamt (auch) den Regeln über den fehlerhaften

528 So Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 139; vgl. auch Bleiweiß, Bestandskraft fehlerhafter Verträge, 164 f. 529 Schöne, BeckOK, BGB, § 705 Rn. 93. 530 BGH, Urteil vom 14. 4. 1969 – II ZR 142/67, NJW 1969, 1483, 1483; BGH, Urteil vom 10. 12. 1973 – II ZR 53/72, NJW 1974, 498, 501 = BGHZ 62, 20; vgl. auch Flume, Die Personengesellschaft, 29; Lieberich, Fehlerhafte Abänderungen des Gesellschaftsvertrages bei Personenhandelsgesellschaften, 41 ff. 531 Ulmer, in: Festschrift Flume, 301, 319 f.; Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB, § 705 Rn. 362; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 91. 532 So Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 290; Casper, ZHR 163 (1999) 54, 84; jeweils im Anschluss an Wiedemann, in: Großkommentar, AktG, § 179 Rn. 45 f.; ähnlich auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 1 ff. 533 Wiedemann, in: Großkommentar, AktG, § 179 Rn. 45 f. 534 Dafür Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 182 ff.; ders., in: Festschrift Karsten Schmidt, 1389, 1389 ff. Eine andere Einschätzung ergibt sich, wenn man den Regelungen einen dauerhaften, d. h. auch für die Zukunft wirkenden Bestandsschutz zumisst. In diesem Sinne die h.M. Vgl. etwa Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 250 ff., 306; ders., DStR 2004, 185, 186; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 33.

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Verband zu unterwerfen sind.535 Nach anderer Ansicht lässt sich der Anwendungsbereich der Lehre lediglich auf bestimmte fehlerhafte Strukturänderungen, insbesondere die fehlerhafte Kapitalerhöhung536 sowie fehlerhafte Unternehmensverträge537 erstrecken.538 Ob die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband die (konstitutive) Registereintragung der fehlerhaften Strukturänderung voraussetzt, wird unterschiedlich beurteilt.539 Bei näherer Betrachtung des Meinungsstands im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht fällt zunächst auf, dass der potentielle Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband im Kapitalgesellschaftsrecht von vornherein enger gezogen wird. Fehlerhaften Strukturänderungen, auf welche sich die Diskussion hier beschränkt, ist die Betroffenheit der Verbandsorganisation bereits immanent. Berücksichtigt man, dass das der Lehre vom fehlerhaften Verband zugrunde liegende allgemeine verbandsrechtliche Prinzip an die Entstehung des Verbandes als Organisation anknüpft, so erscheint die Eingrenzung des Anwendungsbereiches auf solche fehlerhafte Rechtsakte, welche die Verbandsorganisation betreffen, auch überzeugend.540 Die im Personengesellschaftsrecht vertretenen weitergehenden Ansichten sind abzulehnen. Die Einbeziehung rein schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern lässt sich nicht mit dem Hinweis auf den Charakter der Gesellschaft als Organisation begründen, wenn dieser für die konkrete fehlerhafte Vertragsänderung keinerlei Bedeutung entfaltet. Umgekehrt lässt sich die Einbeziehung schuldrechtlicher Vereinbarungen auch nicht mit dem pauschalen Hinweis auf auch hier zu erwartende Rückabwicklungsschwierigkeiten begründen, weil diese eben nicht aus der Verbandsorganisation herrühren und sich damit nicht von „gewöhnlichen“ Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung schuldrechtlicher Beziehungen 535 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 154 ff. (Erstreckung auf alle „verbandskonstituierenden Akte“); Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 94 ff.; Wiedemann, in: Großkommentar, AktG, § 189 Rn. 25 ff. 536 Dazu grundlegend Zöllner, AG 1993, 68, 71 ff.; vgl. auch Temme, RNotZ 2004, 2, 3 f.; Meyer-Panhuysen, Die fehlerhafte Kapitalerhöhung, 62 ff. Mit Einführung des Freigabeverfahrens gem. § 246a AktG hat die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft hier allerdings an praktischer Bedeutung verloren. 537 Dazu BGH, Urteil vom 14. 12. 1987 – II ZR 170/87, NJW 1988, 1326, 1326 = BGHZ 103, 1; BGH, Urteil vom 19. 9. 1988 – II ZR 255/87, NJW 1988, 3143, 3146 = BGHZ 105, 168; BGH, Urteil vom 11. 11. 1991 – II ZR 287/90, NJW 1992, 505, 505 = BGHZ 116, 37; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 36 ff.; Ulmer, BB 1989, 10, 15 f. 538 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 289 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 269. 539 Dafür BGH, Urteil vom 18. 12. 1995 – II ZR 294/93, NJW 1996, 659, 660; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 94 ff.; ders., DStR 2004, 185, 185; vgl. auch K. Schmidt, ZGR 1991, 373, 380 f.; a.A. Hüffer, in: MüKo, AktG, 3. Auflage, 2011, § 248 Rn. 22; BGH, Urteil vom 11. 11. 1991 – II ZR 287/90, NJW 1992, 505, 505 = BGHZ 116, 37. 540 In diesem Sinne auch Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 12 für die fehlerhafte Korporation (mit Blick auf den dogmatischen Ausgangspunkt der Rechtsfigur seien nur solche Maßnahmen erfasst, die Einfluss auf das korporative Organisationsgefüge haben).

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

unterscheiden. Das Richtige trifft demgegenüber die Auffassung, welche für die Einbeziehbarkeit der fehlerhaften Vertragsänderung einer Personengesellschaft verlangt, dass diese zu „Auswirkungen auf die Organisation“ führte. Durch das Abstellen auf die Betroffenheit der Verbandsorganisation erfolgt hier eine direkte Rückkopplung zur dogmatischen Grundlage der Lehre vom fehlerhaften Verband, was die Literaturmeinung dem in die gleiche Richtung gehenden aber unschärferen „Status-Kriterium“ der Rechtsprechung überlegen erscheinen lässt.541 Als Zwischenergebnis kann damit festgehalten werden, dass die Einbeziehung einer fehlerhaften Änderung in die Lehre vom fehlerhaften Verband jedenfalls voraussetzt, dass mit deren Durchführung ein Eingriff in die Verbandsorganisation einhergeht. Im Kapitalgesellschaftsrecht wird in diesem Zusammenhang von einer fehlerhaften Strukturänderung gesprochen. Mit Rücksicht darauf, dass nicht jeder Eingriff in die Verbandorganisation zwingend eine Änderung des Gesellschaftsvertrages erfordert, erscheint dieser weitere Begriff auch für das Personengesellschaftsrecht vorzugswürdig.542 Die Betroffenheit der Verbandsorganisation allein kann für die Einbeziehung fehlerhafter Strukturänderungen in die Lehre vom fehlerhaften Verband allerdings noch nicht ausreichen. Für die Entstehung des fehlerhaften Verbandes wurde festgestellt, dass diese eine Abkehr von der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre erst aufgrund des Umstandes zu rechtfertigen vermag, dass sich mit ihr typischerweise Rückabwicklungsschwierigkeiten besonderer Qualität verbinden. Dieser inneren Rechtfertigung des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips ist auch bei dessen Erstreckung auf fehlerhafte Strukturänderungen Rechnung zu tragen. Erst wenn sich aus der einzelnen fehlerhaften Strukturänderung typischerweise Rückabwicklungsschwierigkeiten ergeben, welche, wie im Falle der fehlerhaften Verbandsgründung, aus der Verbandsorganisation resultieren und jenen bei der fehlerhaften Gründung inhaltlich jedenfalls partiell entsprechen, erscheint eine hinreichende Vergleichbarkeit zur fehlerhaften Verbandsgründung gegeben.543 Die für die Personengesellschaften aufgestellte Prämisse, dass mit der fehlerhaften Änderung „Auswirkungen auf die Organisation“ einhergehen, bedarf mithin der Konkretisie541 Kritisch gegenüber dem Status-Kriterium auch Schäfer, in: Großkommentar, HGB, § 105 Rn. 354; Ulmer, in: Festschrift Flume, 301, 319; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 140. Nach Ansicht von Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 160, handelt es sich bei den Begriffen der Status- und Strukturänderung um Synonyme. 542 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 289. 543 Ähnlich Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 289 ff., 360, welcher auf der fehlerhaften Gründung oder dem fehlerhaften Beitritt entsprechende Rückabwicklungsschwierigkeiten abstellt. Die Einbeziehung des fehlerhaften Beitritts als zusätzlichen Referenzpunktes erscheint aufgrund dessen allgemeiner Akzeptanz als Anwendungsfall der LfV zulässig, weil sich die Einbeziehung des fehlerhaften Beitritts ihrerseits aus der Vergleichbarkeit zur Gründungssituation rechtfertigt, aber nicht zwingend veranlasst. Vgl. weiter Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 269 (LfV finde auf alle Strukturänderungen Anwendung, bei denen wegen der sonst drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten eine einschränkende Auslegung der einschlägigen Nichtigkeitsvorschriften geboten ist).

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rung dahin, dass diese Auswirkungen sich in der Form entsprechender Rückabwicklungsschwierigkeiten ergeben müssen. Weitergehende Anforderungen sind an die Einbeziehung fehlerhafter Strukturänderung demgegenüber nicht zu stellen. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Lehre vom fehlerhaften Verband kann es zunächst nicht auf die Registereintragung der fehlerhaften Strukturänderung ankommen. Wie sich an den Regeln zur fehlerhaften Korporation gezeigt hat, verhält sich das der Lehre zugrunde liegende allgemeine verbandsrechtliche Prinzip zur Eintragung neutral.544 Eine zusätzliche Einschränkung ergibt sich des Weiteren auch nicht für den Fall, dass der fehlerhaften Strukturänderung, wie regelmäßig, ein Gesellschafterbeschluss zugrunde liegt. Mit dem Einwand, dass ein solcher Beschluss eine andere Rechtsnatur als das Gründungsgeschäft aufweise und anderen Gesetzmäßigkeiten folge, wurde die Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Verband hier bezweifelt.545 In der Tat weist ein Beschluss im Gegensatz zum Gründungsgeschäft keine Vertragsqualität546 auf und unterliegt im Falle seiner Fehlerhaftigkeit den besonderen verbandsspezifischen Regeln des Beschlussmängelrechts, dessen Wertungen durch die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband nicht unterlaufen werden dürfen. Dass das Beschlussmängelrecht gegenüber der Lehre vom fehlerhaften Verband von vornherein Sperrwirkung entfaltet, wäre jedoch erst dann anzunehmen, wenn diesem eine abschließende Regelung hinsichtlich der Behandlung sich an einen fehlerhaften Gesellschafterbeschluss anschließender fehlerhafter Durchführungsgeschäfte bzw. Strukturänderungen entnommen werden könnte. De lege lata ist dies jedoch nicht der Fall,547 sodass die Ausfüllung dieser Lücke durch die Regeln vom fehlerhaften Verband grundsätzlich möglich erscheint.548 544

Dass der Eintragung nach der Feststellung der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Verband auf Tatbestandsebene Bedeutung zukommt, ist hiermit freilich noch nicht ausgeschlossen. Vgl. dazu Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 149 ff., 375 ff. 545 Wiedemann, WM 1990, Beilage 8, 2, 28 f. 546 Hüffer, ZGR 2001, 833, 834. 547 Eine gesetzliche Regelung besteht allein im Hinblick auf fehlerhafte Umwandlungsmaßnahmen, vgl. §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG. 548 Dazu Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 294; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 96; Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 31. Auf welchem Wege sich die Ausfüllung dieser Lücke vollziehen soll wird unterschiedlich beurteilt. Nach teilweise vertretener Ansicht, sollen Beschluss und Strukturänderung zwingend als rechtliche Einheit aufzufassen sein, sodass die Lehre vom fehlerhaften Verband ihren Anknüpfungspunkt bereits am Beschluss selbst finden müsse. So insb. Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 12 ff.; vgl. auch Kort, ZGR 1994, 291, 324; Bleiweiß, Bestandskraft fehlerhafter Verträge, 187 f. Überzeugender erscheint es demgegenüber der Lehre vom fehlerhaften Verband für den rechtlichen Bestand des Beschlusses noch keine Bedeutung beizumessen. Ergibt sich dessen anfängliche oder rückwirkende Nichtigkeit, so kann die an dem nachfolgenden Durchführungsgeschäft, d. h. der fehlerhaften Strukturänderung selbst ansetzende Lehre vom fehlerhaften Verband dazu führen, dass die Strukturänderung trotz des ihr zugrunde liegenden nichtigen Beschlusses bis zur Geltendmachung des Fehlers aufrecht zu erhalten ist. In diesem Sinne etwa Hüffer, in: MüKo,

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass eine fehlerhafte Veränderung innerhalb des Verbandes dann in den Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband einzubeziehen ist, wenn sie als fehlerhafte Strukturänderung qualifiziert werden kann, aus deren Durchführung sich typischerweise Rückabwicklungsschwierigkeiten ergeben, welche jenen der fehlerhaften Verbandsgründung inhaltlich jedenfalls partiell entsprechen. III. Die fehlerhafte Bestellung als fehlerhafte Strukturänderung i.S.d. Lehre vom fehlerhaften Verband Nachdem die abstrakten Anforderungen, welche ein fehlerhafter ändernder Rechtsakt zu erfüllen hat, um in den Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband einbezogen zu werden, feststehen, soll nun ermittelt werden, ob die fehlerhafte Bestellung des GmbH-Geschäftsführers diese Anforderungen erfüllt. Die fehlerhafte Bestellung müsste sich zunächst als fehlerhafte Strukturänderung begreifen lassen. Eine Strukturänderung wurde vorliegend als Maßnahme beschrieben, welche die Identität, den Gesellschaftszweck, die Rechtsform, die Kapitalstruktur oder die Zuständigkeit oder Besetzung von Organen der Gesellschaft verändert.549 Verbindendes Glied dieser Maßnahmen ist ein Eingriff in die Verbandsorganisation sowie das Bedürfnis rechtsgeschäftlicher Legitimation durch die Gesellschafter.550 Mit der Bestellung des GmbH-Geschäftsführers geht eine Veränderung der Besetzung des Leitungsorgans der GmbH einher. Weil der Geschäftsführer mit der Bestellung als Organwalter in die Organisation der GmbH eingegliedert wird, ihm innerhalb des Verbandes Rechte und Pflichten zukommen, er im Namen der GmbH gegenüber Gesellschaftern und Dritten agiert und sich die Gesellschaft sein Verhalten fortan in organspezifischer Weise als eigenes zurechnen lassen muss, ist ein mit der Bestellung einhergehender Eingriff in die Verbandsorganisation anzunehmen. Dementsprechend fällt die Bestellung auch in den Kompetenzbereich der Gesellschafter.551 Die fehlerhafte Bestellung kann hiernach als fehlerhafte Strukturänderung qualifiziert werden.552 Um in die Lehre vom fehlerhaften Verband einbezogen werden zu können, müssten sich aus dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers im nächsten Schritt Rückabwicklungsprobleme ergeben, welche jenen bei der fehlerhaften Gesellschaftsgründung inhaltlich jedenfalls partiell entsprechen. AktG, 3. Auflage, 2011, § 248 Rn. 22; Englisch, in: Hölters, AktG, § 248 Rn. 16 f.; Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, § 248 Rn. 14. 549 Dazu oben 3. Kap. § 2 B. II. 550 Wiedemann, in: Großkommentar, AktG, § 179 Rn. 45 f. 551 Vgl. §§ 6 Abs. 3 S. 2, 46 Nr. 5 GmbHG. 552 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 473 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 269. Für die Einordnung der fehlerhaften Organbestellung als fehlerhafte Strukturänderung wohl auch Bayer/Lieder, NZG 2012, 2, 3.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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Dass im Falle der fehlerhaften Organbestellung der fehlerhaften Gründung entsprechende Rückabwicklungsschwierigkeiten auftreten, ist insbesondere von Stein bestritten worden. Im Bestellungsverhältnis erfolge kein Leistungsaustausch, welcher bei nichtiger Bestellung rückgängig zu machen wäre.553 Weiter fehle es hier an der für das Gesellschafterinnenverhältnis charakteristischen gesamthänderischen Bindung und Vermögensbeteiligung, deren rückwirkende Beseitigung zu unbilligen Ergebnissen führen könne.554 Dem Aspekt des Verkehrsschutzes im Außenverhältnis könne für die Einordnung der fehlerhaften Bestellung in das Rechtsinstitut der fehlerhaften Gesellschaft nichts abgewonnen werden, weil dieser aus der Anerkennung der fehlerhaften Gesellschaft im Innenverhältnis abgeleitet werde.555 Schließlich sei auch die Qualifikation der fehlerhaften Gesellschaft als einer Organisationseinheit nicht weiterführend. Die Bestellung bzw. deren Vollzug habe zwar organisationsrechtliche Auswirkungen, sie begründe aber in keiner Weise eine organisationsrechtlich verfestigte soziale Handlungseinheit, die als solche zu respektieren sein könne.556 Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Verband wurden weiter von Schäfer geäußert. Zwar seien die sich mit der fehlerhaften Bestellung verbindenden Schwierigkeiten partiell jenen vergleichbar, welche beim fehlerhaften Beitritt entstünden, sodass die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband nicht an dogmatischen Einwänden scheitern müsse.557 Diese die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband rechtfertigende Parallele sei jedoch allein dort gegeben, wo die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers – aus der Perspektive des Prinzips der Fremdorganschaft zufällig – mit dessen Gesellschafterstellung zusammenfalle. Die besseren Gründe sprächen damit dafür, einer autonom begründeten Lehre vom fehlerhaften Organ im Kapitalgesellschaftsrecht gegenüber der Lehre vom fehlerhaften Verband den Vorzug und kraft Spezialität auch den Vorrang zu geben.558 Die Frage, ob sich die Suspendierung der Fehlerfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung von der Lehre vom fehlerhaften Verband unabhängig begründen lässt und einer solchen autonomen Rechtsfigur gegenüber der Einordnung der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband jedenfalls auf Konkurrenzebene der Vorzug gebührt, muss hier zunächst noch offen bleiben.559 553 Stein, Das faktische Organ, 62; ebenso Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 137; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 69 f. 554 Stein, Das faktische Organ, 62; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 137; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 69 f. 555 Stein, Das faktische Organ, 63 f. 556 Stein, Das faktische Organ, 64. 557 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 473 ff., 482. 558 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 482. 559 Vgl. dazu unten 3. Kap. § 2 C.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Die im Übrigen gegen die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband hervorgebrachten Argumente können bei näherer Betrachtung nicht überzeugen. Was zunächst die Feststellung anbelangt, dass der Vollzug der Bestellung keine organisationsrechtlich verfestigte soziale Handlungseinheit begründe, so ist diese für sich gesehen zwar zutreffend. Der Einbeziehung der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband kann sie jedoch nicht entgegenstehen, weil es für die Beurteilung fehlerhafter Strukturänderungen allgemein nicht darauf ankommt, dass aus diesen eine neue Organisation hervorgeht, sondern darauf, welche Folgen die Strukturänderung bzw. deren Fehlerhaftigkeit für den Verband als bereits entstandener organisationsrechtlich verfestigter sozialer Handlungseinheit entfaltet.560 Dem Hinweis auf den fehlenden Bezug des Organverhältnisses zum Gesellschaftsvermögen ist zuzugeben, dass die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung den Erhalt der vermögensmäßigen Grundlagen der GmbH nicht im gleichen Maße gefährdet wie die Fehlerhaftigkeit der gesamten Außengesellschaft oder die Fehlerhaftigkeit des Beitritts eines Gesellschafters, welcher nach allgemeinen Regeln seine ursprünglich geleistete Einlage regelmäßig in voller Höhe wieder aus dem Gesellschaftsvermögen abziehen könnte.561 Mit Blick auf die Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften Verband kann sich ein Ausschlusskriterium jedoch auch aus dieser Überlegung nicht ergeben. Die Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Verband hat gezeigt, dass sich diese für den Fall der fehlerhaften Verbandsgründung allgemein an die Entstehung des Verbandes und nicht etwa allein an die Entstehung eines Rückabwicklungsschwierigkeiten verursachenden Gesellschaftsvermögens knüpft.562 Auch die Einbeziehung des fehlerhaften Beitritts in die Lehre vom fehlerhaften Verband wird zu Recht nicht von einem bestehenden Vermögensbezug abhängig gemacht.563 So fällt der fehlerhafte Beitritt insbesondere auch dann in den Anwendungsbereich der Lehre, wenn die mit der Mitgliedschaft verbundenen Vermögensrechte des Gesellschafters wegbedungen wurden.564 560 Zu den abstrakten Anforderungen an die Einbeziehung einer fehlerhaften Strukturänderung in die LfV siehe oben 3. Kap. § 2 B. II. 561 Zur Beschränkung des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters auf sein vom Geschäftsverlauf der Gesellschaft abhängiges Abfindungsguthaben vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. 5. 2008 – II ZR 292/06, NZG 2008, 460, 461. 562 Dazu oben 3. Kap. § 2 B. I. 563 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 476 f., welcher in dem Umstand dass die Einbeziehung des fehlerhaften Beitritts keinen Vermögensbezug voraussetzt, allerdings einen wesentlichen Unterschied zur fehlerhaften Verbandgründung sieht. Erkennt man hingegen an, dass sich das der Lehre vom fehlerhaften Verband zugrunde liegende verbandsrechtliche Prinzip allgemein an die Entstehung eines Verbandes knüpft und damit insbesondere auch die fehlerhafte Gründung von Innenverbänden erfassen kann, die mangels Rechtssubjektivität als Vermögensträger von vornherein ausscheiden, wird deutlich, dass der Vermögensbezug auch für die Beurteilung der fehlerhaften Verbandsgründung kein zwingendes Erfordernis darstellt. 564 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 477.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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Weil die isolierte Betrachtung des Organverhältnisses der tatsächlichen Einbindung des für und innerhalb der GmbH tätig werdenden fehlerhaften Geschäftsführers in die Verbandsorganisation nicht gerecht würde, greift schließlich auch der Einwand, dass ein Leistungsaustausch im Organverhältnis nicht stattfinde und dementsprechend keine Rückabwicklungsschwierigkeiten zu besorgen seien, zu kurz. Auch die Problematik der fehlerhaften Verbandsgründung ließe sich nicht sachgerecht erfassen, wenn man allein auf das Verhältnis der Gesellschafter als Vertragspartner des fehlerhaften Gesellschaftsvertrages abstellen würde, ohne der entstandenen überindividuellen Verbandsorganisation Beachtung zu schenken. Die anfängliche Nichtigkeit der an einem Gründungsmangel leidenden Gesellschaft würde nicht allein die seitens der Gesellschafter auf Grundlage des fehlerhaften Gesellschaftsvertrages erbrachten Beiträge betreffen. Ist der auf fehlerhafter Grundlage entstandene Verband als solcher im Rechtsverkehr aufgetreten, entfiele er bei Anerkennung anfänglicher Nichtigkeit als Zurechnungsobjekt begründeter Ansprüche, Verbindlichkeiten und Rechtspflichten. Verbandsintern droht die Nichtigkeit sämtlicher namens der Gesellschaft oder aus vermeintlich eigener Kompetenz vorgenommener interner (Rechts-)Handlungen, was insbesondere die Unwirksamkeit sämtlicher Innenrechtsbeziehungen der Gesellschaft zu ihren Mitgliedern und Organpersonen sowie die Unwirksamkeit sämtlicher zur internen Willensbildung gefasster (Gesellschafter-)Beschlüsse bedeuten würde.565 Dass sich aus der Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung keine Rückabwicklungsschwierigkeiten vergleichbaren Ausmaßes ergeben ist offensichtlich.566 Die fehlerhafte Bestellung berührt den Verband nicht in seiner Existenz. Richtet man den Blick jedoch, der Reichweite der Problematik angemessen, auf die Auswirkungen der Tätigkeit des fehlerhaften Geschäftsführers auf den Verband und dessen interne und externe Rechtsbeziehungen im Ganzen, zeigen sich die inhaltlichen Übereinstimmungen der jeweils entstehenden Rückabwicklungsprobleme. Was zunächst die interne Willensbildung des Verbandes anbelangt, so ergäbe sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung die Unwirksamkeit sämtlicher verbandsintern gefasster Beschlüsse im Gegensatz zur fehlerhaften Verbandsgründung zwar nicht ohne Weiteres. Gleiches gilt für die Beurteilung der im Namen der Gesellschaft getätigten Innengeschäfte. Aufgrund der bei Zugrundelegung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung fehlenden Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers zur Vornahme wirksamer und zurechenbarer verbandsinterner Rechtshandlungen drohen Rückabwicklungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten erheblichen Ausmaßes wie gesehen aber auch hier.567 Insbesondere 565

