Die Kapitalmarktbewertung von Desinvestitionen: Eine Ereignisstudie über Selloffs und Unit Buyouts in Kontinentaleuropa [1 ed.] 9783896442758, 9783896732750

Die Arbeit analysiert die Stärke der Kapitalmarktreaktion auf Ankündigungen von Desinvestitionen in Kontinentaleuropa un

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Die Kapitalmarktbewertung von Desinvestitionen: Eine Ereignisstudie über Selloffs und Unit Buyouts in Kontinentaleuropa [1 ed.]
 9783896442758, 9783896732750

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Entrepreneurial and Financial Studies Hrsg.: Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner Prof. Dr. Christoph Kaserer

Jens Mittnacht

Die Kapitalmarktbewertung von Desinvestitionen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Kapitalmarktbewertung von Desinvestitionen – eine Ereignisstudie über Selloffs und Unit Buyouts in Kontinentaleuropa

Entrepreneurial and Financial Studies

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner Prof. Dr. Christoph Kaserer

Band 8

Entrepreneurial and Financial Studies

Jens Mittnacht

Die Kapitalmarktbewertung von Desinvestitionen – eine Ereignisstudie über Selloffs und Unit Buyouts in Kontinentaleuropa

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-275-7 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2006 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Danksagung Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Christoph Kaserer, für die Annahme meines Forschungsvorschlags und die Betreuung bei der Durchführung meiner Dissertation bedanken. Er ließ mir viel Freiheit bei der Durchführung meines Forschungsvorhabens und gab mir dennoch immer die notwendige Hilfe bei der Beantwortung der entscheidenden Fragestellungen. Ich empfand die Art der Zusammenarbeit als äußerst angenehm. Mein Dank gilt ebenfalls Herrn Professor Dr. Rudi Zagst für die Übernahme der Zweitkorrektur. Weiterhin möchte ich meinem Arbeitgeber McKinsey & Company für die finanzielle Hilfe und den Zugang zu entscheidenden Informationsquellen danken. Meinen Kollegen und Freunden danke ich für manche inhaltliche Diskussion, aber auch für die notwendige gemeinsame Ablenkung. Einen großen Dank möchte ich auch Laureen aussprechen. Sie hat mich in den letzten 8 Jahren und insbesondere auch bei der Erstellung dieser Arbeit immer voll und ganz unterstützt. Sie hat mir den notwendigen Rückhalt beim Durchleben der Hochs und Tiefs, die mit einer Dissertation verbunden sind, gegeben. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern. Sie haben mir meine Ausbildung ermöglicht und mich bei all meinen beruflichen und privaten Entscheidungen unterstützt. Sie waren einfach immer für mich da. Ihnen und Laureen widme ich diese Arbeit.

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis.......................................................................................... VII Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... X Tabellenverzeichnis .........................................................................................XI Verzeichnis der Abkürzungen.....................................................................XIII Verzeichnis wiederkehrender Formelsymbole...........................................XIV 1 Einleitung und Problemstellung................................................................... 1 1.1 Ausgangssituation.................................................................................. 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit........................................................................... 3 1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................. 4 2 Begriffsabgrenzung ....................................................................................... 5 2.1 Definition und Systematisierung von Desinvestitionen ...................... 5 2.1.1 Definition von Desinvestitionen .................................................... 5 2.1.2 Arten von Desinvestitionen ........................................................... 6 2.1.2.1 Selloffs ............................................................................ 6 2.1.2.2 Unit Buyouts ................................................................... 6 2.1.2.3 Spinoffs ........................................................................... 9 2.1.2.4 Equity Carveouts ............................................................. 9 2.1.3 Motive von Desinvestitionen....................................................... 10 2.1.4 Richtungen von Desinvestitionen ................................................ 12 2.2 Abgrenzung zu verwandten Konzepten............................................. 13 2.2.1 Stilllegung ................................................................................... 13 2.2.2 Liquidation .................................................................................. 13 2.2.3 Sanierungs-/ Restrukturierungsmanagement ............................... 13 2.2.4 Kerngeschäftsstrategie................................................................. 14 2.2.5 Kernkompetenzstrategie .............................................................. 15 3 Wertsteigerung durch Desinvestition......................................................... 17 3.1 Konzept des wertorientierten Managements..................................... 17 3.1.1 Begründung der Ausrichtung am Unternehmenswert.................. 17 3.1.2 Ermittlung des Unternehmenswertes ........................................... 19 3.1.3 Strategien zur Erhöhung des Unternehmenswertes ..................... 21

VII

Inhaltsverzeichnis

3.2 Prinzipal-Agent-Theorie ..................................................................... 22 3.2.1 Agency-Problematik.................................................................... 22 3.2.2 Agency-Problematik und Desinvestitionen ................................. 26 3.2.3 Möglichkeiten zur Verringerung der Agency-Problematik ......... 27 3.2.3.1 Kontrollmechanismen.................................................... 27 3.2.3.2 Anreizmechanismen ...................................................... 32 3.3 Empirische Studien zu Kurseffekten von Desinvestitionen.............. 35 3.3.1 Empirische Studien zu Selloffs.................................................... 35 3.3.2 Empirische Studien zu Unit Buyouts........................................... 37 3.4 Bestimmungsgrößen der Wertsteigerung bei Desinvestitionen ....... 37 3.4.1 Effizienzeffekte beim Käufer ...................................................... 39 3.4.1.1 Synergieeffekte bei Selloffs........................................... 40 3.4.1.2 Buyout-spezifische Effizienzeffekte.............................. 47 3.4.2 Effizienzeffekte beim Verkäufer ................................................. 59 3.4.2.1 Fokussierung der Geschäftstätigkeit.............................. 59 3.4.2.2 Verkauf verlustbringender Assets.................................. 69 3.4.3 Finanzierungseffekte beim Verkäufer ......................................... 72 3.4.4 Signalingeffekte .......................................................................... 79 3.4.5 Werttransfereffekte...................................................................... 81 3.4.6 Sekundäre Einflussfaktoren......................................................... 91 3.4.6.1 Agency-Variablen ......................................................... 91 3.4.6.2 Finanzielle Situation des Verkäufers ............................. 92 3.4.6.3 Performance des Verkäufers.......................................... 94 3.4.6.4 Relative Größe............................................................... 95 3.4.6.5 Preisbekanntgabe........................................................... 96 3.4.6.6 Nationalität des Käufers bzw. der Assets ...................... 97 3.4.6.7 Wahrscheinlichkeit der Transaktion .............................. 99 3.4.6.8 Liquidität der Assets.................................................... 100 3.4.6.9 Übernahmeabwehr....................................................... 100 3.4.7 Übersicht der empirischen Ergebnisse zu Bestimmungsgrößen 102 3.5 Entscheidung über optimalen Käufer.............................................. 103 4 Datengewinnung und Methodik ............................................................... 109 4.1 Untersuchungshypothesen ................................................................ 109 4.2 Datenauswahl..................................................................................... 115 4.2.1 Stichprobenbildung ................................................................... 115 4.2.2 Bestimmung des Ereigniszeitpunktes ........................................ 121 4.2.3 Ermittlung der Analyse-Variablen............................................. 124

VIII

Inhaltsverzeichnis

4.3 Methodik von Ereignisstudien.......................................................... 126 4.3.1 Informationseffizienz als Vorraussetzung ................................. 126 4.3.2 Berechnung abnormaler Renditen ............................................. 128 4.3.3 Probleme bei Berechnung und Test der abnormalen Renditen .. 133 4.3.3.1 Verletzung der Normalverteilungsannahme ................ 133 4.3.3.2 Thin-Trading ............................................................... 134 4.3.3.3 Autokorrelation ........................................................... 135 4.3.3.4 Heteroskedastizität ...................................................... 136 4.3.3.5 Varianzerhöhung durch Ereignis ................................. 138 4.3.3.6 Clustering .................................................................... 138 4.3.4 Auswahl der Teststatistiken....................................................... 141 4.3.4.1 Teststatistiken auf Signifikanz einer Stichprobe.......... 141 4.3.4.2 Teststatistiken auf Signifikanzunterschiede zweier Stichproben ...................................................... 147 5 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................................. 149 5.1 Beschreibung der Untersuchungsgruppe ........................................ 149 5.2 Kumulierte abnormale Rendite der Stichprobe.............................. 151 5.2.1 Gesamte Untersuchungsgruppe ................................................. 151 5.2.2 Vergleich von Selloffs und Unit Buyouts.................................. 154 5.3 Einflussfaktoren ................................................................................ 157 5.3.1 Effizienzsteigerungen beim Käufer ........................................... 157 5.3.2 Fokussierung beim Verkäufer ................................................... 160 5.3.3 Verkauf verlustbringender Unternehmensteile .......................... 163 5.3.4 Finanzierungseffekte ................................................................. 167 5.3.5 Performance des Verkäufers...................................................... 175 5.3.6 Relative Größe der verkauften Assets ....................................... 179 5.3.7 Preisbekanntgabe....................................................................... 181 5.3.8 Nationalität der verkauften Assets und des Käufers .................. 182 5.3.9 Phase des Konjunkturzyklus...................................................... 184 5.3.10Ermittlung des Gesamteinflusses in multivariaten Analysen..... 186 6 Zusammenfassung ..................................................................................... 191 Anhang ....................................................................................................... 195 Literaturverzeichnis.................................................................................. 203

IX

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1: Abbildung 1.2: Abbildung 1.3: Abbildung 2.1: Abbildung 3.1: Abbildung 3.2: Abbildung 3.3: Abbildung 3.4: Abbildung 3.5: Abbildung 3.6: Abbildung 4.1: Abbildung 4.2: Abbildung 4.3: Abbildung 4.4: Abbildung 4.5: Abbildung 4.6: Abbildung 4.7: Abbildung 4.8: Abbildung 4.9: Abbildung 4.10:

Buyout Entwicklung in Kontinentaleuropa ............................. 2 Quellen von Buyouts in Kontinentaleuropa............................. 3 Aufbau der Arbeit.................................................................... 4 Arten von Desinvestitionen ................................................... 10 Unternehmensbewertung mit Entity- und Equity-Methode ... 21 Wertsteigerungs-Hexagon ..................................................... 22 Bestandteile der Bezahlung ................................................... 33 Wertsteigerungspotentiale durch Desinvestitionen................ 38 Überhang der Einflüsse in Private Equity Fonds ................... 90 Einflussfaktoren auf Entscheidung über optimalen Käufer . 108 Reife der Buyout Märkte in Europa..................................... 116 Buyout Aktivität in einzelnen Ländern Kontinentaleuropas 116 Quellen der Buyout Aktivität in einzelnen Ländern ............ 117 Generierung der finalen Stichprobe..................................... 119 Zusammensetzung der finalen Stichprobe ........................... 121 Schätzung normaler Renditen.............................................. 131 Zeitliche Verteilung der Transaktionen ............................... 139 Branchenverteilung Verkäufer – Makro-Industrien............. 140 Branchenverteilung Verkäufer – Mid-Industrien................. 140 Statistische Probleme bei Berechnung und Test abnormaler Renditen ........................................................... 141 Abbildung 4.11: Auswahl Teststatistiken....................................................... 147 Abbildung 5.1: Ankündigungseffekt der Gesamtstichprobe......................... 152 Abbildung 5.2: Ankündigungseffekt für Selloffs und Unit Buyouts ............ 154 Abbildung 5.3: Ankündigungseffekt für MBO's und IBO's ......................... 155 Abbildung 5.4: Einfluss der Fokussierung – Selloffs ................................... 161 Abbildung 5.5: Einfluss der Fokussierung – Unit Buyouts .......................... 163 Abbildung 5.6: Einfluss der Profitabilität der Zielfirma – Selloffs............... 165 Abbildung 5.7: Einfluss der Mittelverwendung – Gesamtstichprobe ........... 168 Abbildung 5.8: Einfluss des Verschuldungsgrades – Unit Buyouts ............. 173 Abbildung 5.9: Einfluss der relativen Aktienperformance – Gesamtstichprobe ................................................................ 176 Abbildung 5.10: Einfluss der Profitabilität – Selloffs .................................... 178 Abbildung 5.11: Einfluss der relativen Größe – Gesamtstichprobe................ 180

X

Tabellenverzeichnis Tabelle 3.1: Tabelle 3.2: Tabelle 3.3: Tabelle 3.4: Tabelle 3.5: Tabelle 3.6: Tabelle 3.7: Tabelle 3.8: Tabelle 4.1: Tabelle 5.1: Tabelle 5.2: Tabelle 5.3: Tabelle 5.4: Tabelle 5.5: Tabelle 5.6: Tabelle 5.7: Tabelle 5.8: Tabelle 5.9: Tabelle 5.10: Tabelle 5.11: Tabelle 5.12: Tabelle 5.13: Tabelle 5.14: Tabelle 5.15: Tabelle 5.16: Tabelle 5.17: Tabelle 5.18: Tabelle 5.19: Tabelle 5.20: Tabelle 5.21: Tabelle 5.22: Tabelle 5.23:

Studienübersicht Selloffs ........................................................... 36 Studienübersicht Unit Buyouts .................................................. 37 Übernahmeprämien.................................................................... 40 Studienübersicht Kurseffekt für den Käufer und Gesamtwerteffekt................................................................ 41 Übernahmeprämien bei Going Private Buyouts......................... 47 Studienübersicht Effizienzeffekte von Buyouts ......................... 54 Übersicht Einflussfaktoren bei Selloffs ................................... 102 Übersicht Einflussfaktoren bei Unit Buyouts........................... 103 Einteilung Makro- und Mid-Industrien.................................... 124 Größenverhältnis der Transaktionen........................................ 149 Bewertung des Verkäufers und der Zielfirma .......................... 150 Firmencharakteristika der Verkäufer ....................................... 151 Abnormale Rendite zum Spekulationsdatum........................... 152 Abnormale Rendite zum Ankündigungsdatum ........................ 152 Abnormale Rendite der Gesamtstichprobe .............................. 153 Kumulierte abnormale Rendite der Gesamtstichprobe............. 153 Kumulierte abnormale Rendite für Selloffs und Unit Buyouts 155 Kumulierte abnormale Rendite für MBO's und IBO's ............. 156 Einfluss der Synergie beim Käufer – Selloffs.......................... 158 Einfluss der Prämie – Gesamtregression.................................. 159 Einfluss der Prämie – Einzelregressionen................................ 159 Einfluss der Prämie und weiterer Variablen – Regression Selloffs .................................................................. 160 Einfluss der Fokussierung – Gesamtstichprobe ....................... 161 Einfluss der Fokussierung – Selloffs ....................................... 162 Einfluss der Fokussierung – Unit Buyouts............................... 163 Einfluss der Profitabilität der Zielfirma – Gesamtstichprobe... 164 Einfluss der Profitabilität der Zielfirma – Selloffs................... 164 Einfluss der Profitabilität der Zielfirma – Einzelregressionen . 166 Einfluss von Profitabilität und Prämie – Regression Selloffs .. 167 Kumulierte abnormale Renditen bei Motiv Finanzierung........ 168 Einfluss der Mittelverwendung – Gesamtstichprobe ............... 169 Einfluss der Mittelverwendung – Selloffs................................ 169 XI

Tabellenverzeichnis

Tabelle 5.24: Einfluss der Mittelverwendung – Unit Buyouts....................... 169 Tabelle 5.25: Charakteristika der Verkäufer bei Mittelauszahlung bzw. -einbehalt......................................................................... 170 Tabelle 5.26: Einfluss der Verschuldung und Liquidität – Gesamtregression..................................................................... 171 Tabelle 5.27: Einfluss der Verschuldung und Liquidität – Einzelregressionen................................................................... 172 Tabelle 5.28: Einfluss des Verschuldungsgrades – Unit Buyouts.................. 173 Tabelle 5.29: Charakteristika der Verkäufer bei Gewinn bzw. Verlust der Zielfirma ............................................................... 174 Tabelle 5.30: Einfluss von Performance-Variablen – Gesamtregression....... 175 Tabelle 5.31: Einfluss der relativen Aktienperformance – Gesamtstichprobe .................................................................... 177 Tabelle 5.32: Einfluss der Profitabilität – Einzelregressionen ....................... 177 Tabelle 5.33: Einfluss der Profitabilität – Selloffs......................................... 178 Tabelle 5.34: Einfluss der relativen Größe – Einzelregressionen .................. 179 Tabelle 5.35: Einfluss der relativen Größe – Gesamtstichprobe.................... 180 Tabelle 5.36: Einfluss der Preisbekanntgabe – Gesamtstichprobe................. 181 Tabelle 5.37: Einfluss der Preisbekanntgabe – Selloffs................................. 182 Tabelle 5.38: Einfluss der Preisbekanntgabe – Unit Buyouts ........................ 182 Tabelle 5.39: Einfluss der Nationalität der verkauften Assets – Gesamtstichprobe .................................................................... 183 Tabelle 5.40: Einfluss der Nationalität der verkauften Assets – FR/GR........ 183 Tabelle 5.41: Einfluss der Nationalität des Käufers – Selloffs ...................... 184 Tabelle 5.42: Einfluss der wirtschaftlichen Lage – Gesamtregression .......... 185 Tabelle 5.43: Einfluss der wirtschaftlichen Lage – Gesamtstichprobe .......... 185 Tabelle 5.44: Multivariate Analyse – Selloffs ............................................... 186 Tabelle 5.45: Bivariate Korrelationen – Selloffs ........................................... 187 Tabelle 5.46: Multivariate Analyse – Unit Buyouts ...................................... 188 Tabelle 5.47: Bivariate Korrelationen – Unit Buyouts .................................. 188

XII

Verzeichnis der Abkürzungen AD BSP EBO ED f. ff. F&E FR GR IBO IPO LBO MBI MBO Mio. Mrd. MTB NT q ROA ROCE ROE SD SG&A Sig. SW SZ VIF WACC

Ankündigungsdatum Bruttosozialprodukt Employee Buyout Effektives Datum Folgend Folgende Forschung & Entwicklung Frankreich Deutschland Institutional Buyout Initial Public Offering Leveraged Buyout Management Buyin Management Buyout Million Milliarde Market to Book Niederlande Tobin's q Return on Assets Return on Capital Employed Return on Equity Spekulationsdatum Sales, General & Administration Signifikanz Schweden Schweiz Variance Inflation Factors Weighted Average Capital Costs

XIII

Verzeichnis wiederkehrender Formelsymbole Į AR AR

ȕ CAR CAR

d DIV İ i L N P R R2 SAR SAR

SCAR SCAR

T t T¨ TSQ W¨

XIV

Regressionskonstante Abnormale Rendite Durchschnittliche abnormale Rendite der Stichprobe Regressionskoeffizient Kumulierte abnormale Rendite Durchschnittliche kumulierte abnormale Rendite der Stichprobe Anzahl der Tage in Ereignisfenster [a,b] Dividende Störvariable Laufvariable für Wertpapiere Anzahl der Tage in Schätzperiode Anzahl der Aktien in Stichprobe Aktienkurs Rendite Bestimmtheitsmaß Standardisierte abnormale Rendite Durchschnittliche standardisierte abnormale Rendite der Stichprobe Standardisierte kumulierte abnormale Rendite Durchschnittliche standardisierte kumulierte abnormale Rendite der Stichprobe Anzahl der Tage in Ereignisperiode Laufvariable für Zeit Teststatistik des t-Tests auf Unterschied der Mittelwerte Teststatistik des Standardisierten Querschnittstest Teststatistik des Wilcoxon-Mann-Whitney Rangsummentests

1

Einleitung und Problemstellung

1.1

Ausgangssituation

Auf dem US-Markt entwickelte sich in den 80er Jahren nach der Welle der konglomeraten Zusammenschlüsse in den 60er und 70er Jahren ein klarer Trend weg von der Diversifikation hin zur Fokussierung von Unternehmen.1 Die Entwicklung führte zu einer Welle feindlicher Übernahmen und anschließenden Aufspaltungen konglomerater Unternehmen durch Leveraged Buyout Gesellschaften in den 80er Jahren.2 Der Druck durch den Markt für Unternehmenskontrolle führte auch zu Konzentrationsbemühungen der nicht betroffenen Unternehmen. In Kontinentaleuropa begannen eine Abkehr vom Gedanken der Diversifikation und ein verstärkter Trend in Richtung Fokussierung erst mit einiger Verspätung in den 90er Jahren. In den späten 90er Jahren kam es dann sowohl in den USA als auch in Europa zu einer neuen Welle von verwandten Übernahmen, bei denen Zielfirma und Käufer der gleichen Industrie angehörten.3 Durch das starke Wachstum haben viele Unternehmen in dieser Zeit hohe Schuldenberge aufgebaut. Seit dem Ende der wirtschaftlichen Boomjahre mit dem Start des neuen Jahrtausends steht erneut häufig die Konsolidierung im Mittelpunkt der Unternehmensbemühungen. Desinvestitionen vermögen einen wichtigen Beitrag zur Unternehmenswertsteigerung zu leisten. Sie können beispielsweise eine Fokussierungsstrategie des Unternehmens unterstützen oder zum Abbau hoher Verschuldung beitragen. Grundsätzlich sollten Unternehmen nur solche Unternehmensteile in ihrem Portfolio besitzen, für die sie einen komparativen Vorteil innehaben. Ist ein solcher nicht gegeben, sollte immer eine Desinvestition ins Auge gefasst werden. Desinvestitionen gilt es grundsätzlich mit der gleichen Konsequenz zu planen und durchzuführen wie Akquisitionen. Im Rahmen der Planung und Durchführung einer Desinvestition sollte immer die Frage im Mittelpunkt stehen, auf welche Weise sich der Wert des verkaufenden Unternehmens am stärksten steigern lässt. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage nach dem optimalen Käufer. Das verkaufende Unternehmen sollte analysieren, welche Art von Käufer die größten Vorteile aus der Transaktion zieht und daher am meisten zu zahlen bereit ist. 4 Bis Ende der 80er Jahre stellte sich allerdings zumindest in Kontinentaleuropa diese Frage kaum. Unternehmensteile wurden fast ausschließlich im Rahmen von Selloffs an strategisch orientierte Drittunternehmen verkauft. In den 90er Jahren entwickelten sich dagegen auch in Kontinentaleuropa Desinvestitionen 1 2 3 4

Vgl. Comment, R./Jarrell, G. A. (1995), S. 71. Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 31-32. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (2003), S. 296. Vgl. Clarke, C. J./Gall, F. (1987), S. 21.

1

1 Einleitung und Problemstellung

durch Unit Buyouts als interessante Alternative zu Verkäufen an strategische Investoren. Berichte wie "Henkel verkauft Spezialchemiesparte Cognis an Permira und Goldman Sachs", "Bayer verkauft seine Duftstofftochter Harmann & Reimer an die schwedische Investmentgesellschaft EQT Northern Europe Private Equity Fonds" und "Siemens: Töchter-Verkauf an KKR perfekt" sind nur drei prominente Beispiele aus den jüngsten Wirtschaftsmedien.5 In den USA als Ursprungsland der Leveraged Buyouts erlebten diese in den 80er Jahren eine rasante Entwicklung.6 Obwohl in Kontinentaleuropa vereinzelte Buyouts bereits in den 80er Jahren zu beobachten waren, setzte der eigentliche Durchbruch erst Anfang der 90er Jahren ein. Im Jahr 2002 fanden in Kontinentaleuropa rund 500 Buyout Transaktionen statt. Der Wert dieser Transaktionen stieg rapide von EUR 5,3 Mrd. in 1990 auf EUR 44,3 Mrd. in 2001 an.7 ENTWICKLUNG VON BUYOUTS IN KONTINENTALEUROPA Anzahl, EUR Mio.

Anzahl

Wert

600

50000 45000

500

40000

Anzahl

30000 300

25000

EUR Mio.

35000

400

20000 200

15000 10000

100

5000

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

1987

1986

0 1985

0

Source: CMBOR European management buy-out review 2000 und 2003

Abbildung 1.1: Buyout Entwicklung in Kontinentaleuropa

Desinvestitionen von Konzernen sind die wichtigste Quelle der Buyout Transaktionen in Kontinentaleuropa. Solche Unit Buyouts besitzen einen Anteil von über 50% sowohl von der Anzahl als auch vom Wert aller Transaktionen in Kontinentaleuropa. Aufgrund ihrer gestiegenen Bedeutung stellen sie somit ein hoch aktuelles Forschungsobjekt dar. 5 6 7

2

Zitate aus Überschriften der Financial Times Deutschland vom 13.09.2001, 19.07.2002 und 26.07.2002. Vgl. Weitnauer, W. (2003), S. 13. Vgl. Centre for Management Buy-out Research (2003), S. 41.

1 Einleitung und Problemstellung

Fokus der Arbeit

ARTEN VON BUYOUT-TRANSAKTIONEN Quellen von Buyouts (2002)

Sonstiges & Unbekannt Going Private Secondary Buyouts Familie & Privat

Unit Buyouts

10

21

3

6

100%

15 10

16

10

54

55

Nach Anzahl

Nach Wert

Abbildung 1.2: Quellen von Buyouts in Kontinentaleuropa

1.2

Zielsetzung der Arbeit

Empirische Studien ermitteln einen Wertsteigerungseffekt von Selloffs auf den angelsächsischen Märkten. Unit Buyouts führen in den USA zu positiven Kurseffekten für den Verkäufer, für UK wurden negative bzw. nicht signifikante Kapitalmarktreaktionen ermittelt.8 Dagegen existieren nur sehr wenige Studien zu Kursreaktionen von Desinvestitionen in Kontinentaleuropa. Neben wenigen länderspezifischen Analysen9 mit gemischten Ergebnissen gibt es nur eine einzige länderübergreifende Studie zu Selloffs in Kontinentaleuropa.10 Analysen zu Kurseffekten von Unit Buyouts wurden für Kontinentaleuropa bisher überhaupt noch nicht durchgeführt. Vorrangiges Ziel der Arbeit ist somit zunächst einmal die Bestimmung der Kapitalmarktreaktion auf die Ankündigung von Desinvestitionen in Kontinentaleuropa. Die Art des Käufers findet besondere Beachtung. Es soll die Frage beantwortet werden, ob die Aktionäre des Verkäufers bei Unit Buyouts stärker oder schwächer profitieren als bei Selloffs an strategische Drittfirmen. Nach einer konsequenten Strukturierung und Beurteilung der möglichen Erklärungsfaktoren aus theoretischer Sicht interessiert der Erklärungsgehalt einzelner Einflussfaktoren. Die Arbeit soll somit zum Verständnis der Bewertung von Desinvestitionen an strategische und finanzielle Käufer beitragen. 8 9

10

Für eine umfangreiche Übersicht der Studienergebnisse vgl. Kapitel 3.3. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 143-170, Löffler, Y. (2001), S. 158-176 für Deutschland, Sentis, P. (1996), S. 41-69 für Frankreich, Corhay, A./Tourani Rad, A. (1996), S. 529-538 für die Niederlande. Vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 164-174. Bühner, R./Digmayer, J. (2003) nutzen sowohl amerikanische als auch europäische Daten, vgl. Bühner, R./Digmayer, J. (2003), S. 664.

3

1 Einleitung und Problemstellung

1.3

Aufbau der Arbeit

Nach Darstellung der Ausgangssituation und der Untersuchungsziele in Kapitel 1 werden in Kapitel 2 die wichtigsten Begriffe definiert und von verwandten Konzepten abgegrenzt. Kapitel 3 stellt eine umfangreiche theoretische Darstellung der Wertsteigerungspotentiale von Desinvestitionen dar. Nach einer kurzen Darstellung der Grundlagen des wertorientierten Managements wird der Einfluss der Agency-Theorie in Bezug auf Desinvestitionen untersucht. Als übergeordnete Theorie ist sie unverzichtbar für das tiefgehende Verständnis aller Desinvestitionsaspekte. Es schließt sich eine kurze Darstellung bisheriger Ergebnisse von Ereignisstudien zu Selloffs und Unit Buyouts an. Kernstück von Kapitel 3 ist die ausführliche Analyse möglicher Bestimmungsfaktoren für die Kapitalmarktreaktion. Das Kapitel schließt mit einer theoretischen Beurteilung des optimalen Käufers aus Sicht des verkaufenden Unternehmens. Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen erfolgt in Kapitel 4 die Beschreibung der Datengewinnung und Untersuchungsmethodik. Die benötigten Daten und die verwendete Methodik leiten sich aus den Untersuchungshypothesen ab. Der Methodikteil wird anwendungsnah gehalten. Die Darstellung statistischer Probleme bei Auswahl und Test der Überrenditen bezieht sich auf die Daten der eigenen Untersuchung. Kapitel 5 zeigt anschließend die Ergebnisse der empirischen Untersuchung auf. Der Gesamtkurseffekt und mögliche erklärenden Faktoren werden ausführlich analysiert. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung in Kapitel 6.

AUFBAU DER ARBEIT Kapitel 1 Einleitung und Problemstellung Kapitel 2 Begriffsabgrenzung Kapitel 3 Wertsteigerung durch Desinvestitionen Wertorientiertes Management Agency-Theorie Quellen der Wertsteigerung Kapitel 4 Datengewinnung und Untersuchungsmethodik Untersuchungshypothesen

Datenauswahl

Methodik

Kapitel 5 Ergebnisse der empirischen Untersuchung Beschreibung der Stichprobe

Gesamteffekt Kapitel 6 Zusammenfassung

Source: Eigene Darstellung

Abbildung 1.3: Aufbau der Arbeit

4

Einflussfaktoren

2

Begriffsabgrenzung

2.1

Definition und Systematisierung von Desinvestitionen

2.1.1

Definition von Desinvestitionen

In der Literatur findet sich eine Reihe unterschiedlicher Definitionen von Desinvestitionen. Die ursprüngliche und einfachste Definition versteht Desinvestitionen dem Wort nach als Gegensatz zur Investition, also als Beendigung oder Auflösung einer Investition.11 Diese Definition ist jedoch sehr allgemein und für empirische Untersuchungen nicht operationalisierbar, weshalb es sie zu konkretisieren gilt. In Anlehnung an Rechsteiner (1994)12 werden Desinvestitionen in dieser Arbeit folgendermaßen definiert: Desinvestitionen sind freiwillige, vollständige oder bedeutende Reduktionen des Mehrheitsanteils an einem klar abgegrenzten Unternehmensteil (z.B. Tochtergesellschaft, Geschäftsbereich, bedeutende Assets) durch Verkauf an nicht verbundene Unternehmen oder Investoren, wobei ein aktives Rumpfgebilde weiter bestehen bleibt. Diese Definition hat wichtige Implikationen. Sie umfasst nur freiwillige Desinvestitionen, die bewusst im Sinne des Unternehmens erfolgen. Dagegen klammert sie die Stilllegung bzw. Liquidation des zu desinvestierenden Unternehmensteils aus.13 Das verkaufende Unternehmen muss vor der Transaktion einen kontrollierenden Anteil von über 50% am zu verkaufenden Unternehmensteil besitzen.14 Reduktionen gelten in dieser Arbeit als bedeutend, wenn der Verkäufer im Rahmen der Transaktion seinen Mehrheitsanteil abgibt.15 Den Begriff des Unternehmensteils definiert man in der Literatur sehr unterschiedlich. Ein Unternehmensteil soll laut Nadig (1992) Eigenschaften aufweisen, die es erlauben, diesen als eigenständige Einheit weiterzuführen.16 Er unterscheidet dabei funktionale Einheiten (z.B. Abteilung), abrechnungstechnische Einheiten (z.B. Profit Center), rechtliche Einheiten (z.B. Tochtergesellschaft) 11 12 13 14 15

16

Vgl. Mensching, H. (1986), S. 2, Jansen, A. (1986), S. 19 ff. Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 17. Definitionen anderer Autoren sind breiter gefasst und schließen beispielsweise Stilllegungen mit ein. Vgl. z.B. Clarke, C. J./Gall, F. (1987), S. 22, Brüggerhoff, J. (1992), S. 9. Vgl. Jansen, A. (1986), S. 31. Eine Reduktion der Anteile von z.B. 90% auf 55% wird somit nicht als bedeutend eingestuft, während eine Reduktion von 51% auf 49% als bedeutend angesehen wird. Das gleiche Vorgehen wählt z.B. Löffler, Y. (2001), S. 7. Vgl. Nadig, L. (1992), S. 11.

5

2 Begriffsabgrenzung

und leistungswirtschaftliche Einheiten (z.B. Produktgruppe, Wertschöpfungsstufe). Die Definition von Rechsteiner (1994) beinhaltet nur aktive Unternehmenseinheiten, die Güter oder Dienstleistungen erstellen.17 Die in dieser Arbeit verwendete Definition ist breiter und verlangt lediglich eine klare Abgrenzbarkeit des verkauften Unternehmensteils. Der Verkauf beispielsweise eines größeren Immobilienbestandes wird somit im Gegensatz zu Nadig (1992) und Rechsteiner (1994) ebenfalls als Desinvestition angesehen.18 2.1.2 Arten von Desinvestitionen Durch Unterscheidung nach Art des Käufers kommen vier Varianten von Desinvestitionen in Betracht. 2.1.2.1 Selloffs Selloffs werden in dieser Arbeit folgendermaßen definiert: Selloffs sind freiwillige, vollständige oder bedeutende Reduktionen des Mehrheitsanteils an einem klar abgegrenzten Unternehmensteil durch Verkauf an einen strategischen Investor in Form eines Drittunternehmens gegen Barmittel oder Aktien, wobei ein aktives Rumpfgebilde weiter bestehen bleibt. Im Vergleich zur allgemeinen Definition von Desinvestitionen wird die Definition für Selloffs in zwei Punkten konkretisiert. Zum einen wird der Käufer als Drittunternehmen gekennzeichnet, das die Zielfirma aus strategischen Motiven kauft. Zum anderen wird deutlich, dass die Transaktion für den Verkäufer zahlungswirksam ist, da ihm Barmittel oder Aktien des Käufers zufließen.19 2.1.2.2 Unit Buyouts Folgende Definition von Unit Buyouts20 findet in der Arbeit Verwendung: Unit Buyouts sind freiwillige, vollständige oder bedeutende Reduktionen des Mehrheitsanteils an einem klar abgegrenzten Unternehmensteil durch Verkauf an das bisherige Management und/oder institutionelle Finanzinvestoren gegen Barmittel, wobei ein aktives Rumpfgebilde weiter bestehen

17 18

19 20

6

Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 18. Die Definition ist ähnlich wie bei Alexander, G. J./Benson, P. G./Kampmeyer, J. M. (1984), S. 503, Jain, P. C. (1985), S. 209, Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 230. Die Autoren definieren Desinvestitionen als einen Verkauf von Corporate Assets. Vgl. Alexander, G. J./Benson, P. G./Kampmeyer, J. M. (1984), S. 503. Neben Unit Buyouts gibt es Firm Buyouts, bei der ein Unternehmen als Ganzes übernommen wird. Nach Art des Verkäufers und Motivs können diese in Nachfolge Buyouts (Privatunternehmen), Going Private Buyouts (börsennotierte Unternehmen) und Privatisierungs-Buyouts (Staatsunternehmen) unterschieden werden. Vgl. Leimbach, A. (1991) S. 14 und Vest, P. (1995), S.19 ff.

2 Begriffsabgrenzung

bleibt und die Finanzierung typischerweise in hohem Maße mit Fremdkapital erfolgt. Den entscheidenden Unterschied zu Selloffs machen die Art des Käufers aus, eventuell die Bezahlung und typischerweise die Finanzierung der Transaktion. Bei einem Unit Buyout besteht der Käufer entweder aus Management oder Finanzinvestoren, die gegebenenfalls auch in Kombination auftreten. Die Bezahlung findet in der Regel mit Barmitteln statt, da den Käufern eigene Aktien als Übernahmewährung nicht zur Verfügung stehen. Die Finanzierung der Transaktion erfolgt typischerweise zu einem großen Teil mit Fremdkapital. Ist dies der Fall, so spricht man von Leveraged Buyouts. Dieser Begriff bezieht sich damit ausschließlich auf die Form der Kaufpreisfinanzierung und nicht auf die Art des Käufers.21 Unit Buyouts lassen sich nach Art des dominanten Käufers in vier unterschiedliche Typen kategorisieren. (1) Management Buyout (MBO) In dieser Arbeit wird von einem Management Buyout (MBO) gesprochen, wenn die Initiative der Transaktion vom Management ausgeht und dieses nach der Transaktion die Mehrheit am erworbenen Unternehmensteil hält. Andere Autoren fordern lediglich einen maßgeblichen Anteil.22 Einheitliche Aussagen über die Höhe der notwendigen Eigenkapitalbeteiligung für das Vorliegen einer maßgeblichen Beteiligung des Managements gibt es in der Literatur nicht. Der maßgebliche Anteil soll das Management jedoch in die Lage versetzen, den übernommenen Unternehmensteil weitgehend eigenverantwortlich zu kontrollieren.23 Dafür bedarf es nach Ansicht einiger Autoren nicht notwendigerweise der Mehrheit der Stimmrechte oder der Kapitalanteile.24 In dieser Arbeit wird eine Mehrheit des Managements an Kapital- bzw. Stimmrechtsanteilen dagegen zur Klassifizierung als Management Buyout vorausgesetzt. In der amerikanischen Literatur betrachtet man den Management Buyout häufig als Untergruppe des Leveraged Buyouts.25 Europäische Autoren sehen dagegen die Finanzierung häufig nicht als konstitutives Merkmal eines Management Buyout an.26 Diese Arbeit folgt der europäischen Sichtweise und fasst im Sinne einer klaren Begriffsbildung die hohe Fremdfinanzierung als typisches, aber nicht konstitutives

21 22 23 24 25 26

Vgl. Vest, P. (1995), S. 14. Vgl. z.B. Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 5, Nadig, L. (1992), S.11, Vest, P. (1995), S. 13. Unternehmenskontrolle stellt nach Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 5, das Recht dar, über die Unternehmensressourcen zu verfügen. Vgl. Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 5, Nadig, L. (1992), S. 14. Vgl. z.B. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1988), S. 87. Vgl. Vest, P. (1995), S. 13, Graml, R. (1996), S. 17.

7

2 Begriffsabgrenzung

Merkmal auf.27 Die Beteiligung institutioneller Eigenkapitalgeber ist ebenfalls nicht kennzeichnend für einen Management Buyout.28 (2) Management Buyin (MBI) Beim Management Buyin (MBI) übernehmen externe Manager das Unternehmen und üben im Anschluss die Kontrolle aus.29 Mangelndes firmenspezifisches Wissen erhöht das Risiko für mögliche institutionelle Eigenkapitalgeber, so dass größere Transaktionen in der Form von Management Buyins eher selten sind. (3) Institutional Buyouts (IBO) Im Gegensatz zu Management Buyouts geht bei Institutional Buyouts (IBO) die Initiative von den institutionellen Finanzinvestoren aus, die nach der Transaktion auch die Mehrheit der Anteile halten.30 Die Finanzinvestoren suchen dabei häufig proaktiv nach möglichen Desinvestitionskandidaten. Das Management der Zielfirma wird entweder mit einer geringen Quote am Unternehmen beteiligt oder durch ein neues Management ersetzt.31 Die Beteiligung des Managements erfolgt lediglich aus Motivationsaspekten. Sehr große Transaktionsvolumina können in der Regel nur im Rahmen von Institutional Buyouts bereitgestellt werden. Typischerweise liegt ein hoher Fremdfinanzierungsanteil vor.32 (4) Employee Buyout (EBO) Ein Employee Buyout bezeichnet die Übernahme des Unternehmensteils durch große Teile der Belegschaft. Er ist im Grunde eine Variante des Management Buyouts mit einer Mitarbeiterbeteiligung über die oberste Managementebene hinaus.33 Der weitere Verlauf der Arbeit konzentriert sich neben Selloffs lediglich auf Management Buyouts und Institutional Buyouts. Management Buyins und Employee Buyouts bleiben wegen ihrer empirischen Seltenheit außer Betracht. Die Begriffe Buyout, Unit Buyout und Divestment Buyout stehen im Folgenden synonym nebeneinander.

27 28 29 30

31 32

33

8

Ein genauere Bezeichnung wäre dann Leveraged Management Buyout, vgl. Then Berg, F. (1998), S. 8. Vgl. Vest, P. (1995), S. 15. Vgl. Wright, M., Thompson, S., Chiplin, B., Robbie, K (1991), S. 6. Vgl. Weitnauer, W. (2003), S. 1. Wright, M./Robbie, K. (1999), S. 14, benutzen die Abkürzung IBO für den Begriff Investor-Led Buyouts. Weitnauer, W. (2003), S. 1, spricht von einem Management-Anteil von unter 15%. Eine genauere Bezeichnung wäre dann Leveraged Institutional Buyout, vgl. Lerbinger, P. (1986), S. 133 f. Vgl. Wright, M., Thompson, S., Chiplin, B., Robbie, K (1991), S. 210.

2 Begriffsabgrenzung

2.1.2.3 Spinoffs Slovin/Sushka/Ferraro (1995) definieren Spinoffs folgendermaßen: "Spin-offs are pro-rata stock dividends, usually tax-free, that distribute subsidiary ownership to shareholders of the parent firm. In effect, the consolidated firm is divided into two (or more) firms with an identical set of shareholders"34 Im Unterschied zu Selloffs and Unit Buyouts wird bei Spinoffs der loszulösende Unternehmensteil nicht verkauft, sondern durch Ausgabe neuer Aktien an die Aktionäre des Verkäufers verteilt. Die Transaktion ist für das verkaufende Unternehmen nicht zahlungswirksam. Spinoffs interessieren in dieser Arbeit nicht näher. 2.1.2.4 Equity Carveouts Die gleichen Autoren charakterisieren Equity Carveouts wie folgt: "Equity carve-outs are initial public offerings of subsidiary equity. These offerings generate cash for the parent firm through a public sale of equity that has a claim only to the carved-out unit's cashflows. Generally, the parent maintains a controlling interest so the carved-out unit gains little autonomy."35 Im Gegensatz zu Spinoffs werden bei Equity Carveouts Aktien nicht an die Altaktionäre ausgegeben, sondern an neue Investoren im Rahmen einer Aktienplatzierung verkauft. Die Transaktion ist somit für das verkaufende Unternehmen zahlungswirksam. Equity Carveouts bleiben ebenso wie Spinoffs außer Betracht. Abbildung 2.1 fasst noch einmal die wesentlichen Merkmale der unterschiedlichen Desinvestitionsarten zusammen.

34

35

Slovin, M. B./Sushka, M. E./Polonchek, J. A. (1991), S. 91, ähnlich auch bei Veld, C./VeldMerkoulova, Y.V. (2003), S. 2. Slovin, M. B./Sushka, M. E./Polonchek, J. A. (1991), S. 91.

9

2 Begriffsabgrenzung

Fokus der Arbeit

ARTEN VON DESINVESTITIONEN

Neuer Besitzer

Zahlungswirksam für Verkäufer

Börsennotierung der Zielfirma

Unabhängigkeit der Zielfirma nach Transaktion

Strategischer Investor (Drittfirma)

Ja

Nein

Gering

(Management)/ Finanzinvestoren

Ja

Nein

Hoch

Spinoff

Altaktionäre

Nein

Ja

Hoch

Equity Carveout

Neuaktionäre

Ja

Ja

Mittel

Selloff

Unit Buyout

Source: Eigene Darstellung, Rechsteiner (1994)

Abbildung 2.1: Arten von Desinvestitionen

2.1.3 Motive von Desinvestitionen Desinvestitionen lassen sich nach ihren Motiven grundsätzlich in freiwillige und erzwungene Desinvestitionen unterteilen. 36 (1) Freiwillige Desinvestitionen (a) Konzentration auf Kerngeschäfte Fokussierungsentscheidungen erfolgen meist im Sinne einer strategischen Portfoliooptimierung. Das Unternehmen überprüft in einem regelmäßigen Planungszyklus sein Portfolio und teilt alle Bereiche in Kerngeschäfte und Randbereiche ein. Kerngeschäfte sollten untereinander Synergien aufweisen und gute Renditeaussichten bieten. Solche Unternehmensteile haben das Potential, ihr Wertmaximum innerhalb des Unternehmens zu erreichen. Andere Firmen können diese Assets prinzipiell nicht effizienter betreiben. Randgeschäfte gliedern sich in zwei Fälle. Im ersten Fall hat der Randbereich keine negativen Synergien mit den anderen Geschäftsfeldern des Unternehmens. Hier ist zu überprüfen, ob der Unternehmensteil unabhängig vom Erfolg in der bisherigen Firma einen höheren Wert für einen möglichen Käufer besitzt. Trifft dies zu, so ist ein Verkauf anzustreben.37 Im zweiten Fall weist der Randbereich negative Synergien mit den 36 37

10

Vgl. Rechsteiner (1994), S. 36. Vgl. Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 232.

2 Begriffsabgrenzung

anderen Geschäftsbereichen des Verkäufers auf. Solche Bereiche binden häufig überproportional viele Ressourcen. Bei einem Verkauf erhöht sich die operative Leistungsfähigkeit der verbleibenden Assets.38 Auch in diesem Fall ist ein Desinvestition vorteilhaft. (b) Trennung von einem verlustbringenden Unternehmensteil Bei der Trennung von verlustbringenden Unternehmensteilen steht häufig kein strategisches Motiv im Vordergrund, sondern lediglich die Absicht, den Verlustbringer loszuwerden, um die ausgewiesenen Gewinne zur erhöhen und die Finanzlage zu verbessern. Der Verkauf verlustbringender Unternehmensteile verringert Agency-Kosten, da negative Beeinflussungskosten durch Manager des unprofitablen Bereichs nicht mehr zum Tragen kommen.39 (c) Finanzmittelbeschaffung Ein weiteres häufiges Motiv für Desinvestitionen ist die Beschaffung von Finanzmitteln zum Abbau der Schulden in einer finanziellen Krisensituation oder zur Durchführung neuer Investitionen bei fehlenden finanziellen Mitteln.40 Desinvestition stellen in diesem Fall eine Alternative zur Ausgabe neuer Aktien oder zur Aufnahme von Fremdkapital dar. Desinvestitionen lassen sich nach ihren Motiven in der Regel nicht vollkommen trennscharf klassifizieren. Desinvestitionen sind selten monokausal bedingt. Verkauft z.B. ein Unternehmen einen verlustbringenden Unternehmensteil, der nicht zum Kerngeschäft gehört, um damit Schulden zu reduzieren, so liegen alle genannten Motive innerhalb nur einer Transaktion vor. Freiwillige Desinvestitionen sind weiter in proaktive und reaktive Verkäufe differenzierbar.41 Proaktive Desinvestitionen finden statt, ohne dass ein akuter Handlungsbedarf besteht, d.h. die Unternehmung ist nicht gezwungen, eine Änderung vorzunehmen. Das Unternehmen steht nicht unter Zeitdruck und befindet sich somit theoretisch in einer besseren Verhandlungsposition. Bei reaktiven Desinvestitionen steht das Unternehmen unter konkretem Handlungszwang, eine Entscheidung ist häufig unausweichlich. Das Unternehmen muss auf bestimmte Anlässe reagieren. Die zur Verfügung stehende Zeit ist knapper und somit die Verhandlungsposition prinzipiell schlechter.42

38 39 40 41 42

Vgl. John, K./Ofek, E. (1995), S. 106. Vgl. Meyer, M./Milgrom, P./Roberts, J. (1992), S. 15. Vgl. Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 5 ff. Vgl. Habbel, M. (1999), S. 22 f. Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 37.

11

2 Begriffsabgrenzung

(2) Unfreiwillige Desinvestitionen Bei unfreiwilligen Desinvestitionen hat das Unternehmen keine Entscheidungsgewalt. Die Entscheidung erfolgt außerhalb des Unternehmens. Beispiele sind Konkurs, Verstaatlichung, Enteignungen und Verkäufe wegen eines Kartellbescheids.43 Da das Unternehmen die Entscheidung nicht bewusst mit dem Ziel der Wertsteigerung durchführt, gehen in dieser Arbeit unfreiwillige Desinvestitionen nicht in die Untersuchung ein. 2.1.4 Richtungen von Desinvestitionen Nach der Beziehung des losgelösten Unternehmensteils zum Verkäufer lassen sich horizontale, vertikale und laterale Desinvestition unterscheiden.44 (1) Horizontale Desinvestitionen Bei horizontalen Desinvestitionen stehen die Leistungen des Verkäufers und der Zielfirma auf der gleichen gesamtwirtschaftlichen Produktionsstufe innerhalb derselben Branche.45 (2) Vertikale Desinvestitionen Im Falle einer vertikalen Desinvestition sind die Leistungen des verkauften Unternehmensteils und des Verkäufers vor- bzw. nachgelagert. Der losgelöste Teil ist in diesem Fall ein Zulieferer bzw. Abnehmer anderer Unternehmensteile des Verkäufers. Wegen der Komplikationen bei einer direkten vertikalen Geschäftsbeziehung sind vertikale Desinvestitionen eher selten.46 (3) Laterale Desinvestitionen Laterale Desinvestitionen liegen vor, wenn weder eine horizontale noch eine laterale Beziehung zwischen Verkäufer und Zielfirma besteht. Es gibt keinen Zusammenhang der Leistungsbereiche der Wirtsaftseinheiten. Verkäufer und loszulösender Teil gehören weder der gleichen Branche noch einer vor- bzw. nachgelagerten Produktionsstufe an.

43 44 45 46

12

Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 36. Vgl. Graml, R. (1996), S. 29 f. Vgl. zur Systematisierung von Unternehmensverbindungen Wöhe, G. (1996), S. 389 f. In der Untersuchung von Löffler, Y. (2001), S. 124, für den deutschen Markt werden nur etwa 5% der Transaktionen als vertikale Desinvestitionen klassifiziert.

2 Begriffsabgrenzung

2.2

Abgrenzung zu verwandten Konzepten

2.2.1

Stilllegung

Die Entscheidung zur Stilllegung fällt zeitlich im Vorfeld der Liquidation. Es handelt sich zunächst nicht um einen Kapazitätsabbau, sondern vielmehr um einen Reservekapazitätsaufbau.47 Die endgültige Kapazitätsreduzierung findet durch Verkauf des Unternehmensteils oder durch eine Liquidation statt. 2.2.2

Liquidation

Die Liquidation ist das Gegenteil der Unternehmensgründung.48 Die Vermögenswerte werden veräußert und das Fremdkapital mit Hilfe der erzielten Erlöse zurückbezahlt.49 Das danach verbleibende liquide Eigenkapital steht den Eigenkapitalgebern zu. Die Liquidation ist dem Selloff ähnlich mit dem Unterschied, dass den Unternehmensteil nicht komplett ein Käufer bzw. ein Käuferkonsortium übernimmt, sondern in Einzelteilen an mehrere unterschiedliche Käufer veräußert wird.50 Der Verkäufer zieht eine Liquidation einem Selloff sicher vor, wenn er keinen Käufer für die komplette Einheit findet bzw. durch genauere Segmentierung der Käufer bei einer Liquidation einen höheren Verkaufspreis erlösen kann. 2.2.3

Sanierungs-/ Restrukturierungsmanagement

Die Sanierung dient der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit bei finanzieller Schwierigkeit.51 Sie folgt reaktiv auf eine Unternehmenskrise, die sich in einer finanziellen Notlage äußert. Sanierungsmanagement beschränkt sich auf den finanziellen Bereich. Die Maßnahmen lassen sich unterscheiden in Veränderungen des Eigenkapitals (Herabsetzung des Eigenkapitals mit anschließender Kapitalerhöhung), Veränderungen des Fremdkapitals (z.B. Forderungsverzicht, Darlehensaufnahme) und Veränderung der Kapitalstruktur (z.B. Fristentransformation des Fremdkapitals).52 Desinvestitionen bilden somit streng genommen keinen Teil eines Sanierungsplans. Der Begriff der Restrukturierung ist deutlich weiter gefasst. Die Restrukturierung soll im Rahmen einer Krisenbewältigung dazu beitragen, das Unternehmen in seiner Substanz zu erhalten.53 Maßnahmen beschränken sich nicht auf den finanziellen Bereich, sondern betreffen alle Bereiche des Unternehmens. Eine 47 48 49 50 51 52 53

Vgl. Jung, H. (2002), S. 560. Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 22 Vgl. Kim, E. H./Schatzberg, J. D. (1988), S. 30. Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 22. Vgl. Wöhe, G. (1996), S. 938. Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 27. Vgl. Rechsteiner, U. (1994), S. 26.

13

2 Begriffsabgrenzung

Fokussierung ist häufig ein zentraler Bestandteil eines Restrukturierungsplanes und Desinvestitionen sind ein wichtiges Element der Umsetzung.54 Im Rahmen eines solchen Restrukturierungsplanes durchgeführt Desinvestitionen haben rein reaktiven Charakter. Manche Autoren fassen den Restrukturierungsbegriff noch weiter und verwenden ihn im Sinne des betriebswirtschaftlichen Reorganisationsbegriffs als kontinuierliche Anpassungsmaßnahmen an Veränderungen von Unternehmen und Umwelt.55 Aus einem solchen Restrukturierungsverständnis heraus durchgeführte Desinvestitionen haben einen eher strategischen, proaktiven Charakter. 2.2.4 Kerngeschäftsstrategie Die Kerngeschäftsstrategie beruht auf der marktbasierten Sichtweise (Market Based View) des strategischen Managements, das sich auf Märkte, Produkte und Kunden konzentriert. Sie geht insbesondere zurück auf Porter und dessen Analyse der auf Unternehmen einwirkenden externen Faktoren.56 Porter definiert Kerngeschäfte folgendermaßen: „Core businesses are those that are in an attractive industry, have the potential to achieve sustainable competitive advantage, have important interrelationships with other business units and provide skills or attractiveness that represent a base from which to diversify.” 57 Kerngeschäfte sind demnach in strukturell attraktiven Industrien beheimatet und bieten das Potential zur Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Sie weisen Verflechtungen mit weiteren Geschäftsfeldern der Unternehmung auf. Porter sieht solche Verflechtungen zwischen Unternehmenseinheiten als wichtigstes Wertschöpfungsinstrument von Mehrbereichsunternehmen.58 Gemeinsamkeiten zwischen Branchen sind entscheidend für mögliche Verflechtungen.59 Ziel der Kerngeschäftsstrategie ist die Fokussierung auf wenige, attraktive Kerngeschäfte. Die Verfolgung einer Kerngeschäftsstrategie ist eine häufige Ursache von Desinvestitionen.

54

55 56 57 58

59

14

Vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S. 233-257, Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996), S. 57-66, für Studien zu Desinvestitionen von Unternehmen in Financial Distress. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 4. Vgl. Porter, M. E. (1992a). Porter, M. E. (1987), S. 58. Porter unterscheidet dabei materielle, immaterielle und Konkurrentenverflechtungen, vgl. Porter, M. E. (1992b), S. 415. Vgl. Porter, M. E. (1992b), S. 61.