Ausführlich zu den im Fall der fehlerhaften Verbandsgründung zu erwartenden Rückabwicklungsschwierigkeiten siehe nur Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 62 ff., 71 ff. 566 In diesem Sinne auch Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 2. 567 Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. II.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

die sich mit der fehlenden Befugnis des fehlerhaften Geschäftsführers zur Einberufung der Gesellschafterversammlung verbindende Gefahr der Unwirksamkeit sämtlicher während der Zeit seines Tätigwerdens gefasster Gesellschafterbeschlüsse lässt die Einordnung auch der fehlerhaften Gesellschafterbestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband als naheliegend erscheinen.568 Bestätigt wird diese Einschätzung durch einen Seitenblick auf den fehlerhaften Gesellschafterbeitritt. Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband wird auch hier insbesondere mit dem Bedürfnis begründet, aufgrund der Mitwirkung des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen drohende Rückabwicklungsprobleme zu vermeiden.569 Im Außenverhältnis hat die Untersuchung der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung einstellenden Rechtslage ergeben, dass Rückabwicklungsprobleme mit Blick auf die seitens des fehlerhaften Geschäftsführers namens der GmbH vorgenommenen Vertretungshandlungen zu erwarten sind.570 Aus Sicht der betroffenen Dritten droht der Verlust der Gesellschaft als Vertragspartner. Im Falle der fehlerhaften Verbandsgründung ist das nicht anders. Bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der fehlerhaften Gesellschaft handelt der vermeintliche Geschäftsführer im Rechtsverkehr als falsus procurator, weil die Gesellschaft als Geschäftsherrin nicht existiert und eine entsprechende Vertretungsmacht hiernach von vornherein nicht bestehen kann. Im Falle der fehlerhaften Bestellung handelt der vermeintliche Geschäftsführer als falsus procurator, weil ihm mangels wirksamen Bestellungsaktes keine organschaftliche Vertretungsmacht zukommt und auch die konkludente Erteilung rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nicht angenommen werden kann. Zwar hat sich im letzten Falle ergeben, dass den betroffenen Dritten über Handelsregister und allgemeine Rechtsscheinlehre auch nach allgemeinen Regeln ein Schutz in nicht unerheblichem Umfang zukäme.571 Leidet die Gesellschaft an einem Gründungsmangel, ist dies jedoch im Ausgangspunkt ebenso. Nicht durch Zufall hat die Lehre vom fehlerhaften Verband in der auf Rechtsscheinerwägungen gestützten Anerkennung der fehlerhaften Personengesellschaft im Außenverhältnis ihren Anfang genommen.572 Auch in der Folge fehlte es nicht an Versuchen, die Problematik der fehlerhaften Gesellschaft in das System

568 Für die Einordnung der mit den unwirksamen internen Rechtshandlungen des fehlerhaften Organmitglieds verbundenen Rückabwicklungsschwierigkeiten als solche im Sinne der LfV auch Bayer/Lieder, NZG 2012, 2; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 270 ff.; vgl. auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 474 f. 569 Vgl. BGH, Urteil vom 11. 3. 1976 – II ZR 127/74, WM 1976, 475, 476; BGH, Beschluss vom 5. 5. 2008 – II ZR 292/06, NZG 2008, 460, 461. 570 Siehe oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. 571 Dazu oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. b). 572 Vgl. etwa RG, Urteil vom 12. 2. 1902 – I 333/01, RGZ 51, 33, 37; RG, Urteil vom 12. 6. 1911 – II 67/11, RGZ 76, 439, 441; RG, Urteil vom 14. 11. 1916 – II 346/16, RGZ 89, 97, 98; RG, Urteil vom 13. 10. 1933 – II 110/33, RGZ 142, 98, 107 f.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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der Vertrauenshaftung einzubetten.573 Durchsetzen konnten sich diese Ansätze nicht und parallel hierzu erscheint es auch im Falle der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung sachgerechter dem mit der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband verbundenen absoluten Verkehrsschutz und der hiermit einhergehenden Rechtssicherheit den Vorzug zu geben und den Rechtsverkehr hier wie dort mit Fehlern aus der Verbandsorganisation nicht zu belasten.574 Entgegen der Ansicht von Stein, lässt sich dem Aspekt des Verkehrsschutzes für die Einbeziehung der fehlerhaften Bestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband hiernach durchaus etwas abgewinnen. Auf die Übertragbarkeit eines vermeintlichen Erst-Recht-Schlusses vom Innenauf das Außenverhältnis kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil diese Argumentation auch für die fehlerhafte Verbandsgründung als dogmatischer Irrweg mittlerweile aufgegeben wurde.575 Jedenfalls mittelbar mit der Fehlerhaftigkeit des verbandsinternen Rechtsgeschäfts der Bestellung belastet würde der Rechtsverkehr weiter auch mit Blick auf die bei Anerkennung anfänglicher Nichtigkeit anzunehmende verkürzte organschaftliche Pflichtenbindung und Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers. Da sich diese für den fehlerhaften Geschäftsführer vornehmlich im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft ergäbe, ist hier allerdings vor allem ein Bedürfnis der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter nach einer umfassenden Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in das organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime zu verzeichnen. Diesem Bedürfnis über die auch in einfachen fehlerhaften Schuldverhältnissen mögliche Auferlegung klassischer Schutzpflichten hinaus Rechnung zu tragen, erscheint gerade aufgrund des Umstandes gerechtfertigt, dass der Geschäftsführer mit der Bestellung als Organwalter in den Verband eingegliedert wird, er diesem aufgrund seiner umfassenden Einfluss-, Einsichts- und Machtbefugnisse als Mitglied des Leitungsorgans gerade nicht mehr wie ein einfacher Schuldner gegenübersteht und sich diese Position faktisch auch für den Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmenden fehlerhaften Geschäftsführer ergibt. Da sich das hinsichtlich des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung anzunehmende Korrekturbedürfnis hiernach auch in diesem Zusammenhang auf verbandsrechtliche Besonderheiten zurückführen lässt, erscheint die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband auch mit Blick auf die Herbeiführung einer umfassenden organschaftlichen Verantwortung des fehlerhaften Geschäftsführers überzeugend.576 Von Rückabwicklungsschwierigkeiten im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Verband lässt sich insofern

573 Vgl. insbesondere Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 120 ff., 172 ff., 447 ff. 574 Für die Gewährung absoluten Verkehrsschutzes über Handelsregister und allgemeine Rechtsscheingrundsätze hinaus auch Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 2. 575 Dazu bereits oben 3. Kap. § 2 B. I. 2. 576 Dafür im Ergebnis auch Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 273; Bayer/Lieder, NZG 2012, 2; vgl. auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 475.

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3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

immerhin im weiteren Sinne sprechen.577 Für den fehlerhaften Geschäftsführer stellt die Anerkennung der Organwalterstellung für die Vergangenheit die rechtliche Grundlage der von seiner Seite regelmäßig bezogenen Vergütungsansprüche sicher, sodass die damit einhergehende Einbindung in das strenge organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime auch unter Berücksichtigung dessen schutzwürdiger Interessen als sachgerecht erscheint. Zeigen sich hiernach inhaltliche Parallelen zu den in der Folge der fehlerhaften Verbandsgründung drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten sowohl mit Blick auf die fehlende Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers zum wirksamen und zurechenbaren verbandsinternen Rechtshandeln als auch mit Blick auf dessen Vertretungshandeln im Außenverhältnis und lässt sich auch die ansonsten verkürzte organschaftliche Pflichtenbindung und Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers als Rückabwicklungsschwierigkeit im Sinne der Lehre des fehlerhaften Verbandes begreifen, bestehen gegen die Einbeziehung der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband insgesamt keine Bedenken. Mit Blick auf die als relevant erkannten Rückabwicklungsschwierigkeiten im Falle des Tätigwerdens des fehlerhaften Geschäftsführers kann schließlich insbesondere auch der Einwand, dass die Einbeziehung der fehlerhaften Bestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband nur für den fehlerhaften Gesellschafter-Geschäftsführer in Betracht komme, nicht überzeugen. Für die aufgrund der fehlenden Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers im Innen- und Außenverhältnis des Verbandes drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten ist die Einordnung des fehlerhaften Geschäftsführers als Fremd- oder Gesellschafter-Geschäftsführer nicht relevant. Hinsichtlich Pflichtenbindung und Haftung ergeben sich zwischen fehlerhaftem Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführer über die mitgliedschaftliche Treuepflicht zwar graduelle Unterschiede.578 Die zur Anerkennung des in beiden Konstellationen bestehenden Bedürfnisses nach einer umfassenden Einbindung in das organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime führenden Erwägungen bleiben jedoch auch hier die Gleichen. Im Ergebnis kann die fehlerhafte Bestellung hiernach als fehlerhafte Strukturänderung im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Verband qualifiziert werden. Für die Grundlegung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis erscheint die Anknüpfung an die Lehre vom fehlerhaften Verband damit grundsätzlich möglich.579

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Allgemein zum Begriff der Rückabwicklungsschwierigkeiten in fehlerhaften Dauerrechtsverhältnissen vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 23 ff. 578 Vgl. dazu oben 3. Kap. § 1 B. II. 2. sowie 3. Kap. § 1 D. I. 2. 579 So im Ergebnis auch Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 267 ff., 273 f.; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 2 f.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

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C. Die Rechtsfigur der fehlerhaften Organstellung als eigenständiger Lösungsansatz Ausgehend von der Prämisse, dass sich für die fehlerhafte Organbestellung weder die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis noch die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft fruchtbar machen lasse, wurde von Stein ein an den spezifischen Gegebenheiten des Bestellungsverhältnisses orientierter, eigenständiger Ansatz zur Begründung einer Rechtsfigur der fehlerhaften Organstellung vorgelegt.580 Zwar hat sich demgegenüber vorstehend gezeigt, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bzw. deren Weiterentwicklung zur Lehre vom fehlerhaften Verband für die Lösung der Problematik der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung einen geeigneten Ansatz darstellen. Dass sich die Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung für die Vergangenheit über ein auf eigenständigen Wertungen beruhendes autarkes Rechtsinstitut noch überzeugender Begründungen lässt, ist jedoch nicht ausgeschlossen. Weil die genaue Kenntnis der dogmatischen Grundlage der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis für die sich anschließende Frage nach deren Tatbestand unentbehrlich erscheint, soll dem im Folgenden nachgegangen werden. I. Organersetzungsfunktion als maßgebliche dogmatische Grundwertung Der Entwicklung der Rechtsfigur der „fehlerhaften Organstellung“ legt Stein zunächst den Gedanken zu Grunde, dass sich die im Zusammenhang mit dem „faktischen Organ“ ergebenden Probleme insgesamt auch im Rahmen der einfachen Normanwendung bewältigen ließen.581 Wo eine sinnvolle Konfliktlösung eine gleichförmige Rechtsanwendung in einer Vielzahl von Fällen erfordere, in deren Rahmen nicht normspezifische Gesichtspunkte, sondern allgemeine Erwägungen die Anwendbarkeit der Organvorschriften auf Nichtorgane steuerten, sei die Entwicklung einer einheitlichen Rechtsfigur der Normanwendungslehre jedoch vorzuziehen.582 In den Konstellationen, in welchen innerhalb der Gesellschaft kein rechtwirksam bestelltes Organ vorhanden oder das Organ wegen fehlerhafter Bestellung einzelner Mitglieder nicht ordnungsgemäß besetzt und infolgedessen handlungsunfähig oder nur beschränkt handlungsfähig sei, sei mit dem Ziel der Organersetzung ein solcher die Einzelnormanwendung bestimmender normübergreifender Gesichtspunkt gegeben. Zwar könnten im Einzelfall auch normspezifische Erwägungen ausreichen, um die Normadressateneigenschaft des Betroffenen zu begründen. Im Grunde könne die Einzelnormanwendung jedoch stets auf den Gedanken zurückgeführt werden, dass die Gesellschaft voll handlungsfähige und verantwortliche 580 581 582

Stein, Das faktische Organ, 100 ff., 119 ff.; dies., ZHR 148 (1984), 207, 222. Stein, Das faktische Organ, 69 f., 94, 198. Stein, Das faktische Organ, 75 f., 198.

170

3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Organe haben müsse.583 Die sowohl im Interesse der Gesellschaft als auch der Gesellschafter, Gläubiger und Allgemeinheit liegende Ausstattung der Gesellschaft mit jederzeit handlungsfähigen Organen sowie der Schutz der Gesellschaft vor nachteiligen Folgen der Tätigkeit der für sie handelnden Personen mache es in bestimmten Situationen prinzipiell erforderlich, Nichtorgane in vollem Umfang als Organe zu behandeln.584 Diese Position ausschließlich dem fehlerhaft bestellten Organ einzuräumen rechtfertige sich daraus, dass es von der Gesellschaft mit seinem Einverständnis als Organ gewollt sei, dass es sich aufgrund der tatsächlich erfolgten Bestellung auf die von beiden Seiten gewollte Übernahme der Organverantwortung einstellen konnte und dass es sich mit der tatsächlichen Annahme der Bestellung auch darauf eingelassen habe.585 Der wichtigste Satz, der sich aus der Anerkennung der fehlerhaften Organstellung als Rechtsinstitut ergebe, sei der, dass die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe, die an sich zur ex-tunc Nichtigkeit des Bestellungsaktes führen müssten, das Bestellungsverhältnis nur ex nunc vernichtbar machten. Für die Vergangenheit sei das fehlerhafte Organverhältnis so zu behandeln, als sei die Bestellung von Anfang an wirksam gewesen. Zur rechtsdogmatischen Begründung könne auf die sog. Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen verwiesen werden, die den Besonderheiten vollzogener Dauerrechtsverhältnisse Rechnung tragen könne, ohne zu grundlegenden Eingriffen in die zivilrechtliche Dogmatik zu nötigen.586 II. Stellungnahme Ob die Notwendigkeit der Heranziehung eines festen Rechtsinstitutes im Umgang mit der Problematik der fehlerhaften Organbestellung aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität auch dann noch angenommen werden könnte, wenn sich eine Lösung, wie von Stein zugrunde gelegt, prinzipiell auch im Wege der einfachen Normanwendung erreichen ließe, erscheint zweifelhaft. Wie die Untersuchung der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung einstellenden Rechtslage ergeben hat, ist hiervon allerdings auch nicht auszugehen.587 Insbesondere die umfassende Bindung des fehlerhaften Geschäftsführers an die aus dem Organverhältnis resultierenden Organpflichten kann über eine erweiternde oder analoge Normanwendung nicht erreicht werden. Gleiches gilt für die Zuerkennung der Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln. Die Tragfähigkeit der Erwägung, dass ein festes Rechtsinstitut der Normanwendung dort vorzuziehen sei, wo außerhalb der Norm stehende Gesichtspunkte die Anwendung der jeweiligen Einzelnormen stets in gleicher Weise determinieren, kann hier damit letztlich dahinstehen. 583 584 585 586 587

Stein, Das faktische Organ, 76 ff., 93 ff. Stein, Das faktische Organ, 100 ff., 118. Stein, Das faktische Organ, 115 ff., 118. Stein, Das faktische Organ, 126 f. Vgl. oben 3. Kap. § 1 F.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

171

Als entscheidend für die Überzeugungskraft des von Stein entwickelten Begründungsansatzes erscheint die These, dass es der übergreifende Gedanke der „Organersetzung“ sei, welcher den Ausschlag dafür gebe, den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer für die Vergangenheit einem rechtwirksam bestellten Organmitglied in vollem Umfang gleichzustellen und ihm Pflichten und Verantwortung eines Geschäftsführers ohne Einschränkung aufzuerlegen.588 Wie die Untersuchung der sich bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung ergebenden Rechtslage gezeigt hat, kann der Annahme eines tatsächlichen Bedürfnisses nach einer „Organersetzung“ im Sinne der Anerkennung der Stellung des Betroffenen als Organwalter für die Vergangenheit grundsätzlich zugestimmt werden.589 Mit der „Organersetzung“ als solcher ist allerdings zunächst allein das Ergebnis der Korrektur der fehlerhaften Bestellung umschrieben. Die eine solche Korrektur rechtfertigenden Gründe sieht Stein in einem prinzipiellen Interesse an der jederzeitigen Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane sowie in der Schutzwürdigkeit der Gesellschaft hinsichtlich der sich für sie aus dem Tätigwerden des fehlerhaft bestellten Organs ergebenden nachteiligen Folgen.590 Der Annahme, dass dem fehlerhaft bestellten Organ die gleichen Schädigungsmöglichkeiten zukommen wie seinem ordnungsgemäß bestellten Pendant und dass es hiernach im Interesse der Gesellschaft geboten sei, es gleichermaßen dem strengen organschaftlichen Pflichten- und Haftungsregime zu unterwerfen, ist zuzustimmen. Diesem Aspekt könnte mit der Einbindung der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband im Ausgangspunkt allerdings in gleicher Weise Rechnung getragen werden.591 Nach Maßgabe des von Stein entwickelten Rechtsinstitutes der „fehlerhaften Organstellung“ soll es allerdings nicht darauf ankommen, dass das fehlerhafte Organverhältnis bereits in Vollzug gesetzt wurde. Ein entsprechendes Schutzbedürfnis der Gesellschaft sieht Stein bereits ab dem Zeitpunkt, zu welchem der Amtsbeginn des fehlerhaften Organmitglieds vorgesehen war.592 Dem Schutzbedürfnis der Gesellschaft auch für diesen Fall einen Stellenwert beizumessen, der die Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung mit zu tragen vermag, erscheint jedoch zu weitgehend. Die besondere Schutzwürdigkeit des im Grundsatz bei jedem Gläubiger eines fehlerhaften Rechtsverhältnisses gegebenen Interesses an einer dem Falle des wirksamen Rechtsverhältnisses äquivalenten Pflichtenbindung und Verantwortung der anderen Vertragspartei ergibt sich in der Konstellation der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung aus der sich aus der Aufnahme der Geschäftsführungstätigkeit ergebenden tatsächlichen Eingliederung des fehlerhaften Geschäftsführers in die Verbandsorganisation. Erst der Umstand, dass dem fehlerhaften Geschäftsführer im Rahmen seines Tätigwerdens für und 588 589 590 591 592

Vgl. Stein, ZHR 148 (1984), 207, 222. Vgl. oben 3. Kap. § 1 F. Vgl. Stein, Das faktische Organ, 100 ff. Vgl. oben 3. Kap. § 2 B. III. Stein, Das faktische Organ, 124.

172

3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

innerhalb des Verbandes faktisch die gleichen Einfluss-, Einsichts- und Machtbefugnisse zukommen, die sich auch für sein ordentlich bestelltes Pendant ergäben, begründet die für die Gesellschaft bestehende besondere Gefährdungslage, die eine Einbindung in das strenge organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime als gerechtfertigt erscheinen lässt. Weil sich die verkürzte organschaftliche Pflichtenbindung und Haftung des fehlerhaften Geschäftsführers damit insgesamt als Problem der rechtlichen Beurteilung der tatsächlichen Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben in der Vergangenheit darstellt und weil dieses Problem seine Wurzel in der Betroffenheit der Verbandsorganisation findet, kann es als Rückabwicklungsschwierigkeit im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Verband treffend erfasst werden.593 Ein weitergehendes Schutzbedürfnis der Gesellschaft, welchem mit der Einbeziehung der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung in die Lehre vom fehlerhaften Verband nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte, ist nicht anzunehmen. Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Wirksamkeit des Organhandelns des fehlerhaft bestellten Organs legt Stein überzeugend dar, dass sich aus den Besetzungsmängeln im Geschäftsführungsorgan erhebliche Folgen für die Wirksamkeit von Organbeschlüssen, von Organakten sowie für die Beschlussfähigkeit und Handlungsfähigkeit der Organe ergeben können.594 Die Vermeidung dieser bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung eintretenden Folgen über ein prinzipielles Interesse an der jederzeitigen Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane zu begründen, erscheint jedoch problematisch. Dass das Vorhandensein jederzeit voll funktionsfähiger Gesellschaftsorgane aus der Perspektive der Gesellschaft, der Gesellschafter, der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit grundsätzlich wünschenswert ist, kann zwar angenommen werden. Schon der Umstand, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Abberufung von Organwaltern nicht von der Maßgabe abhängig gemacht hat, dass die Handlungsfähigkeit des Gesellschaftsorgans hierdurch nicht betroffen bzw. durch eine Neubestellung umgehend wiederhergestellt wird, zeigt jedoch, dass das Interesse an der Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane hinter widerstreitenden Interessen, wie im Beispiel, dem Interesse der Mitglieder des Bestellungsorganes den Organwalter aus seiner Stellung entfernen zu können, auch zurückstehen kann.595 Im Fall der fehlerhaften Organbestellung steht dem Interesse an der Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane das im Grundsatz ebenso anerkennenswerte Interesse an der Einhaltung der für das Rechtsgeschäft der Bestellung geltenden gesetzlichen und statutarischen Anforderungen entgegen.596 Sofern der fehlerhafte 593

Dazu oben 3. Kap. § 2 B. III. Stein, Das faktische Organ, 100 ff. 595 Zur grundsätzlich freien Widerruflichkeit der Geschäftsführerbestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG vgl. Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 38 Rn. 6 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 3. 596 Vgl. Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 76. 594

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

173

Geschäftsführer noch nicht für die Gesellschaft tätig geworden ist, kann vor allem mit Blick auf die Interessen jener Gesellschafter, die durch die Nichteinhaltung der gesetzlichen und statutarischen Anforderungen im Rahmen der Geschäftsführerbestellung direkt benachteiligt wurden, die pauschale Höherbewertung des Interesses an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane nicht überzeugen.597 Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn der fehlerhafte Geschäftsführer tatsächlich für und innerhalb des Verbandes als vermeintliches Mitglied des Leitungsorgans tätig geworden ist. Für diesen Fall hat sich ergeben, dass sich mit der fehlenden Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers im Rechtsverkehr, insbesondere aber im Innenverhältnis des Verbandes Rückabwicklungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten erheblichen Ausmaßes verbinden können.598 Deren Vermeidung liegt insbesondere im uneingeschränkten Interesse sämtlicher Gesellschafter, sodass die Herbeiführung der Funktionsfähigkeit des Geschäftsführungsorgans vermittels einer Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung für die Vergangenheit hier grundsätzlich als sachgerecht angenommen werden kann. Sind es damit aber im Kern die konkret drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten, welche die Schließung der bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung bestehenden Organisationslücke als erforderlich erscheinen lassen, scheint es überzeugender, die Korrektur des fehlerhaften Rechtsgeschäfts der Bestellung direkt mit Blick auf diese zu begründen und nicht bei dem vordergründigen Interesse an der Schließung von Organisationslücken bzw. der Herbeiführung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane stehen zu bleiben. Die Anknüpfung an die ihre innere Rechtfertigung in den aus der überindividuellen Verbandsorganisation herrührenden Rückabwicklungsschwierigkeiten findende Lehre vom fehlerhaften Verband erscheint daher auch in diesem Punkt überlegen. Schließlich kann auch die Heranziehung der Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen zur Begründung der ex-nunc-Wirkung der der Bestellung zugrunde liegenden Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe nicht überzeugen. Zum einen hat sich gezeigt, dass die Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen bereits für den Fall der fehlerhaften Gesellschaftsgründung, für welchen sie entwickelt wurde, als dogmatischer Begründungsansatz nicht durchgreift.599 Zum anderen argumentieren die Vertreter der Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen maßgeblich mit dem Bedürfnis ab Invollzugsetzung des fehlerhaften Dauerrechtsverhältnisses drohende Rückabwicklungsschwierigkeiten zu vermeiden,600 während es auf diesen Punkt nach dem Ansatz von Stein, die ein Eingreifen der von ihr entwickelten Rechtfigur unabhängig vom tatsächlichen Tätigwerden des

597 598 599 600

Vgl. dazu Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 174 f. Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. sowie 3. Kap. § 1 A. II. Vgl. 3. Kap. § 2 B. I. 3. Oben 3. Kap. § 2 B. I. 2.

174

3. Kap.: Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

fehlerhaft bestellten Organmitglieds bereits ab dem Zeitpunkt des vorgesehenen Amtsbeginns annimmt,601 gerade nicht ankommt. Gegenüber der von Stein entwickelten Begründung einer autarken Rechtsfigur der fehlerhaften Organstellung erscheint die Anknüpfung an die Lehre vom fehlerhaften Verband zur dogmatischen und methodischen Grundlegung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hiernach insgesamt überzeugender.

D. Zusammenfassung Auf der Suche nach den dogmatischen Wertungsgründen und dem methodischen Weg der im Falle fehlerhafter Geschäftsführung als notwendig erkannten Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung hat sich gezeigt, dass sich die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis, bestehender Parallelen zum Trotz, für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht fruchtbar machen lässt. Für die Frage nach einer möglichen Anknüpfung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft musste zunächst Klarheit über den dem Rechtsinstitut zugrunde liegenden Wertungsgrund geschaffen werden. Hier hat sich ergeben, dass sich die für das Personengesellschaftsrecht entwickelte Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, den Vertretern der Lehre vom fehlerhaften Verband folgend, auf ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip stützen lässt, welches sie mit den gesetzlichen Vorschriften zur fehlerhaften Korporation zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Rechtsinstitut zusammenführt. Im Ausgangspunkt lässt sich dieses allgemeine Prinzip dahin formulieren, dass ein einmal entstandener Verband allein für die Zukunft abgewickelt werden kann. Für die Frage nach der Erweiterung des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips auf bestimmte, sodann ebenfalls allein für die Zukunft abwickelbare ändernde Rechtsakte, hat sich die Qualifikation des Rechtsaktes als die Verbandsorganisation betreffende Strukturänderung sowie der Umstand, dass sich aus dessen Fehlerhaftigkeit Rückabwicklungsschwierigkeiten ergeben, welche jenen der fehlerhaften Verbandsgründung inhaltlich partiell entsprechen, als entscheidend erwiesen. Weil die fehlerhafte Bestellung als fehlerhafte Strukturänderung qualifiziert werden kann und weil sich mit dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers der fehlerhaften Verbandsgründung inhaltlich vergleichbare Rückabwicklungsschwierigkeiten verbinden, kann die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung als fehlerhafte Strukturänderung in die Lehre vom fehlerhaften Verband einbezogen werden. Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis lässt sich folglich auf die Lehre vom fehlerhaften Verband stützten. Mit dem auch für die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung Geltung beanspruchenden allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzip, welches seine innere Rechtfertigung in den ohne sein Eingreifen aus der Verbandsorganisation resultierenden Rückabwicklungsschwierigkeiten besonderer Qualität findet, ist die 601

Stein, Das faktische Organ, 124.

§ 2 Dogmatische und methodische Grundlegung

175

dogmatische Wertungsgrundlage für die Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung gefunden. In methodischer Hinsicht führt das Eingreifen des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips dazu, dass die bürgerlich-rechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsvorschriften in ihrer Rechtsfolgenanordnung von vornherein suspendiert sind.602 Die als notwendig erkannte Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung lässt sich durch die Anbindung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis an die Lehre vom fehlerhaften Verband damit insgesamt überzeugend begründen. Gegenüber der Lösung über die Lehre vom fehlerhaften Verband konnte sich schließlich auch die Annahme einer ausschließlich an der Situation der fehlerhaften Organbestellung orientierten, eigenständigen Rechtsfigur der „fehlerhaften Organstellung“ nicht durchsetzen.

602

Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 130 sowie oben 3. Kap. § 2 B. I. 3.

4. Kapitel

Tatbestand und Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis § 1 Tatbestandsvoraussetzungen A. Vorüberlegung zur Ausformung des Tatbestandes Mit der Anknüpfung an die Lehre vom fehlerhaften Verband ist die Grundstruktur des Tatbestandes der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bereits vorgezeichnet. Ebenso wie die fehlerhafte Entstehung des Verbandes muss sich auch dessen fehlerhafte Veränderung im Ausgangspunkt auf ein fehlerhaftes Rechtsgeschäft zurückführen lassen, welches an einem nach allgemeinen Regeln zu dessen anfänglicher Nichtigkeit führendem Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund leidet. Parallel zum Ausschluss der rechtlich allein als Scheingesellschaft erfassbaren faktischen Gesellschaft aus dem Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband1 kommt hiernach jedenfalls die Einbeziehung des ohne jeglichen Bestellungsakt handelnden faktischen Geschäftsführers von vornherein nicht in Betracht. Ohne das Vorliegen eines fehlerhaften Rechtsgeschäfts fehlt für das Eingreifen des zu einer Suspendierung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfolgen führenden, auch für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis Geltung beanspruchenden, allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips ersichtlich der Ansatzpunkt. Dass es des Vorliegens eines fehlerhaften Bestellungsaktes für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bedarf, sollte damit feststehen. Zu klären bleibt unter welchen Voraussetzungen vom Vorliegen eines fehlerhaften Bestellungsaktes ausgegangen werden kann. Rechtfertigt sich die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis im Kern aus den ohne ihr Eingreifen drohenden, mit dem Tätigwerden des fehlerhaften Geschäftsführers für und innerhalb des Verbandes verbundenen Rückabwicklungsschwierigkeiten, ist als weitere Anwendungsvoraussetzung der Lehre, ebenso wie für den Fall der fehlerhaften Verbandsgründung, die Invollzugsetzung des aus dem fehlerhaften Rechtsgeschäft hervorgegangenen fehlerhaften Rechtsverhältnisses zu fordern. Als entscheidend für die genaue Ausformulierung des Tatbestandes der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses im Einzelnen zu stellen sind. 1

Vgl. K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 440.

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen

177

Auf der Ebene des Tatbestandes der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bedarf es schließlich der Klärung der Grenzen des Rechtsinstitutes. Zwar hat sich gezeigt, dass die Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung im Falle der fehlerhaften Geschäftsführung grundsätzlich gerechtfertigt ist. Dass höherrangige Allgemeininteressen oder die besondere Schutzwürdigkeit einzelner Personen in Ansehung bestimmter Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe dazu zwingen können, die Fehlerfolgen des fehlerhaften Rechtsgeschäfts ausnahmsweise auch für die Vergangenheit durchschlagen zu lassen, ist für die fehlerhafte Verbandsgründung allerdings weitgehend anerkannt.2 Gleiches könnte sich auch für die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung ergeben.

B. Anforderungen an den fehlerhaften Bestellungsakt Als Mindestvoraussetzung zur Annahme des Vorliegens eines fehlerhaften Bestellungsaktes ist ein auf Bestellung gerichteter, wenngleich fehlerhafter, Willensakt auf Seiten des Bestellungsorganes sowie eine Annahmeerklärung des fehlerhaften Geschäftsführers zu fordern.3 Aus dem Umstand allein, dass sich das Bestellungsorgan mit dem Auftreten des fehlerhaften Geschäftsführers für die Gesellschaft einverstanden zeigt bzw. dieses duldet, kann auf das Vorliegen eines entsprechenden fehlerhaften Willensaktes des Bestellungsorganes nicht geschlossen werden.4 Zwar kann die zum Abschluss des Bestellungsvertrages führende Bestellungserklärung auch konkludent vorgenommen werden. Eine zurechenbare Willensäußerung des Bestellungsorganes setzt jedoch voraus, dass es vorher einen rechtserheblichen Willen gebildet hat. Da es nach allgemeinen Grundsätzen keine konkludente Beschlussfassung gibt, kann ohne die ausdrückliche Fassung eines (wenn auch fehlerhaften) Bestellungsbeschlusses hiervon nicht ausgegangen werden.5 Eine zurechenbare Willensäußerung des Bestellungsorganes liegt weiter dann nicht vor, wenn die Bestellung insgesamt durch ein anderes, für die Bestellung nicht 2 BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375, 377 = BGHZ 55, 5; BGH, Urteil vom 19. 11. 2013 – II ZR 383/12, NZG 2013, 1422, 1423; Goette, DStR 1996, 266, 270; Stimpel, ZGR 1973, 73, 102. Kritisch gegenüber dieser Grenzziehung etwa K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 442, 444 ff. 3 Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3. Ohne das Vorliegen dieser Mindestvoraussetzungen ist kein fehlerhaftes Rechtsgeschäft, sondern lediglich ein sog. Nicht-Rechtsgeschäft gegeben. Dazu allg. bereits oben 2. Kap. § 2 C. I. 4 So aber Reich, DB 1967, 1663, 1664; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 158; BGH, Urteil vom 24. 6. 1952 – 1 StR 153/52, BeckRS 1952, 31196211 = BGHZ 3, 32. 5 So richtig Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 274; vgl. auch Stein, Das faktische Organ, 121 f.; Jarzembowski, Fehlerhafte Organakte, 104. Obliegt die Bestellung des Geschäftsführers ausnahmsweise einer einzelnen Person (sog. Entsenderecht), bedarf es der vorhergehenden internen Willensbildung durch Beschluss allerdings nicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit erscheint es jedoch auch für diesen Fall vorzugswürdig einen förmlichen Bestellungsakt zu fordern.

178

4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

zuständiges Gesellschaftsorgan erfolgte.6 Nach teilweise vertretener Auffassung soll das Handeln eines unzuständigen Gesellschaftsorganes das Vorliegen eines fehlerhaften Bestellungsaktes noch nicht ohne Weiteres ausschließen.7 Gegenüber sonstigen Verfahrensfehlern, wie etwa der Unterbesetzung des zuständigen Bestellungsorganes, welche das Partizipationsrecht der Organmitglieder ebenso beträfen und bei welchen das Rechtsinstitut eingreife, bestünden insoweit nur graduelle Unterschiede.8 Überzeugender erscheint es demgegenüber für das Vorliegen eines fehlerhaften Bestellungsaktes stets das Handeln des zuständigen Bestellungsorganes zu verlangen. Die Entscheidung über die Person des Geschäftsführers ist nach der verbandsinternen Kompetenzordnung allein diesem gegeben. Erst die Bestellungskompetenz ermöglicht es dem Bestellungsorgan eine, wenn auch fehlerhafte, organisationsrechtliche Sonderrechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer zu begründen. Einem unzuständigen Gesellschaftsorgan ist die Begründung eines Organverhältnisses mangels Bestellungskompetenz demgegenüber ebenso wenig möglich wie einem völlig außerhalb der Verbandsorganisation stehenden Dritten. Hier ausgehend von der Frage, ob die rechtsirrtümliche Annahme der eigenen Zuständigkeit nachvollziehbar oder als Akt willkürlicher Amtsanmaßung erscheint, eine Abstufung vorzunehmen,9 kann unabhängig von dem Umstand, dass eine klare Abgrenzung dieser Fälle kaum möglich wäre, nicht überzeugen. Fehlt die Bestellungskompetenz ist die auf Bestellung gerichtete Willensäußerung der Gesellschaft grundsätzlich nicht zurechenbar. Auf Seiten des fehlerhaften Geschäftsführers wird sich spätestens der tatsächlichen Aufnahme der Geschäftsführungstätigkeit das Vorliegen einer konkludenten Annahmeerklärung regelmäßig entnehmen lassen. Dass dies jedoch nicht grundsätzlich angenommen werden kann, zeigt ein Fall, der dem OLG München zur Entscheidung vorlag.10 Der als kaufmännischer Angestellter für die Gesellschaft tätige Beklagte erklärte die Annahme der Bestellung, welcher auf Seiten der Gesellschaft (wohl) ein unwirksamer Bestellungsbeschluss zugrunde lag, unter dem Vorbehalt, dass ihm bestimmte Forderungen erlassen werden. Über diesen Punkt haben sich die Parteien in der Folge nicht geeinigt. Vom Zustandekommen eines Bestellungsvertrages kann in solchen Fällen mit Blick auf § 150 Abs. 2 BGB, nach welchem die Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag gilt, nicht ausgegangen werden. Ist mangels Vertragsschluss ein, wenn auch fehlerhaftes, Organverhältnis

6

Vgl. Stein, Das faktische Organ, 121 f. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 158; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 275; Doetsch, Fehlerhafter Gesellschafter, 76. 8 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 275; ähnlich Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 158. 9 Dafür Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 275; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3. 10 OLG München, Urteil vom 19. 1. 1978 – 1 U 1292/77, BeckRS 1978, 01814. 7

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen

179

nicht zustande gekommen, kommt die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht in Betracht. Ausgeschlossen erscheint die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis schließlich auch für den Fall, dass der Geschäftsführer seine Geschäftsführungstätigkeit mit Billigung des Bestellungsorganes nach Ablauf seiner Amtszeit weiter fortsetzt.11 Zwar ist es zutreffend, dass mit der ursprünglichen Bestellung eine Willensäußerung vorliegt, welche mit Ablauf der Amtszeit nicht rückwirkend entfällt.12 Mit dem Ablauf der Amtszeit wird das zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft bestehende Organverhältnis jedoch nicht zu einem fehlerhaften, sondern schlicht beendet. Zwar mögen sich in dieser Konstellation aus dem beendeten Rechtsverhältnis noch gewisse fortwirkende Rechte und Pflichten des ehemaligen Geschäftsleiters herleiten lassen.13 Mit der einen fehlerhaften Bestellungsakt voraussetzenden Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hat diese Frage jedoch nichts zu tun. Für die Suspendierung von Fehlerfolgen für die Vergangenheit fehlt mit Blick auf das fortgesetzte Tätigwerden des ehemaligen Geschäftsführers mangels fehlerhaften Rechtsgeschäfts ebenso der Anknüpfungspunkt wie in sonstigen Fällen rein faktischer Geschäftsführung.