2 Begriffsabgrenzung

2.2.5 Kernkompetenzstrategie Im Gegensatz zur Kerngeschäftsstrategie beruht die Kernkompetenzstrategie auf der ressourcenbasierten Sichtweise (Resource Based View) des strategischen Managements.60 Diese orientiert sich weniger an externen Markt- und Wettbewerbsbedingungen, sondern vielmehr an internen Ressourcen und Fähigkeiten der Unternehmung. Die Structure-Conduct-Performance Hypothese der Industrial Organization Forschung wird durch die Resource-Conduct-Performance Hypothese ersetzt. Vertreter der ressourcenbasierten Sichtweise werfen der Industrial Organization Forschung vor, intra-industrielle Erklärungsfaktoren der Rentabilität durch Unterschiedlichkeit der Unternehmen zugunsten von interindustriellen Erklärungsfaktoren zu vernachlässigen.61 Sie sehen die internen Fähigkeiten der Unternehmung als Hauptdeterminante der Wettbewerbsfähigkeit. Dies basiert auf der Grundannahme der heterogenen Verteilung von Ressourcen zwischen den Wettbewerbern und der Immobilität der Unternehmensressourcen.62 Basierend auf dieser Theorie definieren Prahalad/Hamel (1990) Kernkompetenzen als kollektives Lernen des Unternehmens und insbesondere als Fähigkeit des Managements, unterschiedliche Produktionsfähigkeiten zu koordinieren und diverse Technologien zu integrieren.63 Die Entwicklung von Kernkompetenzen ist ausschlaggebend für die Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile. Unternehmsteile generieren Wert über die gemeinsame Nutzung von Kernkompetenzen. Materielle Synergien wie die Nutzung der gleichen Produktions- oder Vertriebsstruktur spielen dabei eine untergeordnete Rolle.64 Im Gegensatz zur Kerngeschäftsstrategie verfolgt die Kernkompetenzstrategie nicht eine Konzentration auf wenige, attraktive Märkte, sondern eine konsequente Nutzung der Kernkompetenzen in möglichst vielen verschiedenen Märkten.65

60 61 62 63 64 65

Zum Ressource Based View vgl. Wernerfelt, B. (1984), S. 171-180, Barney, J. B. (1991a), S. 99120, Peteraf, M. A. (1993), S. 179-191, Montgomery, C. (Hrsg.) (1995). Vgl. Grant, R. M. (1991), S. 117, Barney, J. B. (1991a), S. 99-120, Barney, J. B. (1991b), S. 97 f. Vgl. Barney, J. B. (1991a), S. 101, Wernerfelt, B. (1984), S. 172. Vgl. Prahalad, C. K./Hamel, G. (1990), S. 82. Vgl. Prahalad, C. K./Hamel, G. (1990), S. 83. Vgl. Habbel, M. (1999), S. 11.

15

3

Wertsteigerung durch Desinvestition

3.1

Konzept des wertorientierten Managements

3.1.1

Begründung der Ausrichtung am Unternehmenswert

Die kapitalmarktorientierte (neoklassische) Sichtweise der modernen Investitions- und Finanzierungstheorie begründet die Marktwertmaximierung als Zielsetzung für Unternehmensentscheidungen.66 Im Gegensatz zur traditionellen Finanzwirtschaftslehre67 ist der Zielträger von Entscheidungen nicht mehr das organisatorische Gebilde Unternehmen, das zum Wohl der Gesellschaft agiert, sondern Personen oder Wirtschaftssubjekte, die das Unternehmen als Mittel zum Zweck benutzen. Jedes Wirtschaftssubjekt verfolgt eigene, subjektive Ziele. Es versucht seinen eigenen Nutzen zu maximieren.68 Zu diesem Zweck handeln die Wirtschaftssubjekte bewusst rational.69 Grundsätzlich existiert eine Reihe unterschiedlicher Wirtschaftssubjekte, z.B. Kapitalgeber, Unternehmensleitung, Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten, Staat und Öffentlichkeit. Die moderne Investitions- und Finanzierungstheorie trifft nun eine Vorentscheidung derart, dass sie sich auf die Kapitalgeber, insbesondere die Eigenkapitalgeber, als Zielträger konzentriert.70 Der zu maximierenden Nutzen lässt sich durch finanzielle und nichtfinanzielle Ziele beschreiben. Finanzielle Ziele sind auf einen möglichst hohen Nutzen des Konsumstroms reduzierbar. Dieser beschreibt den Strom von Einkommen, der für Konsum ausgegeben werden kann. Der Konsumstrom hat dabei die drei Dimensionen Höhe, zeitliche Struktur und Unsicherheit.71 Nichtfinanzielle Ziele, wie z.B. das Streben nach Prestige, sind prinzipiell ebenfalls durch ein finanzielles Äquivalent mit den gleichen Dimensionen beschreibbar. Das Streben jedes Wirtschaftssubjekts nach maximalem Nutzen führt bei unterschiedlichen Präferenzen der Zielträger zu einem Entscheidungsdilemma der Manager, die rein im Sinne der Eigenkapitalgeber agieren.72 Der kapitalmarktorientierte (neoklassische) Ansatz liefert die Lösung für das Dilemma der Präferenzabhängigkeit. Die Lösung beruht auf der Annahme der Möglichkeit des Handels von Zahlungsströmen auf dem Kapitalmarkt. Der Kapitalmarkt wird per

66 67 68 69 70 71 72

Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 58 ff. Einen guten Überblick der traditionellen Betrachtungsweise der Investitions- und Finanzierungstheorie gibt z.B. Vormbaum, H. (1964). Vgl. Arrow, K. J./Debreu, G. (1954), S. 269. Vgl. Becker, G. S. (1976). Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 44. Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 50. Eine Einschränkung dieses Prinzips aufgrund von Interessenkonflikten zwischen Management und Eigenkapitalgebern wird in Kapitel 3.2 im Rahmen der Agency-Theorie diskutiert.

17

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Annahme als vollkommen und vollständig definiert.73 Sind diese Annahmen erfüllt, so ist dasjenige Bündel der Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen optimal, das den am Markt erzielbaren Preis der Zahlungsströme maximiert.74 Der Barwert der erwarteten zukünftigen Zahlungsströme entspricht dem aktuellen Marktwert des Unternehmens. Eine Maximierung des Unternehmenswertes entspricht somit den Präferenzen aller Eigenkapitalgeber und führt zu Einstimmigkeit bei Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen.75 Sie ist darüber hinaus auch gesamtwirtschaftlich wertsteigernd, da sich auf diese Weise die effizienteste Ressourcenallokation in einer Marktwirtschaft gewährleisten lässt. Die Orientierung der Unternehmensführung an den Interessen der Aktionäre, insbesondere an einer Maximierung des Eigenkapitalwertes, erlangte unter dem Begriff des Shareholder Value Ansatzes Bekanntheit.76 Neben der theoretischen Erklärung ist das Ziel der Unternehmenswertmaximierung auch aus der praktischen Notwendigkeit erklärbar. Vier Gründe trugen zur Entstehung des Shareholder Value Prinzips bei.77 (1) Aktiver Markt für Unternehmenskontrolle: Die Leveraged Buyout Struktur zusammen mit der damals neuen Junk-Bond Finanzierung brachte in den 80er Jahren in den USA viele Unternehmen in die Reichweite von feindlichen Übernahmen. Unternehmen, die keine Marktwertoptimierung anstrebten, wurden aufgekauft und umstrukturiert. In den 90er Jahren fanden LBO's auch in Europa häufiger statt. Die Grundüberlegung eines aktiven Marktes für Unternehmenskontrolle besagt, dass Manager nur so lange das Recht haben, ein Unternehmen zu leiten, so lange außenstehende Manager den Marktwert nicht signifikant zu erhöhen vermögen.78 (2) Zunahme von Aktienoptionsprogrammen: Das Aufkommen der Agency-Theorie79 in der Wissenschaft und die schwache Performance amerikanischer Aktien in den 70er Jahren ließen Forderungen zur Angleichung der Manager- und Aktionärsinteressen laut werden. Im Jahr 1998 machten Aktienoptionsprogramme 45% der Vergütung von Vorstandsvorsitzenden größerer amerikanischer Unternehmen aus. Dazu hatten 48% der mittelgroßen oder großen Unternehmen Aktienoptionsprogramme für die Mitglieder des Aufsichtsrates.80 (3) Zunahme des Aktienbesitzes: 1995 waren 26% der amerikanischen Bevölkerung direkte oder indirekte Aktienbesitzer gegenüber 12% in 73

74 75 76 77 78 79 80

18

Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt ist der Preis für jeden Teilnehmer gleich und gegeben, auf einem vollständigen Kapitalmarkt kann jeder beliebige Zahlungsstrom gehandelt werden, vgl. Arrow, K. J./Debreu, G. (1954), S. 265-290. Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 58. Nichtfinanzielle Ziele werden bei diese Argumentation gezwungenermaßen ausgeblendet. Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 62. Für eine Übersicht des Shareholder Value Ansatzes vgl. Rappaport, A. (1999). Vgl. Copeland, T/Koller, T/Murrin, J. (2000), S. 4. Vgl. Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 6-7. Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 305-360. Vgl. Copeland, T/Koller, T/Murrin, J. (2000), S. 8.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

1975. Auch in vielen europäischen Ländern stieg die Aktienbesitzquote der Bevölkerung insbesondere durch große Privatisierungen von Staatsunternehmen signifikant an. Dieser Anstieg unterstützt den Shareholder Value Gedanken und nimmt der Diskussion um Shareholder vs. Stakeholder Ansatz ihre ideologische Triebfeder. (4) Erwartete Insolvenz der umlagenbasierten Pensionssysteme: Das umlagenbasierte Pensionssystem vieler kontinentaleuropäischer Länder ist infolge demographischer Verschiebungen in Richtung der Zahlungsempfänger langfristig nicht überlebensfähig. Eine zumindest teilweise Umstellung auf ein kapitalgedecktes System scheint unausweichlich. Ein kapitalgedecktes System stellt aber nur eine attraktive Alternative dar, wenn die angelegten Gelder eine gute Performance erzielen. Kommt es zu einer Umstellung, dann steigt die Aktienquote der Pensionskassen signifikant an. Die für die Verwaltung der Gelder verantwortlichen Fondsmanager sind entschiedene Fürsprecher des Shareholder Value Gedankens. 3.1.2 Ermittlung des Unternehmenswertes Der Investor eines Unternehmens verlangt eine Verzinsung seiner Investition, die mindestens der Verzinsung von Anlagen mit vergleichbarem Risiko entspricht. Diese Renditeerwartung vergleichbarer Investments stellen die Opportunitätskosten des eingesetzten Kapitals und die Eigenkapitalkosten des Unternehmens dar.81 Aus seiner Anlage erhält der Investor zwei Zahlungsströme: Dividenden und Kursgewinne. Die erwartete Rendite der Aktie in einer Periode lässt sich somit beschreiben als:82 DIV1  P1  Po P0

R

(3.1)

mit

R = erwartete Rendite DIVt = erwartete Dividende pro Aktie in Periode t Pt = Kurs der Aktie in der Periode t Der heutige Preis Po kann bei Bekanntheit der übrigen Faktoren berechnet werden als: P0

DIV1  P1 1 R

(3.2)

Analog gilt für den Preis P1 in der Periode 1: P1

81 82

DIV2  P2 1 R

(3.3)

Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 18. Vgl. im folgenden Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 61 ff.

19

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Dann kann man P0 in Abhängigkeit von DIV1, DIV2 und P2 beschreiben: P0

DIV2  P2 1 1 ( DIV1  P1 ) ( DIV1  ) 1 R 1 R 1 R

DIV1 DIV2  P2  1 R (1  R) 2

(3.4)

Dieses Vorgehen kann auf mehrere Perioden H ausgeweitet werden. Für t o f approximiert der Endwert gegen 0, so dass der heutige Wert des Unternehmens als Barwert eines unendlichen Stromes von Dividenden geschrieben werden kann: H

P0

DIVt

¦ (1  R) t 1

2



PH (1  R) H

f

DIVt

¦ (1  R) t 1

t

(3.5)

Die Methode ist auch auf die Bewertung des gesamten Unternehmens anwendbar. Es ist letztlich egal, ob man die Dividenden pro Aktie oder den gesamten freien Cashflow des Unternehmens abdiskontiert.83 Die Dividende bildet die Größe, die nach Deckung aller Kosten und Investitionen verbleibt. Dies ist die einfachste Definition des freien Cashflows. Dieser entsteht aus dem operativen Geschäft des Unternehmens und steht für die Ausschüttung an die Eigen- und Fremdkapitalgeber zur Verfügung. Bei der Enterprise-Methode berechnet man zuerst den Unternehmensgesamtwert, indem man die freien Cashflows mit den durchschnittlichen gewichteten Kapitalkosten abdiskontiert. Hiervon zieht man dann den Wert des Fremdkapitals ab, um den Wert des Eigenkapitals zu erhalten. Bei der Equity-Methode wird der Wert des Eigenkapitals direkt ermittelt, indem zuerst die den Eigentümern zustehenden freien Cashflows ermittelt und dann mit den Eigenkapitalkosten abdiskontiert werden.84

83 84

20

Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 75. Vgl. Copeland, T/Koller, T/Murrin, J. (2000), S. 131-155.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Fokus der Arbeit

ERMITTLUNG DES UNTERNEHMENSWERTES Diskontiert mit WACC

Diskontiert mit Fremdkapitalkosten Fremdkapitalwert

Unternehmenswert

Freier Cash Flow

Finanzströme an Gläubiger Diskontiert mit Eigenkapitalkosten Eigenkapitalwert/ Shareholder Value

Finanzströme an Anteilseigner

Entity-Methode

EquityMethode

Source: Eigene Darstellung in Anlehnung an Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 132

Abbildung 3.1: Unternehmensbewertung mit Entity- und Equity-Methode

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Grundgedanke des Shareholder Value Prinzips darin besteht, dass Eigenkapitalgeber eine Verzinsung ihres Investments verlangen, die einer Verzinsung von Anlagen am Kapitalmark mit gleichem Risiko entspricht. Das Unternehmen schafft dann Wert, wenn die Rendite der durchgeführten Investitionen deren Kapitalkosten übersteigt.85 Die vorliegende Arbeit greift den Shareholder Value Gedanken auf und misst die Wertgenerierung durch Desinvestitionen an der Veränderung des Eigenkapitalwerts. Die verwendete Marktbewertung ist dabei die unmittelbarste Form der Beurteilung von unternehmerischen Handlungsoptionen. 3.1.3 Strategien zur Erhöhung des Unternehmenswertes Das Hexagon-Modell von Copeland/Koller/Murrin (2000) verdeutlicht strategische Handlungsoptionen zur Erhöhung des Unternehmenswertes.

85

Vgl. Rappaport, A. (1999), S. 49, Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 17.

21

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Fokus der Arbeit

WERTSTEIGERUNGS-HEXAGON Aktueller Börsenwert Unterschied in der Einschätzung

Gesamtpotential

Unternehmenswert nach Financial Engineering/ Potentieller Wert

Unternehmenswert auf Basis des aktuellen Geschäftsplans Kurzfristige interne operative und strategische Verbesserungen

Financial Engineering Unternehmenswert nach externem/internem Wachstum

Unternehmenswert nach internen Verbesserungen

Unternehmensverkäufe

Unternehmenswert nach Desinvestitionen

Langfristiges Wachstum durch Akquisitionen und/ oder neue Produkte/ Märkte

Source: Eigene Darstellung in Anlehnung an Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 21

Abbildung 3.2: Wertsteigerungs-Hexagon

Ist der aktuelle Marktwert niedriger als der Unternehmenswert auf Basis des aktuellen Geschäftsplans, so liegt offensichtlich ein Unterschied in der Einschätzung zwischen Unternehmensführung und Kapitalmarkt vor. Entweder besitzt der Kapitalmarkt ungenügende Informationen über die Pläne des Unternehmens (es liegt Informationsasymmetrie vor) oder er betrachtet den aktuellen Geschäftsplan als unglaubwürdig. Als Gegenmaßnahmen gälte es im ersten Fall eine aktivere Investor Relations Politik zu betreiben, im zweiten Fall müsste eine realistische Überprüfung des Geschäftsplans erfolgen. Interne Verbesserungen, Portfoliooptimierungen durch Desinvestitionen und Akquisitionen, internes Wachstum und aktives Finanzmanagement sind die weiteren Treiber einer Wertsteigerung.86 Die vorliegendende Arbeit konzentriert sich auf das Wertsteigerungspotential von Desinvestitionen.

3.2

Prinzipal-Agent-Theorie

3.2.1 Agency-Problematik Die Agency-Theorie entstammt der neo-institutionalistischen Sicht der modernen Investitions- und Finanzierungstheorie. Wie die neoklassische Theorie sieht auch die neo-institutionalistische Theorie nicht das Unternehmen an sich als 86

22

Vgl. Copeland, T/Koller, T/Murrin, J. (2000), S. 21 ff.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Zielträger, sondern die Personen, die in ihrer Rolle als Kapitalgeber oder -nehmer ihren Nutzen zu optimieren versuchen.87 Die neo-institutionalistische Theorie stellt die zentralen Annahmen eines vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkts der neoklassischen Theorie in Frage. Personen als Wirtschaftssubjekte verhalten sich opportunistisch, d.h. sie verfolgen ihre eigenen Interessen, auch wenn sie dadurch den Interessen der Tausch- bzw. Kooperationspartner schaden. Die neoklassische Sicht sieht den möglichen Interessenkonflikt dagegen als bereits gelöst an. Die Basisannahme des vollkommenen Kapitalmarktes lautet, die Tauschkonditionen seien für jeden Marktteilnehmer gleich und gegeben. Daraus folgt, dass er weder den Preis noch die Substanz des Tauschgutes zu seinen Gunsten zu beeinflussen vermag. Die neo-institutionalistische Sicht dagegen erkennt, dass selbst bei vollkommener Konkurrenz der einzelne Marktteilnehmer die Tauschkonditionen beeinflussen kann, wenn eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Tauschpartnern herrscht. Asymmetrische Informationsverteilung bedeutet, dass einige Teilnehmer besser informiert sind oder sein könnten als andere und die anderen Teilnehmer dies wissen oder befürchten. Der Verkäufer einer Leistung hat nun prinzipiell zwei Möglichkeiten, diesen Informationsvorsprung auszunutzen. Zum einen kann er die Qualität der Leistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als höherwertig darstellen als sie es in Realität ist. Zum zweiten kann er bei Leistungen, die erst in Zukunft erbracht werden müssen, die Qualität der vertraglich verkauften Leistung nachträglich negativ beeinflussen. Dieses eigennützige Verhalten nach Vertragsabschluss ist in der Literatur unter dem Begriff Moral Hazard bekannt.88 Ein potentieller Käufer kann eine minderwertige Qualität in seinem Preisangebot antizipieren und einen geringeren Preis bieten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der niedrigere Preis gerade Verkäufer mit minderwertigen Leistungen anzieht. Diesen Prozess der negativen Selbstauslese bezeichnet man als Adverse Selection.89 Zieht sich daraufhin ein Teil der Käufer oder Verkäufer als Selbstschutz vom Markt zurück, so wird der Markt unvollständig. Der Käufer hat neben einem niedrigeren Preisangebot noch eine zweite Möglichkeit, sich vor den negativen Folgen einer asymmetrischen Informationsverteilung zu schützen. Er kann versuchen, die Gefahren des Informationsdefizits durch institutionelle Ausgestaltung und Regelung der Finanzierungsbeziehung (z.B. unter Verwendung von Banken oder vertraglichen Vereinbarungen) zu verringern. Der Abbau der Informationsasymmetrie geht in der Regel mit Kosten einher, den so genannten Transaktionskosten.90 Auch wenn Informationsasymmetrien eine wesentliche Quelle für Transaktionskosten bilden, können Transaktionskosten doch auch in Situationen auftreten, in denen die Informationen gleichmäßig verteilt sind. Ein 87 88 89 90

Vgl. im folgenden Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 386 ff. Vgl. Arrow, K. J. (1963), S. 961 f. Vgl. Akerlof, G. A. (1970), S. 493. Vgl. Williamson, O. E (1979), S. 233-261.

23

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Beispiel für eine solche Situation ist die gerichtliche Entscheidung über einen Vertrag, der unter Informationssymmetrie zustande kam. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die neo-institutionalistische Theorie die institutionelle Regelung des grundsätzlichen Interessenkonfliktes bei einer Tauschbeziehung auf einem unvollkommenen und unvollständigen Markt zum Ziel hat. Sie gibt die Annahmen von Informationssymmetrie und reibungslosem Ablauf von Transaktionen auf. Die neoklassische Theorie geht dagegen davon aus, dass ein kostenloses und perfektes institutionelles System bereits existiert.91 Mehrere Bausteine bilden den neo-institutionalistischen Theoriekomplex: die Property-Rights-Theorie92, die Informationsökonomie93, die Transaktionskostentheorie94 und die Agency-Theorie. 95 Da insbesondere die Agency-Theorie für den weiteren Verlauf der Arbeit wichtig ist, wird diese tiefergehend analysiert. Die möglichen Auswirkungen auf die Desinvestitionsentscheidung der Unternehmensführung werden herausgearbeitet. In der Prinzipal-Agenten-Beziehung gibt es zwei Wirtschaftssubjekte: den Auftraggeber (Prinzipal) und den Beauftragten (Agenten). Der Prinzipal delegiert die Leitungsmacht an den Agenten und bezahlt diesem dafür ein Entgelt. Dies entspricht der normalen Konstellation bei einer Aktiengesellschaft mit Aktionären als Prinzipalen und Managern als Agenten. Da es unmöglich ist, einen vollständigen Vertrag mit Handlungsvereinbarungen für sämtliche Eventualitäten abzuschließen, müssen Entscheidungsrechte auf den Agenten übertragen werden.96 Die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht führt zu Interessenkonflikten und Moral Hazard Problemen.97 Diese entstehen aus unterschiedlichen Zielsetzungen von Agent und Prinzipal und aus asymmetrisch verteilten Informationen. Die Nutzenfunktion des Agenten umfasst prinzipiell monetäre und nichtmonetäre Zielgrößen. Monetäre Zielgröße ist die Maximierung seines Konsumstroms, das im Wesentlichen von seinem Einkommen abhängt. Die Anpassung der Interessen von Aktionären und Manager hängt demnach stark von der Art der Bezahlung des Managements ab.98 Die nichtmonetären Zielgrößen des Managements umfassen (1) Streben nach Macht und Prestige (Empire Building) (2) Verminderung des Arbeitseinsatzes bei gegebenen Einkommen (Reduced Effort) (3) Erlangung von Nebenleistun91 92 93 94 95 96 97 98

24

Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 395. Vgl. Coase, R. H. (1960), S. 1-44. Vgl. Stiglitz, J. E. (1987), S. 1-48. Vgl. Williamson, O. E. (1975). Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 307, Fama, E. F./Jensen, M. C. (1983a), S. 301-323, Fama, E. F./Jensen, M. C. (1983b), S. 327-349. Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 308. Vgl. Ross, S. A. (1973), S. 134-139. Das Thema Anreizgestaltung wird in Kapitel 3.2.3.2 detailliert betrachtet.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

gen und Konsum am Arbeitsplatz (Private Benefits) (4) Erhöhung der Abhängigkeit des Unternehmens von seinen Fähigkeiten99 (Entrenching Investments) und (5) Vermeidung von Risiko zur Sicherung des Arbeitsplatzes (Avoiding Risk).100 Entrenching Investments und Empire Building sind typische Ursachen von Überinvestition (Overinvestment), d.h. Durchführung von Investitionen mit einem negativen Kapitalwert. Die Gefahr der Überinvestition ist am höchsten im Falle hoher freier Cashflows und limitierter wertschaffender Investitionsmöglichkeiten. Der freie Cashflow ist der Cashflow, der nach Durchführung aller kapitalwertpositiven Investitionen übrig bleibt und an die Aktionäre ausschüttbar wäre. Überinvestition bezeichnet Jensen (1986) als Free Cashflow Problem.101 Das Management stellt den freien Cashflow wahrscheinlich häufig als zu niedrig dar, um eine Ausschüttung an die Aktionäre zu verhindern. Dies kann jedoch dazu führen, dass in Situationen, in denen der Cashflow nicht zur Durchführung aller kapitalwertpositiven Investitionen ausreicht, das Problem der Unterinvestition (Underinvestment) eintritt.102 Dies passiert dann, wenn die Aktionäre in Erwartung des erklärten Managerverhaltens der Argumentation des Managements keinen Glauben schenken und die Bereitstellung weiterer finanzieller Mittel ablehnen. Das Problem unterschiedlicher Nutzenfunktionen von Agenten und Prinzipalen erhält zusätzliche Bedeutung durch das Problem der asymmetrischen Informationsverteilung. Der Informationsstand zwischen Prinzipal und Agent differiert nach Vertragsabschluss, da der Agent durch seine Tätigkeit Informationen sammelt, die der Prinzipal nicht kennt (versteckte Information) und die Tätigkeit des Agenten nicht unmittelbar kontrollierbar ist (verstecktes Handeln). Beides sind Unterformen des Moral Hazard Problems. Eine Informationsasymmetrie existiert sowohl bezüglich des Unternehmenswertes als auch bezüglich der Bewertung der Managerleistung.103 Die Probleme unterschiedlicher Nutzenfunktionen und asymmetrischer Informationsverteilung führen zu Agency-Kosten. Diese bestehen aus Kontrollkosten (Monitoring Costs) für den Prinzipal, Selbstbindungskosten (Bonding Costs) für den Agenten und dem Residual Loss.104 Die neoklassische Theorie mit ihren Annahmen eines vollkommenen und vollständigen Kapitalmarktes ohne Transaktionskosten führt zu dem First-Best Optimum eines Transaktionsproblems. Der realistischere neo-institutionalistische Ansatz mit Aufgabe der genannten Annahmen bewirkt dagegen das Second-Best Optimum. Der Residual Loss ist 99 100 101 102 103 104

Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1989), S. 123-140. Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 316 f. Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 323. Vgl. Stulz, R. M. (1990), S. 4. Vgl. Fama, E. F. (1980), S. 296. Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 305 ff.

25

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

der Unterschied zwischen First-Best und Second-Best Optimum, der trotz Monitoring und Bonding besteht.105 Die Agency-Kosten quantifizieren somit den Reibungsverlust, der durch die Existenz von Informationsproblemen und Transaktionskosten entsteht.106 Investitions- und Finanzierungsprobleme sollten so gelöst werden, dass die Agency-Kosten minimiert werden. Die beste institutionelle Ausgestaltung optimiert die Second-Best Lösung und nähert diese dem First-Best Optimum an. 3.2.2 Agency-Problematik und Desinvestitionen Die Agency-Theorie geht von einem Streben des Managements nach Größe aus, da das Management häufig sowohl monetären als auch nichtmonetären Nutzen aus steigender Größe eines Unternehmens zieht.107 Die Ausweitung der von einem Manager kontrollierten Ressourcen geht ohne gezielte Anreizgebung für diesen häufig mit größerem Nutzen einher als eine Verringerung der Ressourcen durch Desinvestitionen. Der monetäre Bestandteil seiner Nutzenfunktion beruht in der Regel auf fixen und variablen Einkommensbestandteilen. Infolge des fixen Bestandteils korreliert der Wert der Managervergütung nie vollständig mit dem Unternehmenswert. Die Maximierung des Unternehmenswerts ist jedoch die einzige Zielgröße der Nutzenfunktion der Aktionäre, da sie in der Regel keine qualitativen Vorteile aus dem Besitz einer bestimmten Aktie ziehen. Der variable Bestandteil der Managerbezahlung ist im Idealfall direkt an den Unternehmenswert gekoppelt. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Bezahlung häufig eher mit der Unternehmensgröße als mit dem Unternehmenswert korreliert.108 Auch nichtmonetäre Bestandteile der Manager-Nutzenfunktion wie das Streben nach Macht und Prestige, manifestiert im Begriff des Empire Building, lassen ein Streben nach Unternehmensgröße erwarten.109 Ein weiterer Interessenkonflikt zwischen Management und Aktionären besteht in der Beurteilung des Unternehmensrisikos. Prinzipiell ist das Management risikoaverser als die Eigenkapitalgeber, da es das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes nicht diversifizieren kann.110 Dies führt zum Ziel der Risikovermeidung innerhalb seiner qualitativen Nutzenfunktion. Die Anleger sind bei Einzelinvestments dagegen risikobereiter, da sie das unsystematische Risiko gemäß der Portfoliotheorie durch Diversifikation ausschalten können.111 Der Einfluss einer Des105 106 107 108

109 110 111

26

Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 308. Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 405. Vgl.Morck, R./Shleifer, A./Vishny, R. (1990), S. 32. Vgl. Jensen, M. C./Murphy, K. J. (1990a), S. 225-264, ermitteln eine schwache Korrelation der Managervergütung mit dem Aktionärsvermögen. Firth, M. (1991), S. 425 ff., zeigen, dass Manager im Rahmen ihrer Vergütung vom Unternehmenswachstum profitieren. Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 323, Denis, D./Denis, D./Sarin, A. (1997), S. 136. Vgl. Jensen, M. C./Murphy, K. J. (1990a), S. 244, Morck, R./Shleifer, A./Vishny, R. (1990), S. 32. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 77-91.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

investition auf das Unternehmensrisiko ist motivabhängig. Eine Desinvestition im Rahmen einer Fokussierungsstrategie erhöht das firmenspezifische Risiko, da sich operative Schwächen in einem Bereich nicht durch andere Bereiche ausgleichen lassen. Eine Desinvestition aus Verlustgründen oder zum Zweck einer Schuldenreduzierung dürfte das Unternehmensrisiko dagegen tendenziell reduzieren, da eine Insolvenz unwahrscheinlicher wird. Nach der Agency-Theorie führt das Management demnach eher risikoreduzierende Desinvestitionen aus Verlust- und Schuldenreduktionsmotiven durch als Desinvestitionen im Rahmen einer Kerngeschäftsstrategie. Neben einer Reduktion des Unternehmensrisikos vermag ein Manager sein Arbeitsplatzrisiko auch durch Entrenching Investments zu verringern. Solche Investitionen führen zu einer Abhängigkeit des Unternehmens von den Fähigkeiten des Managers, so dass dieser geringere Sanktionen bei ungenügender Erfüllung seiner Vertragsleistungen befürchten muss. Im Gegensatz dazu steht das Management Desinvestitionen von Unternehmensteilen, die von spezifischen Fähigkeiten des Managements profitieren, ablehnend gegenüber. Neben Interessendivergenzen, die sich direkt aus der quantitativen und qualitativen Nutzenfunktion eines Managers ableiten lassen, gibt es eine allgemeine Interessendivergenz bezüglich der externen Transparenz des Unternehmens. Zur Minimierung der Kontrollkosten befürworten die Investoren maximale Transparenz des Unternehmens. Das Management dagegen lehnt größtmögliche Transparenz ab, da diese zu einer besseren Kontrollmöglichkeit durch den Kapitalmarkt führt und den Handlungsspielraum des Managements einschränkt.112 Unternehmensgröße, insbesondere im Rahmen einer Diversifikationsstrategie, verringert die externe Transparenz. Da Desinvestitionen die Transparenz prinzipiell erhöhen, dürften Manager diese auch aus diesem Grund ablehnen. Das vorangegangene Kapitel macht deutlich, dass Manager potentiell Ziele verfolgen, die den Interessen der Eigentümer nach einer reinen Unternehmenswertmaximierung zuwider laufen. Zur Minimierung der hieraus entstehenden Interessenkonflikte eignen sich sowohl Kontroll- als auch Anreizmechanismen. 3.2.3 Möglichkeiten zur Verringerung der Agency-Problematik 3.2.3.1 Kontrollmechanismen (1) Kontrolle durch den Faktormarkt für Managementleistung Der Markt für Corporate Control ist ein wichtiger Teil des Faktormarktes für Managementleistung, zu dem auch der interne und externe Arbeitsmarkt für

112

Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 323.

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Manager gehört.113 Der Markt für Unternehmenskontrolle lässt sich als ein Wettbewerb zwischen Managementteams um die Verfügungsgewalt über Unternehmensressourcen verstehen.114 Eine Abweichung der Managerhandlungen von den Eigentümerinteressen zieht eine Verringerung des Unternehmenswerts nach sich.115 Die Verringerung des Marktwertes bietet Chancen für Unternehmenskäufer, das Unternehmen zu übernehmen und eine Wertsteigerung durch effizienteres Management einzuleiten. Diese Funktionsweise des Marktes für Corporate Control lässt sich beispielsweise am Beispiel wertvernichtender Diversifikationsstrategien auch empirisch nachweisen. Berger/Ofek (1996) stellen in ihrer empirischen Analyse fest, dass die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme bei Konglomeraten mit der Höhe des konglomeraten Abschlags korreliert.116 Das Ergebnis von Comment/Jarrell (1995) ist weniger eindeutig. Sie finden eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Übernahme von diversifizierten Unternehmen nur bei großen amerikanischen Unternehmen. Der Effekt ist bei Betrachtung aller börsennotierten Firmen allerdings umgekehrt.117 Ein effizienter Markt für Unternehmenskontrolle verhindert eine langfristige Abweichung der ManagerEntscheidungen von den Interessen der Eigenkapitalgeber und trägt zu einer aktiven Kontrolle der Manager bei. Wettbewerb auf dem internen und externen Arbeitsmarkt bewirkt ebenfalls eine Kontrolle der Managementhandlungen.118 Der interne Arbeitsmarkt führt zu einer Überwachung der Manager untereinander. Da alle Manager wissen, dass der externe Arbeitsmarkt den Erfolg der Firma als Proxy für die Bewertung ihres Humankapitalwertes außerhalb der Firma nutzt, hegen sie ein gemeinsames Interesse am Firmenerfolg. Dies führt zu einer gegenseitigen Kontrolle der Manager, die in beide Richtungen stattfindet. Einen direkten Einfluss auf den Verbleib der oberen Führungsschicht hat jedoch in der Regel nur der Aufsichtsrat. Der direkte Einfluss des externen Arbeitsmarktes beruht darauf, dass der Wert seines zukünftigen Einkommens bei heutiger Durchführung wertmindernder Handlungen im Unternehmen sinkt. Die hierfür notwendige Annahme besagt, dass der Arbeitsmarkt, ähnlich wie der Kapitalmarkt bei der Bewertung von Unternehmen, in der Lage ist, jetzige und vergangene Informationen zu nutzen, um das zukünftige Einkommen von Managern festzulegen. Der Einfluss des Faktormarktes für Managementleistung ist für Kontinentaleuropa als nur untergeordnet einzustufen. Zum einen gibt es in fast allen Ländern Kontinentaleuropas keinen freien, unregulierten Markt für Corporate Control. Abwehrmechanismen gegen Übernahmen, insbesondere unterschiedliche Akti113 114 115 116 117 118

28

Vgl. Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 6 Vgl. Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 6. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1997), S. 741. Vgl. Berger, P. G./Ofek, E. (1996), S. 1175-1199. Vgl. Comment, R./Jarrell, G. A. (1995), S. 82. Vgl. im folgenden Fama, E. F. (1980), S. 292-295.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

engattungen, verhindern eine effiziente Kontrolle des Managements.119 Zum anderen erscheint eine effiziente Kontrolle durch interne und externe Arbeitsmärkte unrealistisch. Der interne Arbeitsmarkt leidet unter der hierarchischen Struktur von Unternehmen, die eine von unten nach oben gehende Kontrolle nicht gestattet. Die eigentliche Kontrolle liegt eher beim Aufsichtrat, auf den jedoch die Manager unterer Führungsschichten keinen Einfluss haben. Der Wert der Humanleistung auf dem externen Arbeitsmarkt hängt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht allein von der Qualität der bisherigen Leistung des Managers ab. Erstens ist diese infolge von Informationsasymmetrien nur sehr schwer zu beurteilen, zweitens spielen andere Faktoren, wie z.B. Beziehungen, eine bedeutende Rolle. (2) Kontrolle durch Eigenkapitalgeber Aktionäre verfügen per Gesetz oder Satzung über bestimmte Entscheidungsbefugnisse, im Wesentlichen beschränkt auf die Hauptversammlung. Die wichtigsten darunter sind die Entlastung des Vorstandes und die Entscheidung über die Aufnahme neuen Eigenkapitals. Die Effizienz der Aktionärskontrolle hängt stark von der Beschaffenheit der Aktionärsstruktur ab. Ist der Aktienbesitz stark gestreut, so ist eine Kontrolle durch einzelne Aktionäre schwierig. Der einzelne Aktionär sieht sich einer wenig attraktiven Kosten-Nutzen Abwägung gegenüber. Er muss zur Kontrolle des Managements hohe Kosten für Informationsgewinnung und -bewertung auf sich nehmen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Stimmrechtskampfs zur Durchsetzung von Aktionen gegen das Management ist dagegen eher niedrig. Der mögliche absolute Gewinn ist dank der niedrigen Beteiligungsquoten gering, wodurch das Free Rider Problem verstärkt auftritt.120 Nimmt ein Aktionär einen erheblichen Aufwand auf sich, um das Management zu kontrollieren, so profitieren bei einer daraus resultierenden Wertsteigerung alle Aktionäre. Bei geringem Besitz ist für den einzelnen Aktionär der Aufwand größer als der mögliche absolute Gewinn. Eine effiziente Kontrolle des Managements wird unwahrscheinlich. Das Free Rider Problem tritt auch im Falle eines Grossaktionärs auf, für diesen lohnt sich jedoch im Normalfall der Aufwand dank des großen absoluten möglichen Gewinns.121 Grossaktionäre besitzen außerdem im Normalfall größeres Know-how bei der Ausübung der Kontrollfunktion. Häufig haben sie eine eigene Spezialistenabteilung für Beteiligungsmanagement. 119

120 121

So haben z.B. in Schweden A-Aktien das 10-fache Stimmrecht von B-Aktien. Auch in Frankreich gibt es Aktien mit Mehrfachstimmrechten. In den Niederlanden können Firmen bei drohenden Übernahmen Share Certificates und Priority Shares ausgeben. In der Schweiz gibt es eine Unterteilung in Registered, Bearer und Participation Shares. In Deutschland werden Vorzugsaktien und Stammaktien ausgegeben. Vgl. Grossmann, S. F./Hart, O. D. (1980), S. 42 f. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1986), S. 463.

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass bei Groß- und Mehrheitsaktionären positive Effekte zu erwarten sind, da hier sowohl der Anreiz als auch das Wissen zur Ausübung einer sinnvollen Kontrolle ausgeprägter sind.122 Die positiven Effekte können jedoch von der Art des Großinvestors abhängig sein. Besonders Finanzinstitute wie Banken und Versicherungen haben eventuell beträchtliche Eigeninteressen wegen bestehender oder angestrebter Vertragsbeziehungen zu dem zu kontrollierenden Unternehmen. Daraus resultiert gegebenenfalls ein Interessenkonflikt mit den anderen Aktionären. (3) Kontrolle durch Aufsichtsrat Die Aktionäre haben nur begrenzte Möglichkeiten, direkt auf die Handlungen des Managements einzuwirken. Dies wurde im letzten Abschnitt deutlich. Zur Verbesserung der geringen Kontrollmöglichkeiten delegieren die Eigenkapitalgeber gerade bei breitem Streubesitz einen Großteil der Kontrollfunktion an den Aufsichtrat als spezielles Kontrollorgan. International existiert sowohl ein einstufiges (Board of Directors) als auch ein zweistufiges System (Aufsichtrat). Beim einstufigen System sind Unternehmensleitung und Kontrolle stark verknüpft. Beim zweistufigen System besteht dagegen eine reine Überwachungsfunktion ohne Verantwortung für die Geschäftsführung123 Sowohl der Aufsichtsrat als auch der Board of Directors bestimmen die Vorstände und verhandeln deren Vergütung. Mitglieder dieser Kontrollorgane maximieren nach der Agency-Theorie ebenfalls ihren Nutzen. Dieser besteht in erster Linie aus Vergütung, Imagegewinn und Networking Möglichkeiten. Alle drei Nutzenbestandteile haben nur eine geringe Anreizwirkung für eine effektive Kontrolle des Managements.124Auch Sanktionsmechanismen bei Versagen wie Haftung und Imageverlust bieten keine ausreichende Anreizwirkung für eine effektive Kontrollfunktion.125 Die Kontrolle durch Aufsichtsrat und Board of Directors scheint dennoch einen positiven Effekt zu haben. Die Direktoren spielen eine wichtige Rolle im Corporate Governance Prozess.126 Ein hoher Prozentsatz externer Direktoren wurde empirisch als vorteilhaft für eine effektive Kontrolle nachgewiesen.127 Für den Aufsichtrat liegen dagegen keine gesicherten empirischen Ergebnisse vor. Dennoch langt der Kontrolleffekt nicht aus, um die Interessen von Anteilseignern und Managern komplett anzugleichen. Außerdem scheint der Effekt verspätet 122 123 124 125 126 127

30

Für eine Übersicht empirischer Studien über die Auswirkungen unterschiedliche Aktionärsstrukturen auf den Erfolg eines Unternehmens vgl. Löffler, Y. (2001), S. 33 ff. Vgl. Baums, T. (1998), S. 9. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 47. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 48. Vgl. Fama, E. F./Jensen, M. C. (1983a), S. 313 f. Vgl. Hanson, R.C./Song, M.H. (1997), S. 58, Lee, C. I/Rosenstein, S./Rangan, N./Davidson, W. N. (1992), S. 69, Weisbach, M. (1988), S. 431-460, Rosenstein, S./Wyatt, J. G. (1990), S. 175-192.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

aufzutreten, so dass eher von einer ex-post Kontrolle die Rede sein kann, die erst bei Vorliegen offensichtlicher Unternehmenskrisen greift.128 (4) Kontrolle durch Fremdkapitalgeber Von den Fremdkapitalgebern geht sowohl ein aktives als auch ein passives Monitoring aus. Der Anreiz zum aktiven Monitoring entsteht für Fremdkapitalgeber erst bei Gefährdung ihrer Forderungen. Einen direkten Einfluss erhalten Fremdkapitalgeber auch erst im Falle einer Unternehmenskrise bzw. Insolvenz. Bei einer Unternehmenskrise können sie zum Schutz ihrer Kredite Restrukturierungen fordern. Bei einer Insolvenz erhalten sie die vollständige Unternehmenskontrolle.129 Beim normalen Geschäftsverlauf ist die Einflussmöglichkeit der Fremdkapitalgeber gering. Dies ist sinnvoll, da die Interessen von Fremd- und Eigenkapitalgebern divergieren und in diesem Fall die Interessen der Aktionäre Vorrang haben sollten. Eine Ausnahme stellt die deutsche Besonderheit des Vollmachtsstimmrechts dar.130 Dieses erlaubt einer Bank, auch ohne eigenen Anteilsbesitz in der Hauptversammlung über Anträge abzustimmen. Nach der Agency-Theorie wird sie dies dann im Sinne ihrer Eigenschaft als Kapitalgeber tun. Passives Monitoring entsteht durch Verringerung des freien Cashflows infolge vertraglich festgeschriebener Tilgungs- und Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber. Dies führt zur Verringerung des Free Cashflow Problems und ist daher besonders wirksam bei Unternehmen mit hohen freien Cashflows und begrenzten Investitionsmöglichkeiten.131 Bei Firmen mit geringen verfügbaren Cashflows und attraktiven Investitionsmöglichkeiten kann durch die notwendigen Zahlungen jedoch das Problem der Unterinvestition entstehen.132 Auch steigen bei Erhöhung des Fremdkapitalanteils die Agency-Kosten der Verschuldung, die auf Interessenkonflikten zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern beruhen. Typische Agency-Kosten der Verschuldung entstehen aus der erhöhten Risikopräferenz der Aktionäre bei hoher Verschuldung.133 Bei akuter Gefahr von Insolvenz haben die Aktionäre keinen Anreiz für Desinvestitionen, da die erzielten Barmittel mit großer Wahrscheinlichkeit den Fremdkapitalgebern zufließen.134 Der einzige Wert für die Aktionäre ist dagegen der Optionswert der Aktiva, der

128 129

130

131 132 133 134

Vgl. Jensen, M. C. (1993), S. 863. Nach § 57 InsO wählt die Gläubigerversammlung den Konkursverwalter. Nach § 157 InsO entscheidet die Gläubigerversammlung, ob das Unternehmen reorganisiert, liquidiert oder verkauft werden soll. Nach § 135 AktG kann ein Aktionär seiner Depotbank die Vollmacht über seine Stimme bei der Hauptversammlung übertragen. Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 323. Vgl. Stulz, R. M. (1990), S. 4. Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 334. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1992), S. 1358.

31

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

bei einer Desinvestition abnimmt.135 Die Aktionäre müssen die Agency-Kosten der Verschuldung selbst tragen, da diese die Zinszahlungen erhöhen oder zukünftige Kreditzusagen erschweren.136 Zusammenfassend steht fest, dass eine direkte, aktive Kontrolle der Fremdkapitalgeber erst in einer finanziellen Krise zustande kommt. Die Fremdkapitalgeber werden dann aber ihre eigenen Interessen optimieren, anstatt die Interessen der Eigenkapitalgeber durchzusetzen. Das passive Monitoring durch Verringerung des freien Cashflows ist eher dazu in der Lage, die Interessen von Aktionären und Managern anzugleichen. Insgesamt erweisen sich Kontrollen als teuer und haben einen abnehmenden Grenznutzen. Spezielle Anreizmechanismen zur Anpassung der Interessen von Managern und Aktionären sind daher wichtig. 3.2.3.2 Anreizmechanismen Anreize können sowohl von der Bezahlung als auch vom Anteilsbesitz der Manager ausgehen.137 Die Bezahlung des Managements als Anreiz zur Wertgenerierung kann auf seinem Einsatz (Input) oder dem Ergebnis seines Einsatzes (Output) basieren. Da der Einsatz jedoch nicht objektiv messbar ist, beruhen Bezahlungspläne in der Regel auf dem Arbeitsergebnis. Von einem Fixgehalt geht keine Anreizwirkung für ein effektives Handeln der Manager aus. Und auch ein leistungsabhängiger jährlicher Bonus, der sich beispielsweise nach Erfolgsdaten des Rechnungswesens richtet, ist nicht direkt mit der Wertentwicklung des Unternehmens korreliert. Aktienoptionsprogramme sind daher ein häufig angewandtes Instrument zur Verknüpfung der Entlohnung mit der Eigentümerrendite. Der Anteil von Aktienoptionsprogrammen in den USA an der Bezahlung des CEO stieg in den letzten 20 Jahren rapide an. 1998 machte der Anteil 45% der Bezahlung aus, nach 23% in 1983. Im Jahr 2001 lag der Anteil bereits bei 58%.138 Dazu kommt ein Anteil von 10% von sonstigen langfristigen Anreizen, wie z.B. Restricted Stocks. Auch in Europa erfuhren Aktienoptionsprogramme einen deutlichen Aufschwung. So hatten nach einer Untersuchung der Union Investment 45 der Eurostoxx 50 Unternehmen im Jahr 2002 ein Aktienoptionsprogramm.139

135 136 137

138 139

32

Vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S. 234. Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 342. Rappaport nennt vier grundsätzliche Möglichkeiten zur Verringerung der Agency-Kosten: (1) eine bedeutsame Beteiligung des Managements am Eigentum, (2) eine Verknüpfung von Entlohnung mit der Eigentümerrendite, (3) eine drohende Übernahme durch ein anderes Unternehmen, (4) eine lebhafte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für Führungskräfte, Vgl. Rappaport, A. (1999), S. 4. Vgl. Hillenbrand, T. (2002). Vgl. Union Investment (2003).

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

CEO BEZAHLUNG BÖRSENNOTIERTER FIRMEN IN USA* Prozent

Sonstige Langfristige Anreize

2

Aktienoptionen

23

Bonus

25

4

10

100%

41 45

20 20

Gehalt

50 35

1983

1988

25

1998

* Firmen mit Umsatz > 1 Mrd. $ in 1983, > 3 Mrd. $ in 1988 und > 5 Mrd. $ in 1998 Source: Copeland/Koller/Murrin (2000), S. 7

Abbildung 3.3: Bestandteile der Bezahlung

Nach der Optimal Contracting Theorie sind Aktienoptionsprogramme notwendig und sinnvoll, um die Vorstände von Unternehmen zu effizientem Handeln zu veranlassen.140 Ein optimaler Vertrag minimiert somit die Agency-Kosten. Der Board of Directors versucht den Nutzen der Eigenkapitalgeber zu maximieren. Die Optimal Contracting Theorie beruht auf drei Mechanismen141: (1) Das Board of Directors verhandelt auf Augenhöhe mit den Managern einen optimalen Vertrag aus. (2) Obwohl das Board von den Managern beeinflusst wird, wählen die Direktoren wegen des Wettbewerbsdrucks einen optimalen Vertrag. (3) Aktionäre können gerichtlich gegen nicht optimale Verträge vorgehen und optimale Verträge durchsetzen. Nach den Vertretern der Managerial Power Theorie eignen sich diese drei Mechanismen in der Realität nicht, einen optimalen Vertrag durchzusetzen.142 Der Managerial Power Ansatz geht davon aus, dass Manager mit großer Machtfülle ihre eigene Bezahlung zu beeinflussen vermögen. Dies versetzt sie in die Lage, Economic Rents einzustreichen, d.h. Gelder, die den Wert ihrer Bezahlung unter der Optimal Contracting Hypothese übersteigen.143 Heute sieht man daher die Anreizbildung über Aktienoptionsprogramme durchaus kritisch. Dabei stößt 140 141 142 143

Vgl. Ross, S. A. (1973), S. 134-139, Mirrless, J. A. (1976), S. 105-131, Grossmann, S. J./Hart, O. D. (1983), S. 7-46, Jensen, M. C./Murphy, K. J. (1990a), S. 225-264. Vgl. Bebchuk, L. A./Fried, J. M./Walker, D. I. (2002), S. 3. Vgl. Bebchuk, L. A./Fried, J. M./Walker, D. I. (2002), S. 33. Vgl. Bebchuk, L. A./Fried, J. M./Walker, D. I. (2002), S. 33.

33

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

nicht das Instrument der Aktienoptionen an sich, sondern die konkrete Ausgestaltung vieler Optionsprogramme auf Kritik. Diese konzentriert sich auf vier Ausgestaltungsschwächen144: (1) 95% der 250 größten US-Firmen erlauben die Einstreichung von Windfall Profits infolge industriespezifischer oder allgemeiner Kurssteigerungen, die nicht auf den Einfluss des Managers zurückzuführen sind.145 (2) Die Ausübungsperiode ist zu kurz, so dass Manager bereits nach kurzer Zeit neue Optionen erhalten oder aber der Ausübungspreis wird an fallende Marktpreise angepasst. Beide Fälle führen dazu, dass der Wert der Optionen mehr von der Volatilität der Aktie und weniger von der wirklichen fundamentalen Wertentwicklung abhängt.146 Auch ist eine Halteperiode der Aktien häufig sehr kurz oder gar nicht vorgeschrieben, so dass ein langfristiger Anreizeffekt nicht besteht. (3) Die Ausübungspreis ist zu niedrig. Manager streichen bereits bei minimalen Kursgewinnen der Aktie Gewinne ein. Der Ausübungspreis der Optionen ist gleich oder minimal höher als der Preis der Aktie bei Gewährung der Optionen.147 (4) Die meisten Firmen verbuchen die Kosten für Aktienoptionen nicht als Aufwand und belasten somit nicht die Gewinnsituation. Dies führt zu Intransparenz und erhöht die Selbstbedienungsmentalität vieler Direktoren und Manager, da Aktienoptionen häufig als kostenlos dargestellt werden. Die erwähnten Kritikpunkte führten bereits zur Abschaffung von Aktienoptionsprogrammen durch einige große Unternehmen. So kündigte beispielsweise Microsoft im Jahr 2003 an, in Zukunft keine Aktienoptionen, sondern nur noch Restricted Stocks an die Mitarbeiter auszugeben.148 Die korrekte Ausgestaltung von Aktienoptionsprogrammen oder aber die Verwendung alternativer Vergütungsoptionen, wie z.B. Restricted Stocks ist notwendig, um einen stärkeren Abgleich der Interessen von Management und Aktionären zu erzielen. Neben der wertsteigerungsorientierten Bezahlung von Managern kann ein Anreizeffekt auch von deren Aktienbesitz ausgehen. Empirische Untersuchungen wiesen nach, dass ein hoher Anteilsbesitz des Managements zu effizienterem Handeln anreizt.149 Manche Firmen haben daher Target Ownership Plans eingerichtet. Diese verlangen von den Managern, eine bestimmte Anzahl von Aktien zu halten. Die Ziele sind jedoch generell niedrig und die Umsetzung wird nicht

144 145 146 147 148 149

34

Vgl. Bebchuk, L. A./Fried, J. M./Walker, D. I. (2002), S. 46 ff. Vgl. auch Wenger, E./Kaserer, C./Knoll, L. (1999), S. 35-38. Levinsohn, A. (2001), S. 81. Vgl. Brenner, M./Sundaram, R. K./Yermack, D. (2000), S. 103 ff. So legte Infineon im Jahr 2002 beispielsweise ein Optionsprogramm auf, dass ein Renditeziel von 5% in 7 Jahren hat, d.h. 0,7% pro Jahr, vgl. Union Investment (2003). Die Ankündigung erfolgte am 8.7.2003 und wurde z.B. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung diskutiert. Vgl. z.B. Denis, D./Denis, D./Sarin, A. (1997), S. 140 ff. Die Autoren weisen nach, dass Firmen mit hohem Anteilsbesitz der Manager und Direktoren weniger wertreduzierende Diversifikation betreiben.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

konkret nachgehalten.150 Generell ist somit der Anteilsbesitz von Managern zu niedrig, so dass sich von keiner ausreichenden Anreizwirkung ausgehen lässt.151 Zusammenfassend kann als Ergebnis festgehalten werden, dass weder die Kontroll- noch die Anreizstrukturen in ihrer heutigen Anwendung in der Lage sind, die Interessen von Managern und Aktionären wirklich anzugleichen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass erhebliche Interessensunterschiede existieren. Desinvestitionen zeigen unter den Unternehmenstransaktionen Disziplinierungswirkungen am deutlichsten auf.152 Untersuchungen über Desinvestitionen eignen sich demnach prinzipiell gut, die Wirksamkeit unterschiedlicher Kontrollstrukturen zu analysieren. Desinvestitionen können je nach Kontroll- und Anreizstruktur dem Nutzen der Manager oder dem Nutzen der Aktionäre dienen. Der Kurseffekt einer Desinvestitionsankündigung kann demnach prinzipiell negativ oder positiv ausfallen.

3.3

Empirische Studien zu Kurseffekten von Desinvestitionen

3.3.1

Empirische Studien zu Selloffs

Tabelle 3.1 liefert eine Übersicht der wichtigsten Ereignisstudien zu Selloffs.153 In den USA weisen Selloffs durchschnittlich einen signifikant positiven Kurseffekt zwischen 0,5% und 2% auf. In Europa lässt sich ebenfalls ein mehrheitlich signifikant positiver Effekt um die 1% feststellen. Insgesamt scheinen somit die Kontroll- und Anreizstrukturen effizient genug zu sein, um wertsteigernde Desinvestitionen zu veranlassen. Die Bestimmungsgrößen der Wertsteigerung werden im anschließenden Kapitel 3.4 ausführlich analysiert.

150

151 152 153

Vgl. Core, J. E./Larcker, D. (2002), S. 320-325. Die Autoren ermitteln dennoch einen positiven Einfluss der Target Stock Ownership Plans auf die Kursentwicklung. Vgl. Jensen, M. C./Murphy, K. J. (1990a), S. 225. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 55. Für weitere Ereignisstudien zu Kursauswirkungen von Selloffs im US-Markt vgl. Kummer, D. R. (1978), S. 130-136, Linn, S.C./Rozeff, M.S. (1984), S. 17-26, Black, B.S./Grundfest, J.A. (1988), S. 5-15, Slovin, M. B./Sushka, M. E./Polonchek, J. A. (1991), S. 237-255, Blumberg, A./Owers, J. E. (1996), S. 67-87, Roy, L.D./Manley, J.F. (1997), S. 219-236, Kim, Y. (1997), S. 419-437, Pulvino, T. C. (1998), S. 939-978.