C. Vollzug des fehlerhaften Organverhältnisses Von der Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses ist auszugehen, sobald der fehlerhafte Geschäftsführer als vermeintliches Mitglied des Leitungsorganes der Gesellschaft innerhalb oder außerhalb des Verbandes tatsächlich aufgetreten ist.14 Erst in Verbindung mit dem tatsächlichen Tätigwerden des fehlerhaften 11 Ebenso Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 49 (für ehemaliges Vorstandsmitglied); vgl. auch BGH, Urteil vom 24. 10. 2005 – II ZR 55/04, NZG 2006, 62, 64; a.A. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 274; Beiner/Braun, Der Vorstandsvertrag, Rn. 127 (für ehemaliges Vorstandsmitglied); BGH, Urteil vom 17. 4. 1967 – II ZR 157/64, NJW 1967, 1711, 1712 in welchem der Senat unter Verweis auf seine Grundlagenentscheidung vom 6. 4. 1964 (II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282) festhält, dass ein ehemaliges Vorstandsmitglied für die Zeit seines Tätigwerdens noch die Rechte und Pflichten eines ordentlichen Vorstandsmitgliedes habe, weil derjenige, der ohne wirksamen Anstellungsvertrag aber mit Wissen des Aufsichtsrates als Vorstandsmitglied tätig werde, für die Dauer seiner Beschäftigung so zu behandeln sei, als sei der Vertrag wirksam. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass sich die Stellung als Vorstandsmitglied nicht aus dem Anstellungsverhältnis ableitet und zum anderen, dass auch die Anknüpfung an die Lehre vom fehlerhaften Anstellungsverhältnis ein fehlerhaftes Rechtsverhältnis und keinen „vertragslosen Zustand“ voraussetzten würde, welcher wie insofern zutreffend vom Gericht festgestellt, im entschiedenen Fall vorlag. 12 Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3. 13 Hierauf abstellend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 274. 14 Weil im Zusammenhang mit dem verbandsinternen Rechtshandeln des fehlerhaften Geschäftsführers im Vergleich zu dessen Auftreten im Rechtsverkehr Rückabwicklungsschwierigkeiten noch weiteren Ausmaßes drohen, kann es nicht überzeugen die Invollzug-

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4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Geschäftsführers drohen Rückabwicklungsschwierigkeiten, welche die Korrektur des fehlerhaften Rechtsgeschäftes der Bestellung als gerechtfertigt erscheinen lassen.15 Wie im Rahmen der Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bereits ausgeführt wurde, erscheint vor diesem Zeitpunkt insbesondere auch die Annahme einer vollständigen organschaftlichen Pflichtenbindung und Haftung gegenüber der Gesellschaft nicht sachgerecht.16 Die Aufnahme seiner Tätigkeit kann die Gesellschaft vom fehlerhaften Geschäftsführer auf Grundlage der fehlerhaften Bestellung grundsätzlich nicht verlangen.17 Weil sich die mit der Einbeziehung des fehlerhaften Geschäftsführers in die Verbandsorganisation einhergehende besondere Gefährdungslage vor Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses noch nicht eingestellt hat, besteht für einen über die Bindung des fehlerhaften Geschäftsführers an klassische Schutzpflichten hinausgehenden Schutz der Gesellschaft auch kein Bedarf.18 Davon, dass die Invollzugsetzung des Organverhältnisses mit Wissen und Willen der Mitglieder des Bestellungsorganes erfolgen muss, ist nicht auszugehen.19 Im Rahmen der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis rechtfertigt sich die Forderung nach einer einverständlichen Invollzugsetzung des fehlerhaften Arbeitsvertrages aus der Überlegung, dass die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich des Bestandes seiner arbeitsvertraglichen Lohn- und Fürsorgeansprüche in den Fällen, in welchen die Arbeit dem Arbeitgeber einseitig aufgezwungen wird, nicht in gleicher Weise gegeben ist.20 Für die nicht an die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis, sondern an die Lehre vom fehlerhaften Verband anknüpfende Begründung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis stehen demgegenüber nicht der Schutz des fehlerhaften Geschäftsführers, sondern die sich im Rahmen seines Tätigwerdens für und innerhalb des Verbandes aus seiner fehlenden Rechtsmacht sowie der verkürzten Pflichtenbindung und Haftung ergebenden Rückabwicklungsschwierigkeiten im Vordergrund. Deren Entstehung droht unab-

setzung des fehlerhaften Organverhältnisses allein davon abhängig zu machen, dass der fehlerhafte Geschäftsführer bereits nach außen hin tätig geworden ist. A.A. wohl Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 8. 15 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 276; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 3. 16 Dazu oben 3. Kap. § 2 C. II. 17 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 276; vgl. auch Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 175; Strohn, DB 2011, 158, 159. 18 Ähnlich Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 162; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 276; a.A. Stein, Das faktische Organ, 124; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 2. 19 So aber etwa Arnold, in: MüKo, BGB, § 27 Rn. 48 (für das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied); vgl. auch Goette, DStR 1998, 1308, 1308; Haas/Ziemons, in: BeckOK, GmbHG, § 43 Rn. 16. 20 Vgl. BAG, Urteil vom 10. 3. 1987 – 8 AZR 146/84, AP BGB § 611 Weiterbeschäftigung Nr. 1.

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen

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hängig von der Kenntnis der Mitglieder des Bestellungsorganes ab Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses. Nicht entscheidend für die Annahme der Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses erscheint ferner die Frage, ob der fehlerhafte Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen wurde oder nicht.21 Nach anderer Auffassung soll die Handelsregistereintragung zwar auf die Einbindung des fehlerhaften Geschäftsführers in das organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime ohne Einfluss bleiben. Insofern sei auf die tatsächliche Aufnahme der Geschäftsführungstätigkeit abzustellen. Die Anerkennung der organschaftlichen Vertretungsmacht sowie der Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers zum wirksamen und zurechenbaren verbandsinternen Rechtshandeln sei jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Eintragung des fehlerhaften Geschäftsführers ins Handelsregister gerechtfertigt.22 Der Handelsregistereintragung für die Anerkennung der Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers entscheidende Bedeutung zuzumessen, erscheint schon mit Blick auf den bei fehlerfreier Bestellung rein deklaratorischen Charakter der Eintragung zweifelhaft.23 Vor allem aber kann die der Anknüpfung an die Registereintragung zugrunde liegende Annahme, dass vor diesem Zeitpunkt das Interesse an der Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung das Interesse an der Vermeidung von Rückabwicklungsschwierigkeiten noch überwiege und erst die Eintragung eine Interessenumschwung markiere, nicht überzeugen. Aus der Perspektive des Rechtsverkehrs verhält es sich eher umgekehrt. Mit der Eintragung des fehlerhaften Geschäftsführers ins Handelsregister ergäbe sich für diesen bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung über § 15 Abs. 3 HGB ein verbesserter Vertrauensschutz.24 Das Interesse mit Fehlern aus der Verbandsorganisation nicht belastet zu werden, welchem die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis mit der Zuerkennung absoluten Verkehrsschutzes Rechnung trägt, ist ab dem Zeitpunkt des tatsächlichen Tätigwerdens des fehlerhaften Geschäftsführers gegeben und besteht gerade auch in der Phase zwischen der Aufnahme der Geschäftsführungstätigkeit und der Eintragung des fehlerhaften Geschäftsführers ins Handelsregister, in der nach allgemeinen Regeln allein die Zuerkennung konkreten Vertrauensschutzes über die analoge Anwendung der Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht in Betracht käme.25 21 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 277 ff.; Arnold, in: MüKO, BGB, § 27 Rn. 49; Doetsch, Fehlerhafter Gesellschafter, 76. 22 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 174 ff., 177 ff., 190 ff. An die Handelsregistereintragung anknüpfend auch Schultz, NZG 1999, 89, 100; ders., Die Behebung einzelner Mängel von Organisationsakten, 183, welcher in der Beschränkung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung ein allgemein im Gesellschaftsrecht geltendes Kontinuitätsprinzip bestätigt sieht. Kritsch dazu Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 117 ff. 23 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 277; vgl. auch Arnold, in: MüKo, BGB, § 27 Rn. 49. 24 Vgl. oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. b) aa). 25 Dazu oben 3. Kap. § 1 A. I. 1. b) bb).

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4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Auch aus der Perspektive der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter lässt sich nicht annehmen, dass es der Zuerkennung der Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers erst ab dem Zeitpunkt der Handelsregistereintragung bedarf. Die sich mit der fehlenden Rechtsmacht des fehlerhaften Geschäftsführers verbindenden Rückabwicklungsschwierigkeiten drohen insgesamt bereits ab dem Zeitpunkt der Aufnahme seiner Geschäftsführungstätigkeit. Diese zu verhindern liegt insbesondere auch im Interesse jener Gesellschafter, die im Rahmen der fehlerhaften Bestellung ggf. übergangen wurden.

D. Grenzen des Rechtsinstitutes Die Lehre vom fehlerhaften Verband findet dort ihre Grenze, wo höherrangige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen entgegenstehen.26 Dieser Einschränkung liegt die für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis im Ausgangspunkt gleichermaßen Geltung beanspruchende Erwägung zugrunde, dass sich ein im Wege der Rechtsfortbildung entwickeltes Rechtsinstitut nicht über grundlegende Wertentscheidungen der Rechtsordnung hinwegsetzen darf.27 Um eine solche grundlegende Wertentscheidung handelt es sich jedenfalls bei dem Schutze geschäftsunfähiger Personen (vgl. §§ 104 ff. BGB). Nach § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG kann Geschäftsführer nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Die Bestellung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig.28 Ergibt sich die Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers erst im Verlauf seiner Tätigkeit für die Gesellschaft, greifen die Nichtigkeitsfolgen ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit.29 Darüber, dass eine Korrektur der sich aus der Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers ergebenden Nichtigkeitsfolgen der Bestellung nicht in Betracht kommt, besteht Einigkeit.30 Tatsächlich ließe sich die Auferlegung organschaftlicher Verantwortlichkeit mit dem Schutz Geschäftsunfähiger schlechthin nicht vereinbaren. Dass eine Zuerkennung der Rechtsmacht für und innerhalb des Verbandes zu handeln nicht angenommen werden kann, zeigt schon die Vorschrift des § 165 BGB, welcher sich e contrario entnehmen lässt, dass ein Geschäftsunfähiger nicht einmal als rechtsgeschäftlicher Vertreter qualifiziert werden könnte.31 26 BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375, 377 = BGHZ 55, 5; BGH, Urteil vom 19. 11. 2013 – II ZR 383/12, NZG 2013, 1422, 1423; Goette, DStR 1996, 266, 270; Stimpel, ZGR 1973, 73, 102. Kritisch gegenüber dieser Grenzziehung etwa K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 442, 444 ff. 27 Vgl. Stein, Das faktische Organ, 139; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 280. 28 Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 43. 29 BGH, Urteil vom 1. 7. 1991 – II ZR 292/90, NJW 1991, 2566, 2567 = BGHZ 115, 78. 30 Vgl. nur Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 176. 31 Schubert, in: MüKo, BGB, § 165 Rn. 11; vgl. auch Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4.

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen

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Selbst wenn man dem geschäftsunfähigen Geschäftsführer die Stellung eines Organwalters für die Vergangenheit zuspräche, könnten die sich aus dessen Rechtshandeln ergebenden Rückabwicklungsschwierigkeiten aufgrund der unverändert eingreifenden Norm des § 105 Abs. 1 BGB, nach welcher sämtliche Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen nichtig sind,32 im Übrigen auch nicht verhindert werden. Mit der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis wäre hier nichts gewonnen.33 Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob auch der Schutz beschränkt Geschäftsfähiger einem Eingreifen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis entgegensteht. Weil dem Minderjährigenschutz bereits dann genüge getan sei, wenn der beschränkt Geschäftsfähige ausschließlich von den organschaftlichen Pflichten und den damit verbundenen Haftungsfolgen freigehalten werde, wird für diesen Fall teilweise die Anerkennung einer „hinkenden Organstellung“ befürwortet.34 Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis soll hiernach zwar zur Zuerkennung der Organrechte sowie der Rechtsmacht zum wirksamen und zurechenbaren Handeln für und innerhalb des Verbandes, nicht aber zur organschaftlichen Pflichtenbindung und Haftung führen. Für eine solche differenzierte Betrachtung spricht, dass sich die Zuerkennung von Organrechten und Rechtsmacht zum Minderjährigenschutz neutral verhält. Dass die beschränkte Geschäftsfähigkeit der Zuerkennung der Rechtsmacht für einen anderen zu handeln nicht entgegensteht, bestätigt § 165 BGB, welcher die rechtsgeschäftliche Vertretung durch einen Minderjährigen ausdrücklich für zulässig erklärt.35 Im Gegensatz zum einseitigen Rechtsgeschäft der Vollmachtserteilung, dessen Vornahme grundsätzlich auch isoliert ohne den Abschluss eines pflichtenbegründenden Grundlagengeschäfts denkbar ist und im Übrigen über den Abstraktionsgrundsatz von dessen Unwirksamkeit nicht

32 Auch der Zugang einer Willenserklärung an einen Geschäftsunfähigen ist nach § 131 Abs. 1 BGB grds. ohne Rechtswirkung, vgl. dazu Einsele, in: MüKo, BGB, § 131 Rn. 1. 33 Für den Fall des geschäftsunfähigen fehlerhaften Geschäftsführers muss es hiernach bei den allgemeinen Regeln verbleiben. Ob der Rechtsverkehr vor dem Auftreten des geschäftsunfähigen Geschäftsführers wenigstens über Rechtsscheingrundsätze geschützt werden kann, ist umstritten. Weil es sich bei der Geschäftsfähigkeit als solcher nicht um eine eintragungspflichtige Tatsache i.S.d. § 15 HGB handelt, kommt das Zugeständnis absoluten Verkehrsschutzes über das Handelsregister nicht in Betracht. Der BGH hält eine Einstandspflicht der Gesellschaft nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen für gegeben, wenn die Gesellschafter die Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers hätten erkennen und verhindern können (BGH, Urteil vom 1. 7. 1991 – II ZR 292/90, NJW 1991, 2566, 2567 = BGHZ 115, 78). Der Sache nach führt diese Lösung zur Überwindung der Nichtigkeit der Willenserklärung des Geschäftsunfähigen über die Anerkennung eines „Rechtsscheins bestehender Geschäftsfähigkeit“, was dogmatisch kaum überzeugen kann. Gegen die Anwendung allgemeiner Rechtsscheingrundsätze und stattdessen für eine ggf. eintretende Haftung der Gesellschaft aus c.i.c. daher etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 25 f. 34 Dafür etwa Stein, Das faktische Organ, 142; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4. 35 Vgl. Schubert, in: MüKo, BGB, § 165 Rn. 1.

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4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

unmittelbar berührt würde,36 geht mit der Bestellung eines Organwalters die Einbindung in das organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime allerdings notwendig einher. Die Anerkennung einer „hinkenden Organstellung“ des Minderjährigen, wäre hiernach zwar geeignet mit Blick auf dessen Rechtshandeln im Innenund Außenverhältnis drohende Rückabwicklungsschwierigkeiten zu vermeiden. Aus der Perspektive der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter allerdings um den Preis des Auseinanderreißens des zu ihrem Schutze bestehenden Zusammenhangs zwischen organschaftlichen Kompetenzen sowie umfassender Rechtsmacht auf der einen und korrespondierender organschaftlicher Pflichtenbindung und Verantwortung auf der anderen Seite. Ein vollends befriedigender Interessenausgleich ist mit der Anerkennung einer „hinkenden Organstellung“ des Minderjährigen damit nicht erreichbar. Bevor man hieraus den Schluss zieht, dass der Minderjährigenschutz, wenn er sich denn zurückgenommen nicht verwirklichen lasse, sodann der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis insgesamt entgegen stehen müsse,37 ist allerdings zu bedenken, dass dem Interesse des Rechtsverkehrs an der Zuerkennung absoluten Verkehrsschutzes mit der Anerkennung einer „hinkenden Organstellung“ sachgerecht Rechnung getragen werden kann und aus Perspektive der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter mit der vollständigen Nichtanwendung des Rechtsinstitutes wenig erreicht wäre. Dass der minderjährige fehlerhafte Geschäftsführer nicht dem strengen organschaftlichen Pflichten- und Haftungsregime unterworfen werden kann, würde sie bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung kaum weniger hart treffen. Die Aufgrund der tatsächlichen Einbindung des Minderjährigen in die Verbandsorganisation ohnehin gegebene Gefährdungslage würde durch die Zuerkennung organschaftlicher Kompetenzen sowie der Rechtsmacht für und innerhalb des Verbandes zu handeln nur graduell erhöht. Mit Blick auf die allein bei Anerkennung der „hinkenden Organstellung“ gegebenen Möglichkeit der Vermeidung der aufgrund fehlender Rechtsmacht drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten im Innen- und Außenverhältnis des Verbandes erscheint dieser Nachteil aufgewogen, zumal die „hinkende Organstellung“ des Minderjährigen für die Zukunft jederzeit beendet werden kann. Im Ergebnis ist in der zu einer „hinkenden Organstellung“ führenden partiellen Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auf einen entgegen § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG bestellten minderjährigen Geschäftsführer gegenüber der alternativen Nichtanwendung des Rechtsinstitutes die vorzugswürdigere Lösung zu sehen.

36 Vgl. Valenthin, in: BeckOK, BGB, § 167 Rn. 1 f.; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 167 Rn. 7 f. 37 So etwa Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 280 f. Für die Nichtanwendung des Rechtsinstitutes bei beschränkter Geschäftsfähigkeit auch Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 24 sowie Doetsch, Fehlerhafter Gesellschafter, 79.

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen

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Klärungsbedürftig erscheinen schließlich die Fälle, in welchen die Nichtigkeit der Bestellung des fehlerhaften Geschäftsführers auf einen gesetzlichen Ausschlussgrund zurückzuführen ist. Ausschlusstatbestände für die Bestellung eines Geschäftsführers finden sich insbesondere in § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG, welcher bestimmt, dass Geschäftsführer nicht sein könne, wer als Betreuter bei der Besorgung von Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt unterliege (Nr. 1), gegen wen ein Berufs- oder Gewerbeverbot verhängt wurde (Nr. 2) oder wer in den letzten fünf Jahren wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher, im Einzelnen aufgeführter Straftaten, etwa aufgrund Insolvenzverschleppung, verurteilt wurde (Nr. 3).38 Die gesetzlichen Ausschlussgründe können als gesetzliche Verbote im Sinne des § 134 BGB qualifiziert werden.39 Damit ist allerdings zunächst nur gesagt, dass ein Verstoß nach allgemeinen Regeln zur anfänglichen Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung führen würde. Ob den hinter den gesetzlichen Verboten stehenden Schutzinteressen sachgerecht auch durch die Anerkennung der Fehlerfolgen allein für die Zukunft Rechnung getragen werden kann, oder ob den Verboten ein die Durchsetzung der Nichtigkeit auch für die Vergangenheit zwingend erforderndes Gewicht beizumessen ist, erscheint als Frage der Abwägung. Die gesonderte Regelung eines Bestellungsverbotes für den einem Einwilligungsvorbehalt (vgl. § 1903 BGB) unterliegenden Betreuten erklärt sich aus dem heute geltenden Grundsatz, dass die Bestellung eines Betreuers keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten hat.40 Konsequent steht die Betreuung als solche der Bestellung zum Geschäftsführer noch nicht entgegen.41 Rechtstechnisch führt auch die zum Schutze des Betreuten mögliche Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes nicht zu einer Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, sodass auch dieser Fall von § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG nicht erfasst wird.42 Der als letzte Reminiszenz an die Entmündigung beschriebene Vorbehalt soll dem geschäftsfähigen Betreuten die Teilnahme am Rechtsverkehr in der Weise ermöglichen, dass er der Zustimmung seines Betreuers bedarf.43 Schafft der gewöhnlich auf einen bestimmten Geschäftskreis eingeschränkte Einwilligungsvorbehalt auch nicht den der Person 38 Näher zur Ausgestaltung der gesetzlichen Ausschlusstatbestände vgl. Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 24 ff. 39 Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4; vgl. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 140 (für die gesetzlichen Ausschlussgründe im Aktienrecht). 40 Vgl. Müller, in: BeckOK, BGB, § 1903 Rn. 1; Jürgens, in: Jürgens, BtR, § 1903 Rn. 1. 41 Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 26. 42 § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG greift unabhängig vom Vorliegen einer Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehaltes allerdings dann, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Geschäftsunfähigen nach Maßgabe des § 104 Nr. 2 BGB handelt. Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis kommt hier nicht in Betracht. Insbesondere ändert der Einwilligungsvorbehalt nichts an der Nichtigkeit der Willenserklärungen des Geschäftsunfähigen gem. § 105 Abs. 1 BGB. Vgl. dazu Müller, in: BeckOK, BGB, § 1903 Rn. 20. 43 Schwab, in: MüKo, BGB, Vorb. zu §§ 1896 bis 1908i Rn. 13, § 1903 Rn. 1.

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4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

anhaftenden Status der „beschränkten Geschäftsfähigkeit“, so ist die bei Einwilligungsvorbehalt bestehende Interessenlage mit der eines Minderjährigen doch weitgehend vergleichbar. Mit § 1903 Abs. 1 S. 2 BGB findet sich sodann auch ein umfänglicher Verweis auf das Minderjährigenrecht.44 Mit Blick auf diese gegebene Parallele ist es naheliegend, die Grenzen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis in gleicher Weise zu bestimmen, wie für den Fall des minderjährigen fehlerhaften Geschäftsführers. Weil sich mit der Zuerkennung organschaftlicher Kompetenzen sowie der Rechtsmacht für und innerhalb des Verbandes zu Handeln für den schutzwürdigen, einem Einwilligungsvorbehalt unterliegenden Betreuten keine Nachteile verbinden, erscheint die Anerkennung einer für die Zukunft auflösbaren „hinkenden Organstellung“ auch hier als möglich und gegenüber der alternativen Nichtanwendung des Rechtsinstitutes aus der Perspektive der übrigen Beteiligten als vorzugswürdig. Die in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 GmbHG niedergelegten gesetzlichen Bestellungsverbote dienen nicht dem Schutze des fehlerhaften Geschäftsführers selbst, sondern sollen umgekehrt im Interesse der Allgemeinheit und zugunsten der gegenwärtigen und künftigen Gläubiger der GmbH verhindern, dass Personen, die die Mindestvoraussetzungen für eine verlässliche Aufgabenwahrnehmung nicht erfüllen, als Mitglieder des Leitungsorganes einer Gesellschaft mit beschränktem Haftungsfonds bestellt werden können.45 Für die Frage nach der Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis erscheint es wesentlich, dass sich das mit den Vorschriften verfolgte Ziel, bestimmte Personengruppen von einer Tätigkeit als Mitglied des Leitungsorgans präventiv fernzuhalten, in den Konstellationen der fehlerhaften Geschäftsführung, in welchen der fehlerhafte Geschäftsführer die Funktion eines ordentlichen Organwalters faktisch ausgeübt hat, nachträglich auch bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung nicht mehr verwirklichen lässt.46 Ist es zur Wahrnehmung der Geschäftsführungstätigkeit durch eine inhabile Person tatsächlich gekommen, wäre es nun geradezu widersinnig unter Verweis auf den Schutz von Allgemeinheit und Gläubigern von der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis abzusehen und die gerade auch zu Lasten des Rechtsverkehrs drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten damit ebenso in Kauf zu nehmen wie eine verkürzte

44 Dazu Schwab, in: MüKo, BGB, Vorb. zu §§ 1896 bis 1908i Rn. 13. Mit § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB findet sich zudem die gem. § 107 BGB auch für den Minderjährigen geltende Prämisse, dass es der Einwilligung nicht bedarf, wenn die Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Ebenso wie § 107 BGB lässt sich auch § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB auf neutrale Geschäfte erstrecken. Vgl. Jürgens, in: Jürgens, BtR, § 1903 Rn. 23. 45 Vgl. Goette, in: MüKo, GmbHG, § 6 Rn. 24 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 281. 46 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 281; Stein, Das faktische Organ, 141 f.

§ 1 Tatbestandsvoraussetzungen

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Pflichtenbindung- und Haftung ausgerechnet jener Personen, für deren Tätigwerden der Gesetzgeber ein besonders hohes Schädigungspotential gesehen hat.47 Überzeugender erscheint es daher die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auch im Falle des Verstoßes gegen eines der Bestellungsverbote in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 oder 3 GmbHG zur Anwendung zu bringen.48 Hiergegen ist zwar eingewandt worden, dass die Rechtsordnung ein von ihr verbotenes und für nichtig erklärtes Rechtsverhältnis, das laufend neue Rechte und Pflichten begründe, nicht auf unbestimmte Zeit anerkennen könne.49 Zum einen gewährt die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis jedoch keinen Bestandsschutz für die Zukunft, sodass der einem gesetzlichen Bestellungsverbot zuwider bestellte fehlerhafte Geschäftsführer jederzeit aus seiner Position entfernt werden kann. Zum anderen knüpfen sich an den Verstoß gegen die genannten Verbotsgesetze nicht allein Nichtigkeitsfolgen. Behauptet der fehlerhafte Geschäftsführer bei seiner Anmeldung zum Handelsregister der Wahrheit zuwider, dass die Ausschlussgründe der § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 GmbHG nicht vorliegen, macht er sich strafbar.50 Auf Grundlage des durch das MoMiG neu ins Gesetz eingeführten § 6 Abs. 5 GmbHG droht darüber hinaus den Gesellschaftern, die vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen haben, eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft.51 Der auf Seiten des Geschäftsführers sowie der Gesellschafter bzw. der Mitglieder des Bestellungsorganes bestehende Motivationsdruck, es nicht zu einem Verstoß gegen die gesetzlichen Ausschlusstatbestände kommen zu lassen bzw. den mit dem Tätigwerden des inhabilen fehlerhaften Geschäftsführers geschaffenen gesetzeswidrigen Zustand schnellstmöglich zu beenden, bleibt damit auch ohne das Damoklesschwert drohender Rückabwicklungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten bei Anerkennung der anfänglicher Nichtigkeit der Bestellung ausreichend hoch.

47

Ähnlich Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4; Stein, Das faktische Organ, 141 f. Dafür auch Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4; wohl auch Oetker, in: Henssler/Strohn, GmbHG, § 6 Rn. 29; Doetsch, Fehlerhafter Gesellschafter, 79 f.; vgl. auch Stein, Das faktische Organ, 140 ff. 49 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 281 f. 50 Vgl. Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 8 Rn. 28; Hohmann, in: MüKo, StGB, § 82 GmbHG Rn. 86 ff. 51 Vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 18 ff. Nach § 6 Abs. 5 GmbHG haften die Gesellschafter für den Schaden, der dadurch entsteht, dass die als Geschäftsführer handelnde inhabile Person „die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt“. Die Norm setzt die Pflichtenbindung des fehlerhaften Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft mithin voraus, was ein zusätzliches Argument für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bietet. 48

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4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

§ 2 Rechtsfolgen A. Wirksames Organverhältnis für die Vergangenheit Sind die Anwendungsvoraussetzungen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis gegebenen, resultiert hieraus grundsätzlich eine umfassende Suspendierung der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsfolgen des fehlerhaften Organverhältnisses für die Vergangenheit. Bis zu dessen Auflösung ex nunc besteht zwischen fehlerhaftem Geschäftsführer und Gesellschaft ein wirksames Organverhältnis. Die Gleichstellung des fehlerhaften Geschäftsführers mit seinem ordentlich bestellten Pendant wird hiermit nicht fingiert.52 Weil mit der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis zwischen den Parteien eine wirksame, und nur für die Zukunft auflösbare organschaftliche Sonderrechtsbeziehung vorliegt, ist der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer bis zur Geltendmachung des Fehlers als ordentliches Mitglied des Leitungsorgans zu qualifizieren. Im Einzelnen folgt hieraus zunächst, dass dem fehlerhaften Geschäftsführer im Rahmen seines Tätigwerdens für und innerhalb des Verbandes sämtliche organschaftlichen Kompetenzen, organschaftliche Vertretungsmacht sowie die Rechtsmacht zum wirksamen und zurechenbaren Handeln zukommen. Über die Fehlerhaftigkeit der Bestellung können sich diesbezügliche Rechtsunsicherheiten und Rückabwicklungsschwierigkeiten nicht mehr ergeben. Die Anwendung des § 15 Abs. 3 HGB sowie der Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht ist bei Eingreifen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis weder möglich noch notwendig.53 Sofern nicht der für Minderjährige sowie einem Einwilligungsvorbehalt unterliegende Betreute ermittelte Ausnahmefall einer „hinkenden Organstellung“ gegeben ist, folgt aus der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis die umfassende Einbindung des fehlerhaften Geschäftsführers in das organschaftliche

52 Für den auf fehlerhafter Vertragsgrundlage entstandenen Verband vgl. K. Schmidt, AcP 186 (1986) 421, 441; a.A. Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 35 Rn. 23 (Wirksamkeit der Bestellung werde fingiert). 53 Für die Anwendung des § 15 HGB sowie allgemeiner Rechtsscheingrundsätze trotz Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis aber etwa Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 6 Rn. 17 welcher die Lehre wohl nur im Innenverhältnis zur Gesellschaft zur Geltung bringen möchte. Auch nach Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rn. 8 soll es auf die Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ hinsichtlich rechtsgeschäftlicher Vertretungsakte wegen § 15 Abs. 3 HGB zumeist nicht ankommen. Dass der Frage der Anwendbarkeit der Lehre demgegenüber auch dann Bedeutung zukommt, wenn zugunsten des Dritten nach allgemeinen Regeln der abstrakte Vertrauensschutz nach § 15 Abs. 3 HGB griffe, zeigt demgegenüber der Umstand, dass der fehlerhaften Geschäftsführer bei Eingreifen des Rechtsinstituts bis zur Geltendmachung des Fehlers mit organschaftliche Vertretungsmacht handelt, sodass dem Dritten bei der Frage nach der Zurechenbarkeit des Vertretungshandelns kein Wahlrecht zukommt.

§ 2 Rechtsfolgen

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Pflichten- und Haftungsregime.54 Aus der Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung folgt aus dem für die Vergangenheit als wirksam anzuerkennenden Organverhältnis zwischen fehlerhaftem Geschäftsführer und Gesellschaft die Bindung an die Organpflichten i. e.S. unmittelbar. Weil der fehlerhafte Geschäftsführer für die Vergangenheit als ordentlicher Geschäftsführer zu qualifizieren ist, treffen ihn sodann auch die an die Stellung als Organwalter anknüpfenden gesetzlichen Organpflichten. Ohne Weiteres fällt er auch in den Täterkreis an die Geschäftsführerstellung anknüpfender strafrechtlicher Sonderdelikte. Überlegungen zur möglichen Erweiterung des Adressatenkreises der Norm auf nicht wirksam bestellte Personen erübrigen sich. Als mittelbare Folge der Wirksamkeit des zwischen Gesellschaft und fehlerhaftem Geschäftsführer bestehenden Organverhältnisses für die Vergangenheit ergibt sich die Absicherung der regelmäßig bestehenden anstellungsvertraglichen Vergütungsansprüche des fehlerhaften Geschäftsführers. Weil diesem die Erfüllung der ihm obliegenden organschaftlichen Aufgaben mit Anerkennung seiner Stellung als Organwalter bis zur Geltendmachung des Fehlers möglich ist, kann er sich mit seinem Tätigwerden umgekehrt auch eine entsprechende Vergütung verdienen ohne deren Wegfall über § 326 Abs. 1 S. 1 BGB fürchten zu müssen.55

B. Beendigung des Organverhältnisses Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis führt parallel zur Lehre vom fehlerhaften Verband nicht zur Gewährung von Bestandschutz für die Zukunft. Ex nunc kann der dem Organverhältnis anhaftende Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund grundsätzlich jederzeit geltend gemacht werden. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist diesbezüglich das Vorliegen eines formalen Beendigungstatbestandes zu fordern, d. h. entweder die Abberufung des fehlerhaften Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung oder dessen Amtsniederlegung.56 Dass der fehlerhafte Geschäftsführer demgegenüber für die Gesellschaft schlicht nicht mehr tätig wird,57 kann für die Beendigung des Organ54

Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 5. Sofern das Anstellungsverhältnis seinerseits an einem Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund leiden sollte, greift insoweit die Lehre vom fehlerhaften Anstellungsverhältnis. 56 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 279. Bei der Amtsniederlegung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Geschäftsführers, welche gegenüber einem Mitglied des Bestellungsorganes abzugeben ist. Vgl. Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 38 Rn. 62. 57 Die schlichte tatsächliche Beendigung der Geschäftsführung wurde vom BGH in seiner das ehemalige Vorstandsmitglied betreffenden Entscheidung vom 17. 4. 1967 – II ZR 157/64, NJW 1967, 1711, 1712 = BGHZ 47, 341 als ausreichend erachtet. Nach Maßgabe des zweiten Zivilsenats sollte es einer Kündigung des weiterhin für die Gesellschaft tätig gewordenen ehemaligen Vorstandsmitglieds nicht bedürfen, weil die Beendigung eines „vertragslosen 55

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4. Kap.: Tatbestand u. Rechtsfolgen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

verhältnisses ebenso wenig ausreichen, wie der Umstand, dass der Mangel den Beteiligten bekannt wird.58 Sollte der Gesellschaftsvertrag für die Abberufung oder Amtsniederlegung das Vorliegen eines wichtigen Grundes erfordern, ist dieses Kriterium auf die Beendigung des zwischen fehlerhaftem Geschäftsführer und GmbH bestehenden Organverhältnisses nicht zu übertragen. Ebenso wie im Falle der fehlerhaften Verbandsgründung kann der dem Rechtsverhältnis anhaftende Fehler stets als hinreichender Auflösungsgrund qualifiziert werden.59 Ist den Gesellschaftern die Fehlerhaftigkeit der Geschäftsführerbestellung bekannt oder wird sie ihnen später zur Kenntnis gebracht, ergibt sich aus ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht grundsätzlich die Verpflichtung der Abberufung des fehlerhaften Geschäftsführers zuzustimmen. Diese über die Treuepflicht begründete Stimmpflicht kann von Seiten der Mitgesellschafter durchgesetzt werden, was es insbesondere auch einer Gesellschafterminderheit ermöglicht, die Entfernung des ggf. entgegen ihren Willen eingesetzten fehlerhaften Geschäftsführers durchzusetzen.60

Zustandes“ jederzeit zulässig sei und dadurch eintrete, dass der Betreffende nicht mehr beschäftigt werde. Der Annahme, dass es zur Beendigung eines vertragslosen Zustandes keines formalen Beendigungstatbestandes bedarf ist zuzustimmen. Die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis setzt jedoch voraus, dass zwischen dem Betroffenen und der Gesellschaft kein vertragsloser Zustand besteht, sondern ein fehlerhaftes Organverhältnis begründet wurde. Gerade weil zwischen dem ehemaligen Vorstandsmitglied und der Gesellschaft ein Organverhältnis nicht mehr besteht, hätte das Gericht das Vorliegen organschaftlicher Rechte und Pflichten nicht unter Verweis auf seine (noch dazu das Anstellungs- und nicht das Organverhältnis betreffende) Grundlagenentscheidung vom 6. 4. 1964 (II ZR 75/62, NJW 1964, 1367, 1367 f. = BGHZ 41, 282) begründen dürfen. Vgl. dazu bereits oben Fn. 767. 58 Auf die Kenntnis der Beteiligten im Ausgangspunkt abstellend Stein, Das faktische Organ, 125. Vgl. allerdings auch dies., Das faktische Organ, 127 („Obwohl die fehlerhafte Organstellung an sich mit Bekanntwerden des Mangels vernichtbar ist, wird man im Interesse der Rechtsklarheit beide Seiten so lange an die unwirksame Bestellung für gebunden halten müssen, bis der Mangel durch den förmlichen Akt des Widerrufs bzw. der Amtsniederlegung geltend gemacht wird, […]). 59 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 279; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 21. Für die fehlerhafte Verbandsgründung siehe Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 177 ff. Die für das Personengesellschaftsrecht vertretene Mindermeinung, nach welcher es für die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Gesellschaft des Vorliegens eines wichtigen Grundes bedürfe (so insb. Flume, Die Personengesellschaft, 21 f.), konnte sich angesichts des Umstandes, dass sich das der LfV zugrunde liegende allgemeine verbandsrechtliche Prinzip im Kern aus drohender Rückabwicklungsschwierigkeiten rechtfertigt und damit keinerlei Bestandsschutz für die Zukunft gewährt, zu Recht nicht durchsetzen. 60 Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 4.

5. Kapitel

Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis wurde vorstehend am Beispiel des fehlerhaften Geschäftsführers einer GmbH entwickelt. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Lehre über diesen Fall hinaus auch auf andere fehlerhaft bestellte Organwalter einer Kapitalgesellschaft übertragen lässt. Als tragend für die Behandlung des fehlerhaften Geschäftsführers nach Maßgabe der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hat sich die Möglichkeit erwiesen, die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung als fehlerhafte Strukturänderung im Sinne der Lehre des fehlerhaften Verbandes zu qualifizieren.1 Ebenso wie die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers, kann auch die Bestellung sonstiger Organwalter als Strukturänderung des Verbandes erfasst werden.2 Für die Einbeziehung weiterer fehlerhaft bestellter Organwalter in die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis kommt es mithin entscheidend darauf an, ob auch im Falle deren Tätigwerdens Rückabwicklungsprobleme drohen, die jenen der fehlerhaften Verbandsgründung inhaltlich partiell entsprechen und die damit die innere Rechtfertigung für die Anknüpfung der Suspendierung von Fehlerfolgen an das der Lehre vom fehlerhaften Verband zugrunde liegende allgemeine verbandsrechtliche Prinzip bieten, nach welchem die fehlerhafte Entstehung und Veränderung eines Verbandes allein Folgen für die Zukunft zeitigen kann.

§ 1 Fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter Mit Blick auf die Behandlung des fehlerhaften GmbH-Geschäftsführers ist die Einbeziehung übriger Geschäftsleiter, insbesondere fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, naheliegend. Die Stellung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften ist weitgehend parallel ausgestaltet, sodass sich die für den fehlerhaften GmbH-Geschäftsführer als maßgeblich herausgestellten

1

Vgl. oben 3. Kap. § 2 B. III. Zum allgemein die Besetzung von Organen erfassenden Begriff der Strukturänderung vgl. oben 3. Kap. § 2 B. II. 2

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Rückabwicklungsschwierigkeiten im Wesentlichen auch in den übrigen Fällen fehlerhafter Geschäftsleitung ergäben.3 Uneingeschränkt gilt dies zunächst im Hinblick auf die aufgrund fehlender organschaftlicher Vertretungsmacht zu erwartenden Schwierigkeiten im Außenverhältnis. Für die Frage, inwieweit sich die Gesellschaft das Vertretungshandeln ihrer vermeintlichen organschaftlichen Vertreter bereits nach allgemeinen Regeln zurechnen lassen müsste, kommt es abgesehen von dem rechtstechnischen Unterschied, dass sich die positive Registerpublizität für das eingetragene fehlerhafte Vorstandsmitglied der Genossenschaft über § 29 Abs. 3 GenG ergäbe, auf die Rechtsform der Gesellschaft als Geschäftsherrin nicht an.4 Ein Unterschied zwischen den Geschäftsführern einer GmbH und den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft ergibt sich aus der zentralen Aufgabe des Vorstandes, die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 Abs. 1 AktG).5 Während es den Gesellschaftern der GmbH frei steht, Geschäftsführungsaufgaben in weitem Umfang an sich zu ziehen6 oder den Umfang der Geschäftsführung durch generelle oder konkrete Weisungen einzuschränken,7 bildet der Vorstand der Aktiengesellschaft notwendig deren Entscheidungs- und Handlungszentrum.8 Die Vorstandsmitglieder handeln selbstständig im eigenen Ermessen und sind hierbei weder Weisungen der Hauptversammlung, noch solchen des Aufsichtsrates, einzelner Großaktionäre oder außenstehender Dritter unterworfen.9 Der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis kann die größere Unabhängigkeit der Mitglieder des Leitungsorgans der Aktiengesellschaft jedoch ersichtlich nicht entgegenstehen. Im Gegenteil verbindet sich mit der höheren Selbstständigkeit der Vorstandsmitglieder, welche des Einverständnisses der Hauptversammlung insbesondere auch für die Vornahme riskanter Geschäftsführungsmaßnahmen großer wirtschaftlicher Bedeutung grundsätzlich nicht bedür-

3 Soweit ersichtlich werden im Umgang mit der Problematik des „fehlerhaften Organs“ zwischen den fehlerhaft bestellten Geschäftsleitern verschiedener Gesellschaftsformen differenzierende Ansätze dementsprechend auch nicht vertreten. 4 Insgesamt bietet die Vorschrift des § 29 GenG, die anders als § 15 HGB nur an bestimmte eintragungspflichtige Tatsachen anknüpft, zwar einen Verkehrsschutz geringeren Umfangs. Nach § 28 GenG erforderliche Eintragungen über die Vorstandsmitglieder der Genossenschaft werden von § 29 GenG jedoch ausdrücklich erfasst. Vgl. dazu Geibel, in: Henssler/Strohn, GenG, § 29 Rn. 1, 4. 5 Für den Vorstand der Genossenschaft vgl. § 27 Abs. 1 S. 1 GenG. 6 Stephan/Tieves, in: MüKo, GmbHG, § 37 Rn. 69; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 5, 89. 7 Wisskirchen/Kuhn, in: BeckOK, GmbHG, § 37 Rn. 15 ff. 8 Vgl. Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, § 1 Rn. 19; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 2. 9 Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 22. Eine Ausnahme ergibt sich für den Vorstand einer beherrschten oder eingegliederten Aktiengesellschaft, vgl. §§ 308, 323 AktG.