35

3 Wertsteigerung durch Desinvestition Autor US Boudreaux, K. J. (1975) Montgomery, C./Thomas, A./Kamath, R. (1984) Alexander, G. J./Benson, P. G./Kampmeyer, J. M. (1984) Rosenfeld, J. (1984) Hearth, D./Zaima, J.K. (1984) Jain, P. C. (1985) Zaima, J, K./Hearth, D. (1985) Klein, A. (1986) Hearth, D./Zaima, J.K. (1986) Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987) Tehranian, H./Travlos, N.G., Waegelein, J.F. (1987) Hirschey, M./Zaima, J. K. (1989) Hirschey, M./Slovin, M.B./Zaima, J.K. (1990) Denning, K.C./Shastri, K. (1990) Cakici, N./Hessel, C./Tandon, K. (1991) Sicherman, N. W./Pettway, R. H. (1992) Servaes, H./Zenner, M. (1994) Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994) Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995) John, K./Ofek, E. (1995) Slovin, M./Sushka, M/Ferraro, S. (1995) Loh, C./Bezjak, J.R./Toms, H. (1995) Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996) Guedes, J./Parayre, R. (1997) Hanson, R. C./Song, M. H. (2000) Mulherin, J. H./Boone, A. L. (2000) Datta, S./Iskandar-Datta, M./Raman, K. (2003) UK Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992) Padmanabhan, P. (1993) Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995) Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996) Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001) Clubb, C./Stouraitis, A. (2002) Stouraitis, A. (2003) Kontinentaleuropa Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995) Corhay, A./Tourani Rad, A. (1996) Sentis, P. (1996) Eichinger, A. (2001) Löffler, Y. (2001) Bühner, R./Digmayer, J. (2003)

Zeitraum

N

EreignisFenster

CAR (%)

Sig. 154

1965-1970 138 1976-1979 78 1964-1973 53

[-3,1] 155 6,08 [-12,12] 156 7,25 [-1,0] 0,40

n.a. * *

1969-1981 1979-1981 1976-1978 1975-1982 1970-1979 1975-1982 1963-1981 1974-1982

[-1;0] [-5,5] [-5,-1] [-1,0] [-2;0] [-1,0] [-1,0] [-1,0]

*** *** *** *** *** *** ***

1975-1982 1975-1982 1970-1990 1982-1987 1981-1987 1979-1988 1979-1988 1984-1989 1986-1988 1980-1991 1980-1987 1983-1990 1967-1987 1981-1995 1990-1999 1982-1992

62 58 1069 79 202 75 55 80157 66 64 75 50 149 278 210 62 93 258 179 59 73 370 326 139 113

[-1,0] [-1,0] [-6,6] [0,1] [-1,0] [-1,0] [-1,0] [-1,0] [-2,0] [0,1] [-1,0] [-1,0] [-1,0] [-1,1] [-1,1] [-1,0]

2,33 3,55 0,7 positiv 1,12 1,43 1,66 -0,15 0,65 1,64 1,46 -1,37 1,22 0,92 1,08 0,01 1,41 1,50 1,70 1,50 1,05 1,60 0,60 2,60 1,63

*** *** *** * *** *** ** *** ***

1985-1986 1983-1992 1984-1987 1985-1986 1984-1994 1984-1994 1984-1994

178 46 76 142 590 187 509

[-1] [1] [-1,0] [-1,0] [-1,0] [-1,0] [-1,0]

0,85 0,86 1,33 0,82 1,20 1,10 1,30

*** *** n.a. *** *** n.a. ***

1984-1993 1984-1992 1984-1992 1989-1993 1988-1992 1992-1997 1985-1996 1992-1999

D [36] F [46] SWE [30] NL [133] F [71] D [123] D [92] US/EU[92]

[-15,0]

0,69 1,44 3,09 0,91 0,72 1,09 -0,12 n.a.

n.a.

[-1,0] [-1] [-1,0] [-3,1] [-2,2]

*** *** *** *** *** ***

** *** ** ***

*,**,*** Signifikanz für Į=10%, 5%, 1%

Tabelle 3.1: Studienübersicht Selloffs

154 155 156 157

36

*** Signifikant auf 1% Niveau, ** signifikant auf 5% Niveau, * signifikant auf 10% Niveau. Monatsrendite auf Basis der Ereignisperiode [-3 Monate,1 Monat]. Monatsrendite auf Basis der Ereignisperiode [-12 Monate,12 Monate]. Die Autoren untersuchen zwei Subgruppen: Firmen ohne langfristigen Vergütungsplan für Manager (N=80) und Firmen mit langfristigem Vergütungsplan für Manager (N=66).

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

3.3.2 Empirische Studien zu Unit Buyouts Die empirischen Studien zu Kurseffekten von Unit Buyouts kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen für die USA und für Europa. Während Unit Buyouts in den USA im Durchschnitt zu signifikant positiven abnormalen Renditen um die 1% führen, ermittelt Briston et al (1997) für UK einen signifikant negativen Kurseffekt von -1,18%. Stouraitis (2003) ermittelt für UK eine nichtsignifikante abnormale Rendite. Autor

Zeitraum

N

Ereignis- CAR Fenster (%)

Sig. 158

US Hite, G./Vetsuypens, M. (1989)

1973-1985

MBO [151] Selloff [468] MBO [91] Selloff [187] 31

[-1,0]

** *** ** ***

[-1,0]

1981-1987

Inside [7]160 Outside [67] 97

1984-1989 1984-1994

Trifts, J./Sicherman, N./Roenfeld, R./de Cossio, F. (1990) Madden, G. P./Marples, L. W./Chugh, L. C. (1990) Lee, C. I/Rosenstein, S./Rangan, N./Davidson, W. N. (1992) Roenfeld, R./Sicherman, N./Trifts, J. (1992) UK Briston, R. J./Saadouni, B./Mallin, C. A./Coutts, J. A. (1992) Stouraitis, A. (2003)

1981-1985 1973-1978 1983-1989

[-1,0] [0] 159

0,55 1,12 0,80 0,73 1,60

[-1,0]

0,98 1,28 1,08

*** ***

65

[0]

-1,18

***

91

[-1,0]

0,7

*,**,*** Signifikanz für Į=10%, 5%, 1%

Tabelle 3.2: Studienübersicht Unit Buyouts

3.4

Bestimmungsgrößen der Wertsteigerung bei Desinvestitionen

Das folgende Kapitel analysiert primäre und sekundäre Bestimmungsgrößen der Wertsteigerung bei Desinvestitionen. Effizienz-, Finanzierungs-, Signaling- und Werttransfereffekte stellen die primären Erklärungshypothesen dar. Dazu kommt eine Reihe von sekundären Bestimmungsgrößen, die den Werteffekt einer Desinvestition beim Verkäufer indirekt beeinflussen können. Effizienzeffekte bei Käufer und Verkäufer und Finanzierungseffekte beim Verkäufer bewirken reale Wertsteigerungen, die auf fundamentalen Verbesserungen in den betroffenen Unternehmen basieren. Ursache der fundamentalen Verbesserungen sind häufig organisationsökonomische Veränderungen in den Unternehmen. Signaling- und Werttransfereffekte bewirken dagegen keine reale Wertgenerierung im Unternehmen. Signalingeffekte führen zu einer Neubewertung des 158 159 160

*** Signifikant auf 1% Niveau, ** signifikant auf 5% Niveau, * signifikant auf 10% Niveau. Monatsrendite im Ereignismonat [0]. Die Autoren untersuchen zwei Subgruppen: Inside Dominated Boards (N=7) und Outside Dominated Boards (N=67).

37

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Verkäufers durch den Kapitalmarkt infolge zusätzlicher Informationen. Sie setzen einen ineffizienten Kapitalmarkt voraus. Bei einem Werttransfer kommt es zu Wertsteigerungen beim Verkäufer zu Lasten anderer Stakeholder. Abbildung 3.4 gibt schematisch das Zusammenwirken der fundamentalen Wertsteigerungseffekte wieder. FUNDAMENTALE WERTSTEIGUNGSEFFEKTE VON DESINVESTITIONEN

Maximales Wertsteigerungspotential für desinvestierendes Unternehmen

Wert mit Finanzierungseffekten beim Verkäufer

Wert mit Effizienzeffekten beim Verkäufer

Maximaler Wert für Käufer Wert mit Effizienz-Effekten beim Käufer

MindestKaufpreis

Potentieller Wert des Teilunternehmens innerhalb des Verkäufers Aktueller Wert des Teilunternehmens innerhalb des Verkäufers

Source: Eigene Darstellung in Anlehung an Graml (1996), S. 92, Emans (1988), S. 118

Abbildung 3.4: Wertsteigerungspotentiale durch Desinvestitionen

Der zu verkaufende Unternehmensteil besitzt einen aktuellen Wert x innerhalb der Unternehmensstruktur des Verkäufers. Durch interne Verbesserungspotentiale lässt sich der Wert des Unternehmensteils auf einen maximalen Wert y beim Verkäufer erhöhen. Dieser Preis stellt den Mindestverkaufspreis dar. Der Verkaufspreis erhöht sich bis zum maximalen Verkaufspreis, falls sich Effizienzeffekte beim Käufer ergeben und der Verkäufer diese im Rahmen der Verkaufsverhandlungen komplett oder zumindest teilweise vereinnahmen kann. Die weiteren Wertsteigerungseffekte haben einen vom Verkaufspreis unabhängigen Effekt auf die Bewertung des Verkäufers. Eine Fokussierung im Rahmen einer Kerngeschäftsstrategie führt gegebenenfalls zum Abbau negativer Synergien zwischen Zielfirma und verbleibenden Assets beim Verkäufer. Die verbleibenden Assets können nach dem Abgang effizienter betrieben werden. Der Verkauf verlustbringender Unternehmensteile zieht den Abbau negativer Beeinflussungskosten161 und eine daraus folgende größere Effizienz der verbleibenden Unternehmensteile nach sich. Der Zufluss von Geldmitteln bringt Wertsteige161

38

Vgl. Meyer, M./Milgrom, P./Roberts, J. (1992), S. 15-20.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

rungen mit sich, falls Kosten einer finanziellen Notlage reduzierbar sind oder dadurch das Problem der Unterinvestition vermieden wird. 3.4.1 Effizienzeffekte beim Käufer Unternehmensaktiva befinden sich optimalerweise im Besitz desjenigen Unternehmens, das diese am effizientesten zu betreiben vermag.162 Manager sollten nur solche Unternehmensteile behalten, für die sie einen komparativen Wettbewerbsvorteil besitzen. Sobald ein anderes Unternehmen diese Unternehmensteile effizienter managen kann, ist eine Desinvestition in Betracht zu ziehen. Die Aktionäre des Verkäufers profitieren dabei über den Verkaufspreis von EffizienzVerbesserungen beim Käufer. Dies wird im Laufe der Arbeit als Effizienzhypothese bezeichnet. Selloffs an strategische Investoren führen zu einem Zusammenschluss des desinvestierten Unternehmensteils mit den Unternehmensaktiva des Käufers. Somit können in erster Linie Synergieeffekte zwischen Zielfirma und bestehenden Aktiva des Käufers effizienzsteigernd wirken. Mögliche Synergieeffekte bei Selloffs kommen in Kapitel 3.4.1.1 ausführlich zur Sprache. Bei Unit Buyouts wird der desinvestierte Unternehmensteil dagegen als Einzelunternehmen weitergeführt. Synergieeffekte lassen sich nicht zur Erklärung von Effizienzsteigerungen heranziehen. Bei Unit Buyouts entstehen Effizienzeffekte aus der Anreizwirkung der Eigenkapitalbeteiligung, der Kontrollwirkung durch aktive Eigenkapitalgeber, der Disziplinierungswirkung der Verschuldung und durch Parenting-Effekte. Mit den Buyout-spezifischen Effizienzfaktoren befasst sich Kapitel 3.4.1.2 ausführlich. John/Ofek (1995) finden einen direkten Hinweis auf den Erklärungsgehalt von Effizienzsteigerungen beim Käufer auf den Ankündigungseffekt beim Verkäufer. Sie zeigen, dass der Verkäufer dann von einem positiveren Ankündigungseffekt profitiert, wenn Effizienzeffekte beim Käufer zu erwarten sind. Dies trifft dann zu, wenn die Branche von Käufer und Zielfirma übereinstimmt oder wenn der Käufer aus Private Equity Firmen besteht.163 Kaiser/Stouraitis (2001) und Clubb/Stouraitis (2002) finden einen signifikanten Einfluss des Buchgewinnes einer Transaktion bzw. der Profitabilität auf die abnormale Rendite des Verkäufers.164 Dies lässt sich als Teilnahme des Verkäufers an Effizienzgewinnen beim Käufer über den Verkaufspreis interpretieren und liefert zumindest indirekt Hinweise auf die Stichhaltigkeit der Effizienz-Argumentation.

162 163 164

Vgl. Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 232. Vgl. John, K./Ofek, E. (1995), S. 120. Vgl. Die Selloff Profitabilität ist definiert als Differenz von Verkaufspreis und aktuellem Wert der Zielfirma für den Verkäufer. Dieser aktuelle Wert ist eine Funktion von erzielten operativen Gewinnen und dem Buchwert für den Verkäufer, vgl. Clubb, C./Stouraitis, A. (2002), S. 671 ff.

39

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

3.4.1.1 Synergieeffekte bei Selloffs Bei Akquisitionen kompletter Unternehmen bezahlt der Käufer hohe Übernahmeprämien von durchschnittlich 20%-50% auf den Börsenkurs der Zielfirma. Diese begründet der Käufer in der Regel mit erwarteten Synergieeffekten. Autor

Zeitraum

N

Kummer, D./Hoffmeister, R. (1978) Bradley, M. (1980),

1956-1974

Jarrell, G. E./Poulsen, A. B. (1989) Servaes, H. (1991) Kaplan, S./Weisbach, M. (1992) Cotter, J. F./Shivdasani, A./Zenner, M. (1997) Mulherin, J. H./Boone, A. L. (2000)

1963-1989

Erfolgreich [50] Nicht erfolgr. [38] Erfolgreich [161] Nicht erfolgr. [97] 526

1972-1987 1971-1982 1989-1992

1962-1977

1990-1999

EreignisFenster [-15,15]

CAR

[-20,10]

16,85 21,09 32,18 47,26 28,99

704 271

[AD, ED] [-5,5]

23,64 26,90

Independ. Board [47] Depend. Board [122] 376

[-30,0] 165

53,7 44,8 21,20

[-20,20]

[-1,1]

Tabelle 3.3: Übernahmeprämien

Neben Synergieeffekten bieten sich auch Werttransferhypothesen zur Erklärung der Übernahmeprämien an. Die Werttransfer-Hypothesen sagen aus, dass durch die Übernahme kein realer Wert geschaffen wird und der Wertgewinn bei der Zielfirma durch Wertverluste Anderer entsteht. Besonders ein möglicher Werttransfer vom Käufer an die Aktionäre der Zielfirma wird kontrovers diskutiert.166 Die Existenz eines realen Wertzuwachses als gewichtete Summe aus Käufer- und Verkäufergewinnen ist empirisch umstritten.167 Effizienzgewinne durch Synergieeffekte beim Käufer sind somit bei Übernahmen kompletter Unternehmen nicht eindeutig nachweisbar. Eine Desinvestition lässt sich als eine Übernahme eines Unternehmensteils sehen, so dass Wertsteigerungen für den Verkäufer wie Wertsteigerungen für Zielfirmen bei kompletten Unternehmensübernahmen analysierbar sind. Empirischen Ergebnissen zufolge erzielen Käufer von desinvestierten Unternehmensteilen im Durchschnitt signifikant positive Kurseffekte. Diese sind jedoch geringer als bei den Verkäufern der gleichen Assets. Der Gesamteffekt als Summe der Wertveränderung für Käufer und Verkäufer ist ebenfalls bei der Mehrzahl der Studien positiv.

165 166 167

40

Es handelt sich um den Vergleich des angebotenen Übernahmepreises mit dem Marktpreis 30 Tage vor Ankündigung. Vgl. Jensen, M. C./Ruback, R. S. (1983), S. 14, Roll, R. (1986), S. 206 ff. Vgl. Roll, R. (1986), S. 202 ff., Shleifer, A./Vishny, R. W. (2003), S. 295 ff.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition Autor

Zeitraum

N

Ereignis- CAR Fenster (%)

Sig.168

Gesamtwerteffekt169

US Rosenfeld, J. (1984) Jain, P. C. (1985) Hearth, D./Zaima, J.K. (1986) Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987) Sicherman, N. W./Pettway, R. H. (1992) John, K./Ofek, E. (1995) Hanson, R. C./Song, M. H. (2000) Mulherin, J. H./Boone, A. L. (2000) Datta, S./Iskandar-Datta, M./Raman, K. (2003)

1963-1981 1976-1978 1975-1982 1963-1978 1981-1987 1986-1988 1981-1995 1990-1999 1982-1992

30 304 73 51 278 167 326 83 96

[-1,0] [-1] [-1,0] [-1,0] [-1,0] [-2,0] [-1,1] [-1,1] [-1,0]

*** **

n.a. n.a. n.a. n.a. positiv170 n.a. sig. pos. sig. pos. null

2,10 0,34 0,25 0,83 0,50 0,40 0,48 1,34 0,18

** ** ** ***

*,**,*** Signifikanz für Į=10%, 5%, 1%

Tabelle 3.4: Studienübersicht Kurseffekt für den Käufer und Gesamtwerteffekt

Insgesamt sprechen die Ergebnisse für reale Effizienzeffekte beim Käufer und gegen einen reinen Werttransfer bei Selloffs. Vertreter der Effizienz-Hypothese sehen in Übernahmen eine effiziente unternehmerische Aktivität, die Assets einer produktiveren Verwendung zuführt.171 Da Effizienzgewinne in erster Linie von Synergieeffekten beim Käufer abhängen, wird im Folgenden das Konzept der Synergie detaillierter analysiert. Den Begriff der Synergie handhabt man in Literatur und Praxis häufig sehr unterschiedlich. Gemeinsamer Bestandteil der meisten Definitionen ist jedoch die klare Festlegung, dass Synergien bei einer Unternehmensakquisition nur durch die Kombination von Käufer und Akquisitionsobjekt entstehen können.172 Roll (1988) fordert daher, dass man alle Effekte von vorneherein als Synergieeffekte ausschließen kann, die den gleichen Wertzuwachs der Zielfirma auch ohne Übernahme durch den Käufer bewirken könnten.173 Die Synergiedefinitionen basieren weiterhin auf der Forderung, dass der Wert der Gesamtheit immer größer ist als die Summe der Werte der Einzelteile. Ansoff beschreibt dies mit der plakativen Formel "2+2=5".174 Diese Definition suggeriert jedoch irreführenderweise, dass Synergieeffekte immer positiv sind und zwangsläufig auftreten.175 Positive Synergien ergeben sich nicht von selbst, sie müssen aktiv gemanagt werden. Die Umwandlung von Synergiepotentialen in reale Synergien geht mit erheblichem Integrationsaufwand einher. Von den maximal erreichbaren Brutto-

168 169 170 171 172 173 174 175

*** Signifikant auf 1% Niveau, ** signifikant auf 5% Niveau, * signifikant auf 10% Niveau. Gesamtwerteffekt für Verkäufer und Käufer. Berechnet als gewichteter CAR oder als absolute Dollar-Überrendite. Signifikanz des Ergebnisses wurde nicht angegeben. Vgl. Jarrell, G. E./Brickley, J. A./Netter, J. N. (1988), S. 58. Vgl. Scholz, J. (2000), S. 156. Vgl. Roll, R. (1988), S. 245. Vgl. Ansoff, H.I. (1965), S. 97 ff. Vgl. Reissner, S. (1992), S. 105.

41

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Synergien sind daher die Integrationskosten abzuziehen, um zu den letztlich entscheidenden Netto-Synergien zu gelangen.176 Das Konzept der Synergie ist ein Kernbestandteil des ressourcenorientierten Ansatzes seit der wegweisenden Arbeit von Penrose (1959).177 Penrose klassifizierte zwei verschiedene Arten von Synergien, allerdings ohne exakt dieses Wort zu verwenden: gemeinsame Nutzung von Ressourcen (Asset Sharing) und Übertragung von Ressourcen (Asset Transfer). Penrose interessierte sich dabei in erster Linie für die Übertragung von überschüssigen Ressourcen, insbesondere Management-Ressourcen. In seinem vielzitierten Beitrag stellte Porter (1987a) klar, dass Asset Sharing und Asset Transfer grundsätzlich die einzigen Synergien in Unternehmen sind.178 Ansoff (1965) führte den eigentlichen Begriff der Synergie in das Feld des strategischen Managements ein. Er definierte Synergie als Superadditivität in der ROI-Funktion: 179 ROI (a, b) ! ROI (a)  ROI (b)

(3.6)

Gemäß der Definition des ROI können Synergien nicht nur durch eine Kostenreduktion, sondern auch durch eine Erhöhung des Umsatzes oder eine Verringerung der Investitionssumme entstehen. ROI

U K I

(3.7)

mit: U = Umsatz K = Kosten I = Investitionen Ansoff unterscheidet vier Arten der Synergie. Verkaufs-Synergie entsteht durch gemeinsame Aktivitäten im Absatzbereich, z.B. durch gemeinsame Nutzung der Vertriebskanäle. Sie hat sowohl positive Kosten- als auch Umsatzeffekte. Produktions-Synergie beruht auf der gemeinsamen Nutzung von Produktionsmitteln und führt in erster Linie zu Kostenreduktionen. Investitions-Synergie bewirkt durch gemeinsam genutzte produktive Assets eine Verringerung der notwendigen Investitionen. Die Management-Synergie als vierte Synergiequelle lässt sich nicht direkt aus der ROI-Formel ableiten. Ansoff betont den Effekt der Management-Synergie am Gesamteffekt. Diese Art der Synergie ergibt sich, wenn kompetente Manager beim Eintritt in einen neuen Markt ihre Fähigkeiten auf ähnliche Problemstellungen auszuweiten vermögen.

176 177 178 179

42

Vgl. Paprottka, S. (1996), S. 65. Vgl. Penrose, E. T. (1959). Vgl. Porter, M. E. (1987), S. 14. Vgl. Ansoff, H.I. (1965), S. 77 ff.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

In den nachfolgenden Jahren wurden weitere Synergietypologien entwickelt, die über die grundlegenden Ansätze von Penrose (1959) und Ansoff (1965) hinausgehen. In der neueren Literatur setzte sich eine Unterteilung von Synergien in Leistungssynergien, Marktsynergien und Finanzsynergien durch.180 Diese Strukturierung liegt auch der nachfolgenden Betrachtung von Synergieeffekten beim Käufer zugrunde. (1) Leistungswirtschaftliche Synergieeffekte Leistungswirtschaftliche Synergieeffekte betreffen in erster Linie das operative Geschäft.181 Sie bergen Potentiale zur Verringerung der Kostenbasis und zur Erhöhung des Umsatzes und materialisieren sich durch Integration und gemeinsame Nutzung von direkten und indirekten Funktionen der Wertschöpfungskette sowie durch Know-how Transfer.182 Bei vertikalen Zusammenschlüssen beruhen sie auf einer effizienteren Koordination und werden als Economies of Scheduling bezeichnet.183 Die Verringerung der Kostenbasis basiert auf Skaleneffekten (Economies of scale) oder auf Verbundeffekten (Economies of Scope). Economies of scale liegen vor, wenn durch die Erhöhung der Ausbringungsmenge eines Produktes die Stückkosten sinken. Sie beruhen auf der Fixkostendegression und auf Spezialisierungsvorteilen bei hohen Volumina und ziehen in der Regel auf der Erfahrungskurve beruhende Lerneffekte nach sich. Skaleneffekte treten auf, wenn der Käufer und die Zielfirma identische Produkte produzieren. Neben dem Produktionsbereich sind sie aber prinzipiell in allen direkten und indirekten Funktionsbereichen des Unternehmens denkbar. Die Größenvorteile nehmen jedoch oberhalb einer kritischen Größe ab. Dagegen können sie eine verstärkte Bürokratisierung und eine Vergrößerung des Risikos gerade bei Neuprodukteinführungen mit sich bringen.184 Economies of Scope lassen sich als Subadditivität in der Kosten-Funktion definieren:185 C (a, b)  C (a)  C (b)

(3.8)

Infolge von Verbundeffekten sind die Gesamtkosten der Produktion eines Produktprogramms in einem Unternehmen geringer als die Produktionskosten der 180

181 182 183 184 185

Vgl. Perin, S. (1996), S. 12-44, Scholz, J. (2000), S. 156-200, Chatterjee, S. (1986), S. 123-125. Coenenberg, A.G./Sautter, M.T. (1988), S. 698 f. unterscheiden dagegen nur zwischen güterwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Synergien, vgl. Coenenberg, A.G./Sautter, M.T. (1988), S. 698 f. Penrose, E. T. (1959) bezeichnet diese als Economies of Operation. Vgl. Perin, S. (1996), S. 15 ff. Vgl. Scholz, J. (2000), S. 157. Vgl. Koegeler, R. (1992), S. 55 f. Vgl. Teece, D. J. (1982), S. 224.

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einzelnen Produkte bei getrennter Herstellung. Economies of Scope, basierend auf generischen materiellen Produktionsfaktoren, sind durch Wettbewerber imitierbar und bewirken nur kurzfristige Wettbewerbsvorteile. Werden dagegen strategische Aktiva gemeinsam genutzt, gehen damit langfristige Wettbewerbsvorteile einher.186 Es kommt zur Akkumulierung strategischer Assets.187 Verbundeffekte sind in Redundanzeffekte und Know-how Effekte untergliederbar.188 Redundanzeffekte entstehen, wenn Ressourcen nach der Übernahme doppelt vorhanden sind und zumindest bei einem Akquisitionspartner Überkapazitäten existieren bzw. die Ressourcen kosteneffizient erweiterbar sind. In diesem Fall können Teile der Leistungserbringung zusammengelegt werden, so dass die redundanten Kapazitäten abgebaut werden können. Klassische Beispiele stellen die gemeinsame Nutzung des Vertriebspersonals oder die gemeinsame Nutzung von Produktionskapazitäten dar. Know-how Effekte entstehen durch Know-how Transfer zwischen den beteiligten Unternehmen.189 Zum einen kann der effizientere Unternehmensteil Wissen an den weniger effizienten Teil weitergeben, zum anderen vermögen sich beide Teile auch gegenseitig zu befruchten. Ein Beispiel für den zweiten Fall ist die Zusammenarbeit zweier Forschungsabteilungen. Hierbei kommt es eventuell durch Zugang zum Wissen des Transaktionspartners in beiden Forschungsabteilungen zu Effizienzsteigerungerungen und Kostensenkungen. Außer Economies of Scope, die zu Kostensenkungen führen, bewirken Leistungssynergien gegebenenfalls auch positive Umsatzeffekte. So treten beispielsweise Markterweiterungseffekte im Absatz auf, wenn sich die Produkte eines Unternehmens an die Kunden des anderen Unternehmens verkaufen lassen (Cross-Selling) oder wenn es gelingt, neue Kunden durch eine gemeinsame Marktbearbeitung zu gewinnen (z.B. durch One-Stop Shopping komplementärer Produkte). One-Stop Shopping ist ein einfaches Beispiel für das Konzept der Komplementarität.190 Komplexere Formen von Komplementarität entstehen, wenn die Verstärkung einer Aktivität den Ertrag der Verstärkung einer anderen Aktivität erhöht und vice versa.191 Ein Beispiel ist die Beziehung eines starken Markennamens mit der Qualität der Entwicklungsabteilung. Wurde in der Vergangenheit stark in die Entwicklung der Marke investiert, so führt eine erfolgreiche Neuproduktentwicklung zu höheren Umsatzpotentialen. Gleichermaßen 186

187 188 189 190 191

44

Strategische Assets sind solche, die die Kostenführerschafts- oder Differenzierungsstrategie des Unternehmens unterstützen und nur unperfekt imitierbar, ersetzbar und handelbar sind. Vgl. Markides, C.C./Williamson, P.J. (1996), S. 341. Vgl. Markides, C.C./Williamson, P.J. (1994), S. 152 ff. Vgl. Perin, S. (1996), S. 16. Porter bezeichnet dies als Transfering Skills, vgl. Porter, M. E. (1987), S. 14. Vgl. Foss, N.J./Iversen, M. (1997), S. 8. Vgl. Milgrom, P./Roberts, J. (1995), S. 181, Porter, M. E. (1996), S. 70.

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wird die Marke durch die Entwicklung hochwertiger Produkte mit starker Differenzierung gegenüber der Konkurrenz noch wertvoller. Das Konzept der Komplementarität überwindet einen wichtigen Kritikpunkt an der Synergiedefinition von Ansoff, nämlich das Auslassen von Effekten zwischen Aktivitäten, die in zeitlicher Folge ablaufen. Umsatzeffekte können ebenfalls durch Know-how Transfer entstehen. So führt die Übertragung von Marketing Know-how auf den Unternehmensteil mit weniger ausgeprägten Marketing-Fähigkeiten unter Umständen direkt zu Umsatzsteigerungen. (2) Marktsynergien Marktsynergien entstehen durch die Erhöhung der Marktmacht eines oder beider beteiligten Unternehmen.192 Marktmacht bezeichnet die Fähigkeit eines Unternehmens, die Wettbewerbskräfte auszuschalten oder zumindest einzuschränken. Sie ist somit Ausdruck eines kompletten oder teilweisen Marktversagens. Die Vorteile der Markmacht werden nicht an den Markt weitergegeben, sondern verbleiben allein beim Unternehmen.193 Marktliche Synergien können sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Absatzseite auftreten. Beschaffungssynergien entstehen durch Nachfragermacht bei einer Zusammenlegung der Beschaffungsaktivitäten. Die Erhöhung der Bestellmenge erlaubt es dem Unternehmen, Druck auf die Zulieferer auszuüben und Konditionen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Beschaffungssynergien ziehen unabhängig von ihrem Ursprung eine Verringerung der Stückkosten nach sich. Absatzsynergien durch Monopol-194 bzw. Oligopoleffekte195 entstehen ebenfalls durch eine Einschränkung des Wettbewerbs. Höhere Marktmacht geht mit einer verbesserten Verhandlungsposition gegenüber den Kunden einher, die es dem Unternehmen erlaubt, höhere Preise infolge der gesunkenen Nachfrageelastizität durchzusetzen. Trotz der überzeugenden theoretischen Fundierung ließen sich Marktsynergien empirisch nicht nachweisen.196 Dies spricht auch für die Effektivität der Kartellämter als Kontrollinstanzen. Letztlich ausschlaggebend für die Entstehung von Leistungs- und Marktsynergiepotentialen ist die Übereinstimmung in der Wertschöpfung der Akquisitions192 193

194

195 196

Vgl. Scholz, J. (2000), S. 183. Es kommt zu einem Werttransfer von den Kunden zu den Aktionären des Unternehmens. Streng genommen zählen daher Marktsynergien zu den Werttransfer-Hypothesen und nicht zur EffizienzHypothese. Monopoleffekte werden im Modell der dominanten Unternehmung (Dominant Firm) beschrieben. Vgl. z.B. Landes, W. M./Posner, R. A. (1981), S. 944 ff. Oligopoleffekte werden im Modell kollusiven Verhaltens (Tacit Collusion) beschrieben; vgl. z.B. Stigler, G. J. (1968), S. 39-63. Vgl. z.B. Eckbo, B. E. (1983), S. 241-273, Stillman, R. (1983), S. 225-240. Beide Studien stellen keine Marktmachteffekte bei horizontalen Zusammenschlüssen fest.

45

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partner. Die Übereinstimmung bei Märkten, Kunden und Produkten bezeichnet man als Business-Fit.197 Ein guter Business-Fit der Transaktionspartner führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu höheren Markt- und Leistungssynergien als eine Übernahme eines komplett unverwandten Unternehmensbereichs. Bei unverwandten Bereichen beschränken sich Synergien häufig auf Kosteneinssparungen durch gemeinsame Durchführung von indirekten Wertschöpfungsaktivitäten. Im empirischen Teil der Arbeit werden mögliche Synergiepotentiale daher durch das Vorhandensein eines Business-Fit abgeschätzt. (3) Finanzwirtschaftliche Synergien Finanzwirtschaftliche Synergieeffekte bei Unternehmensakquisitionen lassen sich im Wesentlichen in zwei Arten unterscheiden.198 Der erste Effekt entsteht bei nicht perfekter Korrelation der Cashflows der Unternehmensteile, d.h. gerade dann, wenn der Business-Fit schwach ausgeprägt ist. Dies führt zu einer Verringerung der Ertragsschwankungen. Da ein Unternehmensteil bei Bedarf die Zahlungsfähigkeit der anderen sicherstellen kann, nimmt das Kreditausfallrisiko der Fremdkapitalgeber ab. Man spricht vom Coinsurance Effekt.199 Die Fremdkapitalgeber erreichen im Gegensatz zu den Aktionären der Unternehmung diesen Risikoausgleich nicht selbst durch Portfoliobildung, da die einzelnen Portfoliounternehmen nicht gegenseitig haften. 200 Bei geringerem Risiko werden die Fremdkapitalgeber einer Ausdehnung des Kreditvergabevolumens zu günstigeren Konditionen zustimmen201 Die höhere Verschuldung führt zum Leverage Effekt. Dieser bezeichnet die Erhöhung der Eigenkapitalrentabilität durch Neuverschuldung, solange die Gesamtkapitalrentabilität über den Fremdkapitalkosten liegt.202 Bei Annahme eines perfekten Kapitalmarktes und fehlenden Steuern führt eine Erhöhung der Verschuldung jedoch zu keiner Unternehmenswertsteigerung. Die erhöhte Eigenkapitalrentabilität ist lediglich ein Ausgleich für das höhere systematische Risiko.203 Unter Berücksichtigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen ist jedoch durchaus ein wertsteigernder Effekt der Finanzierung realisierbar.204 Ein positiver Wertsteigerungseffekt der

197 198 199 200

201 202 203 204

46

Vgl. Perin, S. (1996), S. 19. Dazu kommen noch steuerliche Synergiepotentiale. Diese werden in Kapitel 3.4.5 unter den Werttransfereffekten vorgestellt. Vgl. Lewellen, W. G. (1971), S. 530, Seth, A. (1990), S. 432. Eine mögliche Minderung des unsystematischen Risikos ist für den Aktionär ohne Bedeutung, da dieser das spezifische Risiko selbst einfacher diversifizieren kann. Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 177. Vgl. Lewellen, W. G. (1971), S. 533. Vgl. Wöhe, G. (1996), S. 893. Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (1958), S. 267-276. Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (1963), S. 434.

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Verschuldung trifft für Deutschland prinzipiell ebenfalls zu, allerdings in geringerem Umfang.205 Der zweite Effekt besteht in der Verringerung der Kapitalbeschaffungskosten des Unternehmensbundes. Diese beruht auf der Tatsache, dass der kombinierte Kapitalbedarf beider Unternehmen zu geringeren Kosten gedeckt werden kann, wenn die Fixkosten nur einmal anfallen.206 Auch die Nutzung eines internen Kapitalmarktes207 senkt die Kapitalbeschaffungskosten, da Transaktionskosten eingespart werden. Ein interner Kapitalmarkt ermöglicht die Allokation von Kapital zwischen Unternehmenseinheiten mit der Unternehmensleitung als Kapitalgeber. Die Konzernzentrale wird zum Finanzintermediär. Die Vorteile eines solchen internen Kapitalmarktes bestehen bei effizientem Management weiterhin in Informationsvorteilen der Unternehmensführung gegenüber dem externen Kapitalmarkt. Dies führt im Fall ausreichender Kontrollanreize seitens des Konzernmanagements zu einer optimalen Ressourcenallokation und zur Vermeidung von Unterinvestition.208 Die Probleme eines internen Kapitalmarktes bei unzureichenden Kontrollanreizen kommen in Kapitel 3.4.2.1 im Rahmen möglicher Fokussierungseffekte zur Sprache. 3.4.1.2 Buyout-spezifische Effizienzeffekte Privatisierungs-Buyouts führen ähnlich wie Übernahmen kompletter Unternehmen durch strategische Investoren zu erheblichen Prämien für die Aktionäre des übernommenen Zielunternehmens. Autor

Zeitraum

N 72

EventFenster [-10,0]

CAR/Prämie (%) 28,3

DeAngelo, H./DeAngelo, L. E., Rice, E. M. (1984) Lowenstein, L. (1985) Torabzadeh, K. M./Bertin, W. J. (1987) Kaplan, S. (1989a) Lehn, K./Poulsen, A. (1989) Marais, L./Schipper, K./Smith, A. (1989)

1973-1980 1979-1984 1982-1985 1980-1986 1980-1987 1974-1985

28 48 76 257 80

[-30,ED] [-1,1] 210 [-2,ED] 211 [-20, ED] [-69,0]

58,0 209 22,5 34,2 36,1 212 23,0

Tabelle 3.5: Übernahmeprämien bei Going Private Buyouts

205 206 207 208 209 210 211 212

Vgl. Sautter, M. T. (1989), S. 151-154. Vgl. Scholz, J. (2000), S. 170. Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 144. Vgl. Kaserer, C./Ahlers, M. (2000), S. 546. Prämie des erfolgreichen Bid über den Marktpreis 30 Tage vor der ersten Ankündigung. Angabe in Monaten. Angabe in Monaten. Ereignisfenster 2 Monate vor Veröffentlichung bis zum Effective Date. Angabe der nicht marktbereinigten Prämie.

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Im Vergleich zu Übernahmen durch strategische Investoren lassen sich Synergieerwartungen jedoch nicht zur Begründung der Übernahmeprämien heranziehen. Trotz der gezahlten hohen Prämien realisieren die Buyout-Investoren im Durchschnitt ebenfalls hohe Gewinne.213 Ähnlich wie bei Selloffs eignet sich bei Buyouts neben einer Wertsteigerung durch Effizienzeffekte auch ein Werttransfer zur Begründung der Übernahmeprämien. Die Werttransfer-Hypothesen argumentieren, dass Buyouts keinen zusätzlichen realen Wert schaffen. Wertsteigerungen für einen Teil der Stakeholder werden durch Wertverluste anderer Stakeholder kompensiert. Werttransferhypothesen werden in Kapitel 3.4.5 ausführlich analysiert. Die Wertsteigerungshypothese dagegen besagt, dass es durch Buyouts zu Effizienzgewinnen kommt, die den Wert des Unternehmens nachhaltig steigern. Hebel zur realen Wertschöpfung in Buyout Transaktionen sind in primäre und sekundäre Wertschöpfungshebel unterteilbar. Primäre Hebel wirken direkt auf die Ertragskraft des Unternehmens. Hierunter fallen operative Effizienzsteigerungen, Financial Engineering und die Verbesserung der strategischen Positionierung. Sekundäre Hebel – in erster Linie eine Reduktion der Agency-Kosten und Parenting-Effekte – wirken sich indirekt über Beeinflussung der primären Hebel auf die Steigerung der Ertragskraft aus. Da sie die Ursachen für die möglich gewordene Durchführung der primären Wertsteigerungshebel darstellen, werden sie im Folgenden zuerst analysiert. (1) Indirekte (sekundäre) Wertschöpfungshebel Indirekte Wertschöpfungshebel motivieren ursächlich die Umsetzung der primären Wertschöpfungshebel. Insgesamt kann man vier Haupthebel unterscheiden. Die ersten drei lassen sich unter dem Ziel einer Reduktion der Agency-Kosten subsumieren. Sie wirken innerhalb des Unternehmens. Der vierte Hebel befasst sich mit der Tatsache, dass das erworbene Unternehmen Bestandteil des Portfolios des Finanzinvestors ist. Die Verringerung der Agency-Kosten im Zusammenhang mit Buyout Transaktionen steht seit jeher im Blickpunkt akademischer Forschungen. (a) Anreizwirkung für das Management Im Rahmen eines Buyouts kommt es in der Regel zu einer verbesserten Anpassung der Interessen von Eigenkapitalgebern und Managern. Dies beruht auf einem Carrot & Stick Anreizsystem für das Management. Durch einen Buyout steigt der Aktienanteil des Managements signifikant an.214 Dies motiviert die Manager zur Wertgenerierung (Carrot). Der hohe Verschuldungsgrad verlangt

213 214

48

Kaplan, S. (1989a), S. 95. Vgl. Kaplan, S. (1989a), S. 220.

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ein effizientes Management, um eine Insolvenz zu vermeiden. Bei Insolvenz verliert das Management seinen Eigenkapitaleinsatz, was dank verminderter persönlicher Diversifikation besonders schwer wiegt (Stick). Ein Management Buyout, der von den Altmanagern initiiert wurde, führt im Normalfall zu einer hohen Beteiligung der Manager. Kaplan (1988) ermittelt für Management Buyouts mit einem Kaufpreis von über $ 50 Mio. einen durchschnittlichen Eigenkapitalanteil der Manager von 31%.215 Für UK wurden je nach Größe des Buyouts Eigenkapitalanteile des Managements zwischen 20% und 60% ermittelt. Beträgt der Kaufpreis unter ǧ 10 Mio., so erwirbt das Management häufig die Eigenkapitalmehrheit.216 Die Finanzinvestoren sichern dem Management auch im Fall eines Institutional Buyout in der Regel einen geringen Eigenkapitalanteil aus Motivationsgründen zu. Da Institutional Buyouts in der Regel deutlich größer sind als Management Buyouts, ist auch eine geringe relative Beteiligung in ihrer absoluten Summe beträchtlich. Grundsätzlich nimmt aber der relative Anteil des Managements mit steigender Größe eines Buyouts ab. Nach Jensen/Murphy (1990) führt die Anreizwirkung einer direkten Beteiligung im Vergleich zu anderen Kompensationsarten am stärksten zu einer Reduktion der Interessenkonflikte zwischen Management und Eigenkapitalgebern.217 Beide Parteien verfolgen mit der Steigerung des Unternehmenswerts das gleiche Hauptziel. Neben der reinen Eigenkapitalbeteiligung kommen bei Buyouts in der Regel auch noch andere Formen der erfolgsabhängigen Bezahlung zum Einsatz, die die Anreizwirkung noch weiter verstärken.218 Die Veränderung vom Angestellten zum Mitbesitzer führt beim Management zu einem Aufleben von Unternehmertum. Dies trifft ganz besonders bei Unit Buyouts zu, die zuvor zum vernachlässigten Nichtkernbereich eines konglomeraten Verkäufers gezählt haben. Solchen Bereichen fehlen häufig entweder die Mittel zur Verfolgung wertgenerierender Investitionen oder sie leiden unter einem unternehmensweiten Klima der Risikovermeidung.219 Nach dem Buyout fühlen sich solche Manager als Unternehmer, die man von Bürokratie und sonstigen Einschränkungen der Zentrale befreit hat.220 Finanzinvestoren mischen sich in der Regel nicht in das Tagesgeschäft ein, solange die finanziellen Vorgaben erfüllt werden. Ganz im Gegenteil versuchen sie eher, das Management zu Unternehmertum und unabhängigen Entscheidungen zu ermutigen. Die Motivation, die von der hohen Eigenkapitalbeteiligung und Unternehmergeist stammt, wird auch als "BuyoutFieber" oder "Buyout-Adrenalin" bezeichnet.221 215 216 217 218 219 220 221

Vgl. Kaplan, S. N. (1988), S. 121. Vgl. Wright, M., Thompson, S., Chiplin, B., Robbie, K (1991), S. 7. Vgl. Jensen, M. C./Murphy, K. J. (1990a), S. 261, Jensen, M. C./Murphy, K. J. (1990b), S. 141. Vgl. Anders, G. (1992), S. 80 f. Vgl. Wright, M./Hoskisson, R. E./Busenitz, L. W. (2001), S. 111-125. Vgl. Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 120. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 32.

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Gleichzeitig steigt das persönliche Risiko wegen der hohen Beteiligung der Manager, die in der Regel auf der persönlichen Ebene zu einer verminderten oder ausbleibenden Risikodiversifizierung führt. Die hohe Verschuldungsquote steigert das Risiko einer Insolvenz. Optimalerweise sollte das Investment des Managements zwar bedeutend sein, bei Scheitern jedoch nicht den finanziellen Ruin der Manager bedeuten, da dies eher eine Lähmung der Beteiligten auslöst.222 Es herrscht somit ein deutlicher Anreiz zum erfolgreichen Wirtschaften, um das Fremdkapital möglichst schnell tilgen zu können. Ein sehr hoher Anteilsbesitz des Managements kann jedoch theoretisch auch eine schwächere Kontrolle bedeuten, da die Mechanismen des Marktes für Unternehmenskontrolle und des Marktes für Managerleistungen außer Kraft gesetzt werden. Einen positiven Zusammenhang von Anteilsbesitz und Performance der Buyout Unternehmung weisen beispielsweise Morck/Shleifer/Vishny (1988) und Wruck (1989) nach.223 Holthausen/Larcker (1996) ermitteln einen negativen Einfluss von Anteilsreduktionen des Managements auf die operative Performance nach dem IPO von Reverse Buyouts.224 (b) Kontrollwirkung durch aktive Kapitalgeber In der Regel halten sowohl bei Management Buyouts als auch bei Institutional Buyouts spezialisierte Finanzinvestoren bedeutende Eigenkapitalanteile. Nur bei sehr kleinen Management Buyouts ist das Management in der Lage, ohne Hilfe eines Finanzinvestors den benötigten Eigenkapitalanteil aufzubringen. Die Konzentration des Kapitals auf wenige aktive Kapitalgeber führt zu einer effektiveren Kontrolle des Managements. Die Eigenkapitalgeber haben sowohl höhere Anreize als auch bessere Möglichkeiten zur Kontrolle. Im Vergleich zur typischen Aktiengesellschaft mit breitem Streubesitz ist das Free Rider Problem stark reduziert. Die Mitarbeiter der Buyout-Firmen werden selbst sehr stark leistungsbezogen bezahlt.225 Ihre Leistung bemisst sich dabei nach der Performance der von ihnen kontrollierten Portfoliogesellschaften. Die Finanzinvestoren müssen außerdem befürchten, dass bei ausbleibendem Erfolg die Fondsmittel, die institutionelle Anleger ihnen bereitstellen, sinken. Die eigene Existenz hängt somit vom Erfolg der Portfoliounternehmen ab. Die Finanzinvestoren sind Spezialisten und besitzen einen Know-how Vorteil bei der Ausführung der Kontrollfunktion.226 Infolge ihres hohen Eigenkapitalenteils haben sie die Möglichkeit, über eigene Sitze im Board of Directors bzw. Aufsichtsrat direkte Einflussnahme auf das Management auszuüben.227 222 223 224 225 226 227

50

Vgl. Krebs, A./Studer, T. (Hrsg.) (1998), S. 47. Vgl. Morck, R./Shleifer, A./Vishny, R. (1988), S. 293-315, Wruck, K. (1989), S. 3-28. Vgl. Holthausen, R. W./Larcker, D. F. (1996), S. 328. Vgl. Jensen, M. C. (1989a), S. 68. Vgl. Jensen, M. C. (1989b), S. 37. Vgl. Anders, G. (1992), S. 79.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Auch die Fremdkapitalgeber haben einen starken Anreiz zu einer strikten Kontrollausübung.228 Der hohe Anteil von Fremdkapital erhöht die Gefahr, dass Manager Aktionen durchführen, die einen Werttransfer von den Fremdkapitalgebern zu den Eigenkapitalgebern bewirken. Die Gläubiger werden daher schon im Rahmen der Strukturierungsphase auf vertragliche Regelungen (Covenants) drängen, die ein solches Verhalten ausschließen. Solche vertragliche Regelungen tragen dazu bei, die Managerial Discretion einzuschränken. Grundsätzlich geht von vorrangigen Bankkrediten eine stärkere Kontrolle aus als von öffentlich gehaltenen untergeordneten Anleihen, da sie eher vertragliche Einschränkungen beinhalten.229 (c) Disziplinierungswirkung der Verschuldung Ein Buyout wird in der Regel mit Eigen-, Nachrang- und Fremdkapital finanziert. Nachrangkapital (Mezzanin Kapital) weist dabei sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalkomponenten auf. Tilgungs- und Zinszahlungen sind dem Fremdkapital untergeordnet, wegen des Forderungscharakters hat die Mezzanin Finanzierung jedoch Vorrang vor dem Eigenkapital. Angesichts des höheren Risikos ist die Verzinsung höher, zudem kommt es zu einer Beteiligung an der Wertsteigerung des Eigenkapital (Equity Kicker). Mezzanin Kapital hat einen Überbrückungscharakter und wird eingesetzt, wenn eine Finanzierungslücke zwischen Eigenkapital- und Fremdkapital zu schließen ist. In den USA lag die Fremdfinanzierungsquote während des ersten LBO-Booms in den 80er Jahren zwischen 80% und 95% bei Eigenkapitalanteilen unter 10%.230 Nach dem Zusammenbruch des Buyout Marktes Ende der 80er Jahre sind eher Verhältnisse von 60%75% Fremdkapital, 20-30% Mezzanin Kapital und 10-15% Eigenkapital üblich. Für UK wurden in 1990 Quoten für Fremd-, Nachrang- und Eigenkapital von ca. 60 %, 10 % und 20 % ermittelt.231 Ähnliche Verhältnisse wurden auch für Kontinentaleuropa festgestellt.232 Die Kontroll-Hypothese von Jensen (1986) besagt, dass eine hohe Verschuldung die Agency-Kosten des freien Cashflow verringert, da das Management an die regelmäßige Auszahlung von Zins- und Tilgungszahlungen gebunden ist.233 Dies reduziert die Gefahr der diskretionären Verwendung des freien Cashflows durch das Management. Der ständige Druck durch anstehende Zins- und Tilgungszahlungen zwingt zu einem effizienten Verhalten. Bei Nichtnachkommen der

228 229 230 231 232 233

Vgl. Easterbrook, F. H. (1991), S. 190, Cotter, J.F./Peck, S.W. (2001), S. 102. Vgl. Cotter, J.F./Peck, S.W. (2001), S. 102. Vgl. Roden, D./Lewellen, W. (1995), S. 80, Weitnauer, W. (2003), S. 14. Die Differenz zu 100% verteilt sich auf sonstige Finanzierungsformen, vgl. Wright, M., Thompson, S., Chiplin, B., Robbie, K (1991), S. 7. Vgl. Desbrières, P./Schatt, A. (2002), S. 698, Frommann, H. (1992), S. 122. Vgl. Jensen, M. C. (1986), S.324-326.

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Fremdkapitalverpflichtungen droht der Konkurs, die Manager verlieren dabei sowohl ihre Anstellung als auch ihren persönlichen Eigenkapitaleinsatz. Die typischen Merkmale von Buyout Unternehmen lassen vor der Transaktion erhebliche Agency-Kosten des Freien Cashflow erwarten.234 Dies trifft auch für Unit Buyouts zu. Diese generieren in der Regel hohe freie Cashflows, die dann an das zentrale Management zwecks Allokation im Rahmen des internen Kapitalmarktes weitergegeben werden. Unterstellt man eine Ineffizienz des internen Kapitalmarktes, so kommt es zu einer Quersubventionierung von Unternehmensteilen mit geringeren freien Cashflows. Dagegen sind die Financial Distress Kosten nach der Static Tradeoff Theorie bei typischen Buyout Kandidaten eher unterdurchschnittlich, da es sich um reife Firmen mit soliden, materiellen Aktiva handelt. Eine hohe Verschuldung zur Motivation des Managements ist jedoch auch mit signifikanten Agency-Kosten und Risiken verbunden.235 Unvorhergesehene Schocks, z.B. Zinserhöhungen oder Absatzeinbrüche, können schnell zu einem Scheitern des Unternehmens führen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Unternehmen mit extrem hoher Verschuldung sich nur noch kurzfristig orientieren und dabei an langfristiger Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.236 Weitere Risiken bestehen in der Unterinvestition237 und in einer Risikoaversion der Manager, da die Rückzahlung der Verbindlichkeiten die höchste Priorität einnimmt.238 Cotter/Peck (2001) zeigen, dass Buyout Unternehmen, in den spezialisierte Finanzinvestoren die Mehrheit halten, weniger kurzfristige Bankkredite aufnehmen und weniger häufig in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Autoren schließen daraus, dass die Kontrolle durch Buyout-Spezialisten eine striktere Kontrolle durch Höhe und Art des Fremdkapitals ersetzen kann.239 Lehn/Poulsen (1989) ermitteln einen signifikanten Zusammenhang zwischen freiem Cashflow und gezahlten Prämien bei Going-Private Transaktionen.240 Ihre Ergebnisse stehen somit im Einklang mit der Kontroll-Hypothese. Käufer erwarten offensichtlich bei Firmen mit hohem freiem Cashflow auch höhere Effizienzgewinne nach einer Buyout Transaktion und sind daher gewillt, höhere Übernahmeprämien zu bezahlen. Nach Long/Ravenscraft (1993) ist die Verschuldung ein wichtiger Wertgenerierungshebel bei Buyouts. Sie vergleichen die operativen Verbesserungen von Leveraged Buyouts und Nonleveraged Privatisierungen und finden signifikant stärkere Performanceverbesserungen bei den Leveraged Buyout Unternehmen.241

234 235 236 237 238 239 240 241

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Die typischen Merkmale von Buyout-Kandidaten werden in Kapitel 2.1.2.2 beschrieben. Vgl. Smith, C. W./Warner, J. B. (1979), S. 118 ff. Vgl. Palepu, K. (1990), S. 257. Vgl. Graml, R. (1996), S. 221. Vgl. Holthausen, R. W./Larcker, D. F. (1996), S. 295. Vgl. Cotter, J.F./Peck, S.W. (2001), S. 103, Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 129. Vgl. Lehn, K./Poulsen, A. (1989), S. 781 f. Vgl. Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993a), S. 24.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

(d) Parenting-Effekt Buyout-Spezialisten halten in der Regel ein Portfolio verschiedener Unternehmen, an denen sie Anteile im Rahmen von Leveraged Buyout Transaktionen erworben haben. Die einzelnen Buyout-Firmen können aus der Zugehörigkeit zu dem Beteiligungsportfolio Nutzen ziehen. Die extrinsisch motivierte Wertgenerierung, die durch das Zusammenwirken von Buyout Unternehmen und BuyoutSpezialist entsteht, lässt sich mit dem Parenting Advantage von Unternehmensteilen in konglomeraten Firmen vergleichen.242 Ein Nutzen entsteht zum einen durch den Kontakt zum Buyout-Spezialisten, zum anderen durch den Kontakt zu anderen Beteiligungsunternehmen. Unternehmen, die im Rahmen von Management Buyouts ohne Eigenkapitalbeteiligung von Finanzinvestoren übernommen werden, vermögen dagegen nicht vom Parenting-Effekt zu profitieren. Normalerweisen managen Buyout-Spezialisten ihre Beteiligungsunternehmen völlig unabhängig voneinander.243 Eine Ausnahme sind so genannte Buy-and-Build Strategien, die im folgenden Kapitel näher beschrieben werden. Im Normalfall profitieren Portfoliounternehmen aber nur durch den Kontakt zum BuyoutSpezialisten. Aktive Finanzinvestoren agieren als Berater und Coach für das Management, halten sich allerdings aus dem Tagesgeschäft heraus.244 Sie bringen operatives und finanzielles Know-how in das Unternehmen ein, das sie sich im Laufe früherer Transaktionen angeeignet haben. Es kommt zu einem Wissenstransfer auf das Portfoliounternehmen.245 Dies geschieht häufig über direkte, unbürokratische Kommunikationswege.246 Darüber hinaus verfügen sie über ein umfangreiches Netzwerk an Kontakten, das sich zum Beispiel zur Akquisition neuer Geschäftspartner oder Manager nutzen lässt.247 (2) Direkte (primäre) Wertschöpfungshebel Primäre Wertschöpfungshebel führen zu einer direkten Verbesserung der Vorsteuer-Profitabilität. Die große Mehrheit der Studien ermittelt PerformanceVerbesserungen der Unternehmen nach der Buyout Transaktion. Dies spricht für eine reale Wertschöpfung und gegen die Werttransfer-Theorien. Tabelle 3.6 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten Studien zum Erfolg von Buyout Transaktionen. 248 242 243 244 245 246 247 248

Vgl. Campbell, A./Goold, M./Alexander, M. (1995), S. 120-132. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 3. Vgl. Bull, I. (1989), S. 271. Vgl. Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 956-957. Vgl. Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 125. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 33. Zu weiteren Studien zur Entwicklung der operativen Performance von Buyouts vgl. Smart, S. B./Waldvogel, J. (1994), Phan, P. H./Hill, C. W. L. (1995), Wright, M./Wilson, N./Robbie, K. (1996), Bruton, G. D./Keels, J. K./ Scifres, E. L. (2002). Für die Entwicklung von Reverse LBOs nach dem IPO vgl. Holthausen, R. W./Larcker, D. F. (1996), Bruton, G. D./Keels, J. K./ Scifres, E. L. (2002). Für Ergebnisse aus Befragungen von Buyout-Managern vgl. für UK Warwick Business

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition Autor

N / Land / Zeitraum / Fenster (Jahre) 25 LBO's / US / 1971-1983 / [-2,2]

Hauptaussagen

x Operativer Cashflow/Umsatz steigt industriebereinigt signifikant an, Umsatz verändert sich insignifikant x Investitionen sinken deutlich x Zielsetzung des Managements verändert sich von Minimierung der Gewinnschwankungen zu Maximierung des Cashflow x Operativer Cashflow/Umsatz (+12%) steigt signifikant, Umsatz Kaplan, S. (1989a) 48 LBO's / US / (-6%) fällt industriebereinigt signifikant 1980-1986 / x Investitionen/Umsatz (-32%) fallen signifikant [-1,2] x Mitarbeiterzahl (+1%) bleibt konstant x Der Zusammenhang zwischen operativen Verbesserungen und Renditen für Buyout-Investoren ist positiv x Operating Cashflow/Operating Assets steigt signifikant Smith, A. J. (1990) 37 LBO's / US / x Investitionen/Umsatz (-32%) und R&D (-7%) sinken 1977-1986 / x Mitarbeiterzahl bleibt konstant (+2%) [-1,2 ] x Management des Working Capitals wird verbessert Lichtenberg, F./Siegel, 983 Fabriken / US x Produktivität steigt in den 3 Jahren nach Buyout signifikant D. (1990) 1981-1986 / [-8,5] x F&E-Ausgaben sinken insignifikant 35 Reverse LBO's / x Operativer Cashflow/Umsatz (+24%) steigt signifikant Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. US / 1976-1987 / x Investitionen/Umsatz (-11%) sinken insignifikant x Mitarbeiter (-1%) sinken insignifikant [LBO, IPO] (1990) x Operative Verbesserungen entstehen eher durch Kostensenkungen als durch Umsatzsteigerungen oder verbesserten Kapitalumsatz x Verbesserungen entstehen nicht durch Verkäufe bzw. Akquisitionen x Profitabilitätssteigerungen sind höher bei Unit Buyouts Singh, H. (1990) 55 Reverse LBO's / x Operativer Gewinn und Umsatz steigen signifikant US / 1980-1988 / x Lagerhaltung und Forderungen verringern sich signifikant x Unit Buyouts zeigen stärkeres Wachstum als Going Private Buyouts [-3,2] x Operative Effizienz steigt nicht stärker als bei Kontrollfirmen 33 LBO's / US / Liebeskind, x Buyout-Firmen restrukturieren stärker: Der Umsatz wächst langsa1980-1984 / J./Wiersema, mer, es werden mehr Mitarbeiter entlassen, mehr Fabriken verkauft M./Hansen, G. (1992) [-1,3] und bestehende Businesslinien weniger stark ausgebaut x Operativer Cashflow/Umsatz (+17%) steigt signifikant Opler, T. C (1992) 44 LBO's / US / x Investitionen/Umsatz (-42%) fallen signifikant, F&E-Ausgaben 1985-1989 / (-7%) verändern sich insignifikant [-1,2] x Mitarbeiter (+0,3%) verändern sich insignifikant 209 LBO's / US / x Operativer Cashflow/Umsatz (+15%) steigt signifikant, sinkt aber Long, W. ab Jahr 4 wieder auf das Niveau des Jahres vor dem LBO 1978-1989 / F./Ravenscraft, D. J. x Working Capital wird nicht signifikant verringert [-1,3] (1993a) x Managementbeteiligung hat keinen Einfluss auf operative Verbesserungen x Operative Verbesserungen entstehen nicht durch Desinvestitionen Amess, K. (2002) 78 LBO's / UK / x LBO's führen zu signifikanten Steigerungen der Produktivität 1986-1997 x Buyout Unternehmen zeigen bessere Arbeitsproduktivität und schlechtere Kapitalproduktivität Desbrières, P./Schatt, 161 LBO's / FR / x LBO's führen zu einer Verschlechterung der Profitabilität bei FirA. (2002) 1988-1994 men, die zuvor in Familienbesitz waren (signifikant) und bei Divisionen von Unternehmen (insignifikant) Harris, R./Siegel, D. 979 LBO's / UK / x Die Produktivität vor dem LBO's ist unterdurchschnittlich S./Wright, M. (2002) 1994-1998 x LBO's führen zu signifikanten Steigerungen der Produktivität x Output und Mitarbeiter sinken stark Bull, I. (1989)

Tabelle 3.6: Studienübersicht Effizienzeffekte von Buyouts

School (1989), Bannock, G. (1990) und für Deutschland Forst, M. (1992), Gräper, M. (1993), Vest, P. (1995), Jakoby, S. (2000).