§ 1 Fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter

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fen,10 ein höheres Schädigungspotential, aus welchem sich auch für das in tatsächlicher Hinsicht entsprechende Einfluss-, Einsichts- und Machtbefugnisse wahrnehmende fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied ein gegenüber dem fehlerhaften GmbH-Geschäftsführer noch gesteigertes Bedürfnis nach der Einbindung in das strenge organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime ergibt. Rückabwicklungsschwierigkeiten geringeren Ausmaßes wären bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung demgegenüber mit Blick auf das fehlerhafte Rechtshandeln des fehlerhaft bestellten Vorstandsmitgliedes im Innenverhältnis zu erwarten. Hierfür sorgt die Vorschrift des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG, welche statuiert, dass als Vorstandsmitglieder ins Handelsregister eingetragene Personen als befugt gelten, an der für die Einberufung der Hauptversammlung durch den Vorstand erforderlichen Beschlussfassung mitzuwirken. Sofern das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied zum Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung als Vorstandsmitglied aus dem Handelsregister hervorgeht, kann dessen Mitwirkung mithin nicht zu deren Fehlerhaftigkeit führen und in der Folge die Wirksamkeit der in der Versammlung gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse nicht beeinträchtigen (vgl. § 241 Nr. 1 AktG).11 Dass hiernach, jedenfalls mit Blick auf das Rechtshandeln des fehlerhaften Vorstandsmitgliedes im Innenverhältnis, kein Bedürfnis für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bestehe, kann der als missglückt bezeichneten Norm12 allerdings nicht entnommen werden. Von vornherein nicht erfasst würden durch § 121 Abs. 2 S. 2 AktG zunächst die Fälle, in welchen das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied nicht oder noch nicht ins Handelsregister eingetragen wurde. In diesen Konstellationen ergäben sich sodann dem fehlerhaften GmbH-Geschäftsführer entsprechende Rückabwicklungsschwierigkeiten. Der auf die Handelsregistereintragung abstellenden Vorschrift des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG hier im Umkehrschluss zu entnehmen, dass die Anerkennung der Mitwirkungsbefugnis nicht eingetragener fehlerhafter Vorstandsmitglieder ausgeschlossen sei und damit entsprechende Rückabwicklungsschwierigkeiten in Kauf zu nehmen kann nicht überzeugen.13 Die Regelung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG zielt darauf ab, der grundsätzlich unabhängig von der rein deklaratorisch wirkenden Handelsregistereintragung bestehenden Sachbefugnis der Vorstandsmitglieder im Interesse der Rechtssicherheit die formelle Berechtigung ins Handelsregister eingetragener Per10 Vgl. Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 22. In Extremfällen kann sich ein Zustimmungsbedürfnis der Hauptversammlung über eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit nach Maßgabe der Holzmüller- bzw. Gelatine-Doktrin ergeben. Dazu allgemein Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 17 Rn. 149 ff. 11 Unter dem Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung ist der Tag der Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern bzw., bei Einberufung durch eingeschriebenen Brief, der Tag der Absendung zu verstehen. Vgl. Drinhausen, in: Hölters, AktG, § 121 Rn. 15. 12 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 271. 13 So aber BGH, Urteil vom 26. 10. 1955 – VI ZR 90/54, NJW 1955, 1917, 1918 = BGHZ 18, 334 (Einberufungsbefugnis des fehlerhaften Vorstandsmitglieds einer Genossenschaft setze wie im Aktienrecht Registereintragung voraus); Zöllner, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Auflage, 1970, § 121 Rn. 20.

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

sonen an die Seite zu stellen.14 In der Folge können sich sodann ausnahmsweise auch die Aktionäre auf den durch das Handelsregister erzeugten Rechtsschein verlassen.15 Auf eine Beschränkung der Sachbefugnis der Vorstandsmitglieder zielt die Vorschrift demgegenüber nicht ab, sodass die Hauptversammlung unzweifelhaft unter Mitwirkung nicht eingetragener wirksam bestellter Vorstandsmitglieder einberufen werden kann16 und sodass auch die Annahme der Mitwirkungsbefugnis (eingetragener wie nicht eingetragener) fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder über die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis als möglich erscheint. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG wird durch die Anwendung des Rechtsinstitutes nicht redundant, weil sie greifen kann, wenn die Anwendungsvoraussetzungen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ausnahmsweise nicht vorliegen und weil sie vor allem auch den Fall des noch ins Handelsregister eingetragenen ehemaligen Vorstandsmitgliedes erfasst,17 für welchen die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis von vornherein nicht zugeschnitten ist.18 Dass es der Anwendung des Rechtsinstitutes gerade auch hinsichtlich des Rechtshandelns des fehlerhaften Vorstandsmitgliedes im Innenverhältnis bedarf, zeigt im Übrigen die Überlegung, dass sich die zu erwartenden Rückabwicklungsschwierigkeiten nicht in jenen bei Mitwirkung des nicht eingetragenen fehlerhaften Vorstandsmitgliedes bei der Einberufung der Hauptversammlung erschöpfen würden, sondern sich weitergehende Schwierigkeiten auch aus sonstigen internen Rechtshandlungen, welche bei Anerkennung der anfänglichen Nichtigkeit der Bestellung abseits des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG insgesamt als unwirksam qualifiziert werden müssten, ergäben. Zu denken ist hier insbesondere an die Mitwirkung fehlerhafter Vorstandsmitglieder bei der Feststellung des Jahresabschlusses nach § 172 AktG, dessen Nichtigkeit für die Gesellschaft desaströse Folgen nach sich zöge.19 Gegen die Erstreckung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auch auf sonstige, tatsächlich für die Gesellschaft tätig gewordene fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter bestehen damit im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken.

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Vgl. Stein, Das faktische Organ, 79. Guter Glaube im Sinne des § 15 HGB ist für das Eingreifen des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG nach allgemeiner Ansicht nicht erforderlich. Vgl. nur Kubis, in: MüKo, AktG, § 121 Rn. 20. 16 Koch, in: Hüffer, AktG, § 121 Rn. 7; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 121 Rn. 14; Liebscher, in: Henssler/Strohn, AktG, § 121 Rn. 6; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. 10. 2008 – 20 U 19/07, BeckRS 2008, 21818. 17 Vgl. Drinhausen, in: Hölters, AktG, § 121 Rn. 15. 18 Dazu oben 4. Kap. § 1 B. 19 Dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 271 f.; zu den Folgen des nichtigen Jahresabschlusses auch Habersack, NZG 2003, 659, 661. Für die Feststellung des Jahresabschlusses unter Mitwirkung des fehlerhaft bestellten GmbH-Geschäftsführers siehe oben 3. Kap. § 1 A. II. 2. a). 15

§ 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder

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§ 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder Ob und inwieweit eine Erstreckung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auch auf fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder angenommen werden kann, ist fraglich und wird auch von den Befürwortern der Anwendung eines festen Rechtsinstitutes auf fehlerhafte Geschäftsleiter sehr unterschiedlich beantwortet. In der Vergangenheit ist die Lösung des Problems für die Gesellschaft tätig gewordener fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder über die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis überwiegend auf Ablehnung gestoßen.20 In jüngerer Zeit hat sich demgegenüber die Auffassung durchgesetzt, dass sich die Lehre jedenfalls zur Begründung einer umfassenden organschaftlichen Pflichtenbindung und Haftung des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds eigne.21 In der Folge bliebe dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied sodann auch dessen Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe des § 113 AktG erhalten.22 Organschaftliche Kompetenzen sowie die Rechtsmacht zur Vornahme wirksamer und zurechenbarer Rechtshandlungen für und innerhalb des Verbandes werden dem fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglied nach verbreiteter Auffassung nicht zugestanden.23 Für das Außenverhältnis wird insofern auf den Schutz des Handelsregisters sowie die Anwendung allgemeiner Rechtsscheingrundsätze verwiesen. Im Innenverhältnis sei die Zuerkennung von 20 Vgl. Jarzembowski, Fehlerhafte Organakte, 99 f., 105; Hüffer, in: Hüffer, AktG, 8. Auflage, 2008, § 101 Rn. 17; Hoffmann-Becking, in: Münch. Hdb. GesR, Bd. IV, § 30 Rn. 47; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 67 ff. Vgl. auch LG München, Urteil vom 9. 6. 2005 – HK O 10154/04, DB 2005, 1617, 1618 f. sowie Drygala/Gehling, ZIP 2014, 1253, 1254. In der ersten Phase nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 wurde der Nichtigkeitserklärung der anfechtbaren Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds allerdings vielfach ex nunc Wirkung beigemessen, sodass sich die Problematik des „fehlerhaften Organs“ insoweit bereits im Ausgangspunkt nicht mehr stellen konnte. So etwa Schilling, in: Großkommentar, AktG, 3. Auflage, 1972, § 252 Rn. 5. Für die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nach §§ 22 MitbestG, 11 DrittelbG entspricht die Annahme bloßer ex nunc Wirkung des Anfechtungsurteils noch heute der herrschenden Meinung. Vgl. Gach, in: MüKo, AktG, § 22 MitbestG Rn. 16; Oetker, in: ErfK, DrittelbG, § 11 Rn. 4. 21 Vgl. BGH, Urteil vom 3. 5. 2006 – II ZR 151/06, NZG 2006, 712, 715 = BGHZ 168, 188; Habersack, in: MüKo, AktG, § 101 Rn. 69; Marsch-Barner, in: Festschrift Karsten Schmidt, 1109, 1126; Florstedt, NZG 2014, 681, 682. Für die Auferlegung gewisser organschaftlicher Pflichten und einer entsprechenden Verantwortung im Ergebnis auch Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 84 ff. Vgl. auch bereits die (mittlerweile dogmatisch überholte) Entscheidung des RG, Urteil vom 9. 10. 1936 – II 43/36, RGZ 152, 273, 277 ff. (Pflichtenbindung und Haftung eines fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds aufgrund konkludenten Vertragsschlusses). 22 BGH, Urteil vom 3. 5. 2006 – II ZR 151/06, NZG 2006, 712, 715 = BGHZ 168, 188; Marsch-Barner, in: Festschrift Karsten Schmidt, 1109, 1126; Florstedt, NZG 2014, 681, 682. 23 Vgl. BGH, Urteil vom 16. 12. 1953 – II ZR 167/52, NJW 1954, 385, 387 = BGHZ 11, 231 (betreffend fehlerhafte bestellte Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH); Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 474 (Fn. 210); im Grundsatz auch E. Vetter, ZIP 2012, 701, 707 ff. Zwischen nichtig und anfechtbar gewählten Aufsichtsratsmitgliedern differenzierend Noack/ Zetzsche, in: Kölner Kommentar, AktG, § 121 Rn. 59.

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Bestandsschutz hinsichtlich einzelner Maßnahmen, an welchen das fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglied mitgewirkt hat, eine Frage des Einzelfalles. Mit Urteil vom 19. 2. 2013 hat sich für eine solche partielle Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ausdrücklich auch der zweite Zivilsenat ausgesprochen. Die „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ seien zwar für die Pflichten, die Haftung und die Vergütung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitgliedes anwendbar. Für die Stimmabgabe und Beschlussfassung sei ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl nichtig ist oder für nicht erklärt wurde, demgegenüber wie ein Nichtmitglied zu behandeln.24 Nach weitergehender Auffassung soll die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis umfassend zur Anwendung kommen, womit das tatsächlich für die Gesellschaft tätig gewordene Aufsichtsratsmitglied für die Vergangenheit seinem ordentlich bestellten Pendant in jeder Hinsicht gleichstünde.25 Das Aufsichtsratsmitglied ist Teil des Überwachungsorgans Aufsichtsrat und als solches unmittelbar in die Verbandsorganisation eingebunden. Die Hauptaufgaben des Aufsichtsrates, namentlich die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 AktG), die laufende Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) sowie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern (§ 112 AktG), sind maßgeblich durch dessen Überwachungsfunktion gegenüber der Unternehmensleitung geprägt.26 Zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben sind dem Aufsichtsrat umfassende Informations- und Einsichtsrechte gegeben. Weiter obliegt dem Vorstand eine Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat, insbesondere über die Finanz-, Investitions-, und Personalplanung der Gesellschaft.27 Zwar werden die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder nicht geschäftsführend tätig.28 Die ihnen innerhalb des Verbandes zukommenden Einfluss-, Einsichts- und Machtbefugnisse sind jenen der Mitglieder des Leitungsorganes jedoch vergleichbar. Dementsprechend findet sich in § 116 AktG hinsichtlich der Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder sodann auch die Anordnung der sinngemäßen Geltung der Vorschriften des § 93 Abs. 1 bis 6 AktG hinsichtlich der Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder der Gesellschaft.29 In der Konstellation des Tätigwerdens fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder hat sich deren Einbindung in das strenge organschaftliche Pflichten- und Haftungsregime als sachgerecht erwiesen. Für die Bindung fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder an die aus dem durch Bestel24

BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1536 ff. = BGHZ 196, 195. So etwa Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 286 ff.; ders., NZG 2008, 609, 610 f.; ders., NZG 2013, 481, 483 f.; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 6 f.; Lieder, ZHR 178 (2014), 282, 290 ff.; Priester, GWR 2013, 175, 176 f.; Kort, Der Aufsichtsrat, 84, 84 f.; Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539, 1539; Doetsch, Fehlerhafter Gesellschafter, 101 ff.; vgl. auch Stein, Das faktische Organ, 100 ff. 26 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 820. 27 Vgl. § 90 AktG. Dazu Wilde, ZGR 1998, 423, 427 ff. 28 Vgl. § 111 Abs. 4 S. 1 AktG. 29 Vgl. Habersack, in: MüKo, AktG, § 116 Rn. 1. 25

§ 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder

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lung begründeten (fehlerhaften) korporativen Rechtsverhältnis resultierenden Organpflichten sowie die organschaftliche Verantwortlichkeit im Falle deren Verletzung kann nichts anderes gelten. Der verbreiteten Ansicht, dass es der Korrektur der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung über die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis jedenfalls im Hinblick auf die organschaftliche Pflichtenstellung und Verantwortung des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds bedarf, ist mithin zuzustimmen. Dem fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglied umgekehrt sodann auch dessen regelmäßig vereinbarte Vergütung zuzubilligen, erscheint interessengerecht. Im Unterschied zu den Mitgliedern des Leitungsorgans wird zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsrates und der Gesellschaft kein gesondertes Anstellungsverhältnis begründet.30 Die Vergütungsansprüche finden ihren Rechtsgrund hier unmittelbar im korporationsrechtlichen Rechtsverhältnis zur Gesellschaft,31 sodass sich deren Aufrechterhaltung, anders als für den Fall fehlerhaft bestellter Geschäftsleiter, als unmittelbare Folge aus der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ableiten lässt. Aufgrund des unbestritten gegebenen Funktionszusammenhanges muss die jüngst seitens des BGH bestätigte Annahme, dass die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis zwar hinsichtlich der Pflichten, Haftung und Vergütung, nicht aber hinsichtlich der organschaftlichen Kompetenzen fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder zur Anwendung komme,32 überraschen. Am Beispiel des fehlerhaft bestellten minderjährigen GmbH-Geschäftsführers hat sich zwar gezeigt, dass die nur partielle Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis gegenüber ihrer vollständigen Ablehnung in bestimmten Konstellationen möglich und vorzugswürdig sein kann.33 Während jedoch die Zuerkennung der organschaftlichen Kompetenzen sowie der Rechtsmacht für die Gesellschaft zu handeln den Minderjährigen umfänglich in die Lage versetzt, die von ihm tatsächlich wahrgenommene Aufgaben eines Mitgliedes des Leitungsorganes der Gesellschaft zu erfüllen, kann dies für das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied nach der Lösung des BGH gerade nicht angenommen werden. Die Annahme einer „hinkenden Organstellung“ des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds dahin, dass ihm zwar die umfängliche Pflicht und Verantwortung zur Wahrnehmung der Tätigkeit eines ordentlichen Mitglieds obliegt, ihm die zur sachgerechten Erfüllung dieser Tätigkeit notwendigen organschaftlichen Kompetenzen sowie die Rechtsmacht für 30 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 345 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 2; Habersack, in: MüKo, AktG, § 101 Rn. 67; Kort, Der Aufsichtsrat 2011, 84, 84 f.: a.A. RG, Urteil vom 2. 3. 1929 – I 324/28, RGZ 123, 351, 354; RG, Urteil vom 2. 11. 1934 – II 186/34, RGZ 146, 145, 152; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 9 f. Offengelassen BGH, Beschluss vom 7. 7. 2008 – II ZR 71/07, NZG 2008, 834, 834. 31 Habersack, in: MüKo, AktG, § 113 Rn. 27; Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 2. 32 BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1536 ff. = BGHZ 196, 195. 33 Vgl. oben 4. Kap. § 1 D.

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

und innerhalb des Verbandes zu handeln, demgegenüber nicht zukommen, erscheint wertungswidersprüchlich.34 Zusätzlich und in erster Linie sprechen für die umfassende Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis jedoch die drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten, welche sich aus dem Tätigwerden des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitgliedes ohne die Anerkennung organschaftlicher Kompetenzen sowie der Rechtsmacht für und innerhalb der Gesellschaft zu handeln ergäben. Ebenso wie im Falle des fehlerhaften Geschäftsleiters können sich Probleme zunächst aus der Mitwirkung des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds bei im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Vertretungshandlungen des Aufsichtsrates ergeben. Zwar fällt die Vertretung zuförderst in den Aufgabenbereich des Vorstandes (vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG). Namentlich für den Abschluss von Vertretungsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern ist jedoch der Aufsichtsrat zuständig (§ 112 AktG). Gleiches gilt etwa für die Beauftragung von Sachverständigen (§ 111 Abs. 2 S. 2 AktG), die Erteilung eines Prüfungsauftrages (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG) oder die Vornahme bestimmter Hilfsgeschäfte des Aufsichtsrates.35 Mangels Eintragung der Aufsichtsratsmitglieder ins Handelsregister kommt nach allgemeinen Regeln ein Schutz über § 15 Abs. 3 HGB nicht in Betracht.36 Denkbar erscheint die Heranziehung allgemeiner Rechtsscheinregeln, insbesondere unter Anknüpfung an die nach § 106 AktG ins Handelsregister einzureichende Liste der Mitglieder des Aufsichtsrates, deren Einsichtnahme Dritten nach § 9 HGB durch das elektronische Unternehmensregister offensteht und die jedenfalls auch dem Informationsinteresse des Rechtsverkehrs Rechnung tragen soll.37 Ob es den betroffenen Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft zugestanden werden könnte, sich als „Dritte“ auf allgemeine Rechtsscheinregeln zu berufen, erscheint angesichts ihrer Einbindung in die Verbandsorganisation allerdings zweifelhaft.38 Mit dem Wahlrecht des Dritten sich alternativ auf die wahre Rechtslage, d. h. bei Nichtanwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis das Fehlen der organschaftlichen Vertretungsmacht des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds, zu berufen, und dem Gutglaubenserfordernis bliebe die Lösung nach allgemeinen Regeln jedenfalls deutlich hinter der auch hier als sachgerechter erscheinenden Zuerkennung absoluten Verkehrsschutzes zurück. 34 So auch Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 304 f.; vgl. auch bereits Stein, Das faktische Organ, 106. 35 Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 112 Rn. 1. 36 Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 78 f.; E. Vetter, ZIP 2012, 701, 709. 37 Vgl. dazu E. Vetter, ZIP 2012, 701, 709 f.; Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539, 1539. 38 Ablehnend E. Vetter, ZIP 2012, 701, 710; vgl. auch Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 45 ff., der die Anwendung von Rechtsscheinregeln zugunsten des Vorstandsmitglieds auf Vertretungsgeschäfte, die mit dessen organschaftlichem Status nichts zu tun haben, grundsätzlich für möglich hält, jedoch darauf hinweist, dass die für deren Anwendung notwendige, bereits bei fahrlässiger Unkenntnis vom Bestellungsmangel entfallende Gutgläubigkeit des Vorstandsmitgliedes selten vorliegen wird.

§ 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder

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Auf die Wirksamkeit seitens des Vorstandes im Namen der Gesellschaft abgeschlossener Verkehrsgeschäfte wirkt sich die fehlerhafte Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes auch nach allgemeinen Regeln grundsätzlich nicht aus. Mangels Außenwirkung39 gilt dies insbesondere auch für solche Geschäfte, welche der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrates bedurften (vgl. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG). Bedeutung kommt der Wirksamkeit der Zustimmung des Aufsichtsrates allerdings aus Perspektive der Vorstandsmitglieder zu. Ist der gefasste Zustimmungsbeschluss aufgrund der Teilnahme des nach allgemeinen Regeln als Nichtmitglied zu qualifizierenden fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds unwirksam, steht eine Pflichtverletzung der dennoch tätig gewordenen Vorstandsmitglieder im Raum.40 Eine Haftung aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG wird sich hieraus zwar nur dann ableiten, wenn das jeweilige Vorstandsmitglied die Fehlerhaftigkeit der Bestellung des Aufsichtsratsmitgliedes kannte oder kennen musste.41 Die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast trifft jedoch abweichend von der allgemeinen zivilrechtlichen Beweislastverteilung die Vorstandsmitglieder selbst.42 Mit der Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Bestellung müssten die Vorstandsmitglieder hiernach stets eine potentielle Haftung und auch bei möglicher Exkulpation das bleibende Verdikt rechtswidrigen Handelns fürchten.43 Die drohende Unwirksamkeit unter Beteiligung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds gefasster Aufsichtsratsbeschlüsse erscheint auch im Übrigen problematisch. Dies gilt zunächst für die Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds bei der nach § 111 Abs. 3 AktG möglichen Einberufung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat. Führt dessen Mitwirkung nach allgemeinen Regeln zur Unwirksamkeit der Einberufung der Hauptversammlung, droht ebenso wie im Falle der Einberufung durch die Geschäftsleiter die Unwirksamkeit sämtlicher in Versammlung gefasster Hauptversammlungsbeschlüsse (vgl. § 241 Nr. 1 AktG).44 Die sich hieraus ergebenden Rückabwicklungsschwierigkeiten vermittels der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis im Falle der Einberufung durch den fehlerhaft be39 Vgl. Henssler, in: Henssler/Strohn, AktG, § 111 Rn. 23a; siehe auch BGH, Urteil vom 1. 2. 2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, 1719. Ausnahmen von der fehlenden Außenwirkung werden für den Fall der Kollision sowie des Missbrauchs der Vertretungsmacht diskutiert. Dazu, dass sich aus der fehlerhaften Aufsichtsratsbestellung nach allgemeinen Regeln hinsichtlich solcher zustimmungsbedürftiger Geschäfte, die der Vorstand mit Groß- oder Mehrheitsaktionären vorgenommen hat, Fälle missbräuchlich ausgeübter Vertretungsmacht ergeben könnten vgl. Arnold/Gayk, DB 2013, 1830, 1835. 40 Leidet die fehlerhafte Bestellung nicht an einem Nichtigkeits-, sondern an einem Anfechtungsgrund wird man aus der sich ggf. nachträglich ergebenden Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsbeschlusses eine Pflichtverletzung allerdings nicht ableiten können. Dazu Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 300 (Fn. 39). 41 Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 300; Arnold/Gayk, DB 2013, 1830, 1834. 42 Dazu allgemein Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 220 ff. 43 So zutreffend Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 300. 44 Schürnbrand, NZG 2013, 481, 482.

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

setzten Vorstand zu verhindern, sie umgekehrt für die Einberufung durch den fehlerhaft besetzten Aufsichtsrat hinzunehmen, kann nicht überzeugen, zumal zu erwarten steht, dass den im Rahmen einer durch den Aufsichtsrat einberufenen Hautversammlung gefassten Gesellschafterbeschlüssen verbandsintern eine besondere Wichtigkeit zukommen wird. Nach der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung wird der Aufsichtsrat die Hauptversammlung nämlich nur dann einberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert, wovon etwa auszugehen ist, wenn der Vorstand ungeschrieben Kompetenzen der Hauptversammlung zu missachten droht oder Vorstandsmitgliedern nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG das Vertrauen entzogen werden soll.45 Auch mit Blick auf den Jahresabschluss erscheint ein zwischen fehlerhaften Geschäftsleitern und fehlerhaften Aufsichtsratsmitgliedern differenzierender Umgang mit der Problematik des „fehlerhaften Organs“ nicht sachgerecht.46 Dass sich aus der Nichtigkeit dessen Feststellung für die Gesellschaft massive Rückabwicklungsschwierigkeiten ergäben, gilt unabhängig davon, ob sich die Nichtigkeit aus der Mitwirkung eines fehlerhaft bestellten Vorstandsmitgliedes bei der notwendigen Beschlussfassung des Vorstandes oder aus der Mitwirkung eines fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds bei der notwendigen Beschlussfassung des Aufsichtsrates ergibt. Als Beispiel genannt seien schließlich noch die Rückabwicklungsschwierigkeiten, die sich bei partieller Nichtanwendung der Lehre aus der unwirksamen Fassung von Beschlussvorschlägen seitens des Aufsichtsrates zu ergeben drohen. Nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG hat der Aufsichtsrat (ebenso wie der Vorstand) zu jedem Gegenstand der Tagesordnung, über welchen die Hauptversammlung beschließen soll, einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten und diesen zusammen mit der Tagesordnung bekanntzumachen.47 Im Gegensatz zur unwirksamen Einberufung der Hauptversammlung kann aus der Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds bei der Fassung der Beschlussvorschläge zwar auch nach allgemeinen Regeln nicht die Unwirksamkeit sämtlicher in der späteren Hauptversammlung gefasster Gesellschafterbeschlüsse resultieren. Führt die Beteiligung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds zur Unwirksamkeit der Beschlussvorschläge, müsste hierin jedoch ein Bekanntmachungsmangel gesehen werden, aus welchem sich die Anfechtbarkeit aller in Versammlung gefasster Beschlüsse48 und damit drohende Rechtsunsicherheiten und Rückabwicklungsschwierigkeiten ebenfalls beträchtlichen Umfangs ergäben. In seiner Entscheidung vom 19. 2. 2013 führte der BGH demgegenüber zwar aus, dass aus der Mitwirkung eines Aufsichtsratsmitglieds, 45 Näher zu den Fällen, in welchen der Aufsichtsrat die Hauptversammlung einberufen kann und muss Habersack, in: MüKo, AktG, § 111 Rn. 90 f. 46 So richtig Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539, 1539; Schürnbrand, NZG 2008, 609, 610. 47 Vgl. Kubis, in: MüKo, AktG, § 124 Rn. 26. 48 Vgl. Schürnbrand, NZG 2008, 609, 610; ders., NZG 2013, 481, 482 f.; E. Vetter, ZIP 2012, 701, 708; BGH, Urteil vom 12. 11. 2001 – II ZR 225/99, NZG 2002, 130, 132 = BGHZ 149, 158.

§ 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder

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dessen Wahl zum Aufsichtsrat angefochten, aber noch nicht für nichtig erklärt wurde, mangels Vorliegens eines für das Teilhaberecht der Aktionäre relevanten Verfahrensmangels, kein Anfechtungsgrund hinsichtlich der gefassten Gesellschafterbeschlüsse resultieren könne.49 Die hierzu angeführte Begründung, nach welcher der Aufsichtsrat im Zeitpunkt der Beschlussfassung mit einem anfechtbar gewählten Mitglied ordnungsgemäß besetzt war, weil der Wahlbeschluss erst rückwirkend unwirksam werde, erscheint auf dem Boden der Rechtsprechung jedoch inkonsequent.50 Soll die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hinsichtlich des internen Rechtshandelns fehlerhafter Aufsichtsratsmitglieder nicht zur Anwendung kommen, muss das fehlerhafte Aufsichtsratsmitglied nach erfolgter Anfechtung von Beginn seines Tätigwerdens an als Nichtmitglied qualifiziert werden. Von der ordnungsgemäßen Besetzung des Aufsichtsrats zum Zeitpunkt der Fassung der Beschlussvorschläge wäre sodann gerade nicht mehr auszugehen. Mit Blick auf die Widersprüchlichkeiten die sich aus einer nur teilweisen Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ergäben und die Rückabwicklungsschwierigkeiten, welche nach diesem Lösungsansatz auch weiterhin zu erwarten wären, erscheint die umfängliche Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auf für die Gesellschaft tätig gewordene fehlerhafte bestellte Aufsichtsratsmitglieder damit insgesamt gerechtfertigt und vorzugswürdig.51 Zu einer anderen Einschätzung zwingen schließlich auch nicht die systematischen und inhaltlichen Einwände, die der BGH gegen die umfassende Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes hervorgebracht hat. Nach Auffassung des Senats soll sich die Annahme der vorläufigen Wirksamkeit der Rechtshandlungen fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder bereits mit Blick auf die Vorschrift des § 250 Abs. 1 AktG, nach welcher Wahlbeschlüsse von Anfang 49

BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1538 (Rn. 25). So auch Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539, 1539. 51 Auf dem Boden der Rechtsprechung bleibt der Praxis im Umgang mit der aus einer gegen die Aufsichtsratsbestellung gerichteten Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage resultierenden Schwebelage allein die Fassung eines aufwändigen und im Übrigen nur bei Verfahrensfehlern möglichen und seinerseits fehleranfälligen Bestätigungsbeschlusses nach § 244 AktG (vgl. dazu Brock, NZG 2014, 641, 643; Schilha/Wolf, NZG 2014, 337, 338 f.) oder die Amtsniederlegung der betroffenen Aufsichtsratsmitglieder, um die sodann entstandene Vakanz im Aufsichtsrats vermittels einer gerichtlichen Ersatzbestellung nach § 104 AktG schließen zu können. Ob zusätzlich die Möglichkeit einer vom Erfolg der Klage abhängigen aufschiebend bedingten oder bis zur nächsten Hauptversammlung befristeten gerichtlichen Ersatzbestellung (analog) § 104 AktG besteht, ist zweifelhaft (ablehnend OLG Köln, Beschluss vom 29. 3. 2007 – 2 Wx 4/07, BeckRS 2007, 08237; OLG Köln, Beschluss vom 23. 2. 2011 – 2 Wx 41/11, NZG 2011, 508, 509 f.; Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 301 ff.; P. Schäfer, FD-HGR 2007, 238096; Drygala/Gehling, ZIP 2014, 1253, 1254 f.; befürwortend LG München I, Urteil vom 9. 6. 2005 – 5 HK O 10154/04, DB 2005, 1617, 1618; E. Vetter, ZIP 2012, 701, 706 f.; Schroeder/Pussar, BB 2011, 1930, 1933 f.; Kocher, NZG 2007, 372, 373 f.). Eine befriedigende Lösung kann in einer solchen Instrumentalisierung des Amtsgerichts als „Reparaturstelle“ (vgl. Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 303) jedenfalls nicht gesehen werden. 50

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

an nichtig sein könnten, sowie mit Blick auf die Verweisung in § 250 Abs. 1 AktG auf § 241 Nr. 5 AktG, wonach der Wahlbeschluss ex tunc nichtig sei, wenn er für nichtig erklärt wäre, verbieten.52 Speziell für die Nichtigkeit des Jahresbeschlusses enthalte § 256 Abs. 6 S. 1 AktG eigene Regeln zum Schutze der Gesellschaft, die durch die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht einfach übergangen werden dürften.53 Dem Hinweis auf § 256 Abs. 6 S. 1 AktG, welcher die Heilung eines wegen nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung des Aufsichtsrates nichtigen Jahresabschlusses nach Ablauf von sechs Monaten seit seiner Bekanntmachung vorsieht, ist zunächst entgegenzuhalten, dass es sich bei der Vorschrift um eine solche allgemeiner Natur handelt, die die Besonderheiten der Problematik fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder nicht eigens in den Blick nimmt und insofern auch keine abschließende Regelung beinhaltet, die übergangen werden könnte.54 Dass sich dem Gesetz die rückwirkende Nichtigkeit der fehlerhaften Bestellung entnehmen lässt, kann der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht entgegenstehen, da diese ja gerade dazu dient, die an sich bei unbefangener Gesetzesanwendung eintretenden Fehlerfolgen für die Vergangenheit zu beschränken.55 Die rückwirkende Nichtigkeit des fehlerhaften Rechtsgeschäfts lässt sich etwa auch der Vorschrift des § 142 Abs. 2 BGB entnehmen, ohne dass aus diesem Umstand eine Rechtsfortbildungssperre hinsichtlich der Behandlung an einem Anfechtungsgrund leidender fehlerhafter Arbeits-, Gesellschafts- oder Beitrittsverträge geschlossen würde.56 Stünden die §§ 250 Abs. 1 AktG, 241 Nr. 5 AktG der Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung entgegen, ließe sich im Übrigen auch die seitens des BGH befürwortete partielle Anwendung der Lehre nicht rechtfertigen. Warum der rückwirkenden Nichtigkeit gerade hinsichtlich der organschaftlichen Kompetenzen sowie der Rechtsmacht des Aufsichtsratsmitgliedes, nicht aber hinsichtlich dessen organschaftlicher Pflichten, Verantwortung und Vergütung Rechnung getragen werden sollte, ist nicht einsichtig. Rein formal gesehen setzt sich die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis zu der Anordnung der anfänglichen bzw. rückwirkenden Nichtigkeit des fehlerhaften Wahlbeschlusses schließlich auch nicht in Widerspruch, da die mit der Anwendung des Rechtsinstituts einhergehende Korrektur nicht an dem der internen Willensbildung der Gesellschaft dienenden Beschluss, sondern erst an der sich anschließenden Beschlussausführung ansetzt.57 52

BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1537 (Rn. 20). BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1538 (Rn. 26) im Anschluss an E. Vetter, ZIP 2012, 701, 710. 54 So zutreffend Schürnbrand, NZG 2013, 481, 482. 55 Ähnlich Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539, 1539; Cziupka, DNotZ 2013, 579, 582; Knapp/ Lepperdinger, DStR 2014, 1290, 1293. 56 Dazu auch Schürnbrand, NZG 2013, 481, 482. 57 Vgl. dazu oben Kap. 3 Fn. 548 sowie Priester, GWR 2013, 175, 175. 53

§ 2 Fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder

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Gegen die mit der umfänglichen Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis eintretende Rechtsfolge, nach welcher die Stellung des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitgliedes für die Vergangenheit der seines ordentlich bestellten Pendants entspräche, bringt der Senat hervor, dass hierdurch andere Organe des Verbandes daran gehindert würden, sich auf die Unwirksamkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrats zu berufen, obwohl sie daran gerade ein Interesse haben könnten oder sogar rechtlich dazu verpflichtet seien, die Unwirksamkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse geltend zu machen.58 Dass die Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitgliedes nicht mehr zur Unwirksamkeit gefasster Aufsichtsratsbeschlüsse führen kann, ist demgegenüber jedoch gerade die beabsichtigte Folge der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis. Sind die Anwendungsvoraussetzungen des Rechtsinstitutes gegeben (Mindestanforderungen an den fehlerhaften Bestellungsakt, Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses, kein Entgegenstehen höherrangiger Schutzinteressen) sollen sich die Beteiligten zur Vermeidung ansonsten drohender Rückabwicklungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf einzelne Maßnahmen, an welchen das fehlerhafte Aufsichtsratsmitglied beteiligt war, gerade nicht auf die Fehlerhaftigkeit der Bestellung berufen können. Dass die Mitglieder der Verwaltungsorgane gegen eine ihnen obliegende Organpflicht verstoßen, wenn sie die unter Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds gefassten Beschlüsse hinnehmen, steht nicht zu befürchten, weil sie bei Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht als unwirksam zu qualifizieren sind. Bei Anwendung der Lehre resultiert aus der an sich anfänglichen oder rückwirkenden Nichtigkeit der Bestellung für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat allein die Pflicht das Tätigwerden des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds für die Zukunft zu verhindern.59 Deren Erfüllung steht die Gleichstellung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds mit einem wirksam bestellten bis zur Beendigung des Organverhältnisses nicht entgegen. Insbesondere ist es dem Aufsichtsrat auch bei Anwendung der Lehre nicht möglich, auf die Beendigung der Tätigkeit des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds hindrängende Vorstandsmitglieder aus diesem Grunde abzuberufen. Ein wichtiger Grund könnte dem insofern pflichtgemäßen Verhalten der Vorstandsmitglieder in diesen Fällen nicht entnommen werden, sodass sie des Hinweises auf die Nichtigkeit der Stellung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds bei der Fassung des gegen sie gerichteten Abberufungsbeschlusses zu ihrer Verteidigung nicht bedürften.60

58

BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1537 f. (Rn. 23). Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 7; Schürnbrand, NZG 2013, 481, 483. 60 Da sich § 84 Abs. 3 S. 4 AktG, welcher die Wirksamkeit des Widerrufs der Vorstandsbestellung bis zur rechtskräftigen Feststellung dessen Unwirksamkeit anordnet, nach zutreffender Ansicht auch auf Verfahrensfehler erstreckt (vgl. Schürnbrand, NZG 2008, 609, 611) könnte das abberufene Vorstandsmitglied aus dem Hinweis auf die Nichtigkeit der Stellung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds insbesondere auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Vorteile ziehen. 59

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

Als sachgerecht erscheint die Gleichstellung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds mit seinem ordentlich bestellten Pendant für die Vergangenheit schließlich auch mit Blick auf dessen mögliche Mitwirkung bei der Bestellung eines Vorstandsmitglieds. Griffe die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hinsichtlich der Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds bei der Fassung des Bestellungsbeschlusses nicht, käme zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft regelmäßig allein ein fehlerhaftes Organverhältnis zustande, auf welches seinerseits die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis zur Anwendung gebracht werden müsste. Dies hätte für die Gesellschaft zwar den Vorteil, dass sie sich dem unter Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds bestellten Vorstandsmitgliedes für die Zukunft unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes entledigen könnte. Entgegen der Einschätzung des BGH61 erscheint es jedoch wenig interessengerecht, die Vorstandsmitglieder einseitig mit dem Risiko der fehlerhaften Besetzung des Aufsichtsrates und damit dem Risiko des Verlustes des Bestandsschutzes ihrer zur Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse für die Zukunft auszusetzen, zumal es denkbar erscheint, aus der Mitwirkung des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds je nach Sachlage einen wichtigen Grund zur Abberufung des betroffenen Vorstandsmitglieds im Einzelfall abzuleiten.62 Müssten die während des Tätigwerdens des fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds bestellten Vorstandsmitglieder damit rechnen, dass sich die Fehlerhaftigkeit der Aufsichtsratsbestellung in der Fehlerhaftigkeit ihrer eigenen Organ- und Anstellungsverhältnisse zur Gesellschaft fortsetzt, wird man von ihnen im Übrigen kaum erwarten können, dass sie die Fehlerhaftigkeit der Bestellung des Aufsichtsrates verfolgen und damit gleichzeitig auch ihre eigene Position innerhalb des Verbandes gefährden. Die fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Vorstandsbestellung als Nichtmitglieder zu behandeln, würde der Gesellschaft insoweit nicht nutzen, sondern für die Vorstandsmitglieder umgekehrt falsche Verhaltensanreize setzen.

§ 3 Ausblick Die vorstehenden Überlegungen zum Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis haben gezeigt, dass sie sich über den Fall des fehlerhaften GmbH-Geschäftsführers hinaus auch auf die fehlerhafte Bestellung sonstiger Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften erstrecken lässt und ihre Anwendung insbesondere auch für den Umgang mit fehlerhaften Aufsichtsratsmitgliedern einen überzeugenden Lösungsweg bietet. Aufgrund ihrer Eignung zur rechtsformübergreifenden einheitlichen Behandlung fehlerhaft bestellter Organwalter kann in ihr ein wesentlicher Beitrag zur Institutionenbildung im Gesellschaftsrecht erblickt werden, welcher sich in der Erfassung fehlerhaft bestellter Geschäftsleiter und Aufsichtsratsmitglieder auch noch nicht notwendig erschöpfen muss. 61 62

BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1538 (Rn. 24). Dafür Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539, 1539; Cziupka, DNotZ 2013, 579, 584.

§ 3 Ausblick

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Überlegenswert erscheint es etwa die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht nur für Fälle der fehlerhaften Bestellung von Organwaltern heranzuziehen, sondern sie umgekehrt auch auf die Fälle ihrer fehlerhaften Abberufung zu erstrecken. Zwar werden die fehlerhaft abberufenen Organwalter gerade nicht mehr für die Gesellschaft tätig, sodass sich die Frage nach der Wirksamkeit und Zurechenbarkeit durch sie im Innen- und Außenverhältnis des Verbandes vorgenommener Rechtshandlungen nicht stellt. Die fehlende Mitwirkung der bei unwirksamer Abberufung weiterhin dem Leitungs- oder Überwachungsorgan der Gesellschaft angehörenden Organwalter bedroht jedoch die Wirksamkeit der organinternen Willensbildung und, je nach Ausgestaltung der Vertretungsverhältnisse, auch die Wirksamkeit durch die übrigen Organmitglieder im Namen des Verbandes vorgenommener Vertretungshandlungen.63 Problematisch ist auch die bei unwirksamer Abberufung nach allgemeinen Regeln fortbestehende organschaftliche Pflichtenbindung und Verantwortung der Betroffenen. Zwar stünde etwa einem Geschäftsführer, welcher aufgrund fehlerhafter Abberufung seine Stellung tatsächlich nicht mehr wahrnehmen konnte, gegen dessen Inanspruchnahme durch die Gesellschaft regelmäßig der Einwand des venire contra factum proprium zur Seite.64 Aufgrund der gegebenen Beweislastverteilung müsste er sich jedoch hinsichtlich der aus seiner unterlassenen Geschäftsführungstätigkeit nach allgemeinen Regeln entstehenden objektiven Pflichtverletzungen jeweils aktiv exkulpieren, was angesichts seines tatsächlichen Ausschlusses aus dem Leitungsorgan wenig interessengerecht erscheint.65 Dass die fehlerhafte bzw. in ihrer Wirksamkeit jedenfalls zweifelhafte Abberufung von Organwaltern Schwierigkeiten bereitet, wurde auch seitens des Gesetzgebers erkannt, welcher die Problematik mit der die vorläufige Wirksamkeit der Abberufung eines Vorstandsmitglieds bis zur gerichtlichen Klärung anordnenden Vorschrift des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG bedacht hat, die insofern als Wegweiser für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis im Übrigen verstanden werden könnte.66 Dass das Rechtsinstitut als einfache Patentlösung hier allerdings umgekehrt auch nicht vorschnell herangezogen werden darf, zeigt sich am Falle fehlerhaft abberufener Gesellschafter-Geschäftsführer, deren Interesse an der aktiven Gestaltung der Geschäftsführung regelmäßig über jenes am Verdienst einer entsprechenden Vergütung hinausgehen wird. Die Anwendung der zur vorübergehenden Wirksamkeit der Abberufung führenden Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis darf sich in diesem Zusammenhang nicht zu einem „bequemen Mittel, bei Interessengegensätzen oder Meinungsverschiedenheiten unter den Gesell63

Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 283; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 478; Habersack, in: MüKo, AktG, § 103 Rn. 22. 64 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 282; Hopt, in: Großkommentar, AktG, § 93 Rn. 48. 65 So richtig Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 283. 66 In diesem Sinne Happ, in: Festschrift Hüffer, 293, 303.