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Wertsteigerungen sind prinzipiell durch drei verschiedene Hebel erreichbar:249 (a) Verbesserung der operativen Effizienz Tabelle 3.6 verdeutlicht, dass im Durchschnitt ein signifikanter Anstieg der operativen Performance nach einem Buyout erzielt werden kann. Eine operative Leistungssteigerung vor Steuern spricht klar gegen die Werttransferhypothesen als alleinige Begründung hoher Übernahmeprämien und Gewinne der BuyoutInvestoren. Lediglich ein Werttransfer von den ehemaligen Eigenkapitalgebern infolge von Informationsvorteilen des Managements ist theoretisch zur Erklärung operativer Verbesserungen heranziehbar. Kapitel 3.4.5 wird zeigen, dass diese Werttransferhypothese keinen wesentlichen Erklärungsbeitrag zu liefern vermag. Buyouts scheinen also tatsächlich zu realen Verbesserungen beizutragen, die dann auch zu realen Wertsteigerungen führen. Allerdings liegen für Kontinentaleuropa fast keine vergleichbaren Untersuchungen auf Basis von Daten des externen Rechnungswesens vor, so dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse nicht empirisch abgesichert ist. Dies liegt vor allem in der empirischen Seltenheit von Buyouts börsennotierter Unternehmen in Kontinentaleuropa begründet. Es überwiegen vielmehr Buyouts von mittelständischen Familienunternehmen und Desinvestitionen von größeren Konzernen. Desbrieres/Schatt (2002) stellen in der einzigen bekannten Studie eine nicht signifikant negative Profitabilitätsentwicklung bei Unit Buyouts in Frankreich fest. Umfrageergebnisse aus Deutschland bestätigen dagegen klar das positive Bild aus den angelsächsischen Ländern. Sowohl Forst (1992) als auch Gräper (1993) und Vest (1995) ermitteln in ihren Umfragen unter Buyout-Managern deutliche operative Verbesserung.250 Insgesamt scheint eine Verbesserung der operativen Leistungsfähigkeit eher durch Kostensenkungen als durch eine Steigerung des Umsatzes zustande zu kommen. Lediglich Singh (1990) findet in seiner Studie zu Reverse Buyouts signifikante Umsatzsteigerungen.251 Die analysierten sekundären Werttreiber scheinen beim Management eine stärkere Kostenfokussierung auszulösen.252 Nach der Transaktion forciert das Management die Kostenkontrolle und startet umfassende Kostensenkungsprogramme. Buyout Kritiker äußern den Verdacht, dass solche Kostensenkungen in erster Linie auf dem Rücken der Arbeitnehmer erzielt werden. Sie vermuten Nachteile für die Mitarbeiter aus dem Bruch von vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch Kündigungen, Einkommens- oder Pensionskürzungen. Die Argumente bauen 249

250 251 252

Die dargestellten primären Hebel basieren im Prinzip erneut auf dem Hexagon-Konzept aus Kapitel 3.1.3. Vgl. Forst, M. (1992), S. 40, Gräper, M. (1993), S. 145, Vest, P. (1995), S. 333-335. Vgl. Singh, H. (1990), S. 123. Vgl. z.B. Bruton, G. D./Keels, J. K./ Scifres, E. L. (2002), S. 719. Die Autoren finden eine signifikante Reduktion der SG&A Kosten nach dem Buyout.

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häufig auf anekdotischen Darstellungen von Fällen, in denen es tatsächlich zu einem erheblichen Arbeitsplatzabbau kam.253 Ergebnisse empirischer Studien zu Arbeitspatzabbau und Lohnkürzungen sind widersprüchlich, sprechen aber größtenteils gegen einen dramatischen Arbeitsplatzabbau. Kaplan (1989a), Smith (1990), Lichtenberg/Siegel (1990), Muscarella/Vetsuypens (1990) und Oper (1992) zeigen, dass die Zahl der Arbeitnehmer in der Zeit nach dem Buyout konstant blieb.254 Dagegen finden Liebeskind/Wiersema/Hansen (1992) und Harris/Siegel/Wright (2002) einen vermehrten Abbau von Arbeitsplätzen bei Buyout Unternehmen.255 Auch die wenigen deutschen Studien stellen eher eine Zunahme als einen Abbau von Arbeitsplätzen fest.256 Lichtenberg/Siegel (1990) ermitteln zusätzlich einen deutlichen Anstieg der Gehälter in den Jahren nach einem Buyout.257 Kritiker argumentieren weiterhin, dass eventuelle Effizienzgewinne nur kurzfristiger Natur sind und auf Kosten der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Sie betonen, dass Unternehmen durch den ständigen Druck anstehender Zins- und Tilgungszahlungen die langfristig wichtigen F&E- und Investitionsbudgets zusammenstreichen.258 Die empirischen Ergebnisse widersprechen der These, dass Buyout Unternehmen wegen kurzfristiger F&E-Kürzungen ihre langfristige Wettbewerbsposition schwächen. Ein Großteil der Studien findet keine signifikanten F&E-Kürzungen.259 Long/Ravenscraft (1993b) ermitteln dagegen eine 40% Kürzung der F&E-Ausgaben im Jahr nach der Transaktion.260 Die Autoren erlangen jedoch keinen Hinweis, dass dies kausal zu einer langfristigen Profitabilitätsabschwächung führt.261 Sie begründen dies damit, dass keine kritischen F&E-Bereiche gekürzt werden. Ingesamt unternehmen Buyout-Firmen bereits vor der Transaktion signifikant weniger Forschung und Entwicklung als Durchschnittsunternehmen.262 Die empirischen Ergebnisse zur Entwicklung der Investitionsausgaben nach Buyouts sind eindeutiger. Die meisten Studien ermitteln Kürzungen der mit dem Umsatz normierten

253 254

255 256 257 258

259

260 261 262

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Vgl. z.B. Klawitter, N. (2004a), Klawitter, N. (2004b). Vgl. Kaplan, S. (1989a), S. 240-242, Smith, A. J. (1990), S. 161, Lichtenberg, F./Siegel, D. (1990), S. 184 ff., Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. (1990), S. 1407, Opler, T. C (1992), S. 33. Liebeskind, J./Wiersema, M./Hansen, G. (1992), S. 80, Harris, R./Siegel, D. S./Wright, M. (2002), S. 15. Vgl. Forst, M. (1992), S. 29, Gräper, M. (1993), S. 139-141. Vgl. Lichtenberg, F./Siegel, D. (1990), S. 192. Vgl. Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993b), S. 120-121, für eine Darstellung der Argumentation und eine Zusammenfassung empirischer Studien zum Zusammenhang zwischen Verschuldung und F&E Ausgaben. Vgl. Opler, T. C (1992), S. 32, Smith, A. J. (1990), S. 155, Lichtenberg, F./Siegel, D. (1990), S. 187 ff. Vgl. Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993b), S. 131. Vgl. Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993b), S. 132. Vgl. Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993b), S. 128. Dies lässt sich dadurch erklären, dass typische Buyout-Unternehmen eher aus low-tech Industriebereichen stammen.

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Investitionen zwischen 30% und 40%.263 Allerdings existiert keine Untersuchung zur direkten kausalen Verbindung von Investitionskürzungen und langfristiger Performance. Long/Ravenscraft (1993a) konstatieren ein deutliches Absacken der Profitabilität ab dem Jahr vier nach dem Buyout auf das Niveau vor der Transaktion. Auch Phan/Hill (1995) ermitteln nur einen schwachen Einfluss eines LBO auf die Performance in einem Zeithorizont von fünf Jahren.264 Dagegen finden Holthausen/Larcker (1996), dass Reverse Buyout Unternehmen nach dem Börsengang ihre Vergleichsindustrien noch für mindestens vier Jahre in ihrer Performance übertreffen.265 Für diese Untersuchung ist es allerdings weitgehend irrelevant, ob Buyout Unternehmen über einen sehr langfristigen Zeitraum erfolgreich sind. Im Durchschnitt trennen sich die Investoren von ihren Beteiligungen nach 3-5 Jahren.266 Dies geschieht durch einen erneuten Börsengang oder einen Verkauf an strategische oder andere finanzielle Investoren. Innerhalb dieses Zeitraums lassen sich Performance-Steigerungen als empirisch gesichert betrachten. Bei Verhandlungen mit dem Verkäufer legen die Käufer ihrem Bietverhalten diese erwarteten Steigerungen zugrunde. Ob der Verkäufer von diesen Effizienzsteigerungen profitiert, hängt dann von seinem Verhandlungsgeschick ab. Interessanterweise finden Muscarella/Vetsuypens (1990), dass Profitabilitätssteigerungen bei Unit Buyouts höher sind als bei Buyouts kompletter Firmen. Dies ist mit höheren Agency-Problemen von Divisionen innerhalb von Konzernen begründbar. Auch Singh (1990) konstatiert für seine Untersuchungsgruppe von Reverse Buyouts eine positivere Entwicklung von Unit Buyouts vor dem erneuten Börsengang.267 (b) Verbesserung der strategischen Ausrichtung Neben einer Verbesserung der operativen Performance durch Kostensenkungen initiieren viele Buyout Unternehmen strategische Neuausrichtungen. Dies geht häufig einher mit einer signifikanten Veränderung der Ressourcenbasis der Unternehmen.268 Zwei häufig erwähnte Ansätze sind die Fokussierung und die Ausübung von Buy-and-Build Strategien. Besonders die nichtakademischen Medien sehen im Verkauf von Aktiva einen Hauptansatzpunkt von Buyout Unternehmen. Häufig wird dies mit negativen

263

264 265

266 267 268

Vgl. Kaplan, S. (1989a), S. 229, Opler, T. C (1992), S. 32, Smith, A. J. (1990), S. 155. Lediglich Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. (1990), S. 1407, finden nur eine insignifikante Reduktion der Investitionen. Vgl. Phan, P. H./Hill, C. W. L. (1995), S. 731-732. Vgl. Holthausen, R. W./Larcker, D. F. (1996), S. 296. Bruton, G. D./Keels, J. K./ Scifres, E. L. (2002), S. 719 kommen zu dem gleichen Ergebnis. Vgl. Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. (1990), S. 1393. Die Autoren ermitteln eine durchschnittliche Zeitdauer von etwa 3 Jahren zwischen LBO und IPO. Singh, H. (1990), S. 123, ermitteln ein signifikant stärkeres Umsatzwachstum für Unit Buyouts. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 23.

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Begriffen wie "filetieren", "zurechtstutzen" oder "zerlegen" beschrieben.269 Im Extremfall wird das Unternehmen komplett aufgeteilt und die Teile an die meistbietenden Käufer verkauft. (Bustup Takeover). Akademische empirische Ergebnisse bestätigen die Aufspaltung als Hauptziel von Buyouts nicht. Seth/ Easterwood (1993) zeigen, dass es selten zu kompletten Aufspaltungen, jedoch häufig zu Fokussierungsstrategien kommt.270 Potentielle Vorteile einer Konzentration auf Kerngeschäfte kommen in Kapitel 3.4.2.1 ausführlich zur Sprache. Liebeskind/Wiersema/Hanson (1992) ermitteln dagegen, dass Buyout Unternehmen nicht signifikant häufiger Divisionen verkaufen als Vergleichsunternehmen. Sie finden auch keine Anhaltspunkte für einen stärkeren Abbau von Diversifikation. Die Autoren stellen lediglich eine stärkere Tendenz zum Verkauf einzelner Fabriken fest.271 Sowohl nach Muscarella/Vetsuypens (1990) als auch nach Long/Ravenscraft (1993a) kamen die festgestellten operativen Verbesserungen nicht durch Desinvestitionen zustande.272 Es kann angenommen werden, dass der Verkauf signifikanter Aktiva bei Unit Buyouts eine geringere Rolle spielt als bei Buyouts kompletter Firmen.273 Divisionen sind häufig weniger diversifiziert als komplette Unternehmen. Die alleinige Konzentration auf Kostensenkungen und operative Effizienz langt immer seltener aus für eine zufrieden stellende Wertgenerierung. Ein erfolgreicher Börsengang erfordert häufig den Nachweis von signifikantem Wachstum.274 Eine Handlungsoption für Buyout Unternehmen ist es daher, Akquisitionen in ihrem Kerngeschäft zu tätigen.275 Gerade für Unit Buyout Firmen wären solche Akquisitionen beim Verbleib im Konzern häufig nicht möglich gewesen. Dort werden sie eventuell als Nichtkerngeschäft betrachtet, so dass das zentrale Management Ressourcen zum Ausbau des Geschäfts nicht gewährt. Im Rahmen so genannter Buy-and-Build Strategien erwerben Finanzinvestoren zuerst ein Nukleus-Unternehmen als Plattform, das dann gezielt mit weiteren Akquisitionen verstärkt wird. Ziel ist die Erzeugung von Economies of Scale und die Gewinnung von Marktmacht in stark fragmentierten Industrien.276 Beispiele solcher Strategien gibt es vermehrt in der weltweiten Chemieindustrie. So kaufte z.B. die Beteiligungsgesellschaft EQT zuerst das Unternehmen Dragoco und danach Haarmann & Reimer von der Bayer AG, um diese dann zum weltweit führenden 269 270 271 272 273

274 275

276

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Vgl. z.B. Klawitter, N./Pauly, C. (2003). Vgl. Seth, A./ Easterwood, J. (1993), S. 267. Vgl. Liebeskind, J./Wiersema, M./Hansen, G. (1992), S. 80-83. Vgl. Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. (1990), S. 1400, Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993a), S. 22. Dies wird auch von Muscarella/Vetsuypens empirisch nachgewiesen, vgl. Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. (1990), S. 1397. Vgl. Butler, P. (2001), S. 141 f. Vgl. Seth, A./ Easterwood, J. (1993), S. 261. Die Autoren ermitteln Akquisitionen in 44% der Sample-Unternehmen; allerdings werden nur 10% als groß eingestuft. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 24.

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Unternehmen für Duft- und Aromastoffe zusammenzuschließen.277 Allerdings sind Zusatzinvestitionen für Finanzinvestoren in der Regel mit Unsicherheit behaftet. Konservativ kalkulierende Buyout-Spezialisten werden daher potentielle Synergien aus Buy-and-Build Zusatztransaktionen beim Angebot für das Plattform-Unternehmen nicht berücksichtigen. Eine Übertragung der Wertgenerierung an den Verkäufer ist daher unwahrscheinlich. Handelt es sich dagegen bereits um eine Zusatztransaktion, so sollte der Verkäufer bewusst Synergiepotentiale in den geforderten Verkaufspreis einkalkulieren. (c) Financial Engineering Spezialisierte Buyout Finanzinvestoren besitzen ein tiefgehendes Kapitalmarktverständnis. Auch nach Strukturierung und Durchführung der eigentlichen Transaktion beraten sie das Management in komplexen Finanzfragen. Sie nutzen exzellente Beziehungen zu Finanzinstitutionen, um vorteilhafte Konditionen für Kredite und Kapitalerhöhungen zu vereinbaren.278 Buyout-Spezialisten nehmen wegen ihres Geschäftsmodells wiederholt große Mengen an Fremdkapital auf. Sie kultivieren langfristige Beziehungen mit Fremdkapitalgebern, somit fallen die Agency-Kosten der Verschuldung geringer aus als bei traditionellen Unternehmen.279 Außerdem sind sie für zukünftige Transaktionen auf ihren guten Ruf angewiesen.280 Insgesamt dürfte der positive Einfluss des Financial Engineering – abgesehen von Steuererleichterungen – jedoch eher untergeordnet sein im Vergleich zu operativen Verbesserungen oder einer Wertgenerierung infolge strategischer Entscheidungen. 3.4.2 Effizienzeffekte beim Verkäufer 3.4.2.1 Fokussierung der Geschäftstätigkeit Desinvestitionen, die die Konzentration eines Unternehmens im Sinne einer Kerngeschäftsstrategie erhöhen, führen nach der Fokus-Hypothese zu operativen Verbesserungen bei den verbleibenden Geschäftsbereichen.281 In den 60er und 70er Jahren kam es vor allem in den USA, aber auch in Europa zu einer Welle konglomerater Firmenübernahmen und Zusammenschlüsse.282 Diese wurden zunächst von Vertretern der neoklassischen Theorie als effizienz-

277 278 279 280 281 282

Vgl. Felsted, A. (2002). Vgl. Anders, G. (1992), S. 84-86. Vgl. DeAngelo, H./DeAngelo, L. E., Rice, E. M. (1984) S. 303 , DeAngelo, H./DeAngelo, L.E. (1987), S. 43. Vgl. Cotter, J.F./Peck, S.W. (2001), S. 103 Vgl. John, K./Ofek, E. (1995), S. 106. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (2003), S. 296.

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verbessernde Maßnahmen eines effektiven Managements gesehen.283 Nach dieser Theorie schufen gut gemanagte Firmen diversifizierte Konzerne, indem sie Zielfirmen mit Kapital und Know-how versorgten.284 Seit den späten 80er Jahren stehen Diversifikationsstrategien dagegen verstärkt in der Kritik. Insgesamt bildete sich eine gut entwickelte Literaturbasis zu Vor- und Nachteilen von Diversifikations- bzw. Fokussierungsstrategien heraus. Potentielle Vorteile einer Diversifikation basieren auf Synergien zwischen einzelnen Unternehmensbereichen. Das vorangegangene Kapitel stellte heraus, dass insbesondere finanzwirtschaftliche Synergien bei diversifizierten Unternehmen auftreten. Lewellen (1971) argumentiert, dass diversifizierte Unternehmen eine höhere Verschuldung eingehen können, da die Variabilität der Einkommensströme sinkt (Coinsurance Effekt).285 Shleifer/Vishny (1992) gehen ebenfalls von einer höheren potentiellen Verschuldung diversifizierter Unternehmen aus. Sie begründen dies mit der Möglichkeit, im Notfall Unternehmensteile aus solchen Bereichen verkaufen zu können, die am wenigsten unter Liquiditätsproblemen leiden.286 Die höhere Verschuldung führt über den Leverage-Effekt zu einer höheren Eigenkapitalrentabilität und die Steuerreduktion der Verschuldung zu einer höheren Bewertung von diversifizierten Unternehmen. Hadlock/Ryngaert/Thomas (2001) argumentieren, dass diversifizierte Unternehmen bei der Aufnahme zusätzlichen Eigenkapitals weniger unter den von Myers/Majluf (1984) postulierten Problemen287 einer asymmetrischen Informationsverteilung leiden.288 Die Vorteile aus der Bildung eines internen Kapitalmarktes gelten häufig als Haupt-Argument für eine Diversifikation.289 Das diversifizierte Unternehmen führt dabei die Funktion eines Miniaturkapitalmarktes aus. Das oberste Management erhält die Mittel aus den einzelnen Geschäftsbereichen und verteilt diese wieder an diejenigen Bereiche, die Investitionsmöglichkeiten mit dem höchsten Kapitalwert aufweisen. Die Argumentation des internen Kapitalmarktes geht bis auf Coase (1937) zurück. Nach ihm dehnen sich Firmen vertikal und horizontal solange aus, bis interne Transaktionen teurer werden als externe Transaktionen.290 Ein interner Kapitalmarkt hat zwei Vorteile: (1) Ist die Informationsasymmetrie zwischen Managern und externem Kapitalmarkt zu groß, wird das Unternehmen auf Investitionen mit positivem Kapitalwert verzichten. Es kommt zur Unterinvestition. Das Problem lässt sich durch einen effizienten Kapitalmarkt vermeiden. (2) Es kommt zu einem effizienteren Monitoring der Abteilungsmanager durch das obere Management, da die Infor283 284 285 286 287 288 289 290

60

Vgl. Hyland, D. C./Diltz, J. D. (2002), S. 52. Vgl. Gort, M. (1962), Rumelt, R. (1974), Steiner, P. (1975). Vgl. Lewellen, W. G. (1971), S. 530. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1992), S. 1358 ff. Vgl. Myers, S./Majluf, N. (1984), S. 187-221. Vgl. Hadlock, C./Ryngaert, M, Thomas, S. (2001), S. 615. Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 144, Stein, J. C. (1997), S. 111-133. Vgl. Coase, R. H. (1937), S. 39.

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mationsasymmetrien zwischen Lieferanten und Verwendern des Kapitals geringer sind als bei Abwicklung über den externen Markt. Das Management besitzt dabei sowohl einen Spezialisierungsvorteil gegenüber den Aktionären als auch bessere Sanktionierungsmöglichkeiten. Im Rahmen der Synergiebetrachtung des letzten Kapitels trat bereits zutage, dass leistungswirtschaftliche und marktliche Synergien im Gegensatz zu finanzwirtschaftlichen Synergien stark vom Business-Fit der betrachteten Unternehmensbereiche abhängen. Leistungswirtschaftliche Synergien sind bei diversifizierten Konzernen am ehesten infolge der gemeinsamen Ausführung indirekter Tätigkeiten der Wertschöpfungskette und infolge von Know-how Transfer des Managements zu erwarten. Ansoff spricht hierbei von Synergien des allgemeinen Managements, die selbst bei unverwandten Industriezweigen auftreten können.291 Teece (1980) unterstreicht Effizienz-Potentiale durch Economies of Scope bei diversifizierten Unternehmen.292 Auch neuere Konzepte wie Dominant Logic293, Core Competences294, Organizational Knowledge Structures"295, Corporate Coherence"296 und Parenting Advantage297 versuchen Erklärungsansätze für den Zusammenhalt divisionaler Multiproduktunternehmen zu liefern. Sie basieren auf einem ressourcenorientierten Ansatz mit dem Grundgedanken, firmenspezifische Ressourcen in vielen verschiedenen Märkten anwenden zu können. Marktsynergien diversifizierter Unternehmen können durch aggressives Cross Subsidizing bestimmter Unternehmenseinheiten298 oder in speziellen MultiMarket-Konstellationen299 entstehen. Bei der Quersubventionierung von Geschäftseinheiten nutzt die diversifizierte Unternehmung Überschüsse aus anderen Bereichen, um durch offensive Preisgestaltung im subventionierten Bereich Marktmacht zu erzielen. Multi-Markt Konstellationen treten auf, wenn sich diversifizierte oder vertikal integrierte Unternehmen in mehreren Märkten gegenüberstehen. Die Theorie besagt nun, dass Multi-Markt-Konkurrenten zu kollusiven Verhalten bzw. zu gegenseitiger Rücksichtsnahme tendieren, da eine solche Konstellation den Wettbewerbern die Möglichkeit zu umfangreichen Defensivstrategien ermöglicht.300 Wettbewerber verzichten daher auf aggressive Strategien. Dies erhöht die Profitabilität aller Wettbewerber zu Lasten der Kunden.

291 292 293 294 295 296 297 298 299 300

Vgl. Ansoff, H.I. (1965), S. 81. Vgl. Teece, D. J. (1980), S. 233-247. Vgl. Prahalad, C. K./Bettis, R. (1986), 485-501. Vgl. Prahalad, C. K./Hamel, G. (1990), S. 79-93. Vgl. Lyles, M.A./Schwenk, C.R. (1992), S. 155-174. Vgl. Teece, D. J./Rumelt, R.P./Dosi, G./Winter, S.G. (1994), S. 1-30. Vgl. Campbell, A./Goold, M./Alexander, M. (1995), S. 120-132. Vgl. Steiner, P. (1975), S. 71. Vgl. Feinberg, R. M. (1985), S. 225. Vgl. Steiner, P. (1975), S. 73.

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Argumente gegen Diversifikation beruhen in erster Linie auf agency-theoretischen Überlegungen. Die Agency-Theorie besagt, dass Manager diversifizieren, da sie dadurch einen privaten Nutzen davontragen. Dieser kann sowohl monetärer als auch qualitativer Natur sein. Der monetäre Nutzen steigt, wenn die Bezahlung stärker mit der Firmengröße bzw. der Diversifikation als mit der Wertgenerierung korreliert.301 Der nichtmonetäre Nutzen von Diversifikation besteht insbesondere aus drei Aspekten: (1) Erhöhung des Prestige bei Führung eines Konglomerates (Empire Building). (2) Verstärkung der Abhängigkeit des Unternehmens von den spezifischen Fähigkeiten des Managers (Entrenching Investments).302 (3) Verminderung des Risikos für Beschäftigung und Einkommen (Avoiding Risk).303 Empirische Untersuchungen bestätigen teilweise den Einfluss von Agency-Problemen, indem sie feststellen, dass Diversifikation eher in managerkontrollierten Unternehmen mit hohem Streubesitz304 und bei geringem Anteilsbesitz des Managements305 stattfinden. May (1995) kommt dagegen zum entgegengesetzten Ergebnis einer verstärkten Diversifikation bei einem höheren Anteil der Manager am Unternehmen.306 Er interpretiert dies als Versuch der Risikoreduktion, da Manager bei einer hohen Beteiligung ein großes, nicht diversifiziertes Risiko tragen.307 Ein hoher Anteilsbesitz kann somit ein Anzeichen geringer Agency-Problematik sein oder gerade die Agency-Problematik verstärken. Dies hängt davon ab, ob der Manager das unsystematische Risiko seines hohen Anteils am Unternehmen als größer einschätzt als den möglichen Wertverlust seines Anteils durch Diversifikation. Die Agency-Problematik erklärt nach dieser Argumentation, warum Manager diversifizieren, obwohl konglomerate Unternehmen ineffizient agieren. Die Ineffizienz des Unternehmens wird in erster Linie mit der Ineffizienz des internen Kapitalmarktes erklärt. Diese kann zum einen zu Überinvestition und zum anderen zur Quersubventionierung schwacher Unternehmensbereiche führen. Manager diversifizierter Unternehmen unterliegen eher dem Freien Cashflow Problem als Manager fokussierter Unternehmen. Auch ohne Existenz von freien Cashflows kommt es unter Umständen es zu einer ineffizienten Umschichtung von Mitteln aus renditestarken Bereichen in solche Bereiche, die eine schwächere Performance aufweisen. Dieses "sozialistische Verhalten" lässt sich durch interne Machtkämpfe zwi-

301

302 303 304 305 306 307

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Vgl. Firth, M. (1991), S. 426, Andersen, R.C./Bates, T.W./Bizjak, J.M./Lemmon, M.L. (1998), S. 14-17. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1989), S. 134. Vgl. Amihud, Y./Lev, B. (1981), S. 605-617. Vgl. Amihud, Y./Lev, B. (1981), S. 610-615. Vgl. Servaes, H. (1996), S. 1220-1221, Denis, D./Denis, D./Sarin, A. (1997), S. 140-144. Vgl. May, D. O. (1995), S. 1307. Jin, L. (2002), S. 31, argumentiert, dass das nichtdiversifizierte Risiko des Managers die wirklichen Kosten finanzieller Anreize darstellt.

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schen Divisionsmanagern mit der Folge negativer Beeinflussungskosten308 bzw. durch schlichte Überforderung des Managements bei zu großer Andersartigkeit der Probleme unterschiedlicher Divisionen erklären. Informationsasymmetrien zwischen zentralem und divisionalem Management verstärken die Probleme.309 Negative Synergien können auch im leistungswirtschaftlichen Bereich auftreten. Eine gemeinsame Durchführung von spezifischen Aktivitäten der Wertschöpfungskette, z.B. Vertrieb, kann für alle beteiligten Divisionen suboptimal sein, da das jeweilige Potential durch mangelndes Know-how oder Aufmerksamkeit nicht ausgeschöpft wird. Ein Know-how Transfer ist wertvernichtend, wenn das Know-how aufgrund der völligen Unterschiedlichkeit von Fragestellungen nicht transferierbar ist. Ein weiteres Argument gegen Diversifikation ist die Schwierigkeit, optimale Vergütungsanreize für Manager der einzelnen Unternehmensbereiche zu schaffen.310 Folgt man der Argumentation über die Kosten der Diversifikation, dann führt eine Fokussierung durch Desinvestitionen zum Abbau der negativen Synergien und zu einer Verringerung der Agency-Problematik. Die logische Folge ist eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der verbleibenden Assets. Die vorhandenen Cashflows lassen sich auf die stärksten Kerneinheiten konzentrieren. Die Fokussierung der Wertschöpfungskette garantiert die volle Unterstützung dieser Einheiten. Die Verringerung der Komplexität bewirkt ein effektiveres Management. Divisionsmanager können durch Korrelation ihrer Bezahlung mit dem Wert des spezialisierten Unternehmensteils optimal vergütet werden. Andererseits ist es auch möglich, dass zeitpunktbezogen sowohl eine Diversifikationsstrategie als auch eine Fokussierungsstrategie wertmaximierend ist. Der ressourcenorientierte Ansatz sieht Diversifikation als Antwort auf überschüssige Firmenressourcen, die zwischen Märkten transferiert werden können, jedoch abhängig sind von Marktunvollkommenheiten.311 Sind bestimmte Bedingungen erfüllt, so stellt die diversifizierte Unternehmung die effizienteste Unternehmensform dar. Sollten sie nicht (mehr) erfüllt sein, z.B. weil die einzelnen Märkte sich unterschiedlich entwickelt haben oder weil die externen Transaktionskosten gesunken sind, wird die Diversifikation ineffizient. In diesen Fällen kann durch Desinvestitionen Wert geschaffen werden. Matsusaka (2001) beispielsweise sieht Unternehmen als Ansammlung von organisatorischen Fähigkeiten, die prinzipiell zwischen Produkten oder Märkten transferierbar sind.312 308 309 310 311 312

Vgl. Rajan, R./Servaes, H./Zingales, L. (2000), S. 40 ff. und Scharfstein, D. S./Stein, J. C. (2000), S. 2541 ff. Vgl. Harris, M./Kriebel, C. H./Raviv, A. (1982), S. 606 ff. Vgl. Rotemberg, J./Saloner, G. (1994), S. 1340. Vgl. Villalonga, B. (2000), S. 4. Vgl. im folgenden Matsusaka, J. G. (2001), S. 410. Matsusaka (2001) betrachtet hier vor allem die Fähigkeiten des oberen und mittleren Managements.

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Da diese Fähigkeiten einen positiven Wert haben, sollte ein Unternehmen in einer späten Lebenszyklus-Phase des Kernbereichs nicht einfach liquidiert werden. Stattdessen sollten die Manager neue Industrien ausfindig machen, die gut zu den organisatorischen Fähigkeiten passen. Trotz sorgfältiger Analyse lässt sich jedoch der Erfolg eines Markteintritts nicht mit Sicherheit vorhersagen. Diversifikation ist somit nach Matsusaka (2001) eine Experimentier- bzw. Übergangsphase. Stellt sich der Eintritt in den neuen Markt als erfolgreich heraus, so kann sich dieser als neues Kerngeschäft etablieren. Das ehemalige Kerngeschäft kann veräußert werden. Ist der Marktentritt dagegen nicht erfolgreich, so wird der Bereich wieder veräußert. Die Desinvestition schafft Wert, wenn negative Synergien mit dem neuen Kerngeschäft abgebaut werden. Da die Fragestellung durch theoretische Argumentation nicht lösbar ist, wurde eine große Anzahl empirischer Studien zur Klärung der Wertgenerierung bzw. -zerstörung durch Diversifikations- bzw. Fokussierungsstrategien unternommen. Diese sind im Wesentlichen in vier unterschiedlichen Arten von Studien unterteilbar. (1) Ereignisstudien Empirische Studien offenbaren positive Ankündigungseffekte für unverwandte Akquisitionen vor allem für den Zeitraum der Welle konglomerater Zusammenschlüsse in den 60er und 70er Jahren.313 Kaplan/Weisbach (1992) sehen keinen signifikanten Unterschied zwischen Ankündigungseffekten von verwandten und unverwandten Akquisitionen in den 70er Jahren.314 Die positive Bewertung diversifizierender Akquisitionen in den 60er und 70er Jahren widerspricht den Argumenten der Agency-Theorie, die ja besagt, dass Manager nur diversifizieren, um den eigenen Nutzen zu erhöhen. Sie legt den Schluss nahe, dass der externe Kapitalmarkt zu Zeiten der Welle konglomerater Zusammenschlüsse noch unzureichend entwickelt war. Dies machte eine Diversifikation mit dem Ziel der Schaffung eines internen Kapitalmarktes wertsteigernd.315 Nach dieser Argumentation hat sich dann der externe Kapitalmarkt in den 80er Jahren weiter entwickelt, so dass eine Diversifikation ineffizient wurde. Die Argumentation erklärt auch das häufige Vorkommen von diversifizierten Konzernen in Entwicklungsländern.316 Allerdings sind die Ergebnisse für die 80er und 90er Jahre ebenfalls widersprüchlich. Zwar stellen Morck/Shleifer/Vishny (1990) eine positive Überrendite von 2,38% bei verwandten und -1,89% bei unverwandten Akquisi-

313

314 315 316

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Vgl. Schipper, K./Thompson, R. (1983), S. 98 ff., Matsusaka, J. G. (1993), S. 367, Hubbard, R. G./Palia, D. (1999), S. 1141. Vgl. Kaplan, S./Weisbach, M. (1992), S. 135. John, K./Ofek, E. (1995), S. 123, kommen für die 80er Jahre zu dem gleichen Ergebnis. Vgl. Hubbard, R. G./Palia, D. (1999), S. 1133. Vgl. Khanna, T./Palepu, K. (2000), S. 868.

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tionen für den Zeitraum 1975-1987 fest.317 Weitere Studien kommen allerdings zu anderen Ergebnissen. So ermitteln Hyland/Diltz (2002) eine signifikant positive Überrendite für diversifizierende Akquisitionen im Zeitraum 1980-1987.318 John/Ofek (1995) finden keine Hinweise auf eine unterschiedliche Bewertung verwandter und unverwandter Akquisitionen in den 80er Jahren.319 Insgesamt stehen somit die Ergebnisse der Ereignisstudien von Akquisitionen zumindest teilweise im Gegensatz zu den Ergebnissen der Analysen zum Diversifikationsabschlag. Ereignisstudien zu Fokussierungsentscheidungen zeichnen ein klareres Bild. Insgesamt scheint eine Fokussierung eine positive Kapitalmarktreaktion zu bewirken. Auf eine Fokussierung der Geschäftstätigkeit wird dabei entweder durch Motivangabe des Verkäufers oder durch Vergleich der Industriezugehörigkeit von verkauftem Unternehmensteil und Verkäufer geschlossen. Während sich die erste Methode auf die Aufrichtigkeit des Verkäufers verlässt, basiert die zweite Methode auf klaren, nachprüfbaren Kriterien. Montgomery/Thomas/Kamath (1984) unterteilen in einer empirischen Studie Desinvestitionen nach Motivangabe in die Kategorien "Strategic Divestiture", "Selling Undesired Units", "Selling in Response to Liquidity Concerns", "Forced Divestitures" und "Undiscussed Divestitures". Nach den Autoren erzielen nur Desinvestitionen aus strategischen Motiven signifikant positive Überrenditen.320 Die Fokussierung der Geschäftstätigkeit gilt als wichtigstes strategisches Motiv. Die geringen Stichprobenzahlen der einzelnen Motivgruppen und die Verwendung von Monatsrenditen lassen allerdings Zweifel an der generellen Aussagekraft der Ergebnisse aufkommen. Datta/Iskandar-Datta (1996) bestätigen dennoch die Ergebnisse und finden in einer multivariaten Regressionsanalyse einen signifikant positiven Einfluss des Fokus-Motivs.321 Markides (1992) ermittelt einen signifikant positiven Kurseffekt bei Restrukturierungsankündigungen, die zu einer Fokussierung des Unternehmens führen.322 Kaiser/Stouraitis (2001) und Clubb/Stouraitis (2002) weisen einen positiven Effekt des Fokus-Motivs für UK nach, während Eichinger (2001) und diesen für Deutschland ablehnt.323 John/Ofek (1995) vergleicht die Industriezugehörigkeit von desinvestierten Teilunternehmen und Verkäufern. Sie kategorisieren eine Desinvestition als fokuserhöhend, wenn sich der 4-stellige SIC-Code der Zielfirma von dem 4-stelligen Haupt-SIC-Code des Verkäufers unterscheidet. Die Autoren entdecken einen signifikant positiven 317 318 319 320 321 322 323

Vgl. Morck, R./Shleifer, A./Vishny, R. (1990), S. 41. Vgl. Hyland, D. C./Diltz, J. D. (2002), S. 74. Vgl. John, K./Ofek, E. (1995), S. 123. Vgl. Montgomery, C./Thomas, A./Kamath, R. (1984), S. 836. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996), S. 54. Vgl. Markides, C. C. (1992), S. 406. Zum selben Ergebnis kommen Berger, P. G./Ofek, E. (1999), S. 334 f. Vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001), S. 332, Clubb, C./Stouraitis, A. (2002), S. 680, Eichinger, A. (2001), S. 163.

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Einfluss der Fokus-Variablen auf die Überrendite der Verkaufsankündigung.324 Löffler (2001) bestätigt diesen Effekt teilweise für Deutschland unter Verwendung einer eigenen Industrieklassifizierung.325 Neben den erwähnten Studien zu Selloffs bzw. Verkaufsprogrammen sind besonders Studien zu Spinoffs aufschlussreich bei der Beurteilung der FokusHypothese. Spinoffs haben im Vergleich zu Selloffs den Vorteil, dass sie nicht aus Finanzierungsgründen stattfinden, da dem Verkäufer keine Geldmittel zufließen. Dahley/Mehrotra/Sivakumar (1997) finden einen positiven Ankündigungseffekt nur für Spinoffs von Unternehmensteilen, die nicht zum Kerngeschäft des Verkäufers gehören.326 Die Autoren ermitteln weiterhin eine signifikante Profitabilitätserhöhung der verbleibenden Assets, übereinstimmend mit den Vorhersagen der Fokus-Hypothese.327 Für Europa ermitteln Veld/VeldMerkoulova (2003) ebenfalls einen signifikant höheren Kurseffekt bei Spinoffs, die zu einer Verringerung der Diversifikation führen.328 Dagegen stellt Bühner (1998) keinen Unterschied in der Bewertung bei stark und schwach diversifizierten Unternehmen fest.329 Während die Ergebnisse zu Diversifikationsentscheidungen uneinheitlich sind, liefern die Ergebnisse von Fokussierungsentscheidungen starke Hinweise auf einen hohen Erklärungsgehalt der Fokus-Hypothese. (2) Bewertung mittels Multiplikatorenanalyse Diversifizierte Unternehmen werden mit einem Abschlag im Vergleich zu spezialisierten Firmen gehandelt. Dies zeigen Wernerfelt/Montgomery (1988) in einer wegweisenden Studie anhand der Multiplikatorgröße Tobin's q.330 Lang/Stulz (1994), Berger/Ofek (1995) und Servaes (1996) bestätigen das Ergebnis.331 Berger/Ofek (1995) ermitteln beispielsweise mittels Multiplikatorenbewertung einen durchschnittlichen Abschlag diversifizierter Unternehmen von 13%-15%.332 Lins/Servaes (1999) finden einen Diversifikationsabschlag eben324 325

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327 328 329 330 331

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John, K./Ofek, E. (1995), S. 120. Löffler, Y. (2001), S. 168. Ein positiver Zusammenhang zwischen Fokussierung und Überrendite ist nur bei multivariater Analyse in [-3,1] und [-1,1] unter Einbeziehung von Outsourcing- und Bankenklauselfällen erkennbar. Die Zugehörigkeit zum Kerngeschäft des abgetrennten Geschäftsbereichs wird mittels Übereinstimmung der 2-stelligen SIC-Codes gemessen. Vgl. Dahley, L./Mehrotra, V./Sivakumar, R. (1997), S. 257. Vgl. Dahley, L./Mehrotra, V./Sivakumar, R. (1997), S. 265 ff. Zu den gleichen Ergebnissen kommen Desai, H./Jain, P. C. (1999), S. 86 ff. Vgl. Veld, C./Veld-Merkoulova, Y.V. (2003), S. 15. Vgl. Bühner, R. (1998), S. 828. Vgl. Wernerfelt, B./Montgomery, C. (1988), S. 249. Vgl. Lang, L. H. P./Stulz, R. M. (1994), S. 1260, Berger, P. G./Ofek, E. (1995), S. 39-65, Servaes, H. (1996), S. 1207. Vgl. Berger, P. G./Ofek, E. (1995), S. 39.

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falls für Japan und England, allerdings nicht für Deutschland.333 Die Autoren erklären das Fehlen eines Abschlags in Deutschland mit der verbesserten Kontrollstruktur durch den hohen Aktienbesitz von Insidern. Der Diversifikationsabschlag gilt als wichtigstes Glied in der Argumentationskette, die eine Wertreduktion durch Diversifikation postuliert. In den letzten Jahren wurde jedoch verstärkt angezweifelt, dass der Diversifikationsabschlag wirklich durch den Prozess der Diversifikation ausgelöst wird und somit auf negative Synergien zurückgeht. Der Zweifel beruht in erster Linie auf der möglichen Endogenität der Diversifikationsentscheidung, die zu einem Selection Bias führen kann. Die Grundannahme besagt, dass Firmen, die diversifizieren, sich bereits vor der Diversifikation in gewissen Charakteristika von spezialisierten Firmen unterscheiden.334 Diese Charakteristika können die Diversifikation zu einem wertgenerierenden Prozess machen und dennoch für die Existenz des Diversifikationsabschlags verantwortlich sein.335 In diesem Fall wäre der Zusammenhang zwischen Diversifikation und Wertabschlag nicht kausal. Nach Villalonga (2000) und Campa/Kedia (2002) verschwindet der Abschlag nach statistischer Kontrolle der externen Charakteristika oder wird sogar zu einem signifikanten Aufschlag.336 Graham/Lemmon/Wolf (2002) untersuchen Firmen, die diversifizierende Akquisitionen unternehmen. Sie erklären einen Großteil des Diversifikationsabschlags nach der Transaktion mit einem Selection Bias bei der Zielfirma. Die Zielfirmen werden bereits vor dem Aufgehen in der diversifizierten Unternehmung mit einem signifikanten Abschlag gehandelt.337 Eine kausale Wertminderung durch Diversifikation ist infolge der aktuellen Studien zum Diversifikationsabschlag nicht als empirisch gesichert annehmbar. Trotzdem sind die Ergebnisse aufschlussreich für eine mögliche Wertgenerierung durch Fokussierung. Verursacht die Diversifikation wirklich kausal den Abschlag für Konglomerate, so ist bei einer Fokussierung mit einer Wertgenerierung zu rechnen. Ist dieser kausale Zusammenhang nicht gegeben, so zeigt dies anderseits, dass die Manager mit der Diversifikation keine wertvernichtende Strategie verfolgen. Es kann dann angenommen werden, dass sie auch bei Desinvestitionen im Sinne der Aktionäre auf exogene Charakteristika reagieren.

333 334 335 336 337

Vgl. Lins, K., Servaes, H. (1999), S. 2222 ff. Die Unterschiede können sich auf die Firmen an sich, auf die bisherige Industrie und auf die Zielindustrie beziehen, vgl. Villalonga, B. (2000), S. 26. Vgl. Campa, J. M./Kedia, S. (2002), S. 1733. Vgl. Villalonga, B. (2000), S. 26, Campa, J. M./Kedia, S. (2002), S. 1731. Vgl. Graham, J.R./Lemmon, M.L./Wolf, J.G. (2002), S. 704.

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(3) Langfristige Marktperformance Im Gegensatz zu der zeitpunktbezogenen Bewertung im Rahmen von Multiplikatorenanalysen analysieren Studien zum Markterfolg die langfristigen Aktienrenditen von diversifizierten und fokussierten Unternehmen.338 Melicher/Rush (1973) kommen für den Zeitraum 1965-1971 zu dem Ergebnis, dass die risikoadjustierte Performance von Konglomeraten sich nicht signifikant von derjenigen von fokussierten Firmen unterscheidet.339 Auch Palepu (1985) findet keinen signifikanten Unterschied zwischen der langfristigen risikoadjustierten Performance von diversifizierten und nicht diversifizierten Firmen.340 Zu dem gleichen Ergebnis kommt Habbel (1999) für Deutschland. Er misst keinen PerformanceUnterschied zwischen Unternehmen mit absolut hohem bzw. niedrigem Herfindaal-Index. Der Performance-Unterschied zwischen Unternehmen, die den Herfindaal-Index verringern bzw. erhöhen, ist dagegen statistisch signifikant. Die Performance-Verbesserung einer Fokussierung geht allerdings mit einer Erhöhung des systematischen Risikos einher. Nach Risikoadjustierung ist der Performance-Unterschied nicht mehr signifikant.341 Comment/Jarrell (1995) untersuchen längerfristige Kursauswirkungen von Fokussierungsstrategien. Sie finden zwischen fokuserhöhenden und fokusverringernden Firmen einen signifikanten Unterschied in der 3-jährigen Aktienperformance von 7,4%. Die Autoren zeigen außerdem, dass ein absoluter Anstieg des Herfindaal-Index342 um 0,1 mit einer Erhöhung der 2-jährigen Rendite um 4,3% einhergeht.343 (4) Profitabilität und Produktivität Die vierte Gruppe von Analysen beurteilt den Erfolg einer Diversifikation bzw. Fokussierung nicht anhand der Bewertung durch den Aktienmarkt, sondern anhand von Kriterien aus dem Rechnungswesen.344 Die Profitabilitätsstudien lassen zusammenfassend den Schluss zu, dass verwandte Diversifikation die Profitabilität erhöht, während unverwandte Diversifikation diese verringert. Diversifikation und Profitabilität haben demnach keinen einfach-linearen Zusammenhang.345 Die Profitabilitätseffekte der Fokussierung scheinen eindeutiger. John/Ofek (1995) finden einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen einer Fokussierung durch Desinvestition und der Veränderung der Profitabilität

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345

68

Für einen Überblick über die relevante Literatur vgl. Palepu, K. (1985), S. 241-243. Vgl. Melicher, R./Rush, D. (1973), S. 381-388. Vgl. Palepu, K. (1985), S. 250. Vgl. Habbel, M. (1999), S. 190. Der Herfindahl-Index misst die Konzentration des Umsatzes als Summe der quadrierten Anteile der einzelnen Segmente am Gesamtumsatz. Vgl. Comment, R./Jarrell, G. A. (1995), S. 78. Für einen umfassenden Überblick der Studien über Profitabilitätseffekte vgl. Ramanujam, V./Varadarajan, P. (1989), S. 529 ff., Montgomery, C. A. (1994), S. 168-170. Vgl. Villalonga, B. (2000), S. 6.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

der verbleibenden Aktiva. Nur Desinvestitionen, die eine Fokussierung bewirken, führen zu einer signifikanten Verbesserung der Profitabilität. Bei Desinvestitionen, die keine Konzentration bewirken, stellen die Autoren sogar eine Verschlechterung der Profitabilität der verbleibenden Geschäftsbereiche fest.346 Auch Berg (1995) und Markides (1995) entdecken einen positiven Einfluss einer Verringerung der Diversifikation auf die Profitabilität der verbleibenden Assets.347 Haynes/Thompson/Wright (2002) bestätigen die Ergebnisse für UK.348 Studien zu Produktivitätseffekten von Diversifikations- bzw. Fokussierungsstrategien sind deutlich seltener und lassen keine eindeutigen Schlüsse auf die Effektivität von diversifizierten bzw. fokussierten Unternehmen zu. Lichtenberg (1992) und Schoar (2002) ermitteln eine höhere Produktivität für diversifizierte Firmen.349 Nach Maksimovic/Phillip (2002) erfahren Unternehmensteile, die nicht dem Kerngeschäft angehören, nach dem Verkauf eine signifikante Produktivitätssteigerung. Betrachtet man alle verkauften Assets, so werden diese nur dann produktiver, wenn sie zum Kerngeschäft des Käufers gehören.350 Das Ergebnis aller vorgestellten Studien kann folgendermaßen zusammengefasst werden. Obwohl die Ergebnisse durchaus nicht immer eindeutig sind, geht heute der akademische Mainstream von einer Wertvernichtung durch Diversifikation aus. Eine positive Beurteilung der Fokussierung durch den Kapitalmarkt scheint dagegen empirisch gut belegt. Diese Wertgenerierung scheint auch real im Unternehmen durch eine verbesserte Profitabilität erwirtschaftet zu werden. Insgesamt fallen die Agency-Probleme bei einer Verringerung der Diversifikation offenbar weniger stark ausgeprägt aus als bei einer Ausweitung der Diversifikation. Aus theoretischer Sicht scheint die Fokus-Hypothese somit wertvoll für die Erklärung positiver Wertsteigerungen bei Desinvestitionen. 3.4.2.2 Verkauf verlustbringender Assets Der Verkauf eines verlustbringenden Unternehmensteils geht nicht per se mit einem Werteffekt für den Verkäufer einher. Die schwache Performance ist in einem effizienten Markt bekannt, so dass der Käufer einen Preis bietet, der mit dem aktuellen Wert des Unternehmensteils beim Verkäufer übereinstimmt. Ein Werteffekt ist nur dann zu vermuten, wenn das Unternehmen beim Käufer effizienter betrieben werden kann oder wenn der Verkauf beim Verkäufer zu operativen Verbesserungen führt. Ein positiver Werteffekt für den Verkäufer durch operative Verbesserungen nach dem Verkauf verlustbringender Unternehmensteile wird im Verlauf der Arbeit als Verlust-Hypothese beschrieben. 346

347 348 349 350

Vgl. John, K./Ofek, E. (1995), S. 112-116. Die Ergebnisse werden bestätigt von Bergh, D. D. (1995), S. 221-239. Vgl. Bergh, D. D. (1995), S. 234-235, Markides, C. C. (1995), S. 109-114. Vgl. Haynes, M./Thomspon, S./ Wright, M. (2002), S. 184 ff. Vgl. Lichtenberg, F. R. (1992), S. 427-438, Schoar, A. (2002), S. 2384 ff. Vgl. Maksimovic, Vojislav/Phillips, G. (2002), S. 722.

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Die theoretische Herleitung der Hypothese beruht auf der Arbeit von Meyer/Milgrom/Roberts (1992), die ein Konzept aus Beeinflussungsaktivitäten (Influence Activities) und Beeinflussungskosten (Influence Costs) beschreiben.351 Die Autoren definieren Beeinflussungsaktivitäten als Versuche, die Verteilungsentscheidungen in Unternehmen zu beeinflussen. Sie stellen somit das Privatsektor-Gegenstück zu dem Verhalten dar, das im öffentlichen Sektor als Rent Seeking bekannt ist. Beeinflussungskosten beinhalten die Ressourcen, die für den Verteilungskampf statt zur Wertgenerierung aufgewendet werden, die Wertvernichtung durch suboptimale Entscheidungen infolge von Beeinflussungen und die Kosten zur Begrenzung der Beeinflussung innerhalb der Organisation. In marktwirtschaftlichen Systemen sind die Beeinflussungskosten in der Regel innerhalb von Organisationen höher als zwischen verschiedenen Marktteilnehmern. Das obere Management besitzt einerseits große Freiheit in der Verteilung von Ressourcen, hängt andererseits aber ab von der Informationsbereitstellung durch andere Mitglieder der Organisation. Im Gegensatz zu anderen Kosten infolge der Organisationsstruktur großer Unternehmen lassen sich Beeinflussungskosten nicht komplett durch Dezentralisation vermeiden. Divisionsmanager versuchen zu verhindern, eine schlechtere Bezahlung zu erhalten als die Manager anderer Divisionen. Sie üben eine gezielte Beeinflussung des oberen Managements aus, indem sie die Zukunftsaussichten ihres Bereichs zu positiv darstellen. Sie verschwenden somit Zeit und Geld. Meyer/Milgrom/ Roberts (1992) argumentieren nun, dass ein verändertes Wirtschaftsumfeld zu einer Veränderung des absoluten Niveaus der Beeinflussungskosten führen kann. Dabei gehen sie von einer grundsätzlichen Asymmetrie von Wachstum und Niedergang zwischen den einzelnen Bereichen eines Unternehmens aus. Kommt es in einer Division zu einer Krise und besteht die Gefahr von Entlassungen, so steigen die Anreize der Manager, stärkere Beeinflussungsaktivitäten auszuüben, um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Solche Manager sind geneigt, die Aussichten der eigenen Abteilung besser aussehen zu lassen bzw. die positiven Aussichten anderer Bereiche anzuzweifeln. Die Isolierung der betroffenen Abteilung ist der einzige Weg, um die Beeinflussungsaktivitäten zu beenden und die Beeinflussungskosten einzusparen. Eine vollständige Isolierung gelingt nur durch eine Desinvestition. Eine solche ist sinnvoll als Spinoff, Equity Carveout, Unit Buyout oder als Verkauf an ein Drittunternehmen, das die Möglichkeit hat, die Beeinflussungsaktivitäten zu verhindern. Beeinflussungskosten sind niedriger, wenn der Käufer in der gleichen Industrie tätig ist und infolge von internem Wachstum die Mitarbeiter der Zielfirma aufzunehmen vermag. Sie werden auch dann niedriger sein, wenn der Verkäufer einen höheren Fokussierungsgrad aufweist, so dass die einzelnen Abteilungen stärker kooperieren und weniger um die vorhandenen Ressourcen konkurrieren. 351

70

Vgl. im folgenden Meyer, M./Milgrom, P./Roberts, J. (1992), S. 15 ff.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Bei verlustbringenden Unternehmensteilen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Käufer diese unabhängig der Beeinflussungskosten effizienter betreiben kann. Es gibt daher eine logische Überschneidung zwischen Effizienz- und Verlusthypothese. Es kann auch eine Überschneidung zur Finanzierungs-Hypothese argumentiert werden. Bei Unternehmen, die sich in einer finanziellen Krise befinden, verringert der Verkauf verlustbringender Unternehmensteile die Kosten der finanziellen Notlage, da laufende Verluste des Unternehmensteils nicht länger gedeckt werden müssen. Der Einfluss des Geschäftserfolgs des desinvestierten Unternehmensteils scheint interessanterweise in den USA und in Europa unterschiedlich bewertet zu werden. Montgomery (1984) findet für die USA eine negative Bewertung von Desinvestitionen mit dem Motiv "Unwanted Units". Diese beinhalten Desinvestitionen von Unternehmensteilen mit ungenügender Performance.352 Auch Guedes/Parayre (1997) bestätigen die Verlust-Hypothese für die USA nicht. Sie ermitteln nicht signifikante Überrenditen für Desinvestitionen von "Looser Divisons" und signifikant positive Ankündigungseffekte für Selloffs von "Winner Divisons".353 Diese Ergebnisse entsprechen allerdings den Erwartungen von Guedes/Parayre (1997), da die Autoren ein Modell entwickeln, das auf dem Streben von Managern nach hohem Ansehen basiert. Sie sagen voraus, dass Manager "Winner Divisons" nur dann verkaufen, wenn sie sehr starke positive private Signale über den Wert der Divisionen besitzen. In diesem Fall dürfte eine durch den Verkaufprozess niedrigere Neubewertung der Division, die eine Verringerung des Manager-Ansehens nach sich zöge, unwahrscheinlich sein. Da die Manager einer "Looser Division" einen weiteren Reputationsverlust weniger fürchten, werden sie solche schwachen Unternehmensteile immer zum Kauf stellen, wenn sie auch nur geringe private Signale erhalten, dass die Probleme des Unternehmensteils überschätzt werden. Kaiser/Stouraitis (2001) erfahren in ihrer Untersuchung des UK-Marktes dagegen Unterstützung für die VerlustHypothese. Sie ermitteln für Selloffs mit dem Motiv "Operational Reasons" eine signifikant positive Bewertung insbesondere dann, wenn die verkauften Divisionen Verluste schreiben.354 Auch Clubb/Stouraitis (2002) erlangen Anhaltspunkte für die Stichhaltigkeit der Verlust-Hypothese. Sie stellen einen signifikant negativen Einfluss des ROA des verkauften Unternehmensteils auf die Überrendite des Verkäufers fest.355

352 353 354 355

Vgl. Montgomery, C./Thomas, A./Kamath, R. (1984), S. 833 ff. Vgl. Guedes, J./Parayre, R. (1997), S. 1099. Vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001), S. 343 f. Vgl. Clubb, C./Stouraitis, A. (2002), S. 680-682.

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition

3.4.3 Finanzierungseffekte beim Verkäufer Die Finanzierungs-Hypothese erklärt die positiven Kurseffekte auf Desinvestitionsankündigungen durch positive Effekte beim Verkäufer, die der Mittelzufluss auslöst. Die positiven Effekte sind zum einen durch eine Verringerung der Kosten finanzieller Notlagen bei Auszahlung der Mittel an die Fremdkapitalgeber erklärbar. Zum anderen ergeben sie sich aus der effizienteren Verwendung bestehender Aktiva, beispielsweise durch Umschichtung von Mittel aus wertvernichtenden Bereichen in Projekte mit positivem Kapitalwert.356 Da erhaltene Mittel immer auch wertvernichtend zum Nutzen des Managements verwendbar sind, haben Agency-Gesichtpunkte eine besondere Bedeutung für die Beurteilung von Desinvestitionen als Finanzierungsquelle. (1) Auszahlung der Mittel Existiert eine optimale Kapitalstruktur für ein Unternehmen und ist die Kapitalstruktur vor der Transaktion beispielsweise infolge unerwarteter Verluste suboptimal, so kann die Desinvestition die Kapitalstruktur wieder auf das optimale Niveau zurückführen. Da der Unternehmenswert bei optimaler Kapitalstruktur maximiert ist, erweist sich eine solche Desinvestition als wertsteigernd.357 Die Frage nach der optimalen Kapitalstruktur, was sie kennzeichnet bzw. ob es überhaupt eine optimale Kapitalstruktur gibt, hat man zu unterschiedlichen Zeiten abweichend beantwortet.358 Die traditionelle Finanzwirtschaftslehre als älteste Theorierichtung stuft die Kapitalstruktur als relevant ein. Sie basiert die Argumentation zwar einerseits bereits auf Annahmen zum Verhalten der Kapitalgeber, sieht aber andererseits immer noch das Unternehmen an sich und nicht die einzelnen Personen als Zielträger finanzwirtschaftlicher Entscheidungen. Daraus entsteht eine Problematik, die später die Vertreter der Markttheorie aufgreifen. Die Eigenkapitalgeber verringern bei Aufnahme von Fremdkapital die Kapitalkosten des Unternehmens, ohne für das erhöhte Risiko mit einer höheren Rendite entlohnt zu werden. Den Nutzen aus dem Verhalten der Kapitalgeber streicht allein das Unternehmen ein. Dem Kapitalmarkt räumen die Vertreter der traditionellen Finanzwirtschaftslehre in ihrer Argumentation keinerlei Funktion ein. Die Anhänger der neoklassischen Markttheorie beheben dieses Versäumnis sehr gründlich und basieren ihre Argumentation auf einem perfekten Kapitalmarkt. Sie gehen davon aus, dass die Investitionspolitik des Unternehmens gegeben, optimal und von der Finanzierungsstruktur unabhängig ist. Unternehmens- und Personensteuern bleiben ebenfalls unberücksichtigt. Unter diesen

356 357 358

72

Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 73. Vgl. Jain, P. C. (1985), S. 210-211. Vgl. im folgenden Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 453-460.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Annahmen besagt die berühmte erste These von Modigliani/Miller (1958), dass die Kapitalstruktur irrelevant ist, d.h. der Marktwert eines Unternehmens hängt nicht von der Kapitalstruktur ab.359 Die Aussage beruht auf der Fähigkeit eines jeden Investors, auf einem perfekten Kapitalmarkt alle Kapitalstrukturentscheidungen eines Unternehmens durch eigenes Anlegen bzw. Leihen rückgängig machen zu können.360 Die neo-institutionalistische Finanzierungstheorie meldet Zweifel an den umfangreichen Annahmen der Markttheoretiker an. Sie ignoriert jedoch nicht Marktmechanismen wie die traditionelle Finanzierungstheorie, sondern nimmt einen unvollkommenen und unvollständigen Kapitalmarkt an. Wie bereits in Kapitel 3.1.1 erläutert, resultiert dieser aus Informationsasymmetrien zwischen den Marktteilnehmern, daraus entstehenden Anreizproblemen und Transaktionskosten. Die neo-institutionalistische Finanzierungstheorie kehrt zu der Aussage zurück, dass die Kapitalstruktur relevant ist. Die Finanzierungsstruktur beeinflusst die Zahlungsströme, die aus dem Unternehmen an die unterschiedlichen Kapitalgeber abfließen. Unternehmen mit unterschiedlicher Kapitalstruktur unterscheiden sich durch verschiedene Anreizprobleme, Kontrollkosten und Investitionsentscheidungen. Sie stellen somit heterogene Güter da, die zu Recht zu unterschiedlichen Preisen gehandelt werden.361 In der Realität ist – wie von der neo-institutionalistischen Finanzierungstheorie vorhergesagt – mit einer Relevanz der Finanzierungsstruktur zu rechnen. Zwei Theorien zur konkreten Ausgestaltung der optimalen Finanzstruktur haben sich durchgesetzt: Die Static Tradeoff Theorie und die Pecking Order Theorie. Die Static Tradeoff Theorie besagt, dass eine Abwägung der Vorteile der Verschuldung mit den Kosten einer finanziellen Notlage zu einer optimalen Kapitalstruktur führt.362 Das theoretische Optimum ist erreicht, wenn der marginale Kapitalwert der Vorteile bei einer weiteren Erhöhung der Verschuldung dem marginalen Wert der Kosten einer finanziellen Notlage entspricht. Das Unternehmen legt diese Finanzierungsstruktur als Zielwert fest und stellt alle Finanzierungsaktivitäten darauf ab. Vorteile einer Verschuldung entstehen in erster Linie durch Steuervorteile infolge der Abzugsfähigkeit der Zinszahlungen363 und durch die Verringerung der Agency-Kosten.364 Die Kosten einer finanziellen Notlage sind vielfältig. Sie hängen ab von der Wahrscheinlichkeit einer ernsten finanziellen Krise und den tatsächlichen Kosten, falls die Krise wirklich eintritt. Die tatsächlichen Kosten lassen sich in direkte Insolvenzkosten und Kosten, die selbst bei Vermeidung von Insolvenz auftreten, unterscheiden. Bei Insolvenz geht die Verfügungsgewalt über die Firmenaktiva von den Eigenkapitalgebern an die Fremd359 360 361 362 363 364

Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (1958), S. 261-297. Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 468. Vgl. Schmidt, R. H./Terberger, E. (1997), S. 455. Vgl. Scott, J. H. (1976), S. 33-54, Myers, S. C. (1977), S. 147-175. Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (1963), S. 433-443. Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 324.

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3 Wertsteigerung durch Desinvestition

kapitalgeber über. Direkte Insolvenzkosten sind die Kosten, die bei Nutzung dieses Mechanismus anfallen.365 Dies wären vor allem Kosten für Juristen, Wirtschaftprüfer, Investment Banker und Sachverständige.366 Weiss (1990) findet in einer empirischen Untersuchung, dass sich die direkten Insolvenzkosten auf ca. 3% des Buchwertes und 20% des Marktwertes ein Jahr vor dem Konkurs belaufen.367 Diese Ergebnisse bestätigen Andrade/Kaplan (1998), die Insolvenzkosten von 10%-20% des Marktwertes vor dem Konkurs ermitteln.368 Indirekte Kosten treten selbst bei Vermeidung der Insolvenz auf. Sie bestehen in erster Linie aus einer Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit als Folge schlechterer Beziehungen zu Kunden und Zulieferern. Kunden sorgen sich beispielsweise um die weitere Belieferung oder um die Versorgung mit Ersatzteilen. Zulieferer verringern den Service für gefährdete Unternehmen oder verlangen sofortige Bezahlung bei Lieferung. Indirekte Kosten entstehen darüber hinaus durch Abwanderung fähiger Mitarbeiter, Missmotivation der verbleibenden Mitarbeiter und das Ausbleiben von Bewerbungen neuer Mitarbeiter. Befindet sich ein Unternehmen in einer finanziellen Krise, verändern sich die Anreize für die beteiligten Unternehmensgruppen, woraus sich erhebliche Agency-Kosten ergeben. Insbesondere die Beziehung von Eigen- und Fremdkapitalgebern ist in Zeiten finanzieller Krisen konfliktbeladen. Die Aktionäre haben in einer solchen Situation den Anreiz, sehr hohe Risiken einzugehen, da sie bei Erfolg den Großteil des Gewinns einstecken, bei Misserfolg jedoch die Gläubiger den Großteil der Verluste tragen.369 Dies bezeichnet man als Problem der Mittelumschichtung (Asset Substitution).370 Angenommen, der Wert des Fremdkapitals übersteigt den Wert der Firmenaktiva, das Fremdkapital wird jedoch erst in der Zukunft fällig. Dann besteht der Wert der Aktionäre nur noch aus dem Wert der Option, den Konkurs zu vermeiden. Manager, die allein im Interesse der Aktionäre handeln, versuchen daher, bis zur Fälligkeit durch ein neues Projekt genügend Mittel zu erwirtschaften, um das Fremdkapital zurückzahlen zu können. Sie werden sogar Projekte durchführen, die nur eine sehr geringe Erfolgswahrscheinlichkeit bzw. sogar einen negativen Kapitalwert aufweisen. Sie vernichten dadurch Wert für die Fremdkapitalgeber, der diesen bei sofortigem Konkurs zustünde. Neben dem Anreiz, hohe Risiken einzugehen, haben Aktionäre in Zeiten finanzieller Krisen auch den Anreiz zur Investitionsvermeidung. Sie werden keine neuen Mittel zur Durchführung eines relativ sicheren Projektes mit positivem Kapitalwert beisteuern, wenn sie dadurch einen Konkurs nicht abzuhalten vermögen, da sie den Erfolg mit den Fremdkapitalgebern teilen müssen. Das Kriterium des Kapital365 366 367 368 369 370

74

Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 499. Vgl. Buckley, A./Ross, S. A./Westerfield, R. W./Jaffe, J. F. (2000), S. 397. Vgl. Weiss, L. A. (1990), S. 285-314. Vgl. Andrade, G./Kaplan, S. N. (1998), S. 1443-1493. Vgl. Buckley, A./Ross, S. A./Westerfield, R. W./Jaffe, J. F. (2000), S. 398 f. Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 334.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

wertes zur Beurteilung der Werthaltigkeit im Sinne der Aktionäre wird somit in Zeiten finanzieller Krisen obsolet. Im Gegenzug neigen die Aktionäre dazu, Mittel aus dem Unternehmen abzuziehen, z.B. durch Dividendenausschüttung. Der Eigenkapitalwert verliert dabei weniger als die Höhe der Dividende, da der Wertverlust mit den Fremdkapitalgebern geteilt wird.371 Die Darstellung der opportunistischen Handlungen lässt vermuten, dass diese im Sinne einer Shareholder Value Strategie sind. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Letztendlich tragen die Aktionäre die Kosten selbst, da rationale Fremdkapitalgeber diese Handlungsweisen vorhersehen und in die Kreditzinsen einpreisen. Agency-Kosten finanzieller Notlagen gehen somit zu Lasten des Aktionärsvermögens.372 Die Static Tradeoff Theorie erklärt erfolgreich interindustrielle Unterschiede des Verschuldungsgrades. Wachstumsunternehmen haben in der Regel sehr hohe Kosten finanzieller Krisen, da viele Assets immateriell sind und bei Insolvenz stark an Wert verlieren. Substanzunternehmen mit gutem Cashflow und materiellen Assets haben dagegen einen höheren Verschuldungsgrad, da sie geringere Kosten finanzieller Krisen zu fürchten haben und sie die Steuervorteile der Verschuldung dank hoher Profitabilität gut einsetzen können.373 Es gibt Kosten und daher auch Verspätungen, die Kapitalstruktur an das Optimum anzupassen. Ist ein Unternehmen von seiner optimalen Finanzstruktur entfernt, dann erhöht eine Desinvestition den Unternehmenswert, wenn die zugeflossenen Mittel für eine Anpassung der Finanzstruktur in Richtung Optimum verwendet werden. Dies wird durch Verringerung der Schulden bei Auszahlung der Mittel an die Gläubiger erreicht. Da die Financial Distress Kosten bei hoher Verschuldung überproportional ansteigen, besitzt eine Desinvestition mit dem Motiv der Schuldenreduktion bei hoher Verschuldung ein höheres Wertsteigerungspotential. Auch die Ausschüttung der Mittel an die Aktionäre bewirkt eventuell einen positiven Kurseffekt. Zum einen kann dies auf einem Werttransfer von den Fremdkapitalgebern zu den Aktionären beruhen.374 Zum anderen kommt es zu einem Entzug von Vermögenswerten aus der Verfügungsgewalt des Managements. Dies verringert die Gefahr einer Wertvernichtung durch Managerial Discretion. (2) Finanzierung von Investitionsprojekten Investitionsprojekte sind prinzipiell sowohl mit internen als auch mit externen Mittel finanzierbar. Nach der neoklassischen Finanzierungstheorie mit der Annahme eines perfekten Kapitalmarktes sind beide Methoden gleichwertig. Das

371 372 373 374

Vgl. Copeland, T/Koller, T/Murrin, J. (2000), S. 505. Vgl. Buckley, A./Ross, S. A./Westerfield, R. W./Jaffe, J. F. (2000), S. 401. Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 509. Dieser Aspekt wird in Kapitel 3.4.5 näher betrachtet.

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Unternehmen schüttet freien Cashflow sofort an die Aktionäre aus und nimmt erst bei erneutem Kapitalbedarf die Mittel über den Kapitalmarkt wieder auf. In der realen Welt geht die Aufnahme von Kapital jedoch mit Kosten einher. Aus dieser Erkenntnis entstand die Pecking Order Theorie. Nach der Pecking Order Theorie gibt es keinen definierten optimalen Verschuldungsgrad. Die Steuervorteile der Verschuldung und die Gefahr einer finanziellen Notlage sind eher zweitrangig. Der Verschuldungsgrad ändert sich dann, wenn die profitablen Investitionsmöglichkeiten den internen Cashflow übersteigen.375 Die Finanzierungsstruktur ist das kumulierte Ergebnis von hierarchischen Finanzierungsentscheidungen aus der Vergangenheit.376 Die Pecking Order Theorie erklärt somit den empirisch belegbaren negativen Zusammenhang zwischen Profitabilität und Verschuldungsgrad.377 Diese bestehende Korrelation ist einer der Hauptkritikpunkte an der Static Tradeoff Theorie. Die zentralen Friktionen der Pecking Order Theorie sind Informationsasymmetrien zwischen Managern und externen Geldgebern und Transaktionskosten. Die Informationsasymmetrien führen zu Signaling-Problemen. Der Markt erwartet, dass Manager nur bei Überbewertung des Unternehmens neues Eigenkapital aufnehmen. Die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zieht daher negative Kurseffekte nach sich.378 Um dies zu vermeiden, bevorzugt das Management andere Finanzierungsmöglichkeiten. Die Fremdkapitalaufnahme ist weniger stark von Signaling-Problemen betroffen, allerdings kommt es hier zu höheren Transaktionskosten als bei Nutzung interner Mittel. Die Finanzierung von Unternehmen ist daher von einer hierarchischen Präferenz geprägt. Firmen bevorzugen interne statt externe Mittel und Fremdkapital statt Eigenkapital. Unter Annahme der Pecking Order Theorie lässt sich eine Werthaltigkeit von Desinvestitionen, deren Mittel im Unternehmen verbleiben, begründen. Durch den Verkauf von Unternehmensteilen sind kapitalwertpositive Projekte durchführbar, wenn die Beschaffung über den externen Kapitalmarkt nicht oder nur mit wesentlich höheren Kosten möglich ist.379 Ein effizientes Management verkauft wertvernichtende Unternehmensbereiche380 und investiert die Mittel in wertgenerierende Projekte, die sonst nicht oder nur unter höheren Kosten durch375 376 377 378

379 380

76

Vgl. Myers, S./Majluf, N. (1984), S. 187-221, Myers, S. C. (1984), S. 581-582. Vgl. Shyam-Sunder, L./Myers, S. C. (1999), S. 223. Wald, J. K. (1999), S. 161, ermittelt die Profitabilität als Haupteinflussfaktor auf die Finanzierungsstruktur. Vgl. z.B. Masulis, R. W./Korwar, A. N. (1986), S. 91-118. Entsprechend der Pecking Order Theorie ist der Ankündigungseffekt weniger negativ nach glaubwürdigen Presseveröffentlichungen, vgl. Korajczyk, R. A./Lucas, D. J./McDonald, R. L. (1991), S. 685-708. Die Kosten können sowohl durch reale Auszahlungen (Transaktionskosten) als auch durch Neubewertungen infolge von Informationsasymmetrien entstehen. Dies muss nicht unbedingt eine Überschneidung mit der Verlust-Hypothese bedeuten, da durchaus auch gewinnbringende Unternehmensteile im Sinne eines Nichtverdienens der Kapitalkosten wertvernichtend sein können.

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geführt worden wären. Liquide, zum Verkauf verfügbare Aktiva stellen in den Händen von effizienten Managern Financial Slack dar, der einen Wert für das Unternehmen hat.381 Es ist jedoch fraglich, ob die Transaktionskosten einer Desinvestition bei Unternehmen mit ausreichendem finanziellem Spielraum niedriger sind als bei einer Aufnahme von Fremdkapital. Nur dann ist die Desinvestition wertsteigernd. Der Gang an den externen Kapitalmarkt erweist sich als besonders schwierig für Unternehmen mit hoher Verschuldung und/oder schwacher Geschäftsentwicklung.382 In diesem Fall ist eine Fremdkapitalaufnahme mit hohen Kosten verbunden oder sogar unmöglich. Eine Aufnahme von Eigenkapital dürfte aufgrund von Signaling-Problemen, Anreizen zur Investitionsvermeidung und hohen Transaktionskosten ebenfalls häufig teuer oder unmöglich sein. Ein solches Unternehmen kann durch eine Desinvestition das Problem der Unterinvestition vermeiden. Die Nutzung der Mittel für neue Projekte ist bei einem hoch verschuldeten Unternehmen dann effizient, wenn der Kapitalwert des neuen Projektes den Abbau der Kosten der Verschuldung übersteigt. Allein die Tatsache, dass durch Desinvestitionen Geldmittel am externen Kapitalmarkt vorbei aufgenommen werden, lässt jedoch zumindest den Verdacht von Managerial Discretion aufkommen. Es besteht die Gefahr, dass die Manager die Mittel zur Eigennutzenoptimierung einsetzen möchten und der Kapitalmarkt daher das Projekt erst gar nicht finanziert hätte. Die Bewertung von Desinvestitionen bei Mitteleinbehalt hängt somit stark von den Agency-Kosten ab. Bei Firmen mit hohen Agency-Kosten durch Managerial Discretion ist eine positive Beurteilung anzunehmen, wenn die erhaltenen Barmittel an Eigen- oder Fremdkapitalgeber ausgeschüttet werden. Werden die Mittel einbehalten, so ist ein Bewertungsabschlag wahrscheinlich. Bei effizientem Management ist dagegen mit einer positiven Reaktion auf Desinvestitionsankündigungen unabhängig von der Mittelverwendung zu rechnen. Lang/Poulsen/ Stulz (1995) bestätigen die Hypothese für Firmen mit hohen Agency-Kosten. Sie finden einen signifikant positiven Kurseffekt bei Mittelauszahlung und einen nicht signifikanten Kurseffekt bei Mitteleinbehalt.383 Die Autoren werten den positiven Effekt als Verringerung der Financial Distress Kosten.384 Allen/ McConnell (1998) ermitteln einen ähnlichen Effekt bei Equity Carveouts. Die Autoren finden einen signifikant positiven Kurseffekt bei Mittelauszahlung und einen nichtsignifikanten Kurseffekt bei Mitteleinbehalt. Der Unterschied zwischen beiden Stichproben ist signifikant auf dem 1% Niveau.385 Kaiser/ 381 382 383

384

385

Vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (2003), S. 514. Vgl. Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 5. Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 14. Das gleiche Ergebnis erhalten Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001), S. 332, für UK. Von den 40 Beobachtungen werden die Mittel in 35 Fällen an die Fremdkapitalgeber ausgezahlt und nur in 5 Fällen an die Eigenkapitalgeber, vgl. Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 8. Vgl. Allen, J. W./McConnell, J. J. (1998), S. 172-176.

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Stouraitis (2001) ermitteln in multivariater Analyse lediglich einen signifikant positiven Effekt für die Variable "Debt Reduction", während die Variable "Reinvestment" keinen Einfluss auf die abnormale Rendite ausübt. Brown/ James/Mooradian (1995) kommen zum gegenteiligen Ergebnis bei Firmen, die sich in einer finanziellen Krise befinden. Sie erklären dies damit, dass Mittelauszahlungen bei solchen Firmen auf Druck der Kreditgeber erfolgen und den Optionswert der Eigenkapitalgeber auf Nichteintreffen der Insolvenz verringern.386 Insgesamt ermitteln die Autoren einen nicht signifikanten Ankündigungseffekt für ihre Untersuchungsgruppe von Firmen in finanzieller Notlage.387 John/Ofek (1995) stellen zwar einen signifikant positiven Effekt bei Verwendung der Mittel zur Schuldenreduktion fest, in multivariater Analyse hat die Schuldenreduktion jedoch keinen zusätzlichen Erklärungseffekt zur FokusHypothese.388 Auch Datta/Iskandar-Datta (1996) finden keinen Erklärungsgehalt der Schuldenreduktion.389 Slovin/Sushka/Ferraro (1995) ermitteln einen signifikant positiven Effekt sowohl bei Mittelauszahlung als auch bei Mitteleinbehalt.390 Montgomery/Thomas/Kamath (1984) konstatieren eine positive Reaktion auf Desinvestitionen mit dem Motiv Liquiditätsprobleme, diese ist jedoch nicht signifikant.391 Afshar/Taffler/Sudarsanam (1992) finden Anhaltspunkte für eine positive Bewertung bei Vermeidung der Insolvenz für UK. Firmen in schwacher finanzieller Situation erzielen in ihrer Untersuchungsgruppe eine signifikant höhere abnormale Rendite.392 Lasfer/Sudarsanam/Taffler (1996) bestätigen dieses Ergebnis.393 Auch Clubb/Stouraitis (2002) stellen für UK einen positiven Effekt bei Verringerung der Financial Distress Kosten durch Schuldenreduktion fest.394 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Finanzierungshypothese zur Erklärung positiver Ankündigungseffekte von Desinvestitionen beizutragen vermag. Ein positiver Effekt lässt sich vorrangig durch den Abbau von Kosten einer finanziellen Notlage im Sinne der Static Tradeoff Theorie erklären. Eine Wertsteigerung scheint jedoch nur bei wirklicher Chance, den Konkurs zu vermeiden, stattzufinden. Ist die Situation aussichtslos und der Konkurs wahrscheinlich, dann vernichtet eine Reduktion der Asset-Basis für die Aktionäre jedoch eher Wert. Der positive Finanzierungseffekt scheint darüber hinaus in Europa (UK) stärker ausgeprägt zu sein als in den USA. Der Werteffekt einer Mittelgenerierung für interne Zwecke im Sinne der Pecking Order Theorie ist dagegen unklar,

386 387 388 389 390 391 392 393 394

78

Vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S. 247 f. Vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S 247. Vgl. John, K./Ofek, E. (1995), S. 121. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996), S. 56. Vgl. Slovin, M./Sushka, M/Ferraro, S. (1995), S. 102. Vgl. Montgomery, C./Thomas, A./Kamath, R. (1984), S. 836. Vgl. Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 131-134. Vgl. Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996), S. 63. Vgl. Clubb, C./Stouraitis, A. (2002), S. 681.

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er kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Dies trat auch schon in der Theoriediskussion zutage. 3.4.4 Signalingeffekte Signalingeffekte beschreiben keine realen Wertsteigerungen in den betroffenen Unternehmen, sondern lediglich Neubewertungen durch den Kapitalmarkt angesichts zusätzlicher Informationen. (1) Unterbewertung des Verkäufers Die positive Bewertung von Desinvestitionen ist theoretisch mit einem Abbau von Informationsasymmetrien zwischen Unternehmensmanagement und Kapitalmarkt erklärbar. Der Signaling-Effekt bei einer Desinvestitionsankündigung basiert auf dem modifizierten Pecking Order Modell von Myers/Majluf (1984).395 Das Modell geht davon aus, dass sich der Unternehmung eine profitable Investitionsmöglichkeit bietet, die sich jedoch aufgrund einer Finanzierungslücke nicht realisieren lässt. Das Unternehmen vermag die benötigten Finanzmittel entweder über eine Kapitalerhöhung, über eine Fremdkapitalaufnahme oder über eine Desinvestition zu beschaffen. Da das Unternehmensmanagement Informationen über den wahren Wert des Unternehmens zu einem früheren Zeitpunkt als der externe Kapitalmarkt erhält, besteht eine asymmetrische Informationsverteilung zu seinen Gunsten. Es wird davon ausgegangen, dass das Management im Interesse der Alteigentümer handelt, Manager-Eigentümer Konflikte werden ausgeschlossen. Das Management wird nur dann eine Kapitalerhöhung durchführen, wenn der potentielle Werttransfer von Alt- zu Neueigentümern geringer ist als der Kapitalwert des geplanten Investitionsprojektes für die Altaktionäre. Ein Werttransfer zu Lasten der Eigenkapitalgeber ereignet sich bei einer Unterbewertung des Unternehmens, da es den Neuaktionären eine hohe Beteiligungsquote einzuräumen gilt. Unterbewertete Unternehmen verzichten somit auf eine Kapitalerhöhung und wählen stattdessen eine andere Quelle zur Erschließung liquider Mittel.396 Sind die Transaktionskosten bei einer Desinvestition geringer als bei der Aufnahme neuer Fremdmittel oder ist der Verschuldungsgrad schon hoch, dann entscheidet sich das Management für eine Desinvestition. Die Ankündigung der Desinvestition signalisiert daher dem Markt eine Unterbewertung des Unternehmens. Geht man von der Gültigkeit der Pecking Order Theorie aus, dann verzichtet wohl auch ein überbewertetes Unternehmen auf eine Kapitalerhöhung, da rationale Manager einen Bewertungsabschlag vermeiden wollen. Damit ist auch der 395 396

Myers, S./Majluf, N. (1984), S. 187-221. Das Originalmodell beschreibt einen Erklärungsansatz für negative Kapitalmarktreaktionen auf Kapitalerhöhungen. Nanda, V. (1991), S. 1719, erklärt auf Basis dieses Modells positive Ankündigungseffekte von Equity Carveouts.

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Erklärungsgehalt der Signaling-Theorie von Desinvestitionen stark eingeschränkt, da dann sowohl unter- als auch überbewertete Unternehmen eine Desinvestition einer Kapitalerhöhung vorzögen. Ein Signal bezüglich des Unternehmenswertes wäre damit nicht mehr gegeben. Der Erklärungsgehalt der Signaling-Theorie ist auch bei eher kleinen Desinvestitionen mit einer geringen relativen Größe eher zweifelhaft, da diese im Normalfall nicht im Wettbewerb mit Kapitalerhöhungen stehen. Aufgrund des Fixkosten-Charakters einiger Transaktionskosten sind Kapitalerhöhungen mit einer sehr geringen relativen Größe selten. Andererseits ist es unrealistisch, dass sich das Management von großen Unternehmensbereichen alleine zur Vermeidung von Signaling-Effekten und ohne Vorliegen strategischer oder operationeller Gründe trennt. Die Reaktion auf die Ankündigung, dass eine Desinvestition gescheitert ist, hilft bei der Differenzierung von realen und informationstheoretischen Wertsteigerungsquellen. Liegt eine Unterbewertung des Verkäufers vor und wird der Kapitalmarkt durch Signaling darauf hingewiesen, so sollte der Wertgewinn bei Ankündigung eines Scheiterns bestehen bleiben. Sind dagegen reale Gründe für die Wertsteigerung verantwortlich, so ist eine signifikant negative Reaktion auf ein Scheitern zu erwarten. Hite/Owers/Rogers (1987) führen diese Analyse empirisch durch und kommen zu klaren Ergebnissen. Die Ankündigung einer Desinvestition ist mit einem signifikant positiven Effekt verbunden. Die Ankündigung eines Scheiterns der Verkaufsverhandlungen zieht ein signifikant negatives Ergebnis nach sich, falls kein Alternativangebot vorliegt. Der negative Effekt des Scheiterns kompensiert den positiven Effekt der ersten Ankündigung über, so dass gescheiterte Desinvestitionen insgesamt einen nicht signifikant negativen Kurseffekt aufeisen. Desinvestitionen mit hoher Erfolgsausicht werden dagegen insgesamt positiv bewertet.397 Die Autoren werten die Ergebnisse als Bestätigung der Hypothese realer Wertsteigerungen und lehnen den Einfluss von Signaling-Effekten ab. Der Erklärungsgehalt der Signaling-Theorie ist somit sowohl angesichts theoretischer Überlegungen als auch infolge empirischer Ergebnisse als eher gering einzuschätzen. (2) Unterbewertung des verkauften Unternehmensteils Die zweite Signaling-Theorie geht von einer Unterbewertung des desinvestierten Unternehmensteils und nicht des gesamten verkaufenden Unternehmens aus. Eine solche Theorie ist aus entsprechenden Überlegungen bei Firmenübernahmen ableitbar. Dort geht die Signaling-Theorie davon aus, dass das Zielunternehmen am Kapitalmarkt unterbewertet ist.398 Ein Kaufangebot weist den Kapitalmarkt auf diese Unterbewertung hin und führt zu einem Kursaufschlag beim 397 398

80

Vgl. Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 239-244. Vgl. Bradley, M./Desai, A., Kim, E. H. (1983), S. 184 ff.

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Zielunternehmen. Wird diese Theorie für Desinvestitionen angepasst, so besagt sie, dass nur der zu verkaufende Unternehmensteil unterbewertet ist. Ein Kaufangebot führt zu einer positiven Preisanpassung beim Verkäufer, da der Markt den Wert der Unternehmensteils nach oben anpasst. Die Theorie fand weder theoretisch noch praktisch viel Beachtung. Einzig die Ergebnisse von Hite/Owers/Rogers (1987) sprechen klar gegen die Hypothese.399 Die Autoren belegen, dass die Aufhebung einer Desinvestitionsankündigung zu einem negativen Kurseffekt für den Verkäufer führt. Dies spricht gegen eine Unterbewertung der zu verkaufenden Assets und für erwartete Synergieeffekte. Die zweite Signaling-Theorie dürfte somit ebenfalls von eher untergeordneter Bedeutung sein. (3) Signalisierung zukünftiger Effizienz Eine Desinvestition kann theoretisch künftige Effizienzsteigerungen beim Verkäufer signalisieren, die unabhängig vom desinvestierten Bereich sind. Dies ist vor allem dann realistisch, wenn das Unternehmen bisher ineffizient gemanagt wurde und sich beispielsweise Kontroll- und Anreizstrukturen geändert haben. Die Desinvestition wäre dann als Funktionieren der neuen Strukturen interpretierbar. In einem solchen Fall hinge ein positiver Kurseffekt nicht von der relativen Größe der verkauften Assets ab.400 3.4.5 Werttransfereffekte (1) Werttransfer vom Käufer Ein Vermögenstransfer vom Käufer findet statt, wenn dieser für die Akquisition des Unternehmensteils einen Betrag bezahlt, der den ökonomischen Wert überschreitet. Zur Erklärung können die Hybris Hypothese und die Free Cashflow Hypothese herangezogen werden. Während der Effekt beider Theorien derselbe ist – Manager zahlen bei einem Firmenkauf zuviel – differiert die Ursache. Im Gegensatz zur Free Cashflow Hypothese geht die Hybris Hypothese nicht davon aus, dass die Manager in voller Absicht gegen die Interessen der Aktionäre handeln. Sie unterliegen vielmehr einem systematischen Bewertungsfehler.401 Die Hybris Hypothese unterstellt einen effizienten Markt, die Marktpreise spiegeln somit den korrekten Wert von Unternehmen wider. Der Käufer bewertet vor einem Kauf das Zielunternehmen. Ermittelt er einen Wert, der unterhalb des Marktwertes liegt, so gibt er kein Kaufangebot ab. Liegt seine Bewertung jedoch oberhalb des Marktpreises, so veröffentlicht er ein Übernahmeangebot. In Wirklichkeit sind die Bewertungen des Käufers jedoch nur zufällige Fehler um den

399 400 401

Vgl. Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 239-244. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 175 f. Vgl. im Folgenden Roll, R. (1986), S. 197-201.

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Erwartungswert, nämlich den Marktwert, herum. Es werden systematisch nur solche Bewertungen weiter verfolgt, die zu hoch liegen. Die Manager schätzen ihre Bewertung als zutreffender ein als die Bewertung durch den Markt. Dies wird durch Hybris erklärt. Bei dem Kauf von Unternehmensteilen liegt keine direkte Bewertung durch den Markt vor. Eine Übertragung ist damit nur möglich unter der Annahme, dass der Verkäufer den Marktpreis des Unternehmensteils implizit kennt. Dies trifft beispielsweise dann zu, falls Bereichsbewertungen durch Analysten vorliegen. Nach der freien Cashflow Theorie verwenden Manager die freien Mittel zur Optimierung des eigenen Nutzens, wobei sie auch bewusst gegen die Interessen der Aktionäre handeln können.402 Lang/Stulz/Walkling (1991) zeigen beispielsweise, dass Firmen mit hohem freien Cashflow und schwachen Investitionsmöglichkeiten signifikant negative Kurseffekte bei der Veröffentlichung von Akquisitionen erleiden.403 Datta/Iskandar-Datta/Raman (2003) ermitteln einen Wertverlust für den Verkäufer, wenn dieser selbst eine kleines Tobin's q aufweist und einen Unternehmensteil mit ebenfalls kleinem Tobin's q kauft.404 Wie Tabelle 3.4 bereits deutlich machte, weisen strategische Käufer in Desinvestitionstransaktionen im Schnitt einen positiven Kurseffekt auf. Auch der Gesamtwert der Transaktionen für Käufer und Verkäufer ist positiv. Dies deutet eher auf einen synergistischen Charakter von Desinvestitionen hin und spricht gegen einen reinen Werttransfer vom Käufer. 405 Der durchschnittlich signifikant positive Effekt für den Verkäufer lässt sich somit nicht allein durch einen Werttransfer von Käufer zum Verkäufer erklären, auch wenn dies in Einzelfällen durchaus zutreffen mag. Buyout-Investoren erzielen im Durchschnitt einen beachtlichen Gewinn aus ihren Investitionen.406 Sie stehen im Ruf, einen unemotionalen Kaufprozess durchzuführen, in dem die Bewertung des Zielunternehmens und die potentiellen Wertsteigerungsmöglichkeiten die einzigen Entscheidungsfaktoren darstellen. 407 Der rationale Kaufprozess wird durch eine effiziente Kontroll- und Anreizstruktur gewährleistet. Die genannten Faktoren sprechen somit auch bei Unit Buyouts gegen einen signifikanten Werttransfer vom Käufer zu den Aktionären des Verkäufers.

402 403 404 405 406 407

82

Vgl. Jensen, M. C. (1986), S. 323. Vgl. Lang, L. H. P./Stulz, R. M./Walkling, R. A. (1991), S. 315-335. Ein kleines Tobins's q kann als Anzeichen für geringe Investitionsmöglichkeiten interpretiert werden, was wiederum für hohe freie Cashflows spricht. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M./Raman, K. (2003), S. 351. Kaplan, S. (1989a), S. 95. Vgl. Butler, P. (2001), S. 145. Dagegen zeigen Gompers, P./Lerner, J. (2000), S. 321., dass die Höhe der Zuflüsse in Venture Capital Fonds signifikant die Bewertung der Investitionen beeinflusst.

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(2) Werttransfer von den Fremdkapitalgebern Die Auszahlung der erhaltenen Mittel an die Aktionäre kann einen Vermögenstransfer zu Lasten der Fremdkapitalgeber bewirken.408 Verkauf der Aktiva und Ausschüttung der zugeflossenen Geldmittel an die Aktionäre bzw. Durchführung eines Aktienrückkaufs bewirken eine Verringerung der Kreditsicherheit und eine Erhöhung des Kreditausfallrisikos. Prinzipiell handelt es sich somit um eine verdeckte Kapitelherabsetzung. Eine solche Handlung der Manager als Vertreter der Aktionäre ist ein typisches Beispiel eines Moral Hazard Verhaltens in der Agency Beziehung zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern. Die Ausschüttung der zugeflossenen Mittel an die Aktionäre ist in allen bekannten empirischen Studien selten.409 Sie hat in den wenigen bekannten Fällen einen positiven Effekt auf die Kurssteigerung bei Desinvestitionsankündigungen, der jedoch wegen der geringen Stichprobengrößen nicht als statistisch gesichert gelten kann.410 Neben dem Werttransfer ist der positive Effekt auch durch den Abbau von Agency-Kosten durch Managerial Discretion erklärbar.411 Ein Einbehalt der Mittel für Investitionszwecke oder eine Verwendung zwecks Schuldenreduktion kommt jedoch deutlich häufiger vor. Der Verkauf der Assets durch einen Unit Buyout hat für die Fremdkapitalgeber des verkaufenden Unternehmens keine anderen Auswirkungen als der Verkauf durch einen Selloff. Die Art des Käufers ist für diesen Prozess ohne Bedeutung. Durch die unerwartete Änderung der Kapitalstruktur kann allerdings ein Vermögenstransfer von den Fremdkapitalgebern des desinvestierten Unternehmensteils entstehen. Das Anwachsen der Verschuldung erhöht für diese das Risiko, für das sie nicht mit einem höheren Zinssatz entlohnt werden. Empirische Untersuchungen belegen durchschnittlich geringe Wertverluste für Fremdkapitalgeber bei Privatisierungs-Buyouts412, diese vermögen jedoch nur einen kleinen Teil der Prämien für die Altaktionäre zu erklären.413 Ein möglicher Wertverlust für die Fremdkapitalgeber des desinvestierten Unternehmensbereiches macht das Unternehmen für den Käufer wertvoller. Dieser befindet sich somit in der Lage, einen höheren Verkaufspreis zu bezahlen, so dass auch das verkaufende Unternehmen hiervon profitiert. In Deutschland ist ein solcher Vermögenstransfer zu Lasten der Fremdkapitalgeber des verkauften Unternehmensteils nicht zu be408 409

410 411 412

413

Vgl. Jain, P. C. (1985), S. 211. Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 8, finden in 5 Fällen eine Ausschüttung an Aktionäre, Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996), S. 47, in 12 Fällen, Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001), S. 327, in 2 Fällen. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996), S. 54, Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001), S. 332. Jensen, M. C. (1986), S. 323-329. Vgl. Asquith, P./Wizman, T. (1990), S. 212, Cook, D.O./Easterwood, J.C./Martin, J.D. (1992), S. 112, Bagnani, E./Milonas, N. T./Saunders, A./Travlos, N. G. (1994), S. 462. Dagegen finden Marais, L./Schipper, K./Smith, A. (1989), S. 155-191, keine negativen Vermögenseffekte für die Fremdkapitalgeber. Vgl. Asquith, P./Wizman, T. (1990), S. 212, Lehn, K./Poulsen, A. (1989), S. 7.

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fürchten, da Altgläubiger gemäß § 415 BGB bei einem Vermögensverkauf einer zusätzlichen Schuldenaufnahme zustimmen müssen.414 Ein Vermögenstransfer zu Lasten der Fremdkapitalgeber vermag den durchschnittlichen positiven Ankündigungseffekt von Desinvestition nicht zu begründen. Er kann jedoch zum Verständnis der Kurseffekte in Einzelfällen beitragen. (3) Werttransfer vom Fiskus Steuerersparnisse galten in der Vergangenheit häufig als wichtiges Motiv für Akquisitionen. Übernahmen ziehen prinzipiell drei positive Steuereffekte nach sich.415 Zum einen kann die Nutzung von Verlustvorträgen der Zielgesellschaft ein steuerliches Ziel darstellen. Bei Buyout Transaktionen spielt dieser Aspekt keine wichtige Rolle, da eine mit Verlustvorträgen belastete Zielgesellschaft in der Regel keinen attraktiven Buyout-Kandidaten darstellt.416 Zum zweiten schafft die Möglichkeit von Zuschreibungen auf Vermögensgegenstände die Vorraussetzung für höhere Abschreibungen.417 Liegt der Kaufpreis über dem Buchwert, dann lässt sich der Buchwert zunächst aufstocken (Step-Up Election).418 Dies ermöglicht dann höhere Abschreibungen auf den erhöhten Buchwert. Und drittens sind bei teilweiser Fremdfinanzierung des Kaufpreises die Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber abzugsfähig, was die Steuerlast deutlich reduziert. Aufgrund des im Normalfall sehr hohen Verschuldungsgrades ist dieser Faktor bei Buyout-Unternehmen von besonderer Bedeutung. Bei strategischen Übernahmen wird der Einfluss von Steuerersparnissen in der Regel als relativ gering eingeschätzt.419 Kaplan (1989c) ermittelt dagegen, dass Steuerersparnisse durch die Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen bei Annahme dauerhaft hoher Verschuldung zwischen 42% und 127% der gezahlten Übernahmeprämien bei Buyouts betragen. Geht man von einem Rückgang der Verschuldung aus, so betragen die Steuerersparnisse immer noch zwischen 13% und 40% der Übernahmeprämie.420 Den Wert von Buchwertaufstockungen beziffert der Autor auf durchschnittlich 30% der gezahlten Übernahmeprämie. Allerdings führen nur ca. 50% der Buyouts in seiner Stichprobe Buchwertaufstockungen durch.421 Eine anschließende Regression ergab eine signifikant positive Beziehung zwischen den gezahlten Prämien und Steuervorteilen. Abzugsfähige Zins414 415

416 417 418 419 420 421

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Vgl. Scherer, M. (1999), S. 111. In den USA können weiterhin Steuervorteile durch Anwendung von Employee Stock Ownership Plans (ESOP) bei Buyout Transaktionen entstehen. Vgl. Weitnauer, W. (2003), S. 126. Vgl. Blumers, W. (1991), S. 609. In den USA wurden mögliche Steuervorteile aufgrund von Buchwertaufstockungen jedoch mit dem Tax Reform Act des Jahres 1986 fast vollständig beseitigt, vgl. Kaplan, S. (1989b), S. 612. Vgl. Jarrell, G. E./Brickley, J. A./Netter, J. N. (1988), S. 56. Vgl. Kaplan, S. (1989b), S. 619. Vgl. Kaplan, S. (1989b), S. 622.

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zahlungen sind dabei aussagekräftiger in der Erklärung der Prämien als Buchwertaufstockungen.422 Newbould/Chatfield/Anderson (1992) bestätigen diese Ergebnisse. Sie ermitteln Steuerersparnisse von 45% bis 53% der gezahlten Prämien.423 Schmidt (1994) bestätigt für Deutschland ein erhebliches Wertsteigerungspotential bei einer dauerhaften Erhöhung des Verschuldungsgrades.424 Die Steuerthese hat demnach einen gewissen Erklärungsgehalt für Wertsteigerungen bei den Altaktionären. Steuervorteile machen den Unternehmensteil für den Käufer wertvoller als für den Verkäufer. Der Verkäufer kann hiervon über den Kaufpreis profitieren. Die Übernahme- und insbesondere Buyout Aktivität hielt jedoch in den USA auch nach dem Tax Reform Act des Jahres 1986 unvermindert an. Dieser schränkte Steuervorteile für den Erwerber stark ein. Dies zeigt klar, dass Steuervorteile nicht der Hauptgrund für die analysierten Transaktionen sein können.425 (4) Werttransfer von den Altaktionären Ein Werttransfer von den Altaktionären tritt auf bei einer Unterbewertung der Zielfirma.426 In diesem Fall ist der Käufer in der Lage, eventuell trotz Übernahmeprämie einen Preis zu bezahlen, der den intrinsischen Wert der Zielfirma unterschreitet. Die Ergebnisse empirischer Analysen sprechen klar gegen eine Unterbewertung der Zielfirmen bei Übernahmen kompletter Firmen durch strategische Investoren.427 Es existieren ebenfalls keine Hinweise auf eine Unterbewertung der Zielfirmen bei Selloff Transaktionen.428 Der folgende Teil des Kapitels konzentriert sich daher lediglich auf Buyout Transaktionen. Aufgrund der Spezifika von Buyouts ist ein Werttransfer zu Lasten der Altaktionäre wahrscheinlicher als bei Selloffs. Prinzipiell beruhen alle Werttransfer-Theorien zu Lasten der Altaktionäre auf finanzieller Arbitrage, d.h. auf einem Ausnutzen von Preisschwankungen. Nach diesen Theorien kaufen sich Buyout-Investoren zu einem niedrigen Preis ein und verkaufen das Unternehmen zu einem höheren Preis weiter, ohne zwischendurch die fundamentale Leistungsfähigkeit des Unternehmens verbessert zu haben.429 Wären die Altaktionäre investiert geblieben, so hätten sie von der Werterhöhung profitieren können. 422

423 424 425 426

427 428 429

Vgl. Kaplan, S. (1989b), S. 627. Schipper, K./Smith, A. (1991), S. 308 ff., kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Zinszahlungen zu höheren Steuereinsparungen führen als Buchwertaufstockungen. Vgl. Newbould, G.D./Chatfield, R.E./Anderson, R.F. (1992), S. 56. Vgl. Schmidt, H. (1994), S. 225. Vgl. Bull, I. (1989), S. 277. Eine Unterbewertung kann z.B. durch die Short-Term Market Myopia Theory erklärt werden, die besagt, dass der Markt Firmen unterbewertet, die sich auf langfristige Wertgenerierung konzentrieren. Vgl. Jensen, M. C. (1988), S. 25 ff. Vgl. Jarrell, G. E./Brickley, J. A./Netter, J. N. (1988), S. 55-56. Vgl. Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 239-244. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 11.

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Verändert sich der Wert des Buyout Unternehmens zwischen Kauf und Verkauf durch die neuen Eigenkapitalgeber nur wegen der unterschiedlichen Markt- bzw. Branchenverfassung, so wird dieser Prozess als Multiple Riding beschrieben. Beispielweise könnten die Buyout-Investoren ein Unternehmen genau dann kaufen, wenn die entsprechende Industrie am Kapitalmarkt derzeit "außer Mode" ist und es dann verkaufen, wenn die Industrie wieder "gefragt" ist. In der Zwischenzeit wird das Multiple (z.B. Kursgewinnverhältnis oder Kursumsatzverhältnis), das am Kapitalmarkt zur Bewertung von Unternehmen aus dieser Industrie verwendet wird, nach oben revidiert. Da Buyout-Spezialisten in der Regel ein tiefes Industriewissen und ein weites Kontakt-Netzwerk besitzen, sind sie eventuell besser in der Lage als der Verkäufer, die zukünftige Bewertung einer Industrie abzuschätzen. Multiple Riding ist auch bei Unit Buyouts denkbar. Unternehmen verkaufen eventuell dann Tochterunternehmen, wenn der Kapitalmarkt dies "fordert" und solche Unternehmensteile implizit mit einem geringen Multiple bewertet werden. Der Ausstieg der Investoren z.B. durch einen Börsengang erfolgt dann in einem günstigeren Marktklima. Der Prozess des Multiple Riding setzt einen ineffizienten Kapitalmarkt voraus. Es überrascht daher auch nicht, dass die akademische Literatur dieses Motiv wenig diskutiert hat, Praktiker es jedoch häufig erwähnen.430 Es liegen keine systematischen empirischen Untersuchungen zur Existenz eines Multiple Riding Effektes vor. Allerdings existieren vereinzelte Untersuchungen, nach denen Finanzinvestoren im Schnitt ein niedrigeres Transaktions-Multiple bezahlen als strategische Investoren.431 Insgesamt scheinen sie im Gegensatz zu strategischen Investoren eher antizyklisch zu investieren.432 Gegen einen systematischen Ausstieg der BuyoutInvestoren zu einem überhöhten Multiple spricht die Tatsache, dass sich nach dem IPO von Reverse LBO's keine abnormale negative Performance für die neuen Eigenkapitalgeber nachweisen lässt.433 Die in der Literatur am häufigsten diskutierte Transferhypothese zu Lasten der Altaktionäre beruht auf einer möglichen Informationsasymmetrie zwischen Management und Verkäuferseite infolge von Insiderinformationen bzw. bewussten Manipulationen.434 Die Informationsthese besagt, dass das Management eine Unterbewertung des Unternehmens erkennt, daher eventuell bei der Übernahme zur Zahlung einer Prämie bereit ist und dennoch von der Unterbewertung profitiert. Ein MBO lässt sich als extremer Fall eines Kapitalrückkaufs interpretieren. Da Kapitalrückkäufe häufig mit vorteilhaften privaten Informationen des Managements erklärt werden, sind Informationsasymmetrien auch als Erklärungsan430 431 432 433 434

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Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 11. Vgl. Butler, P. (2001), S. 145. Das kann auch damit erklärt werden, dass strategische Investoren ihre eigenen Aktien als Übernahmewährung einsetzen können, während Finanzinvestoren mit liquiden Mittel bezahlen. Vgl. Holthausen, R. W./Larcker, D. F. (1996), S. 297. Vgl. Ofek, E. (1994), S. 638.

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satz für MBO's anführbar.435 Die Manipulationsthese geht einen Schritt weiter und unterstellt dem Management die bewusste Minderdarstellung der Geschäftsaussichten, um den Marktwert des Unternehmens vor der Übernahme zu drücken. Das Management verfügt über einen erheblichen Informationsvorteil gegenüber den Eigenkapitalgebern, da sie sich im Zentrum des Informationsflusses befinden und die Eigentümer dagegen nur die öffentlichen Informationen kennen. Darüber hinaus vertritt das Management theoretisch beide Seiten am Verhandlungstisch, so dass hier ein erheblicher Interessenkonflikt entsteht. Ihrem Vertrag nach haben die Manager die Treuepflicht, im Interesse der Eigentümer einen höchstmöglichen Verkaufspreis zu erzielen. Als Käufer hegen sie dagegen ein Interesse, das Unternehmen zu einem möglichst günstigen Preis zu erwerben. Es fehlt ein Arm's Length Bargaining, das zu einer Selbstbedienungsmentalität des Managements führen kann.436 Zur Reduktion der Auswirkungen dieses Interessenkonfliktes bei Management Buyouts finden in den USA präventive Schutzvorkehrungen Anwendung. Hierzu gehört das Einholen einer Fairness Opinion einer Investmentbank und die Bildung eines Komitees aus unabhängigen Outside Directors, das im Verkaufsprozess die Interessen der Aktionäre vertreten soll.437 Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist allerdings heftig umstritten.438 In Deutschland sollen die Interessen der Aktionäre durch den Aufsichtsrat vertreten werden, dem im Falle eines Management Buyouts eine erhöhte Überwachungspflicht zukommt.439 Bei Unit Buyouts ist der Interessenkonflikt in der Regel weniger stark ausgeprägt. Hierbei verhandeln die Bereichsmanager auf der Käuferseite mit Managern der Konzernzentrale auf der Verkäuferseite.440 Es kommt daher eher zu einem fairen Verhandlungsprozess als bei Buyouts kompletter Unternehmen.441 Dennoch besteht die Gefahr, dass die Bereichsmanager den Unternehmensteil zu einem vorteilhaften Preis erwerben können. Zum einen vermögen die Bereichsmanager aus guten Beziehungen zu den Managern des Mutterunternehmens Nutzen zu ziehen.442 Zum anderen können sie von Informationsvorteilen profitieren, da sie eventuell Informationen über den eigenen Bereich kennen, die das zentrale Management nicht besitzt. Da das Bereichsmanagement die Informationen über den Bereich selbst erstellt, die dann an das

435 436 437 438 439 440

441 442

Vgl. Lehn, K./Poulsen, A. (1989), S. 773. Vgl. Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 954. Vgl. Kugler, S. (1998), S. 68-70. Für eine Abwägung beider Argumentationsseiten vgl. Heidemann, K. (1994), S. 107-133. Vgl. Heidemann, K. (1994), S. 255 f. Allerdings ermitteln Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 960, dass in 15% der Unit Buyouts ihres Samples Manager der Zentrale auf der Käuferseite auftreten. Hier ist der Interessenkonflikt eventuell ähnlich stark wie bei Buyouts kompletter Unternehmen. Vgl. Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 960. Vgl. Muscarella, C.J./Vetsuypens, M.R. (1990), S. 1412. Vgl. Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 958.