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5. Kap.: Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis

schaftern einen geschäftsführenden Gesellschafter unter Umständen auf Jahre hinaus auszuschalten“,67 entwickeln. Als potentieller Anwendungsfall der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis sei schließlich noch der besondere Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG genannt, für welchen der BGH in einem knappen Beschluss vom 27. 9. 2011 ausdrücklich auf die „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ Bezug genommen hat.68 In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Fall habe die Anwendung jener Grundsätze zur Folge, dass die bis zur Abberufung vollzogenen Rechtshandlungen des besonderen Vertreters in jedem Falle wirksam blieben und die bis dahin funktionsgerecht ausgeübte Tätigkeit des besonderen Vertreters zu vergüten sei. Zur Begründung der Anwendbarkeit der „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ verweist das Gericht auf den Umstand, dass dem besonderen Vertreter im Rahmen seines Aufgabenkreises Organqualität zukomme. Dass der bloße Hinweis auf die umstrittene69 Qualifikation des besonderen Vertreters als Sonderorgan bzw. als Organwalter eines Sonderorgans der Gesellschaft die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts noch nicht zu rechtfertigen vermag, zeigt demgegenüber der Blick auf die Grundlagen der Lehre.70 Immerhin legt es die Zuerkennung der Organqualität nahe, auch die fehlerhafte Bestellung des besonderen Vertreters als fehlerhafte Strukturänderung des Verbandes zu begreifen. Für die Anwendbarkeit des Rechtsinstitutes hinzukommen müssen jedoch aus dem Tätigwerden des fehlerhaft bestellten besonderen Vertreters drohende Rückabwicklungsschwierigkeiten, welche die Korrektur der fehlerhaften Bestellung als notwendig erscheinen lassen. Angesichts des mit der Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche der Gesellschaft fest umrissenen, schmalen Aufgabenbereiches des besonderen Vertreters, dessen Tätigwerden mit der Vorgabe die Ersatzansprüche binnen sechs Monaten geltend zu machen,71 auch enge zeitliche Grenzen gesteckt sind, bestehen gegen die Annahme eines solchen Korrekturbedürfnisses jedoch erhebliche Bedenken. Im Wesentlichen ergäbe sich aus der Unwirksamkeit der Bestellung die Folge, dass der Sondervertreter bei der Anspruchsverfolgung als falsus 67

So der treffende Einwand des 2. Zivilsenats gegen die Übertragung des Gedankens des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG auf die aus vermeintlich wichtigem Grund erfolgende Abberufung eines zu 50 % beteiligten GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers durch seinen ebenfalls zu 50 % beteiligten Mitgesellschafter. Vgl. BGH, Urteil vom 20. 12. 1982 – II ZR 110/82, NJW 1983, 938, 939 = BGHZ 86, 177. 68 BGH, Beschluss vom 27. 9. 2011 – II ZR 225/08, NZG 2011, 1383, 1383 f. 69 Gegen die Einordnung als Organ etwa Wirth, in: Festschrift Hüffer, 1129, 1143 ff. Vgl. auch OLG München, Urteil vom 27.8.2008 – 7 U 5678/07, AG 2008, 864, 868 (organähnliche Stellung). 70 Das alleinige Abstellen auf die Organqualität des Betroffenen passt im Übrigen auch nicht zu der neuesten Rechtsprechung des BGH betreffend fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder (vgl. BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, NJW 2013, 1535, 1536 ff. = BGHZ 196, 195). Da hinsichtlich der Organstellung von Aufsichtsratsmitgliedern keinerlei Zweifel bestehen, hätte der BGH in deren Fall konsequent sodann ebenfalls zur umfänglichen Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis gelangen müssen. 71 Vgl. § 147 Abs. 1 S. 2 AktG.

§ 3 Ausblick

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procurator aufträte und eine von diesem im Namen der Gesellschaft erhobene Klage aus diesem Grunde als unzulässig angesehen werden müsste.72 Hier bestünde sodann jedoch die Möglichkeit, dass die zuständigen Verwaltungsorgane bzw. der auf wirksamer Grundlage tätige nachfolgende Sondervertreter den auf fehlerhafter Grundlage initiierten Prozess nachträglich genehmigen.73 Bestehenden Zweifeln hinsichtlich der Wirksamkeit der Bestellung des besonderen Vertreters ließe sich auf Antrag einer qualifizierten Aktionärsminderheit zudem durch die gerichtliche Bestellung eines anderen besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG begegnen. Im Gegensatz zur gerichtlichen Notbestellung eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds setzt die gerichtliche Einsetzung eines besonderen Vertreters keine Vakanz der betroffenen Position voraus und kann ausweislich des Wortlautes des § 147 Abs. 2 S. 2 AktG insbesondere auch zur Ersetzung des durch die Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreters erfolgen.74 Parallel zu den Geschäftsleitern der Gesellschaft finden die Vergütungsansprüche des durch die Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreters ihre rechtliche Grundlage schließlich nicht in dem durch Bestellung begründeten Organverhältnis, sondern in einem hiervon zu trennenden und abstrakten, regelmäßig gleichzeitig begründeten Anstellungsverhältnis.75 Dass dem besonderen Vertreter, wie vom BGH angenommen, die Vergütung nach den „Grundsätzen der fehlerhaften Bestellung“ erhalten bliebe, ließe sich hiernach, selbst wenn man diese allen Bedenken zum Trotz zur Anwendung brächte, nicht annehmen. Leidet der gleichzeitig mit der Bestellung des besonderen Vertreters begründete Geschäftsbesorgungsvertrag ebenfalls an dem der Bestellung zugrunde liegenden Wirksamkeitsmangel (Fall der Fehleridentität), wovon regelmäßig auszugehen sein wird, bedürfte es zur Aufrechterhaltung der vertraglichen Vergütungsansprüche der Heranziehung der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis.76 Im Gegensatz zu den Geschäftsleitern der Gesellschaft77 kann für den einen beschränkten Aufgabenbereich über eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne wahrnehmenden besonderen Vertreter jedoch kaum davon ausgegangen werden, dass die für seine Tätigkeit bezogene Vergütung dessen wesentliche wirtschaftliche Lebensgrundlage bilde, er seine Lebenshaltung nach den Bezügen eingerichtet habe oder seine für die Gesellschaft erbrachte Leistung sich in Geld nicht beziffern ließe. Mangels hinreichender Vergleichbarkeit sprechen somit auch hier die besseren Gründe dafür, von einer Korrektur der Fehlerfolgen des fehlerhaften Anstellungsverhältnisses abzusehen.78 72

Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 293. Böbel, Die Rechtsstellung der besonderen Vertreter, 88; Schrünbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 293. 74 Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 147 Rn. 11. 75 Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 9. 76 So zutreffend Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 9. 77 Dazu oben 3. Kap. § 2 A. 78 A. A. Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 9. 73

6. Kapitel

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Die Lösung der Problematik des „fehlerhaften Organs“ über ein festes Rechtsinstitut ist jedenfalls für die fehlerhafte Bestellung von Geschäftsleitern einer Kapitalgesellschaft weitgehend anerkannt. Auch in der Rechtsprechung des BGH finden sich Verweise auf die „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“. Hinsichtlich der Grundlagen, Reichweite, Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen einer Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bestehen jedoch noch erhebliche Unsicherheiten. 2. Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis führt zu einer Suspendierung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfolgen der fehlerhaften Organbestellung für die Vergangenheit. Da diese weitgehende Einschränkung der Fehlerfolgen vom Gesetzgeber nicht vorgesehen wurde, ist sie in hohem Maße rechtfertigungsbedürftig. Dass der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis eine Existenzberechtigung zukommt, wurde vorliegend am Beispiel des fehlerhaften GmbH-Geschäftsführers gezeigt. Gleiches gilt für die nähere Betrachtung ihrer Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen. 3. Im ersten Schritt der Herleitung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis wurde das Bestehen eines tatsächlichen Bedürfnisses nach einer Korrektur der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfolgen der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung ermittelt. Im Rahmen der Untersuchung der Rechtslage, die sich ohne die Suspendierung der Fehlerfolgen der fehlerhaften Bestellung für die Vergangenheit ergäbe, ist deutlich geworden, dass sich mit dem Tätigwerden des fehlerhaften GmbH-Geschäftsführers Probleme verbänden, die sich nach allgemeinen Regeln und unter Heranziehung einzelner, speziell für den ordentlichen Geschäftsführer geltender Vorschriften nicht sachgerecht bewältigen ließen. 4. Im zweiten Herleitungsschritt wurde sich der dogmatischen und methodischen Grundlegung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis zugewandt. Bestehenden Parallelen zum Trotz hat sich gezeigt, dass sich die für das fehlerhafte Anstellungsverhältnis Geltung beanspruchende Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht fruchtbar machen lässt. Auch die Annahme einer maßgeblich auf den normübergreifenden Gesichtspunkt der Organersetzung abstellenden, autarken Rechtsfigur der „fehlerhaften Organstellung“ kann nicht überzeugen. Für die Frage nach einer möglichen Anknüpfung an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft musste zunächst Klarheit über deren dogmatische und methodische Grundlagen sowie die abstrakten Voraussetzungen geschaffen werden, die an die Einbeziehung

6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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fehlerhafter ändernder Rechtsakte in ihren Anwendungsbereich zu stellen sind. Hier hat sich ergeben, dass sich die für das Personengesellschaftsrecht entwickelte Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, den Vertretern einer Lehre vom fehlerhaften Verband folgend, auf ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip zurückführen lässt, welches sie mit den gesetzlichen Vorschriften zur fehlerhaften Korporation zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Rechtsinstitut zusammenführt. Im Ausgangspunkt lässt sich dieses allgemeine Prinzip dahin formulieren, dass ein einmal entstandener Verband allein für die Zukunft abgewickelt werden kann. Unter einem Verband ist hierbei eine durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfasste, auf Mitgliedschaft beruhende und gegenüber den Mitgliedern verselbstständigte, einem Verbandszweck dienende Organisation zu verstehen. In dem Umstand, dass sich mit dieser Organisation typischerweise Rückabwicklungsschwierigkeiten besonderer Qualität verbinden, deren Bewältigung die Modifikation der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre erforderlich macht, findet das allgemeine verbandsrechtliche Prinzip seine innere Rechtfertigung. Die Rechtsfähigkeit des Verbandes ist nicht relevant. Fehlerhafte ändernde Rechtsakte lassen sich in die Lehre vom fehlerhaften Verband einbeziehen, wenn sie als fehlerhafte Strukturänderung begriffen werden können, aus deren Durchführung sich typischerweise Rückabwicklungsschwierigkeiten ergeben, die jenen der fehlerhaften Verbandsgründung inhaltlich jedenfalls partiell entsprechen. Gemessen an diesen abstrakten Voraussetzungen hat sich gezeigt, dass die fehlerhafte Geschäftsführerbestellung als fehlerhafte Strukturänderung im Sinne der Lehre vom fehlerhaften Verband eingeordnet werden kann. Diese Einordnung ermöglicht es die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis (ebenso wie etwa die Lehre vom fehlerhaften Gesellschafterbeitritt) als besondere Ausprägung der Lehre vom fehlerhaften Verband zu begreifen. Die Suspendierung der der fehlerhaften Geschäftsführerbestellung anhaftenden Anfechtungs- und Nichtigkeitsfolgen für die Vergangenheit kann hiernach dogmatisch auf das gleiche allgemeine verbandsrechtliche Prinzip zurückgeführt werden, welches auch der Anerkennung des fehlerhaft entstandenen Verbandes zugrunde liegt. In methodischer Hinsicht führt das Eingreifen des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips dazu, dass die bürgerlich-rechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsvorschriften in ihrer Rechtsfolgenanordnung von vornherein suspendiert sind. Einer teleologischen Reduktion der Fehlerfolgen bedarf es nicht. 5. Mit der Anknüpfung an die Lehre vom fehlerhaften Verband ist die Grundstruktur des Tatbestandes der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bereits vorgezeichnet. Erforderlich ist zunächst der Abschluss eines fehlerhaften Bestellungsvertrages, welcher an einem Wirksamkeitsmangel leidet, der nach allgemeinen Grundsätzen ipso iure oder nach erfolgter Anfechtung zu dessen anfänglicher Nichtigkeit führen würde. Parallel zum Ausschluss der rechtlich allein als Scheingesellschaft erfassbaren faktischen Gesellschaft aus dem Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Verband kommt die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auf den ohne jeglichen Bestellungsakt

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6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

für die Gesellschaft tätigen faktischen Geschäftsführer nicht in Betracht. Für das Eingreifen der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ist weiter zu fordern, dass das mit der fehlerhaften Bestellung begründete fehlerhafte Organverhältnis in Vollzug gesetzt wurde. Von der Invollzugsetzung des fehlerhaften Organverhältnisses ist auszugehen, sobald der fehlerhafte Geschäftsführer als vermeintliches Mitglied des Leitungsorgans innerhalb oder außerhalb der Gesellschaft tatsächlich aufgetreten ist. Ob die Invollzugsetzung mit Wissen und Willen der Mitglieder des Bestellungsorgans erfolgte ist unerheblich. Gleiches gilt für die Frage, ob der fehlerhafte Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen wurde oder nicht. Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis findet dort ihre Grenze, wo höherrangige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen entgegenstehen. Für den fehlerhaften geschäftsunfähigen Geschäftsführer kommt die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis hiernach nicht in Betracht. Dem Minderjährigenschutz ist demgegenüber bereits mit der Annahme einer „hinkenden Organstellung“ genüge getan. Gleiches gilt für den Schutz eines einem Einwilligungsvorbehalt unterliegenden Betreuten. Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis kommt hier jeweils mit der Einschränkung zur Anwendung, dass der minderjährige bzw. betreute Geschäftsführer dem organschaftlichen Pflichten und Haftungsregime nicht unterworfen wird. Der Verstoß gegen eines der in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 GmbHG niederlegten gesetzlichen Bestellungsverbote steht der Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis nicht entgegen. 6. Auf Rechtsfolgenseite führt die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis grundsätzlich zu einer umfassenden Suspendierung der Fehlerfolgen des fehlerhaften Organverhältnisses für die Vergangenheit. Bis zu dessen Auflösung ex nunc besteht zwischen fehlerhaftem Geschäftsführer und Gesellschaft ein wirksames Organverhältnis. Die Gleichstellung des fehlerhaften Geschäftsführers mit seinem ordentlich bestellten Pendant wird hiermit nicht fingiert. Bis zur Geltendmachung des Fehlers ist der fehlerhafte Geschäftsführer ein ordentliches Mitglied des Leitungsorganes der Gesellschaft. Zur Beendigung des Organverhältnisses bedarf es der Abberufung des fehlerhaften Geschäftsführers oder dessen Amtsniederlegung. Das zusätzliche Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nicht erforderlich. Ebenso wie im Falle der fehlerhaften Verbandsgründung, kann der dem Rechtverhältnis anhaftende Fehler stets als hinreichender Auflösungsgrund qualifiziert werden. 7. Der Anwendungsbereich der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis lässt sich über den fehlerhaft bestellten GmbH-Geschäftsführer hinaus auf weitere Konstellationen des „fehlerhaften Organs“ erstrecken. Die Stellung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften ist weitgehend parallel ausgestaltet, sodass sich die für den fehlerhaften GmbH-Geschäftsführer als maßgeblich herausgestellten Rückabwicklungsschwierigkeiten im Wesentlichen auch in den übrigen Fällen fehlerhafter Geschäftsleitung ergäben. Gegen die Einbeziehung auch sonstiger fehlerhafter Geschäftsleiter, insbesondere fehlerhafter Vorstandsmitglieder der

6. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Aktiengesellschaft, bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Einen überzeugenden Lösungsweg bietet die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis auch im Umgang mit fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitgliedern. Der jüngsten Rechtsprechung des BGH, nach welcher die „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ lediglich im Hinblick auf die Pflichten, Haftung und Vergütung des für die Gesellschaft tätig gewordenen fehlerhaften Aufsichtsratsmitglieds zur Anwendung kommen sollen, ist nicht zu Folgen. 8. Aufgrund ihrer Eignung zur rechtsformübergreifenden einheitlichen Behandlung für den Verband tätig gewordener fehlerhaft bestellter Organwalter kann in der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis ein wesentlicher Beitrag zur Institutionenbildung im Gesellschaftsrecht erblickt werden, welcher sich in der Erfassung fehlerhaft bestellter Geschäftsleiter und Aufsichtsratsmitglieder auch noch nicht notwendig erschöpfen muss. Insbesondere für die fehlerhafte Abberufung von Organwaltern erscheint die Heranziehung der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis vielversprechend. Parallel zur allgemeinen Lehre vom fehlerhaften Verband darf die Einbeziehbarkeit vergleichbarer fehlerhafter Rechtsakte allerdings auch nicht vorschnell angenommen werden. Während beispielsweise die fehlerhafte Auflösung des Verbandes nach der früher herrschenden Auffassung in die Lehre vom fehlerhaften Verband einbezogen werden sollte, setzt sich heute mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass mangels entsprechender Rückabwicklungsschwierigkeiten der Anwendungsbereich des Rechtsinstituts hierdurch überspannt würde. Für die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis bestehen namentlich hinsichtlich der Einbeziehbarkeit fehlerhaft bestellter besonderer Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG erhebliche Zweifel. Während der BGH für den Fall fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder einen zu restriktiven Ansatz im Umgang mit der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis verfolgt, erscheint die vom zweiten Zivilsenat befürwortete Anwendung der „Grundsätze der fehlerhaften Bestellung“ auf den fehlerhaften besonderen Vertreter umgekehrt zu weitgehend.

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Stichwortverzeichnis Allgemeindelikte 130 Analogieverbot 132 Anknüpfungstat 124 Anstellungsverhältnis 23, 96, 105, 115 Berufshaftung 126 Beschlussmängelrecht 32, 161 Beschränkungslehre 150, 153, 173 Beschützergarantenstellung 126 Besonderer Vertreter 206 Bestellungsakt – Fehlerhaftigkeit 34, 177 – Rechtsnatur 28 – Zustandekommen 26 Bestellungsverbote 185

73

Handelsregistereintragung 181 Hinkende Organstellung 183, 186, 197 Insolvenzantragspflicht

90, 127

Klassische Schutzpflichten

84, 103, 114

Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis – Anwendungsbereich 191 – Grundlagen 140 – Rechtsfolgen 188 – Tatbestand 176 Lehre vom fehlerhaften Verband 150 f., 153

Deliktische Verkehrspflicht 123 Doppelwirkungslehre 150, 153 Einberufung Gesellschafterversammlung 76, 193 Einheitliches gesetzliches Schutzpflichtverhältnis 84 Faktische Gesellschaft 149 Faktisches Organ 37, 85, 169 Fehlerhafte Abberufung 205 Fehlerhafte Gesellschaft 146 Fehlerhafte Korporation 154 Fehlerhafte Strukturänderung 146, 157 Fehlerhafter Geschäftsleiter 191 Fehlerhafter Gesellschafterbeitritt 164 Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis 98, 141, 144, 180 Fehlerhaftes Aufsichtsratsmitglied 195 Fehlerhaftes Organ, Begriff 36 Fehlerhaftes Rechtsgeschäft 31, 176 Feststellung Jahresabschluss 75 Genehmigung 57 Geschäftsführer kraft Rechtsscheins

Geschäftsführungsbeschluss Geschäftsunfähigkeit 182

36

Minderjährigenschutz 183 Mitgliedschaftsverhältnis 25 Moderne Organtheorie 21 Notgeschäftsführer

27

Organ einer nichtigen Gesellschaft 38 Organersetzung 169 Organhaftung – Allgemeine Organhaftung 113 – Begleitende Rechtsverhältnisse 115 – Culpa in contrahendo 118 – Deliktische Haftung 116, 122 – Falsus Procurator 63, 121 Organmacht 73 Organpflichten – Begleitende Rechtsverhältnisse 96 – Gesetzliche Organpflichten 89 – Pflichten aus dem Organverhältnis 83 Organrechte – Gesetzliche Organrechte 104 – Rechte aus dem Organverhältnis 103 Organstellung 20 Organverhältnis 20, 80

228

Stichwortverzeichnis

Personenrechtliche Prägung Pflichtenteilhabe 94 Quotenschaden

142

Trennungstheorie 23 Treuepflicht – mitgliedschaftliche 25, 72, 102, 115 – organschaftliche 80

128

Rechtsfigur fehlerhafter Organstellung 169 Rechtsschein – Duldungs- und Anscheinsvollmacht 50, 72 – Positive Registerpublizität 47, 70 Repräsentationshaftung 60 Rückabwicklungsprobleme 142, 145, 153, 162 Scheinsozius 63 Sonderdelikte 130 Sonderrechtsbeziehung kraft Leitung Sozialschutz 143 Status-Kriterium 158, 160

87

Übernahmehaftung 125 Umschlagtheorie 84 Untreue 116 Veranlassungsprinzip 48 Verfassungsmäßig berufener Vertreter Vergütungsanspruch 104, 144 Vertretungshandlungen – Außenverhältnis 42 – Innenverhältnis 69 Vollmachtsauftrag 30 Wirtschaftliches Eigeninteresse Wissenszurechnung 67

120

61