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zentrale Management im Rahmen eines Reporting weitergehen, besteht ebenso die Gefahr, dass es diese Informationen bewusst manipuliert. Bei Institutional Buyouts kommt es prinzipiell zu geringeren Interessenkonflikten als bei Management Buyouts. Die Transaktion initiiert der BuyoutSpezialisten, der auch die Verhandlungen mit dem zentralen Management auf Käuferseite führt. Zur Vermeidung der besprochenen Interessenkonflikte ist das Management in der Regel nicht an den Verhandlungen beteiligt. Die Beteiligung des Managements wird häufig erst nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Ziel der Anreizgebung ausgehandelt.443 Somit sollten Institutional Unit Buyouts die geringsten Interessenkonflikte und Informationsasymmetrien aufweisen. Hinweise für die Stichhaltigkeit der Informations- und Manipulationshypothese sind eher anekdotischer Natur.444 Das Vorliegen dieser Motive kann in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden. Eine Reihe empirischer Ergebnisse spricht allerdings gegen die Informations- und Manipulationshypothese als Haupterklärungsfaktor für Übernahmeprämien und Kapitalgewinne der Buyout-Investoren. Unternehmen, bei denen ein Buyout-Versuch des Managements scheitert, zeigen in den folgenden Jahren keine signifikante Verbesserung der operativen Performance.445 Es lässt sich auch keine signifikante Überrendite in den zwei Jahren nach dem erfolglosen Buyout-Versuch beobachten. Beides gilt auch für solche Buyouts, die das Management unfreiwillig abbricht, beispielsweise weil der Board of Directors das Angebot abgelehnt hat.446 In diesem Fall ist auszuschließen, dass das Management den Buyout-Versuch abgebrochen hat, da es in der Zwischenzeit negative Informationen über die zukünftigen Cashflows des Unternehmens erhalten hat. Die Ergebnisse sprechen klar gegen die Informationshypothese. Die empirische Studie von DeAngelo/DeAngelo/Rice (1994) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Autoren ermitteln signifikant negative abnormale Renditen für die Altaktionäre für den Fall, dass angekündigte MBO's abgebrochen werden.447 DeAngelo (1986) lehnt aufgrund ihrer empirischen Ergebnisse die Manipulationsthese ab. Sie zeigt, dass es in der Zeit vor dem Buyout nicht zu ungewöhnlichen Abweichungen zwischen ausgewiesenen Erträgen und Cashflows kam.448 Amihud (1989) findet, dass viele Firmen im Jahr vor dem Buyout Dividendenerhöhungen angekündigt haben.449 Eine Dividendenerhöhung ist als Signalisierung positiver Nachrichten über das Unternehmen interpretierbar und führt in der Regel zu Kurssteigerungen.450 Dies widerspricht so-

443 444 445 446 447 448 449 450

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Vgl. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 692. Vgl. Lehn, K./Poulsen, A. (1989), S. 773. Vgl. Ofek, E. (1994), S. 645-648. Vgl. Ofek, E. (1994), S. 646 und 649-653. Vgl. DeAngelo, H./DeAngelo, L. E., Rice, E. M. (1984), S. 400. Vgl. DeAngelo, L.E. (1986), S. 400 ff. Vgl. Amihud, Y. (1989), S. 21. Vgl. Briston, R. J./Saadouni, B./Mallin, C. A./Coutts, J. A. (1992), S. 649.

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wohl der Informations- als auch der Manipulationshypothese. Kaplan (1989) argumentiert, dass sich oft gut informierte Insider nicht an einem Buyout beteiligen und stattdessen das Kaufangebot akzeptieren.451 Er zeigt außerdem, dass die Manager vor dem Buyout die zukünftige Gewinnsituation des Unternehmens signifikant positiver darstellen, als es danach in der Realität eintrifft. Der Autor schließt daraus, dass das Management und die Aktionäre über ähnliche Informationen verfügen.452 Lehn/Poulsen (1989) stellen fest, dass fast die Hälfte der Buyouts als Reaktion auf Übernahmegerüchte oder -angebote erfolgt.453 Die Autoren interpretieren dies als Argument gegen die Informationshypothese, da Drittunternehmen im Falle eines Übernahmeangebotes keine privaten Informationen besitzen. Nach empirischen Studien auf dem US-Markt erzielt der Verkäufer bei Unit Buyouts signifikante Überrenditen.454 Die Überrenditen sind nicht signifikant unterschiedlich im Vergleich zu Selloffs an strategische Investoren. Briston/ Saadouni/Mallin/Coutts (1992) ermitteln dagegen für UK eine signifikant negative abnormale Rendite für das verkaufende Unternehmen. Sie schließen daraus, dass die übernehmenden Manager in der Lage sind, einen Preis auszuhandeln, der unter dem Marktwert des Bereiches für das Unternehmen liegt. Sie begründen dies damit, dass nur die dynamischsten und fähigsten Manager einen MBO durchführen und Insiderinformationen ausnutzen.455 Financial Arbitrage Gewinne auf Seiten der Buyout-Investoren können auch durch überlegene Transaktionsabwicklung entstehen. Buyout-Spezialisten weisen viel Erfahrung darin auf, geeignete Akquisitionskandidaten zu identifizieren, den Wettbewerb mit anderen Kaufinteressenten zu minimieren und den Verhandlungsprozess zu dominieren.456 Gerade die Limitierung des Wettbewerbs und die aktive Gestaltung des Verhandlungsprozesses haben einen erheblichen Einfluss auf den Kaufpreis und damit auch auf den Werttransfer vom Käufer. Bei exklusiven Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer einigen sich beide Seiten auf einen Wert, der zwischen den jeweiligen Maximalforderungen liegt. Kommt es dagegen zu einem Auktionsprozess, so treibt der Wettbewerb den Preis bis knapp über die Bewertung des zweithöchsten Bieters.457 Buyout-Spezialisten versuchen daher, die Deal-Generierung verstärkt proaktiv zu betreiben, um eventuell einen Auktionsprozess zu vermeiden.458 Kommt es 451 452 453 454

455 456 457 458

Vgl. Kaplan, S. (1989a), S. 243 f. Vgl. Kaplan, S. (1989a), S. 248 f. Vgl. Lehn, K./Poulsen, A. (1989), S. 779. Vgl. Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 962, Trifts, J./Sicherman, N./Roenfeld, R./de Cossio, F. (1990), S. 170, Lee, C. I/Rosenstein, S./Rangan, N./Davidson, W. N. (1992), S. 68-69, Roenfeld, R./Sicherman, N./Trifts, J. (1992), S. 300. Vgl. Briston, R. J./Saadouni, B./Mallin, C. A./Coutts, J. A. (1992), S. 654. Vgl. Berg, A./Gottschalg, O. (2003), S. 15. Vgl. Barney, J. B. (1988), S. 72 ff. Vgl. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 700.

89

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dennoch zu einem Auktionsprozess, versuchen Finanzinvestoren häufig mit einem relativ hohen Anfangpreis zu exklusiven Verhandlungen als favorisierter Bieter zu kommen. Buyout-Investoren sind Experten darin, im Rahmen eines Due Diligence Prozesses Probleme zu identifizieren, die Abschläge vom ursprünglichen Preis rechtfertigen.459 Steht der Verkäufer unter Zeitdruck, so ist er eventuell gezwungen, zu einem Preis zu verkaufen, der unter dem Wert des Bereichs liegt. Es kommt zu einem Werttransfer vom Verkäufer. Bei Unit Buyouts besteht generell ein größerer Verhandlungsspielraum, da kein objektiv beobachtbarer Marktpreis existiert. Die Gefahr eines Werttransfers vom Käufer infolge einer überlegenen Transaktionsabwicklung ist hier tendenziell höher.460 Die zunehmende Akzeptanz von Alternative Investments allgemein und Private Equity speziell haben allerdings zu einem substantiellen Kapitalüberhang bei Private Equity Fonds geführt. FONDSZUFLÜSSE IN PRIVATE EQUITY FONDS Kumulierter Überhang, EUR Mrd. 46,9 46,8

31,2

17,9 18,2 12,0

2,0

1,6

1,1

0,4

1990

91

92

93

1,6 94

0,5 95

1,7 96

97

98

99

2000

01

02

Source: EVCA/PriceWaterhouseCoopers

Abbildung 3.5: Überhang der Einflüsse in Private Equity Fonds

Der Wettbewerb unter Buyout-Firmen ist heute in Europa härter denn je. Auktionen mit Teilnahme von mehreren strategischen und finanziellen Investoren entwickeln sich zum Standardverfahren für große Transaktionen und treiben die Preise in die Höhe. Die Möglichkeiten von Arbitrage-Gewinnen durch eine überlegene Transaktionsabwicklung nehmen somit tendenziell eher ab.

459 460

90

Vgl. Butler, P. (2001), S. 147. Vgl. Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 122.

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3.4.6 Sekundäre Einflussfaktoren Sekundäre Einflussfaktoren besitzen keinen direkten Einfluss auf die Kapitalmarktbewertung. Sie beeinflussen Zutreffen und Höhe der bereits dargestellten primären, fundamentalen Wertsteigerungserklärungen. 3.4.6.1 Agency-Variablen Die Höhe der Agency-Kosten in einem Unternehmen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung von Desinvestitionen. Sind in einem Unternehmen geeignete Anreiz- und Kontrollmechanismen installiert, so werden die Manager nur solche Desinvestitionen durchführen, die Wert generieren. Sie verkaufen Unternehmensteile, weil sie für den Käufer mehr wert sind, weil sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren möchten, weil sie negative Beeinflussungskosten vermeiden wollen, oder weil sie liquide Mittel benötigen, um Schulden zurückzuzahlen oder um wertschaffende Investitionen zu tätigen. Überwiegen anderseits die Kosten von Managerial Discretion, werden die Manager auch Desinvestitionen durchführen, die ihren eigenen Nutzen optimieren, jedoch Wert für die Aktionäre vernichten. Vielleicht verkaufen sie Unternehmensteile aus dem Kerngeschäft, um damit Entrenching Investments zu tätigen oder das unsystematische Firmenrisiko zu minimieren. Vielleicht verkaufen sie wenig liquide Unternehmensteile unter Wert, da sie sich in akuter Zeitnot befinden. Und vielleicht versuchen die Manager, Mittel am externen Kapitalmarkt vorbei aufzunehmen, um damit durch Aktienrückkäufe Verwässerungen der Kapitalstruktur vorzubeugen, die durch die übermäßige Ausgabe von Aktienoptionen entstehen. Je nach Höhe der Agency-Kosten bzw. je nach Effizienz des Managements können Desinvestitionen wertsteigernd oder wertvernichtend sein. Die Werthaltigkeit einer Desinvestition hängt stark von den wahren Motiven des Managements ab. Die wahren Motive des Managements sind dabei nicht immer sofort ersichtlich, da auch ein nicht effizientes Management beispielsweise in einer Presseerklärung immer ein effizientes Vorhaben vortäuschen dürfte. Verschiedene empirische Studien befassen sich mit dem Einfluss von AgencyVariablen auf den Ankündigungseffekt. Tehranian/Travlos/Waegelein (1987) weisen nach, dass Firmen, die Manager mit langfristigen Vergütungsplänen bezahlen, bei Ankündigung eines Selloffs einen signifikant positiven Kurseffekt in [-1,0] erfahren. Bei Firmen ohne langfristige Vergütungspläne ist der Ankündigungseffekt insignifikant negativ.461 Hirschey/Zaima (1989) ermitteln einen hochsignifikanten Kurseffekt von 5,26 % in [-1,0], wenn es in der Zeit vor den Desinvestitionen zu Insider-Käufen gekommen ist und wenn Insider mehr als 10 % der Anteil halten. Kam es jedoch zu Insider-Verkäufen und befindet sich

461

Vgl. Tehranian, H./Travlos, N.G., Waegelein, J.F. (1987), S. 940.

91

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das Unternehmen in Streubesitz, so ist der Kurseffekt insignifikant.462 Hirschey/ Slovin/Zaima (1990) untersuchen zusätzlich die Kontrollfunktion von Banken. Die Autoren konstatieren eine signifikant positive Marktreaktion bei der Existenz von erheblichen Bankschulden und eine nicht signifikante Reaktion bei Unternehmen ohne oder mit nur geringen Bankschulden.463 Interessanterweise stellen sie keinen Einfluss der Gesamtverschuldung fest. Die Autoren schließen daher, dass Banken eine besonders wirksame Kontrollfunktion ausüben.464 Datta/Iskandar-Datta/Raman (2003) bestätigen den positiven Einfluss von privatem Fremdkapital.465 Löffler (2001) kann diesen Effekt für Deutschland allerdings nicht bestätigen.466 Hanson/Song (2000) finden einen signifikant positiven Einfluss der Höhe des Managerbesitzes und des Anteils von Outside Directors auf die Beurteilung von Desinvestitionen.467 Auch für Unit Buyout Transaktionen lässt sich der Einfluss von Agency-Variablen nachweisen. Hite/Vetsuypens (1989) ermitteln einen signifikant positiven Einfluss des Anteilsbesitzes des zentralen Managements, das nicht am Buyout beteiligt ist.468 Lee/Rosenstein/ Rangan/Davidson (1992) finden allerdings keinen signifikanten Einfluss der Zusammensetzung des Board of Directors.469 3.4.6.2 Finanzielle Situation des Verkäufers Die finanzielle Situation des Verkäufers hat aus theoretischer Sicht zwei entgegengesetzte Auswirkungen auf die Beurteilung von Desinvestitionen. Zum einen befinden sich finanziell gesunde Unternehmen in einer besseren Verhandlungsposition.470 Sie haben keine Zeitnot und können gute Kaufangebote abwarten. Solche Unternehmen sind also eher in der Lage, von Effizienzgewinnen beim Käufer durch Anwendung einer konsequenten Verhandlungsstrategie zu profitieren. Andererseits ist bei schlechter finanzieller Situation – wie es ja bereits im Rahmen der Finanzierungshypothese ausführlich diskutiert wurde – ein positiverer Effekt durch Abbau von Financial Distress Kosten zu erwarten. Prinzipiell kann dabei die finanzielle Lage eines Unternehmens anhand von externen Ratings oder von Rechnungswesen-Kennzahlen zu Verschuldung bzw. Liquidität gemessen werden. Rein theoretisch ist daher eine Vorhersage des Einflusses der finanziellen Situation des Verkäufers schwierig. 462 463 464 465 466 467 468 469 470

92

Vgl. Hirschey, M./Zaima, J. K. (1989), S. 978. Vgl. Hirschey, M./Slovin, M.B./Zaima, J.K. (1990), S. 93. Vgl. Hirschey, M./Slovin, M.B./Zaima, J.K. (1990), S. 97. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M./Raman, K. (2003), S. 366-370. Die Autorin findet ebenfalls keinen Einfluss von sonstigen Groß- oder Mehrheitsaktionären, vgl. Löffler, Y. (2001), S. 172 f. Vgl. Hanson, R. C./Song, M. H. (2000), S. 68. Vgl. Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 969. Roenfeld, R./Sicherman, N./Trifts, J. (1992), S. 303 f., bestätigen das Ergebnis. Vgl. Lee, C. I/Rosenstein, S./Rangan, N./Davidson, W. N. (1992), S. 69 f. Vgl. Hearth, D./Zaima, J.K. (1984), S. 12.

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Die bisher veröffentlichten empirischen Ergebnisse liefern ebenfalls kein klares Bild. Allerdings kristallisiert sich ein sehr interessanter Aspekt heraus: Die finanzielle Situation des Verkäufers hat einen gegenteiligen Effekt auf dem USund dem europäischen Markt. In den USA werden Desinvestitionen von Firmen, die sich in einer starken finanziellen Situation befinden, bevorzugt. Hier scheinen die bessere Verhandlungsposition und der Hinweis auf ein effizientes Management den Ausschlag zu geben. In Europa scheinen Firmen eher vom Abbau von Financial Distress Kosten zu profitieren. Desinvestitionen von Unternehmen in schlechter finanzieller Situation werden daher positiver beurteilt. Für den US-Markt nutzen Hearth/Zaima (1984) Standard & Poor Ratings zur Beurteilung der finanziellen Situation des Käufers. Sie kommen zu dem Schluss, dass Desinvestitionen von Firmen in guter finanzieller Situation positiver beurteilt werden als solche von Firmen mit schlechtem Rating. Allerdings erzielen beide Gruppen signifikant positive Kurseffekte.471 Sicherman/Pettway (1992) finden einen signifikant höheren Effekt bei Firmen, die in der Zeit vor der Desinvestition keine Herabstufung der Kreditbewertung hinnehmen mussten. Sie begründen dies mit einer besseren Verhandlunsgposition.472 Hirschey/Slovin/ Zaima (1990) stellen ebenso wie Lang/Poulsen/Stulz (1995) keinen Einfluss des Verschuldungsgrades auf die Beurteilung einer Desinvestition fest.473 Datta/Iskandar-Datta (1996) verwerfen den Einfluss einer Financial Distress Situation beim Verkäufer.474 Brown/James/Mooradian (1994) betrachten nur Unternehmen in Financial Distress und finden lediglich einen nicht signifikanten Ankündigungseffekt von Desinvestitionen. Für UK ermitteln Afshar/Taffler/Sudarsanam (1992) dagegen einen signifikant höheren Ankündigungseffekt für Firmen in schlechterer finanzieller Lage und begründen dies mit der Reduktion von Financial Distress Kosten.475 Die Ergebnisse decken sich mit den Erkenntnissen von Lasfer/Sudarsanam/Taffler (1996). Die Autoren finden einen höheren Ankündigungseffekt bei Firmen, die sich in Financial Distress befinden.476 Clubb/Stouraitis (2002) stellen einen signifikant positiven Einfluss des Verschuldungsgrades für solche Firmen fest, die die zugeflossenen Mittel zur

471

472 473

474 475 476

Die Autoren geben keine Signifikanz des Unterschiedes der beiden Gruppen an, vgl. Hearth, D./Zaima, J.K. (1984), S. 14. Die beiden Autoren finden in einer späteren Untersuchung keinen signifikanten Einfluss der finanziellen Lage des Verkäufers, vgl. Zaima, J, K./Hearth, D. (1985), S. 235. Vgl. Sicherman, N. W./Pettway, R. H. (1992), S. 123. Vgl. Hirschey, M./Slovin, M.B./Zaima, J.K. (1990), S. 95, Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 20. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996), S. 54. Vgl. Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 131. Vgl. Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996), S. 63.

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Schuldenreduktion einsetzen.477 Sentis (1996) ermittelt für Frankreich ebenfalls einen signifikant positiven Effekt einer hohen Verschuldung.478 3.4.6.3 Performance des Verkäufers Die Performance des Verkäufers lässt sich als Maßstab für die Effizienz des Managements interpretieren. Danach sind Unternehmen mit besserer Performance effizienter. Erfolgreiche Firmen verspüren weniger Druck, einzelne Unternehmensteile zu veräußern. Tun sie es trotzdem, so ist eine Werthaltigkeit der Desinvestition anzunehmen. Nach dieser Argumentation sollten Desinvestitionen erfolgreicher Firmen positiver bewertet werden. Anderseits können Firmen mit schwacher Performance durch eine Desinvestition eventuell mehr Wert generieren. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das gesamte Unternehmen durch negative Synergien mit dem zu veräußernden Unternehmensteil leidet. Auch kann ein ineffizienter Verkäufer eher von Effizienzgewinnen beim Käufer profitieren. Der Einfluss der Performance ist daher ebenfalls wie der Einfluss der finanziellen Situation schwer einzuschätzen, da entgegengesetzte Faktoren einwirken. Die Performance des Verkäufers wird in den bekannten empirischen Studien über Profitabilitäts- oder Bewertungskennzahlen abgebildet. Ähnlich wie bei der finanziellen Situation – allerdings weniger eindeutig – scheint sich ein verschiedenartiger Einfluss in den USA und in Europa abzuzeichnen. Auf dem USMarkt werden tendenziell Desinvestitionen von Unternehmen mit guter Performance besser beurteilt. Hier greift die Begründung durch ein effizientes Management. In Europa genießen dagegen Desinvestitionen von Unternehmen mit schwacher Performance Vorzug. Dabei verspricht sich der Markt wohl ein stärkeres Verbesserungspotential durch eine Desinvestition. Für den US-Markt finden Brown/James/Mooradian (1994) einen signifikant positiven Einfluss des Coverage Ratio479 für ihre Stichprobe von Firmen in schlechter finanzieller Situation. Dagegen lehnen sie einen Einfluss des Marktwert/Buchwert Verhältnisses der Assets ab.480 Datta/Iskandar-Datta/Raman (2003) interpretieren Tobin's q als Kennzahl für die Managementleistung und ermitteln in ihrer Stichprobe gesunder Firmen eine signifikant höhere Bewertung bei Unternehmen mit hohem Tobin's q. Sie begründen dies mit einer sinnvolleren Verwendung der Mittel bei effizienten Managern.481 Lang/Poulsen/Stulz (1995) lehnen dagegen sowohl einen Einfluss des Nettogewinns als auch von Tobin's q ab.482 Sentis (1996) findet 477 478 479 480 481 482

94

Vgl. Clubb, C./Stouraitis, A. (2002), S. 680. Vgl. Sentis, P. (1996), S. 62. Das Coverage Ratio ist definiert als EBIT/interest expense, vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S. 241. Vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S. 250. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M./Raman, K. (2003), S. 365. Vgl. Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 20.

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für Frankreich einen signifikant negativen Einfluss der Profitabilität auf die abnormale Rendite.483 Löffler (2001) ermittelt durch Anwendung einer quadratischen Regression einen U-förmigen Einfluss der Performance des Verkäufers. Firmen mit besonders negativer bzw. besonders positiver Performance werden positiver beurteilt. Sie findet damit sowohl Anhaltspunkte für eine Prämie bei effizientem Management als auch für größere Verbesserungspotentiale bei besonders schwachen Unternehmen.484 Betrachtet man den Effekt der Performance zusammen mit dem Einfluss der finanziellen Situation und den Ergebnissen zur Verlust-Hypothese, dann zeigt sich, dass auf dem US-Markt eher proaktive Desinvestitionen von profitablen Unternehmsteilen durch erfolgreiche Unternehmen in guter finanzieller Situation bevorzugt werden. Dagegen werden in Europa eher reaktive Desinvestitionen von verlustbringenden Unternehmensteilen durch Firmen mit schwacher Performance in schlechter finanzieller Situation positiver bewertet. Die Ursachen für eine solche prinzipielle Andersbewertung sind unklar, besonders da zumindest der UK-Markt als Gegenstand der meisten europäischen Studien dem USMarkt als ähnlich gilt. 3.4.6.4 Relative Größe Die relative Größe der verkauften Assets ist ein wichtiger Einflussfaktor auf die Höhe des Werteffektes, unabhängig davon, ob man von realen oder informationsbezogenen Wertsteigerungserklärungen ausgeht. Ein realer Wertsteigerungseffekt ist natürlich relevanter, wenn der verkaufte Unternehmensteil einen signifikanten Anteil vom Gesamtgeschäft des Verkäufers ausmacht. Effizienz-, Fokus-, Verlust- und Finanzierungseffekte sind größenabhängig. Die relative Größe nimmt aber auch Einfluss auf Signaling- und Werttransfereffekte. Ein Signaling im Zusammenhang mit Adverse Selection Kosten einer Kapitalerhöhung485 ist nur realistisch bei einer signifikanten relativen Größe der Desinvestition, da Kapitalerhöhungen mit sehr geringer relativer Größe selten sind. Auch ein Signaling der Unterbewertung des verkauften Unternehmensteils hat einen stärkeren Werteffekt bei signifikanter relativer Größe. Das Gleiche kann für Werttransfereffekte sowohl vom Käufer als auch von den Fremdkapitalgebern angenommen werden. Lediglich eine Signalisierung zukünftiger Effizienz von Unternehmen mit schwacher Performance ist theoretisch unabhängig von der relativen Größe.486 Dieser Faktor dürfte jedoch für die meisten Desinvestitionen von nachrangiger Bedeutung sein. 483 484 485 486

Vgl. Sentis, P. (1996), S. 62. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 172. Die Autorin nutzt die Kennzahlen Jensen's Alpha und EBIT/EK als Maßstab der Performance. Vgl. Myers, S./Majluf, N. (1984), S. 187-221. Löffler, Y. (2001), S. 175-176, gibt diese Begründung zur Erklärung des fehlenden Einflusses der relativen Größe in ihrer empirischen Untersuchung.

95

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Die empirischen Ergebnisse bestätigen die theoretische Argumentation. Die relative Größe hat in fast allen empirischen Untersuchungen, die diesen Einflussfaktor analysieren, einen signifikanten positiven Einfluss auf die Höhe der abnormalen Rendite.487 3.4.6.5 Preisbekanntgabe Die Bekanntgabe des Verkaufspreises zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung kann verschiedene Informationsaspekte transportieren: (1) Sie gibt die Signifikanz der Transaktion für den Käufer im Sinne der relativen Größe an. Damit verringert sie die Informationsasymmetrie bezüglich der verkauften Assets. Ist der Preis nicht gegeben, so hat der Markt Schwierigkeiten, die Signifikanz des Verkaufes einzuschätzen und nimmt daher einen Bewertungsabschlag vor. Häufig lässt sich die Signifikanz aber auch durch andere Kennzahlen wie z.B. Umsatz oder Anzahl der Mitarbeiter der Zielfirma abschätzen. (2) Sie gibt einen Hinweis auf Zutreffen und Ausmaß der Effizienz-Hypothese, d.h. sie zeigt an, ob der Käufer dem Unternehmensteil tatsächlich einen Wert beimisst, der über der derzeitigen Bewertung beim Verkäufer liegt. Das erfolgt unter der Annahme, dass im Markt beispielsweise durch Bereichsbewertung ein solcher Wert vorliegt. Aus verhandlungstaktischer Sicht ist der Informationsgehalt einer Preisveröffentlichung aber schwer zu beurteilen. In den meisten Fällen einigen sich beide Transaktionspartner darauf, den Preis zu veröffentlichen oder dies zu unterlassen. Vermutlich wird der Preis dann veröffentlicht, wenn beide Transaktionspartner den Deal als fair einschätzen. Ist der Preis eher niedrig, wird der Verkäufer darauf drängen, den Preis nicht zu veröffentlichen. Ist er hoch, wird der Käufer einer Bekanntgabe ablehnend gegenüberstehen. Der Verkäufer stimmt dem vermutlich zu, wenn er dadurch einen höheren Preis vereinbaren kann. Die Veröffentlichung gibt nach dieser Logik ein positives Signal, die Nichtveröffentlichung kein Signal über den Wertgewinn für den Käufer. (3) Sie zeigt die Wahrscheinlichkeit der Durchführung der Transaktion an.488 Es kann argumentiert werden, dass Firmen eventuell zu einem frühen Zeitpunkt mehr Informationen zu Transaktionen angeben, die letztendlich erfolgreich vollzogen werden. Empirische Analysen bestätigen mehrheitlich einen signifikant positiven Einfluss der Preisbekanntgabe auf die Höhe der abnormalen Rendite. Klein (1986) 487

488

96

Montgomery, C./Thomas, A./Kamath, R. (1984), S. 838, Hearth, D./Zaima, J.K. (1984), S. 14 f., Zaima, J, K./Hearth, D. (1985), S. 234 f., Klein, A. (1986), S. 689-691, Lang, L. H. P./Poulsen, A./Stulz, R. M. (1995), S. 20, Hanson, R. C./Song, M. H. (2000), S. 65, Mulherin, J. H./Boone, A. L. (2000), S. 134, Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 130-132, Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996), S. 63 f., Kaiser, K./Stouraitis, A. (2001), S. 332, Clubb, C./Stouraitis, A. (2002), S. 675 f., Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 172, Löffler, Y. (2001), S. 175, Hite, G./Vetsuypens, M. (1989), S. 965. Vgl. Klein, A. (1986), S. 691.

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ermittelt eine signifikant positive abnormale Rendite, falls die erste Veröffentlichung den Transaktionspreis enthält und eine nicht signifikante Reaktion, wenn der Verkaufspreis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt ist.489 Die Veröffentlichung des Kaufpreises zu einem späteren Zeitpunkt führt zu keiner signifikanten Kursreaktion. Der Autor erklärt dies mit der Tendenz von Managern, gute Nachrichten sofort zu verbreiten und schlechtere Nachrichten später oder gar nicht zu veröffentlichen.490 Er untersucht weiterhin, ob die Angabe des Preises eher einen Hinweis auf den Kapitalwert der Transaktion oder auf die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Durchführung gibt. Er schätzt dazu eine multilineare Regression, die die Variablen "Veröffentlichung des Preises" und "Wahrscheinlichkeit der Transaktion" enthält.491 Das Einbeziehen des Faktors "Erfolgswahrscheinlichkeit" verringert nicht die Aussagekraft der Preisveröffentlichung, so dass der Autor davon ausgeht, dass der Preis eher den Kapitalwert der Transaktion als die Wahrscheinlichkeit der Durchführung signalisiert.492 Sicherman/Pettway (1992) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Bekanntgabe des Verkaufspreises wirkt sich sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer positiv aus.493 Dies bestätigt die Hypothese, dass der Preis nur dann veröffentlicht wird, wenn beide Seiten die Transaktion als positiv ansehen. Für die europäischen Kapitalmärkte ist der Effekt gemischt. Afshar/Taffler/Sudarsanam (1992), Sentis (1996) und Eichinger (2001) finden einen positiven Einfluss der Preisbekanntgabe, Padmanabhan (1993) und Kaiser/Stouraitis (1995) lehnen diesen ab.494 Roenfeld (1992) stellt keinen Einfluss der Preisbekanntgabe bei Unit Buyouts fest.495 3.4.6.6 Nationalität des Käufers bzw. der Assets Besonders amerikanische Autoren beschäftigen sich verstärkt mit dem Phänomen der Foreign Direct Investments. Sie untersuchen die Frage, ob ausländische Firmen amerikanischen Assets einen höheren Wert beimessen als einheimische Käufer. Auktionstheoretisch ausgedrückt lautet die Frage: Hat ein Auktionsobjekt einen eindeutigen, identischen Wert für alle Bieter oder hat es unterschiedliche Werte für verschiedene Bieter? Als wichtigste Erklärungsfaktoren für mögliche Wertunterschiede finden sich in der Literatur unterschiedliche Besteue489 490 491

492 493 494

495

Vgl. Klein, A. (1986), S. 689. Vgl. Klein, A. (1986), S. 693 f. Die Wahrscheinlichkeit der Transaktion wird danach unterschieden, ob eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen wurde oder ob nur laufende Verkaufsgespräche gemeldet wurden, vgl. Klein, A. (1986), S. 691. Vgl. Klein, A. (1986), S. 693. Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 132, kommen für UK zu dem gleichen Ergebnis. Vgl. Sicherman, N. W./Pettway, R. H. (1992), S. 124. Vgl. Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 126, Sentis, P. (1996), S. 59, Eichinger, A. (2001), S. 165, Padmanabhan, P. (1993), S. 197, Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 172. Roenfeld, R./Sicherman, N./Trifts, J. (1992), S. 300.

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rungs- und Rechnungslegungsvorschriften und Wechselkursauswirkungen.496 Harris/Ravenscraft (1991) finden, dass US-Zielfirmen bei Übernahme durch einen ausländischen Käufer signifikant höhere Überrenditen erzielen als bei Übernahme durch ein heimisches Unternehmen.497 Dieses Ergebnis lässt sich nach bisherigen empirischen Ergebnissen nicht auf Desinvestitionen übertragen. Cakici/Hessel/Tandon (1991), Servaes/Zenner (1994) und Blumberg/Owers (1996) ermitteln abnormale Renditen von signifikanten 1,22%, 1,44% und 0,70% für ein 2-tägiges Ereignisfenster bei Ankündigung von Desinvestitionen an ausländische Käufer.498 Diese Ergebnisse sind den bekannten Ergebnissen von Desinvestitionen an US Käufer sehr ähnlich. Während Blumberg/Owers (1996) keine auffälligen Unterschiede in Abhängigkeit der Nationalität der Käufer feststellen, ermitteln Cakici/Hessel/Tandon (1991) bei Verkäufen an britische und deutsche Käufer signifikant höhere abnormale Renditen. Sie begründen dies mit vorteilhaften Regelungen für das Abschreiben von Goodwill in diesen beiden Ländern.499 Eichinger (2001) betrachtet das gleiche Argument aus deutscher Verkäufersicht und argumentiert, dass Desinvestitionen an heimische Käufer dann zu einer höheren abnormalen Rendite führen sollten als Verkäufe an ausländische Käufer. Die empirischen Ergebnisse belegen seine Hypothese. Verkaufen deutsche Unternehmen Assets an deutsche Käufer, so kommt es zu einer signifikant positiven Kursreaktion, beim Verkauf an ausländische Käufer ist die Reaktion nicht signifikant. Die positivere Beurteilung eines Verkaufs an heimische Käufer ist sowohl für deutsche als auch für ausländische Assets festzustellen.500 Ein Einfluss der Nationalität des Käufers ist somit nicht auszuschließen. Ein Einfluss der Nationalität der Assets auf die Überrendite des Verkäufers kann zwei Ursachen haben:501 (1) Ausländische Assets werden vermehrt von ausländischen Käufern gekauft. Es gibt somit keinen direkten Einfluss der AssetNationalität, die eigentliche Ursache ist die Käufer-Nationalität. (2) Die Bewertung hängt ab von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Heimatlandes. Eichinger (2001) argumentiert, dass Desinvestitionen ausländischer Assets in Phasen sinkender Wettbewerbsfähigkeit (signalisiert durch steigende Heimatwährung) schlechter beurteilt werden als in Phasen steigender Wettbewerbsfähigkeit (signalisiert durch sinkende Heimatwährung). Er begründet dies mit der Vorteilhaftigkeit von Auslandsfertigungen bei steigender Heimatwährung.502 496 497 498 499 500

501 502

98

Vgl. Cakici, N./Hessel, C./Tandon, K. (1991), S. 44. Vgl. Harris, R. S./Ravenscraft, D. (1991), S. 825-844. Vgl. Cakici, N./Hessel, C./Tandon, K. (1991), S. 52, Servaes, H./Zenner, M. (1994), S. 47, Blumberg, A./Owers, J. E. (1996), S. 78. Vgl. Cakici, N./Hessel, C./Tandon, K. (1991), S. 55. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 157-159. Signifikant ist der Unterschied jedoch nur bei deutschen Assets, die Ergebnisse sind für nichtdeutsche Assets aufgrund der sehr geringen Stichprobenanzahl nicht aussagekräftig. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 155 ff. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 160 f.

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

Kim (1997) findet für US-Firmen Anhaltspunkte für diese Argumentation. Der Rückzug amerikanischer Unternehmen aus dem Ausland wird in Zeiten eines starken Dollar (sinkende Wettbewerbsfähigkeit) nicht signifikant, in Zeiten eines schwachen Dollar (steigende Wettbewerbsfähigkeit) signifikant positiv beurteilt.503 Kaiser/Stouraitis (1995) finden für Deutschland und Frankreich in [-15,0] eine stark positive Kursreaktion auf den Verkauf heimischer Assets und eine negative Reaktion auf den Verkauf ausländischer Assets.504 Die Autoren haben dafür keine schlüssige Erklärung. Eichinger (2001) bestätigt das Ergebnis für Deutschland. Der Verkauf deutscher Assets wird signifikant besser beurteilt als der Verkauf ausländischer Assets. Er erklärt dies damit, dass ein Großteil der Desinvestitionen ausländischer Assets in Zeiten sinkender Wettbewerbsfähigkeit stattfand. 505 Ein Einfluss der Nationalität der verkauften Assets ist somit ebenfalls nicht auszuschließen. 3.4.6.7 Wahrscheinlichkeit der Transaktion Die Höhe der Bewertung eines Ereignisses hängt in der Theorie von der ökonomischen Relevanz und von der Eintrittswahrscheinlichkeit ab. Eine höhere Wahrscheinlichkeit der Durchführung eines kapitalwertpositiven Ereignisses sollte daher einen positiven Einfluss auf die Beurteilung ausüben. Die empirischen Belege für diesen Zusammenhang sind zumindest bei der Beurteilung von Desinvestitionen schwach ausgeprägt. Klein (1986) entdeckt den entgegengesetzten Zusammenhang und bezeichnet dies als Anomalie.506 In seiner Untersuchung erfahren Ankündigungen über laufende Verkaufsgespräche eine bessere Beurteilung als solche, die ein schriftliches Übereinkommen der Transaktionspartner vermelden können. Hearth/Zaima (1986) untersuchen einen Zeitraum von 120 Tagen vor der ersten Veröffentlichung der bevorstehenden Desinvestition bis zu 120 Tagen nach Ankündigung des Transaktionsabschlusses. Die erste Veröffentlichung führt zu einem signifikant positiven Kurseffekt, im weiteren Verlauf des Verkaufsprozesses kommt es für die Gesamtgruppe zu keinen weiteren signifikanten Kurseffekten. Allerdings finden die Autoren für einzelne Unternehmen sowohl signifikant negative als auch signifikant positive Bewertungen in der Interimsperiode und nach Veröffentlichung des erfolgreichen Abschlusses. Die Anzahl der von null unterschiedlichen Renditen schätzen sie für beide Perioden unter Annahme einer Binominalverteilung als signifikant ein. Die Autoren schließen daraus, dass sich die Bewertung einer Transaktion über

503 504 505

506

Vgl. Kim, Y. (1997), S. 419-437. Die Autoren geben keine Signifikanzen an, vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 168 f. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 155-162. Angesichts der sehr geringen Stichprobenanzahl erscheint das Ergebnis jedoch nicht statistisch gesichert. Vgl. Klein, A. (1986), S. 693.

99

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

den gesamten betrachteten Zeitraum erschließt. Da sie jedoch darauf verzichten, den Zeitraum auf Confounding News zu überprüfen, dürften an dieser Interpretation zumindest Zweifel angebracht sein. Weitere Studien ergeben keinen signifikanten Unterschied in der Bewertung von Verkaufsabsicht und Verkaufsabschluss.507 3.4.6.8 Liquidität der Assets Theoretisch geht von der Liquidität der zum Verkauf stehenden Assets ein positiver Einfluss auf die Höhe des Ankündigungseffekts aus. Unternehmensteile gelten als liquide, wenn sie in kurzer Zeit verschiedene Käufer anziehen und keine hohe Komplexität aufweisen, so dass sie sich relativ einfach bewerten lassen. Besonders Firmen in einer finanziellen Notlage vermögen solche Bereiche schnell und ohne Bewertungsabschlag zu verkaufen. Empirisch konnte ein Einfluss der Liquidität auf die abnormale Rendite nicht nachgewiesen werden. Brown/James/Mooradian (1994) definieren die Liquidität der Zielfirma in Abhängigkeit der Industrie-Profitabilität. Nach Shleifer/Vishny (1992) rechnen sie mit einer positiven Korrelation zwischen Liquidität und Profitabilität anderer Unternehmen in der gleichen Industrie.508 In einer multivariaten Regression erweist sich die Variable als nicht signifikant.509 Kaiser/ Stouraitis testen den Einfluss mehrer Bieter und der Einfachheit der Bewertung der Zielaktiva auf die abnormale Rendite. Beide Faktoren stellen sich als insignifikant heraus.510 Dagegen scheint die Liquidität der Assets einen großen Einfluss auf die Auswahl der zu verkaufenden Unternehmenseinheiten zu besitzen. Schlingemann/Stulz/Walking (2002) erhalten als eindrucksvolles Ergebnis, dass das Segment mit der schlechtesten Performance eine niedrigere Verkaufswahrscheinlichkeit hat als das liquideste Segment.511 3.4.6.9 Übernahmeabwehr Vom Management veranlasste Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmen stoßen generell auf Kritik. Jarrell/Brickley/Netter (1988) kommen nach Durchsicht empirischer Ergebnisse zu dem Schluss, dass Abwehrmaßnahmen, welche die Aktionäre nicht absegnen müssen, eher wertvernichtend sind als solche, die eine Zustimmung der Eigenkapitalgeber benötigen.512 Desinvestitionen bedürfen in der Regel keiner Aktionärszustimmung. Es besteht somit die Gefahr, dass wäh-

507 508 509 510 511 512

Vgl. Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 131, Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996), S. 64, Eichinger, A. (2001), S. 149. Vgl. Shleifer, A./Vishny, R. W. (1992), S. 1343-1366. Vgl. Brown, D. T./James, C. M./Mooradian, R. M. (1994), S. 250. Vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 172. Vgl. Schlingemann, F. P./ Stulz, R. M./ Walkling, R. A. (2002), S. 131. Vgl. Jarrell, G. E./Brickley, J. A./Netter, J. N. (1988), S. 66.

100

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

rend einer Übernahmeofferte veranlasste Desinvestitionen kein kapitalwertpositives Projekt darstellen, sondern vielmehr eine reine Abwehrreaktion sind. Beispielsweise könnte sich das Management veranlasst sehen, gerade denjenigen Bereich zu verkaufen, der für den Käufer von besonderem Interesse ist. In jedem Fall aber stellt eine solche Abwehrreaktion ein Zeichen für ineffizientes Management dar. Ist der Verkauf wirklich wertschaffend, dann hätte das Management diesen schon im Vorfeld ohne äußeren Druck veranlassen sollen. Die empirischen Ergebnisse bestätigen den negativen Einfluss des Motivs Übernahmeabwehr größtenteils. Loh/Bezjak/Toms (1995) finden eine signifikant negative Rendite in [-3,3] bei Desinvestitionen als Abwehrmaßnahme und eine signifikant positive Rendite für den Fall, dass kein Übernahmeangebot für den Verkäufer vorliegt.513 Datta/Iskandar-Datta (1996) bestätigen die Ergebnisse.514 Lee/Rosenstein/Rangan/Davidson (1992) finden dagegen überraschenderweise einen positiven Einfluss des Abwehrmotivs für Unit Buyouts.515

513 514 515

Vgl. Loh, C./Bezjak, J.R./Toms, H. (1995), S. 50. Vgl. Datta, S./Iskandar-Datta, M.E. (1996), S. 54. Vgl. Lee, C. I/Rosenstein, S./Rangan, N./Davidson, W. N. (1992), S. 70.

101

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

3.4.7 Übersicht der empirischen Ergebnisse zu Bestimmungsgrößen

(«) « « « «

« ő

Übernahmeabwehr

Liquidität der Assets

Wahrscheinlichkeit

Ausländischer Käufer

Ausländische Assets

Preisbekanntgabe

Relative Größe

Performance Verkäufer

Finanzielle Situation



Agency Variablen518

ņ

Sekundäre Einflussfaktoren517

Signaling/Werttransfer

Finanz.: Verr. Distress



Finanz.: Investition

Verkauf von Verlustbereichen

US Montgomery et al. (1984) Hearth/Zaima(1984) Zaima/Hearth(1985) Klein (1986) Hearth/Zaima(1986) Hite et al. (1987) Tehranian et al. (1987) Hirschey/Zaima (1989) Hirschey et al. (1990) Cakici et al (1991) Sicherman/Pettway (1992) Servaes/Zenner (1994) Brown et al. (1994) Lang et al (1995) John/Ofek (1995) Slovin et al (1995) Loh et al (1995) Datta/Iskander-Datta (1996) Blumberg/Owers (1996) Guedes/Parayre (1997) Hanson/Song (2000) Mulherin/Boone (2000) Datta et al (2003) UK Afshar et al (1992) Padmanabhan (1993) Lasfer et al (1996) Kaiser/Stouraitis (2001) Clubb/Stouraitis (2002) Kontinentaleuropa Kaiser/Stouraitis (1995) Sentis (1996) Eichinger (2001) Löffler (2001)

Fokussierung

Effizienz bei Käufer

Erklärungshypothesen516

ņ ő

ņ « « «

ő

(«)

«



ņ  ņ 

 

« ő

« («) ő ő «

 ņ

ő



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ņ ņ

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« ņ

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ņ ņ

« ņ ņ 

(«)

ņ

(«)

« ő

ő

ő « «

ņ ņ

(«) ő

ņ

ő

ő

Tabelle 3.7: Übersicht Einflussfaktoren bei Selloffs

516 517 518

 Erklärungshypothese bestätigt, ņ Erklärungshypothese nicht bestätigt. « signifikant positiver Einfluss, («) nicht signifikanter positiver Einfluss, ņ signifikant negativer Einfluss, (ņ) nicht signifikant negativer Einfluss, ő Einfluss getestet, aber unklar. Folgende Agency-Variablen werden verwendet: Aktienbesitz des Managements, Insider Trading Aktivität, Anteil Outside Directors, Bezahlung des Managements, Kontrolle durch Fremdkapitalgeber.

102

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

US Hite/Vetsuypens (1989) Trifts et al (1990) Lee et al (1992) Roenfeld et al (1992) UK Briston et al (1992)

«

ņ

ő «

« («) («)

Übernahmeabwehr

Liquidität der Assets

Wahrscheinlichkeit

Ausländischer Käufer

Ausländische Assets

Preisbekanntgabe

Relative Größe

Performance Verkäufer

Finanzielle Situation

Sekundäre Einflussfaktoren520

Agency Variablen

Signaling/Werttransfer

Finanz.: Investition

Finanz.: Verr. Distress

Verkauf von Verlustbereichen

Fokussierung

Effizienz bei Käufer

Erklärungshypothesen519

« ő

=

Tabelle 3.8: Übersicht Einflussfaktoren bei Unit Buyouts

3.5

Entscheidung über optimalen Käufer

Die nachfolgenden Ausführungen gehen davon aus, dass sich das Unternehmen bereits gegen einen Spinoff oder Equity Carveout als Mittel der Desinvestition entschieden hat.521 Die verbleibenden Alternativen sind somit ein Selloff an strategische Investoren und ein Unit Buyout an das Management und/oder finanzielle Investoren. (1) Art der Assets Die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Käufer an zu verkaufenden Unternehmensteilen Interesse zeigen, hängt von der Beschaffenheit der Assets und der konjunkturellen Situation ab. Unternehmensteile müssen bestimmte finanzielle Voraussetzungen erfüllen, um als Zielunternehmen von Unit Buyouts besonders geeignet zu sein. Diese sind in Ertragskraft, Substanz und Kapitalstruktur unterteilbar.522 Eine gute Ertragskraft äußert sich in einem stabilen, hohen und steigerungsfähigen Innenfinan-

519 520

521

522

 Erklärungshypothese bestätigt, ņ Erklärungshypothese nicht bestätigt. « signifikant positiver Einfluss, («) nicht signifikanter positiver Einfluss, ņ signifikant negativer Einfluss, (ņ) nicht signifikant negativer Einfluss, ő Einfluss getestet, aber unklar. Beispielsweise weil die Transaktion für den Verkäufer zahlungswirksam sein soll (Ausschluss von Spinoffs) oder weil eine sofortige, vollständige Trennung angestrebt wird (Ausschluss von Equity Carveouts). Vgl. Nadig, L. (1992), S. 89.

103

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

zierungspotential.523 Ein hoher und stabiler Cashflow als Determinante des Innenfinanzierungspotentials ist daher die wichtigste Vorraussetzung für einen optimalen Buyout-Kandidaten.524 Er ist notwendig, um die infolge des hohen Verschuldungsgrades meist erheblichen Zins- und Tilgungszahlungen sicherzustellen. Unterliegt der Cashflow größeren Schwankungen, so droht die Insolvenz des Unternehmens in Schwächephasen. Um das hohe Kapitalstrukturrisiko auszugleichen, sollte das Geschäftsrisiko daher möglichst gering sein.525 Optimale Buyout-Kandidaten verkörpern somit häufig Unternehmen, die eine marktführende Position in reifen, nicht-zyklischen Industrien mit hohen Markteintrittsbarrieren einnehmen.526 Ambrose/Winters (1992) ermitteln in ihrer empirischen Untersuchung, dass in machen Branchen häufiger Buyouts stattfinden und dass in diesen Branchen die Cashflows stabiler sind.527 Sie widerlegen aber auch, dass Buyouts nur in wenigen spezifischen Branchen Anwendung finden. Die Substanz eines Unternehmens kann in betriebsnotwendige und nichtbetriebsnotwendige Teile unterschieden werden. Die Existenz nichtbetriebsnotwendiger Vermögenswerte ist vorteilhaft, da diese veräußert werden und damit zur Finanzierung bzw. Schuldentilgung beitragen können.528 Die betriebsnotwendige Substanz sollte eine gute Liquidierbarkeit und einen hohen Liquidationswert haben, um eine hohe Belehnungsquote zu erreichen.529 Beide Kriterien führen ebenfalls zu niedrigeren Kosten von Financial Distress. Dies hat infolge des vergleichsweise hohen Insolvenzrisikos bei Leveraged Buyouts große Bedeutung. Das betriebsnotwendige Vermögen sollte im Idealfall keine größeren Ersatz- oder Neuinvestitionen erfordern, um die Ertragskraft des Buyout Unternehmens nicht zu schwächen. Unternehmen in low-tech Industrien mit Produkten in der Reifephase des Lebenszyklus, die geringe Investitionen und niedrige F&E-Aufwendungen erfordern, gelten daher als ideale Buyout-Kandidaten.530 Eine konservative Kapitalstruktur des Zielunternehmens vor der Transaktion ist vorteilhaft, da sie bei einem geringen Verschuldungsgrad die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert.531 Die genannten Vorraussetzungen sind idealtypisch. Es gibt Anzeichen dafür, dass Buyout-Spezialisten inzwischen auch auf solche Assets, die traditionell nicht als Buyout-typisch angesehen werden, abzielen. Dies ist in erster Linie eine Antwort auf den hohen Wettbewerb unter finanziellen Investoren. BuyoutSpezialisten entwickeln eigene Fähigkeiten weiter (z.B. operative Kompetenz) 523 524 525 526 527 528 529 530 531

Vgl. Weitnauer, W. (2003), S. 70. Vgl. Scherer, M. (1999), S. 98. Vgl. Scherer, M. (1999), S. 99. Zu weiteren Einflussfaktoren auf die Stabilität des Cashflows vgl. Nadig, L. (1992), S. 94. Vgl. Ambrose, B. W./Winters, D. B. (1992), S. 90-94. Vgl. Weitnauer, W. (2003), S. 70. Vgl. Nadig, L. (1992), S. 92. Vgl. Long, W. F./Ravenscraft, D. J. (1993b), S. 128. Vgl. Kessel, A. (1995), S. 96.

104

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

und erwerben vermehrt auch Durchschnittsunternehmen, die nicht den oben genanten Kriterien entsprechen.532 Häufig werden Akquisitionen von Unternehmen, die von den typischen Buyout-Eigenschaften abweichen, mit weniger Fremdkapital strukturiert, um den höheren Financial Distress Kosten Rechnung zu tragen.533 Die Kontrolle des Buyout-Spezialisten kann hierbei die Kontrollwirkung einer sehr hohen Verschuldung ersetzen.534 Gerade bei Unit Buyouts schafft die Durchführung von Investitionen, die den Bereichen vorher wegen Nichtzugehörigkeit zum Kerngeschäft versagt wurden, zusätzlichen Unternehmenswert.535 In diesem Fall sind positive Investitionschancen und nicht der geringe Investitionszwang Werttreiber der Transaktion. Dennoch ist es unwahrscheinlich und unrealistisch, dass Buyout-Spezialisten an Unternehmensaktiva Interesse zeigen, die sich durch einen stark negativen Cashflow, hohe Forschungskosten, fehlende materielle Werte und einen hohen Verschuldungsgrad auszeichnen. Für solche Assets kommen in der Regel eher strategische Investoren in Frage. Strategische Investoren kaufen tendenziell prozyklisch, während Finanzinvestoren eher antizyklisch agieren. Finanzinvestoren stehen im Ruf, einen unemotionalen Kaufprozess durchzuführen.536 Die einzigen Entscheidungsfaktoren sind die Bewertung des Zielunternehmens und die potentiellen Wertsteigerungsmöglichkeiten. Strategische Käufer agieren häufig emotionaler und sind dem externen Druck von Finanzanalysten ausgesetzt. Diese fordern "Wachstum" in Boomphasen und "Fokussierung" in Rezessionszeiten.537 Dies führt zu überteuerten Akquisitionsstrategien in Zeiten hoher Bewertungen. Außerdem ist die Kontroll- und Anreizstruktur bei strategischen Investoren weniger effizient. Deshalb streben strategische Investoren häufig gerade im Boomzeiten Wachstum um jeden Preis an. In Rezessionsphasen wird dann ein Schuldenabbau gefordert, so dass sich strategische Investoren dann nur noch vereinzelt auf dem Markt für Unternehmenskontrolle befinden. Eventuell sind Finanzinvestoren in Rezessionsphasen die einzige verbleibende Verkaufsoption.538

532 533 534 535 536 537 538

Vgl. Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 128. Vgl. Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 128. Vgl. Cotter, J.F./Peck, S.W. (2001), S. 101. Vgl. Kester, W. C./Luehrman, T. A. (1995), S. 120. Vgl. Butler, P. (2001), S. 145. Dagegen zeigen Gompers, P./Lerner, J. (2000), S. 321, dass die Höhe der Zuflüsse in Venture Capital Fonds signifikant die Bewertung der Investitionen beeinflusst. Diese Tendenz wurde sehr deutlich in den Boomjahren 1998-2000 und in der nachfolgenden Rezession. Vgl. Storn, A. (2003). In Kontinentaleuropa war dies in den Rezessionsjahren 2001-2003 gut zu beobachten. Strategische Unternehmen waren häufig nur als Verkäufer anzutreffen, um ihren in den Boomjahren zuvor angehäuften Schuldenberg abzutragen.

105

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

(2) Verkaufspreis und -dauer Von den in Kapitel 3.4 ausführlich beschriebenen Wertsteigerungsfaktoren ist im Rahmen der Entscheidung über den optimalen Käufer nur die Effizienzhypothese relevant. Fokus-, Verlust- und Finanzierungseffekte manifestieren sich nur beim Verkäufer und sind von der Art des Käufers unabhängig. Effizienzeffekte beim Käufer spiegeln sich dagegen im Verkaufspreis wider. Es ist dabei für den Verkäufer weniger relevant, welcher Käufer mit dem desinvestierten Unternehmensteil real eine höhere Wertsteigerung zu erzielen vermag, sondern vielmehr welcher Käufer dem Unternehmensteil den höheren Wert beimisst. Der Wert setzt sich zusammen aus realer Wertsteigerung und Hybris des Käufers. Sowohl akademische Veröffentlichungen539 als auch Praxis-Literatur540 gehen mehrheitlich davon aus, dass strategische Käufer höhere Preise bezahlen. Dies lässt sich zum einen mit Synergieeffekten, zum anderen aber auch mit einer weniger effektiven Kontroll- und Anreizstruktur im Vergleich zu finanziellen Investoren begründen. Vernachlässigt man den Hybris-Faktor, so ist eine Wertsteigerung durch Synergieeffekte beim strategischen Investor mit der Wertsteigerung durch Buyout-spezifische Effizienzeffekte zu vergleichen. Prinzipiell sind universelle, endemische und einzigartige Synergien zu unterscheiden. Universelle Synergien kann jeder Käufer realisieren, endemische Synergien hingegen nur ein Teil der Käufer. Solche Synergien beziehen sich häufig auf die Beseitigung von Doppelaktivitäten in den Unternehmen. Einzigartige Synergien vermag nur ein einziger Käufer zu realisieren.541 Dieser ist theoretisch in der Lage, den höchsten Preis zu bieten. Häufig bieten strategische Investoren jedoch nur für die Teile, die einen strategischen Bezug zu ihrem Kerngeschäft aufweisen. Sie sind nicht gewillt, größere Restrukturierungen oder Desinvestitionsprogramme nach der Transaktion durchzuführen.542 Finanzielle Investoren sind eher dazu bereit, für das gesamte Paket zu bieten. Sie nutzen nichtbetriebsnotwendiges Vermögen später im Rahmen von erneuten Desinvestitionen zur Schuldenreduktion.543 Der Verkauf des kompletten Unternehmensteils an einen Finanzinvestor spart in einer solchen Situation Zeit, ist aber nicht unbedingt verkaufswertmaximierend. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Finanzinvestoren grundsätzlich in Cash bezahlen, während strategische Investoren eventuell eigene Aktien als Akquisitionswährung verwenden. Andererseits verlangen Finanzinvestoren häufiger EarnOut Klauseln, die einen Teil der Zahlungen an die Erfüllung bestimmter Er539 540 541 542 543

Vgl. z.B. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 699. Vgl. z.B. Mercer Capital (1999). Vgl. Pursche, W. (1989), S. 92 ff. Vgl. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 697. Dies konnte beispielsweise beim Verkauf der Chemiesparte Dynamit Nobel durch MG Technologies beobachtet werden. BASF als strategischer Käufer gab ein Angebot nur für diejenigen Teile der Sparte ab, die zu seinem Portfolio passen. Die Sparte wurde wenig später fast komplett an die Finanzinvestoren KKR und CSFB Private Equity verkauft, vgl. Smolka, K. M. (2003) und Smolka, K. M. (2004).

106

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

folgsziele nach der Transaktion knüpfen. Auch ist die Aufbringung der Finanzmittel bei MBO's und IBO's weniger gewiss, da die Bereitstellung von Fremdkapital und Mezzanin Kapital mit Unsicherheit behaftet ist. Beim Verkauf an einen strategischen Investor kann der geplante Zusammenschluss des Unternehmens dagegen Probleme mit den Kartellbehörden auslösen und zu einer Verzögerung bzw. zu einem Scheitern der Transaktion führen. Besitzt das Management große Wichtigkeit für den Wert des Unternehmensteils, so kann die Androhung eines Management Walk-Out den Wert des Unternehmens für strategische oder finanzielle Investoren vermindern. In einem solchen Extremfall stellt ein MBO eventuell die beste Alternative dar. Ein MBO führt gegebenenfalls auch zu niedrigeren Transaktionskosten, da der Käufer nicht erst mühsam relevante Informationen zusammentragen muss. Dies kann die Transaktion unter Umständen beschleunigen. Die Informationssicherheit für das Management führt unter Umständen auch zu einem geringeren Risikoabschlag als der Verkauf an Externe. Ein MBO kann allerdings den Verdacht erregen, dass das zentrale Management seine Treuepflichten gegenüber den Aktionären durch den Verkauf an das Bereichs-Management verletzt hat. Es besteht in Einzelfällen die Gefahr, dass das Management infolge privater Informationen einen vorteilhaften Preis aushandelt. Ist die Maximierung des Verkaufspreises das einzige Ziel der Transaktion, so sollte eine öffentliche Auktion des Unternehmensteils durchgeführt werden. Der Wettbewerbscharakter der Auktion sollte möglichst lange aufrechterhalten werden, um zu vermeiden, dass Finanzinvestoren im Stadium exklusiver Verhandlungen den Preis runterzuhandeln versuchen. In der Regel spielen aber neben den rein monetären auch noch strategische Überlegungen eine Rolle. (3) Strategische Überlegungen Ein wichtiger Nachteil eines Auktionsverfahrens besteht in der Herausgabe von vertraulichen Informationen an eine Vielzahl von Bietern, darunter womöglich auch an Wettbewerber des Verkäufers. Rückt ein Wettbewerber als strategischer Käufer in weitere Runden des Verkaufsprozesses vor, so erhöht sich die Gefahr, dass wichtige Interna an den Bieter fließen.544 Der Verkauf des Unternehmensteils an Wettbewerber geht eventuell außerdem mit einem Verlust an Wettbewerbsvorteilen einher. Der Käufer kann beispielsweise Ressourcen, die multiplizierbar und quasi-unerschöpflich sind, auf seine vorhandenen Unternehmensteile übertragen.545 Möglicherweise verbreiten Manager des Zielunternehmens Knowhow des Verkäufers im Käuferunternehmen. In Multi-Markt Konstellationen setzt der Wettbewerber vielleicht Vorteile, die er aus dem Kauf des Unternehmensteils zieht, in einem anderen Bereich gegen den Verkäufer ein. Beispiels544 545

Vgl. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 699. Vgl. Graml, R. (1996), S. 267 f.

107

3 Wertsteigerung durch Desinvestition

weise kann er den Cash, den das Zielunternehmen generiert, in andere Bereiche transferieren und dort dem Verkäufer Wettbewerbsnachteile zufügen. Bei einem MBO oder IBO sind diese Nachteile in der Regel nicht gegeben.546 Verkäufer können auch einen MBO oder IBO bevorzugen, wenn sie in Zukunft starke Handelsbeziehungen mit dem desinvestierten Bereich erwarten.547 Die von Vertrauen geprägte Beziehung zu den Managern des Unternehmensteils wirkt sich unter Umständen für den Verkäufer in Zukunft vorteilhaft aus.

EINFLUSSFAKTOREN AUF ENTSCHEIDUNG FÜR KÄUFER MBO

IBO

• Hoher Cashflow,

• Hoher Cashflow,

geringe Insolvenz-Kosten

geringe Insolvenz-Kosten

Selloff Art der Assets

• Egal

Größe der Assets

• Egal

• Klein

• Mittel bis groß

Vorteile

• Höchster Preis in

• Bezahlung in Cash • Geringere

• Häufig einziger Bieter in

Boomzeiten

• Sauberer Verkauf (kein Earn-Out)

• • •

Nachteile

• Abgabe vertraulicher • •

Informationen bei Scheitern Schwächung der eigenen Wettwerbsfähigkeit Evtl. Kartellprobleme

Transaktionskosten Geringerer Risikoabschlag Keine Androhung eines „Management Walk-Out" Gute zukünftige Handelsbeziehungen

• Evtl. geringerer Preis, • •

da Informationsnachteil Evtl. Probleme bei Finanzierung Verdacht auf Verletzung der Treuepflicht

Rezessionszeiten für größere Assets

• Bezahlung in Cash

• Evt. Probleme bei Finanzierung

Source: Eigene Darstellung

Abbildung 3.6: Einflussfaktoren auf Entscheidung über optimalen Käufer

546 547

Ausnahmen können im Rahmen von Buy-and-Build Strategien von Buyout-Spezialisten auftreten. Vgl. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 697.

108

4

Datengewinnung und Methodik

4.1

Untersuchungshypothesen

Die Aktienkursreaktion des Verkäufers548 auf die erstmalige Ankündigung einer Desinvestition ist positiv. Hypothese 1 besagt, dass die Ankündigung einer Desinvestition zu einem positiven Kurseffekt beim Verkäufer führt. Die Bestimmungsfaktoren, die eine positive Bewertung von Desinvestitionen erklären können, wurden in Kapitel 3.4 analysiert. Implizit besagt die Hypothese 1, dass die Kontroll- und Anreizmechanismen in den Unternehmen im Durchschnitt stark genug sind, damit Manager wertgenerierende statt wertvernichtende Transaktionen, die nur ihren eigenen Nutzen erhöhen, durchführen.

Hypothese 1:

Hypothese 2a: Die Aktienkursreaktion auf die erstmalige Ankündigung einer Desinvestition durch einen Selloff an einen strategischen Investor ist positiv. Hypothese 2b: Die Aktienkursreaktion auf die erstmalige Ankündigung einer Desinvestition durch einen Unit Buyout an das Management und/oder einen finanziellen Investor ist positiv. Hypothese 2c: Die Aktienkursreaktion auf die erstmalige Ankündigung einer Desinvestition durch einen Management Buyout ist positiv. Hypothese 2d: Die Aktienkursreaktion auf die erstmalige Ankündigung einer Desinvestition durch einen Institutional Buyout ist positiv. Hypothesen 2a und 2b betrachten Desinvestitionen durch Selloffs und durch Unit Buyouts getrennt. Es gibt drei Möglichkeiten, warum Unit Buyouts eventuell eine andere Bewertung erfahren als Selloffs. Erstens kann es sich bei den im Rahmen von Unit Buyouts verkauften Unternehmensteilen um strukturell unterschiedliche Assets gegenüber Selloffs handeln. Da sich – wie in Kapitel 3.5 analysiert – nicht prinzipiell alle Bereiche aufgrund ihrer Charakteristika als Unit Buyout Kandidaten eignen, ist dies durchaus realistisch. Es könnte zum Beispiel sein, dass durch Unit Buyouts veräußerte Unternehmensbereiche stark positive Cashflows aufweisen, während Bereiche, die an strategische Investoren verkauft werden, eher Verluste schreiben. Der Verkauf strukturell unterschiedlicher Assets kann beim Verkäufer zu unterschiedlichen Effekten führen, die auch 548

In dieser Arbeit beziehen sich sämtliche Aktienkursreaktionen auf den Verkäufer. Diese Konkretisierung wird im Folgenden daher weggelassen.

109

4 Datengewinnung und Methodik

der Kapitalmarkt unterschiedlich bewertet. Zweitens wählen unter Umständen Unternehmen, die sich in unterschiedlichen finanziellen Situationen befinden, unterschiedliche Desinvestitions-Varianten. Beispielsweise ziehen sich strategische Käufer in Rezessionsphasen verstärkt vom Markt zurück, so dass eventuell nur noch die Variante des Unit Buyouts möglich ist. In Rezessionsphasen befinden sich weiterhin mehr Verkäufer in einer schlechteren finanziellen Situation, weshalb sich bei einem Verkauf die Kosten von Financial Distress stärker verringern lassen. Finanzinvestoren zahlen normalerweise in bar, was sie gerade für Unternehmen in Finanznot interessant macht. Eine mögliche unterschiedliche Verfassung von Unternehmen, die einen Selloff bzw. einen Unit Buyout wählen, kann unterschiedliche Effekte beim Verkäufer bewirken, die wiederum zu einer unterschiedlichen Bewertung durch den Kapitalmarkt führen. Drittens ist es nicht auszuschließen, dass strategische und finanzielle Investoren systematisch unterschiedliche Preise für die gleichen Assets bezahlen. Dies ist mit verschieden starken Effizienzeffekten beim Käufer oder unterschiedlich rationalen Kaufprozessen erklärbar und zieht eine differenzierte Bewertung durch den Kapitalmarkt nach sich. Die theoretischen Überlegungen erlauben nicht zwingend abzuleiten, dass Unit Buyouts einen negativeren Kurseffekt beim Verkäufer auslösen als Selloffs. Hypothese 2b besagt daher, dass auch Unit Buyouts zu einer positiven Kursreaktion beim Verkäufer führen. Die Hypothese sagt jedoch nichts aus über eventuell unterschiedliche Gründe für einen positiven Kurseffekt. Es kann sein, dass im Hintergrund andersartige Effekte ablaufen, der kumulierte Effekt jedoch wieder positiv ist. Die Untersuchungsgruppe der Unit Buyout Verkäufe besteht sowohl aus Management Buyouts als auch aus Institutional Buyouts. Hypothesen 2c und 2d betrachten Management Buyouts und Institutional Buyouts getrennt. Bei Management Buyouts ist die Gefahr größer, dass das Management infolge einer Informationsasymmetrie in der Lage ist, einen vorteilhaften Preis auszuhandeln. Bei Institutional Buyouts ist diese Gefahr geringer, da das Management in der Regel nicht bei den Verhandlungen mitwirkt. Bis auf die Ergebnisse von Briston/ Saadouni/Mallin/Coutts (1992) gibt es keine Hinweise darauf, dass eine Informationsasymmetrie zugunsten des Managements einen negativen Effekt für den Käufer bewirkt. Hypothese 2 besagt daher, dass sowohl Management Buyouts als auch Institutional Buyouts einen positiven Kurseffekt beim Verkäufer auslösen. Hypothese 3:

Der Fit der gekauften Unternehmensteile zu Geschäftsbereichen des Käufers hat einen positiven Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion bei Selloffs. Hypothese 3 testet die Effizienz-Hypothese direkt. Sie besagt, dass der Verkäufer im Rahmen der Verhandlungen über den Verkaufspreis von Effizienzeffek110

4 Datengewinnung und Methodik

ten beim Käufer profitieren kann. Bei strategischen Käufern hängen Effizienzeffekte von den möglichen Synergiepotentialen ab. Diese sind höher, wenn der gekaufte Unternehmensteil besser zu den bisherigen Geschäftsbereichen des Käufers passt. Bei Unit Buyouts an das Management und/oder finanzielle Investoren entstehen in der Regel keine Synergieeffekte, da die Unternehmen danach als freistehende Unternehmen agieren. Buyout-spezifische Effizienzeffekte lassen sich nicht testen, da eine Abschätzung zukünftiger Effizienzeffekte wegen Datenmangels unmöglich erscheint. Proxy-Kennzahlen, wie z.B. der Verschuldungsgrad nach der Transaktion, die Höhe der Managementbeteiligung bzw. die Kontrollstärke des Buyout-Spezialisten, sind für den europäischen Markt leider nicht vorhanden. Hypothese 4:

Eine Verringerung der Diversifikation beim Verkäufer hat einen positiven Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. Hypothese 4 erlaubt eine direkte Überprüfung der Fokus-Hypothese. Ein positiver Fokus-Effekt entsteht im Sinne einer Kerngeschäftsstrategie durch eine Reduktion des Diversifikationsgrades. Eine Fokussierung kann zu den in Kapitel 3.4.2.1 ausführlich beschriebenen positiven Effekten führen, die als Abbau negativer Synergien zusammenfassbar sind. Durch den Verkauf des Unternehmensteils lassen sich die verbleibenden Unternehmensteile des Verkäufers effizienter betreiben. Hypothese 5:

Die Profitabilität des verkauften Unternehmensteils hat einen negativen Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. In Kapitel 3.4.2.2 wurde im Rahmen der Diskussion der Verlust-Hypothese analysiert, dass verlustbringende Unternehmensteile hohe Beeinflussungskosten verursachen. Diese entfallen durch einen Verkauf des Unternehmensteils. Bei Unternehmen, die sich in einer finanziellen Krise befinden, werden außerdem durch den Verkauf verlustbringender Unternehmensteile die Financial Distress Kosten reduziert, da es keine laufenden Verluste mehr zu decken gilt. Darüber hinaus ist es bei Unternehmensteilen mit schwacher Performance wahrscheinlicher, dass Käufer die Assets effizienter betreiben können. Allerdings sind Verkäufer bei der Desinvestition von profitablen Unternehmensteilen häufig weniger in Eile, zumindest wenn sie sich selbst in einer soliden finanziellen Situation befinden. Sie warten auf ein attraktives Angebot und ziehen bei dessen Ausbleiben den Unternehmensteil auch schon mal vom Markt zurück, bis sich die Verkaufsbedingungen verbessern.549 Theoretisch kann man also argumentieren, dass Unternehmen für profitable Unternehmensteile bessere Preise erzielen können. 549

Vgl. Wright, M./Robbie, K. (1996), S. 698.

111

4 Datengewinnung und Methodik

Hypothese 5 geht allerdings davon aus, dass bei der Bewertung durch den Kapitalmarkt die Beseitigung negativer Beeinflussungskosten, die Verringerung von Financial Distress Kosten und Effizienzeffekte beim Käufer überwiegen. Hypothese 6a: Werden Desinvestitionen durchgeführt, um Finanzmittel zu generieren, so hat dies einen positiven Kurseffekt. Hypothese 6b: Die Auszahlung der Verkaufserlöse hat einen positiven Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. Hypothese 6c: Die finanzielle Stärke des Verkäufers hat einen negativen Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. Hypothese 6 überprüft den Erklärungsgehalt der Finanzierungstheorie. Hypothese 6a sagt eine positive Bewertung von Desinvestitionen voraus, denen ein Finanzierungsmotiv zugrunde liegt. Der positive Effekt wird bei Auszahlung der Mittel an Fremdkapitalgeber oder Aktionäre als signifikanter erwartet als bei Einbehalt der Mittel. Die Verringerung der Financial Distress Kosten bei Auszahlung der erhaltenen Mittel an die Fremdkapitalgeber gilt dabei als wichtigster Werttreiber. Da Financial Distress Kosten mit zunehmender Verschuldung überproportional ansteigen, wird ein positiverer Effekt bei Firmen mit einer hohen Verschuldung erwartet. Allerdings befinden sich Unternehmen in solider finanzieller Lage in einer besseren Verhandlungsposition. Der hieraus mögliche positive Bewertungseffekt wird jedoch als untergeordnet beurteilt. Hypothese 7:

Die Performance des Verkäufers hat einen negativen Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. Der theoretische Einfluss der Performance auf den Kurseffekt bei Ankündigung einer Desinvestition war Gegenstand der Untersuchung in Kapitel 3.4.6.3. Demnach lässt sich die Performance des Unternehmens als Proxy für die Effizienz des Managements interpretieren. Effiziente Unternehmen führen effiziente Desinvestitionen durch. Diese Argumentation verspricht eine positivere Bewertung von Desinvestitionen, die Firmen mit guter Performance durchführen. Anderseits können Firmen mit schwacher Performance eventuell von höheren Effizienzsteigerungen der verbleibenden Assets durch eine Desinvestition profitieren. Auch ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Käufer die Assets effizienter betreibt. Der Verkauf von Unternehmensteilen durch Unternehmen mit schwacher Performance kann außerdem signalisieren, dass das Management sich der unzureichenden Lage bewusst ist und handelt. Hypothese 7 geht von einem negativen Einfluss der Performance des Verkäufers auf die Höhe der Überrendite aus. Ein möglicher positiver Effekt wegen eines effizienteren Managements wird als untergeordnet eingestuft.

112

4 Datengewinnung und Methodik

Hypothese 8:

Die relative Größe der verkauften Assets hat einen positiven Einfluss auf die Höhe der abnormalen Aktienkursreaktion. Die relative Größe der Transaktion ist aus theoretischer Sicht ein wesentlicher Faktor bei der Erklärung der Höhe des abnormalen Kurseffektes. Kapitel 3.4.6.4 zeigte auf, dass die relative Größe sowohl bei Annahme fundamentaler als auch informationstheoretischer Wertsteigerungshypothesen einen großen Einfluss hat. Die analysierten Effekte sind größenabhängig. Beispielsweise führt der Verkauf größerer peripherer Unternehmensbereiche zu größeren Fokuseffekten bzw. zu größeren Finanzierungseffekten. Lediglich die Signalisierung zukünftiger Effizienz des Managements durch bisher ineffiziente Unternehmen ist theoretisch nicht größenabhängig. Hypothese 8 geht jedoch davon aus, dass die Signalisierung zukünftiger Effizienz nur einen geringen Erklärungsgehalt für positive Werteffekte hat. Hypothese 9:

Die Preisbekanntgabe hat einen positiven Einfluss auf die Höhe der abnormalen Aktienkursreaktion. Wie bereits in Kapitel 3.4.6.5 dargestellt, vermittelt die Preisbekanntgabe unterschiedliche Informationen: (1) Sie vermindert die Informationsasymmetrie bezüglich der verkauften Assets und hilft bei der Beurteilung der ökonomischen Signifikanz der Transaktion. (2) Sie zeigt die Vorteilhaftigkeit des Preises im Sinne der Effizienz-Theorie. (3) Sie ist ein Proxy für die Wahrscheinlichkeit der Durchführung. Die erste Erklärung ist im Rahmen der durchgeführten eigenen empirischen Untersuchung nicht relevant, da die relative Größe für jede Transaktion vorhanden ist. Ist der Verkaufspreis nicht bekannt, so wird die relative Größe über das Umsatzverhältnis berechnet. Sie eignet sich daher nicht zur Erklärung eines Einflusses der Preisbekanntgabe auf die Höhe des abnormalen Kurseffektes. Das gleiche gilt für die dritte Erklärung, die bisherige empirische Untersuchungen ablehnen.550 Der erwartete positive Effekt einer Preisbekanntgabe beruht somit auf der zweiten Erklärung. Die Transaktionspartner werden den Preis in der Regel dann veröffentlichen, wenn er für beide Transaktionspartner vorteilhaft erscheint. In diesem Fall wird die Desinvestition für den Verkäufer als Projekt mit positivem Kapitalwert eingeschätzt, d.h. der Verkaufspreis ist höher als der Wert der Cashflows des Zielunternehmens beim Verkäufer. Wird dagegen auf die Preisbekanntgabe verzichtet, so ist der Preis entweder für Verkäufer oder Käufer nachteilig. Da der Markt die Vorteilhaftigkeit des Preises für den Verkäufer nicht einzuschätzen vermag, wird eine schwächere Bewertung erwartet.

550

Vgl. Klein, A. (1986), S. 693, Afshar, K. A./Taffler, R. J./Sudarsanam, P. S. (1992), S. 132.

113

4 Datengewinnung und Methodik

Hypothese 10a: Die Nationalität der verkauften Assets hat keinen signifikanten Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. Hypothese 10b: Die Nationalität des Käufers hat keinen signifikanten Einfluss auf die Höhe der abnormalen Kursreaktion. Kaiser/Stouraitis (1995) ermitteln einen Einfluss der Nationalität der Assets für Deutschland und Frankreich. Dagegen lehnen sie ihn für UK und Schweden ab.551 Verkäufer erfahren nur bei der Desinvestition inländischer Assets einen positiven Kurseffekt. Eichinger (2001) kommt für Deutschland zum gleichen Ergebnis. Beide Autoren vermögen den Unterschied in der Bewertung jedoch nicht überzeugend zu erklären. Kaiser/Stouraitis (1995) nennen als Möglichkeit die unterschiedliche Berichterstattung in den Medien, je nachdem, ob inländische oder ausländische Assets verkauft werden, bleiben jedoch den Beweis schuldig.552 Eichinger (2001) begründet den Unterschied mit der negativen Bewertung von Verkäufen ausländischer Assets in Phasen sinkender Wettbewerbsfähigkeit. Aufgrund der sehr kleinen Untersuchungsgruppe von Verkäufen in Zeiten steigender Wettbewerbsfähigkeit kann die Erklärung jedoch nicht als statistisch gesichert angesehen werden. In der folgenden eigenen empirischen Untersuchung wird eine kontinentaleuropäische Untersuchungsgruppe analysiert. Wegen dieser Tatsache und des Fehlens einer schlüssigen theoretischen Erklärung geht Hypothese 10a nicht von einem signifikanten Einfluss der Nationalität der verkauften Assets auf den Kurseffekt aus. Hypothese 10b erwartet ebenfalls keinen Einfluss der Nationalität des Käufers. Eichinger (2001) findet für Deutschland nur eine signifikant positive Bewertung, wenn deutsche Käufer die desinvestierten Unternehmensteile erwerben. Er begründet dies mit vorteilhaften Bilanzierungsregeln für Käufer in Deutschland, insbesondere bei der Behandlung des Goodwill bei einer Übernahme. Die Begründung benötigt allerdings das Hilfskonstrukt, dass Unternehmen anhand des Bilanzgewinns und nicht anhand des Cashflows beurteilt werden.553 Blumberg/Owers (1996) finden keine signifikanten Bewertungsunterschiede für amerikanische Verkäufer in Abhängigkeit der Nationalität des Käufers. Seine Untersuchung umfasst dabei auch Verkäufer aus denjenigen kontinentaleuropäischen Ländern, die in der folgenden eigenen Untersuchung die Untersuchungsgruppe bilden. 554 Es erscheint somit im Umkehrschluss unwahrscheinlich, dass der Kurseffekt für Verkäufer dieser Länder von der Nationalität des Käufers abhängt.

551 552 553 554

Vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 168 f. Vgl. Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 169. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 157. Vgl. Blumberg, A./Owers, J. E. (1996), S. 83.

114

4 Datengewinnung und Methodik

Hypothese 11: Desinvestition erzielen in wirtschaftlichen Schwächephasen eine höhere abnormale Rendite als in wirtschaftlichen Boomphasen Zwei Erklärungen sind für eine positivere Beurteilung von Desinvestitionen in Zeiten einer schwachen Konjunktur denkbar. Zum einen besteht eventuell eine starke Korrelation von wirtschaftlicher Lage und Verschuldungsgrad bzw. Profitabilität der Unternehmen. Sollte sich herausstellen, dass Desinvestitionen von Unternehmen mit hoher Verschuldung bzw. schwacher Profitabilität besser beurteilt werden, so müssten dann auch Desinvestitionen in Phasen schwacher Konjunktur eine positivere Beurteilung erfahren. In diesem Fall würde es sich um eine Scheinkorrelation handeln, da der eigentliche Einflussfaktor der Verschuldungsgrad bzw. die Profitabilität und nicht das Wirtschaftswachstum ist. Zum anderen wäre es denkbar, dass aufgrund der Marktstimmung in unterschiedlichen Konjunkturphasen unterschiedliche strategische Handlungen der Unternehmen präferiert werden. Eventuell "fordert" der Markt in Boomphasen "Wachstum" und in Schwächephasen "Konsolidierung". Dieser Erklärung geht im Sinne der Behavioral Finance Theorie von nicht rationalen Märkten aus.

4.2

Datenauswahl

4.2.1

Stichprobenbildung

Der regionale Fokus wurde bewusst aus verschiedenen Gründen auf Kontinentaleuropa gelegt. Eine engere Fokussierung auf Deutschland hätte zwar den Komplexitätsgrad reduziert, jedoch ist das Phänomen der Unit Buyouts zu neu, um nur mit deutschen Daten eine ausreichende Größe der Untersuchungsgruppe zu erreichen. Eine weitere Fokussierung auf ganz Europa hätte die Datengenerierung erheblich erleichtert, da sich der Buyout Markt in UK in einem deutlich reiferen Stadium befindet. Dies zeigt Abbildung 4.1 anhand der relativen Stärke der Buyout Aktivitäten in europäischen Ländern. Anderseits hätte UK dann aber die Untersuchungsgruppe dominiert, da in UK allein eine größere Anzahl von Buyout Transaktionen stattfinden als in ganz Kontinentaleuropa.555 Da für UK außerdem bereits erste empirische Ergebnisse vorliegen, wurde die Konzentration auf Kontinentaleuropa gelegt. Eine Desinvestition an finanzielle Käufer bildete sich in Kontinentaleuropa erst seit Anfang der 90er Jahre zu einer wirklichen Alternative heraus, wobei der eigentliche Boom erst Mitte bis Ende der 90er Jahre einsetzte.556 Der Untersuchungszeitraum wird daher als Zeitspanne 1990-2002 festgelegt. 555

556

In 2002 wurden beispielsweise in UK 613 Buyouts durchgeführt und in Kontinentaleuropa nur 528, vgl. Centre for Management Buy-out Research (2003), S. 41. Vgl. Abbildung 1.1.

115

4 Datengewinnung und Methodik

RELATIVE BUYOUT AKTIVITÄT IN EUROPA Wert aller Buyout-Transaktionen/BSP in 2000-2002, Durchschnitt über 3 Jahre, Prozent 1,97

0,98 0,72

0,70

0,70

0,65

0,58

0,50

UK

0,33

0,25

0,22

Frank- Deutsch- Nieder- Schweiz Schwe- Finnland Italien reich land lande den

Spanien Dänemark

Belgien

Source: Eigene Berechnung, CMBOR European management buy-out review 2000 und 2003

Abbildung 4.1: Reife der Buyout Märkte in Europa

Um die Komplexität zu begrenzen und dennoch eine ausreichende Samplegröße zu garantieren, werden die 5 Länder in Kontinentaleuropa ausgewählt, die im Betrachtungszeitraum die höchste Buyout Aktivität verzeichnen konnten. BUYOUT-AKTIVITÄT NACH LÄNDERN

Auswahl für Untersuchung

1990-2002, Anzahl, EUR Mio. Anzahl

Wert 70000

1800 1600

60000

1400

Anzahl

1000

40000

800

30000

600

EUR Mio.

50000

1200

20000

400 10000

200

0

Ita lie n Sp an ie n Dä ne m ar k Be lg ie n

Fr an kr ei De ch ut sc hl an Ni d ed er la nd e Sc hw ei z Sc hw ed en Fi nn la nd

0

Source: CMBOR European management buy-out review 2000 und 2003

Abbildung 4.2: Buyout Aktivität in einzelnen Ländern Kontinentaleuropas

116

4 Datengewinnung und Methodik

Dies sind Deutschland, Frankreich, Niederlande, die Schweiz und Schweden. In allen fünf Ländern stellen Desinvestitionen von Unternehmensteilen eine wichtige Quelle der Buyout Aktivitäten dar. In Deutschland, Niederlande, Schweden und der Schweiz stellen Unit Buyouts mit Abstand die Mehrheit aller Buyout Transaktionen.557 In Frankreich machen dagegen traditionell Buyouts von Familien- bzw. Privatunternehmen den größten Anteil aller Buyout Transaktionen aus.

ANTEIL VON UNIT BUYOUTS AN GESAMTER BUYOUT AKTIVITÄT Prozent von Gesamtzahl der Buyout-Transaktionen 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 F ra n k re ic h

D e u ts c h la n d

N ie d e rla n d e

S c h w e iz

S chw ed en

Source: CMBOR European management buy-out review 2000 und 2003

Abbildung 4.3: Quellen der Buyout Aktivität in einzelnen Ländern

Das Ziel der Untersuchung ist die Bewertung von Desinvestitionen in Kontinentaleuropa. Ein Vergleich der Länder untereinander ist ausdrücklich nicht Ziel der Analyse. Vielmehr wird Kontinentaleuropa als Ganzes betrachtet. Die Ergebnisse lassen sich dann mit dem US- und UK-Markt vergleichen. Die Stichproben für Selloffs und Unit Buyouts werden mit Hilfe der Datenbank SDC PlatinumTM des Unternehmens Thomson Financial generiert. SDC PlatinumTM ist eine der umfangreichsten Deal-Datenbanken und deckt den ausgewählten Zeitraum für Kontinentaleuropa komplett ab. Die Datenbank-Suche geschieht nach folgenden Kriterien: 1. Das Veröffentlichungsdatum der Transaktion liegt zwischen 1.1.1990 und 31.12.2002. 557

Die geringeren Anteile in Deutschland in 1992-1994 sind in einer hohen Anzahl von Privatisierungs-Buyouts nach der Wiedervereinigung begründet.

117

4 Datengewinnung und Methodik

2. Der Verkäufer stammt aus den Ländern Deutschland, Frankreich, Niederlande, Schweiz und Schweden und ist dort börsennotiert. 3. Es handelt sich bei der Transaktion um eine Desinvestition.558 4. (a) Es handelt sich um einen Leveraged Buyout (Unit Buyout).559 (b) Es handelt sich um einen Verkauf an einen strategischen Investor (Selloff). 5. Der Transaktionswert ist größer als EUR 10 Mio. Ist kein Transaktionswert vorhanden, so ist der Umsatz der Zielfirma größer als EUR 10 Mio. Der Wert von EUR 10 Mio. wurde gewählt, um eine Vergleichbarkeit mit US- und UK-Studien zu garantieren, die in der Regel einen Mindestpreis von $ 10 Mio. bzw. ǧ 5 Mio. ansetzen.560 Die Suche führt zu einer vorläufigen Stichprobe von 300 Unit Buyouts und 2997 Selloffs. Bei 163 Unit Buyouts bzw. 1863 Selloffs ist der Verkaufspreis bekannt und größer als EUR 10 Mio. Bei 137 Buyouts bzw. 1134 Selloffs ist der Transaktionspreis nicht bekannt. Der Umsatz der Zielfirma ist jedoch bekannt und größer als EUR 10 Mio. Im nächsten Schritt wird eine geschichtete Zufallsauswahl von 300 Transaktionen aus der Grundgesamtheit der 2997 Selloffs gezogen. Da die Anzahl der Selloffs nach Durchsicht aller Kriterien aus Abbildung 4.4 deutlich unter der angestrebten Samplegröße von 150 liegt, wird eine zweite geschichtete Zufallsstichprobe von 65 Selloffs gezogen.561 Als Schichtungskriterium wird das Vorhandensein von Transaktionsgröße bzw. Umsatz gewählt. Die Stichproben werden aus den Schichten "Transaktionspreis > EUR 10 Mio." und "Transaktionspreis nicht bekannt, Umsatz > EUR 10 Mio." so ausgewählt, dass das Verhältnis der beiden Schichten in der gezogenen Stichrobe identisch ist wie bei den Unit Buyouts. Im Ausgangsample ist somit in jeweils 55% der Fälle der Transaktionspreis bekannt, während in 45% der Fälle nur der Umsatz der Zielfirma bekannt ist. Die reduzierte Ausgangsstichprobe liegt bei 300 Unit Buyouts und 365 Selloffs.

558

559

560 561

Eine Desinvestition wird folgendermaßen definiert: "...indicates that the deal is a divestiture meaning there is a loss of majority control; the parent company is losing a majority interest in the target ...", vgl. SDC PlatinumTM (2003). Ein Leveraged Buyout wird folgendermaßen definiert: "... An "LBO" occurs when an investor group, investor or firm offers to acquire a company, taking on an extraordinary amount of debt, with plans to repay it with funds generated from the company or with revenue earned by selling off the newly acquired company's assets. SDC considers an LBO or if the investor group includes management or the transaction is defined as such in the financial press and 100% of the company is acquired.", vgl. SDC PlatinumTM (2003). Vgl. z.B. Kaiser, K./Stouraitis, A. (1995), S. 166, Jain, P. C. (1985), S. 213. Aus Kosten- und Aufwandsgründen wird zuerst eine Zufallsstichprobe gezogen und danach werden die weiteren Kriterien (z.B. keine Confounding News) geprüft. Somit ist a priori unklar, wie häufig gezogen werden muss. Aus diesem Grund wird eine zweite Zufallsstichprobe notwendig.

118

4 Datengewinnung und Methodik

DATENAUSAHL SDC PLATINUM / FAKTIVA Kriterien

Selloffs

Unit Buyouts

Desinvestitionen 1990-2002 in D,FR,NL,SWE,SWI Preis > 10 Mio EUR Umsatz > 10 Mio EUR

1863 1134

Zufallsauswahl mit: Preis > 10 Mio EUR Umsatz > 10 Mio EUR

200 165

Kein Selloff/Kein Buyout

163 137

Unfreiwilliger Verkauf

-39 -6

-17 -9

Relative Größe < 1%

-104

-42

Kein (genaues) Ankünd.-Datum

-22

-42

Confounding News

-14

-26

Fehlende Kursdaten/ ThinTrading/Penny-Stock Sonstige Datenbank-Fehler*

-28

-23

-5

-2

Finales Sample

147

139

* z.B. Verkäufer hält nur Minderheitsanteil Source: Eigene Darstellung

Abbildung 4.4: Generierung der finalen Stichprobe

Um Transaktionen in der finalen Stichprobe zu berücksichtigen, müssen sie weitere Kriterien erfüllen: 1. Die Transaktion erfüllt die Bedingungen der Definitionen aus Kapitel 2.1.2.1 und 2.1.2.2. für Selloffs bzw. Unit Buyouts. Im Ausgangssample der Selloffs treten bei Durchsicht der Artikel aus Faktiva folgende Probleme auf: (1) Die Transaktion ist nicht eindeutig als Selloff identifizierbar. Hierunter fallen konzerninterne Verkäufe, Tauschgeschäfte, Equity Carveouts, Management Buyouts, Secondary Buyouts und Akquisitionen (33 Fälle). (2) Der Verkäufer hat vor der Transaktion nur einen Minderheitsanteil (6 Fälle). Im Ausgangssample der Unit Buyouts treten folgende Probleme auf: (1) Es handelt sich um Selloffs an strategische Käufer (3 Fälle). (2) Die Transaktion ist ein Secondary Buyout, d.h. ein Finanzinvestor verkauft ein PortfolioUnternehmen an einen anderen Finanzinvestor als Exit-Strategie (5 Fälle). (3) Der Verkäufer hat vor der Transaktion nur einen Minderheitsanteil (9 Fälle). Insgesamt führt das Kriterium zum Ausschluss von 39 Selloffs und 17 Buyouts. 2. Es handelt sich um eine freiwillige Desinvestition. Transaktionen werden als unfreiwillig definiert, wenn sie infolge von Kartellauflagen oder einer Insolvenz des Verkäufers durchgeführt werden. Das Kriterium führt zum Ausschluss von 6 Selloffs und 9 Unit Buyouts. 3. Die relative Größe der Transaktion beträgt mindestens 1%. Die relative Größe wird berechnet als der Quotient aus Transaktionspreis und Marktkapitali119

4 Datengewinnung und Methodik

sierung 30 Tage vor dem Ankündigungstermin. Ist der Transaktionspreis nicht gegeben, so wird die relative Größe als Quotient aus Umsatz der Zielfirma und Umsatz des Verkäufers in den letzten 12 Monaten ermittelt. Es ist unwahrscheinlich, dass Transaktionen mit einer sehr geringen relativen Größe einen signifikanten Kurseffekt auslösen. Verkauft ein Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von EUR 50 Mrd. einen Unternehmensteil für EUR 10 Mio., so wird der Markt dies nicht als Meldung mit Informationsgehalt sehen. Kommt es dennoch zu einer kleinen Reaktion, dann geht sie im Rauschen zufälliger Kapitalmarktbewertungen unter. Ein Verkauf eines Unternehmensteils mit 1% relativer Größe führt bei einem Verkäufer mit EUR 50 Mrd. Marktkapitalisierung immerhin zu einem Mittelzufluss von EUR 500 Mio. Dies ist trotz der geringen relativen Größe ein relativ großer Verkauf, der durchaus signifikante Auswirkungen für den Verkäufer mit sich bringen kann. Es werden 104 Selloffs und 42 Buyouts wegen einer zu geringen relativen Größe ausgeschlossen. 4. Es ist ein genaues Ankündigungsdatum in Faktiva ermittelbar. Die genaue Ermittlung des Ankündigungsdatums wird in Kapitel 4.2.2 erläutert. Das Fehlen eines genauen Ankündigungsdatums führt zum Ausscheiden von 22 Selloffs und 42 Buyouts. 5. Es liegen keine Confounding News im Zeitraum [-5,5] vor. Confounding News gelten als Ankündigungen signifikanter Unternehmensaktionen, d.h. z.B. signifikante Ver- oder Zukäufe, Ergebnisankündigungen, Dividendenänderungen oder Aktienrückkäufe. Confounding News führen zum Ausschluss von 14 Selloffs und 26 Unit Buyouts. 6. Es liegen ausreichend Kursdaten in [-200,15] vor. Alle Kursdaten stammen aus der Datenbank Datastream des Unternehmens Thomson Financial. Einige Unternehmen der Anfangsstichprobe werden zwar als Aktiengesellschaften geführt, sind jedoch (noch) nicht börsennotiert. Börsennotierte Unternehmen werden dann ausgeschlossen, wenn für mehr als zwei Drittel der Tage in [200,15] keine Kursdaten vorhanden sind oder wenn in [-1,1] keine von null unterschiedliche Rendite zu verzeichnen ist. Fehlende Kursdaten bewirken den Ausschluss von 28 Selloffs und 23 Unit Buyouts. Zum Schluss werden 5 Selloffs und 2 Unit Buyouts ausgeschlossen, da die Transaktionen doppelt im Ausgangssample enthalten sind. Die Anwendung der Kriterien führt zu einer finalen Stichprobe von 147 Selloffs und 139 Unit Buyouts. Die genaue Zusammensetzung der beiden Untersuchungsgruppen zeigt Abbildung 4.5 auf. Es wird deutlich, dass die Stichproben für Selloffs und Buyouts in ihrer Zusammensetzung sehr vergleichbar sind.

120

4 Datengewinnung und Methodik

ZUSAMMENSETZUNG FINALES SAMPLE SELLOFFS UND UNIT BUYOUTS Anzahl Transaktionen

Selloff Unit Buyout

8 Umsatz > € 10 Mio.

19

15 11

15 20

6

7

16

16

31 22

21

20

20

Wert > € 10 Mio.

11

Frankreich Gesamt

40

39

Deutschland 37

31

Niederlande 35

31

6

10

7

5

Schweiz 13

15

Schweden 22

23

Source: Eigene Darstellung

Abbildung 4.5: Zusammensetzung der finalen Stichprobe

4.2.2 Bestimmung des Ereigniszeitpunktes Die möglichst genaue Ermittlung des Ereignistages ist für Ereignisstudien von herausragender Bedeutung. Der Ereigniszeitraum sollte möglichst klein gehalten werden.562 Ungenauigkeiten bei der Ermittlung des Ereignisses führen zu fehlender oder verminderter Signifikanz der Ergebnisse. Der Ereignistag einer Desinvestition ist jedoch grundsätzlich mit Unsicherheit behaftet, da solche Transaktionen über einen längeren Zeitraum ablaufen. Vorraussetzung für den Erfolg der Ereignisstudie ist daher die genaue Definition und sorgfältige Recherche des Ereigniszeitpunktes. Für jede Transaktion ist in SDC PlatinumTM ein Ankündigungsdatum hinterlegt. Dieses Datum dient als Anhaltspunkt, um in der Datenbank Faktiva mittels Artikelsuche den genauen Ankündigungstermin festzulegen. Faktiva ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Firmen Dow Jones & Reuters und umfasst die führenden Nachrichtendienste (z.B. Dow Jones News Service, Reuters News), Nachrichtenagenturen für Originaltext-Presseveröffentlichungen von Unternehmen (z.B. Reuters Ad Hoc (DGAP), PR Newswire Europe, Regulatory News Service) und wichtige Tageszeitungen (z.B. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, Les Echos). Für jede Transaktion wird im Zeitraum von einem Jahr vor bis einem Jahre nach SDC-Ankündigungstermin nach Artikeln gesucht, 562

Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 110.

121

4 Datengewinnung und Methodik

die die Transaktion beschreiben. Bei kleineren Transaktionen ist der Ereignistag meist einfach zu bestimmen. Es gibt häufig nur eine Meldung über den bevorstehenden Verkauf an einen bestimmten Käufer und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt eine Meldung über den Vollzug der Transaktion. Größere Desinvestitionen durchlaufen dagegen häufig mehrere Prozessschritte, über die fortlaufend in den Medien berichtet wird. Idealtypisch lässt sich der Prozess folgendermaßen beschreiben: (1) Der Verkäufer überlegt, bestimmte Unternehmensteile zu verkaufen. (2) Der Verkäufer äußert seine Absicht, einen bestimmten Unternehmensteil zu verkaufen. (3) Der Verkäufer startet einen Auktionsprozess. In der Presse finden sich Gerüchte über mögliche Käufer (teilweise sowohl strategische als auch finanzielle Käufer). (4) Es kommt zu Spekulationen über den Erfolg des späteren Käufers bzw. zu ersten Verhandlungen mit späterem Käufer. (5) Ein Memorandum of Understanding bzw. ein Letter of Intent wird unterzeichnet. (5) Der endgültige Verkaufvertrag wird unterschrieben. (6) Das Kartellamt teilt die Freigabe der Transaktion mit. (7) Die Transaktion wird als vollzogen gemeldet (der Unternehmensteil wurde transferiert). Es wird deutlich, dass klare Kriterien bzgl. des Ereignistermins aufgestellt werden müssen. Prinzipiell hängt die Kursreaktion von der Signifikanz der Meldung und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts ab.563 Da das Ziel der Untersuchung ein Vergleich der Desinvestitionsformen Selloffs und Unit Buyouts ist, sind alle Zeitpunkte, bei denen der spätere Käufer noch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, als Ereigniszeitpunkte ungeeignet. Die Ankündigung der Verkaufsabsicht oder die Auflistung verschiedener möglicher Bieter stellen somit keine passenden Ereignistermine dar. Es besteht die Möglichkeit, dass bei Verwendung eines späteren Ankündigungszeitpunktes die Höhe der abnormalen Rendite systematisch unterschätzt wird, da ein Teil der relevanten Information schon zu einem früheren Zeitpunkt verarbeitet wird. Es kann z.B. sein, dass bereits die erste Absichtserklärung, bei der noch kein Käufer bekannt ist, zu einem signifikanten Kurseffekt führt. Dieser enthält allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht den gesamten Bewertungseffekt. Zum einen fehlen entscheidende Bedingungen der Transaktion wie z.B. Verkaufspreis oder Art der Bezahlung. Zum anderen ist die Durchführung der Transaktion ungewiss.564 So kann es durchaus vorkommen, dass das Unternehmen kein attraktives Angebot für den zu verkaufenden Unternehmensteil erhält. Die Desinvestition wird dann scheitern oder aber eine wertvermindernde Transaktion darstellen. Legt man dagegen den Vollzugstag als Ereignistag fest, ist bereits ein Großteil der Informationen im Kurs verarbeitet und die abnormale Rendite wird ebenfalls systema-

563 564

Die Signifikanz einer Information wird wiederum von ihrer Neuartigkeit beeinflusst. Vgl. Hearth, D./Zaima, J.K. (1986), S. 73. Vgl. auch Berger, P. G./Ofek, E. (1999), S. 335. Die Autoren ermitteln signifikante Überrenditen sowohl zur ersten als auch zu späteren Veröffentlichungen von Fokussierungsereignissen.

122

4 Datengewinnung und Methodik

tisch unterschätzt.565 Optimalerweise sollte der Zeitpunkt als Ereigniszeitpunkt definiert werden, zu dem die Meldung eine hohe Signifikanz und die Transaktion eine große Durchführungswahrscheinlichkeit aufweist. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung werden zuerst zwei Zeitpunkte definiert (1) Spekulationsdatum: Der spätere Käufer wird als wahrscheinlicher Käufer genannt bzw. es finden bereits erste Verhandlungen mit dem späteren Käufer statt. (2) Ankündigungsdatum: Der Verkauf bzw. die Unterzeichnung eines MoU oder LoI werden veröffentlicht. In 61 der 286 Fälle (28 Selloffs, 33 Unit Buyouts) kann sowohl ein Spekulationsdatum als auch ein Ankündigungsdatum festgelegt werden. In 225 Fällen ist dagegen nur das Ankündigungsdatum vorhanden. Da die abnormale Rendite in [0,1] für die 61 Fälle bei Verwendung des Spekulationsdatums deutlich stärker ist als bei Verwendung des Ankündigungsdatums wird im Rahmen der empirischen Untersuchung durchgehend dieser frühere Termin als Ereignistag genutzt.566 Der Ereignistag ist demnach für die 61 Fälle, in denen es sowohl Spekulations- als auch Ankündigungsdatum gibt, das Spekulationsdatum und für die restlichen 225 Fälle das Ankündigungsdatum. Bei 69% der Selloffs und bei 65% der Unit Buyouts ist der so festgelegte Ereignistag identisch mit dem SDC-Ankündigungstermin. In jeweils 24% liegt das Faktiva Ankündigungsdatum zeitlich vor dem SDC-Datum, in 7% der Selloffs und 11% der Buyouts ist es später als das SDC-Datum. 9 Transaktionen werden zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezogen. Da dies den Kurseffekt am Ereignistag nicht beeinträchtigt, werden die Transaktionen in der Untersuchungsgruppe belassen.567 In der Regel findet die Veröffentlichung einer Nachrichtenagentur einen Tag vor der Veröffentlichung in einer Tageszeitung statt. Der Veröffentlichungstag der Nachrichtenagentur wird als Tag [0] definiert. Da in den Veröffentlichungen jedoch keine genauen Uhrzeiten genannt sind, ist nicht klar, ob die Veröffentlichung vor, während oder nach der offiziellen Handelszeit erfolgte. Um den vollen Kurseffekt abzudecken, wird deshalb der Tag [1] mit in die Ereignisperiode einbezogen. Damit ist ebenfalls gewährleistet, dass Reaktionen von Privatanlegern, die eventuell keinen Zugriff auf Echtzeit-Meldungen der Nachrichtenagenturen haben, ebenfalls in die Ereignisperiode [0,1] fallen.

565

566 567

Vgl. z.B. Hearth, D./Zaima, J.K. (1986), S. 77. Die Autoren finden einen signifikanten Kurseffekt für das Announcement Date und einen nicht signifikanten Kurseffekt für das Completion Date. Vgl. auch Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 240. Die Autoren ermitteln einen deutlich stärkeren Kurseffekt zum Announcement Date im Vergleich zum Completion Date. Allerdings sind beide Kurseffekte signifikant. Die abnormalen Renditen für diese 62 Fälle werden in Kapitel 5.2 genauer dargestellt. Vgl. Hite, G./Owers, J./Rogers, R. (1987), S. 240.

123

4 Datengewinnung und Methodik

4.2.3 Ermittlung der Analyse-Variablen Alle verwendeten Analyse-Variablen stammen aus vier Datenquellen: (1) SDC PlatinumTM, (2) Datastream, (3) Faktiva, (4) Deutsche Bank Research. Aus der Deal-Datenbank SDC PlatinumTM werden folgende transaktionsspezifische Daten generiert: Transaktionsgröße, Umsatz der Zielfirma, Nationalität von Verkäufer, Zielfirma und Käufer, Industrie von Verkäufer, Zielfirma und Käufer, operatives Ergebnis der Zielfirma und Beteiligung des Managements bei Unit Buyouts. Industriebezeichnungen liegen in verschiedenen Granularitätsstufen vor. Für Verkäufer und strategische Käufer liegen jeweils alle Makro- und MidIndustrien vor. Für die Zielfirma liegt die Haupt-Makro- bzw. Mid-Industrie vor. Die Einteilung in Makro- und Mid-Industrien wurde von Thomson Financial entwickelt. Insgesamt gibt es 13 Makro- und 87 Mikro-Industrien. Diese gibt Tabelle 4.1 wieder. Makro-Industrie High Technology Telecommunications Media and Entertainment Energy and Power Materials Retail Healthcare Financials Real Estate Industrials Consumer Staples Consumer Products and Services Government and Agencies

Mid-Industrien Software, Hardware, IT Consulting and Services, Computers and Peripherals, Electronics, Semiconductors, Internet Software and Services, Internet Infrastructure, E-commerce/ B2B, Other High Technology Telecommunications Services, Wireless, Space and Satellites, Telecommunications Equipment, Towers, Other Telecom Cable, Broadcasting, Publishing, Advertising and Marketing, Motion Pictures/ Audio Visual, Recreation and Leisure, Casinos and Gaming, Hotels and Lodging, Other Media and Entertainment Oil and Gas, Power, Pipelines, Alternative Energy Sources, Water and Waste Management, Other Energy and Power Metals and Mining, Chemicals, Construction Materials, Containers and Packaging, Paper and Forest Products, Other Materials Apparel Retailing, Automotive Retailing, Food and Beverage Retailing, Computers and Electronics Retailing, Home Improvement Retailing, Internet and Catalog Retailing, Other Retailing Biotechnology, Pharmaceuticals, Healthcare Providers and Services, Healthcare Equipment and Supplies, Hospitals, Other Healthcare Insurance, Brokerage, Asset Management, Banks, Diversified Financials, Other Financials REITs, Residential, Non Residential, Real Estate Management and Development, Other Real Estate Automobiles and Components, Transportation and Infrastructure, Industrial Conglomerates, Aerospace and Defense, Building/Construction and Engineering, Machinery, Other Industrials Agriculture and Livestock, Tobacco, Food and Beverage, Household and Personal Products, Textiles and Apparel, Other Consumer Staples Home Furnishings, Travel Services, Legal Services, Employment Services, Educational Services, Professional Services, Rental and Leasing Services, Other Consumer Services Governments, Agencies, Public Administration, Public Justice and Safety, Other Government and Agencies

Tabelle 4.1: Einteilung Makro- und Mid-Industrien

124

4 Datengewinnung und Methodik

Für Verkäufer und strategische Käufer liegen weiterhin alle 4-stelligen SIC Codes vor.568 Makro- und Mid-Industrien sind mit den SIC Codes verlinkt, so dass mit den 13 Makro-, 87 Mid- und 1020 SIC-Industrien eine 3-stufige Granularität existiert. Sämtliche Bilanz- und Erfolgskennzahlen werden aus der Datenbank Datastream Worldscope generiert. Worldscope ist eine Bilanzdatenbank, die Daten für ca. 30.000 Unternehmen aus 53 Ländern umfasst. Umfassende Informationen liegen seit 1987 vor. Worldscope stellt die Daten in einem standardisierten globalen Format bereit, d.h. es finden Anpassungen für Unterschiede in Rechnungslegungsstandards in verschiedenen Ländern statt. Die Datenbank eignet sich somit besonders gut für Verwendung mit länderübergreifenden Stichproben. Die finanzielle Situation des Verkäufers wird mit dem Verschuldungsgrad (Fremdkapital/Eigenkapital) und dem Interest Coverage (EBIT/Zinsausgaben) abgedeckt. Das Quick Ratio (Liquidität 2. Grades: Flüssige Mittel + Kurzfristige Forderungen / kurzfristige Verbindlichkeiten) wird als Proxy für die Liquidität des Unternehmens verwendet. Die Profitabilität des Unternehmens wird durch die Kennzahlen Return on Equity (ROE) abgebildet. Das Market to Book (MTB) Ratio (Marktwert des Eigenkapitals/Buchwert des Eigenkapitals) dient als Proxy für die Bewertung des Unternehmens. Die Marktkapitalisierung wird bei Existenz mehrerer Aktiengattungen durch Addition der Submarktkapitalisierungen gebildet und 30 Tage vor dem Ereignistag berechnet. Bei der Verwendung von Finanz- bzw. Erfolgskennzahlen werden Financials und Real Estate Firmen aus den jeweiligen Stichproben ausgeschlossen. Die Daten sind bei diesen Unternehmen in der Regel nicht mit denen anderer Unternehmen vergleichbar, so dass sich Verzerrungen nicht ausschließen lassen. In der finalen Stichprobe befinden sich 19 Finanzinstitute und 4 Real Estate Unternehmen. Aus den Faktiva Artikeln wird insbesondere die Verwendung der Mittel erhoben. Diese wird in "Schuldenreduktion", "Ausschüttung an die Aktionäre" und "Mitteleinbehalt für Investitionen" unterteilt. Zusätzlich werden Informationen zur Profitabilität des Zielunternehmens gesammelt. Außerdem wird die öffentliche Bekanntgabe des Verkaufspreises überprüft. Prinzipiell ist der Verkaufspreis zwar in der Deal-Datenbank SDC PlatinumTM verfügbar. Es ist jedoch nicht eindeutig, zu welchem Zeitpunkt der Verkaufspreis öffentlich gemacht wurde. Durch Recherche innerhalb der Faktiva-Artikel lässt sich überprüfen, ob der Verkaufpreis tatsächlich bereits am Ereignistag bekannt gegeben wurde. Die reale Entwicklung des BSP entstammt für alle Länder und Jahre aus Quellen von Deutsche Bank Research.

568

Standard Industrial Classification (SIC) Codes werden vom US Department of Commerce zur Bracheneinteilung sämtlicher amerikanischer Unternehmen benutzt.

125

4 Datengewinnung und Methodik

4.3

Methodik von Ereignisstudien

4.3.1 Informationseffizienz als Vorraussetzung Ereignisstudien sind eine häufig genutzte Methode, um die Auswirkungen von Ereignissen auf den Firmenwert zu bestimmen. Nimmt man als gegeben an, dass sich der Markt rational verhält und zukünftige Cashflows zur Unternehmenswertbestimmung diskontiert, so ist der gesamte ökonomische Effekt eines Ereignisses an der Wertveränderung der Aktie innerhalb einer kurzen Zeitspanne um den Ereignistag ablesbar. Ereignisstudien haben eine lange Vergangenheit. Dolley's (1933) Untersuchung von Kurseffekten bei Aktienteilungen gilt als erste veröffentlichte Ereignisstudie.569 Danach wurde die Methodik kontinuierlich weiterentwickelt. Ball/Brown (1968) und Fama/Fisher/Jensen/Roll (1969) entwickelten die EreignisstudienMethodik, die im Wesentlichen noch heute Verwendung findet.570 Bowman (1983) unterscheidet vier verschiedene Zielsetzungen von Ereignisstudien: (1) Untersuchung der mittelstrengen Informationseffizienz von Märkten. (2) Bestimmung von Gleichgewichtsmodellen. (3) Überprüfung des Informationsgehaltes von Ereignissen. (4) Bestimmung von erklärenden Variablen.571 Untersuchungsgegenstand der ersten Zielsetzung ist die Informationseffizienz des Kapitalmarktes. Das Konzept der Informationseffizienz beruht auf der Arbeit von Fama (1970), der drei Arten der Informationseffizienz beschreibt:572 (1) Schwache Informationseffizienz In Wertpapierpreisen sind alle Informationen aus der Kursentwicklung der Vergangenheit enthalten. Marktteilnehmer können durch Analyse vergangener Kursentwicklungen (technische Analyse) keinen zusätzlichen Gewinn generieren. (2) Mittelstrenge Informationseffizienz Zusätzlich zu Informationen aus vergangenen Kursen sind alle öffentlich verfügbaren Informationen in den Wertpapierpreisen enthalten. Marktteilnehmer können weder mit fundamentaler Analyse von Unternehmensdaten noch durch Reaktion auf öffentliche Meldungen einen zusätzlichen Gewinn generieren. Bei Eintreffen einer neuen Nachricht passen sich Kurse unendlich schnell an, da alle Investoren die Informationen zur gleichen Zeit erhalten und sofort agieren. Tests

569 570 571 572

Vgl. Dolley, J. C. (1933), S. 316-326. Vgl. Ball, R./Brown, P. (1968), S. 159-187, Fama, E. F./Fisher, L./Jensen, M. C./Roll, R. (1969), S.1-21. Vgl. Bowman, R. G. (1983), S. 562. Vgl. Fama, E. F. (1970), S. 383.

126

4 Datengewinnung und Methodik

der mittelstrengen Informationseffizienz beschäftigen sich mit der Frage, wie schnell Marktpreise neue Informationen beinhalten.573 (3) Strenge Informationseffizienz Neben Informationen aus vergangenen Kursen und öffentlichen Informationen sind auch sämtliche nicht öffentlich bekannte Informationen (Insiderinformationen) in den Wertpapierpreisen enthalten. Marktteilnehmer mit Insiderinformationen können dadurch keinen zusätzlichen Gewinn generieren. Ereignisstudien testen die Hypothese der mittelstrengen Informationseffizienz, indem sie analysieren, wie schnell der Markt auf relevante Informationen reagiert. Ein Informationsgehalt der untersuchten Ereignisse ist notwendige Annahme bei der Überprüfung der Informationseffizienz. Ereignisstudien können aber auch Hinweise auf das Vorhandensein strenger Informationseffizient geben, indem sie Kursreaktionen vor Bekanntgabe neuer Informationen analysieren, die eventuell auf Insiderinformationen zurückgehen. Untersuchungsgegenstand der zweiten Zielsetzung ist die Bestimmung eines optimalen Gleichgewichtsmodells, das die Erwartungsbildung der Marktteilnehmer am besten beschreibt.574 Die Hauptzielsetzung dieser Untersuchung stimmt mit der dritten (Überprüfung des Informationsgehaltes von Ereignissen) und vierten (Bestimmung von erklärenden Variablen) Zielsetzung überein. Eine sinnvolle Interpretation der Ergebnisse setzt eine möglichst effiziente Informationsverarbeitung der untersuchten Märkte voraus.575 Nur wenn Informationen hinreichend schnell verarbeitet werden, ist der ökonomische Effekt von Unternehmensentscheidungen in einem kurzen Ereignisfenster beobachtbar. Die Gefahr einer Verfälschung der Ergebnisse durch Confounding News nimmt dann ab. Prinzipiell kann man auch in Kontinentaleuropa von einer hinreichend schnellen Informationsverarbeitung ausgehen. Röder (1999) vermag beispielsweise in seiner empirischen Untersuchung von Kursreaktion auf Ad-hoc Nachrichten in Deutschland die Nullhypothese halbstrenger Informationseffizienz für DAX-Werte nicht abzulehnen. Für MDAX- und Nebenwerte lehnt er dagegen eine mittelstrenge Informationsverarbeitung ab. Hier kommt es zu signifikanten Kurseffekten an den Tagen nach Meldungsveröffentlichung. Trotzdem ist auch bei diesen Werten der gesamte Kurseffekt innerhalb weniger Tage um den Ereigniszeitpunkt zu beobachten.576 Eichinger (2001) ermittelt eine Informationsverarbeitung bei Selloffs, die die Hypothese der halbstrengen Informationseffizienz bestätigt.577 Die Vorrausset573 574 575 576 577

Vgl. Fama, E. F. (1991), S. 1576. Vgl. Röder, K. (1999), S. 16. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 137. Vgl. Röder, K. (1999), S. 213-226. Vgl. Eichinger, A. (2001), S. 145-147.

127

4 Datengewinnung und Methodik

zungen für das Gelingen einer Ereignisstudie lassen sich daher für Kontinentaleuropa als gegeben ansehen. 4.3.2 Berechnung abnormaler Renditen Ziel der Ereignisstudie ist die Ermittlung der Kursreaktion auf die Ankündigung einer Unternehmensentscheidung. Anhand der Ankündigungsreaktion ist der ökonomische Wert der Unternehmensentscheidung beurteilbar. Die Messung der Ankündigungsreaktion geschieht anhand des Konzeptes der Überrendite bzw. abnormalen Rendite. Zur Berechnung der abnormalen Rendite gilt es zunächst eine normale Rendite für den Ereigniszeitraum zu schätzen. Die normale Rendite bestimmen Faktoren, die vom Ereignis unabhängig sind. Die abnormale Rendite wird dann berechnet, indem die normale oder erwartete Rendite von der beobachteten Rendite im Ereigniszeitraum abgezogen wird. Damit wird der Einfluss von Faktoren, die vom Ereignis unabhängig sind, ausgeschlossen. Die abnormale Rendite ist somit diejenige Rendite, die sich auf das Ereignis zurückführen lässt. Nach Festlegung der zu untersuchenden Ereignisse und Ermittlung der Ereigniszeitpunkte werden somit im ersten Schritt die erwarteten Renditen für die verkaufenden Unternehmen geschätzt. Grundsätzlich lassen sich faktorlose Modelle, Einfaktorenmodelle und Mehrfaktorenmodelle zur Schätzung erwarteter Renditen unterscheiden.578 Faktorlose Modelle werden bei Ereignisstudien relativ häufig genutzt. Bekannte Varianten sind das Modell mittelwertbereinigter Renditen und das Modell marktbereinigter Renditen.579 Das Modell mittelwertbereinigter Renditen geht davon aus, dass die erwartete Rendite einer Aktie im Untersuchungszeitraum konstant ist. Die erwartete Rendite wird berechnet als Mittelwert der Renditen einer Aktie in der Schätzperiode.580 Die Methode marktbereinigter Renditen besagt, dass die erwartete Rendite aller Aktien identisch ist und der Rendite des Marktes entspricht.581 Sie ist somit nicht konstant wie bei der Methode mittelwertbereinigter Renditen, sondern schwankt mit der Marktrendite.582 Das Mo-

578 579 580

581

582

Vgl. Röder, K. (1999), S. 23-32. Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 154-156, Röder, K. (1999), S. 29-32. Diese Methode wird bei Ereignisstudien zu Desinvestitionen von Rosenfeld, J. (1984), Alexander, G. J./Benson, P. G./Kampmeyer, J. M. (1984), Zaima, J, K./Hearth, D. (1985), Hearth, D./Zaima, J.K. (1986), Hirschey, M./Slovin, M.B./Zaima, J.K. (1990), Lasfer, M. A./Sudarsanam, P. S./Taffler, R. J. (1996) verwendet. Das Modell marktbereinigter Renditen kann somit als Sonderfall des Marktmodells mit D i = 0;

E i = 1 verstanden werden. Diese Methode wird bei Ereignisstudien zu Desinvestitionen von Denning, K.C./Shastri, K. (1990), Guedes, J./Parayre, R. (1997) verwendet.

128

4 Datengewinnung und Methodik

dell marktbereinigter Renditen wird meist nur in Fällen limitierter Datenverfügbarkeit verwendet, da es keiner Schätzperiode bedarf.583 Die wichtigsten Einfaktorenmodelle stellen das Capital Asset Pricing Model (CAPM)584 und das aus dem CAPM abgeleitete Marktmodell dar585. Das CAPM wurde hauptsächlich in den 70er Jahren als Erklärungsmodell normaler Renditen eingesetzt. Da seit dieser Zeit jedoch immer wieder Abweichungen vom Capital Asset Pricing Model entdeckt wurden,586 hat sich das Marktmodell gegenüber dem CAPM bei den Einfaktormodellen klar durchgesetzt.587 Das Ziel bei der Verwendung von Mehrfaktorenmodellen ist eine zusätzliche Reduktion der Varianz der abnormalen Renditen, indem ein größerer Teil der Varianz der beobachteten Renditen erklärt wird. Dies kann zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, signifikante Kurseffekte zu erkennen, führen.588 Bekannte Mehrfaktorenmodelle sind das Arbitrage Pricing Theory (APT)589 Modell und das Dreifaktorenmodell von Fama/French (1993). Beim APT-Modell wird das systematische Risiko mehrdimensional gemessen. Es hängt von mehreren makroökonomischen Faktoren ab, die nicht beschrieben werden. Das unsystematische Risiko ist wie beim CAPM diversifizierbar und hat keinen Einfluss auf die erwartete Wertpapierrendite. Das Dreifaktorenmodell enthält neben dem Marktrisikofaktor des CAPM einen Größenfaktor und einen Bewertungsfaktor als erklärende Variablen.590 Andere Mehrfaktorenmodelle schließen beispielsweise Branchenindizes zusätzlich zum Marktindex als erklärende Faktoren mit ein.591 Mehrfaktorenmodelle erhöhen die Komplexität bei der Durchführung von Ereignisstudien, ohne signifikante Verbesserungen zu erzielen. Die verwendeten Faktoren haben in der Regel nur eine geringe zusätzliche Erklärungskraft, so dass die Varianz der abnormalen Renditen nur geringfügig verbessert wird.592 Mehrfaktorenmodelle finden daher nur selten im Rahmen von Ereignisstudien Verwendung. Mehrheitlich kommt das Marktmodell zur Schätzung der erwarteten Renditen zum Einsatz. Ihm wohnt gegenüber dem ebenfalls häufig genutzten Modell mittelwertbereinigter Renditen der Vorteil inne, dass sich die Varianz der abnormalen Renditen dadurch reduzieren lässt, dass der Teil der Aktienrendite wegfällt,

583 584 585 586 587 588 589 590 591 592

Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 156. Vgl. Sharpe, W. F. (1964), S. 425-442, Lintner, J. (1965), S. 13-37. Vgl. Sharpe, W. F. (1963), S. 277-293. Für eine Übersicht über empirische Tests des CAPM in Deutschland vgl. Eichinger, A. (2001), S. 100. Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 156. Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 155. Vgl. Ross, S. A. (1976), S. 341-360. Vgl. Fama, E./French, K. (1993), S. 7-10. Vgl. Sharpe, W. F. (1970). Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 156.

129

4 Datengewinnung und Methodik

der durch Schwankungen des Marktes erklärt werden kann. Das Marktmodell wird daher auch in dieser Studie zur Schätzung der erwarteten Rendite verwendet. Renditen werden in dieser Untersuchung nach Gleichung (4.9) als diskrete, tägliche Renditen berechnet.593 (4.9)

R it ( Pit  Pit 1 ) / Pit 1

mit:

Rit

= Rendite der Aktie i zum Zeitpunkt t

Pit

= bereinigter Kurs des Wertpapiers i zum Zeitpunkt t594

Das Marktmodell nimmt an, dass die Rendite einer Aktie durch eine lineare Beziehung ausschließlich von der Rendite des Marktes abhängt. Eine gemeinsame Veränderung von einzelnen Wertpapierpreisen liegt einzig in der gemeinsamen Veränderung mit dem Marktportfolio begründet. Rit

mit: D i

(4.10)

D i  E i ˜ Rmt  H it

= von der Marktrendite unabhängiger Renditebestandteil der Aktie i

Ei

= Parameter für die Sensitivität der Aktie i von der Marktrendite

Rmt

= Marktrendite zum Zeitpunkt t

H it

= Störvariable der Regression mit E (H it ) 0 und Var (H it ) V H2

it

Das Marktmodell beruht auf der zentralen Annahme, dass die Störgrößen und die Aktienrenditen unabhängig und identisch normalverteilt sind. Eine Abhängigkeit der Störgrößen untereinander im Querschnitt (Korrelation)595 sowie im Zeitablauf (Autokorrelation) wird ebenso ausgeschlossen wie Korrelationen der Störgrößen zur Marktrendite. Dann werden die Parameter Įi und ȕi mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate (OLS-Schätzung) erwartungstreu und effizient geschätzt.596 Die Schätzperiode zur Bestimmung der Regressionskoeffizienten Įi und ȕi umfasst 200 Kurstage von t 215 bis t16 .

593

594 595 596

Die Verwendung stetiger Renditen in Ereignisstudien führt zu einer Unterschätzung der tatsächlichen durchschnittlichen abnormalen Rendite. Röder (1999) argumentiert daher, dass bei der Durchführung von Ereignisstudien die Verwendung diskreter Renditen vorteilhaft ist. Vgl. Röder, K. (1999), S. 14-15. Allerdings haben stetige Renditen häufig den Vorteil, eher normalverteilt zu sein und eine geringere Heteroskedastizität aufzuweisen. Alle Kursdaten aus Datastream sind um Dividenden und Kapitalmaßnahmen bereinigt. Vgl. Ulschmidt, C. (1994), S. 35. Sind die Residuen im Querschnitt korreliert, so spricht dies für zusätzliche Erklärungsfaktoren, z.B. Brancheneinflüsse. Eine Parameterschätzung heißt erwartungstreu, wenn der Erwartungswert der Schätzstatistik den zugrunde liegenden Parameter ergibt, d.h. der richtige Wert wird weder systematisch über- noch unterschätzt. Eine erwartungstreue Schätzstatistik heißt effizient, wenn ihre Varianz für alle zugelassenen Verteilungen den kleinsten möglichen Wert annimmt, vgl. Fahrmeir, L./Künstler, R./Pigeot, I./Tutz, G. (2003), S. 365-373.

130

4 Datengewinnung und Methodik

METHODIK ZUR SCHÄTZUNG NORMALER RENDITEN Ereignisperiode

Schätzperiode t -215

t -15 Parameterschätzung

Rit

D i  E i ˜ Rmt  H it

t0

t 15

Schätzung normaler Renditen

E ( Rit ) Dˆ i  Eˆi ˜ Rmt

Source: Eigene Darstellung

Abbildung 4.6: Schätzung normaler Renditen

Bei drei Aktien stehen weniger als 200 Kurstage zur Verfügung, da die Unternehmen innerhalb kurzer Zeit vor der Desinvestition an die Börse gingen. Die verfügbaren Kurstage für diese 3 Aktien sind 180, 99 bzw. 41 Tage. Als Marktrenditen werden die Datastream Total Market Indizes für Deutschland, Frankreich, Niederlande, Schweiz und Schweden verwendet. Diese setzt Datastream so zusammen, dass sie mindestens 80% der lokalen Marktkapitalisierung umfassen. Sie beinhalten sowohl Standard- als auch Nebenwerte.597 Der potentielle Vorteil des Marktmodells gegenüber der Methode der mittelwertbereinigten Renditen liegt in der Fähigkeit begründet, die Varianz der abnormalen Renditen zu verringern. Dieser Vorteil hängt von der Höhe des Bestimmtheitsmaßes der Marktmodellregressionen ab. Je höher das Bestimmtheitsmaß ist, desto stärker ist die Varianz der abnormalen Renditen reduzierbar, da die Bestandteile der Renditen, die sich durch Marktschwankungen erklären lassen, entfernt werden.598 Die 286 Regressionen weisen ein durchschnittliches R2 von 21% auf. Auf dem Niveau D 10% sind 88% (84% bei D 5%) der Regressionen signifikant, d.h. die Marktrendite besitzt einen signifikanten Erklärungswert für die Aktienrenditen. Der mittlere Wert des Bestimmtheitsmaßes R2 und der hohe Anteil signifikanter Regressionen lassen einen Vorteil durch Verwendung des Marktmodells erwarten. Insignifikante Werte für Eˆi liegen größtenteils nahe am Wert null. In diesen Fällen wird somit de facto das Modell der mittelwertbereinigten Renditen angewandt.599

597

598 599

Zur Zeitpunkt der Analyse enthielten die Datastream Total Market Indizes 250 Werte für Deutschland und Frankreich, 130 Werte für Niederlande, 150 Werte für die Schweiz und 68 Werte für Schweden. Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 155. Nach Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 13, weist das Modell mittelwertbereinigter Renditen eine fast ebenso hohe Güte bei der Entdeckung abnormaler Kurseffekte auf wie das Marktmodell.

131

4 Datengewinnung und Methodik

Nach Schätzung der Regressionskoeffizienten können die erwarteten normalen Renditen in der Ereignisperiode nach Formel (4.11) berechnet werden. 600 E ( Rit ) Dˆ i  Eˆi ˜ Rmt

(4.11)

mit: Dˆ i , Eˆi = geschätzte Regressionskoeffizienten Die abnormalen Renditen in der Ereignisperiode werden dann als Differenz der beobachteten Renditen und der erwarteten Renditen ermittelt. ARit

mit:

ARit

Rit  E ( Rit )

Rit  (Dˆ i  Eˆi ˜ Rmt )

(4.12)

= abnormale Rendite der Aktie i am Tag t

Die Aggregation der Überrenditen erfolgt über die Dimensionen Zeit und Wertpapiere. Für eine Betrachtung der mehrtägigen Kursreaktion einer Aktie im Fenster [a,b] innerhalb der Ereignisperiode wird die kumulierte abnormale Rendite durch einfache Addition gebildet. 601 b

CARi >a , b @

mit:

¦ AR

(4.13)

it

t a

CARi ,>a ,b @ = Kumulierte abnormale Rendite der Aktie i im Zeitraum [a,b]

Die Aggregation innerhalb der Stichprobe erfolgt durch einfache Durchschnittsbildung. ARt

1 N

N

¦ AR

(4.14)

it

i 1

mit:

AR t = durchschnittliche Rendite der Stichprobe am Tag t N = Anzahl der Aktien in der Stichprobe Die Aggregation über beide Dimensionen erfolgt gemäß Formel (4.15): CAR >a ,b @

1 N ¦ CARi,>a,b @ N i1

b

¦ AR t a

t

1 N b ¦¦ ARit N i1t a

(4.15)

mit: CAR >a ,b @ = durchschnittliche kumulierte abnormale Rendite im Zeitraum [a,b]

600 601

Es handelt sich hierbei um einen bedingten Erwartungswert. Die diskrete Rendite über zwei aufeinanderfolgende Zeiträume entspricht nicht der Summe der diskreten Renditen über die Teilzeiträume. Es gibt mithin keine Additivität der diskreten Renditen. Der CAR geht allerdings von folgenden Annahmen aus: (1) Aufteilung der Betrachtungsperiode in T Teilperioden (2) Investition einer Geldeinheit in jeder der T Teilperioden (2) Gleichgewichtete Portfolios bei den Investitionen (4) Entnahme/Einlage von positiven/negativen Teilperioderenditen. Unter Berücksichtigung dieser Annahmen können die stetigen abnormalen Renditen zur Portfolioüberrendite aufaddiert werden. Da sich der CAR in der empirischen Forschung gegenüber dem Abnormal Performance Index durchgesetzt hat, findet er auch in dieser Arbeit Verwendung.

132

4 Datengewinnung und Methodik

4.3.3 Probleme bei Berechnung und Test der abnormalen Renditen Potentielle statistische Probleme können auf der Ebene der einzelnen Marktmodellregressionen und auf der Ebene der Signifikanztests auftreten. Die Existenz und der Umgang mit den wichtigsten potentiellen Problemen in dieser Untersuchung werden im Folgenden analysiert. 4.3.3.1 Verletzung der Normalverteilungsannahme Sowohl die Marktmodellregressionen als auch alle Varianten des parametrischen t-Tests gehen von der Annahme normalverteilter Residuen aus. Die OLS-Schätzfunktionen für Dˆ i und Eˆi des Marktmodells beruhen auf der Annahme normalverteilter Residuen Hˆit . Die einzelnen Marktmodellregressionen sollen danach untersucht werden, ob sie diese Annahmen des Marktmodells erfüllen. Zum Test der Normalverteilung der Störgrößen kommt der Test nach Jarque/Bera zum Einsatz.602 TJB

mit: TJB

ª S 2 ( K  3) 2 º L«  » 24 ¼ ¬6

(4.16)

= Teststatistik nach Jarque/Bera

L = Anzahl der Tage in der Schätzperiode S = Schiefe K = Kurtosis Die Jarque/Bera Teststatistik ist F 2 - verteilt mit zwei Freiheitsgraden.603 Die Nullhypothese einer Normalverteilung der Residuen wird auf dem 5% Signifikanzniveau in 257 der 286 (90%) der Marktmodellregressionen abgelehnt. Die Ablehnung ist allerdings unproblematisch, da die Schätzfunktionen für Dˆ i und Eˆi erwartungstreu und effizient bleiben.604 Aufgrund der hohen Anzahl der Beobachtungen in der Schätzperiode sind die Schätzfunktionen außerdem approximativ normalverteilt und die Teststatistiken für die Schätzfunktionen approximativ richtig.605 Kritischer ist die Normalverteilungsannahme bei Verwendung parametrischer Tests auf Signifikanz der Überrenditen. Die Verteilung täglicher Aktienrenditen weicht im Allgemeinen signifikant von einer Normalverteilung ab.606 Das glei602 603 604 605 606

Vgl. Jarque, C. M./Bera, A. L. (1980), S. 255-259. Poddig, T./Dichtl, H./Petersmeier, K. (2000), S. 321. Vgl. Coutts, J. A./Mills, T. C./Roberts, J. (1994), S. 149-171. Vgl. Fahrmeir, L./Künstler, R./Pigeot, I./Tutz, G. (2003), S. 482-484. Vgl. Fama, E. F. (1976), S. 21.

133

4 Datengewinnung und Methodik

che gilt nach Brown/Warner (1985) für tägliche Überrenditen einzelner Aktien.607 Der zentrale Grenzwertsatz sagt allerdings aus, dass sich die Verteilung der durchschnittlichen Überrenditen bei steigender Anzahl von Aktien der Normalverteilung annähert, falls die einzelnen Überrenditen im Querschnitt unabhängig und identisch verteilt sind.608 Brown/Warner (1985) bestätigen in einer Simulationsstudie die Vorhersagen des zentralen Grenzwertsatzes. Bei einer Samplegröße von 50 Wertpapieren scheint die Verteilung approximativ normalverteilt. Bei einer Samplegröße von 5 Wertpapieren weicht die Verteilung deutlich von der Normalverteilung ab.609 Gemäß den Erkenntnissen des zentralen Grenzwertsatzes können Stichproben ab einer Größe von 30 Wertapieren als approximativ normalverteilt angesehen werden. Da dies aber nur theoretisch gesichert ist, wird in der Untersuchung der Jarque/Bera Test auf Normalverteilung auf alle Teilstichproben angewendet. Lehnt der Test normalverteilte durchschnittliche Überrenditen ab, so wird ein nonparametrischer Test durchgeführt. 4.3.3.2 Thin-Trading Thin-Trading bezeichnet seltene bzw. unregelmäßige Börsenumsätze einzelner Aktien. Datastream stellt Aktienkurse grundsätzlich im 5-Tage-System (Mo-Fr) bereit. Kommt es bei einem Wertpapier an einem Handelstag zu keinem Umsatz, wird der Kurs des Vortages angezeigt. Die Rendite ist damit null. Kurse, die nicht auf Umsätzen beruhen (z.B. Taxe-Kurse), verwendet Datastream grundsätzlich nicht. Wie bereits in Kapitel 4.2.1 dargestellt, werden alle Aktien aus der Stichprobe ausgeschlossen, die an mehr als zwei Drittel der Handelstage keine Umsätze aufweisen. Thin-Trading führt dazu, dass Aktien- und Indexkurse nicht gleichzeitig auf externe Einflüsse reagieren (Non-Synchronous Trading). Dies verringert die Korrelation zwischen Aktien- und Indexrendite, so dass das Bestimmtheitsmaß der Marktmodellschätzungen verringert wird. Geringer Handel bei niedrig kapitalisierten Aktien kann auch in dieser Untersuchung als Ursache insignifikanter Marktmodellschätzungen angenommen werden. Thin-Trading kann zu zwei Problemen führen. Zum einen sind die OLSSchätzungen für den Eˆ -Faktor der Marktmodellregressionen nicht mehr erwartungstreu (sondern verzerrt) und nicht mehr konsistent. Empirische Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Eˆ -Schätzungen bei selten gehandelten Aktien nach unten und für häufig gehandelte Unternehmen nach oben verzerrt sind.610 Zum zweiten führt es zu Autokorrelation der Residuen der Marktmodellregressionen, da bei mehreren Tagen nacheinander ohne Umsatz die Rendite identisch

607 608 609 610

Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 9, Cowan, A. R./Sergeant, A. M. A. (1996), S. 1741. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 4. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 9-10. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 16.

134

4 Datengewinnung und Methodik

ist.611 Da das Problem der Autokorrelation im nächsten Kapitel genauer analysiert wird, wird an dieser Stelle nur auf das Problem der verzerrten Eˆ -Schätzung eingegangen. Zur Verbesserung der Marktmodellschätzungen bei geringem Handel schlagen Scholes/Williams (1977)612 und Dimson (1979)613 alternative Schätzmethoden für die Marktmodellparameter vor. In empirischen Studien führten beide Verfahren jedoch zu keiner Verbesserung von Spezifizierung bzw. Güte der Signifikanztests.614 Bei der Berechnung der kumulierten Überrenditen in der Ereignisperiode kommt es bei Existenz von Thin-Trading zu keiner Missspezifikation der Teststatistiken, falls die durchschnittliche Verzerrung der Überrenditen nahe null ist. Dies ist dann zu erwarten, wenn die Stichprobe aus Aktien mit einer repräsentativen Schwankungsbreite an Handelshäufigkeiten besteht und kein Clustering der Ereignisdaten vorliegt.615 Beide Vorraussetzungen sind in dieser Untersuchung erfüllt.616 Es ist somit nicht davon auszugehen, dass Thin-Trading in der empirischen Untersuchung zu einer Missspezifikation der Teststatistiken führt. Auf eine Anpassung für Thin-Trading wird daher verzichtet. 4.3.3.3 Autokorrelation Autokorrelation bezeichnet die Korrelation aufeinander folgender Residuen. Sie betrifft in erster Linie Längsschnitt-Regressionen mit Zeitreihen. Autokorrelation kann auf der Ebene der Marktmodellregressionen zu einer falschen Varianzschätzung der Regressionskoeffizienten und auf der Ebene der Signifikanztests zu einer falschen Varianzschätzung der kumulierten Überrenditen führen. Beide Fälle können eine fehlerhafte Signifikanzbeurteilung bewirken. Häufig wird Autokorrelation durch die Thin-Trading Problematik ausgelöst. Auf der Ebene der Marktmodellregressionen wird zur Überprüfung der Autokorrelation erster Ordnung617 der Residuen der Durbin-Watson Test angewendet. Die Durbin-Watson Teststatistik berechnet sich gemäß Formel (4.17).618 L

D

¦ (Hˆ

t

t 2

611 612 613 614

615 616 617

618

 Hˆt 1 ) 2

L

2 t

¦ Hˆ

(4.17)

t 1

Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 19. Vgl. Scholes, M./Williams, J. (1977), S. 309-327. Vgl. Dimson, E. (1979), S. 197-226. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 18, Cowan, A. R./Sergeant, A. M. A. (1996), S. 1744, Atchison, M. D. (1986), S. 343-348, Dyckman, T./Philbrick, D./Stephan, J. (1984), S. 1-30, McInish, T. H./Wood, R. A. (1986), S. 277-286, Jain, P. C. (1986), S. 76-96. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 16. Clustering Eigenschaften der Stichprobe werden in Kapitel 4.3.3.6 analysiert. Bei Autokorrelation erster Ordnung wird lediglich die Korrelation der Residuen in t und t-1 betrachtet. Eine Autokorrelation höherer j-ter Ordnung beschreibt die Korrelation der Residuen in t und t-j. Vgl. Poddig, T./Dichtl, H./Petersmeier, K. (2000), S. 303.

135

4 Datengewinnung und Methodik

Der Test lehnt bei 84 der 286 (29%) Marktmodellregressionen die Nullhypothese nicht vorhandener Autokorrelation der Residuen ab ( D =5%). Diese teilen sich auf in 49 positive und 35 negative Autokorrelationen. Bei positiver Autokorrelation folgt mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auf ein positives (negatives) Residuum wieder ein positives (negatives) Residuum. Bei negativer Autokorrelation herrscht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass einem positiven (negativen) Residuum ein negatives (positives) Residuum) nachfolgt. Bei Autokorrelation sind die OLS-Schätzer jedoch weiterhin erwartungstreu und konsistent.619 Allerdings sind sie nicht mehr effizient. Weiterhin sind die Inferenzstatistiken zur Beurteilung der Signifikanz der Regressionskoeffizienten und der Gesamtregression (t- und F-Werte) inkorrekt spezifiziert.620 Brown/Warner (1985) stellen fest, dass Autokorrelation bei den individuellen Überrenditen auch zu Autokorrelation der durchschnittlichen Überrenditen führt.621 Auf der Ebene der Signifikanztests kann Autokorrelation bei mehrtägigen Ereignisperioden eine falsche Varianzschätzung der durchschnittlichen kumulierten Überrendite und damit eine Missspezifikation der Signifikanztests nach sich ziehen.622 Brown/Warner (1985) ermitteln keine signifikante Verbesserung der Testspezifikation durch Anpassungsmethoden für Autokorrelation.623 Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Autokorrelation nur eine geringe Rolle bei der Spezifikation von Ereignisstudien spielt.624 Da die OLS-Schätzer weiterhin erwartungstreu625 sind und die Teststatistiken auch ohne Anpassung gut spezifiziert sind, wird im Rahmen der empirischen Untersuchung auf eine Anpassung verzichtet. 4.3.3.4 Heteroskedastizität Heteroskedastizität bezeichnet eine nicht konstante Schwankung der Residuen. Im Unterschied zu Autokorrelation, die meist bei Zeitreihenregressionen zu beobachten ist, tritt sie häufig bei Querschnittsregressionen auf.626 Sie kann aber auch bei Zeitreihenregressionen auftreten, wenn die Residuen über die Zeit hinweg stärker oder schwächer schwanken. 619 620 621 622 623

624 625

626

Man spricht von konsistenten Schätzern, wenn die Varianz mit zunehmendem Stichprobenumfang gegen null tendiert, vgl. Fahrmeir, L./Künstler, R./Pigeot, I./Tutz, G. (2003), S. 369. Vgl. Poddig, T./Dichtl, H./Petersmeier, K. (2000), S. 295 f. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 19. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 19. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 20. Eine Verbesserung der Spezifikation des t-Tests findet nur bei Verwendung des Mittelwertmodells und starkem Clustering statt. Vgl. auch Berry, M. A./Gallinger, G. W./Henderson, G. V. (1990), S 75. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 19. Vgl. Löffler, Y. (2001), S. 145. Eine Korrektur der OLS-Schätzung der Marktmodell-Koeffizienten aufgrund von Autokorrelation führt nur zu minimalen Veränderungen der abnormalen Renditen im Ereigniszeitraum. Vgl. Poddig, T./Dichtl, H./Petersmeier, K. (2000), S. 308.

136

4 Datengewinnung und Methodik

Die Homoskedastizität der Marktmodellresiduen wird mit Hilfe des White Tests überprüft. Der White Test hat den Vorteil, dass er nicht auf der Annahme einer Normalverteilung der Residuen beruht. Grundsätzlich versucht der Test, die Residuenvarianz innerhalb einer Zeitreihe mit verschiedenen Erklärungsvariablen zu erklären. Die zu erklärende Residuenvarianz wird dabei durch die quadrierten OLS-Residuen repräsentiert. White (1980) schlägt vor, eine mögliche Heteroskedastizität mit den originären und quadrierten Erklärungsvariablen der zugrunde liegenden Regression sowie ihren jeweils paarweise Produkten zu erklären. 627 Bei einer linearen Einfachregression wie dem Marktmodell ergibt sich daraus folgende Regressionsgleichung. Hˆt2 D 0  E1 ˜ Rmt  E 2 ˜ Rmt2

(4.18)

Die White-Teststatistik greift auf das Bestimmtheitsmaß zur Berechnung der Prüfgröße zurück. W

L ˜ R2

(4.19)

Die Teststatistik folgt der F -Verteilung mit 2 Freiheitsgraden (da 2 erklärende Variablen). Die Überprüfung der einzelnen Marktmodellregressionen zeigt, dass in 53 Fällen (18%) die Nullhypothese einer Homoskedastizität der Residuen auf dem 5% Signifikanzniveau abgelehnt wird. Ein Verstoß gegen die Annahme homoskedastischer Residuen führt auf der Ebene der Marktmodellregressionen zu den gleichen Auswirkungen wie beim Auftreten von Autokorrelation. Die OLS-Schätzer sind nicht mehr effizient und die Inferenzstatistiken nicht mehr valide. Die OLS-Schätzer sind jedoch weiterhin erwartungstreu und konsistent. Eine Anpassung unterbleibt daher.628 Auf der Ebene der Signifikanztests ist eher das Problem einer QuerschnittHeteroskedastizität zwischen den einzelnen Überrenditen in der Ereignisperiode relevant. Dies führt dazu, dass Wertpapiere mit großer Varianz das Testergebnis dominieren.629 Zur Vermeidung dieses Problems wird im Rahmen des Signifikanztests eine Standardisierung der Überrenditen mit der Varianz vorgenommen.630 Dies wird in Kapitel 4.3.4.1 beschrieben. 2

627 628

629 630

Vgl. White, H. (1980), S. 817-838. Nimmt die Varianz der Residuen proportional mit der Größe der erklärenden Variablen zu bzw. ab, so kann eine Anpassung mittels Weighted Least Squares Schätzung (WLS) vorgenommen werden. Tritt Heteroskedastizität dagegen aufgrund von Phasen betragsmäßig großer bzw. kleiner Residuen auf (Volatility Clustering), so ist eine Anpassung durch Anwendung von ARCH-/GARCHModellen möglich. Vgl. Poddig, T./Dichtl, H./Petersmeier, K. (2000), S. 318. Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 258. Vgl. Patell, J. (1976), S. 256.

137

4 Datengewinnung und Methodik

4.3.3.5 Varianzerhöhung durch Ereignis Ein Ereignis kann zu einer Varianzerhöhung der Überrenditen in den Tagen um das Ankündigungsdatum führen.631 Man spricht von Event-Induced Variance Increase.632 Eine mögliche Varianzerhöhung kann auf der Ebene der Signifikanztests zu Problemen führen. Wird die Varianz bei Durchführung parametrischer t-Tests unterschätzt, so führt das zu einer zu häufigen Ablehnung der Nullhypothese, obwohl diese wahr ist (Fehler 1. Art).633 Auch in dieser Untersuchung ist die Varianz am Ereignistag bei Schätzung aus Querschnittdaten um 33% höher als bei Berechnung aus Längsschnittdaten der Schätzperiode. Das Ergebnis entspricht den Resultaten von Penman (1982) und Rosenstein/Wyatt (1990). Beide Autoren finden 1,2- bis 1,5-mal höhere Ereignisperioden-Standardabweichungen als Schätzperioden-Standardabweichungen.634 Der Varianzerhöhung im Ereignisfenster wird mit der Auswahl der Teststatistik Rechnung getragen. Ein t-Test auf Basis der Querschnitt-Standardabweichung ist im Fall einer Varianzerhöhung besser spezifiziert als ein t-Test, der die Standardabweichung aus Längsschnittdaten der Schätzperiode berechnet. 4.3.3.6 Clustering Unter Clustering versteht man die Überschneidung von Ereigniszeitpunkten (Zeit-Clustering) bzw. die Zugehörigkeit zur gleichen Branche (BranchenClustering) bei Elementen aus der Untersuchungsgruppe. Beide Arten des Clusterings führen auf der Ebene der Marktmodellregressionen zu einer Verletzung der zentralen Annahme der Unabhängigkeit der Residuen im Querschnitt. Die Korrelation der Residuen entsteht infolge zusätzlicher Renditeerklärungsfaktoren, die nicht im Marktmodell berücksichtigt werden.635 Gehören beispielsweise alle Unternehmen der gleichen Branche an, so ist es wahrscheinlich, dass Branchenfaktoren neben der Marktrendite einen gewissen Erklärungsgehalt besitzen.636 Auf der Ebene der Signifikanztests bewirkt die Korrelation der Überrenditen eine systematische Unterschätzung der Varianz der durchschnittlichen Überrenditen, falls der Test Unabhängigkeit im Querschnitt annimmt. Dies führt zu einer Missspezifikation des Signifikanztests, da die Nullhypothese zu häufig abge-

631 632 633 634 635 636

Vgl. Dann, L. (1981), S. 113-138, Penman, S. (1982), S. 479-503, Kaley, A./Lowenstein, U. (1985), S. 423-450 , Rosenstein, S./Wyatt, J. G. (1990), S. 175-192. Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 254. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 23. Vgl. Penman, S. (1982), S. 479-503, Rosenstein, S./Wyatt, J. G. (1990), S. 175-192. Vgl. Ulschmidt, C. (1994), S. 35. Vgl. Sharpe, W. F. (1970).

138

4 Datengewinnung und Methodik

lehnt wird, wenn sie richtig ist.637 Liegt andererseits keine Abhängigkeit vor, so ist die Fähigkeit eines Tests, der Abhängigkeit berücksichtigt, abnormale Renditen zu erkennen, signifikant verringert.638 In der vorliegenden Stichprobe sind die Ereigniszeitpunkte bei Selloffs ziemlich regelmäßig über den gesamten Betrachtungszeitraum 1990-2002 verteilt. Bei Unit Buyouts ist eine Zunahme am Ende der Betrachtungsperiode zu erkennen. Dies überrascht wegen der stark gestiegenen Bedeutung dieser Desinvestitionsform. Insgesamt kommen nur 15 von 286 Ankündigungstagen zweifach vor. Ein Zeit-Clustering kann damit als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt werden.639

Anzahl Selloffs

ZEITLICHE VERTEILUNG DER DESINVESTITIONEN 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Anzahl Buyouts

30 25 20 15 10 5 0

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 Source: Eigene Darstellung, SDC Platinum, Faktiva

Abbildung 4.7: Zeitliche Verteilung der Transaktionen

Die Branchen der verkaufenden Unternehmen sind über alle Branchen verteilt mit deutlichen Spitzen in den Bereichen Materials und Industrials.

637

638 639

Vgl. Dyckman, T./Philbrick, D./Stephan, J. (1984), S. 22-25, Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 20. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 21. Die Transaktionen sind ebenfalls sehr gleichmäßig über Monate und Wochentage verteilt, so dass auch Abhängigkeiten der Residuen wegen sonstiger Anomalien (z.B. Januar-Effekt) ausgeschlossen werden können.

139

4 Datengewinnung und Methodik

BRANCHENVERTEILUNG VERKÄUFER – MAKRO-INDUSTRIEN Anzahl der Transaktionen 35

Selloff

Buyout

Anzahl der Desinvestitionen

30 25 20 15 10 5

s

er P

ro

du

ct s

le s ta p

us tri al

er S C

on su m

In d C

on s

um

al s

st at e E

ea l

Fi na nc i

R

il

ar e

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R

ea l H

Te

H ig h Te ch le no co lo m M gy m ed un ia ic an at d i o En ns te rta En in m er en gy t an d Po we r M at er ia ls

0

Source: Eigene Darstellung

Abbildung 4.8: Branchenverteilung Verkäufer – Makro-Industrien

Für diese beiden Makro-Industrien werden nun die Häufigkeiten ihrer MidIndustrien analysiert. Es ist eine relativ gleichmäßige Verteilung zu beobachten. Die häufigste Mid-Industrie Chemicals stellt mit 27 Fällen weniger als 10% der gesamten Untersuchungsgruppe. Branchen-Clustering dürfte somit in dieser Untersuchung ebenfalls keine Rolle spielen. BRANCHENVERTEILUNG VERKÄUFER – MID-INDUSTRIEN Anzahl der Transaktionen 16

Selloff

Buyout

Anzahl der Desinvestitionen

14 12 10 8 6 4 2

ag in re g st Pr od uc ts er M ile at s er & ia Co ls m Tr po an ne sp In nt or du s t. st & ria In lC fra on st Ae r. gl ro om sp er ac at B e e ui s & ld D in ef g/ en C se on st r. & En g. M ac hi O ne th er ry In du st ria ls O th

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C

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C

C

on t

M et

al s

&

M in in

g

0

Source: Eigene Darstellung

Abbildung 4.9: Branchenverteilung Verkäufer – Mid-Industrien

140

4 Datengewinnung und Methodik

Die Untersuchung der durchgeführten Marktmodellregressionen unterstützt die Hypothese der Residuen-Unabhängigkeit. Auf dem 5% Signifikanzniveau sind wie bei korrekter Spezifikation des Signifikanztests erwartet nur ca. 5% der Residuen bivariat im Querschnitt korreliert. Die Untersuchung der korrelierten Residuen liefert keine Hinweise auf systematische Abhängigkeiten wie z.B. Brancheneinflüsse oder Größeneffekte. Es wird in dieser Untersuchung somit von Unabhängigkeit der Überrenditen im Querschnitt über verschiedene Aktien ausgegangen. Abbildung 4.10 fasst die potentiellen statistischen Probleme und ihre Behandlung im Rahmen der empirischen Untersuchung noch einmal zusammen.

MÖGLICHE PROBLEME BEI BERECHNUNG UND TEST DER ÜBERRENDITEN Auf Ebene von ... Marktmodellschätzungen

Signifikanztest

Problem vorhanden

Vorgehensweise zur Beseitigung

Problem vorhanden

Vorgehensweise zur Beseitigung

Ja1

Keine Anpassung, da unproblematisch2 Keine Anpassung, da keine Verbesserung3 Keine Anpassung, da keine Verbesserung auf Testebene5 Keine Anpassung5

Ja bei Na ,b @ ˆ S ( AR t )

CAR >a , b @ ˆ S (CAR >a ,b @ )

(4.20)

= Teststatistik des t-Tests für Tag t im Ereigniszeitraum = Teststatistik des t-Tests für Periode [a,b] im Ereigniszeitraum

Sˆ ( AR t ) = Standardabweichung der durchschnittlichen Überrendite Sˆ (CAR >a ,b @ ) = Standardabweichung der durchschnittlichen kumulierten

Überrendite Die Standardabweichung der durchschnittlichen Überrendite ist entweder aus Längs- oder aus Querschnittdaten ermittelbar. Beim Längsschnitt t-Test wird die Standardabweichung der durchschnittlichen Überrendite aus den durchschnittlichen Überrenditen in der Schätzperiode berechnet.642 Sˆ L ( AR t )

1 16 ¦ ( AR t  AR) 2 L  1 t 215

(4.21)

mit: AR Mittelwert der durchschnittlichen Überrenditen in der Schätzperiode Bei zeitlicher Unabhängigkeit der durchschnittlichen Überrenditen nimmt die Varianz der durchschnittlichen kumulierten Überrenditen linear mit der Länge der Untersuchungsperiode zu.643 Sˆ L (CAR >a ,b @ )

Sˆ L ( AR t ) ˜ d

mit: d = Anzahl der Tage im Ereignisfenster [a,b]

640 641 642 643

Vgl.Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 9. Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 162. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1980), S. 253. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 29.

142

(4.22)

4 Datengewinnung und Methodik

Sind die durchschnittlichen Überrenditen unabhängig in der Zeit und identisch normalverteilt, so ist die Teststatistik t-verteilt mit L-1 Freiheitsgraden. Bei 200 durchschnittlichen Überrenditen in der Regressionsperiode kann die t-Verteilung durch die Normalverteilung approximiert werden. Mit der Berechnung aus Längsschnittdaten berücksichtigt die Teststatistik potentielle Abhängigkeit der einzelnen Überrenditen im Querschnitt, nicht jedoch Autokorrelation der durchschnittlichen Überrenditen.644 Alternativ lässt sich die Standardabweichung der durchschnittlichen Überrenditen aus Querschnittdaten schätzen.645 Sind die individuellen Überrenditen ARit am Tag t im Querschnitt unabhängig und identisch verteilt, so ist die Teststatistik t-verteilt mit N-1 Freiheitsgraden.646 Bei N>30 kann die t-Verteilung wieder durch die Normalverteilung approximiert werden. Durch die Berechnung aus Querschnittdaten besteht die Gefahr einer Missspezifikation bei Abhängigkeit der einzelnen Überrenditen im Querschnitt, nicht jedoch Autokorrelation der durchschnittlichen Überrenditen im Zeitablauf. Die Berechnung der Standardabweichung erfolgt beim Querschnitt t-Test gemäß Formeln (4.23) und (4.24).647 N 1 ( ARit  ARt ) 2 ¦ N ( N  1) i 1

SˆQ ( ARt )

N 1 (CARi >a , b @  CAR >a , b @ ) 2 ¦ N ( N  1) i 1

SˆQ (CAR >a , b @ )

(4.23) (4.24)

Die Berechnung der Standardabweichung aus Querschnittdaten führt bei einer Erhöhung der Varianz als Reaktion auf das Ereignis zu einer besseren Spezifikation der Teststatistik als die Berechnung aus Längsschnittdaten. Der Längsschnitt t-Test unterschätzt in diesem Fall die tatsächliche Schwankung der durchschnittlichen Überrendite, so dass die Nullhypothese zu häufig abgelehnt wird, obwohl sie richtig ist. Bei Heteroskedastizität der Überrenditen im Querschnitt am Ereignistag sollte zuvor eine Standardisierung der Überrenditen stattfinden, damit das Ergebnis nicht durch Aktien mit hoher Varianz dominiert wird.648 SARit

SCARi ,>a ,b @

ARit Sˆ ( ARit ) ˜ Cit

CARi ,>a ,b @ Sˆ (CARi ,>a ,b @ ) ˜ Cit ˜ d

(4.25) (4.26)

mit: SARit = Standardisierte abnormale Rendite der Aktie i am Tag t 644 645 646 647 648

Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 8. Vgl. Campbell, J.Y./Lo, A.W./MacKinlay, A.C. (1997), S. 167. Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 259. Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 270. Vgl. Patell, J. (1976), S. 256.

143

4 Datengewinnung und Methodik

SCARit = Standardisierte kumulierte abnormale Rendite der Aktie i am Tag t Cit = Anpassungsfaktor für Varianzerhöhung in der Ereignisperiode649 16

1  1 / T  (( Rmt  Rm ) 2

Cit

¦ (R

mt

(4.27)

 Rm ) 2 )

t 215

Die Berechnung der Varianz erfolgt aus Längsschnittdaten der Schätzperiode. 1 16 ¦ ( ARit  AR i ) 2 L  1 t 215

Sˆ ( ARit )

(4.28)

Nach Standardisierung lässt sich die approximierte Teststatistik für den Standardisierten Residuen t-Test ermitteln. 650 N

TS ,t

N bzw. TS ,>a , b @

¦ SAR

it

i 1

N

¦ SCAR

it

N

(4.29)

i 1

Bei Unabhängigkeit und identischer Verteilung der Residuen im Querschnitt ist die Teststatistik normalverteilt bei großem N (N > 30).651 Boehmer/Musemeci/Poulsen (1991) nutzen ebenfalls standardisierte Renditen, passen ihren Test jedoch für den Fall einer Varianzerhöhung im Ereigniszeitraum an. Die Teststatistik ihres Standardisierten Querschnitt t-Test berechnet sich folgendermaßen:652 TSQ ,t

SAR t bzw. TSQ ,>a ,b @ ˆ S ( SAR t )

SCAR >a ,b @ Sˆ ( SCAR >a ,b @ )

(4.30)

Die Standardabweichung der standardisierten Überrenditen berechnet sich analog zu den Standardabweichungen im Querschnitt t-Test: Sˆ ( SAR t )

N 1 ( SARit  SAR t ) 2 ¦ N ( N  1) i 1 N 1 ( SCARi ,>a ,b @  SCAR >a ,b @ ) 2 ¦ N ( N  1) i 1

Sˆ ( SCAR >a ,b @ )

(4.31) (4.32)

649

Die Überrendite in der Ereignisperiode ist eine Out of Sample Vorhersage und hat daher eine höhere Varianz als die Residuen aus der Schätzperiode, vgl. Patell, J. (1976), S. 255-256.

650

Der eigentliche Nenner lautet

N

¦ ( L  2) /( L  4) . Bei großer Zahl der Tage in der Schätzperii

i

i 1

651 652

ode kann der Nenner durch N approximiert werden. Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 258. Die approximierte Statistik wird beispielsweise von Brown/Warner (1985) genutzt, vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 28. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 28. Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 270.

144

4 Datengewinnung und Methodik

Die Statistik nimmt ebenfalls Unabhängigkeit und identische Verteilung der Residuen im Querschnitt an und kann bei großen N (N > 30) als normalverteilt angesehen werden.653 (2) Nichtparametrische Tests Nichtparametrische Tests basieren auf keiner Annahme einer bestimmten Verteilung der zugrunde liegenden Variablen. Sie sind damit auch für kleinere Stichproben mit Na ,b @

Npˆ (1  pˆ ))

(4.33)

w = Anzahl der positiven (C)ARit in der Ereignisperiode pˆ = Anteil positiver Renditen aller Aktien in der Schätzperiode



mit:

cit

1 bei ARit > 0 und cit

1 N

N

1

16

¦ L ¦c

it

i 1

i t 215

(4.34)

0 sonst

Zur Berechnung des Rangplatztests nach Corrado werden in einem ersten Schritt die individuellen Überrenditen jeder Aktie in der Schätz- und Ereignisperiode der Größe nach absteigend sortiert und in Rangzahlen umgewandelt. Die kleinste abnormale Rendite hat somit den Rang 1. K it

653 654 655 656 657

Rang ( ARit ) , t

215,...,15

(4.35)

Vgl. Boehmer, E./Musumeci, J./Poulsen, A. B. (1991), S. 260. Vgl. Corrado, C. J. (1989), S. 385-395, Cowan, A. R./Sergeant, A. M. A. (1996), S.1731-1757, Cowan, A. R. (1992), S. 343-358. Vgl. Cowan, A. R. (1992), S. 343. Vgl. Brown, S. J./Warner, J. B. (1985), S. 24. Vgl. Cowan, A. R./Sergeant, A. M. A. (1996), S. 1737.

145

4 Datengewinnung und Methodik

Die Teststatistik berechnet sich analog zum Längsschnitt t-Test: 658 Z RG ,t Z RG ,>a ,b @

mit:

Kt K

Kt 

L  T 1 ˆ S ( K t ) bzw. 2

d (K 

L  T 1 ˆ ) S (K t ) ˜ d 2

(4.36) (4.37)

1 N ¦ K it Durchschnitt der Ränge über i Aktien zum Tag t N i1 1 1 N b ¦¦ K it Durchschnitt der Ränge über i Aktien und d Tage Nd i1t a

T = Anzahl der Tage in der Ereignisperiode Die Standardabweichung Sˆ ( K t ) wird geschätzt gemäß Formel (4.38:659 Sˆ ( K t )

15 L  T 1 1 ¦ ( K t  ( 2 )) 2 L  T  1 t 215

(4.38)

Die Teststatistik ist t-verteilt, kann aber wegen L + T = 231 durch die Normalverteilung approximiert werden. Der Rangplatztest nach Corrado setzt Unabhängigkeit der Überrenditen im Querschnitt voraus. Aus Abbildung 4.11 geht die Eignung der vorgestellten wichtigsten Signifikanztests für die gegebenen Bedingungen der Untersuchung hervor. Hieraus folgt die Auswahl der verwendeten Signifikanztests.

658

659

Vgl. Corrado, C. J. (1989), S. 388, Cowan, A. R. (1992), S. 346. Die Ränge der abnormalen Renditen sind per Konstruktion abhängig. Dies kann aber bei wenigen Tagen im Ereignisfenster vernachlässigt werden, vgl. Cowan, A. R. (1992), S. 346. Vgl. Corrado, C. J. (1989), S. 388.

146

4 Datengewinnung und Methodik

EIGNUNG SIGNIFIKANZTESTS1 Residuen mit QuerschnittHeteroskedastizität Angenommene Existenz in Untersuchung



Auswahl für Untersuchung

Kriterien Residuen mit QuerschnittAbhängigkeit

Erhöhung der Varianz durch Ereignis

Nein



Thin Trading



Parametrische Tests "Längsschnitt" t-Test

Nein (Typ 2)

Ja

Nein (Typ 1)

NA

"Querschnitt" t-Test

Nein (Typ 2)

Nein (Typ 1)

Nein (Typ 2)

NA

"Standardisierte Residuen" t-Test

Ja

Nein (Typ 1)

Nein (Typ 1)

Nein (Typ 1)

"Standardisierter Querschnitt" t-Test Nicht parametrische Test

Ja

Nein (Typ 1)

Ja

Ja

Rangplatztest

Ja

Nein (Typ 1)

Ja (Typ 1 klein)

Ja

Standardisierter Vorzeichentest

Ja

Nein (Typ 1)

Ja (Typ 1 klein)

Ja

1

Die Tabelle gibt an, ob ein Test für bestimmte Testbedingungen geeignet ist. Als ungeeignet gelten Tests, die die Nullhypothese für ein gegebenes Signifikanzniveau zu häufig ablehnen (Typ 1) und Tests, bei denen die Güte signifikant schlechter ist als bei der besten Alternative (Typ 2) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Armitage (1995), S. 41. Die Simulationsergebnisse stammen von Brown/Warner (1985), Boehmer/Musumeci/Poulsen (1991), Cowan/Sergeant (1996), Corrado (1989), Campbell/Wasley (1993), Giacotto/Sfiridis (1996)

Abbildung 4.11: Auswahl Teststatistiken

Der standardisierte Querschnittstest wird als parametrischer Test ausgewählt. Er ist der einzige Test, der bei Vorliegen von Querschnitt-Heteroskedastizität, Varianzerhöhung durch das Ereignis und Vorliegen von Thin-Trading gut spezifiziert ist. Die Annahme der Normalverteilung der durchschnittlichen Überrenditen wird für alle Stichproben mittels des Jarque/Bera Testes überprüft.660 Bei Ablehnung der Normalverteilungsannahme für die durchschnittlichen standardisierten Residuen wird der nicht-parametrische Rangplatztest verwendet. Bei N